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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62019CJ0383

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 29. April 2021.
    Powiat Ostrowski gegen Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny.
    Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Rejonowy w Ostrowie Wielkopolskim.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinie 2009/103/EG – Art. 3 Abs. 1 – Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrags – Umfang – Gebietskörperschaft, die ein Fahrzeug auf gerichtlichem Wege erworben hat – Zugelassenes Fahrzeug, das sich auf einem Privatgrundstück befindet und verschrottet werden soll.
    Rechtssache C-383/19.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2021:337

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    29. April 2021 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinie 2009/103/EG – Art. 3 Abs. 1 – Pflicht zum Abschluss eines Versicherungsvertrags – Umfang – Gebietskörperschaft, die ein Fahrzeug auf gerichtlichem Wege erworben hat – Zugelassenes Fahrzeug, das sich auf einem Privatgrundstück befindet und verschrottet werden soll“

    In der Rechtssache C‑383/19

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Sąd Rejonowy w Ostrowie Wielkopolskim (Rayongericht Ostrów Wielkopolski, Polen) mit Entscheidung vom 12. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 15. Mai 2019, in dem Verfahren

    Powiat Ostrowski

    gegen

    Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan, der Richter M. Ilešič, E. Juhász, C. Lycourgos und I. Jarukaitis (Berichterstatter),

    Generalanwalt: M. Bobek,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    des Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny, vertreten durch M. Piwińska, radca prawny,

    der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,

    der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller, M. Hellmann, E. Lankenau, U. Bartl und D. Klebs als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe, B. Sasinowska und S. L. Kalėda als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Dezember 2020

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Powiat Ostrowski (Landkreis Ostrów, Polen) (im Folgenden: Landkreis) und dem Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny (Versicherungsgarantiefonds, Polen) (im Folgenden: Garantiefonds) über die etwaige Pflicht des Landkreises zum Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags für ein Fahrzeug, das der Landkreis auf gerichtlichem Wege erworben hat und verschrotten lassen will.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3

    In den Erwägungsgründen 1 und 2 der Richtlinie 2009/103 heißt es:

    „(1)

    Die Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht [(ABl. 1972, L 103, S. 1)], die Zweite Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 1984, L 8, S. 17)], die Dritte Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 1990, L 129, S. 33)] und die Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie) [(ABl. 2000, L 181, S. 65)] wurden mehrfach und erheblich geändert. Aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, die vier genannten Richtlinien wie auch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 zur Änderung der Richtlinien [72/166], [84/5], 88/357/EWG und [90/232] des Rates sowie der Richtlinie [2000/26] über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 2005, L 149, S. 14)] zu kodifizieren.

    (2)

    Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Kfz-Haftpflichtversicherung) ist für die europäischen Bürger – sowohl für die Versicherungsnehmer als auch für die Opfer von Verkehrsunfällen – von besonderer Bedeutung. Sie ist auch für die Versicherungsunternehmen von erheblichem Interesse, weil ein wesentlicher Teil des Schadenversicherungsgeschäfts in der Gemeinschaft auf die Kfz-Haftpflichtversicherung entfällt. Die Kfz-Haftpflichtversicherung wirkt sich auch auf den freien Personen- und Kraftfahrzeugverkehr aus. …“

    4

    Art. 1 der Richtlinie 2009/103 enthält folgende Definitionen:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    1.

    ‚Fahrzeug‘ jedes maschinell angetriebene Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist, sowie die Anhänger, auch wenn sie nicht angekoppelt sind;

    4.

    ‚Gebiet, in dem das Fahrzeug seinen gewöhnlichen Standort hat‘

    a)

    das Gebiet des Staates, dessen amtliches Kennzeichen das Fahrzeug trägt, unabhängig davon, ob es sich um ein endgültiges oder vorläufiges Kennzeichen handelt, oder

    …“

    5

    Art. 3 („Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht“) Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 bestimmt:

    „Jeder Mitgliedstaat trifft vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 5 alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.“

    6

    Art. 4 der Richtlinie 2009/103, der die „Kontrolle der Haftpflichtversicherung“ betrifft, lautet:

    „Die Mitgliedstaaten verzichten auf eine Kontrolle der Haftpflichtversicherung bei Fahrzeugen, die ihren gewöhnlichen Standort im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats haben, und bei Fahrzeugen, die aus dem Gebiet eines anderen Mitgliedstaats in ihr Gebiet einreisen und ihren gewöhnlichen Standort im Gebiet eines Drittlandes haben. Die Mitgliedstaaten können jedoch nichtsystematische Kontrollen der Versicherung unter der Voraussetzung vornehmen, dass diese nicht diskriminierend sind und im Rahmen einer nicht ausschließlich der Überprüfung des Versicherungsschutzes dienenden Kontrolle stattfinden.“

    7

    Art. 5 („Ausnahmen von der Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht“) der Richtlinie 2009/103 sieht vor:

    „(1)   Jeder Mitgliedstaat kann bei bestimmten natürlichen und juristischen Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, die der betreffende Staat bestimmt und deren Namen oder Kennzeichnung er den anderen Mitgliedstaaten sowie der [Europäischen] Kommission meldet, von Artikel 3 abweichen.

    In diesem Fall trifft der von Artikel 3 abweichende Mitgliedstaat die zweckdienlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Schäden, die diesen Personen gehörende Fahrzeuge in diesem und in anderen Mitgliedstaaten verursachen, ersetzt werden.

    (2)   Jeder Mitgliedstaat kann bei gewissen Arten von Fahrzeugen oder Fahrzeugen mit besonderem Kennzeichen, die dieser Staat bestimmt und deren Kennzeichnung er den anderen Mitgliedstaaten sowie der Kommission meldet, von Artikel 3 abweichen.

    In diesem Fall gewährleisten die Mitgliedstaaten, dass die in Unterabsatz 1 genannten Fahrzeuge ebenso behandelt werden wie Fahrzeuge, bei denen der Versicherungspflicht nach Artikel 3 nicht entsprochen worden ist.

    …“

    8

    Art. 10 („Zuständige Stelle für die Entschädigungen“) Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2009/103 lautet:

    „Jeder Mitgliedstaat schafft eine Stelle oder erkennt eine Stelle an, die für Sach- oder Personenschäden, welche durch ein nicht ermitteltes oder nicht im Sinne von Artikel 3 versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen der Versicherungspflicht Ersatz zu leisten hat.“

    Polnisches Recht

    9

    Art. 10 Abs. 2 der Ustawa o ubezpieczeniach obowiązkowych, Ubezpieczeniowym Funduszu Gwarancyjnym i Polskim Biurze Ubezpieczycieli Komunikacyjnych (Gesetz über die obligatorische Versicherung, den Versicherungsgarantiefonds und das polnische Büro der Kraftfahrzeugversicherer) vom 22. Mai 2003 in ihrer auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits anwendbaren Fassung (Dz. U. 2018, Pos. 473) (im Folgenden: Gesetz über die obligatorische Versicherung) lautet:

    „Vor dem ordentlichen Gericht kann Klage auf Feststellung erhoben werden, ob die Versicherungspflicht erfüllt wurde.“

    10

    Art. 23 Abs. 1 des Gesetzes über die obligatorische Versicherung bestimmt, dass der Halter eines Kraftfahrzeugs verpflichtet ist, einen Vertrag über eine obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung abzuschließen, mit der Schäden, die sich aus dem Betrieb des in seinem Besitz befindlichen Kraftfahrzeugs ergeben, abgedeckt werden.

    11

    Art. 31 Abs. 3 des genannten Gesetzes bestimmt:

    „Im Falle des gesetzlichen Eigentumsübergangs oder der Eigentumsübertragung an einem zugelassenen Kraftfahrzeug, dessen Halter keine Haftpflichtversicherung abgeschlossen hat, obwohl er [durch dieses Gesetz] dazu verpflichtet war, ist der Halter, auf den das Eigentum an dem Fahrzeug übergegangen ist oder übertragen wurde, verpflichtet, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ab dem Zeitpunkt des Übergangs oder der Übertragung des Eigentums an dem Kraftfahrzeug, spätestens jedoch bis zu dem Zeitpunkt, zu dem das Kraftfahrzeug in Betrieb genommen wird, abzuschließen. ...“

    12

    In Art. 33 des genannten Gesetzes wird präzisiert, dass die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung u. a. zum Zeitpunkt der Abmeldung des Kraftfahrzeugs oder durch die Übergabe eines unvollständigen Fahrzeugs an ein Verschrottungs- oder Wiederverwertungsunternehmen endet, und zwar auf der Grundlage einer gemäß der Ustawa o recyklingu pojazdów wycofanych z eksploatacji (Gesetz über die Wiederverwertung von Altfahrzeugen) vom 20. Januar 2005 (Dz. U. 2018, Pos. 578) ausgestellten Bescheinigung über den Empfang eines unvollständigen Fahrzeugs oder auf der Grundlage eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten gleichwertigen Dokuments.

    13

    Gemäß Art. 84 Abs. 1 desselben Gesetzes ist der Garantiefonds das Organ, das befugt ist, die Einhaltung der Pflicht des Halters eines Kraftfahrzeugs zum Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags zu überwachen. Art. 88 Abs. 7 des Gesetzes verpflichtet denjenigen, der keinen solchen Vertrag abschließt, zur Zahlung einer Geldbuße an den Garantiefonds.

    14

    Die Ustawa Prawo o ruchu drogowym (Straßenverkehrsgesetz) vom 20. Juni 1997 in ihrer auf den Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits anwendbaren Fassung (Dz. U. 2018, Pos. 1990) nennt in ihrem Art. 130a die Voraussetzungen für die Entfernung eines Fahrzeugs auf Kosten seines Eigentümers. Art. 130a Abs. 10 Unterabs. 1 sieht vor:

    „Bei einem Fahrzeug, das unter den in Absatz 1 oder 2 genannten Umständen aus dem Verkehr gezogen wurde [insbesondere, wenn Parkvorschriften nicht eingehalten wurden oder wenn der technische Zustand des Fahrzeugs die Verkehrssicherheit gefährdet], beantragt der Starosta (Landrat) eine gerichtliche Entscheidung über die Sicherstellung des Fahrzeugs zugunsten des Powiat (Landkreis), wenn der Eigentümer oder eine von ihm bevollmächtigte Person das Fahrzeug trotz ordnungsgemäßer Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Zeitpunkt der Entfernung aus dem Verkehr abgeholt hat. Die Benachrichtigung enthält Informationen über die Folgen der Nichtabholung eines Fahrzeugs.“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    15

    Mit Entscheidung vom 16. Januar 2018 verfügte der Sąd Rejonowy w Ostrowie Wielkopolskim (Rayongericht Ostrów Wielkopolski, Polen) die Einziehung eines in Polen zugelassenen Fahrzeugs zugunsten des Landkreises gemäß dem in Art. 130a Abs. 10 des Straßenverkehrsgesetzes vorgesehenen Verfahren. Diese Entscheidung wurde am 7. Februar 2018 rechtskräftig, und zu dem Zeitpunkt wurde der Landkreis dessen Eigentümer.

    16

    Der Landkreis stellte einen Antrag auf Zustellung der genannten Entscheidung und einer Bescheinigung ihrer Rechtskraft sowie auf Erteilung der Vollstreckungsklausel. Diesen Anträgen wurde am 20. April 2018 stattgegeben. Da dieser Tag ein Freitag war, versicherte der Landkreis das Fahrzeug am nächsten Tag, an dem die Verwaltung geöffnet hatte, d. h. am Montag, den 23. April 2018.

    17

    Aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte geht hervor, dass das in Rede stehende Fahrzeug am 2. Mai 2018 von einem Sachverständigen begutachtet wurde. In diesem Gutachten wurde festgestellt, dass das Fahrzeug nicht in Betrieb genommen werden konnte, dass es sich in einem schlechten technischen Zustand befand, schrottreif war und einen Marktwert von 400 polnischen Zloty (PLN) (etwa 89 Euro) hatte.

    18

    Aufgrund des technischen Zustands beschloss der Landkreis, das Fahrzeug zu verschrotten. Daher wurde es zur Zerlegung einer Verschrottungsstelle übergeben, die seine Verschrottung bescheinigte. Auf der Grundlage der Bescheinigung wurde das Fahrzeug am 22. Juni 2018 abgemeldet.

    19

    Mit Schreiben vom 10. Juli 2018 informierte der Garantiefonds den Landkreis davon, dass er festgestellt habe, dass das genannte Fahrzeug bis zum 22. April 2018 nicht versichert gewesen sei und der Landkreis eine Geldbuße von 4200 PLN (etwa 933 Euro) zu entrichten habe, weil er seine Pflicht zum Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags im Zeitraum vom 7. Februar bis 22. April 2018 (im Folgenden: streitiger Zeitraum) verletzt habe.

    20

    Am 25. September 2018 hat der Landkreis beim Sąd Rejonowy w Ostrowie Wielkopolskim (Rayongericht Ostrów Wielkopolski), dem vorlegenden Gericht, Klage auf Feststellung erhoben, dass er im streitigen Zeitraum nicht verpflichtet gewesen sei, das Fahrzeug zu versichern. Insoweit macht der Landkreis zum einen geltend, dass er keinen Versicherungsvertrag habe abschließen können, bevor er am 20. April 2018 die Kopie der Einziehungsanordnung erhalten habe, und zum anderen, dass in diesem Zeitraum das Fahrzeug sich auf einem bewachten Parkplatz befunden habe und nicht verkehrstauglich gewesen sei, so dass kein Schaden durch seine Inbetriebnahme habe verursacht werden können.

    21

    Der Garantiefonds beantragt die Abweisung der genannten Klage, da der technische Zustand eines Fahrzeugs seiner Ansicht nach keine Bedeutung für die Pflicht der Halter von Kraftfahrzeugen habe, einen Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrag abzuschließen.

    22

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass Fahrzeuge, für die eine Einziehungsanordnung erlassen worden sei, einer technischen Untersuchung durch einen Sachverständigen unterzogen würden und dass ein Fahrzeug, das als nicht mehr betriebsbereit eingestuft werde, unter Verwendung eines Übergabeprotokolls einer Verschrottungsstelle zur Verschrottung übergeben werde, die eine Verschrottungsbescheinigung ausstelle, die die Grundlage der Abmeldung des Fahrzeugs darstelle.

    23

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass die in Art. 23 Abs. 1 des Gesetzes über die obligatorische Versicherung vorgesehene Versicherungspflicht unabhängig davon gelte, ob das betreffende Fahrzeug fahrtauglich sei oder wegen seines technischen Zustands, der seine Nutzung als Transportmittel ausschließe, zur Verschrottung bestimmt sei, und dass desgleichen die in Art. 31 Abs. 3 des Gesetzes vorgesehene Versicherungspflicht im Fall des Übergangs oder der Übertragung des Eigentums an einem zugelassenen Fahrzeug, dessen ursprünglicher Halter trotz seiner diesbezüglichen Pflicht keinen solchen Vertrag abgeschlossen habe, wie es in der bei ihm anhängigen Rechtssache der Fall sei, unabhängig davon gelte, ob das fragliche Fahrzeug als Transportmittel verwendet werden könne, und zwar selbst dann, wenn der neue Eigentümer beabsichtige, dieses Fahrzeug verschrotten zu lassen.

    24

    Zum Sachverhalt stellt das vorlegende Gericht zum einen fest, dass das in Rede stehende Fahrzeug während des gesamten streitigen Zeitraums auf einem bewachten Parkplatz abgestellt und wegen seines technischen Zustands jegliche Fortbewegung mit ihm ausgeschlossen gewesen sei. Zum anderen habe das Fahrzeug nach dem Willen seines Eigentümers verschrottet werden sollen, wozu es auch tatsächlich gekommen sei, da sein technischer Zustand als „schrottreif“ eingestuft worden sei.

    25

    In diesem Zusammenhang möchte das vorlegende Gericht wissen, ob sich die Pflicht zum Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags ausschließen lässt, wenn das betreffende Fahrzeug auf einem Privatgrundstück abgestellt ist, auf der Grundlage einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung zu Eigentum einer Gebietskörperschaft geworden ist, nicht verkehrstauglich ist und nach dem Willen seines Eigentümers verschrottet werden soll.

    26

    Insoweit möchte das vorlegende Gericht insbesondere unter Berücksichtigung des Urteils vom 4. September 2018, Juliana (C‑80/17, EU:C:2018:661), wissen, ob der Umstand, dass ein Fahrzeug verkehrstauglich ist und als Transportmittel genutzt werden kann, eine Voraussetzung für die Einstufung als „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 ist. Seiner Ansicht nach war der Landkreis aufgrund dieses Urteils nicht verpflichtet, eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung abzuschließen, da er schon zum Zeitpunkt des Erwerbs des in Rede stehenden Fahrzeugs keine Absicht gehabt habe, es in den Verkehr zu bringen, und da das Fahrzeug schon zu diesem Zeitpunkt und bis zu seiner Zerlegung weder fahrbereit gewesen noch zum Fahren bestimmt gewesen sei und daher seine Funktion als Transportmittel nicht habe erfüllen können. Gleichwohl sei der Landkreis nach Art. 31 Abs. 3 des Gesetzes über die obligatorische Versicherung verpflichtet gewesen, für das in Rede stehende Fahrzeug eine solche Versicherung abzuschließen.

    27

    Daher hat der Sąd Rejonowy w Ostrowie Wielkopolskim (Rayongericht Ostrów Wielkopolski) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist Art. 3 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen, dass die Pflicht zum Abschluss einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung selbst dann besteht, wenn eine Gebietskörperschaft – der Landkreis – auf der Grundlage einer Gerichtsentscheidung das Eigentum an einem Fahrzeug erworben hat und dieses Fahrzeug nicht verkehrstauglich ist, sich auf einem privaten Gelände, d. h. einem bewachten Parkplatz außerhalb öffentlicher Straßen, befindet und nach dem Willen seines Eigentümers verschrottet werden soll?

    2.

    Oder ist diese Bestimmung dahin auszulegen, dass unter diesen Umständen die Gebietskörperschaft als Eigentümerin des Fahrzeugs – unbeschadet der Haftung, die der Garantiefonds gegenüber geschädigten Dritten trägt – nicht zum Abschluss einer Versicherung verpflichtet ist?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur Zulässigkeit

    28

    Der Garantiefonds bestreitet, dass die Vorlagefragen zulässig sind. In dieser Hinsicht trägt er vor, dass sie insoweit, als sie den Status des Eigentümers des Fahrzeugs und die Art und Weise seines Erwerbs beträfen, in keinem Zusammenhang zur Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2009/103 stünden und in Wirklichkeit die Auslegung des nationalen Rechts beträfen und dass sie, soweit sie den technischen Zustand des Fahrzeugs, seinen Abstellort und die Absicht seines Eigentümers, es verschrotten zu lassen, beträfen, vom Gerichtshof bereits beantwortet worden seien, so dass sich ihre erneute Beantwortung erübrige.

    29

    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen ihm und den nationalen Gerichten ausschließlich Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, das die Verantwortung für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung zu übernehmen hat, im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls sowohl zu beurteilen, ob eine Vorabentscheidung erforderlich ist, damit es sein Urteil erlassen kann, als auch, ob die dem Gerichtshof vorgelegten Fragen erheblich sind. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteile vom 15. Januar 2013, Križan u. a., C‑416/10, EU:C:2013:8, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 25).

    30

    Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Die Zurückweisung des Ersuchens eines nationalen Gerichts ist dem Gerichtshof nur möglich, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom 15. Januar 2013, Križan u. a., C‑416/10, EU:C:2013:8, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 24. November 2020, Openbaar Ministerie [Urkundenfälschung], C‑510/19, EU:C:2020:953, Rn. 26).

    31

    Im vorliegenden Fall betreffen die Vorlagefragen ausdrücklich die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2009/103, da das vorlegende Gericht im Wesentlichen nach dem Umfang der Pflicht zum Abschluss einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung fragt, wie sie in Art. 3 vorgesehen ist.

    32

    Zudem ist offensichtlich, dass die vorliegende Rechtssache zu keinem der Fälle gehört, die in der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung genannt sind, und im Übrigen mit keinem der vom Garantiefonds vorgetragenen Argumente dargetan werden kann, dass einer dieser Fälle gegeben wäre, und somit die Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht widerlegt werden kann.

    33

    Zweitens ist es einem nationalen Gericht keineswegs untersagt, dem Gerichtshof eine Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, deren Beantwortung nach Auffassung einer der Parteien des Ausgangsverfahrens keinen Raum für vernünftige Zweifel lässt. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist diese Vorlagefrage nicht schon deshalb unzulässig (Urteile vom 1. Dezember 2011, Painer, C‑145/10, EU:C:2011:798, Rn. 64 und 65 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 9. Juli 2020, Vueling Airlines, C‑86/19, EU:C:2020:538, Rn. 22).

    34

    Folglich ist festzustellen, dass die Vorlagefragen zulässig sind.

    Zu den Fragen

    35

    Vorab ist zum einen festzustellen, dass das vorlegende Gericht mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, den Gerichtshof im Wesentlichen nach dem Umfang der Versicherungspflicht fragt, die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 vorgesehen ist. Wie sich aus dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/103 jedoch ergibt, sind mit ihr die früheren Richtlinien betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht kodifiziert worden, ohne sie inhaltlich zu ändern. Also lässt sich die zu diesen Richtlinien ergangene Rechtsprechung auf die Auslegung der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2009/103 übertragen.

    36

    Zum anderen trifft nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 jeder Mitgliedstaat vorbehaltlich der Anwendung des Art. 5 der Richtlinie alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.

    37

    Gleichwohl ist festzustellen, dass zwar Art. 5 der Richtlinie 2009/103 vorsieht, dass jeder Mitgliedstaat unter den in diesem Artikel angegebenen Voraussetzungen bei in Art. 5 Abs. 1 genannten bestimmten natürlichen oder juristischen Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts oder bei in Art. 5 Abs. 2 genannten gewissen Arten von Fahrzeugen oder Fahrzeugen mit besonderem Kennzeichen von Art. 3 der Richtlinie abweichen kann, doch hat die Republik Polen diese Befugnis bei Fahrzeugen, die von Gebietskörperschaften auf der Grundlage einer Gerichtsentscheidung erworben werden, wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fahrzeug, nicht ausgeübt. Demzufolge ist im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens der Umstand, dass dieses Fahrzeug von einer Gebietskörperschaft auf der Grundlage einer Gerichtsentscheidung erworben worden ist, für die Anwendbarkeit von Art. 3 Abs. 1 unerheblich.

    38

    Unter diesen Umständen ist anzunehmen, dass das vorlegende Gericht mit seinen beiden Fragen im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen ist, dass der Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags obligatorisch ist, wenn das betreffende Fahrzeug in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, sich auf einem Privatgrundstück befindet, wegen seines technischen Zustands nicht verkehrstauglich ist und nach dem Willen seines Eigentümers verschrottet werden soll.

    39

    Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, verpflichtet der genannte Art. 3 Abs. 1, der sehr allgemein formuliert ist, die Mitgliedstaaten, in ihrer nationalen Rechtsordnung eine allgemeine Versicherungspflicht für Fahrzeuge vorzusehen (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    40

    Jeder Mitgliedstaat hat somit dafür zu sorgen, dass vorbehaltlich der in Art. 5 der genannten Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen jedes Fahrzeug mit gewöhnlichem Standort im Inland von einem mit einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Vertrag abgedeckt ist, damit innerhalb der durch das Unionsrecht definierten Grenzen die Haftpflicht für dieses Fahrzeug garantiert wird (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    41

    Insoweit ist daran zu erinnern, dass der Begriff „Fahrzeug“ in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 so definiert wird: „jedes maschinell angetriebene Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist, sowie die Anhänger, auch wenn sie nicht angekoppelt sind“.

    42

    Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, ist diese Definition unabhängig von dem Gebrauch, der von dem fraglichen Fahrzeug gemacht wird oder gemacht werden kann (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    43

    Desgleichen hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass eine solche Definition für einen objektiven Fahrzeugbegriff spricht, der von der tatsächlichen Nutzungsabsicht des Fahrzeugeigentümers oder einer anderen Person unabhängig ist (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 39).

    44

    Ferner hat er betont, dass die Frage nach dem Umfang der Pflicht zum Abschluss einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung aus Gründen der Rechtssicherheit vorab, d. h. vor einer etwaigen Verwicklung des betreffenden Fahrzeugs in einen Unfall, geklärt werden muss (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 40).

    45

    Daraus hat der Gerichtshof abgeleitet, dass die Tatsache, dass er in den Urteilen vom 4. September 2014, Vnuk (C‑162/13, EU:C:2014:2146), vom 28. November 2017, Rodrigues de Andrade (C‑514/16, EU:C:2017:908), und vom 20. Dezember 2017, Núñez Torreiro (C‑334/16, EU:C:2017:1007), im Wesentlichen entschieden hat, dass nur die Fälle der Benutzung eines versicherten Fahrzeugs als Transportmittel unter Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 fallen und zur Übernahme des durch das Fahrzeug verursachten Schadens durch den Versicherer aufgrund seiner Haftpflichtversicherung führen können, keineswegs bedeutet, dass zur Klärung der Frage, ob eine Pflicht zum Abschluss einer solchen Versicherung besteht, darauf abzustellen ist, ob das fragliche Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt tatsächlich als Transportmittel genutzt wurde (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 41).

    46

    Der Gerichtshof hat aus dem Vorstehenden gefolgert, dass ein zugelassenes und somit nicht ordnungsgemäß stillgelegtes Fahrzeug, das fahrbereit ist, unter den Begriff „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 fällt und folglich nicht allein deshalb, weil sein Eigentümer es nicht mehr nutzen will und es auf einem Privatgrundstück abstellt, nicht mehr der Versicherungspflicht gemäß Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie unterliegt (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 42). Demzufolge ist der Abschluss einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie verpflichtend, wenn das betreffende Fahrzeug weiterhin in einem Mitgliedstaat zugelassen und fahrbereit ist und wenn es nur deshalb auf einem Privatgrundstück abgestellt wurde, weil sein Eigentümer es nicht mehr nutzen will (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 52).

    47

    Gleiches hat grundsätzlich für ein Fahrzeug zu gelten, das in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, sich auf einem Privatgrundstück befindet und nach dem Willen seines Eigentümers verschrottet werden soll, selbst wenn das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt wegen seines technischen Zustands nicht verkehrstauglich ist.

    48

    Erstens ist der Begriff „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 nämlich ein objektiver Begriff, wie in Rn. 43 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist. Der technische Zustand eines Fahrzeugs und demzufolge seine Verkehrstauglichkeit kann sich aber im Lauf der Zeit ändern, und seine etwaige Instandsetzung hängt zumindest zum Großteil von subjektiven Faktoren wie insbesondere dem Willen seines Eigentümers oder Verfügungsberechtigten, die erforderlichen Reparaturen vorzunehmen oder vornehmen zu lassen, und der Verfügbarkeit der hierzu erforderlichen Mittel ab. Daher würde der objektive Charakter des Begriffs „Fahrzeug“ in Frage gestellt, wenn die bloße Tatsache, dass ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht verkehrstauglich ist, genügte, um ihm seine Eigenschaft als Fahrzeug im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 zu nehmen, und somit genügte, um es der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie zu entziehen.

    49

    Insoweit ist hervorzuheben, dass sich aus der in den Rn. 44 und 45 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, dass die Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 – wie der Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge ausgeführt hat – nicht davon abhängig ist, ob das betreffende Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt als Transportmittel genutzt worden ist oder ob es gegebenenfalls einen Schaden verursacht hat.

    50

    Daraus folgt, dass die bloße Tatsache, dass ein zugelassenes Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt wegen seines technischen Zustands nicht verkehrstauglich ist – selbst wenn dies seit dem Übergang des Eigentumsrechts der Fall ist – und somit gegebenenfalls außerstande ist, einen Schaden, der unter den Begriff der Haftpflicht bei Fahrzeugen im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 fällt, zu verursachen, dieses Fahrzeug entgegen der Annahme des vorlegenden Gerichts nicht von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Versicherungspflicht auszunehmen vermag.

    51

    Desgleichen ist festzustellen, dass aufgrund dessen, dass der genannte Begriff „Fahrzeug“ nach der in Rn. 43 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung von der tatsächlichen Nutzungsabsicht seines Eigentümers oder einer anderen Person unabhängig ist, die Tatsache, dass dieser Eigentümer oder eine andere Person die Absicht hat, dieses Fahrzeug verschrotten zu lassen, ebenso wenig die Annahme gestattet, dass das Fahrzeug allein aufgrund dieser Absicht seine Eigenschaft als „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 verliert und somit nicht mehr von dieser Versicherungspflicht erfasst wird, da andernfalls der objektive Charakter dieses Begriffs ebenfalls beeinträchtigt würde.

    52

    Zudem würden in dem Fall, dass die Einstufung als „Fahrzeug“ im Sinne der genannten Bestimmung und demzufolge der Umfang der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 von solchen subjektiven Faktoren abhängig gemacht würde, auch die Vorhersehbarkeit, Stabilität und Fortdauer dieser Pflicht beeinträchtigt, deren Einhaltung jedoch erforderlich ist, um die Rechtssicherheit zu gewährleisten, wie sich aus der in Rn. 44 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung im Wesentlichen ergibt.

    53

    Zweitens verpflichtet zwar Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 die Mitgliedstaaten zur Schaffung einer Stelle, die für Sach- oder Personenschäden, welche u. a. durch ein nicht im Sinne von Art. 3 der Richtlinie versichertes Fahrzeug verursacht worden sind, zumindest in den Grenzen der unionsrechtlich vorgesehenen Versicherungspflicht Ersatz zu leisten hat, doch ist die Einschaltung einer solchen Stelle als allerletzte, nur für die in dieser Vorschrift genannten Fälle vorgesehene Maßnahme gedacht und kann nicht als Einrichtung eines Systems zur Gewährleistung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung außerhalb dieser Fälle angesehen werden (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    54

    Der Umfang des zwingenden Tätigwerdens der in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 vorgesehenen Entschädigungsstelle bei den von einem ermittelten Fahrzeug verursachten Schäden entspricht nämlich der Tragweite der allgemeinen Versicherungspflicht gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie, so dass das zwingende Tätigwerden dieser Stelle in einer solchen Situation nicht auf Fälle erstreckt werden kann, in denen für das an einem Unfall beteiligte Fahrzeug keine Versicherungspflicht bestand (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 46).

    55

    Daraus folgt, dass das etwaige Tätigwerden der in Art. 10 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 vorgesehenen Entschädigungsstelle, die die Mitgliedstaaten unter anderen Umständen als den in dieser Vorschrift genannten ausschließlich nach nationalem Recht vorsehen dürfen, bei der Bestimmung des Umfangs der Versicherungspflicht nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie nicht berücksichtigt werden kann.

    56

    Desgleichen folgt daraus, dass aufgrund dessen, dass das Tätigwerden der genannten Stelle nach der Richtlinie 2009/103 bei einem ermittelten Fahrzeug nur in den Fällen vorgesehen ist, in denen der Abschluss der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen Versicherung obligatorisch ist, die in Rn. 47 des vorliegenden Urteils herausgearbeitete Auslegung auch geboten ist, um die Verwirklichung des Ziels des Schutzes der Opfer von Unfällen sicherzustellen, die durch Kraftfahrzeuge verursacht werden. Denn diese Auslegung gewährleistet, dass die Opfer in jedem Fall entschädigt werden, sei es durch den Versicherer aufgrund eines zu diesem Zweck geschlossenen Vertrags, sei es durch die in Art. 10 der Richtlinie vorgesehene Stelle, wenn die Pflicht zur Versicherung des am Unfall beteiligten Fahrzeugs nicht erfüllt worden ist oder das Fahrzeug nicht ermittelt worden ist. Insoweit ist hervorzuheben, dass dieses Ziel, das mit den aufeinander folgenden Richtlinien über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung angestrebt wird, vom Gesetzgeber der Europäischen Union stets verfolgt und gestärkt worden ist und im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/103 nochmals bekräftigt wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    57

    Drittens lässt sich anhand der in Rn. 47 des vorliegenden Urteils herausgearbeiteten Auslegung auch die Wahrung des Ziels der Gewährleistung des freien Verkehrs sowohl der Fahrzeuge, die ihren gewöhnlichen Standort im Unionsgebiet haben, als auch der in ihnen befindlichen Personen besser sicherstellen, das auch zu den Zielen gehört, die mit den Unionsrechtsvorschriften im Bereich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung verfolgt werden, wie sich auch aus dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/103 ergibt. Wie der Generalanwalt in Nr. 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, können die Mitgliedstaaten nämlich nur dann, wenn ein verstärkter Schutz der etwaigen Opfer von Verkehrsunfällen gewährleistet ist, gemäß Art. 4 der Richtlinie 2009/103 aufgefordert werden, im Hinblick auf Fahrzeuge, die aus einem anderen Mitgliedstaat in ihr Hoheitsgebiet gelangen, von der Durchführung einer systematischen Kontrolle der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung abzusehen, was zur Gewährleistung dieses freien Verkehrs wesentlich ist.

    58

    Viertens ist gleichwohl festzustellen, dass die Zulassung eines Fahrzeugs zwar grundsätzlich bescheinigt, dass es verkehrstauglich ist und somit als Transportmittel eingesetzt werden kann, doch lässt sich nicht ausschließen, dass ein zugelassenes Fahrzeug wegen seines schlechten technischen Zustands objektiv verkehrsuntauglich ist. In einem solchen Fall ist die Feststellung dieser definitiven Verkehrsuntauglichkeit und demzufolge des Verlusts seiner Eigenschaft als „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 objektiv vorzunehmen, um den in den Rn. 48 bis 52 des vorliegenden Urteils dargelegten Erwägungen zu entsprechen. In Anbetracht der in Rn. 46 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung erfordert der Ausschluss eines solchen Fahrzeugs von der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 vorgesehenen Versicherungspflicht somit, dass es gemäß der anwendbaren nationalen Regelung offiziell stillgelegt worden ist.

    59

    Insoweit kann die Abmeldung des betreffenden Fahrzeugs zwar eine solche objektive Feststellung sein, doch ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2009/103 nicht regelt, wie ein solches Fahrzeug, das definitiv nicht mehr als Transportmittel dienen kann, vorschriftsgemäß stillgelegt werden kann. Folglich verbietet diese Richtlinie es nicht, dass die ordnungsgemäße Stilllegung eines solchen Fahrzeugs gemäß der anwendbaren nationalen Regelung auf anderem Wege als durch die Abmeldung des betreffenden Fahrzeugs festgestellt wird.

    60

    In Anbetracht des Vorstehenden ist festzustellen, dass ein Fahrzeug, das in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, von der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 vorgesehenen Versicherungspflicht so lange erfasst bleibt, wie es nicht gemäß der anwendbaren nationalen Regelung ordnungsgemäß stillgelegt worden ist.

    61

    Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervor, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Fahrzeug zwar während des streitigen Zeitraums auf einem bewachten Parkplatz abgestellt und wegen seines schlechten technischen Zustands verkehrsuntauglich war, doch war es weiterhin in einem Mitgliedstaat zugelassen, wo es somit seinen gewöhnlichen Standort im Sinne von Art. 1 Nr. 4 Buchst. a der Richtlinie 2009/103 hatte, und zu keinem Zeitpunkt während dieses Zeitraums gemäß der anwendbaren nationalen Regelung ordnungsgemäß stillgelegt worden. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung zeigt sich daher, dass dieses Fahrzeug während des gesamten Zeitraums von der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 vorgesehenen Versicherungspflicht erfasst blieb, und zwar unabhängig davon, dass es sich auf einem Privatgrundstück befand, dass es wegen seines technischen Zustands nicht verkehrstauglich war und dass der Landkreis die Absicht hatte, das Fahrzeug verschrotten zu lassen.

    62

    Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen ist, dass der Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags obligatorisch ist, wenn das betreffende Fahrzeug in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, sofern das Fahrzeug nicht gemäß der anwendbaren nationalen Regelung ordnungsgemäß stillgelegt worden ist.

    Kosten

    63

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht ist dahin auszulegen, dass der Abschluss eines Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsvertrags obligatorisch ist, wenn das betreffende Fahrzeug in einem Mitgliedstaat zugelassen ist, sofern das Fahrzeug nicht gemäß der anwendbaren nationalen Regelung ordnungsgemäß stillgelegt worden ist.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Polnisch.

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