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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62018CJ0575

    Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 9. Juli 2020.
    Tschechische Republik gegen Europäische Kommission.
    Rechtsmittel – Eigenmittel der Europäischen Union – Finanzielle Verantwortung der Mitgliedstaaten – Antrag auf Befreiung von der Pflicht zur Zurverfügungstellung von Eigenmitteln – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Schreiben der Europäischen Kommission – Begriff ‚anfechtbare Handlung‘ – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz – Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Union.
    Rechtssache C-575/18 P.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2020:530

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

    9. Juli 2020 ( *1 )

    „Rechtsmittel – Eigenmittel der Europäischen Union – Finanzielle Verantwortung der Mitgliedstaaten – Antrag auf Befreiung von der Pflicht zur Zurverfügungstellung von Eigenmitteln – Nichtigkeitsklage – Zulässigkeit – Schreiben der Europäischen Kommission – Begriff ‚anfechtbare Handlung‘ – Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz – Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Union“

    In der Rechtssache C‑575/18 P

    betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 13. September 2018,

    Tschechische Republik, vertreten durch O. Serdula, J. Vláčil und M. Smolek als Bevollmächtigte,

    Klägerin,

    unterstützt durch:

    Königreich der Niederlande, vertreten durch M. K. Bulterman, C. S. Schillemans, M. L. Noort, H. S. Gijzen und J. Langer als Bevollmächtigte,

    Streithelfer im Rechtsmittelverfahren,

    andere Partei des Verfahrens:

    Europäische Kommission, vertreten zunächst durch M. Owsiany-Hornung und Z. Malůšková, dann durch Z. Malůšková und J.‑P. Keppenne als Bevollmächtigte,

    Beklagte im ersten Rechtszug,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras und P. G. Xuereb, der Kammerpräsidentin L. S. Rossi und des Kammerpräsidenten I. Jarukaitis sowie der Richter E. Juhász, M. Ilešič, J. Malenovský und L. Bay Larsen, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) und der Richter N. Piçarra und A. Kumin,

    Generalanwältin: E. Sharpston,

    Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2019,

    nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. März 2020

    folgendes

    Urteil

    1

    Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Tschechische Republik die Aufhebung des Beschlusses des Gerichts der Europäischen Union vom 28. Juni 2018, Tschechische Republik/Kommission (T‑147/15, nicht veröffentlicht, im Folgenden: angefochtener Beschluss, EU:T:2018:395), mit dem ihre Klage auf Nichtigerklärung des Beschlusses des Leiters der Direktion „Eigenmittel und Finanzplanung“ der Generaldirektion Haushalt der Europäischen Kommission, der in dem Schreiben vom 20. Januar 2015 mit dem Aktenzeichen Ares (2015)217973 (im Folgenden: streitiges Schreiben) enthalten sein soll, abgewiesen wurde.

    Rechtlicher Rahmen

    Beschlüsse 2000/597/EG, Euratom und 2007/436/EG, Euratom

    2

    Im entscheidungserheblichen Zeitraum galten nacheinander zwei Beschlüsse über das System der Eigenmittel der Europäischen Union, nämlich der Beschluss 2000/597/EG, Euratom des Rates vom 29. September 2000 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2000, L 253, S. 42) und dann ab dem 1. Januar 2007 der Beschluss 2007/436/EG, Euratom des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (ABl. 2007, L 163, S. 17).

    3

    Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Beschlusses 2000/597, dessen Inhalt im Wesentlichen in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2007/436 übernommen wurde, stellen u. a. „Zölle des Gemeinsamen Zolltarifs und andere Zölle auf den Warenverkehr mit Drittländern, die von den Organen der [Union] eingeführt worden sind“ in den Haushaltsplan der Europäischen Union einzusetzende Eigenmittel dar.

    4

    Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 und 3 des Beschlusses 2000/597 und des Beschlusses 2007/436 sieht vor, dass die Eigenmittel der Union von den Mitgliedstaaten nach den innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften erhoben werden, die gegebenenfalls den Erfordernissen der Unionsregelung anzupassen sind, und dass die Mitgliedstaaten diese Mittel der Kommission zur Verfügung stellen.

    Verordnung Nr. 1150/2000

    5

    Die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 2007/436 (ABl. 2000, L 130, S. 1) ist das Ergebnis zweier Änderungen, die im entscheidungserheblichen Zeitraum durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 2028/2004 des Rates vom 16. November 2004 (ABl. 2004, L 352, S. 1) mit Wirkung vom 28. November 2004 und durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 105/2009 des Rates vom 26. Januar 2009 (ABl. 2009, L 36, S. 1) mit Wirkung vom 1. Januar 2007 vorgenommen wurden (im Folgenden: Verordnung Nr. 1150/2000).

    6

    Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 gilt ein Anspruch der Union auf die Eigenmittel als festgestellt, sobald die Bedingungen der Zollvorschriften für die buchmäßige Erfassung des Betrages der Abgabe und dessen Mitteilung an den Abgabenschuldner erfüllt sind.

    7

    Art. 6 Abs. 1 und Abs. 3 Buchst. a und b dieser Verordnung sieht vor:

    „(1)   Bei der Haushaltsverwaltung jedes Mitgliedstaats oder bei der von jedem Mitgliedstaat bestimmten Einrichtung wird über die Eigenmittel Buch geführt, und zwar aufgegliedert nach der Art der Mittel.

    (3)   

    a)

    Die nach Artikel 2 festgestellten Ansprüche werden vorbehaltlich des Buchstabens b) dieses Absatzes spätestens am ersten Arbeitstag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Anspruch festgestellt wurde, in die Buchführung aufgenommen.

    b)

    Festgestellte Ansprüche, die in die Buchführung nach Buchstabe a) nicht aufgenommen wurden, weil sie noch nicht eingezogen wurden und für die eine Sicherheit nicht geleistet worden ist, werden innerhalb der Frist nach Buchstabe a) in einer gesonderten Buchführung ausgewiesen. Die Mitgliedstaaten können auf die gleiche Weise vorgehen, wenn festgestellte Ansprüche, für die eine Sicherheit geleistet worden ist, angefochten werden und durch Regelung des betreffenden Streitfalls Veränderungen unterworfen sein können.“

    8

    Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Verordnung bestimmt:

    „Jeder Mitgliedstaat schreibt die Eigenmittel nach Maßgabe des Artikels 10 dem Konto gut, das zu diesem Zweck für die Kommission bei der Haushaltsverwaltung des Mitgliedstaats oder bei der von ihm bestimmten Einrichtung eingerichtet wurde.“

    9

    Art. 10 Abs. 1 dieser Verordnung lautet:

    „Nach Abzug der Erhebungskosten gemäß Artikel 2 Absatz 3 und Artikel 10 Absatz 3 des Beschlusses [2007/436] erfolgt die Gutschrift der Eigenmittel im Sinn von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a) des genannten Beschlusses spätestens am ersten Arbeitstag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat folgt, in dem der Anspruch nach Artikel 2 der vorliegenden Verordnung festgestellt wurde.

    Bei den nach Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b) dieser Verordnung in einer gesonderten Buchführung ausgewiesenen Ansprüchen erfolgt die Gutschrift spätestens am ersten Arbeitstag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat folgt, in dem die den Ansprüchen entsprechenden Beträge eingezogen wurden.“

    10

    Nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 hat der betreffende Mitgliedstaat bei verspäteter Gutschrift auf dem in Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Konto Verzugszinsen zu entrichten.

    11

    Art. 17 Abs. 1 bis 4 dieser Verordnung bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten haben alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Beträge, die den gemäß Artikel 2 festgestellten Ansprüchen entsprechen, der Kommission nach Maßgabe dieser Verordnung zur Verfügung gestellt werden.

    (2)   Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, der Kommission die den festgestellten Ansprüchen entsprechenden Beträge zur Verfügung zu stellen, wenn diese entweder

    a)

    aus Gründen höherer Gewalt oder

    b)

    aus anderen, nicht von den Mitgliedstaaten zu vertretenden Gründen

    nicht erhoben werden konnten.

    Beträge festgestellter Ansprüche werden durch eine Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde für uneinbringlich erklärt, nachdem diese sich von der Unmöglichkeit ihrer Einziehung überzeugt hat.

    Als uneinbringlich gelten Beträge festgestellter Ansprüche spätestens nach Ablauf einer Frist von fünf Jahren, gerechnet ab dem Zeitpunkt ihrer Feststellung gemäß Artikel 2 oder, falls Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht erhoben oder sonstige Rechtsmittel eingelegt wurden, ab dem Zeitpunkt, an dem die diesbezügliche Gerichtsentscheidung ergangen ist bzw. mitgeteilt oder veröffentlicht wurde.

    Sind Teilzahlungen oder Zahlungen eingegangen, so beginnt der vorgenannte Fünfjahreszeitraum spätestens am Tag der letzten effektiven Zahlungsleistung, sofern mit dieser die Restschuld nicht vollständig beglichen wurde.

    Für uneinbringlich erklärte bzw. als uneinbringlich geltende Beträge werden aus der gesonderten Buchführung gemäß Artikel 6 Absatz 3 Buchstabe b) endgültig herausgenommen. Sie werden in einem Anhang zu der Vierteljahresübersicht gemäß Artikel 6 Absatz 4 Buchstabe b) sowie gegebenenfalls in der vierteljährlichen Aufstellung gemäß Artikel 6 Absatz 5 aufgeführt.

    (3)   Binnen drei Monaten nach Ergehen der Verwaltungsentscheidung gemäß Absatz 2 oder nach Ablauf der in jenem Absatz genannten Frist machen die Mitgliedstaaten der Kommission Mitteilung über die Fälle der Anwendung des Verfahrens nach Absatz 2, in denen die festgestellten Ansprüche 50000 [Euro] übersteigen.

    (4)   Die Kommission verfügt ab dem Tag, an dem die Mitteilung gemäß Absatz 3 bei ihr eingeht, über sechs Monate, um dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Bemerkungen zu übermitteln.

    …“

    Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitiges Schreiben

    12

    Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 9 des angefochtenen Beschlusses dargestellt. Für die Zwecke des vorliegenden Verfahrens lässt sie sich wie folgt zusammenfassen.

    13

    Am 30. Mai 2008 verabschiedete das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) einen Abschlussbericht über eine Untersuchung, in deren Rahmen die Einfuhr von Taschenfeuerzeugen mit Feuerstein aus Laos in den Jahren 2004 bis 2007 überprüft wurde.

    14

    Diesem Bericht zufolge „[reichten] die im Lauf der Untersuchungsreise gesammelten Beweise für den chinesischen Ursprung dafür aus, dass die Mitgliedstaaten ein Steuerberichtigungsverfahren durchführen“. Weiter heißt es in dem Bericht, es sei notwendig, „dass die Mitgliedstaaten Folgeprüfungen und gegebenenfalls Untersuchungen bezüglich der betreffenden Einführer durchführen und unverzüglich ein Beitreibungsverfahren einleiten, soweit dies noch nicht geschehen ist“.

    15

    In den Schlussfolgerungen des Berichts waren 28 Fälle von Wareneinfuhren in die Tschechische Republik aufgeführt. Die zuständigen tschechischen Zollstellen ergriffen in diesen Fällen Maßnahmen zur Steuerberichtigung und -beitreibung.

    16

    In keinem dieser Fälle war es jedoch möglich, innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der tschechischen Fassung des OLAF‑Berichts eine Berichtigung vorzunehmen.

    17

    Zwischen November 2013 und November 2014 trug die Tschechische Republik gemäß den anwendbaren Rechtsvorschriften die Fälle, in denen die Einziehung der Eigenmittel der Union unmöglich war, in das Informationssystem WOMIS (Write-Off Management and Information System) ein.

    18

    In den Monaten Juli und Dezember 2014 übermittelte die Tschechische Republik der Kommission auf deren Ersuchen zusätzliche Informationen.

    19

    Mit dem streitigen Schreiben teilte der Leiter der Direktion „Eigenmittel und Finanzplanung“ der Generaldirektion Haushalt der Kommission den tschechischen Behörden mit, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Pflicht zur Zurverfügungstellung der Eigenmittel der Union gemäß Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1150/2000 in keinem dieser Fälle erfüllt seien. Er forderte die tschechischen Behörden auf, die nötigen Schritte zu ergreifen, um bis spätestens am ersten Arbeitstag nach dem 19. des zweiten Monats, der auf den Monat der Übersendung des Schreibens folge, einen Betrag von 53976340 tschechischen Kronen (CZK) (etwa 2112708 Euro) (im Folgenden: fraglicher Betrag) auf dem Konto der Kommission gutzuschreiben. Bei Verspätung seien gemäß Art. 11 der Verordnung Nr. 1150/2000 Verzugszinsen zu entrichten.

    Verfahren vor dem Gericht und angefochtener Beschluss

    20

    Mit Klageschrift, die am 30. März 2015 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Tschechische Republik Klage auf Nichtigerklärung des nach ihrer Auffassung in dem streitigen Schreiben enthaltenen Beschlusses.

    21

    Mit gesondertem Schriftsatz, der am 11. Juni 2015 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Kommission eine Einrede der Unzulässigkeit dieser Klage, weil das streitige Schreiben keine mit der Nichtigkeitsklage anfechtbare Handlung sei. Die Tschechische Republik nahm zu dieser Einrede Stellung.

    22

    Mit am 20. Juli 2015 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangenem Schriftsatz beantragte die Slowakische Republik, als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge der Tschechischen Republik zugelassen zu werden.

    23

    Mit Beschluss vom 22. Dezember 2015 setzte das Gericht nach Anhörung der Tschechischen Republik und der Kommission das bei ihm anhängige Verfahren bis zum Erlass der verfahrensbeendenden Entscheidungen in den Rechtssachen aus, in denen die Urteile vom 25. Oktober 2017, Slowakei/Kommission (C‑593/15 P und C‑594/15 P, EU:C:2017:800), und Rumänien/Kommission (C‑599/15 P, EU:C:2017:801), ergangen sind. Nach Erlass dieser Urteile wurde das Verfahren wiederaufgenommen. Die Tschechische Republik und die Kommission wurden aufgefordert, sich zu den aus den Urteilen zu ziehenden Konsequenzen zu äußern.

    24

    Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Gericht der Unzulässigkeitseinrede der Kommission statt und wies die Klage der Tschechischen Republik als unzulässig ab, da sie gegen eine Handlung gerichtet sei, die nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne; über den Antrag der Slowakischen Republik auf Zulassung zur Streithilfe wurde nicht entschieden.

    Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

    25

    Die Tschechische Republik beantragt,

    den angefochtenen Beschluss aufzuheben;

    die Unzulässigkeitseinrede der Kommission zurückzuweisen;

    die Rechtssache zur Prüfung der Begründetheit an das Gericht zurückzuverweisen und

    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    26

    Die Kommission beantragt,

    das Rechtsmittel zurückzuweisen und

    der Tschechischen Republik die Kosten aufzuerlegen.

    27

    Mit Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 8. Januar 2019 ist das Königreich der Niederlande als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Tschechischen Republik zugelassen worden.

    28

    Das Königreich der Niederlande beantragt in seinem Streithilfeschriftsatz,

    dem Rechtsmittel stattzugeben und

    der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

    Zum Rechtsmittel

    Vorbringen der Parteien

    29

    Die Tschechische Republik macht als einzigen Rechtsmittelgrund einen Verstoß gegen Art. 263 AEUV in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) geltend.

    30

    Mit diesem Rechtsmittelgrund rügt die Tschechische Republik im Wesentlichen, dass ihr entgegen den Ausführungen des Gerichts in den Rn. 81 ff. des angefochtenen Beschlusses kein wirksamer Rechtsbehelf zur Verfügung stehe, um eine gerichtliche Überprüfung des Standpunkts zu erwirken, den die Kommission in dem Streit mit ihr über die Frage vertrete, ob eine Pflicht bestehe, der Kommission den fraglichen Betrag zur Verfügung zu stellen. Unter diesen Umständen hätte das Gericht die Klage für zulässig erklären müssen, um ihr einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten.

    31

    Fordere die Kommission einen Mitgliedstaat mit einem Schreiben wie dem streitigen auf, ihr einen Eigenmittelbetrag zur Verfügung zu stellen, sei dieser Mitgliedstaat de facto verpflichtet, den geforderten Betrag ungeachtet der von ihm gegen die Auffassung der Kommission angemeldeten Vorbehalte innerhalb der gesetzten Frist zu zahlen. Weigere er sich, dem Organ diesen Betrag zur Verfügung zu stellen, laufe der Mitgliedstaat nämlich Gefahr, für den Fall, dass der Gerichtshof nach der Erhebung einer Vertragsverletzungsklage durch die Kommission einen Verstoß gegen die Pflicht zur Zurverfügungstellung der fraglichen Mittel feststellen sollte, neben dem Hauptbetrag auch noch Verzugszinsen zahlen zu müssen. Die Höhe dieser Zinsen hänge in der Praxis davon ab, wie rasch die Kommission eine solche Klage erhebe und wie lange das Vertragsverletzungsverfahren dauere. Der Betrag könnte somit sehr hoch sein und stelle für den betreffenden Mitgliedstaat übermäßig hohe Gerichtskosten dar.

    32

    Erstens habe ein Mitgliedstaat angesichts des Ermessens der Kommission hinsichtlich der Erhebung einer Vertragsverletzungsklage und in Ermangelung jeglicher Fristvoraussetzung zu diesem Zweck keine Gewissheit, dass der Streit zwischen ihm und der Kommission vom Gerichtshof in der Sache geprüft werde. Da der Zugang zu den Gerichten somit vom „Gutdünken“ der Kommission abhänge, sei der Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz nicht gewährleistet.

    33

    Anders wäre es nur dann, wenn die Kommission verpflichtet wäre, eine Vertragsverletzungsklage gegen den betreffenden Mitgliedstaat in dem Fall zu erheben, dass dieser einen Eigenmittelbetrag unter dem Vorbehalt, dass eine Zahlungsverpflichtung bestehe, zur Verfügung gestellt hätte.

    34

    Eine solche Pflicht, in diesem Fall eine Vertragsverletzungsklage zu erheben, ergebe sich jedoch beim gegenwärtigen Stand nicht aus der Rechtsprechung der Unionsgerichte. Dieser Rechtsprechung fehle es im Übrigen an Klarheit hinsichtlich der Voraussetzungen und der Wirkungen einer solchen Zahlung unter Vorbehalt, was einen Zustand der Rechtsunsicherheit schaffe und den Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz gefährde.

    35

    Darüber hinaus zeige die gegenwärtige Praxis der Kommission, dass diese sich nicht für verpflichtet halte, im Fall einer unter Vorbehalt gestellten Zahlung eines Eigenmittelbetrags eine Vertragsverletzungsklage zu erheben.

    36

    Vielmehr gehe die Kommission davon aus, dass in einem solchen Fall keine Vertragsverletzung im Sinne von Art. 258 AEUV mehr vorliege.

    37

    Daraus folge, dass ein Mitgliedstaat nur dann im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage Zugang zu den Unionsgerichten habe, wenn er sich weigere, der Kommission den geforderten Betrag zur Verfügung zu stellen, und somit Gefahr laufe, im Fall der Feststellung der Vertragsverletzung sehr hohe Verzugszinsen zahlen zu müssen.

    38

    Zweitens macht die Tschechische Republik geltend, dass die Unzulänglichkeiten ihres gerichtlichen Rechtsschutzes zum „tatsächlichen und rechtlichen Zusammenhang“ gehörten, in dem das streitige Schreiben versandt worden sei und der ein relevantes Kriterium für die Beurteilung der Frage bilde, ob dieses Schreiben anfechtbar sei. In Anbetracht dieses Zusammenhangs müssten die Begriffe „verbindliche Rechtswirkungen“ und „anfechtbare Handlung“ jedoch, um den Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewährleisten, anders ausgelegt werden, als es das Gericht im angefochtenen Beschluss getan habe.

    39

    Dies gelte erst recht, wenn die Kommission sich trotz der von der Tschechischen Republik unternommenen Schritte weiterhin weigere, eine Vertragsverletzungsklage zu erheben. Die Tschechische Republik weist insoweit darauf hin, dass sie der Kommission den fraglichen Betrag bereits am 17. März 2015 unter dem Vorbehalt zur Verfügung gestellt habe, dass der Standpunkt der Kommission begründet sei. Darüber hinaus habe sie in einem – unbeantwortet gebliebenen – Schreiben an die Kommission vom 30. August 2018 ihre Vorbehalte gegenüber der Verpflichtung, diesen Betrag zur Verfügung zu stellen, wiederholt und die Rückerstattung des Betrags oder die Erhebung einer Vertragsverletzungsklage gefordert.

    40

    In der mündlichen Verhandlung hat die Tschechische Republik erstens hinzugefügt, dass das streitige Schreiben Rechtswirkungen erzeugen könne, da darin eine Frist für die Zurverfügungstellung des fraglichen Betrags unter Androhung von Verzugszinsen gesetzt werde. Der Beginn dieser Frist unterscheide sich indessen von dem, der in Art. 10 der Verordnung Nr. 1150/2000 festgesetzt sei.

    41

    Zweitens sei auch durch eine Schadensersatzklage wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Union kein wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz gewährleistet, weil diese Klage strengen Voraussetzungen unterliege.

    42

    Nach Ansicht des Königreichs der Niederlande hat das Gericht zu Unrecht angenommen, dass das streitige Schreiben eine „bloße rechtliche Stellungnahme“ oder eine „bloße Aufforderung zur Zurverfügungstellung des fraglichen Betrags“ darstelle. Dieses Schreiben habe nämlich Rechtswirkungen entfalten sollen, da es der Tschechischen Republik durch die autonome Festlegung eines Zeitpunkts, ab dem Verzugszinsen geschuldet seien, neue Pflichten auferlegt habe.

    43

    Überdies könnten eine Klage auf Nichtigerklärung einer solchen Rechtshandlung und eine Vertragsverletzungsklage nebeneinander bestehen. Das Fehlen eines Rechtsbehelfs nach Art. 263 AEUV gegen Rechtshandlungen wie das streitige Schreiben stelle eine „Lücke“ im gerichtlichen Rechtsschutz der Mitgliedstaaten dar.

    44

    In der mündlichen Verhandlung hat das Königreich der Niederlande weiter ausgeführt, dass zur Behebung dieser Lücke zwei Lösungen in Betracht kämen. Die erste Lösung bestehe darin, davon auszugehen, dass die Kommission zur Erhebung einer Vertragsverletzungsklage gegen einen Mitgliedstaat verpflichtet sei, wenn dieser ihr einen Eigenmittelbetrag unter dem Vorbehalt zur Verfügung stelle, dass er zu diesem Schritt verpflichtet sei. Eine solche Pflicht könnte auf die Grundsätze des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes und der loyalen Zusammenarbeit gestützt werden. Die zweite Lösung bestehe darin, einem Mitgliedstaat die Erhebung einer Klage beim Gericht wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Union zu ermöglichen. Das Königreich der Niederlande hat seine Präferenz für die erste Lösung zum Ausdruck gebracht, da es Zweifel an der Zweckmäßigkeit der zweiten hegt.

    45

    Die Kommission hält den einzigen Rechtsmittelgrund, der von der Tschechischen Republik geltend gemacht wurde, für unbegründet.

    Würdigung durch den Gerichtshof

    46

    Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass sich aus einer ständigen Rechtsprechung ergibt, dass „anfechtbare Handlungen“ im Sinne von Art. 263 AEUV alle von den Organen erlassenen Bestimmungen – unabhängig von ihrer Form – sind, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen (Urteil vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission,C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    47

    Um festzustellen, ob die angefochtene Handlung solche Wirkungen erzeugt, ist auf ihr Wesen abzustellen und sind diese Wirkungen anhand objektiver Kriterien wie z. B. des Inhalts dieser Handlung zu beurteilen, wobei gegebenenfalls der Zusammenhang ihres Erlasses und die Befugnisse des die Handlung vornehmenden Organs zu berücksichtigen sind (Urteil vom 20. Februar 2018, Belgien/Kommission, C‑16/16 P, EU:C:2018:79, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    48

    Im vorliegenden Fall hat das Gericht in den Rn. 31 und 35 des angefochtenen Beschlusses auf diese Rechtsprechung verwiesen. Es hat unter Heranziehung dieser Rechtsprechung in Rn. 64 dieses Beschlusses befunden, dass das streitige Schreiben keine Rechtswirkungen erzeugen könne. Das Gericht ist zu dieser Schlussfolgerung gelangt, nachdem es zum einen in den Rn. 36 bis 56 des angefochtenen Beschlusses den Zusammenhang, in dem dieses Schreiben versandt wurde, und die Befugnisse, die der Kommission insbesondere nach Art. 8 Abs. 1 des Beschlusses 2007/436 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, Art. 9 Abs. 1 und Art. 17 Abs. 1 bis 4 der Verordnung Nr. 1150/2000 im Bereich der Eigenmittel der Union zukommen, gewürdigt und zum anderen in den Rn. 57 bis 63 dieses Beschlusses das Schreiben inhaltlich geprüft hat.

    49

    Mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund tritt die Tschechische Republik weder der Auslegung dieser Bestimmungen des Beschlusses 2007/436 in Verbindung mit den Bestimmungen der Verordnung Nr. 1150/2000 noch der Prüfung des Inhalts des streitigen Schreibens und des Zusammenhangs seiner Versendung entgegen.

    50

    Die Tschechische Republik macht jedoch geltend, das Gericht habe ihre Nichtigkeitsklage rechtsfehlerhaft als unzulässig abgewiesen, obwohl sie – entgegen den Ausführungen des Gerichts in den Rn. 81 ff. des angefochtenen Beschlusses – über keinen anderen Rechtsbehelf verfüge, mit dem sie eine gerichtliche Überprüfung des Standpunkts erwirken könne, den die Kommission in dem Streit mit ihr über die Zurverfügungstellung des fraglichen Betrags vertrete. Die Unzulänglichkeiten ihres gerichtlichen Rechtsschutzes gehörten zu dem Zusammenhang, der bei der Beurteilung der Frage, ob das streitige Schreiben anfechtbar sei, hätte berücksichtigt werden müssen.

    51

    In diesen Randnummern des angefochtenen Beschlusses hat das Gericht das Vorbringen der Tschechischen Republik zu ihrem Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz zurückgewiesen. Zum einen hat es in Rn. 81 dieses Beschlusses im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Auslegung der Voraussetzung, dass die angefochtene Handlung verbindliche Rechtswirkungen erzeuge, im Licht von Art. 47 der Charta nicht zum Wegfall dieser Voraussetzung führen dürfe. Zum anderen hat es in den Rn. 82 bis 86 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass es der Tschechischen Republik freigestanden habe, entweder dem streitigen Schreiben in der Erwartung nicht nachzukommen, dass die Kommission eine Vertragsverletzungsklage erhebe, oder den fraglichen Betrag unter dem Vorbehalt zur Verfügung zu stellen, dass der Standpunkt der Kommission begründet sei.

    52

    Hierzu ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass das Gericht in Rn. 81 des angefochtenen Beschlusses zu Recht darauf hingewiesen hat, dass nach den Erläuterungen zur Charta (ABl. 2007, C 303, S. 1) und nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Voraussetzung der verbindlichen Rechtswirkungen zwar im Licht des in Art. 47 Abs. 1 der Charta gewährleisteten Rechts auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz auszulegen sei, dieses Recht aber nicht darauf abziele, das in den Verträgen vorgesehene Rechtsschutzsystem und insbesondere die Bestimmungen über die Zulässigkeit von Klagen bei den Unionsgerichten zu ändern. Die Auslegung des Begriffs „anfechtbare Handlung“ im Licht dieses Art. 47 kann daher nicht zum Wegfall der Voraussetzung der verbindlichen Rechtswirkungen führen, ohne dass die den Unionsgerichten durch den Vertrag verliehenen Befugnisse überschritten würden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2017, Slowakei/Kommission, C‑593/15 P und C‑594/15 P, EU:C:2017:800, Rn. 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

    53

    Genau dies wäre aber der Fall, wenn es einem Mitgliedstaat gestattet wäre, eine Nichtigkeitsklage gegen ein Schreiben zu erheben, das keine anfechtbare Handlung im Sinne der in den Rn. 46 und 47 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung darstellt, da dieses Schreiben, wie das Gericht in den Rn. 36 bis 64 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, in Anbetracht seines Inhalts, des Zusammenhangs seiner Versendung und der Befugnisse des Organs, von dem es stammt, nicht geeignet ist, verbindliche Rechtswirkungen zu erzeugen, ohne dass diese Bestandteile der Prüfung von der Tschechischen Republik in ihrer Rechtsmittelschrift in Frage gestellt würden.

    54

    Die Tschechische Republik hat in der mündlichen Verhandlung – ebenso wie das Königreich der Niederlande in seinem Streithilfesatz – allenfalls geltend gemacht, dass das streitige Schreiben Rechtswirkungen erzeugen könne, soweit es unter Androhung von Verzugszinsen eine Frist für die Zurverfügungstellung des fraglichen Betrags festlege. Die Angabe einer solchen Frist durch die Kommission ist jedoch ihrem Wesen nach nicht geeignet, Rechtswirkungen zu erzeugen. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass der betreffende Mitgliedstaat nach Art. 11 der Verordnung Nr. 1150/2000 bei verspäteter Gutschrift auf dem in Art. 9 Abs. 1 dieser Verordnung genannten Konto Verzugszinsen für die gesamte Dauer des Verzugs zu entrichten hat, und zwar unabhängig von dem Grund des Verzugs und einer von der Kommission für die Zurverfügungstellung der Eigenmittel der Union ausgesprochenen Fristsetzung (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Juli 2010, Kommission/Deutschland, C‑442/08, EU:C:2010:390, Rn. 93 und 95, sowie vom 17. März 2011, Kommission/Portugal, C‑23/10, nicht veröffentlicht, EU:C:2011:160, Rn. 62).

    55

    Überdies steht das Vorbringen der Tschechischen Republik, ihre Nichtigkeitsklage sei für zulässig zu erklären, im Widerspruch zu den Merkmalen des Systems der Eigenmittel der Union.

    56

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 8 Abs. 1 sowohl des Beschlusses 2000/597 als auch des Beschlusses 2007/436 die Eigenmittel der Union im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und b des Beschlusses 2000/597 und Art. 2 Abs. 1 Buchst. a des Beschlusses 2007/436 von den Mitgliedstaaten erhoben werden, die diese Mittel der Kommission zur Verfügung stellen müssen (Urteil vom 8. Juli 2010, Kommission/Italien, C‑334/08, EU:C:2010:414, Rn. 34).

    57

    Zu diesem Zweck haben die Mitgliedstaaten gemäß Art. 2 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 einen Anspruch der Union auf die Eigenmittel festzustellen, sobald die Bedingungen der Zollvorschriften „für die buchmäßige Erfassung des Betrags der Abgabe und dessen Mitteilung an den Abgabenschuldner“ erfüllt sind. Die Mitgliedstaaten sind daher verpflichtet, die nach Art. 2 dieser Verordnung festgestellten Ansprüche unter den in Art. 6 dieser Verordnung vorgesehenen Voraussetzungen in die Buchführung der Eigenmittel der Union aufzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, Kommission/Deutschland, C‑442/08, EU:C:2010:390, Rn. 76 und die dort angeführte Rechtsprechung). Ein festgestellter Anspruch, der noch nicht eingezogen wurde und für den eine Sicherheit nicht geleistet worden ist, wird nach Art. 6 Abs. 3 Buchst. b dieser Verordnung in einer gesonderten Buchführung ausgewiesen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juli 2019, Kommission/Italien [Eigenmittel – Einziehung einer Zollschuld], C‑304/18, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:601, Rn. 52).

    58

    Sodann müssen die Mitgliedstaaten der Kommission unter den in den Art. 9 bis 11 der Verordnung Nr. 1150/2000 festgelegten Bedingungen die Eigenmittel der Union zur Verfügung stellen, indem sie sie unter Einhaltung der vorgesehenen Fristen dem zu diesem Zweck auf den Namen der Kommission eingerichteten Konto gutschreiben. Nach Art. 11 Abs. 1 dieser Verordnung hat der betreffende Mitgliedstaat bei verspäteter Gutschrift auf diesem Konto Verzugszinsen zu entrichten.

    59

    Es besteht folglich ein unlösbarer Zusammenhang zwischen der Verpflichtung zur Feststellung der Eigenmittel der Union, der Verpflichtung zu deren Gutschrift auf dem Konto der Kommission innerhalb der gesetzten Frist und der Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. März 1986, Kommission/Deutschland, 303/84, EU:C:1986:140, Rn. 11), die unabhängig davon verlangt werden können, aus welchem Grund die Gutschrift auf dem Konto der Kommission verspätet erfolgt ist (Urteil vom 1. Juli 2010, Kommission/Deutschland, C‑442/08, EU:C:2010:390, Rn. 93).

    60

    Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten nach Art. 17 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 1150/2000 verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die Beträge, die den gemäß Art. 2 dieser Verordnung festgestellten Ansprüchen entsprechen, der Kommission zur Verfügung gestellt werden. Die Mitgliedstaaten sind von dieser Verpflichtung nur dann befreit, wenn diese Beträge aus Gründen höherer Gewalt nicht erhoben werden konnten oder wenn sich erweist, dass die Einziehung aus nicht von ihnen zu vertretenden Gründen auf Dauer unmöglich ist. Für uneinbringlich erklärte bzw. als uneinbringlich geltende Beträge werden aus der gesonderten Buchführung gemäß Art. 6 Abs. 3 Buchst. b der Verordnung endgültig herausgenommen.

    61

    In diesem Zusammenhang ergibt sich aus Art. 17 Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 1150/2000, dass die Mitgliedstaaten der Kommission Mitteilung über die Fälle der Anwendung des Verfahrens nach Abs. 2 dieses Artikels, in denen die festgestellten Ansprüche 50000 Euro übersteigen, machen müssen. Die Kommission verfügt dann ab dem Tag, an dem diese Mitteilung bei ihr eingeht, über sechs Monate, um dem betreffenden Mitgliedstaat ihre Bemerkungen zu übermitteln. Wie das Gericht zu Recht – und im Rahmen des Rechtsmittels unbeanstandet – in den Rn. 46 bis 50 des angefochtenen Beschlusses festgestellt hat, sind solche Bemerkungen nicht bindend und als bloße Stellungnahme der Kommission anzusehen.

    62

    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts die Verwaltung des Systems der Eigenmittel der Union den Mitgliedstaaten anvertraut ist und in deren alleiniger Verantwortung liegt. Somit obliegen die Verpflichtungen zur Erhebung, Feststellung und Gutschrift dieser Eigenmittel nach den Bestimmungen der Beschlüsse 2000/597 und 2007/436 sowie der Verordnung Nr. 1150/2000 unmittelbar den Mitgliedstaaten, ohne dass der Kommission eine Entscheidungsbefugnis eingeräumt wäre, die es ihr ermöglichen würde, den Mitgliedstaaten aufzugeben, Eigenmittel der Union festzustellen und ihr zur Verfügung zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2017, Slowakei/Kommission, C‑593/15 P und C‑594/15 P, EU:C:2017:800, Rn. 64).

    63

    Insoweit ist hervorzuheben, dass sich der Unionsgesetzgeber dafür entschieden hat, einen Vorschlag der Kommission in Nr. 13.3 ihres am 1. Juli 2003 vorgelegten Vorschlags für eine Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 1150/2000 (KOM[2003] 366 endg.), ihr die Befugnis einzuräumen, eine mit Gründen versehene Entscheidung zu erlassen, falls sie die Bedingungen des Art. 17 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 für nicht erfüllt erachte, nicht aufzugreifen.

    64

    Unter diesen Umständen liefe es auf eine Missachtung des Systems der Eigenmittel der Union, wie es in den Vorschriften des Unionsrechts vorgesehen ist, hinaus, wenn nach dem Vorschlag der Tschechischen Republik gegen ein Schreiben wie das streitige Nichtigkeitsklage erhoben werden könnte, um prüfen zu lassen, ob dieser Mitgliedstaat tatsächlich verpflichtet ist, der Kommission den fraglichen Betrag zur Verfügung zu stellen. Es ist jedoch nicht Sache des Gerichtshofs, die insoweit vom Unionsgesetzgeber getroffene Entscheidung zu ändern.

    65

    Was als Zweites die Erwägungen des Gerichts in den Rn. 82 bis 86 des angefochtenen Beschlusses betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass es der Kommission gemäß ihrer Rolle als Hüterin der Verträge nach Art. 17 Abs. 1 EUV obliegt, dafür Sorge zu tragen, dass die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen im Bereich der Eigenmittel der Union ordnungsgemäß erfüllen.

    66

    Bei der Erfüllung dieser Aufgabe verfügt die Kommission hinsichtlich der Entscheidung über die Zweckmäßigkeit der Einleitung des in Art. 258 AEUV vorgesehenen Verfahrens, wenn ein Mitgliedstaat nach ihrer Auffassung gegen eine seiner Verpflichtungen aus dem Unionsrecht verstoßen hat, über ein Ermessen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Oktober 1995, Richardson, C‑137/94, EU:C:1995:342, Rn. 35, und vom 6. Dezember 2007, Kommission/Deutschland, C‑456/05, EU:C:2007:755, Rn. 25).

    67

    Insoweit hat der Gerichtshof insbesondere entschieden, dass ein Mitgliedstaat, der es unterlässt, den Anspruch der Union auf Eigenmittel festzustellen und den entsprechenden Betrag der Kommission zur Verfügung zu stellen, ohne dass eine der in Art. 17 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1150/2000 vorgesehenen Bedingungen erfüllt ist, gegen seine Verpflichtungen aus dem Unionsrecht und insbesondere aus den Art. 2 und 8 des Beschlusses 2000/597 und des Beschlusses 2007/436 verstößt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. November 2005, Kommission/Dänemark, C‑392/02, EU:C:2005:683, Rn. 68, vom 18. Oktober 2007, Kommission/Dänemark, C‑19/05, EU:C:2007:606, Rn. 32, und vom 3. April 2014, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑60/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:219, Rn. 50).

    68

    Daraus folgt, dass die Befugnis der Kommission, dem Gerichtshof im Rahmen einer Vertragsverletzungsklage einen Streit zwischen ihr und einem Mitgliedstaat über dessen Verpflichtung, ihr einen bestimmten Betrag an Eigenmitteln der Union zur Verfügung zu stellen, zur Beurteilung vorzulegen, dem Eigenmittelsystem, wie es gegenwärtig im Unionsrecht ausgestaltet ist, immanent ist.

    69

    Zwar setzt sich, wie von der Tschechischen Republik geltend gemacht, der Mitgliedstaat, der der Kommission bestimmte Eigenmittel der Union deshalb nicht zur Verfügung stellt, weil er ihren Standpunkt hinsichtlich seiner Verpflichtung, ihr diesen Betrag zur Verfügung zu stellen, nicht teilt, der Gefahr aus, Verzugszinsen zahlen zu müssen, wenn der Gerichtshof einen Verstoß gegen die Verpflichtungen aus der Regelung über die Eigenmittel der Union feststellt.

    70

    Insoweit ist jedoch erstens darauf hinzuweisen, dass, wie sich im Wesentlichen aus den Rn. 58 und 59 des vorliegenden Urteils ergibt, die Verpflichtung zur Entrichtung von Verzugszinsen nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1150/2000 untrennbar mit der Verpflichtung verbunden ist, der Kommission die Eigenmittel der Union im Einklang mit den Art. 9 bis 11 dieser Verordnung, insbesondere unter Beachtung der in dieser Verordnung festgesetzten Fristen, zur Verfügung zu stellen.

    71

    Die Tschechische Republik hat die Verzugszinsen, die ein Mitgliedstaat im Rahmen des Systems der Eigenmittel der Union möglicherweise schuldet, in der mündlichen Verhandlung somit zu Unrecht Gerichtskosten gleichgestellt, die geeignet seien, den Zugang zu den Gerichten zu behindern.

    72

    Zweitens ergibt sich, wie vom Gericht in Rn. 84 des angefochtenen Beschlusses zutreffend ausgeführt, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass ein Mitgliedstaat die durch die unter Umständen hohen Verzugszinsen verursachten nachteiligen finanziellen Folgen vermeiden kann, wenn er der Kommission den geforderten Betrag unter dem Vorbehalt zur Verfügung stellt, dass der Standpunkt der Kommission begründet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. Mai 1991, Kommission/Niederlande, C‑96/89, EU:C:1991:213, Rn. 17, und vom 12. September 2000, Kommission/Vereinigtes Königreich, C‑359/97, EU:C:2000:426, Rn. 31).

    73

    Im Fall einer Zurverfügungstellung dieser Mittel unter einem solchen Vorbehalt obliegt es der Kommission nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit im Sinne von Art. 4 Abs. 3 EUV, einen konstruktiven Dialog mit dem betreffenden Mitgliedstaat zu führen, um die jeweiligen Standpunkte zu klären und die diesem Mitgliedstaat obliegenden Verpflichtungen zu bestimmen.

    74

    Ist dieser Dialog zwischen dem Mitgliedstaat und der Kommission nicht erfolgreich, steht es dieser entgegen ihrer im Rahmen der vorliegenden Rechtssache vertretenen Auffassung frei, eine Vertragsverletzungsklage gegen den Mitgliedstaat in Bezug auf seine Verpflichtungen zur Erhebung, Feststellung und Zurverfügungstellung der Eigenmittel der Union zu erheben.

    75

    Wie nämlich die Generalanwältin in Rn. 98 ihrer Schlussanträge festgestellt hat, würde der Umstand, dass die Zurverfügungstellung von Eigenmitteln der Union unter einen Vorbehalt gestellt wird, die Feststellung einer Vertragsverletzung rechtfertigen, sollte es sich erweisen, dass der betreffende Mitgliedstaat tatsächlich verpflichtet war, der Union diese Mittel zur Verfügung zu stellen.

    76

    Der Gerichtshof hat im Übrigen bereits eine Vertragsverletzungsklage der Kommission in einer Rechtssache geprüft, in der der beklagte Mitgliedstaat Eigenmittel der Union unter Vorbehalt zur Verfügung gestellt hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2010, Kommission/Deutschland, C‑442/08, EU:C:2010:390, Rn. 51).

    77

    Entgegen der Auffassung der Tschechischen Republik, unterstützt vom Königreich der Niederlande, kann die Kommission jedoch nicht verpflichtet sein, eine Vertragsverletzungsklage gegen einen Mitgliedstaat zu erheben, der Mittel unter Vorbehalt zur Verfügung stellt.

    78

    Eine solche Verpflichtung widerspräche nämlich der Systematik von Art. 258 AEUV, aus dem sich ergibt, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, sondern insoweit über ein Ermessen verfügt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 1989, Star Fruit/Kommission, 247/87, EU:C:1989:58, Rn. 11).

    79

    Daher kann ein Mitgliedstaat die Zurverfügungstellung von Eigenmitteln der Union unter Vorbehalt nicht davon abhängig machen, dass die Kommission sich verpflichtet, den Gerichtshof mit einer Vertragsverletzungsklage zu befassen (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom 21. Juni 2007, Finnland/Kommission, C‑163/06 P, EU:C:2007:371, Rn. 44).

    80

    Daraus folgt, dass der Weg der Vertragsverletzungsklage aufgrund des der Kommission eingeräumten Ermessens dem betreffenden Mitgliedstaat keine Gewähr dafür bietet, dass der Streit zwischen ihm und diesem Organ über die Zurverfügungstellung von Eigenmitteln der Union gerichtlich entschieden wird.

    81

    Unter diesen Umständen ist hinzuzufügen, dass es einem Mitgliedstaat, wenn er der Kommission unter dem Vorbehalt, dass deren Standpunkt begründet ist, Eigenmittel der Union zur Verfügung gestellt hat und das in Rn. 73 des vorliegenden Urteils genannte Dialogverfahren nicht zur Beilegung des Streits zwischen ihm und dem Organ geführt hat, freisteht, Schadensersatz wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Union zu fordern und insoweit gegebenenfalls eine Klage vor dem Gericht anzustrengen.

    82

    Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass nach den Grundsätzen, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind, eine Person, die einen Verlust erlitten hat, der zu einem Vermögenszuwachs bei einer anderen Person geführt hat, ohne dass ein Rechtsgrund für diese Bereicherung besteht, im Allgemeinen gegen den Bereicherten einen Herausgabeanspruch bis zur Höhe dieses Verlusts hat. Zwar sieht der AEU-Vertrag nicht ausdrücklich eine für diese Art von Klage bestimmte Klagemöglichkeit vor; eine Auslegung von Art. 268 AEUV und Art. 340 Abs. 2 AEUV, die diese Möglichkeit ausschlösse, würde jedoch zu einem Ergebnis führen, das dem Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes zuwiderliefe. Die gemäß diesen Vorschriften erhobene Klage wegen ungerechtfertigter Bereicherung der Union erfordert den Nachweis, dass der Beklagte ohne wirksame Rechtsgrundlage bereichert und der Kläger im Zusammenhang mit dieser Bereicherung entreichert ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Masdar [UK]/Kommission, C‑47/07 P, EU:C:2008:726, Rn. 44 und 46 bis 50).

    83

    Im Rahmen der Prüfung einer solchen Klage hätte das Gericht u. a. zu prüfen, ob die Entreicherung des klagenden Mitgliedstaats, die einem der Kommission zur Verfügung gestellten und von diesem Mitgliedstaat angefochtenen Betrag an Eigenmitteln der Union entspricht, und die damit zusammenhängende Bereicherung dieses Organs ihre Rechtfertigung in den Verpflichtungen finden, die dem Mitgliedstaat nach den unionsrechtlichen Vorschriften über die Eigenmittel der Union obliegen, oder aber einer solchen Rechtfertigung entbehren.

    84

    Die Tschechische Republik, unterstützt durch das Königreich der Niederlande, trägt daher zu Unrecht vor, dass einem Mitgliedstaat jeder wirksame gerichtliche Rechtsschutz genommen werde, wenn mit der Kommission keine Einigkeit über seine Verpflichtungen im Bereich der Eigenmittel der Union erzielt werde.

    85

    Nach alledem ist der einzige Rechtsmittelgrund der Tschechischen Republik und damit das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen.

    Kosten

    86

    Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    87

    Da die Tschechische Republik mit ihrem einzigen Rechtsmittelgrund unterlegen ist, sind ihr entsprechend dem Antrag der Kommission neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Kommission aufzuerlegen.

    88

    Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 ebenfalls auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, tragen die Mitgliedstaaten und die Organe der Union, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

    89

    Das Königreich der Niederlande trägt daher seine eigenen Kosten.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

     

    1.

    Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

     

    2.

    Die Tschechische Republik trägt neben ihren eigenen Kosten die Kosten der Europäischen Kommission.

     

    3.

    Das Königreich der Niederlande trägt seine eigenen Kosten.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Tschechisch.

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