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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62018CJ0570

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 25. Juni 2020.
HF gegen Europäisches Parlament.
Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Europäisches Parlament – Vertragsbedienstete – Art. 12a und 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Union – Mobbing – Antrag auf Beistand – Anspruch auf rechtliches Gehör – Ablehnung des Antrags auf Beistand – Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Umfang der gerichtlichen Kontrolle.
Rechtssache C-570/18 P.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2020:490

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

25. Juni 2020 ( *1 )

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Europäisches Parlament – Vertragsbedienstete – Art. 12a und 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Union – Mobbing – Antrag auf Beistand – Anspruch auf rechtliches Gehör – Ablehnung des Antrags auf Beistand – Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Umfang der gerichtlichen Kontrolle“

In der Rechtssache C‑570/18 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 10. September 2018,

HF, Prozessbevollmächtigte: A. Tymen, avocate,

Rechtsmittelführerin,

andere Partei des Verfahrens:

Europäisches Parlament, vertreten durch E. Taneva und T. Lazian als Bevollmächtigte,

Beklagter im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev sowie der Richter T. von Danwitz und A. Kumin (Berichterstatter),

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. November 2019,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. Januar 2020

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 29. Juni 2018, HF/Parlament (T‑218/17, im Folgenden: angefochtenes Urteil, EU:T:2018:393), mit dem dieses ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Parlaments vom 3. Juni 2016, mit der die Einstellungsbehörde dieses Organs ihren am 11. Dezember 2014 gestellten Antrag auf Beistand abgelehnt hatte, sowie auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die von dieser Behörde bei der Bearbeitung des Antrags auf Beistand begangenen Rechtsfehler entstanden sein soll, abgewiesen hat.

2

Mit seinem Anschlussrechtsmittel beantragt das Parlament, das angefochtene Urteil wegen der vom Gericht in den Rn. 80, 81 und 123 dieses Urteils begangenen Rechtsfehler aufzuheben, die Klage im ersten Rechtszug abzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Rechtlicher Rahmen

3

Art. 12a des Statuts der Beamten der Europäischen Union in der auf den Rechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Statut) sieht vor:

„(1)   Der Beamte enthält sich jeder Form von Mobbing oder sexueller Belästigung.

(3)   Als ‚Mobbing‘ wird ungebührliches Verhalten bezeichnet, das über einen längeren Zeitraum, wiederholt oder systematisch in Verhaltensweisen, mündlichen oder schriftlichen Äußerungen, Handlungen oder Gesten zum Ausdruck kommt, die vorsätzlich begangen werden und die Persönlichkeit, die Würde oder die physische oder psychische Integrität einer Person angreifen.“

4

Art. 24 des Statuts bestimmt:

„Die Union leistet ihren Beamten Beistand, insbesondere beim Vorgehen gegen die Urheber von Drohungen, Beleidigungen, übler Nachrede, Verleumdungen und Anschlägen auf die Person oder das Vermögen, die auf Grund ihrer Dienststellung oder ihres Amtes gegen sie oder ihre Familienangehörigen gerichtet werden.

Sie ersetzt solidarisch den erlittenen Schaden, soweit ihn der Bedienstete weder vorsätzlich noch grob fahrlässig herbeigeführt hat und soweit er keinen Schadenersatz von dem Urheber erlangen konnte.“

5

In Art. 90 des Statuts heißt es:

„(1)   Jede Person, auf die dieses Statut Anwendung findet, kann einen Antrag auf Erlass einer sie betreffenden Entscheidung an die Anstellungsbehörde richten. Diese teilt dem Antragsteller ihre begründete Entscheidung binnen vier Monaten nach dem Tag der Antragstellung mit. Ergeht innerhalb dieser Frist kein Bescheid, so gilt dies als stillschweigende Ablehnung, gegen die eine Beschwerde nach Absatz 2 zulässig ist.

(2)   Jede Person, auf die dieses Statut Anwendung findet, kann sich mit einer Beschwerde gegen eine sie beschwerende Maßnahme an die Anstellungsbehörde wenden; dies gilt sowohl für den Fall, dass die Anstellungsbehörde eine Entscheidung getroffen hat, als auch für den Fall, dass sie eine im Statut vorgeschriebene Maßnahme nicht getroffen hat. Die Beschwerde muss innerhalb einer Frist von drei Monaten eingelegt werden. …

Die Anstellungsbehörde teilt dem Betreffenden ihre begründete Entscheidung binnen vier Monaten nach dem Tag der Einreichung der Beschwerde mit. Wird innerhalb dieser Frist keine Antwort auf die Beschwerde erteilt, so gilt dies als stillschweigende Ablehnung, gegen die eine Klage nach Artikel 91 zulässig ist.“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

6

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits ist in den Rn. 1 bis 33 des angefochtenen Urteils dargelegt und lässt sich wie folgt zusammenfassen.

7

Zwischen 2005 und 2015 arbeitete die Rechtsmittelführerin, HF, mit unterschiedlichem Beschäftigungsstatus, und zwar als Hilfskraft, Vertragsbedienstete und Zeitbedienstete, im Referat „Audiovisuelles“ der Generaldirektion „Kommunikation“ des Europäischen Parlaments.

8

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2014 an den Generalsekretär des Parlaments (im Folgenden: Generalsekretär), mit Kopie an den Vorsitzenden des Beratenden Ausschusses „Mobbing und Prävention von Mobbing am Arbeitsplatz“ (im Folgenden: Beratender Ausschuss) sowie an den Präsidenten des Parlaments und den Generaldirektor der Generaldirektion (GD) „Personal“ des Generalsekretariats des Parlaments (im Folgenden: Generaldirektor Personal), stellte die Rechtsmittelführerin gemäß Art. 90 Abs. 1 des Statuts einen Antrag auf Beistand im Sinne von Art. 24 des Statuts (im Folgenden: Beistandsantrag). Im Einzelnen beantragte sie den Erlass von Dringlichkeitsmaßnahmen zum unverzüglichen Schutz vor dem mutmaßlichen Mobber und die Einleitung einer Verwaltungsuntersuchung durch die Einstellungsbehörde des Parlaments (im Folgenden: Einstellungsbehörde) zur Feststellung des tatsächlichen Sachverhalts.

9

Zur Stützung dieses Antrags trug die Rechtsmittelführerin vor, dass sie Opfer von Mobbing im Sinne von Art. 12a des Statuts seitens des Leiters des Referats „Audiovisuelles“ (im Folgenden: Referatsleiter) sei. Dieses Mobbing habe in entsprechendem Verhalten sowie in mündlichen und schriftlichen Äußerungen dieses Referatsleiters, insbesondere bei Dienstbesprechungen, bestanden.

10

Mit Schreiben vom 4. Februar 2015 informierte der Generaldirektor Personal die Rechtsmittelführerin darüber, dass zu ihren Gunsten eine Maßnahme erlassen worden sei, die in ihrer neuen dienstlichen Verwendung im Referat Besuchsprogramme bestehe, um sie vom Referatsleiter umzusetzen.

11

Mit Schreiben vom 8. Dezember 2015 setzte der Generaldirektor Personal die Rechtsmittelführerin von seiner Absicht in Kenntnis, nach u. a. der Anhörung des Referatsleiters und 14 weiterer Beamter und Bediensteter des Referats Audiovisuelles durch den Beratenden Ausschuss den Beistandsantrag als unbegründet abzulehnen.

12

Mit Schreiben vom 17. Dezember 2015 bat die Rechtsmittelführerin um Übermittlung des von ihr als „Untersuchungsbericht“ bezeichneten Berichts des Beratenden Ausschusses. Diese Bitte wiederholte sie mit Schreiben vom 5. Februar 2016.

13

Mit Schreiben vom 9. Februar 2016 räumte der Generaldirektor Personal der Rechtsmittelführerin für ihre Stellungnahme zu seiner Absicht, den Beistandsantrag abzulehnen, eine Frist bis zum 1. April 2016 ein. Im Übrigen teilte er ihr mit, dass der Beratende Ausschuss ihm nur eine Stellungnahme habe zukommen lassen, in der er zu dem Schluss komme, dass kein Mobbing vorliege. Von daher sei es normal gewesen, dass der Beratende Ausschuss ihm keinen Bericht im Sinne von Art. 14 der Internen Regelung „Mobbing“ übermittelt habe, da ein solcher Bericht vom Beratenden Ausschuss nur dann erstellt werde, wenn er das Vorliegen von Mobbing feststelle.

14

Am 1. April 2016 reichte die Rechtsmittelführerin ihre schriftliche Stellungnahme ein, in der sie wiederholte, dass das Verhalten des Referatsleiters ihr gegenüber Mobbing im Sinne von Art. 12a des Statuts darstelle, und sie insbesondere der Aussage des Generaldirektors Personal entgegentrat, wonach der Beratende Ausschuss keinen Bericht im Sinne von Art. 14 der Internen Regelung „Mobbing“ erstellt, sondern lediglich eine Stellungnahme abgegeben habe. Insoweit verletze die Weigerung des Generaldirektors Personal, ihr sämtliche Schlussfolgerungen des Beratenden Ausschusses mitzuteilen, ihre Verteidigungsrechte und nehme ihrer Stellungnahme jede praktische Wirkung.

15

Mit Entscheidung vom 3. Juni 2016 lehnte der Generaldirektor Personal in seiner Eigenschaft als Einstellungsbehörde den Beistandsantrag ab (im Folgenden: streitige Entscheidung). In dieser Entscheidung wies er insbesondere darauf hin, dass die Rechtsmittelführerin umfassend und detailliert über die Gründe informiert worden sei, aus denen er ihr am 8. Dezember 2015 seine Absicht mitgeteilt habe, den Beistandsantrag abzulehnen. Im Übrigen habe die Rechtsmittelführerin keinen Anspruch auf Übermittlung eines Untersuchungsberichts, einer Stellungnahme oder von Protokollen über Zeugenanhörungen durch den Beratenden Ausschuss. Außerdem hielt der Generaldirektor Personal an seiner im Schreiben vom 8. Dezember 2015 dargelegten Beurteilung fest und verneinte daher, dass die von der Rechtsmittelführerin beschriebene Situation unter den Begriff „Mobbing“ im Sinne von Art. 12a des Statuts falle.

16

Am 6. September 2016 legte die Rechtsmittelführerin gemäß Art. 90 Abs. 2 des Statuts gegen die streitige Entscheidung eine Beschwerde ein. Zur Stützung dieser Beschwerde machte sie eine Verletzung der Verteidigungsrechte, einen Verstoß gegen Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und des Grundsatzes des kontradiktorischen Verfahrens sowie Regelwidrigkeiten im Verfahren des Beratenden Ausschusses, offensichtliche Beurteilungsfehler, einen Verstoß gegen die Art. 12a und 24 des Statuts sowie eine Verletzung der Beistandspflicht und der Fürsorgepflicht geltend.

17

Mit Entscheidung vom 4. Januar 2017 wies der Generalsekretär in seiner Eigenschaft als Einstellungsbehörde diese Beschwerde zurück.

18

Hinsichtlich der Rüge der Rechtsmittelführerin betreffend die nicht erfolgte Übermittlung des Berichts des Beratenden Ausschusses und der Zeugenanhörungsprotokolle durch die Einstellungsbehörde vertrat der Generalsekretär u. a. die Auffassung, dass nach der Rechtsprechung in den Urteilen vom 11. Juli 2013, Tzirani/Kommission (F‑46/11, EU:F:2013:115), und vom 23. September 2015, Cerafogli/EZB (T‑114/13 P, EU:T:2015:678), keine Verpflichtung für die Einstellungsbehörde bestehe, diese Dokumente an die Rechtsmittelführerin weiterzuleiten, insbesondere weil der Beratende Ausschuss im Rahmen des Parlaments streng vertraulich arbeiten müsse und seine Arbeiten geheim seien. Um die Redefreiheit aller Teilnehmer, insbesondere der Zeugen, zu gewährleisten, sei es der Einstellungsbehörde nicht möglich gewesen, diese Dokumente der Rechtsmittelführerin zu übermitteln.

19

Im Hinblick auf das Vorliegen von Mobbing im Sinne von Art. 12a Abs. 3 des Statuts im vorliegenden Fall war der Generalsekretär der Ansicht, dass sich „[u]mfassend betrachtet … die von [der Rechtsmittelführerin] geltend gemachten Fakten daher nicht als Elemente eines ungebührlichen Verhaltens eines Referatsleiters gegenüber einem Untergebenen [erweisen]“.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

20

Mit Klageschrift, die am 12. April 2017 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob die Rechtsmittelführerin Klage auf Aufhebung der Entscheidung des Parlaments vom 3. Juni 2016, mit der die Einstellungsbehörde ihren Beistandsantrag vom 11. Dezember 2014 abgelehnt hatte, und auf Ersatz des Schadens, der ihr durch die von dieser Behörde bei der Bearbeitung dieses Antrags begangenen Rechtsfehler entstanden sein soll.

21

Die Rechtsmittelführerin stützte ihren Aufhebungsantrag auf drei Klagegründe, nämlich erstens eine Verletzung der Verteidigungsrechte, einen Verstoß gegen Art. 41 der Charta, eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und einen Verstoß gegen den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, zweitens Verfahrensfehler, und zwar dass das vom Beratenden Ausschuss durchgeführte Verfahren regelwidrig und parteiisch gewesen sei, und drittens offensichtliche Beurteilungsfehler, eine Verletzung der Beistandspflicht und der Fürsorgepflicht sowie einen Verstoß gegen die Art. 12a und 24 des Statuts.

22

Zur Stützung ihres Antrags auf Ersatz ihres Schadens machte die Rechtsmittelführerin geltend, aufgrund des rechtswidrigen Vorgehens der Einstellungsbehörde bei der Bearbeitung ihres Beistandsantrags habe sie einen immateriellen Schaden erlitten. Aus diesen Gründen verlangte sie Schadensersatz in Höhe von 70000 Euro. Des Weiteren verlangte sie einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 20000 Euro zum Ersatz des immateriellen Schadens, der sich aus den im Untersuchungsverfahren aufgetretenen Regelwidrigkeiten, und zwar bei den Arbeiten des Beratenden Ausschusses, ergebe. So habe die Einstellungsbehörde u. a. den Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer bei der Behandlung des Beistandsantrags missachtet.

23

Mit dem angefochtenen Urteil wies das Gericht die Klage insgesamt als unbegründet ab.

Anträge der Parteien

Rechtsmittelanträge

24

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Rechtsmittelführerin,

das angefochtene Urteil aufzuheben und dementsprechend

ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben;

die streitige Entscheidung aufzuheben;

das Parlament zum Ersatz ihres nach billigem Ermessen mit 90000 Euro bewerteten immateriellen Schadens zu verurteilen und

dem Parlament sämtliche Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

25

Das Parlament beantragt,

das Rechtsmittel für unbegründet zu erklären;

der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

Anschlussrechtsmittelanträge

26

Mit seinem Anschlussrechtsmittel beantragt das Parlament,

das angefochtene Urteil aufzuheben;

in der Sache zu entscheiden und die Klage abzuweisen sowie

der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

27

Die Rechtsmittelführerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu bestätigen, was die in dessen Rn. 80, 81 und 123 aufgestellten Grundsätze betrifft;

das angefochtene Urteil aufzuheben, soweit mit ihm ihre Anträge zurückgewiesen wurden, und folglich

ihren im ersten Rechtszug gestellten Anträgen stattzugeben;

die streitige Entscheidung aufzuheben;

das Parlament zum Ersatz ihres nach billigem Ermessen mit 90000 Euro bewerteten immateriellen Schadens zu verurteilen und

dem Parlament sämtliche Kosten beider Rechtszüge aufzuerlegen.

Zum Anschlussrechtsmittel

Vorbringen der Parteien

28

Das Parlament stützt sein Anschlussrechtsmittel auf zwei Gründe. Erstens habe das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es in Rn. 81 des angefochtenen Urteils entschieden habe, dass das Parlament HF die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses hätte übermitteln müssen. Zweitens habe das Gericht in Rn. 123 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, da es sich nicht auf die Prüfung eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers beschränkt habe.

29

Die Rechtsmittelführerin tritt diesem Vorbringen entgegen.

Würdigung durch den Gerichtshof

30

Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof Fragen zur Zulässigkeit des Rechtsmittels oder der Rechtsmittelgründe von Amts wegen zu prüfen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2008, Neirinck/Kommission, C‑17/07 P, EU:C:2008:134, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31

Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 56 Abs. 1 und 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union von einer Partei, die mit ihren Anträgen ganz oder teilweise unterlegen ist, gegen die Endentscheidungen des Gerichts beim Gerichtshof ein Rechtsmittel eingelegt werden kann.

32

Nach Art. 178 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs müssen die Anschlussrechtsmittelanträge auf die vollständige oder teilweise Aufhebung der Entscheidung des Gerichts gerichtet sein.

33

Im vorliegenden Fall kann, wie der Generalanwalt in Nr. 37 seiner Schlussanträge im Wesentlichen festgestellt hat, nicht davon ausgegangen werden, dass das Parlament mit seinen Anträgen unterlegen ist, da das Gericht die Klage der Rechtsmittelführerin abgewiesen und damit ihren Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidung zurückgewiesen hat.

34

Da die beiden Anschlussrechtsmittelgründe in Wirklichkeit nur darauf abzielen, eine Auswechslung der Gründe zu erreichen, was die vom Gericht in den Rn. 80, 81 und 123 des angefochtenen Urteils vorgenommene Analyse betrifft, kann ihnen nicht stattgegeben werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2019, Canadian Solar Emea u. a./Rat, C‑236/17 P, EU:C:2019:258, Rn. 75 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

35

Folglich sind die beiden Anschlussrechtsmittelgründe als unzulässig zurückzuweisen.

36

In Bezug auf den Kostenantrag des Parlaments genügt der Hinweis, dass nach Art. 58 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union ein nur gegen die Kostenentscheidung oder gegen die Kostenfestsetzung gerichtetes Rechtsmittel unzulässig ist. Da aber die beiden Anschlussrechtsmittelgründe unzulässig sind, kann diesem Antrag des Parlaments nicht stattgegeben werden.

37

Nach alledem ist das Anschlussrechtsmittel in vollem Umfang zurückzuweisen.

Zum Rechtsmittel

38

Zur Stützung ihres Rechtsmittels macht die Rechtsmittelführerin drei Rechtsmittelgründe geltend: erstens einen Verstoß gegen den in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör, zweitens einen Verstoß gegen Art. 41 Abs. 1 der Charta und die dem Gericht obliegende Begründungspflicht sowie eine Verfälschung des Akteninhalts und ihres Vorbringens und drittens einen Verstoß gegen Art. 31 Abs. 1 der Charta, Art. 12a Abs. 1 und 3 des Statuts sowie Art. 24 des Statuts.

Vorbringen der Parteien

39

Nach Ansicht der Rechtsmittelführerin hat das Gericht als Erstes dadurch gegen Art. 12a Abs. 1 und 3 des Statuts sowie Art. 24 des Statuts verstoßen, dass es in den Rn. 84 und 85 des angefochtenen Urteils nur eines der Ziele der Behandlung eines Antrags auf Beistand berücksichtigt habe, nämlich wieder einen reibungslosen Dienstbetrieb in der betreffenden Dienststelle herzustellen, ohne ein weiteres dieser Ziele zu berücksichtigen, auf das gleichwohl in Rn. 83 dieses Urteils hingewiesen worden sei, und zwar, das Verbot jeder Art von Mobbing wirksam durchzusetzen.

40

Als Zweites weise das angefochtene Urteil einen Begründungsmangel auf und sei widersprüchlich, da das Gericht die Auffassung vertreten habe, dass der Rechtsmittelführerin die Protokolle der Zeugenanhörungen nicht übermittelt werden dürften, um die Anonymität der Zeugen zu schützen. Obwohl das Gericht in Rn. 80 des angefochtenen Urteils ausgeführt habe, dass die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses in einer nicht vertraulichen Fassung erstellt werden könne, die die den Zeugen gewährte Anonymität wahre, habe es zu dieser Frage hinsichtlich der Anhörungsprotokolle nämlich nicht Stellung bezogen. Somit habe das Gericht, was die Frage betreffe, ob diese beiden Dokumente übermittelt werden könnten, ohne Erläuterung nicht dieselben Kriterien angewandt. Es habe sich auch insofern widersprochen, als es die mögliche Anonymisierung der Protokolle der Zeugenanhörungen nicht berücksichtigt habe, obwohl sowohl für die Übermittlung der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses als auch für diese Anhörungsprotokolle dasselbe Ziel der Wahrung der Anonymität der Zeugen gelte.

41

Da die von ihr in den Rn. 83 bis 85 des angefochtenen Urteils festgestellten Regelwidrigkeiten das Gericht zu der Entscheidung veranlasst hätten, dass ihr vor der Abgabe ihrer Stellungnahme die Protokolle der Zeugenanhörungen nicht mitgeteilt werden dürften, habe es durch diese Regelwidrigkeiten gegen Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta sowie gegen ihr Recht, gehört zu werden, verstoßen.

42

Als Drittes macht die Rechtsmittelführerin sinngemäß geltend, dass das Gericht dadurch, dass es anerkannt habe, dass die Einstellungsbehörde für die Entscheidung über den Beistandsantrag die Anhörungsprotokolle benötigt habe, um die sehr knapp gehaltene Stellungnahme des Beratenden Ausschusses zu vervollständigen, in Rn. 89 des angefochtenen Urteils implizit, aber zwangsläufig eingeräumt habe, dass ihr Recht, gehört zu werden, nicht gewahrt worden sei.

43

Als Viertes ist die Rechtsmittelführerin im Wesentlichen der Auffassung, dass das Gericht, obwohl es in Rn. 90 des angefochtenen Urteils anerkannt habe, dass sie im gerichtlichen Verfahren neue stichhaltige Argumente zu den Anhörungsprotokollen vorgebracht habe, die geeignet gewesen seien, hinsichtlich des Beistandsantrags zu einem anderen Ergebnis zu führen, entschieden habe, dass kein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör vorliege. Diese Beurteilung des Gerichts beruhe auf der fehlerhaften Prämisse, dass ihr die Anhörungsprotokolle nicht übermittelt werden dürften.

44

Das Parlament ist demgegenüber der Auffassung, dass der erste Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen sei.

45

Es macht als Erstes geltend, dass nach Art. 41 Abs. 2 Buchst. b der Charta die Vertraulichkeit eine legitime Begrenzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstelle.

46

Es sei insoweit unerlässlich, die Vertraulichkeit von Zeugenaussagen bei Verwaltungsuntersuchungen nicht nur gegenüber dem mutmaßlichen Mobber, sondern auch gegenüber dem Beschwerdeführer zu wahren, um die Redefreiheit der Zeugen zu gewährleisten. Zum einen nämlich könnte eine etwaige Aufhebung dieser Vertraulichkeit, insbesondere im gerichtlichen Verfahren, die Durchführung neutraler und objektiver Untersuchungen unter uneingeschränkter Einbeziehung des Beitrags auf freiwilliger Basis als Zeugen anzuhörender Personen verhindern. Zum anderen gewähre diese Vertraulichkeit den Zeugen Garantien, da sie so über die Gewissheit verfügten, weder Repressalien noch Druck von Seiten der beteiligten Personen ausgesetzt zu sein.

47

Das Parlament fügt hinzu, dass gemäß seinen einschlägigen internen Regeln der Vorsitzende des Beratenden Ausschusses den Zeugen zusichere, dass ihre Aussage vertraulich bleibe.

48

Als Zweites trägt das Parlament vor, dass das Ziel, wieder einen reibungslosen Betrieb innerhalb der Dienststelle herzustellen, zum Ziel, das Mobbing abzustellen, komplementär und von diesem nicht zu trennen sei. So könnte die Aufhebung der Vertraulichkeit dadurch potenziell zu Konflikten innerhalb der Dienststelle führen, dass eine eventuelle Animosität innerhalb der Dienststelle wieder aufflamme. Daher könne die Rechtsmittelführerin nicht behaupten, das Gericht habe das zweite dieser Ziele nicht berücksichtigt.

49

Als Drittes hebt das Parlament hervor, dass die Anonymisierung einer Anhörung, also die Schwärzung des Namens der Zeugen, nicht genüge, um sicherzustellen, dass die aussagende Person nicht identifiziert werden könne, da der Zeuge auch durch den Abgleich von Informationen und insbesondere auch durch die von ihm bezeugten Tatsachen identifizierbar werden könne.

50

Als Viertes ist das Parlament der Ansicht, dass die Rechtsmittelführerin am 1. April 2016 vollständig in die Lage versetzt worden sei, ihr Recht nach Art. 41 der Charta, gehört zu werden, auszuüben, da ihr zu diesem Zeitpunkt die Gründe mitgeteilt worden seien, auf die die Verwaltung ihre Absicht gestützt habe, ihren Beistandsantrag abzulehnen. In diesem Zusammenhang weist das Parlament darauf hin, dass nach Auffassung der Unionsgerichte im Bereich des Beistands wegen Mobbings demjenigen, der einen Antrag auf Beistand stelle, ein nicht so weitreichender Rechtsschutz gewährt werde wie im Rahmen der Verteidigungsrechte, er aber, um das Recht auf eine gute Verwaltung zu wahren, gemäß Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta über das Recht, gehört zu werden, verfüge.

51

Bei zutreffender Auslegung von Art. 41 der Charta habe die Rechtsmittelführerin daher nicht das Recht, alle im Rahmen der Behandlung ihres Beistandsantrags erstellten Dokumente zu erhalten, sondern nur, die Gründe zu erfahren, auf die die Verwaltung ihre Absicht stütze, diesen Antrag abzulehnen. Folglich könne der Rechtsmittelführerin aufgrund der Wahrnehmung ihres Rechts, gehört zu werden, kein Zugang zu den Anhörungsprotokollen gewährt werden.

52

Als Fünftes hält das Parlament die Beanstandung von Rn. 90 des angefochtenen Urteils durch die Rechtsmittelführerin für ins Leere gehend, da diese jedenfalls nicht Zugang zu Zeugenaussagen haben könne, die von Natur aus vertraulich seien. Selbst unterstellt, die Rechtsmittelführerin verfügte über ein solches Recht, habe sie kein neues Argument vorgetragen, das eine Auswirkung auf die Entscheidung des Generaldirektors Personal vom 3. Juni 2016 über die Ablehnung ihres Beistandsantrags hätte haben können.

Würdigung durch den Gerichtshof

53

Mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund wirft die Rechtsmittelführerin dem Gericht im Wesentlichen einen Verstoß gegen das in Art. 41 Abs. 2 Buchst. a der Charta garantierte Recht, gehört zu werden, vor, da es die Auffassung vertreten habe, dass die Tatsache, ihr vor Erlass der streitigen Entscheidung den Zugang zu den vom Beratenden Ausschuss erstellten Protokollen der Zeugenanhörungen zu verweigern, nicht gegen diese Vorschrift verstoße.

54

Als Erstes ist festzustellen, dass die Rechtsmittelführerin von der Einstellungsbehörde zwar auf der Grundlage des Schreibens vom 8. Dezember 2015, in dem die Gründe dargestellt wurden, aus denen der Generaldirektor Personal beabsichtigte, ihren Beistandsantrag abzulehnen, angehört wurde. Allerdings standen der Rechtsmittelführerin weder die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses noch die Protokolle der von diesem Ausschuss durchgeführten Anhörungen zur Verfügung, um zu den von der Einstellungsbehörde in diesem Schreiben geltend gemachten Gründen für die Ablehnung des Beistandsantrags Stellung zu nehmen.

55

Als Zweites stellt, wie das Gericht in den Rn. 73 und 74 des angefochtenen Urteils ausgeführt hat, die streitige Entscheidung, da mit ihr der Beistandsantrag abgelehnt und somit das Vorliegen von Mobbing verneint wird, eine gegenüber der Rechtsmittelführerin getroffene, für sie nachteilige individuelle Maßnahme im Sinne von Art. 41 Abs. 2 der Charta dar.

56

Als Drittes ist darauf hinzuweisen, dass sich das mutmaßliche Mobbingopfer im Rahmen eines Verfahrens wie dem hier in Rede stehenden nach dem Grundsatz der guten Verwaltung auf das Recht, gehört zu werden, berufen kann. Art. 41 („Recht auf eine gute Verwaltung“) der Charta bestimmt nämlich in Abs. 1, dass jede Person ein Recht darauf hat, dass ihre Angelegenheiten von den Organen und Einrichtungen der Union unparteiisch, gerecht und innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden.

57

Außerdem umfasst nach Art. 41 Abs. 2 der Charta das Recht auf eine gute Verwaltung insbesondere das Recht jeder Person, gehört zu werden, bevor ihr gegenüber eine für sie nachteilige individuelle Maßnahme getroffen wird, das Recht jeder Person auf Zugang zu den sie betreffenden Akten unter Wahrung des berechtigten Interesses der Vertraulichkeit sowie des Berufs- und Geschäftsgeheimnisses und die Verpflichtung der Verwaltung, ihre Entscheidungen zu begründen.

58

Insbesondere garantiert das Recht, gehört zu werden, jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen möglicherweise nachteilige Entscheidung erlassen wird (vgl. Urteil vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 53).

59

Der Gerichtshof hat daher zu prüfen, ob das Gericht dadurch einen Rechtsfehler begangen hat, dass es in den Rn. 82 bis 87 des angefochtenen Urteils entschieden hat, dass das Recht, gehört zu werden, nicht die Pflicht umfasste, der Rechtsmittelführerin vor dem Erlass der streitigen Entscheidung die Protokolle der Zeugenanhörungen zu übermitteln. In diesem Zusammenhang war das Gericht der Auffassung, dass es der Verwaltung – um das Verbot jeder Art von Mobbing am Arbeitsplatz wirksam durchzusetzen – grundsätzlich freistehe, die Möglichkeit vorzusehen, dass den Zeugen, die bereit seien, ihre Darstellung der streitigen Geschehnisse in einem angeblichen Mobbingfall zu liefern, zuzusichern, dass ihre Aussagen sowohl gegenüber dem mutmaßlichen Mobber als auch gegenüber dem angeblichen Opfer vertraulich bleiben.

60

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass im Rahmen eines Rechtsstreits betreffend Mobbing im Zusammenhang mit europäischen Beamten die Person, die eine Beschwerde wegen Mobbings bei der Personaldirektion erhoben hat, ein Recht darauf hat, dass ihr zumindest eine Zusammenfassung der Erklärungen der des Mobbings beschuldigten Person und der verschiedenen während des Untersuchungsverfahrens angehörten Zeugen übermittelt wird, damit sie gegenüber dem betreffenden Organ sachdienlich Stellung nehmen kann, bevor dieses eine Entscheidung trifft, wobei die Mitteilung dieser Zusammenfassung gegebenenfalls unter Wahrung des Grundsatzes der Vertraulichkeit zu erfolgen hat. Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass dem so ist, da diese Erklärungen in dem Bericht, der der Behörde übergeben wurde, die die Entscheidung traf, die Beschwerde nicht weiter zu verfolgen, verwendet wurden und er Empfehlungen enthielt, auf die diese Behörde ihre Entscheidung gestützt hatte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 57).

61

Im vorliegenden Fall geht aus den Rn. 80 und 89 des angefochtenen Urteils hervor, dass die Einstellungsbehörde bei der Entscheidung über den Beistandsantrag nicht nur über die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses verfügte, sondern auch über die Protokolle der Zeugenanhörung, die ihr einen Gesamtüberblick wie auch Einzelheiten des tatsächlichen Geschehens und dessen Wahrnehmung durch die verschiedenen Mitglieder des Personals des betreffenden Referats vermittelten.

62

Da die Anhörungsprotokolle von der Einstellungsbehörde beim Erlass der streitigen Entscheidung berücksichtigt wurden, war es wichtig, wie der Generalanwalt in Nr. 62 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass sich die Rechtsmittelführerin zu ihnen äußern konnte. Daher hatte sie, um sachdienlich Stellung nehmen zu können, ein Recht darauf, dass ihr zumindest eine Zusammenfassung sowohl der Stellungnahme des Beratenden Ausschusses als auch der Protokolle der Zeugenanhörung übermittelt wird, da die Einstellungsbehörde die streitige Entscheidung auf diese Dokumente gestützt hatte.

63

Allerdings musste die Mitteilung dieser Dokumente an die Rechtsmittelführerin unter Wahrung der berechtigten Interessen der Vertraulichkeit erfolgen, die daher gegen das Recht, gehört zu werden, abgewogen werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 57).

64

Das Gericht hat in Rn. 83 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten, dass es der Verwaltung freigestanden habe, die Möglichkeit vorzusehen, den im Rahmen einer Untersuchung angehörten Zeugen zu garantieren, dass ihre Zeugenaussagen vertraulich bleiben.

65

Diese der Verwaltung eingeräumte Freiheit ist nicht zwangsläufig mit der Wahrung des Rechts, gehört zu werden, der Person vereinbar, die Mobbingvorwürfe erhoben hat.

66

Zur Sicherstellung der Vertraulichkeit der Zeugenaussagen und der Ziele, die diese schützt, kann nämlich, wie der Generalanwalt in Nr. 71 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, auf bestimmte Techniken wie die Anonymisierung bzw. die Verbreitung des Inhalts der Zeugenaussagen in Form einer Zusammenfassung oder auch die Unkenntlichmachung bestimmter Teile des Inhalts der Aussagen zurückgegriffen werden, wobei sicherzustellen ist, dass die Rechtsmittelführerin angehört wird, bevor eine sie beschwerende Entscheidung getroffen wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 59).

67

Nach Auffassung des Gerichts aber hatte die Einstellungsbehörde nicht dadurch gegen das Recht der Rechtsmittelführerin, gehört zu werden, verstoßen, dass sie es abgelehnt hatte, ihr vor dem Erlass der streitigen Entscheidung die Protokolle der Zeugenanhörung zu übermitteln, ohne zu prüfen, ob es möglich war, die Wahrung der berechtigten Interessen der Vertraulichkeit mit diesem Recht in Einklang zu bringen.

68

Des Weiteren ist hervorzuheben, dass genau die Techniken wie die in Rn. 66 des vorliegenden Urteils genannten im Verfahren vor dem Gericht angewandt wurden, das dem Parlament aufgegeben hat, eine anonymisierte und zum Teil geschwärzte Fassung der in Rede stehenden Protokolle vorzulegen.

69

Mithin hat das Gericht, wie der Generalanwalt in Nr. 76 seiner Schlussanträge festgestellt hat, dadurch einen Rechtsfehler begangen, dass es nicht festgestellt hat, dass es gegen die Anforderungen aus Art. 41 der Charta verstieß, dass der Rechtsmittelführerin nicht zumindest eine anonymisierte Zusammenfassung der Erklärungen der verschiedenen Zeugen übermittelt wurde und sie zu diesen nicht hatte angehört werden können, so dass sie nicht in die Lage versetzt worden war, zu deren Inhalt sachgerecht Stellung zu nehmen, bevor der Generaldirektor Personal die streitige, für sie nachteilige Entscheidung erließ.

70

Aus alledem folgt, dass dem ersten Rechtsmittelgrund stattzugeben und das angefochtene Urteil auf dieser Grundlage vollständig aufzuheben ist, ohne dass die anderen von der Rechtsmittelführerin im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes vorgetragenen Argumente oder die übrigen Rechtsmittelgründe geprüft zu werden brauchen.

Zur Klage vor dem Gericht

71

Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof im Fall der Aufhebung der Entscheidung des Gerichts den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn er zur Entscheidung reif ist.

72

Nach ständiger Rechtsprechung führt eine Verletzung der Verteidigungsrechte, insbesondere des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nur dann zur Aufhebung einer am Ende eines Verfahrens ergangenen Entscheidung, wenn das Verfahren ohne diese Regelwidrigkeit zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (Urteil vom 10. September 2013, G. und R., C‑383/13 PPU, EU:C:2013:533, Rn. 38, sowie vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 76).

73

Wie sich aus Rn. 69 des vorliegenden Urteils ergibt, verstieß es im vorliegenden Fall gegen Art. 41 der Charta, dass der Rechtsmittelführerin nicht zumindest eine anonymisierte Zusammenfassung der Aussagen der verschiedenen Zeugen übermittelt wurde und sie zu diesen nicht hatte angehört werden können, so dass sie nicht in die Lage versetzt worden war, zu deren Inhalt sachgerecht Stellung zu nehmen, bevor der Generaldirektor Personal die streitige, für sie nachteilige Entscheidung erließ. Wie der Generalanwalt in den Nrn. 121 bis 123 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt diese unterbliebene Übermittlung aber eine Regelwidrigkeit dar, die unausweichlich sowohl die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses als auch die streitige Entscheidung beeinträchtigte. Wäre der Rechtsmittelführerin nämlich die Möglichkeit einer sachdienlichen Anhörung eingeräumt worden, hätte sie den Generaldirektor Personal davon überzeugen können, dass eine andere, für diese Entscheidung maßgebliche Beurteilung der Tatsachen und der verschiedenen Gesichtspunkte des Kontexts möglich sei und diese anders zu gewichten seien.

74

Daher ist nicht auszuschließen, dass die vom Generaldirektor Personal getroffene Entscheidung über den von der Rechtsmittelführerin gestellten Beistandsantrag positiv ausgefallen wäre.

75

Daher ist die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

76

Zu dem von der Rechtsmittelführerin gestellten Antrag auf Ersatz ihres Schadens ist festzustellen, dass die Aufhebung der streitigen Entscheidung eine angemessene Entschädigung aller immateriellen Schäden darstellt, die der Rechtsmittelführerin vorliegend entstanden sein mögen.

77

Der Antrag auf Ersatz dieses immateriellen Schadens ist somit gegenstandslos, so dass nicht über ihn zu entscheiden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. April 2019, OZ/EIB, C‑558/17 P, EU:C:2019:289, Rn. 81).

78

Daher ist der von der Rechtsmittelführerin gestellte Antrag auf Ersatz ihres Schadens zurückzuweisen.

Kosten

79

Nach Art. 184 Abs. 2 seiner Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel begründet ist und er den Rechtsstreit selbst endgültig entscheidet.

80

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

81

Da das Parlament mit seinem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag der Rechtsmittelführerin neben seinen eigenen Kosten die Kosten aufzuerlegen, die ihr im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 29. Juni 2018, HF/Parlament (T‑218/17, EU:T:2018:393), wird aufgehoben.

 

2.

Die vom Generaldirektor Personal des Europäischen Parlaments in seiner Funktion als dessen zum Abschluss von Einstellungsverträgen ermächtigte Behörde getroffene Entscheidung vom 3. Juni 2016, den von HF gestellten Antrag auf Beistand im Sinne von Art. 24 des Statuts der Beamten der Europäischen Union abzulehnen, wird aufgehoben.

 

3.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

4.

Das Europäische Parlament trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten, die HF im Verfahren des ersten Rechtszugs und im Rechtsmittelverfahren entstanden sind.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Französisch.

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