Wählen Sie die experimentellen Funktionen, die Sie testen möchten.

Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62018CJ0523

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 19. Dezember 2019.
Engie Cartagena S.L. gegen Ministerio para la Transición Ecológica.
Vorabentscheidungsersuchen der Audiencia Nacional.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektrizitätsbinnenmarkt – Gemeinsame Regeln – Richtlinie 2003/54/EG – Art. 3 Abs. 2 – Richtlinie 2009/72/EG – Art. 3 Abs. 2 – Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen – Begriff – Nationale Regelung – Finanzierung von Energieeffizienzprogrammen – Bestimmung von Elektrizitätsunternehmen – Pflichtbeitrag.
Rechtssache C-523/18.

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2019:1129

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

19. Dezember 2019 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektrizitätsbinnenmarkt – Gemeinsame Regeln – Richtlinie 2003/54/EG – Art. 3 Abs. 2 – Richtlinie 2009/72/EG – Art. 3 Abs. 2 – Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen – Begriff – Nationale Regelung – Finanzierung von Energieeffizienzprogrammen – Bestimmung von Elektrizitätsunternehmen – Pflichtbeitrag“

In der Rechtssache C‑523/18

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 9. Juli 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 8. August 2018, in dem Verfahren

Engie Cartagena SL

gegen

Ministerio para la Transición Ecológica, vormals Ministerio de Industria, Energía y Turismo,

Beteiligte:

Endesa Generación SA,

EDP España SAU,

Bizkaia Energía, SL,

Iberdrola Generación SAU,

Tarragona Power SL,

Bahia de Bizkaia Electricidad SL,

Viesgo Generación SL,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: G. Hogan,

Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Engie Cartagena SL, vertreten durch G. Martínez-Villaseñor und G. Rubio Hernández-Sampelayo, abogados, sowie durch A. Cano Lantero, procuradora,

der Endesa Generación SA, vertreten durch J. J. Lavilla Rubira, abogado,

der EDP España SAU, vertreten durch J. Expósito Blanco, abogada,

der Bizkaia Energía SL, vertreten durch J. Abril Martínez, abogado, und J. Briones Méndez, procurador,

der Iberdrola Generación SAU und der Tarragona Power SL, vertreten durch J. Giménez Cervantes und F. Löwhagen, abogados,

der Bahia de Bizkaia Electricidad SL, vertreten durch F. González Ruiz, procuradora, sowie durch J. García Sanz und D. Sarmiento Ramírez-Escudero, abogados,

der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,

der Europäischen Kommission, vertreten durch O. Beynet, I. Galindo Martín und E. Sanfrutos Cano als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. September 2019

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 96/92/EG (ABl. 2003, L 176, S. 37) sowie Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Engie Cartagena SL und dem Ministerio para la Transición Ecológica, vormals Ministerio de Industria, Energía y Turismo (Ministerium für die ökologische Wende, vormals Ministerium für Industrie, Energie und Tourismus, Spanien), über die Rechtmäßigkeit des Beitrags, den Elektrizitätsunternehmen für die Finanzierung eines nationalen Aktionsplans zur Energieeinsparung und Energieeffizienz leisten müssen (im Folgenden: Pflichtbeitrag).

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Verordnung (EWG) Nr. 1191/69

3

Nach Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1191/69 des Rates vom 26. Juni 1969 über das Vorgehen der Mitgliedstaaten bei mit dem Begriff des öffentlichen Dienstes verbundenen Verpflichtungen auf dem Gebiet des Eisenbahn‑, Straßen- und Binnenschiffsverkehrs (ABl. 1969, L 156, S. 1) waren Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes (im Folgenden auch: gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen) „die Verpflichtungen, die das Verkehrsunternehmen im eigenen wirtschaftlichen Interesse nicht oder nicht im gleichen Umfang und nicht unter den gleichen Bedingungen übernehmen würde“.

Verordnung (EWG) Nr. 3577/92

4

Art. 2 Nr. 4 der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. 1992, L 364, S. 7) lautet:

„Im Sinne dieser Verordnung sind

4.

‚Verpflichtungen des öffentlichen Dienstes‘ Verpflichtungen, die der betreffende [Union]sreeder im eigenen wirtschaftlichen Interesse nicht oder nicht im gleichen Umfang und nicht unter den gleichen Bedingungen übernehmen würde;

…“

Richtlinien über den Elektrizitätsbinnenmarkt

5

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 bestimmte:

„Die Mitgliedstaaten können unter uneingeschränkter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags, insbesondere des Artikels 86, den Elektrizitätsunternehmen im Allgemeinen wirtschaftlichen Interesse Verpflichtungen auferlegen, die sich auf Sicherheit, einschließlich Versorgungssicherheit, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Versorgung sowie Umweltschutz, einschließlich Energieeffizienz und Klimaschutz, beziehen können. Solche Verpflichtungen müssen klar festgelegt, transparent, nichtdiskriminierend und überprüfbar sein und den gleichberechtigten Zugang von Elektrizitätsunternehmen in der Europäischen Union zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen. In Bezug auf die Versorgungssicherheit, die Energieeffizienz/Nachfragesteuerung sowie zur Erreichung der Umweltziele im Sinne dieses Absatzes können die Mitgliedstaaten eine langfristige Planung vorsehen, wobei die Möglichkeit zu berücksichtigen ist, dass Dritte Zugang zum Netz erhalten wollen.“

6

Die Richtlinie 2003/54 wurde mit Wirkung vom 3. März 2011 durch die Richtlinie 2009/72 aufgehoben.

7

Im 50. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/72 heißt es:

„Die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, auch jene zur Gewährleistung der Grundversorgung, und die daraus resultierenden gemeinsamen Mindeststandards müssen weiter gestärkt werden, damit sichergestellt werden kann, dass die Vorteile des Wettbewerbs und gerechter Preise allen Verbrauchern, vor allem schutzbedürftigen Verbrauchern, zugutekommen. Die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen sollten auf nationaler Ebene, unter Berücksichtigung der nationalen Bedingungen …, festgelegt werden; das [Unions]recht sollte jedoch von den Mitgliedstaaten beachtet werden. Die Unionsbürger und, soweit die Mitgliedstaaten dies für angezeigt halten, Kleinunternehmen sollten sich gerade hinsichtlich der Versorgungssicherheit und der Angemessenheit der Preise darauf verlassen können, dass die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen erfüllt werden. …“

8

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72, der im Wesentlichen Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 entspricht, lautet wie folgt:

„Die Mitgliedstaaten können unter uneingeschränkter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des Vertrags, insbesondere des Artikels 86, den Elektrizitätsunternehmen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse Verpflichtungen auferlegen, die sich auf Sicherheit, einschließlich Versorgungssicherheit, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Versorgung sowie Umweltschutz, einschließlich Energieeffizienz, Energie aus erneuerbaren Quellen und Klimaschutz, beziehen können. Solche Verpflichtungen müssen klar festgelegt, transparent, nichtdiskriminierend und überprüfbar sein und den gleichberechtigten Zugang von Elektrizitätsunternehmen der Gemeinschaft zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen. In Bezug auf die Versorgungssicherheit, die Energieeffizienz/Nachfragesteuerung sowie zur Erreichung der Umweltziele und der Ziele für die Energie aus erneuerbaren Quellen im Sinne dieses Absatzes können die Mitgliedstaaten eine langfristige Planung vorsehen, wobei die Möglichkeit zu berücksichtigen ist, dass Dritte Zugang zum Netz erhalten wollen.“

Verordnung (EG) Nr. 1370/2007

9

Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates (ABl. 2007, L 315, S. 1) bestimmt:

„Zweck dieser Verordnung ist es, festzulegen, wie die zuständigen Behörden unter Einhaltung des [Unions]rechts im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs tätig werden können, um die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem Interesse zu gewährleisten, die unter anderem zahlreicher, sicherer, höherwertig[er] oder preisgünstiger sind als diejenigen, die das freie Spiel des Marktes ermöglicht hätte.

Hierzu wird in dieser Verordnung festgelegt, unter welchen Bedingungen die zuständigen Behörden den Betreibern eines öffentlichen Dienstes eine Ausgleichsleistung für die ihnen durch die Erfüllung der gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen verursachten Kosten und/oder ausschließliche Rechte im Gegenzug für die Erfüllung solcher Verpflichtungen gewähren, wenn sie ihnen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen oder entsprechende Aufträge vergeben.“

10

Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) Buchst. e der Verordnung lautet:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

e)

‚gemeinwirtschaftliche Verpflichtung‘ eine von der zuständigen Behörde festgelegte oder bestimmte Anforderung im Hinblick auf die Sicherstellung von im allgemeinen Interesse liegenden öffentlichen Personenverkehrsdiensten, die der Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen ohne Gegenleistung übernommen hätte“.

Verordnung (EU) 2017/352

11

Art. 2 Nr. 14 der Verordnung (EU) 2017/352 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Februar 2017 zur Schaffung eines Rahmens für die Erbringung von Hafendiensten und zur Festlegung von gemeinsamen Bestimmungen für die finanzielle Transparenz der Häfen (ABl. 2017, L 57, S. 1) definiert „gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“ im Sinne der Verordnung als „eine mit dem Ziel festgelegte Anforderung, die Erbringung jener im allgemeinen Interesse liegenden Hafendienste oder Tätigkeiten sicherzustellen, die ein Betreiber unter Berücksichtigung seines eigenen wirtschaftlichen Interesses nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen übernehmen würde“.

Spanisches Recht

Gesetzesdekret 14/2010

12

Der vierte Erwägungsgrund des Real Decreto-ley 14/2010 por el que se establecen medidas urgentes para la corrección del déficit tarifario del sector eléctrico (Königliches Gesetzesdekret 14/2010 zur Festlegung von Eilmaßnahmen zum Ausgleich des Tarifdefizits des Elektrizitätssektors), vom 23. Dezember 2010 (im Folgenden: Gesetzesdekret 14/2010) (BOE Nr. 312 vom 24. Dezember 2010, S. 106386) sieht vor:

„Zweitens haben die auf herkömmliche Weise Elektrizität erzeugenden Unternehmen zur Verringerung der Kosten des Tarifs den durch Beschluss des Ministerrats vom 8. Juli 2005 angenommenen Aktionsplan 2008–2012 zu finanzieren, der die im Dokument ‚Strategie zur Energieeinsparung und Energieeffizienz in Spanien 2004–2012‘ vorgesehenen Maßnahmen konkretisiert. Ferner werden die Prozentsätze des Beitrags jedes Unternehmens zur Finanzierung des Plans festgelegt, wobei die Bestimmungen der Ley de Presupuestos Generales del Estado de 2011 [staatliches Haushaltsgesetz für 2011] entsprechend geändert werden.“

13

Die dritte Zusatzbestimmung („Finanzierung der Pläne zur Energieeinsparung und Energieeffizienz für die Jahre 2011, 2012 und 2013“) des Gesetzesdekrets 14/2010 lautet:

„1.

Die Beträge von 270 bzw. 250 Millionen Euro, die seitens der Elektrizitätswirtschaft für die Jahre 2011 und 2012 zur Finanzierung des durch Beschluss des Ministerrats vom 8. Juli 2005 angenommenen Aktionsplans 2008-2012 für Maßnahmen zur Konkretisierung des Dokuments ‚Strategie zur Energieeinsparung und Energieeffizienz in Spanien 2004-2012‘ (angenommen durch Beschluss des Ministerrats vom 28. November 2003) aufgebracht werden müssen, sind durch Beiträge der in der folgenden Tabelle aufgeführten elektrizitätserzeugenden Unternehmen zu den angegebenen Prozentsätzen zu finanzieren.

Unternehmen

Prozentualer Anteil

Endesa Generación, SA

34,66

Iberdrola Generación, SA

32,71

GAS Natural SDG, SA

16,37

Hidroeléctrica del Cantábrico, SA

4,38

E.ON Generación, SL

2,96

AES Cartagena, SRL

2,07

Bizkaia Energía, SL

1,42

Castelnou Energía, SL

1,58

Nueva Generadora del Sur, SA

1,62

Bahía de Bizkaia Electricidad SL,

1,42

Tarragona Power, SL

0,81

Insgesamt

100,00

2.

Die Beträge, die seitens der Elektrizitätswirtschaft für den Plan aufgebracht werden müssen, den der Ministerrat auf der Grundlage von Abs. 1 angenommen hat, sind 2013 durch Beiträge der elektrizitätserzeugenden Unternehmen gemäß den in Abs. 1 genannten Prozentsätzen bis zu einem Höchstbetrag von 150 Mio. Euro zu finanzieren.“

Aktionsplan 2008–2012

14

Die Zusammenfassung des Aktionsplans 2008–2012, der durch Beschluss des Ministerrates vom 8. Juli 2005 angenommen wurde, sieht Folgendes vor:

„Die Maßnahmen zur Energieeinsparung und Energieeffizienz sind aus folgenden Gründen ein Instrument für den Fortschritt der Gesellschaft: Sie tragen zum sozialen Wohlergehen bei, sind ein Element der sozialen Verantwortung, richten die menschlichen Aktivitäten an einer nachhaltigen Entwicklung aus, schaffen einen neuen Rahmen für den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und entsprechen letztlich dem Grundsatz der Solidarität zwischen Bürgern und Völkern.

Diese Leitprinzipien müssen in Programme umgesetzt werden, wie sie in diesem Dokument dargelegt sind, deren Leitlinien auf die Erreichung der folgenden strategischen Ziele abzielen müssen:

1.

Die Energieeinsparung und Energieeffizienz als ein Instrument für Wirtschaftswachstum und soziales Wohlergehen betrachten.

2.

Schaffung angemessener Bedingungen, damit sich das Wissen im Bereich der Energieeinsparung und Energieeffizienz in der Gesellschaft erweitert und entwickelt.

3.

Die Energieeinsparung und Energieeffizienz auf alle nationalen Strategien stützen, insbesondere auf die spanische Strategie im Bereich des Klimawandels.

4.

Förderung des Wettbewerbs auf dem Markt nach dem Leitprinzip der Energieeinsparung und Energieeffizienz.

5.

Festigung der führenden Position Spaniens auf dem Gebiet der Energieeinsparung und Energieeffizienz.“

15

Nach dieser Zusammenfassung „hat die [Union]“ neben solchen nationalen Strategien „Maßnahmen eingeführt, die in die gleiche Richtung gehen. Dies ergibt sich aus der Richtlinie [2006/32/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 über Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen und zur Aufhebung der Richtlinie 93/76/EWG des Rates (ABl. 2006, L 114, S. 64)]“.

16

In der Zusammenfassung heißt es auch, dass der Aktionsplan 2008–2012 wirtschaftlich gesehen sehr umfangreiche finanzielle Mittel benötige, damit der Anreiz für die Energieeinsparung und die Energieeffizienz einen echten Schub für private Investitionen erzeugt, die sich in den meisten Fällen als wirtschaftlich rentabel erweisen, aber eine Entscheidung über die Investition von Mitteln erfordern, deren Verfügbarkeit stets begrenzt ist. Die für die Durchführung des Plans erforderlichen öffentlichen Mittel stammen aus drei Quellen: i) Mittel, die für den Plan von der spanischen Verwaltung über das Instituto para la Diversificación y Ahorro de la Energía (IDAE) (Institut für Energiediversifizierung und ‑einsparung), Nachfolger des Centro de Estudios de la Energía (Zentrum für Energieforschung), und über gleichwertige Einrichtungen in den Autonomen Gemeinschaften bereitgestellt wurden; ii) Mittel aus Strukturfonds wie dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und iii) Mittel, die in den Sektoren Strom und Gas reinvestiert werden, „um Effizienzsteigerungen in diesen Sektoren zu fördern“.

Die streitige Verordnung und das IDAE

17

Auf der Grundlage der dritten Zusatzbestimmung des Gesetzesdekrets 14/2010 wurde vom nationalen Gesetzgeber die Orden IET/75/2014, por la que se regulan las transferencias de fondos, con cargo a las empresas productoras de energía eléctrica, de la cuenta específica de la Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia al Instituto para la Diversificación y Ahorro de la Energía, en el año 2013, para la ejecución de las medidas del Plan de Acción de Ahorro y Eficiencia Energética 2011-2020, y los criterios para la ejecución de las medidas contempladas en dicho plan (Verordnung IET/75/2014 zur Regelung der Überweisungen der von den elektrizitätserzeugenden Unternehmen aufzubringenden Gelder vom Sonderkonto der Nationalen Kommission für Märkte und Wettbewerb an das Institut für Energiediversifizierung und ‑einsparung im Jahr 2013, zur Ausführung der Maßnahmen des Aktionsplans zur Energieeinsparung und Energieeffizienz 2011-2020 und zu den bei der Ausführung der in diesem Plan vorgesehenen Maßnahmen anzuwendenden Kriterien) vom 27. Januar 2014 (BOE Nr. 25 vom 29. Januar 2014, S. 5875) (im Folgenden: streitige Verordnung) erlassen.

18

Nach Art. 1 Abs. 1 der streitigen Verordnung besteht ihr Zweck darin, das Verfahren für die Überweisung vom Sonderkonto der Comisión Nacional de los Mercados y la Competencia (Nationale Kommission für Märkte und Wettbewerb) an das IDAE in Bezug auf die von der dritten Zusatzbestimmung des Gesetzesdekrets 14/2010 erfassten Mittel festzulegen.

19

Das IDAE wird u. a. durch die wirtschaftlichen Beiträge der Unternehmen finanziert, die der vorstehenden Bestimmung unterliegen. Die von der Regierung beschlossenen Aktions- und Effizienzpläne werden teilweise im Rahmen des IDAE umgesetzt. Das IDAE wurde durch die 21. Zusatzbestimmung der Ley 46/1985 de Presupuestos Generales del Estado para 1986 (Gesetz 46/1985 über den allgemeinen Staatshaushalt) vom 27. Dezember 1985 (BOE Nr. 311 vom 28. Dezember 1985, S. 40637) als öffentlich-rechtliche Körperschaft zum Zweck der Verwaltung und Entwicklung der Politik der Energieeinsparung, ‑erhaltung und ‑diversifizierung gegründet.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

20

Am 31. Januar 2014 erhob die GDF Suez Cartagena Energía SL, jetzt Engie Cartagena, bei der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien) Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Verordnung, da diese rechtswidrig sei, und auf Gewährung von Schadensersatz in Höhe der aufgrund der Verordnung gezahlten Beträge. Engie Cartagena wendet sich u. a. gegen den Betrag, den sie im Rahmen der Finanzierung des Aktionsplans 2008–2012 zu zahlen hat und der auf der Grundlage des Gesetzesdekrets 14/2010 festgelegt wurde.

21

Engie Cartagena argumentiert insbesondere, dass die in den Urteilen vom 20. April 2010, Federutility u. a. (C‑265/08, EU:C:2010:205), sowie vom 7. September 2016, ANODE (C‑121/15, EU:C:2016:637), festgelegten Kriterien und Grundsätze, die bei der Einführung einer gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung maßgeblich seien, durch die fraglichen nationalen Rechtsvorschriften nicht erfüllt seien.

22

Nach den Ausführungen der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) wollte der nationale Gesetzgeber durch die Einführung des Pflichtbeitrags gemäß der dritten Zusatzbestimmung des Gesetzesdekrets 14/2010, zu deren Durchführung die streitige Verordnung erlassen worden sei, das Tarifdefizit im Elektrizitätssektor verringern und dabei vermeiden, dass die Finanzierung dieser Kosten dem gesamten Stromnetz in Rechnung gestellt wird. In den Erwägungsgründen des Gesetzesdekrets heiße es nämlich, dass „das Ziel dieses Gesetzesdekrets darin besteht, dringend das Tarifdefizit im Elektrizitätssektor zu beheben“. Tatsächlich hätten das Gesetzesdekret 14/2010 und insbesondere die dritte Zusatzbestimmung zu den zahlreichen Bestimmungen gehört, die der nationale Gesetzgeber zur Verringerung des Tarifdefizits im Elektrizitätssektor erlassen habe.

23

Das vorlegende Gericht bezweifelt die Vereinbarkeit des Pflichtbeitrags mit den in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 festgelegten Grundsätzen. Insbesondere fragt es sich, ob es sich bei dem Pflichtbeitrag um eine vom Staat in transparenter und nicht diskriminierender Weise auferlegte gemeinwirtschaftliche Verpflichtung handelt, die den Unternehmen einen gleichberechtigten Zugang zu den Verbrauchern garantiert.

24

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2, dass die Mitgliedstaaten im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen einführen können, die sich u. a. auf den Umweltschutz, einschließlich Energieeffizienz, Energie aus erneuerbaren Quellen und Klimaschutz beziehen können, und zwar gemäß der Richtlinie 2004/8/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über die Förderung einer am Nutzwärmebedarf orientierten Kraft-Wärme-Kopplung im Energiebinnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 92/42/EWG (ABl. 2004 L 52, S. 50) sowie der Richtlinie 2006/32, in deren Kontext die Energieeinsparungs- und Energieeffizienzpläne für die Jahre 2011 bis 2013 und das Gesetzesdekret 14/2010 verabschiedet worden seien.

25

In Spanien spiegeln sich diese Maßnahmen im Aktionsplan 2011–2020 für Energieeinsparung und Energieeffizienz wider, dessen Verwaltung vom IDAE, einer öffentlichen Einrichtung, zentralisiert wird. Für die Zwecke dieses Aktionsplans wurden die in der dritten Zusatzbestimmung des Gesetzesdekrets 14/2010 vorgesehene Zuteilung und wirtschaftliche Übertragung eingeführt, begleitet von einer obligatorischen Vermögensleistung für die elf Unternehmen, die dem Gesetz zur Einführung des Pflichtbeitrags unterfallen. Mit diesen wirtschaftlichen Transfers wird die Erfüllung der Ziele des IDAE bezweckt.

26

Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass nach der dritten Zusatzbestimmung des Gesetzesdekrets 14/2010 die Finanzierung nunmehr nur auf bestimmten Unternehmen des Sektors beruhen müsse, anstatt dass sie eine allgemeine Verteilung zulasten des Systems oder eine Finanzierung aus dem Haushalt vorsehe, was bedeute, dass der fragliche Mitgliedstaat diesen Unternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne der Richtlinien 2003/54 und 2009/72 auferlege und abverlange. Dieses Finanzierungserfordernis stelle somit, da die Finanzierung der Effizienzpläne von der allgemeinen Finanzierung auf Kosten des Systems auf eine gesetzlich verbindlich vorgeschriebene Finanzierung auf Kosten bestimmter Energieerzeuger übergehe, eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung dar. Denn es handele sich zwar um eine Entscheidung wirtschaftlicher und finanzieller Art, ihr Ziel und direkter Zweck bestehe jedoch in der Ergreifung von Maßnahmen, die alle mit dem Umweltschutz, einschließlich Energieeffizienz und Klimaschutz, zusammenhingen.

27

Die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) vertritt jedoch die Auffassung, dass das Gesetzesdekret 14/2010 entgegen den Anforderungen nach Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 weder das für die Festsetzung der Höhe der Pflichtbeiträge angewandte Kriterium noch die Gründe für die Aufteilung der Prozentsätze noch die Frage näher erläutere, ob Umfang und Bedeutung dieser Unternehmen in diesem Sektor entscheidend waren und wenn ja, welcher Art die zur Bestimmung dieser Bedeutung herangezogenen Kriterien waren.

28

So begründe die dritte Zusatzbestimmung des Gesetzesdekrets 14/2010 eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung, ohne dafür einen anderen Hinweis oder eine andere Rechtfertigung anzugeben als die hinsichtlich der rechtmäßigen Verringerung des Tarifdefizits. Dies könnte im Widerspruch zu den Grundsätzen stehen, die sich aus den Richtlinien 2003/54 und 2009/72 in Bezug auf die gemeinwirtschaftlichen Anforderungen im Elektrizitätssektor ergäben. Diese Maßnahme könnte folglich, wenn sie eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung darstellte, in der eingeführten Gestalt eine nicht hinreichend gerechtfertigte Diskriminierung unter den Unternehmen in Bezug auf ihre Rechte und Pflichten bedeuten, die außerdem nicht den für solche Verpflichtungen im Elektrizitätssektor geltenden Grundsätzen entspräche.

29

Unter diesen Umständen hat die Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Stellt die folgende gesetzliche Vorschrift aus der dritten Zusatzbestimmung des Real Decreto-Ley 14/2010 („Finanzierung der Pläne zur Energieeinsparung und Energieeffizienz für die Jahre 2011, 2012 und 2013“) eine Gemeinwohlverpflichtung im Sinne der Art. 3 Abs. 2 der Richtlinien 2003/54 und 2009/72 dar: „… [d]ie Beträge von 270 bzw. 250 Millionen Euro, die seitens der Elektrizitätswirtschaft für die Jahre 2011 und 2012 zur Finanzierung des durch Beschluss des Ministerrats vom 8. Juli 2005 angenommenen Aktionsplans 2008-2012 für Maßnahmen zur Konkretisierung des Strategiepapiers ‚Energieeinsparung und Energieeffizienz 2004-2012‘ (angenommen durch Beschluss des Ministerrats vom 28. November 2003) aufgebracht werden müssen, sind durch Beiträge der in der folgenden Tabelle aufgeführten elektrizitätserzeugenden Unternehmen zu den angegebenen Prozentsätzen zu finanzieren.

Unternehmen Prozentsatz

[Engie] Cartagena 2,07

…“?

2.

Falls es sich in der Tat um eine Gemeinwohlverpflichtung handelt, ist diese dann klar festgelegt, transparent, nicht diskriminierend und überprüfbar?

Zu den Vorlagefragen

30

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen ist, dass ein finanzieller Beitrag, der bestimmten Elektrizitätsunternehmen auferlegt wird, um von einer Behörde verwaltete Pläne zur Energieeinsparung und Energieeffizienz zu finanzieren, eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung darstellt, die unter diese Bestimmung fällt.

31

Einleitend ist erstens darauf hinzuweisen, dass sich das vorlegende Gericht im Rahmen dieser Frage auch auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2003/54 bezieht. Die Antwort des Gerichtshofs auf diese Frage wird sich dennoch nur auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 beziehen, da sich zum einen aus dem Vorabentscheidungsersuchen ergibt, dass die Richtlinie 2009/72 anwendbar war, als Engie Cartagena beim vorlegenden Gericht gegen die streitige Verordnung Klage erhoben hat, und da zum anderen die betreffende Bestimmung nach dem Erlass der Richtlinie 2009/72 nicht wesentlich geändert wurde.

32

Zweitens ist im Hinblick auf die Erörterungen in der mündlichen Verhandlung über den möglicherweise steuerlichen Charakter des Pflichtbeitrags darauf hinzuweisen, dass der Inhalt des Vorabentscheidungsersuchens dem Gerichtshof nicht ermöglicht, mit Sicherheit festzustellen, ob die Pflichtbeiträge solch einen Charakter haben. Würde das vorlegende Gericht jedoch unter Berücksichtigung der Auslegung des anwendbaren nationalen Rechts diese Frage bejahen, wäre die Richtlinie 2009/72 einschließlich ihres Art. 3 Abs. 2 auf die nationale Regelung zur Einführung dieses Pflichtbeitrags nicht anwendbar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. November 2019, UNESA u. a., C‑80/18 bis C‑83/18, EU:C:2019:934, Rn. 56).

33

Nach diesen Vorbemerkungen ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 die Mitgliedstaaten unter uneingeschränkter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen des EG-Vertrags, insbesondere von Art. 86 EG (jetzt Art. 106 AEUV), den Elektrizitätsunternehmen im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen können, die sich auf Sicherheit, einschließlich Versorgungssicherheit, Regelmäßigkeit, Qualität und Preis der Versorgung sowie Umweltschutz beziehen können. Diese Verpflichtungen müssen klar festgelegt, transparent, nicht diskriminierend und überprüfbar sein und den gleichberechtigten Zugang von Elektrizitätsunternehmen der Union zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen.

34

Im Hinblick auf den Begriff „gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“ ist für die Zwecke der Anwendung der Richtlinie 2009/72 davon auszugehen, dass ihr Art. 3 Abs. 2, da er zur Definition dieses Begriffs nicht auf nationale Rechtsordnungen verweist, einen im gesamten Unionsgebiet einheitlich auszulegenden, autonomen Begriff des Unionsrechts enthält (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Februar 2008, Tele2 Telecommunication, C‑426/05, EU:C:2008:103, Rn. 26, und vom 9. November 2016, Wathelet, C‑149/15, EU:C:2016:840, Rn. 29).

35

Gewiss sollten nach dem 50. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/72 die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen auf nationaler Ebene unter Berücksichtigung der nationalen Bedingungen festgelegt werden, wobei das Unionsrecht jedoch von den Mitgliedstaaten beachtet werden sollte. Dieser Wortlaut verweist jedoch nur darauf, dass die Mitgliedstaaten auf der Grundlage ihres nationalen Rechts entscheiden können, ob sie bestimmten Unternehmen gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen, sowie vorbehaltlich ihrer Vereinbarkeit mit Unionsrecht ihren Inhalt festlegen können.

36

Der in diesem Erwägungsgrund enthaltene Verweis auf die Rechte der Mitgliedstaaten betrifft somit nur die Anwendung des Begriffs „gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“.

37

Zu dessen Auslegung ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass zwar weder Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 noch eine andere Bestimmung der Richtlinie den Begriff „gemeinwirtschaftliche Verpflichtung“ definieren, sich dem Wortlaut dieser Bestimmung jedoch entnehmen lässt, welche Gesichtspunkte den Begriff im Sinne der Richtlinie ausmachen.

38

Zum einen lässt sich nämlich daraus, dass die Mitgliedstaaten gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2009/72 „den Elektrizitätsunternehmen“ im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegen können, ableiten, dass diese Verpflichtungen so gestaltet sein müssen, dass sie die Unternehmen selbst dazu veranlassen, zur Erreichung des vom betreffenden Mitgliedstaat im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse festgelegten Ziels beizutragen.

39

Zum anderen verweist Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 ausdrücklich auf Art. 86 EG (jetzt Art. 106 AEUV), so dass die Mitgliedstaaten insbesondere diese Bestimmung in vollem Umfang berücksichtigen müssen, wenn sie gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie festlegen.

40

Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass Art. 106 Abs. 2 AEUV, der mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraute Unternehmen betrifft, das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz bestimmter Unternehmen als Instrument der Wirtschafts- oder Sozialpolitik mit dem Interesse der Union an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Wahrung der Einheit des Binnenmarkts in Einklang bringen soll (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. September 1999, Albany, C‑67/96, EU:C:1999:430, Rn. 103, sowie vom 7. September 2016, ANODE, C‑121/15, EU:C:2016:637, Rn. 43).

41

Diese Rechtsprechung bestätigt folglich, dass die betroffenen Unternehmen verpflichtet sein müssen, selbst zu Erreichung des Ziels tätig zu werden, das im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse verfolgt wird.

42

Ferner ergibt sich aus der Verweisung auf Art. 106 AEUV in Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72, dass die gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen, die durch die letztgenannte Bestimmung zugelassen werden, von den Wettbewerbsvorschriften abweichen. Somit zeigt sich, dass, wie die Europäische Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausführt, eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung im Sinne dieser Bestimmung einen öffentlichen Eingriff in das Funktionieren des Marktes darstellt, mit dem ein Ziel von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse erreicht werden soll und die Elektrizitätsunternehmen verpflichtet werden, auf dem Markt auf der Grundlage von behördlich festgelegten Kriterien zu handeln.

43

Diese Auslegung des Begriffs „gemeinwirtschaftliche Verpflichtung“ wird durch seine Definition in anderen Unionsrechtsakten gestützt. Da er in der Richtlinie 2009/72 nicht definiert ist und der Unionsgesetzgeber ihn in zahlreichen Sekundärrechtsakten verwendet, insbesondere im Rahmen der von Art. 4 AEUV erfassten Zuständigkeitsbereiche wie Energie oder Verkehr, stellen solche Rechtsakte neben der Richtlinie 2009/72 nämlich sachdienliche Anhaltspunkte zur Auslegung des Begriffs im Sinne der Richtlinie dar.

44

Insoweit ergibt sich jedoch, wie der Generalanwalt in Nr. 42 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, u. a. aus Art. 2 Buchst. e der Verordnung Nr. 1370/2007, durch die die Verordnung Nr. 1191/69 aufgehoben wurde, und aus Art. 2 Nr. 4 der Verordnung Nr. 3577/92 auf dem Gebiet des Transports sowie aus Art. 2 Nr. 14 der Verordnung 2017/352 über die Erbringung von Hafendiensten, dass der vom Unionsgesetzgeber für die Zwecke der Anwendung dieser Verordnungen verwendete Begriff „gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“ im Wesentlichen Verpflichtungen umfasst, die von öffentlichen Stellen einem Wirtschaftsteilnehmer auferlegt werden, der diese Verpflichtungen nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen erfüllen würde, wenn er nur sein wirtschaftliches Interesse berücksichtigen würde.

45

Unter Berücksichtigung sowohl des Wortlauts von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 als auch der Definition des Begriffs „gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“, wie er im Rahmen dieser Rechtsakte, die der Unionsgesetzgeber in anderen Bereichen als dem des Elektrizitätsmarktes erlassen hat, übereinstimmend verwendet wird, ergibt sich demnach Folgendes: Unter dem Begriff im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 werden öffentliche Eingriffe in das Funktionieren des Elektrizitätsmarktes verstanden, durch die Elektrizitätsunternehmen verpflichtet werden, zur Verfolgung eines allgemeinen wirtschaftlichen Interesses auf diesem Markt auf der Grundlage von behördlich festgelegten Kriterien zu handeln. Die Handlungsfreiheit der Unternehmen auf dem Elektrizitätsmarkt wird also dahin gehend eingeschränkt, dass sie mit Blick nur auf ihre wirtschaftlichen Interessen bestimmte Waren oder Dienstleistungen nicht oder nicht im gleichen Umfang oder nicht zu gleichen Bedingungen geliefert bzw. erbracht hätten.

46

Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass diese Definition des Begriffs „gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“ mit dem durch die Richtlinie 2009/72 eingeführten System übereinstimmt.

47

Aus der allgemeinen Systematik der Richtlinie ergibt sich nämlich, dass mit ihr die Verwirklichung eines vollständig und tatsächlich offenen und wettbewerbsbestimmten Binnenmarkts verfolgt wird, in dem alle Kunden ihre Lieferanten frei wählen und alle Anbieter ihre Kunden frei mit ihren Produkten beliefern können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. November 2018, Solvay Chimica Italia u. a., C‑262/17, C‑263/17 und C‑273/17, EU:C:2018:961, Rn. 36 und 55, sowie vom 17. Oktober 2019, Elektrorazpredelenie Yug, C‑31/18, EU:C:2019:868, Rn. 39).

48

In diesem Rahmen gestattet die Richtlinie 2009/72 den Mitgliedstaaten jedoch vorbehaltlich der in ihr festgelegten Bedingungen, im allgemeinen wirtschaftlichen Interesse gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen festzusetzen, die die Handlungsfreiheit der betreffenden Wirtschaftsteilnehmer auf dem relevanten Markt einschränken und so den offenen Wettbewerbsprozess auf diesem Markt beeinträchtigen. Gerade weil gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen geeignet sind, die Verwirklichung eines vollständig und tatsächlich offenen und wettbewerbsbestimmten Elektrizitätsbinnenmarktes zu behindern, hat der Unionsgesetzgeber den Mitgliedstaaten Bedingungen auferlegt, die sie einhalten müssen, wenn sie den Wirtschaftsteilnehmern solche Verpflichtungen auferlegen. Gemäß Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie müssen die fraglichen Verpflichtungen nämlich klar festgelegt, transparent, diskriminierungsfrei und überprüfbar sein und den gleichberechtigten Zugang von Elektrizitätsunternehmen der Union zu den nationalen Verbrauchern sicherstellen.

49

Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob der Pflichtbeitrag unter den Begriff „gemeinwirtschaftliche Verpflichtung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 fällt.

50

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach den Ausführungen des vorlegenden Gerichts der nationale Gesetzgeber mit der Einführung des Pflichtbeitrags gemäß der dritten Zusatzbestimmung des Gesetzesdekrets 14/2010, zu deren Durchführung die streitige Verordnung erlassen wurde, das Tarifdefizit im Elektrizitätssektor verringern und dabei vermeiden wollte, dies durch eine Umlegung auf das gesamte Stromnetz und somit die Verbraucher zu finanzieren. Das vorlegende Gericht stellt fest, dass die aus dem Pflichtbeitrag stammenden Einnahmen zur Finanzierung der vom IDAE verwalteten Aktionspläne verwendet werden, was nach Ansicht von Engie Cartagena und den am Ausgangsverfahren als Streithelferinnen beteiligten Unternehmen bestätigt, dass mit dem Pflichtbeitrag Zwecke des Umweltschutzes und der Energieeinsparung verfolgt werden.

51

Jedoch ist festzustellen, dass der Pflichtbeitrag, da er den fraglichen Unternehmen keine Verpflichtung auferlegt, die ihre Handlungsfreiheit auf dem Elektrizitätsmarkt einschränkt, nicht unter den Begriff „gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 fällt. Insbesondere werden die Unternehmen durch die Erhebung dieses Beitrags keineswegs dazu veranlasst, bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu liefern bzw. geliefert bzw. zu erbringen, die sie nicht oder nicht in gleichem Umfang oder nicht zu den gleichen Bedingungen erbracht hätten, wenn sie nur ihr wirtschaftliches Interesse berücksichtigt hätten.

52

Der bloße Umstand, dass die Einnahmen aus dem Pflichtbeitrag an einen vom IDAE verwalteten Fonds übertragen werden, der für die Durchführung der Maßnahmen des Aktionsplans zur Energieeinsparung und Energieeffizienz zuständig ist, bedeutet noch nicht, dass die zur Beitragszahlung verpflichteten Wirtschaftsbeteiligten einer „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung“ im Sinne dieser Bestimmung unterliegen.

53

Dieser Umstand betrifft nämlich nur den endgültigen Verwendungszweck der Einnahmen aus dem Pflichtbeitrag, was nicht ausreicht, um die Beitragszahlung als gemeinwirtschaftliche Verpflichtung im Sinne dieser Bestimmung, wie sie in Rn. 45 des vorliegenden Urteils definiert ist, anzusehen. Dass das IDAE möglicherweise ein Ziel von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse verfolgt, ist als solches nicht maßgeblich, da das Vorabentscheidungsersuchen die Frage betrifft, ob nicht dem IDAE eine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung auferlegt wird, sondern vielmehr den Elektrizitätsunternehmen.

54

Sich der Auffassung von Engie Cartagena und den am Ausgangsverfahren als Streithelferinnen beteiligten Unternehmen anzuschließen, wonach jede in den nationalen Regelungen bestimmte Leistung eines finanziellen Beitrags, die den Wirtschaftsbeteiligten auf dem Elektrizitätsmarkt auferlegt wird, allein mit Blick auf die Zweckbestimmung der endgültigen Beitragserlöse eine „gemeinwirtschaftliche Verpflichtung“ im Sinne von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 darstellen würde, ginge über die Tragweite dieses Begriffs in der vom Unionsgesetzgeber im Rahmen dieser Bestimmung verwendeten Weise deutlich hinaus.

55

Ebenso wenig kann die Feststellung in Rn. 51 des vorliegenden Urteils durch die vom vorlegenden Gericht angeführte Tatsache in Frage gestellt werden, dass die Aktionspläne zur Energieeinsparung und Energieeffizienz vormals als Kosten finanziert worden seien, die das gesamte Stromnetz und damit letztlich die Endverbraucher belastet hätten und nicht, wie derzeit, bestimmte Stromerzeuger. Diese Tatsache betrifft nämlich die Personen, die dazu verpflichtet sind, zur Finanzierung dieser Pläne beizutragen, was, wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorgebracht hat, sich grundsätzlich nicht auf den Charakter dieser Pflicht auswirken kann.

56

Schließlich ist entgegen dem Vortrag von Engie Cartagena und den im Ausgangsverfahren als Streithelferinnen beteiligten Unternehmen festzustellen, dass sich der Pflichtbeitrag von den nationalen Verpflichtungen unterscheidet, um die es in den Rechtssachen ging, in denen die Urteile vom 20. April 2010, Federutility u. a. (C‑265/08, EU:C:2010:205), vom 21. Dezember 2011, ENEL (C‑242/10, EU:C:2011:861), sowie vom 7. September 2016, ANODE (C‑121/15, EU:C:2016:637), ergangen sind. Die Rechtssachen, in denen diese Urteile ergangen sind, betrafen nämlich nationale Maßnahmen, die Anforderungen an „Referenzpreise“ für die Lieferung von Erdgas, an die Abgabe von Angeboten für Stromlieferungen bzw. an regulierte Abnahmetarife für Erdgas festlegten. Alle diese Maßnahmen bestimmten somit die Modalitäten für die Lieferung bzw. Erbringung von Waren oder Dienstleistungen durch die betroffenen Unternehmen.

57

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen ist, dass ein finanzieller Beitrag, der bestimmten Elektrizitätsunternehmen auferlegt wird, um von einer Behörde verwaltete Programme zur Energieeinsparung und Energieeffizienz zu finanzieren, keine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung darstellt, die unter diese Bestimmung fällt.

58

In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

Kosten

59

Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG ist dahin auszulegen, dass ein finanzieller Beitrag, der bestimmten Elektrizitätsunternehmen auferlegt wird, um von einer Behörde verwaltete Programme zur Energieeinsparung und Energieeffizienz zu finanzieren, keine gemeinwirtschaftliche Verpflichtung darstellt, die unter diese Bestimmung fällt.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

nach oben