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Dokument 62017CJ0262

    Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 28. November 2018.
    Solvay Chimica Italia SpA u. a. gegen Autorità per l'energia elettrica, il gas e il sistema idrico.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektrizitätsbinnenmarkt – Richtlinie 2009/72/EG – Verteilernetze – Art. 28 – Geschlossene Verteilernetze – Begriff – Freistellungen – Grenzen – Art. 32 Abs. 1 – Zugang Dritter – Art. 15 Abs. 7 und Art. 37 Abs. 6 Buchst. b – Beiträge für die Inanspruchnahme von Kapazitäten.
    Verbundene Rechtssachen C-262/17, C-263/17 und C-273/17.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein – Abschnitt „Informationen über nicht veröffentlichte Entscheidungen“

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2018:961

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

    28. November 2018 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektrizitätsbinnenmarkt – Richtlinie 2009/72/EG – Verteilernetze – Art. 28 – Geschlossene Verteilernetze – Begriff – Freistellungen – Grenzen – Art. 32 Abs. 1 – Zugang Dritter – Art. 15 Abs. 7 und Art. 37 Abs. 6 Buchst. b – Beiträge für die Inanspruchnahme von Kapazitäten“

    In den verbundenen Rechtssachen C‑262/17, C‑263/17 und C‑273/17

    betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht, Lombardei, Italien) mit Entscheidungen vom 30. Januar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2017, in den Verfahren

    Solvay Chimica Italia SpA,

    Solvay Specialty Polymers Italy SpA,

    Solvay Chimica Bussi SpA,

    Ferrari f.lli Lunelli SpA,

    Fenice – Qualità Per L’ambiente SpA,

    Erg Power Srl,

    Erg Power Generation SpA,

    Eni SpA,

    Enipower SpA (C‑262/17),

    Whirlpool Europe Srl,

    Fenice – Qualità Per L’ambiente SpA,

    FCA Italy SpA,

    FCA Group Purchasing Srl,

    FCA Melfi SpA,

    Barilla G. e R. Fratelli SpA,

    Versalis SpA (C‑263/17),

    Sol Gas Primari Srl (C‑273/17)

    gegen

    Autorità per l’energia elettrica, il gas e il sistema idrico,

    weitere Beteiligte:

    Nuova Solmine SpA,

    American Husky III,

    Inovyn Produzione Italia SpA,

    Sasol Italy SpA,

    Radici Chimica SpA,

    La Vecchia Soc. cons. arl,

    Zignago Power Srl,

    Santa Margherita e Kettmeir e Cantine Torresella SpA,

    Zignago Vetro SpA,

    Chemisol Italia Srl,

    Vinavil SpA,

    Italgen SpA,

    Arkema Srl,

    Yara Italia SpA,

    Ineos Manufacturing Italia SpA,

    ENEL Distribuzione SpA,

    Terna SpA,

    CSEA – Cassa per i servizi energetici e ambientali,

    Ministero dello Sviluppo economico (C‑262/17),

    Terna SpA,

    CSEA – Cassa per i servizi energetici e ambientali,

    Ministero dello Sviluppo economico,

    ENEL Distribuzione SpA (C‑263/17),

    Terna SpA,

    Ministero dello Sviluppo economico (C‑273/17),

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot sowie der Richter A. Arabadjiev, E. Regan (Berichterstatter), C. G. Fernlund und S. Rodin,

    Generalanwalt: E. Tanchev,

    Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 31. Mai 2018,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Solvay Chimica Italia SpA, der Solvay Specialty Polymers Italy SpA, der Solvay Chimica Bussi SpA, der Whirlpool Europe Srl, der Fenice – Qualità Per L’ambiente SpA, der FCA Italy SpA, der FCA Group Purchasing Srl, der FCA Melfi SpA, der Sol Gas Primari Srl, der Nuova Solmine SpA, von American Husky III, der Inovyn Produzione Italia SpA, der Sasol Italy SpA, der Zignago Power Srl, der Radici Chimica SpA, der La Vecchia Soc. cons. arl, der Santa Margherita e Kettmeir e Cantine Torresella SpA, der Zignago Vetro SpA, der Chemisol Italia Srl, der Vinavil SpA, der Italgen SpA, der Arkema Srl, der Yara Italia SpA und der Ineos Manufacturing Italia SpA, vertreten durch F. Angelini, L. Parola, G. La Rosa, M. Monaco, A. Salzano, G. Berruti und T. Arnoni, avvocati,

    der Erg Power Srl und der Erg Power Generation SpA, vertreten durch L. Acquarone, A. Ricci, M. Saladino und G. Acquarone, avvocati,

    der Eni SpA, der Enipower SpA und der Versalis SpA, vertreten durch O. Torrani und P. G. Torrani, avvocati,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Sclafani, avvocato dello Stato,

    der hellenischen Regierung, vertreten durch M. Tassopoulou und D. Tsagkaraki als Bevollmächtigte,

    der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und C. S. Schillemans als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch O. Beynet und G. Gattinara als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. September 2018

    folgendes

    Urteil

    1

    Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2 Abs. 5 und 6, Art. 15 Abs. 7, Art. 26 Abs. 4, Art. 28 und Art. 37 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG (ABl. 2009, L 211, S. 55).

    2

    Diese Ersuchen ergehen im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Solvay Chimica Italia SpA und mehreren anderen Eigentümern oder Betreibern privater Stromverteilungsnetze auf der einen und der l’Autorità per l’energia elettrica, il gas e il sistema idrico (Behörde für Strom, Gas und Wasser, Italien) (im Folgenden: AEEGSI) auf der anderen Seite wegen der Entscheidung der AEEGSI, ihnen verschiedene Verpflichtungen aufzuerlegen, insbesondere betreffend den Zugang Dritter und die Inanspruchnahme von Kapazitäten.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3

    Die Erwägungsgründe 3, 29, 30 und 35 der Richtlinie 2009/72 lauten:

    „(3)

    Die Freiheiten, die der Vertrag den Bürgern der Union garantiert – unter anderem der freie Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit und der freie Dienstleistungsverkehr, sind nur in einem vollständig geöffneten Markt erreichbar, der allen Verbrauchern die freie Wahl ihrer Lieferanten und allen Anbietern die freie Belieferung ihrer Kunden gestattet.

    (29)

    Damit kleine Verteilernetzbetreiber finanziell und administrativ nicht unverhältnismäßig stark belastet werden, sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, die betroffenen Unternehmen erforderlichenfalls von den Vorschriften für die rechtliche Entflechtung der Verteilung auszunehmen.

    (30)

    Wo im Interesse der optimalen Effizienz integrierter Energieversorgung ein geschlossenes Verteilernetz betrieben wird und besondere Betriebsnormen erforderlich sind oder ein geschlossenes Verteilernetz in erster Linie für die Zwecke des Netzeigentümers betrieben wird, sollte die Möglichkeit bestehen, den Verteilernetzbetreiber von Verpflichtungen zu befreien, die bei ihm – aufgrund der besonderen Art der Beziehung zwischen dem Verteilernetzbetreiber und den Netzbenutzern – einen unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen würden. Bei Industrie- oder Gewerbegebieten oder Gebieten, in denen Leistungen gemeinsam genutzt werden, wie Bahnhofsgebäuden, Flughäfen, Krankenhäusern, großen Campingplätzen mit integrierten Anlagen oder Standorten der Chemieindustrie können aufgrund der besonderen Art der Betriebsabläufe geschlossene Verteilernetze bestehen.

    (35)

    Zur Sicherstellung eines effektiven Marktzugangs für alle Marktteilnehmer, einschließlich neuer Marktteilnehmer, bedarf es nichtdiskriminierender, kostenorientierter Ausgleichsmechanismen. Sobald der Elektrizitätsmarkt einen ausreichenden Liquiditätsstand erreicht hat, sollte dies durch den Aufbau transparenter Marktmechanismen für die Lieferung und den Bezug von Elektrizität zur Deckung des Ausgleichsbedarfs realisiert werden. Solange derartige liquide Märkte fehlen, sollten die nationalen Regulierungsbehörden aktiv darauf hinwirken, dass die Tarife für Ausgleichsleistungen nichtdiskriminierend und kostenorientiert sind. Gleichzeitig sollten geeignete Anreize gegeben werden, um die Einspeisung und Abnahme von Elektrizität auszugleichen und das System nicht zu gefährden. Die Übertragungsnetzbetreiber sollten Endkunden und Akteuren, die Endkunden zusammenfassen, die Teilnahme an den Reserve- und Ausgleichsmärkten ermöglichen.“

    4

    Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2009/72 lautet:

    „Mit dieser Richtlinie werden gemeinsame Vorschriften für die Elektrizitätserzeugung, ‑übertragung, ‑verteilung und ‑versorgung sowie Vorschriften im Bereich des Verbraucherschutzes erlassen, um in der [Europäischen Union] für die Verbesserung und Integration von durch Wettbewerb geprägte[n] Strommärkte[n] zu sorgen. Sie regelt die Organisation und Funktionsweise des Elektrizitätssektors, den freien Marktzugang, die Kriterien und Verfahren für Ausschreibungen und die Vergabe von Genehmigungen sowie den Betrieb der Netze. Darüber hinaus werden in der Richtlinie die Verpflichtungen zur Gewährleistung der Grundversorgung und die Rechte der Stromverbraucher festgelegt und die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften klargestellt.“

    5

    In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Richtlinie heißt es:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    5.   ‚Verteilung‘ den Transport von Elektrizität mit hoher, mittlerer oder niedriger Spannung über Verteilernetze zum Zwecke der Belieferung von Kunden, jedoch mit Ausnahme der Versorgung;

    19.   ‚Versorgung‘ den Verkauf einschließlich des Weiterverkaufs von Elektrizität an Kunden;

    26.   ‚kleines, isoliertes Netz‘ ein Netz mit einem Verbrauch von weniger als 3000 GWh im Jahr 1996, das bis zu einem Wert von weniger als 5 % seines Jahresverbrauchs mit anderen Netzen in Verbund geschaltet werden kann;

    27.   ‚isoliertes Kleinstnetz‘ ein Netz mit einem Verbrauch von weniger als 500 GWh im Jahr 1996, das nicht mit anderen Netzen verbunden ist;

    …“

    6

    Art. 3 („Gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen und Schutz der Kunden“) Abs. 14 der Richtlinie sieht vor:

    „Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Artikel 7, 8, 32 und/oder 34 nicht anzuwenden, soweit ihre Anwendung die Erfüllung der den Elektrizitätsunternehmen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen de jure oder de facto verhindern würde und soweit die Entwicklung des Handelsverkehrs nicht in einem Ausmaß beeinträchtigt wird, das den Interessen der [Union] zuwiderläuft. Im Interesse der [Union] liegt unter anderem der Wettbewerb um zugelassene Kunden in Übereinstimmung mit dieser Richtlinie und mit Artikel [106 AEUV].“

    7

    Art. 15 („Inanspruchnahme und Ausgleich von Kapazitäten“) der Richtlinie 2009/72 lautet:

    „(1)   Unbeschadet der Elektrizitätslieferung aufgrund vertraglicher Verpflichtungen einschließlich der Verpflichtungen aus den Ausschreibungsbedingungen ist der Betreiber des Übertragungsnetzes verantwortlich für die Inanspruchnahme der Erzeugungsanlagen in seinem Gebiet und für die Nutzung der Verbindungsleitungen mit den anderen Netzen, soweit er diese Funktion hat.

    (2)   Die Einspeisung aus den Erzeugungsanlagen und die Nutzung der Verbindungsleitungen erfolgen auf der Grundlage von Kriterien, die die nationalen Regulierungsbehörden, sofern sie dazu befugt sind, genehmigen, die objektiv und veröffentlicht sein sowie auf nichtdiskriminierende Weise angewandt werden müssen, damit ein einwandfreies Funktionieren des Elektrizitätsbinnenmarkts gewährleistet wird. Bei den Kriterien werden der wirtschaftliche Vorrang von Elektrizität aus verfügbaren Erzeugungsanlagen oder aus dem Transfer aus Verbindungsleitungen sowie die sich für das Netz ergebenden technischen Beschränkungen berücksichtigt.

    (7)   Die von den Übertragungsnetzbetreibern festgelegten Ausgleichsregelungen für das Elektrizitätsnetz müssen objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein, einschließlich der Regelungen über die von den Netzbenutzern für Energieungleichgewichte zu zahlenden Entgelte. Die Bedingungen für die Erbringung dieser Leistungen durch die Übertragungsnetzbetreiber einschließlich Regelungen und Tarife werden gemäß einem mit Artikel 37 Absatz 6 zu vereinbarenden Verfahren in nichtdiskriminierender Weise und kostenorientiert festgelegt und veröffentlicht.“

    8

    Art. 25 („Aufgaben der Verteilernetzbetreiber“) dieser Richtlinie sieht vor:

    „(1)   Der Verteilernetzbetreiber trägt die Verantwortung dafür, auf lange Sicht die Fähigkeit des Netzes sicherzustellen, eine angemessene Nachfrage nach Verteilung von Elektrizität zu befriedigen und in seinem Gebiet unter wirtschaftlichen Bedingungen ein sicheres, zuverlässiges und effizientes Elektrizitätsverteilernetz unter gebührender Beachtung des Umweltschutzes und der Energieeffizienz zu betreiben, zu warten und auszubauen.

    (5)   Soweit er diese Funktion hat, beschafft sich jeder Verteilernetzbetreiber die Energie, die er zur Deckung von Energieverlusten und Kapazitätsreserven in seinem Netz verwendet, nach transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Verfahren. …

    (6)   Sofern einem Verteilernetzbetreiber der Ausgleich des Verteilernetzes obliegt, müssen die von ihm zu diesem Zweck festgelegten Regelungen objektiv, transparent und nichtdiskriminierend sein, einschließlich der Regelungen über die von den Netzbenutzern für Energieungleichgewichte zu zahlenden Entgelte. Die Bedingungen für die Erbringung dieser Leistungen durch die Verteilernetzbetreiber einschließlich Regelungen und Tarife werden gemäß einem mit Artikel 37 Absatz 6 zu vereinbarenden Verfahren nichtdiskriminierend und kostenorientiert festgelegt und veröffentlicht.

    (7)   Bei der Planung des Verteilernetzausbaus berücksichtigt der Verteilernetzbetreiber Energieeffizienz‑/Nachfragesteuerungsmaßnahmen oder dezentrale Erzeugungsanlagen, durch die sich die Notwendigkeit einer Nachrüstung oder eines Kapazitätsersatzes erübrigen könnte.“

    9

    Art. 26 („Entflechtung von Verteilernetzbetreibern“) dieser Richtlinie bestimmt:

    „(1)   Gehört der Verteilernetzbetreiber zu einem vertikal integrierten Unternehmen, so muss er zumindest hinsichtlich seiner Rechtsform, Organisation und Entscheidungsgewalt unabhängig von den übrigen Tätigkeitsbereichen sein, die nicht mit der Verteilung zusammenhängen. Diese Bestimmungen begründen keine Verpflichtung, eine Trennung in Bezug auf das Eigentum des vertikal integrierten Unternehmens an Vermögenswerten des Verteilernetzes vorzunehmen.

    (2)   Gehört der Verteilernetzbetreiber zu einem vertikal integrierten Unternehmen, so muss er zusätzlich zu den Anforderungen des Absatzes 1 hinsichtlich seiner Organisation und Entscheidungsgewalt unabhängig von den übrigen Tätigkeitsbereichen sein, die nicht mit der Verteilung zusammenhängen. Um dies zu erreichen, sind die folgenden Mindestkriterien anzuwenden:

    (3)   Ist der Verteilernetzbetreiber Teil eines vertikal integrierten Unternehmens, stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die Tätigkeiten des Verteilernetzbetreibers von den Regulierungsbehörden oder sonstigen zuständigen Stellen beobachtet werden, so dass er diesen Umstand nicht zur Verzerrung des Wettbewerbs nutzen kann. …

    (4)   Die Mitgliedstaaten können beschließen, die Absätze 1, 2 und 3 nicht auf integrierte Elektrizitätsunternehmen anzuwenden, die weniger als 100000 angeschlossene Kunden oder kleine isolierte Netze beliefern.“

    10

    Art. 28 („Geschlossene Verteilernetze“) der Richtlinie 2009/72 lautet:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten können veranlassen, dass ein Netz, mit dem in einem geografisch begrenzten Industrie- oder Gewerbegebiet oder Gebiet, in dem Leistungen gemeinsam genutzt werden, Strom verteilt wird, wobei – unbeschadet des Absatzes 4 – keine Haushaltskunden versorgt werden, von den nationalen Regulierungsbehörden oder sonstigen zuständigen Behörden als geschlossenes Netz eingestuft wird, wenn

    a)

    die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Benutzer dieses Netzes aus konkreten technischen oder sicherheitstechnischen Gründen verknüpft sind, oder

    b)

    mit dem Netz in erster Linie Strom an den Netzeigentümer oder ‑betreiber oder an mit diesen verbundene Unternehmen verteilt wird.

    (2)   Die Mitgliedstaaten können veranlassen, dass der Betreiber eines geschlossenen Verteilernetzes von den nationalen Regulierungsbehörden freigestellt wird von

    a)

    den nach Artikel 25 Absatz 5 geltenden Verpflichtungen zur Beschaffung der Energie zur Deckung von Energieverlusten und Kapazitätsreserven im Netz nach transparenten, nichtdiskriminierenden und marktorientierten Verfahren,

    b)

    der nach Artikel 32 Absatz 1 geltenden Verpflichtung zur Genehmigung von Tarifen oder der Methoden zu ihrer Berechnung vor deren Inkrafttreten gemäß Artikel 37.

    (3)   Wird eine Befreiung nach Absatz 2 gewährt, werden die geltenden Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung auf Verlangen eines Benutzers des geschlossenen Verteilernetzes gemäß Artikel 37 überprüft und genehmigt.

    (4)   Die gelegentliche Nutzung des Verteilernetzes durch eine geringe Anzahl von Haushalten, deren Personen ein Beschäftigungsverhältnis oder vergleichbare Beziehungen zum Eigentümer des Verteilernetzes unterhalten und die sich in dem durch ein geschlossenes Verteilernetz versorgten Gebiet befinden, steht der Gewährung der Freistellung nach Absatz 2 nicht entgegen.“

    11

    Art. 32 („Zugang Dritter“) der Richtlinie 2009/72 sieht vor:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen auf der Grundlage veröffentlichter Tarife; die Zugangsregelung gilt für alle zugelassenen Kunden und wird nach objektiven Kriterien und ohne Diskriminierung zwischen den Netzbenutzern angewandt. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass diese Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung vor deren Inkrafttreten gemäß Artikel 37 genehmigt werden und dass die Tarife und – soweit nur die Methoden einer Genehmigung unterliegen – die Methoden vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht werden.

    (2)   Der Übertragungs- oder Verteilernetzbetreiber kann den Netzzugang verweigern, wenn er nicht über die nötige Kapazität verfügt. Die Verweigerung ist hinreichend substantiiert zu begründen, insbesondere unter Berücksichtigung des Artikels 3, und muss auf objektiven und technisch und wirtschaftlich begründeten Kriterien beruhen. Die Mitgliedstaaten oder, wenn die Mitgliedstaaten dies vorsehen, die Regulierungsbehörden gewährleisten, dass diese Kriterien einheitlich Anwendung finden und die Netzbenutzer, denen der Netzzugang verweigert wurde, ein Streitbeilegungsverfahren in Anspruch nehmen können. Die nationalen Regulierungsbehörden stellen ferner gegebenenfalls sicher, dass der Übertragungs- bzw. Verteilernetzbetreiber bei einer Verweigerung des Netzzugangs aussagekräftige Informationen darüber bereitstellt, welche Maßnahmen zur Verstärkung des Netzes erforderlich wären. Der um solche Informationen ersuchenden Partei kann eine angemessene Gebühr in Rechnung gestellt werden, die die Kosten für die Bereitstellung dieser Informationen widerspiegelt.“

    12

    Art. 37 („Aufgaben und Befugnisse der Regulierungsbehörde“) Abs. 6 der Richtlinie bestimmt:

    „Den Regulierungsbehörden obliegt es, zumindest die Methoden zur Berechnung oder Festlegung folgender Bedingungen mit ausreichendem Vorlauf vor deren Inkrafttreten festzulegen oder zu genehmigen:

    b)

    die Bedingungen für die Erbringung von Ausgleichsleistungen, die möglichst wirtschaftlich sind und den Netzbenutzern geeignete Anreize bieten, die Einspeisung und Abnahme … auszugleichen. Die Ausgleichsleistungen werden auf faire und nichtdiskriminierende Weise erbracht und auf objektive Kriterien gestützt; …

    …“

    Italienisches Recht

    13

    Art. 30 Abs. 27 des Legge n. 99 – Disposizioni per lo sviluppo e l’internazionalizzazione delle imprese, nonché in materia di energia (Gesetz Nr. 99 über Bestimmungen für die Entwicklung und die Internationalisierung der Unternehmen sowie im Bereich der Energie) vom 23. Juli 2009 (GURI Nr. 176 vom 31. Juli 2009, im Folgenden: Gesetz Nr. 99/2009) sieht vor:

    „Um die Qualität der Stromversorgung für die über private Netze mit etwaiger Erzeugungskapazität an das nationale Stromnetz angeschlossenen Endkunden zu gewährleisten und zu verbessern, … legt das Ministero dello sviluppo economico [Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung] innerhalb von 120 Tagen ab dem Tag des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes neue Kriterien für die Definition der Beziehungen zwischen dem Betreiber des Netzes, den zugelassenen Verteilerunternehmen, dem Eigentümer der privaten Netze und dem an diese Netze angeschlossenen Endkunden fest. Die [AEEGSI] setzt die angeführten Kriterien zum Zweck der Abwägung und des Schutzes der erworbenen Rechte auch im Hinblick auf das Erfordernis einer rationellen Verwendung der bestehenden Ressourcen um.“

    14

    Art. 33 des Gesetzes Nr. 99/2009 sieht vor:

    „… ein internes Verbrauchernetz ist ein Stromnetz, das sämtliche der folgenden Bedingungen erfüllt:

    a)

    Es ist ein bei Inkrafttreten des vorliegenden Gesetzes bestehendes Netz oder ein Netz, für das zu diesem Zeitpunkt die Bauarbeiten eingeleitet wurden oder alle Genehmigungen nach der geltenden Regelung erteilt wurden;

    b)

    es verbindet industrielle Verbrauchseinheiten oder industrielle Verbrauchseinheiten und Stromerzeugungseinheiten, die funktional wesentlich für den industriellen Erzeugungsprozess sind, wenn sich diese in Gebieten in nicht mehr als drei angrenzenden Gemeinden oder, lediglich in dem Fall, dass die Erzeugungseinheiten mit erneuerbaren Energiequellen betrieben werden, in nicht mehr als drei angrenzenden Provinzen befinden;

    c)

    es handelt sich um ein Netz, das nicht der Verpflichtung zum Anschluss Dritter unterliegt, unbeschadet des Rechts jeder an dieses Netz angeschlossenen Person, sich alternativ dazu an das Netz mit der Verpflichtung zum Anschluss Dritter anzuschließen;

    d)

    es ist über einen oder mehrere Anschlusspunkte mit einem Netz mit Verpflichtung zum Anschluss Dritter, das eine Nennspannung von mindestens 120 kV aufweist, verbunden;

    e)

    es verfügt über einen Verantwortlichen, der als einziger Betreiber dieses Netzes tätig ist. Dieser Verantwortliche kann sich von den Inhabern der Verbrauchs- oder Erzeugungseinheiten unterscheiden, er darf jedoch nicht Inhaber von Konzessionen zur Übertragung und Einspeisung oder zur Verteilung von Strom sein.“

    15

    Das Decreto ministeriale – Attuazione dell’articolo 30, comma 27, della legge 23 luglio 2009, n. 99, in materia di rapporti intercorrenti fra i gestori delle reti elettriche, le società di distribuzione in concessione, i proprietari di reti private ed i clienti finali collegati a tali reti (Ministerialerlass zur Umsetzung von Art. 30 Abs. 27 des Gesetzes Nr. 99 vom 23. Juli 2009 im Bereich der Beziehungen zwischen den Betreibern der Stromnetze, den zugelassenen Verteilerunternehmen, den Eigentümern privater Netze und den an diese Netze angeschlossenen Endkunden) vom 10. Dezember 2010 (GURI Nr. 305 vom 31. Dezember 2010) verpflichtet die Betreiber privater Netze u. a., den an diese angeschlossenen Endverbrauchern zu gestatten, den physischen oder virtuellen Anschluss an das öffentliche Netz zu verlangen und zu erhalten, und deren Verwendung durch die Betreiber der öffentlichen Netze zu gestatten, um das Recht der Endverbraucher sicherzustellen, den Anschluss an das öffentliche Netz zu erhalten.

    16

    Art. 38 Abs. 5 des Decreto legislativo n. 93 – Attuazione delle direttive 2009/72/CE, 2009/73/CE e 2008/92/CE relative a norme comuni per il mercato interno dell’energia elettrica, del gas naturale ed ad una procedura comunitaria sulla trasparenza dei prezzi al consumatore finale industriale di gas e di energia elettrica, nonchè abrogazione delle direttive 2003/54/CE e 2003/55/CE (Decreto legislativo Nr. 93 zur Umsetzung der Richtlinien 2009/72/EG, 2009/73/EG und 2008/92/EG über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt, den Erdgasbinnenmarkt und zur Einführung eines gemeinschaftlichen Verfahrens zur Gewährleistung der Transparenz der vom industriellen Endverbraucher zu zahlenden Gas- und Strompreise sowie zur Aufhebung der Richtlinien 2003/54/EG und 2003/55/EG) vom 1. Juni 2011 (GURI Nr. 148 vom 28. Juni 2011, im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 93/2011) sieht insbesondere vor:

    „Vorbehaltlich der Bestimmungen über effiziente Verbrauchernetze im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. t des Decreto legislativo Nr. 115/2008 sind die internen Verbrauchernetze im Sinne von Art. 33 des Gesetzes [Nr. 99/2009] und die anderen privaten Stromnetze im Sinne von Art. 30 Abs. 27 des Gesetzes [Nr. 99/2009] geschlossene Verteilernetze …“

    17

    Mit der Deliberazione n. 539/2015/R/eel – Regolazione dei servizi di connessione, misura, trasmissione, distribuzione, dispacciamento e vendita nel caso di sistemi di distribuzione chiusi (Entscheidung Nr. 539/2015/R/eel – Vorschriften über die Dienste des Anschlusses, der Messung, der Übertragung, der Verteilung, der Einspeisung und des Verkaufs im Fall von geschlossenen Verteilernetzen) vom 12. November 2015 (im Folgenden: Entscheidung Nr. 539/2015) stufte die AEEGSI gemäß Art. 38 Abs. 5 des Decreto legislativo Nr. 93/2011 die internen Verbrauchernetze und die anderen privaten Stromnetze in die Kategorie „geschlossene Verteilernetze“ gemäß Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 ein.

    18

    Nach Anhang A Art. 8 dieser Entscheidung „[ist] ein [geschlossenes Verteilernetz] ein Netz mit der Verpflichtung, nur die Verbraucher anzuschließen, die im Sinne von Art. 6 der vorliegenden Entscheidung zu der Kategorie von Benutzern gehören, die an dieses [geschlossene Verteilernetz] angeschlossen werden können“.

    19

    Nach Art. 22.1 dieses Anhangs „[gelten] Regelungen über die Inanspruchnahme von Kapazitäten für von jedem Benutzer über seinen Anschlusspunkt zu diesem Netz in das geschlossene Verteilernetz eingespeisten und diesem entnommenen Strom“.

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    20

    Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren sind, je nach Fall, Eigentümer oder Betreiber privater Stromverteilungsnetze, die nach Art. 38 Abs. 5 des Decreto legislativo Nr. 93/2011 in die Kategorie „geschlossene Verteilernetze“ eingestuft wurden, und denen daher gemäß der Entscheidung Nr. 539/2015 von der AEEGSI verschiedene Verpflichtungen auferlegt wurden.

    21

    Diese Klägerinnen erhoben beim Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht, Lombardei, Italien) Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung Nr. 539/2015, da diese gegen die Bestimmungen der Richtlinie 2009/72 verstoße, soweit sie auf geschlossene Verteilernetze die gleichen Regeln anwende wie auf öffentliche Verteilernetze, ohne ein System einzuführen, das die Besonderheiten dieser geschlossenen Verteilernetze berücksichtige.

    22

    Die von den Klägerinnen zur Stützung dieser Klage vorgebrachten Rügen betreffen die Betreibern geschlossener Verteilernetze auferlegte Verpflichtung zum Anschluss Dritter und zur Entflechtung der Rechnungslegung und zur funktionalen Entflechtung, die Anwendung der Beiträge für die Inanspruchnahme von Kapazitäten auf jeden an ein geschlossenes Verteilernetz angeschlossenen Benutzer, ohne dieses Netz in seiner Gesamtheit als einen einzigen Benutzer dieser Dienstleistung zu behandeln, wie es früher der Fall gewesen sei, und die Anwendung der Beiträge zu den allgemeinen Kosten des Stromnetzes auf den Stromverbrauch jedes an ein geschlossenes Verteilernetz angeschlossenen Benutzers, auch wenn es sich um innerhalb dieses Netzes erzeugte Energie handele.

    23

    Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale per la Lombardia (Regionales Verwaltungsgericht, Lombardei) beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, die in den Rechtssachen C‑262/17, C‑263/17 und C‑273/17 identisch formuliert sind:

    24

    Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 12. Juni 2017 sind die Rechtssachen C‑262/17, C‑263/17 und C‑273/17 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

    25

    Auf das Klarstellungsersuchen des Gerichtshofs hat das vorlegende Gericht dem Gerichtshof am 12. April 2018 mitgeteilt, dass die fünfte Vorlagefrage gegenstandslos geworden sei, soweit sie die Entflechtungsregeln und die Beiträge zu den allgemeinen Kosten des Stromnetzes betrifft.

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    26

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Nr. 5 und Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen sind, dass Netze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die zum Zwecke des Eigenverbrauchs vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie von einem privaten Rechtsträger errichtet worden sind und betrieben werden, an die eine begrenzte Zahl von Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten angeschlossen ist und die ihrerseits mit dem öffentlichen Netz verbunden sind, Verteilernetze darstellen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.

    27

    Die Richtlinie 2009/72 hat, wie aus ihrem Art. 1 hervorgeht, das Ziel, gemeinsame Vorschriften u. a. für die Elektrizitätsverteilung zu erlassen, um in der Union für die Verbesserung und Integration von durch Wettbewerb geprägten Strommärkten zu sorgen.

    28

    Zwar ist der Begriff „Verteilernetz“ als solcher nicht durch die Richtlinie 2009/72 bestimmt, doch definiert deren Art. 2 Nr. 5 den Begriff „Verteilung“ als Transport von Elektrizität mit hoher, mittlerer oder niedriger Spannung über Verteilernetze zum Zwecke der Belieferung von Kunden, mit Ausnahme der „Versorgung“, wobei dieser Begriff gemäß Art. 2 Nr. 19 dieser Richtlinie als der Verkauf von Elektrizität an Kunden zu verstehen ist (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298‚ Rn. 45).

    29

    Diesen Definitionen ist zu entnehmen, dass ein Verteilernetz ein Netz ist, das zur Weiterleitung von Elektrizität mit hoher, mittlerer oder niedriger Spannung dient (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298‚ Rn. 46).

    30

    Daraus ergibt sich, dass allein die Spannung des weitergeleiteten Stroms das maßgebliche Kriterium darstellt, um festzustellen, ob ein Netz ein Verteilernetz im Sinne der Richtlinie 2009/72 ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298‚ Rn. 48).

    31

    Hingegen sind weder der Zeitpunkt, zu dem ein solches Netz eingerichtet worden ist, noch der Umstand, dass dieses Netz für den Eigenverbrauch bestimmt ist und von einem privaten Rechtsträger betrieben wird, an das eine begrenzte Zahl von Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten angeschlossen ist, insoweit maßgebliche Kriterien.

    32

    Vielmehr können die Mitgliedstaaten, was den letztgenannten Umstand anbelangt, gemäß Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 veranlassen, dass ein Netz, mit dem in einem geografisch begrenzten Industrie- oder Gewerbegebiet oder Gebiet, in dem Leistungen gemeinsam genutzt werden, Strom verteilt wird, wobei grundsätzlich keine Haushaltskunden versorgt werden, von den zuständigen nationalen Behörden als geschlossenes Verteilernetz eingestuft wird, wenn, je nach Fall, die Tätigkeiten oder Produktionsverfahren der Benutzer dieses Netzes aus konkreten technischen oder sicherheitstechnischen Gründen verknüpft sind oder mit dem Netz in erster Linie Strom an den Netzeigentümer oder ‑betreiber oder an mit diesen verbundene Unternehmen verteilt wird.

    33

    Nach Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 können die Mitgliedstaaten veranlassen, dass der Betreiber eines geschlossenen Verteilernetzes von den zuständigen nationalen Behörden von den nach Art. 25 Abs. 5 dieser Richtlinie geltenden Verpflichtungen zur Beschaffung der Energie zur Deckung von Energieverlusten und Kapazitätsreserven nach transparenten, nicht diskriminierenden und marktorientierten Verfahren und von der nach Art. 32 Abs. 1 dieser Richtlinie geltenden Verpflichtung zur Genehmigung von Tarifen oder der Methoden zu ihrer Berechnung vor deren Inkrafttreten gemäß Art. 37 der Richtlinie freigestellt wird. Im letzteren Fall können die Netzbenutzer gemäß Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2009/72 von der zuständigen nationalen Behörde verlangen, dass diese Tarife und Methoden zu ihrer Berechnung überprüft und genehmigt werden.

    34

    Aus diesen Bestimmungen ergibt sich, dass Netze, wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die zum Zwecke des Eigenverbrauchs von einem privaten Rechtsträger errichtet worden sind und betrieben werden, an die eine begrenzte Zahl von Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten angeschlossen ist, Verteilernetze darstellen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen, da die zuständigen nationalen Behörden diese als geschlossene Verteilernetze im Sinne des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie einstufen können und die Mitgliedstaaten im Übrigen lediglich die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht haben, sie gemäß Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie von den beiden in der letztgenannten Bestimmung erwähnten Verpflichtungen freizustellen.

    35

    Im Übrigen ist zur begrenzten Größe des Netzes festzustellen, dass die Richtlinie 2009/72 sich nur in Art. 2 Nrn. 26 und 27 auf ein solches Kriterium bezieht, um die Begriffe „kleines, isoliertes Netz“ und „isoliertes Kleinstnetz“ zu definieren, so dass der Unionsgesetzgeber nicht bestimmte Verteilernetze aufgrund ihrer Größe oder ihres Stromverbrauchs vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnehmen wollte (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298‚ Rn. 49).

    36

    Die vorstehenden Erwägungen werden im Übrigen durch das mit der Richtlinie 2009/72 verfolgte Ziel, zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts zu gelangen, bestätigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298‚ Rn. 44).

    37

    Somit stellen Netze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die unstreitig zur Weiterleitung von Elektrizität mit hoher, mittlerer oder niedriger Spannung dienen, die zum Verkauf an Endkunden bestimmt ist, Verteilernetze dar, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/72 fallen.

    38

    Auf die erste Frage ist somit zu antworten, dass Art. 2 Nr. 5 und Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen sind, dass Netze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die zum Zwecke des Eigenverbrauchs vor Inkrafttreten dieser Richtlinie von einem privaten Rechtsträger errichtet worden sind und betrieben werden, an die eine begrenzte Zahl von Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten angeschlossen ist und die ihrerseits mit dem öffentlichen Netz verbunden sind, Verteilernetze darstellen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.

    Zur zweiten und zur vierten Frage

    39

    Mit seiner zweiten und seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 28 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen ist, dass die Mitgliedstaaten nur Netze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden von den Verpflichtungen nach Art. 28 Abs. 2 betreffend die dort genannten geschlossenen Verteilernetze und die in Art. 26 Abs. 4 dieser Richtlinie vorgesehenen Netze freistellen können oder ob sie diese Netze auch in eine andere Kategorie als die der Verteilernetze aufnehmen können, um ihnen Freistellungen zu gewähren, die in dieser Richtlinie nicht vorgesehen sind.

    40

    Wie bereits den Rn. 32 bis 34 des vorliegenden Urteils zu entnehmen ist, kann ein Mitgliedstaat, der veranlasst, dass die zuständigen nationalen Behörden die Netze, die die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 erfüllen, als geschlossene Netze einstufen, gemäß Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie auch veranlassen, dass diese Behörden den Betreiber dieser Netze von den Verpflichtungen gemäß Art. 25 Abs. 5 und Art. 32 Abs. 1 dieser Richtlinie freistellen.

    41

    Somit geht bereits aus dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 klar hervor, dass aufgrund dieser Bestimmung die von den zuständigen nationalen Behörden als geschlossene Verteilernetze eingestuften Netze ausschließlich von den dort genannten Verpflichtungen freigestellt werden können, und zwar mit dem aus dem 30. Erwägungsgrund dieser Richtlinie zu entnehmenden Ziel, diese Netzbetreiber von Verpflichtungen zu befreien, die aufgrund der besonderen Art der Beziehung zwischen diesen Netzbetreibern und den Benutzern dieser Netze einen unnötigen Verwaltungsaufwand verursachen würden.

    42

    Im vorliegenden Fall ist der Vorlageentscheidung zu entnehmen, wie im Übrigen auch nicht bestritten wird, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Netze von der zuständigen nationalen Behörde als geschlossene Verteilernetze im Sinne von Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 eingestuft wurden.

    43

    Als solche könnten diesen Netzen also – wenn Italien von der Möglichkeit in Art. 28 Abs. 2 dieser Richtlinie Gebrauch gemacht hat – nur die in dieser Bestimmung genannten Ausnahmen zugutekommen.

    44

    Wie der Generalanwalt in den Nrn. 52 bis 58 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, spricht dennoch nichts dagegen, dass ein geschlossenes Verteilernetz in anderen Eigenschaften auch von weiteren in der Richtlinie 2009/72 vorgesehenen Ausnahmen profitieren kann.

    45

    Dazu ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass Art. 26 Abs. 4 der Richtlinie 2009/72 den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, integrierte Elektrizitätsunternehmen, die weniger als 100000 angeschlossene Kunden beliefern, von den Entflechtungsverpflichtungen nach Art. 26 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie freizustellen, damit, wie aus dem 29. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, kleine Verteilernetzbetreiber finanziell und administrativ nicht unverhältnismäßig stark belastet werden.

    46

    Den Feststellungen des vorlegenden Gerichts ist jedoch zu entnehmen, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Netze für diese Freistellung in Betracht kommen können, da sie grundsätzlich keine Haushaltskunden versorgen können und an eine begrenzte Zahl von Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten in einem geografisch begrenzten Gebiet angeschlossen sind.

    47

    Im Übrigen ergibt sich aus der Antwort des vorlegenden Gerichts auf das Klarstellungsersuchen des Gerichtshofs, dass mit der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden innerstaatlichen Regelung nunmehr diese Netze gemäß Art. 26 Abs. 4 der Richtlinie 2009/72 von den Entflechtungsverpflichtungen nach Art. 26 Abs. 1 bis 3 dieser Richtlinie freigestellt werden.

    48

    Auf jeden Fall ist hervorzuheben, dass die Mitgliedstaaten Netze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2009/72 fallen, nicht in eine andere Kategorie als die der durch diese Richtlinie ausdrücklich festgelegten Verteilernetze aufnehmen können, um ihnen Freistellungen zu gewähren, die in dieser Richtlinie nicht vorgesehen sind.

    49

    Zwar kann, wie sich aus den Erwägungsgründen 29 und 30 der Richtlinie 2009/72 ergibt, die besondere Art bestimmter Verteilernetze, zu denen geschlossene Verteilernetze gehören, rechtfertigen, dass die Mitgliedstaaten beschließen, diese von bestimmten Pflichten nach dieser Richtlinie freizustellen, um ihnen keinen unnötigen Verwaltungsaufwand aufzuerlegen.

    50

    Es ist jedoch festzustellen, dass diese Erwägungsgründe gerade in Art. 26 Abs. 4 und Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 zum Ausdruck kommen, die ausdrücklich die Ausnahmen festlegen, für die diese Verteilernetze in Betracht kommen können.

    51

    Daher ist auf die zweite und die vierte Frage zu antworten, dass Art. 28 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen ist, dass ein Mitgliedstaat Netze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die er als geschlossene Verteilernetze im Sinne des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie eingestuft hat, als solche nur von den Verpflichtungen nach deren Art. 28 Abs. 2 freistellen kann, unbeschadet dessen, dass diese Netze im Übrigen für andere in dieser Richtlinie, insbesondere in Art. 26 Abs. 4, vorgesehene Ausnahmen in Betracht kommen können, wenn sie die dort festgelegten Voraussetzungen erfüllen, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist. Auf keinen Fall kann dieser Mitgliedstaat diese Netze in eine andere Kategorie als die der Verteilernetze aufnehmen, um ihnen Freistellungen zu gewähren, die in dieser Richtlinie nicht vorgesehen sind.

    Zur dritten Frage

    52

    Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die vorsieht, dass die geschlossenen Verteilernetze im Sinne von Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Verpflichtung zum Anschluss Dritter unterliegen, sondern nur Dritten Zugang gewähren müssen, die zur Kategorie von Benutzern gehören, die an dieses Netz angeschlossen werden können, wobei diese Benutzer ein Recht auf Zugang zum öffentlichen Netz haben.

    53

    Nach Art. 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2009/72 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, für alle zugelassenen Kunden ein System für den Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen einzuführen, das sich auf veröffentlichte Tarife stützt und nach objektiven Kriterien und ohne Diskriminierung zwischen den Netzbenutzern angewandt wird. Gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 3 dieser Richtlinie stellen die Mitgliedstaaten außerdem sicher, dass diese Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung vor deren Inkrafttreten gemäß Art. 37 dieser Richtlinie genehmigt werden und dass die Tarife und – soweit nur die Methoden genehmigt werden – die Methoden vor ihrem Inkrafttreten veröffentlicht werden.

    54

    Wie der Gerichtshof schon mehrfach betont hat, ist der freie Zugang Dritter zu diesen Netzen gemäß Art. 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 der Richtlinie 2009/72 eine der Hauptmaßnahmen, die die Mitgliedstaaten durchzuführen haben, um zur Vollendung des Elektrizitätsbinnenmarkts zu gelangen (vgl. entsprechend Urteile vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298‚ Rn. 44, vom 9. Oktober 2008, Sabatauskas u. a., C‑239/07, EU:C:2008:551, Rn. 31, 33 und 46, sowie vom 29. September 2016, Essent Belgium, C‑492/14, EU:C:2016:732, Rn. 76).

    55

    Wie aus dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/72 hervorgeht, soll mit dieser nämlich ein vollständig geöffneter Markt erreicht werden, der allen Verbrauchern die freie Wahl ihrer Lieferanten und allen Anbietern die freie Belieferung ihrer Kunden gestattet.

    56

    Insoweit überlässt es Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 zwar den Mitgliedstaaten, die Maßnahmen zu treffen, die zur Einführung eines Systems für den Zugang Dritter zu den Übertragungs‑ oder Verteilernetzen erforderlich sind, so dass den Mitgliedstaaten entsprechend Art. 288 AEUV die Wahl der Form und der Mittel dieser Einführung überlassen ist, jedoch berechtigt sie dieser Spielraum angesichts der Bedeutung des Grundsatzes des freien Zugangs zu den Übertragungs- und Verteilernetzen nicht, diesen Grundsatz, abgesehen von den Fällen, in denen die Richtlinie Ausnahmen oder Abweichungen vorsieht, nicht anzuwenden (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298‚ Rn. 55).

    57

    So geht aus Art. 3 Abs. 14 der Richtlinie 2009/72 hervor, dass die Mitgliedstaaten berechtigt sind, die Bestimmungen von Art. 32 Abs. 1 dieser Richtlinie, die einen diskriminierungsfreien Zugang Dritter zu den Übertragungs- und Verteilernetzen vorsehen, nicht anzuwenden, soweit ihre Anwendung die Erfüllung der den Elektrizitätsunternehmen übertragenen gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen de iure oder de facto verhindern würde, sofern die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Erfüllung dieser Verpflichtungen nicht durch andere Mittel, die nicht in das durch die Richtlinie 2009/72 verliehene Recht auf Netzzugang eingreifen, erfüllt werden können (vgl. entsprechend Urteile vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298, Rn. 60, und vom 29. September 2016, Essent Belgium, C‑492/14, EU:C:2016:732, Rn. 91).

    58

    Wie hingegen den Antworten auf die erste sowie auf die zweite und die vierte Frage, insbesondere den Rn. 33, 34, 40 und 41 des vorliegenden Urteils, zu entnehmen ist, geht bereits aus dem Wortlaut von Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 hervor, dass auf der Grundlage dieser Bestimmung die geschlossenen Verteilernetze im Sinne von Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie nur von zwei spezifischen Verpflichtungen freigestellt werden können, nämlich zum einen von der, sich Energie, die sie zur Deckung von Energieverlusten und Kapazitätsreserven im Netz verwenden, nach transparenten, nicht diskriminierenden und marktorientierten Verfahren zu beschaffen, und zum anderen sicherzustellen, dass die Tarife oder die Methoden zu ihrer Berechnung vor deren Inkrafttreten genehmigt werden; in diesem Fall können die Netzbenutzer gemäß Art. 28 Abs. 3 dieser Richtlinie von der zuständigen nationalen Behörde verlangen, dass diese Tarife und Methoden zu ihrer Berechnung überprüft und genehmigt werden.

    59

    Daraus ergibt sich, dass ein geschlossenes Verteilernetz zwar von der in Art. 32 Abs. 1 Satz 3 der Richtlinie 2009/72 vorgesehenen Verpflichtung, vorab seine Tarife und Methoden zu ihrer Berechnung genehmigen zu lassen, freigestellt werden kann, es aber nicht von der in Art. 32 Abs. 1 Satz 1 und 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtung zum freien Zugang Dritter freigestellt werden kann.

    60

    Im Übrigen sieht zwar Art. 32 Abs. 2 der Richtlinie 2009/72 vor, dass ein Betreiber eines Verteilernetzes den Zugang zu seinem Netz verweigern kann, wenn er nicht über die nötige Kapazität verfügt und er diese Verweigerung substantiiert begründet, doch ist diese Möglichkeit, den Netzzugang zu verweigern, auf den Einzelfall bezogen und berechtigt die Mitgliedstaaten nicht dazu, solche Ausnahmen generell vorzusehen, ohne dass im Einzelfall für den jeweiligen Betreiber die fehlende technische Kapazität des Netzes für den nachgefragten Zugang Dritter beurteilt wird (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Mai 2008, citiworks, C‑439/06, EU:C:2008:298, Rn. 57).

    61

    Folglich ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die vorsieht, dass die geschlossenen Verteilernetze im Sinne von Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Verpflichtung zum Anschluss Dritter unterliegen, sondern nur Dritten Zugang gewähren müssen, die zu der Kategorie von Benutzern gehören, die an dieses Netz angeschlossen werden können, wobei diese Benutzer ein Recht auf Zugang zum öffentlichen Netz haben.

    Zur fünften Frage

    62

    Mit seiner fünften Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 15 Abs. 7 und Art. 37 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die vorsieht, dass die Beiträge, die für die Inanspruchnahme von Kapazitäten durch die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes anfallen, auf der Grundlage des mit diesem Netz durch jeden seiner Benutzer über seinen Anschlusspunkt zu diesem Netz gehandelten Stroms berechnet werden.

    63

    Wie sich aus den Bestimmungen der Art. 15 und 25 der Richtlinie 2009/72 ergibt, erlaubt die Inanspruchnahme von Kapazitäten dem Betreiber des Stromnetzes die Erzeugungseinheiten in einem bestimmten Gebiet in Anspruch zu nehmen, um u. a. Energie, die er zur Deckung von Energieverlusten und Kapazitätsreserven in seinem Netz verwendet, zu beschaffen sowie den Ausgleich dieses Netzes sicherzustellen und einen ordnungsgemäß funktionierenden Energiebinnenmarkt zu gewährleisten.

    64

    Nach Art. 15 Abs. 7 und Art. 37 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2009/72 müssen die vom Übertragungsnetzbetreiber festgelegten Ausgleichsregelungen für das Elektrizitätsnetz, einschließlich der Regelungen über die von den Benutzern zu zahlenden Entgelte, objektiv, transparent und nicht diskriminierend sein, und, wie auch aus dem 35. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, kostenorientiert sein, und zwar nach einer Methode, die sicherstellt, dass die Erbringung von Ausgleichsleistungen möglichst wirtschaftlich ist und den Netzbenutzern geeignete Anreize bietet, die Einspeisung und Abnahme auszugleichen. Art. 25 Abs. 6 dieser Richtlinie sieht im Wesentlichen die gleiche Verpflichtung für Verteilernetzbetreiber vor.

    65

    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Angaben, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung dahin geändert worden ist, dass die Beiträge, die für die Inanspruchnahme von Kapazitäten des Betreibers des öffentlichen Netzes, also der Terna SpA, durch die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes geschuldet werden, in Zukunft nicht mehr nur auf der Grundlage des mit dem öffentlichen Netz in seiner Gesamtheit über den Anschlusspunkt dieses geschlossenen Netzes an das öffentliche Netz gehandelten Stroms berechnet werden, sondern auf der Grundlage des mit dem geschlossenen Verteilernetz durch jeden seiner Benutzer über seinen Anschlusspunkt zu diesem Netz gehandelten Stroms, wodurch also die Regelungen für Letztere an die für Benutzer des öffentlichen Netzes angepasst werden. Daraus folgt, dass die für die Inanspruchnahme von Kapazitäten anfallenden Beiträge auch für den innerhalb eines geschlossenen Verteilernetzes erzeugten Strom gelten.

    66

    Nach ständiger Rechtsprechung besagt der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 23).

    67

    Insoweit ist zunächst festzustellen, dass die Benutzer von Netzen wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die nach nationalem Recht zur Kategorie „geschlossene Verteilernetze“ gehören, an das öffentliche Netz angeschlossen sind und dass sie daher wie alle anderen Benutzer eines solchen Netzes auf die Inanspruchnahme von Kapazitäten zurückgreifen können. Die Klägerinnen der Ausgangsverfahren können daher weder mit Erfolg geltend machen, dass die Benutzer dieser geschlossenen Verteilernetze dem Dienstleister für die Inanspruchnahme von Kapazitäten keine Kosten verursachen, noch folglich, dass sie durch die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung Kosten einer Dienstleistung zu tragen hätten, die ihnen nicht zugutekommt.

    68

    Es ist jedoch unstreitig, dass im Unterschied zu diesen anderen Benutzern des öffentlichen Netzes, die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes, da sie gemäß Art. 28 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2009/72 in erster Linie Strom verbrauchen, der innerhalb dieses Netzes erzeugt wird, auf das öffentliche Netz nur hilfsweise zurückgreifen, wenn die Erzeugung des geschlossenen Verteilernetzes nicht ausreicht, um den Bedarf seiner Benutzer zu decken, insbesondere dann, wenn die Nachfrage innerhalb des Netzes stark und unvorhergesehen ansteigt oder wenn die mit ihm verbundenen Erzeugungseinheiten wegen ihrer Handhabung oder wegen eines Ausfalls gestört werden. Bis auf diese Ausnahmefälle obliegt es somit im Wesentlichen dem Betreiber des geschlossenen Verteilernetzes selbst, den Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch innerhalb dieses Netzes sicherzustellen, so wie es die Aufgabe von Terna im Hinblick auf das öffentliche Netz ist.

    69

    Unter diesen Umständen scheinen sich die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes nicht in der gleichen Lage zu befinden wie die anderen Benutzer des öffentlichen Netzes. Außerdem scheint der Dienstleister für die Inanspruchnahme von Kapazitäten des öffentlichen Netzes die begrenzten Kosten im Hinblick auf diese Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes tragen zu müssen, da diese auf diese Dienstleistung nur hilfsweise zurückgreifen. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, das Vorliegen dieser Umstände zu überprüfen.

    70

    Sollte jedoch das Vorliegen dieser Umstände festgestellt werden, kann, wie der Generalanwalt in Nr. 105 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende, die vorsieht, dass die Beiträge, die für die Inanspruchnahme von Kapazitäten durch die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes anfallen, nach der gleichen Methode berechnet werden, wie sie für die Berechnung der für die anderen Benutzer des öffentlichen Netzes fälligen Gebühren verwendet wird, mangels einer objektiven Rechtfertigung als diskriminierend eingestuft werden.

    71

    Insbesondere erscheint es nicht ausgeschlossen, dass eine solche Methode keine hinreichende Verbindung zu den Kosten der Inanspruchnahme von Kapazitäten nach Maßgabe der Voraussetzungen des Art. 15 Abs. 7 und des Art. 25 Abs. 6 der Richtlinie 2009/72 darstellt.

    72

    Da im Übrigen die Höhe der Beiträge für die Inanspruchnahme von Kapazitäten durch die Benutzer der geschlossenen Verteilernetze nichts mit der Menge an Elektrizität zu tun hat, die mit dem öffentlichen Netz gehandelt wurde, scheint diese Methode auch nicht diesen Benutzern, wie in Art. 37 Abs. 6 Buchst. b dieser Richtlinie vorgesehen, Anreize zu bieten, ihre Stromerzeugung und ihren Stromverbrauch auszugleichen, um den Rückgriff auf diese Inanspruchnahme auf ein Minimum zu beschränken.

    73

    Es könnte zwar für einen Mitgliedstaat legitim sein, Benutzern geschlossener Verteilernetze mit Zugang zum öffentlichen Netz Beiträge für die Inanspruchnahme von Kapazitäten aufzuerlegen, deren Höhe nicht nur auf der Grundlage des mit dem öffentlichen Netz tatsächlich gehandelten Stroms berechnet wird, wenn beispielsweise nachgewiesen werden könnte, dass diese Höhe spezifischen Kosten für den Erbringer dieser Dienstleistung entspricht, die mit der Möglichkeit für die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes verbunden ist, mit dem öffentlichen Netz unter Rückgriff auf diese Dienstleistung Strom zu handeln. Jedoch hat keine der am vorliegenden Verfahren Beteiligten das Vorliegen derartiger spezifischer Kosten geltend gemacht.

    74

    Die italienische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen und in der mündlichen Verhandlung auch geltend gemacht, dass die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes die Möglichkeit hätten, sich zusammenzuschließen, um einen einzigen Punkt der Inanspruchnahme zu bilden, so dass die Beiträge für die Inanspruchnahme von Kapazitäten nur auf der Grundlage des mit dem öffentlichen Netz gehandelten Stroms berechnet würden.

    75

    Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen der Ausgangsverfahren vorgetragen haben, dass ein solcher Zusammenschluss keine Auswirkungen auf die Berechnung dieser Beiträge hätte. Im Übrigen ergibt sich aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Angaben nichts, was die Behauptungen der italienischen Regierung stützen würde.

    76

    Unter diesen Umständen ist es allein Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob diese Angaben, die ausschließlich die Auslegung nationalen Rechts betreffen, zutreffen.

    77

    Folglich ist auf die fünfte Frage zu antworten, dass Art. 15 Abs. 7 und Art. 37 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2009/72 dahin auszulegen sind, dass sie mangels einer objektiven Rechtfertigung einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die vorsieht, dass die Beiträge, die für die Inanspruchnahme von Kapazitäten durch die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes anfallen, auf der Grundlage des mit diesem Netz durch jeden seiner Benutzer über seinen Anschlusspunkt zu diesem Netz gehandelten Stroms berechnet werden, wenn festgestellt wird, dass die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes sich nicht in der gleichen Lage befinden wie die anderen Benutzer des öffentlichen Netzes, und der Dienstleister für die Inanspruchnahme von Kapazitäten eines öffentlichen Netzes begrenzte Kosten im Hinblick auf diese Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes trägt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

    Kosten

    78

    Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 2 Nr. 5 und Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 2003/54/EG sind dahin auszulegen, dass Netze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die zum Zwecke des Eigenverbrauchs vor Inkrafttreten dieser Richtlinie von einem privaten Rechtsträger errichtet worden sind und betrieben werden, an die eine begrenzte Zahl von Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten angeschlossen ist und die ihrerseits mit dem öffentlichen Netz verbunden sind, Verteilernetze darstellen, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen.

     

    2.

    Art. 28 der Richtlinie 2009/72 ist dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat Netze wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die er als geschlossene Verteilernetze im Sinne des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie eingestuft hat, als solche nur von den Verpflichtungen nach Art. 28 Abs. 2 freistellen kann, unbeschadet dessen, dass diese Netze im Übrigen für andere in dieser Richtlinie, insbesondere in Art. 26 Abs. 4, vorgesehene Ausnahmen in Betracht kommen können, wenn sie die dort festgelegten Voraussetzungen erfüllen, was vom vorlegenden Gericht zu prüfen ist. Auf keinen Fall kann dieser Mitgliedstaat diese Netze in eine andere Kategorie als die der Verteilernetze aufnehmen, um ihnen Freistellungen zu gewähren, die in dieser Richtlinie nicht vorgesehen sind.

     

    3.

    Art. 32 Abs. 1 der Richtlinie 2009/72 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die vorsieht, dass die geschlossenen Verteilernetze im Sinne des Art. 28 Abs. 1 dieser Richtlinie nicht der Verpflichtung zum Anschluss Dritter unterliegen, sondern nur Dritten Zugang gewähren müssen, die zu der Kategorie von Benutzern gehören, die an dieses Netz angeschlossen werden können, wobei diese Benutzer ein Recht auf Zugang zum öffentlichen Netz haben.

     

    4.

    Art. 15 Abs. 7 und Art. 37 Abs. 6 Buchst. b der Richtlinie 2009/72 sind dahin auszulegen, dass sie mangels einer objektiven Rechtfertigung einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegenstehen, die vorsieht, dass die Beiträge, die für die Inanspruchnahme von Kapazitäten durch die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes anfallen, auf der Grundlage des mit diesem Netz durch jeden seiner Benutzer über seinen Anschlusspunkt zu diesem Netz gehandelten Stroms berechnet werden, wenn festgestellt wird, dass die Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes sich nicht in der gleichen Lage befinden wie die anderen Benutzer des öffentlichen Netzes, und der Dienstleister für die Inanspruchnahme von Kapazitäten eines öffentlichen Netzes begrenzte Kosten im Hinblick auf diese Benutzer eines geschlossenen Verteilernetzes trägt; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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