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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62017CJ0242

    Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 4. Oktober 2018.
    Legatoria Editoriale Giovanni Olivotto (L.E.G.O.) SpA gegen Gestore dei servizi energetici (GSE) SpA u. a.
    Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – Für ein Wärmekraftwerk verwendete flüssige Biobrennstoffe – Richtlinie 2009/28/EG – Art. 17 – Kriterien für die Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen – Art. 18 – Nationale Systeme zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit – Durchführungsbeschluss 2011/438/EU – Freiwillige, von der Europäischen Kommission genehmigte Systeme zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen – Nationale Regelung, die Zwischenhändler zur Vorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten verpflichtet – Art. 34 AEUV – Freier Warenverkehr.
    Rechtssache C-242/17.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2018:804

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

    4. Oktober 2018 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen – Für ein Wärmekraftwerk verwendete flüssige Biobrennstoffe – Richtlinie 2009/28/EG – Art. 17 – Kriterien für die Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen – Art. 18 Nationale Systeme zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit – Durchführungsbeschluss 2011/438/EU – Freiwillige, von der Europäischen Kommission genehmigte Systeme zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen – Nationale Regelung, die Zwischenhändler zur Vorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten verpflichtet – Art. 34 AEUV – Freier Warenverkehr“

    In der Rechtssache C‑242/17

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 26. Januar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Mai 2017, in dem Verfahren

    Legatoria Editoriale Giovanni Olivotto (L.E.G.O.) SpA

    gegen

    Gestore dei servizi energetici (GSE) SpA,

    Ministero dell’Ambiente e della Tutela del Territorio e del Mare,

    Ministero dello Sviluppo Economico,

    Ministero delle Politiche Agricole e Forestali,

    Beteiligte:

    ED & F Man Liquid Products Italia Srl,

    Unigrà Srl,

    Movendi Srl,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,

    Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,

    Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2018,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Legatoria Editoriale Giovanni Olivotto (L.E.G.O.) SpA, vertreten durch A. Fantini und G. Scaccia, avvocati,

    der Gestore dei servizi energetici (GSE) SpA, vertreten durch S. Fidanzia und A. Gigliola, avvocati,

    der ED & F Man Liquid Products Italia Srl, vertreten durch C. E. Rossi und F. P. Francica, avvocati,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von G. Palatiello, avvocato dello Stato,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und K. Talabér-Ritz als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Mai 2018

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 18 der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG (ABl. 2009, L 140, S. 16) in Verbindung mit dem Durchführungsbeschluss 2011/438/EU der Kommission vom 19. Juli 2011 über die Anerkennung des Zertifizierungssystems „International Sustainability and Carbon Certification“ zum Nachweis der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien der Richtlinien 2009/28/EG und 2009/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 190, S. 79).

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Legatoria Editoriale Giovanni Olivotto SpA (L.E.G.O.) SpA auf der einen und der Gestore dei servizi energetici (GSE) SpA, dem Ministero dell’Ambiente e della Tutela del Mare e del Territorio (Ministerium für Umwelt, Landschafts- und Meeresschutz, Italien), dem Ministero dello Sviluppo Economico (Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, Italien) sowie dem Ministero delle Politiche Agricole e Forestali (Ministerium für Landwirtschafts- und Forstpolitik, Italien) auf der anderen Seite wegen der Nichtvorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten bezüglich der für den Betrieb des Wärmekraftwerks von L.E.G.O. verwendeten flüssigen Biobrennstoffe, da diese Nichtvorlage den Ausschluss von der Anreizregelung der grünen Zertifikate zur Folge hatte, die für dieses Kraftwerk erteilt worden waren.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 2009/28

    3

    Die Erwägungsgründe 65, 67, 76 und 79 der Richtlinie 2009/28 lauten:

    „(65)

    Die Herstellung von Biokraftstoffen sollte auf nachhaltige Weise erfolgen. Biokraftstoffe, die dafür verwendet werden, die Ziele dieser Richtlinie zu erreichen, und Biokraftstoffe, denen nationale Förderregelungen zugutekommen, sollten daher Nachhaltigkeitskriterien erfüllen müssen.

    (67)

    Die Einführung von Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe wird ihr Ziel verfehlen, wenn sie Produkte hervorbringt, die die Kriterien nicht erfüllen und die statt als Biokraftstoffe als flüssige Biobrennstoffe im Wärme- oder im Elektrizitätssektor verwendet werden. Aus diesem Grund sollten die Nachhaltigkeitskriterien auch für flüssige Biobrennstoffe im Allgemeinen gelten.

    (76)

    Die Nachhaltigkeitskriterien werden nur wirksam sein, wenn sie zu einem veränderten Verhalten der Marktteilnehmer führen. Diese Änderungen werden nur erfolgen, wenn Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe, die die Kriterien erfüllen, gegenüber jenen, die die Kriterien nicht erfüllen, einen Preisaufschlag rechtfertigen. Nach der Massenbilanzmethode zur Überprüfung der Einhaltung der Kriterien gibt es eine konkrete Verbindung zwischen der Herstellung von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen, die die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, und dem Verbrauch von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen in der [Union], wodurch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage geschaffen und ein Preisaufschlag gewährleistet wird, der höher ist als in Systemen ohne eine solche Verbindung. Zur Überprüfung der Einhaltung der Kriterien sollte daher die Massenbilanzmethode verwendet werden, damit sichergestellt wird, dass Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe, die die Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, zu einem höheren Preis verkauft werden können. Dies sollte die Integrität des Systems wahren und gleichzeitig vermeiden, dass der Industrie ein unvertretbarer Aufwand abverlangt wird. Andere Überprüfungsmethoden sollten jedoch geprüft werden.

    (79)

    Die Förderung multilateraler und bilateraler Übereinkünfte sowie freiwilliger internationaler oder nationaler Systeme, in denen Standards für die nachhaltige Herstellung von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen festgelegt sind und die bescheinigen, dass die Herstellung von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen diese Standards erfüll[t], ist im Interesse der Gemeinschaft. Daher sollte vorgesehen werden, dass solche Übereinkünfte oder Systeme zuverlässige Erkenntnisse und Daten hervorbringen, sofern sie angemessene Standards der Zuverlässigkeit, Transparenz und unabhängiger Audits erfüllen.“

    4

    Die Begriffe „Biomasse“, „flüssige Biobrennstoffe“ und „Biokraftstoffe“ bezeichnen nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2009/28:

    „…

    e)

    ‚Biomasse‘ den biologisch abbaubaren Teil von Erzeugnissen, Abfällen und Reststoffen der Landwirtschaft mit biologischem Ursprung (einschließlich pflanzlicher und tierischer Stoffe), der Forstwirtschaft und damit verbundener Wirtschaftszweige einschließlich der Fischerei und der Aquakultur sowie den biologisch abbaubaren Teil von Abfällen aus Industrie und Haushalten;

    h)

    ‚flüssige Biobrennstoffe‘ flüssige Brennstoffe, die aus Biomasse hergestellt werden und für den Einsatz zu energetischen Zwecken, mit Ausnahme des Transports, einschließlich Elektrizität, Wärme und Kälte, bestimmt sind;

    i)

    ‚Biokraftstoffe‘ flüssige oder gasförmige Kraftstoffe für den Verkehr, die aus Biomasse hergestellt werden“.

    5

    Art. 17 („Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe und flüssige Brennstoffe“) der Richtlinie bestimmt in Abs. 1:

    „Ungeachtet der Frage, ob Rohstoffe innerhalb oder außerhalb der [Union] angebaut wurden, wird Energie in Form von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen für die in den Buchstaben a, b und c genannten Zwecke nur dann berücksichtigt, wenn sie die in den Absätzen 2 bis 6 dieses Artikels festgelegten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen:

    a)

    Bewertung der Einhaltung der die nationalen Ziele betreffenden Anforderungen der Richtlinie,

    b)

    Bewertung der Einhaltung der Verpflichtungen zur Nutzung erneuerbarer Energie,

    c)

    Möglichkeit der finanziellen Förderung für den Verbrauch von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen.

    …“

    6

    Art. 17 Abs. 2 bis 6 der Richtlinie legt die Nachhaltigkeitskriterien bezüglich der Herstellung von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen fest.

    7

    Art. 17 Abs. 8 der Richtlinie sieht vor:

    „Für die Zwecke des Absatzes 1 Buchstaben a, b und c dürfen die Mitgliedstaaten Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe, die in Übereinstimmung mit diesem Artikel gewonnen werden, nicht aus sonstigen Nachhaltigkeitsgründen außer Acht lassen.“

    8

    Art. 18 („Überprüfung der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien für Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe“) der Richtlinie 2009/28 bestimmt:

    „(1)   Werden Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe für die in Artikel 17 Absatz 1 Buchstaben a, b und c genannten Zwecke berücksichtigt, verpflichten die Mitgliedstaaten die Wirtschaftsteilnehmer nachzuweisen, dass die in Artikel 17 Absätze 2 bis 5 festgelegten Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind. Zu diesem Zweck verpflichten sie die Wirtschaftsteilnehmer zur Verwendung eines Massenbilanzsystems, das

    a)

    es erlaubt, Lieferungen von Rohstoffen oder Biokraftstoffen mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitseigenschaften zu mischen,

    b)

    vorschreibt, dass Angaben über die Nachhaltigkeitseigenschaften und den jeweiligen Umfang der unter Buchstabe a genannten Lieferungen weiterhin dem Gemisch zugeordnet sind, und

    c)

    vorsieht, dass die Summe sämtlicher Lieferungen, die dem Gemisch entnommen werden, dieselben Nachhaltigkeitseigenschaften in denselben Mengen hat wie die Summe sämtlicher Lieferungen, die dem Gemisch zugefügt werden.

    (3)   Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer dazu verlässliche Informationen vorlegen und dem Mitgliedstaat auf Anfrage die Daten zur Verfügung … stellen, die zur Zusammenstellung der Informationen verwendet wurden. Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wirtschaftsteilnehmer, für ein angemessenes unabhängiges Audit der von ihnen vorgelegten Informationen zu sorgen und nachzuweisen, dass ein solches Audit erfolgt ist. Das Audit erstreckt sich auf die Frage, ob die von den Wirtschaftsteilnehmern verwendeten Systeme genau, verlässlich und vor Betrug geschützt sind. Ferner werden die Häufigkeit und Methodik der Probenahme sowie die Zuverlässigkeit der Daten bewertet.

    Die in Unterabsatz 1 genannten Informationen erstrecken sich insbesondere auf die Einhaltung der in Artikel 17 Absätze 2 bis 5 genannten Nachhaltigkeitskriterien, auf sachdienliche und aussagekräftige Informationen über die Maßnahmen, die zum Schutz von Boden, Wasser und Luft, zur Sanierung von degradierten Flächen und zur Vermeidung eines übermäßigen Wasserverbrauchs in Gebieten mit Wasserknappheit getroffen wurden, und auf sachdienliche und aussagekräftige Informationen über die Maßnahmen, die zur Berücksichtigung der in Artikel 17 Absatz 7 Unterabsatz 2 genannten Aspekte getroffen wurden.

    Die Verpflichtungen nach diesem Absatz gelten sowohl für in der [Union] erzeugte als auch für importierte Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe.

    (4)   …

    Die Kommission kann beschließen, dass freiwillige nationale oder internationale Systeme, in denen Normen für die Herstellung von Biomasseerzeugnissen vorgegeben werden, genaue Daten für die Zwecke des Artikels 17 Absatz 2 enthalten oder als Nachweis dafür herangezogen werden dürfen, dass Lieferungen von Biokraftstoff mit den in Artikel 17 Absätze 3 bis 5 aufgeführten Nachhaltigkeitskriterien übereinstimmen. Die Kommission kann beschließen, dass diese Systeme genaue Daten im Hinblick auf die Angaben zu Maßnahmen, die zur Erhaltung von Flächen, die in kritischen Situationen grundlegende Schutzfunktionen von Ökosystemen erfüllen (wie etwa Schutz von Wassereinzugsgebieten und Erosionsschutz), zum Schutz von Boden, Wasser und Luft, zur Sanierung von degradierten Flächen und zur Vermeidung eines übermäßigen Wasserverbrauchs in Gebieten mit Wasserknappheit getroffen wurden, und im Hinblick auf die in Artikel 17 Absatz 7 Unterabsatz 2 erwähnten Aspekte enthalten. …

    (5)   Die Kommission kann nur dann Beschlüsse im Sinne von Absatz 4 fassen, wenn die betreffende Übereinkunft oder das betreffende System angemessenen Standards der Zuverlässigkeit, Transparenz und unabhängiger Audits entspricht. Bei Systemen, mit denen die Treibhausgasemissionseinsparung gemessen wird, müssen zudem die methodischen Anforderungen des Anhangs V eingehalten werden. …

    (7)   Wenn ein Wirtschaftsteilnehmer Nachweise oder Daten vorlegt, die gemäß einer Übereinkunft oder einem System eingeholt wurden, die bzw. das Gegenstand eines Beschlusses im Sinne von Absatz 4 ist, darf ein Mitgliedstaat, soweit dieser Beschluss dies vorsieht, von dem Lieferanten keine weiteren Nachweise für die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien gemäß Artikel 17 Absätze 2 bis 5 oder Angaben zu den in Absatz 3 Unterabsatz 2 genannten Maßnahmen verlangen.

    …“

    Durchführungsbeschluss 2011/438

    9

    Der Durchführungsbeschluss 2011/438 galt nach seinem Art. 2 für einen Zeitraum von fünf Jahren nach seinem Inkrafttreten, d. h. bis zum 9. August 2016. Gleichwohl ist er in Anbetracht des für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeitraums zu beachten.

    10

    In den Erwägungsgründen 4 und 6 bis 8 dieses Durchführungsbeschlusses heißt es:

    „(4)

    Die Kommission kann beschließen, dass eine freiwillige nationale oder internationale Regelung als Nachweis dafür herangezogen werden darf, dass Lieferungen von Biokraftstoff mit den in Artikel 17 Absätze 3 bis 5 der Richtlinie [2009/28] aufgeführten Nachhaltigkeitskriterien übereinstimmen, oder dass eine freiwillige nationale oder internationale Regelung, mit der die Treibhausgasemissionseinsparung gemessen wird, für präzise Daten für die Zwecke des Artikels 17 Absatz 2 der genannten Richtlinie herangezogen werden darf.

    (6)

    Wenn ein Wirtschaftsteilnehmer Nachweise oder Daten vorlegt, die gemäß einer von der Kommission anerkannten Regelung eingeholt wurden, darf ein Mitgliedstaat, soweit es den Gegenstandsbereich dieses Anerkennungsbeschlusses betrifft, von dem Lieferanten keine weiteren Nachweise für die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien verlangen.

    (7)

    Für das Zertifizierungssystem ‚International Sustainability and Carbon Certification‘ (im Folgenden ‚ISCC‘) wurde am 18. März 2011 bei der Kommission ein Antrag auf Anerkennung gestellt. Die Regelung hat einen globalen Anwendungsbereich und kann eine breite Palette unterschiedlicher Biokraftstoffe umfassen. Die anerkannte Regelung wird auf der gemäß der Richtlinie [2009/28] eingerichteten Transparenzplattform bekannt gemacht. Die Kommission berücksichtigt dabei Erwägungen hinsichtlich der Vertraulichkeit von Geschäftsdaten und kann beschließen, die Regelung nur in Teilen zu veröffentlichen.

    (8)

    Die Prüfung der ISCC‑Regelung hat ergeben, dass sie die Nachhaltigkeitskriterien der Richtlinie [2009/28] angemessen erfasst und ein Massenbilanzsystem anwendet, das den Anforderungen des Artikels 18 Absatz 1 der genannten Richtlinie entspricht.“

    11

    Art. 1 des Durchführungsbeschlusses sieht vor:

    „Mit der freiwilligen [ISCC‑]Regelung …, für die am 18. März 2011 bei der Kommission ein Antrag auf Anerkennung gestellt wurde, lässt sich nachweisen, dass Lieferungen von Biokraftstoff mit den in Artikel 17 Absatz 3 Buchstaben a, b und c sowie Absätze 4 und 5 der Richtlinie [2009/28] … aufgeführten Nachhaltigkeitskriterien übereinstimmen. Die Regelung enthält zudem präzise Daten, die für die Zwecke des Artikels 17 Absatz 2 der Richtlinie [2009/28] und Artikel 7b Absatz 2 der Richtlinie 98/70/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Oktober 1998 über die Qualität von Otto- und Dieselkraftstoffen und zur Änderung der Richtlinie 93/12/EWG des Rates (ABl. 1998, L 350, S. 58)] herangezogen werden können.

    Darüber hinaus kann die Regelung herangezogen werden, um die Einhaltung des Artikels 18 Absatz 1 der Richtlinie [2009/28] und des Artikels 7c Absatz 1 der Richtlinie [98/70] nachzuweisen.“

    Italienisches Recht

    12

    Art. 2 Abs. 2 Buchst. i und p sowie Abs. 3 des Decreto interministeriale che istituisce il „Sistema di certificazione nazionale della sostenibilità dei biocarburanti e dei bioliquidi“ (Ministerialdekret über das „Nationale System zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen“) vom 23. Januar 2012 (GURI Nr. 31 vom 7. Februar 2012, im Folgenden: Ministerialdekret vom 23. Januar 2012) enthält folgende Definitionen:

    „2.   …

    i)

    Nachhaltigkeitszertifikat: Erklärung des letzten Unternehmens der Lieferkette als Eigenbescheinigung … mit späteren Änderungen, die die Informationen enthält, anhand deren sichergestellt werden kann, dass die gelieferten Biokraftstoffe und flüssigen Biobrennstoffe nachhaltig sind;

    p)

    Lieferkette oder Gewahrsamskette: Methode, anhand deren eine Verknüpfung zwischen den Informationen oder Erklärungen betreffend die Rohstoffe oder die Zwischenerzeugnisse und den Erklärungen betreffend die Endprodukte hergestellt werden kann. Diese Methode erfasst alle Schritte von der Erzeugung der Rohstoffe bis zur Lieferung der zum Verbrauch bestimmten Biokraftstoffe oder flüssigen Biobrennstoffe;

    3.   Der Begriff des Wirtschaftsteilnehmers … umfasst:

    a)

    jede in der [Union] oder in einem Drittland ansässige natürliche oder juristische Person, die gegen Entgelt oder unentgeltlich Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe, die für den [Binnen]markt bestimmt sind, anbietet oder Dritten zur Verfügung stellt, und jede in der … Union ansässige natürliche oder juristische Person, die Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe herstellt und anschließend für eigene Rechnung im Inland verwendet, sowie

    b)

    jede in der … Union oder in einem Drittland ansässige natürliche oder juristische Person, die gegen Entgelt oder unentgeltlich Rohstoffe, Zwischenerzeugnisse, Abfälle, Nebenprodukte oder ein Gemisch derselben für die Herstellung von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen, die für den [Binnen]markt bestimmt sind, anbietet oder Dritten zur Verfügung stellt“.

    13

    Art. 8 dieses Ministerialdekrets trägt der Stellung der Wirtschaftsteilnehmer Rechnung, die nicht am nationalen Zertifizierungssystem teilnehmen, und sieht vor:

    „1.   Beschränkt auf die Aspekte, die von einem freiwilligen System, das Gegenstand eines Beschlusses im Sinne von Art. 7c Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie [98/70] … ist, abgedeckt sind, belegen die Wirtschaftsteilnehmer, die an solchen freiwilligen Systemen teilnehmen, die Zuverlässigkeit der Informationen oder Erklärungen, die dem in der Lieferkette nachfolgenden Wirtschaftsteilnehmer oder dem Lieferanten oder dem Nutzer übermittelt werden, dadurch, dass sie den Nachweis oder die Daten, die die Lieferung begleiten und die von den genannten Systemen vorgesehen sind, ausstellen bzw. angeben. Diese Nachweise oder Daten werden im Wege der Eigenbescheinigung erbracht bzw. angegeben …

    (4)   Soweit die freiwilligen Systeme nach Abs. 1 und die Übereinkünfte nach Abs. 2 nicht die Überprüfung aller Nachhaltigkeitskriterien und der Anwendung der Massenbilanz erfassen, sind die Wirtschaftsteilnehmer der Lieferkette, die an ihnen teilnehmen, jedenfalls verpflichtet, die Überprüfung, soweit sie nicht von den genannten freiwilligen Systemen oder Übereinkünften erfasst ist, durch das nationale Zertifizierungssystem zu ergänzen.

    …“

    14

    In Art. 12 des Ministerialdekrets vom 23. Januar 2012 heißt es:

    „1.   Für die Zwecke des vorliegenden Dekrets können die Wirtschaftsteilnehmer, die Teil der Lieferkette von flüssigen Biobrennstoffen sind, in Abweichung von Art. 8 Abs. 1 an freiwilligen Systemen, die Gegenstand eines auf Biokraftstoffe anwendbaren Beschlusses nach Art. 7c Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie [98/70] sind, teilnehmen, sofern sie die Bedingungen des Abs. 2 erfüllen.

    2.   Die in Abs. 1 genannten Wirtschaftsteilnehmer, die Teil der Lieferkette von flüssigen Biobrennstoffen sind, sind verpflichtet, in der Erklärung oder Zertifizierung, die die Lieferung entlang der gesamten Lieferkette begleitet, die Angaben nach Art. 7 Abs. 5, 6, 7 und 8 zu machen, mit folgenden Ausnahmen …“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

    15

    L.E.G.O. ist eine Gesellschaft italienischen Rechts, die im Besitz einer Druckerei ist. In dieser Druckerei errichtete sie ein Wärmekraftwerk mit einer durchschnittlichen jährlichen Nennleistung von 0,840 Megawatt, das mit nicht raffiniertem Palmöl, einem flüssigen Biobrennstoff, betrieben wird.

    16

    Am 20. Mai 2011 wurde das Kraftwerk von GSE – einem staatlichen Unternehmen italienischen Rechts, das mit der Auszahlung von Beihilfen für die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Energiequellen beauftragt ist – als aus erneuerbaren Energiequellen versorgte Anlage anerkannt. Dies gewährte L.E.G.O. für den Zeitraum 2012 bis 2014 Zugang zur Anreizregelung der grünen Zertifikate im Umfang von 14698 Zertifikaten im Gegenwert von 1610421,58 Euro.

    17

    Mit Entscheidung vom 29. September 2014 stellte GSE auf der Grundlage der von L.E.G.O. eingereichten Unterlagen fest, dass diese die Förderkriterien nach der Beihilferegelung nicht erfülle und forderte sämtliche für den Zeitraum 2012 bis 2014 gewährten Beträge zurück.

    18

    GSE stützte ihre Entscheidung insbesondere auf die angebliche Nichtvorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten durch die Gesellschaft, die das Wärmekraftwerk errichtet hat, d. h. die Movendi Srl. Diese Gesellschaft agiert auch als Zwischenhändler für den Einkauf des für den Betrieb des Kraftwerks verwendeten flüssigen Biobrennstoffs bei der ED & F Man Liquid Products Italia Srl und der Unigrà Srl. Obwohl dieses Erzeugnis unmittelbar an L.E.G.O. verkauft und geliefert wird, ist Movendi nach Ansicht von GSE als „Wirtschaftsteilnehmer“ im Sinne des Ministerialdekrets vom 23. Januar 2012 anzusehen und somit zur Vorlage der Nachhaltigkeitszertifikate verpflichtet, auch wenn diese bereits von ED & F Man Liquid Products Italia und Unigrà eingereicht worden seien. Zudem seien die von diesen beiden Lieferanten ausgestellten Nachhaltigkeitszertifikate mit einem Datum versehen, das nach dem tatsächlichen Zeitpunkt des Transports liege, obwohl sie nach Ansicht von GSE begleitend zu jeder Lieferung flüssiger Biobrennstoffe hätten ausgestellt werden müssen.

    19

    L.E.G.O. erhob gegen diese Entscheidung Klage beim Tribunale regionale amministrativo per il Lazio (regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien), das mit Urteil vom 29. Januar 2016 entschieden hat, dass Movendi von GSE zutreffend als Wirtschaftsteilnehmer im Sinne der italienischen Rechtsvorschriften eingestuft worden sei, weshalb sie selbst verpflichtet sei, die Nachhaltigkeitszertifikate für den in Rede stehenden flüssigen Biobrennstoff einzureichen.

    20

    Dieses Gericht hat insoweit ausgeführt, dass zwar aus der Richtlinie 2009/28 nicht klar hervorgehe, wer als Wirtschaftsteilnehmer angesehen werden könne, diese Richtlinie den Mitgliedstaaten aber gestatte, festzulegen, welche Informationen erforderlich seien und welche Personen für die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien verantwortlich seien. Daher sei jede Person als „Wirtschaftsteilnehmer“ anzusehen, der an der Lieferkette beteiligt sei, einschließlich der Zwischenhändler wie Movendi, die den betreffenden flüssigen Biobrennstoff nicht physisch in Besitz nähmen.

    21

    Am 13. Mai 2016 legte L.E.G.O. gegen dieses Urteil beim vorlegenden Gericht, dem Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien), ein Rechtsmittel ein.

    22

    Nach Ansicht dieses Gerichts ist es zwingend erforderlich, die Tragweite des Unionsrechts zu klären, um feststellen zu können, ob es der nationalen Regelung – insbesondere den Art. 8 und 12 des Ministerialdekrets vom 23. Januar 2012, wonach die Wirtschaftsteilnehmer, die sich an einem freiwilligen Zertifizierungssystem beteiligen, verpflichtet sind, gegebenenfalls die nach diesem System erfolgende Kontrolle mittels des nationalen Zertifizierungssystems zu ergänzen und in die Erklärung oder die Zertifikate, die die Lieferungen auf der gesamten Lieferkette begleiten, die Informationen nach Art. 17 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2009/28 aufzunehmen – entgegensteht.

    23

    Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass L.E.G.O. im Rahmen ihres Rechtsmittels geltend mache, dass die Versorgungsunternehmen ED & F Man Liquid Products Italia und Unigrà dem nach dem Durchführungsbeschluss 2011/438 anerkannten freiwilligen ISCC‑Kontrollsystem beigetreten seien und das nationale System somit keine über das genannte freiwillige System hinausgehenden Pflichten wie die Pflicht für Zwischenhändler zur Vorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten vorsehen dürfe.

    24

    Das vorlegende Gericht führt daher aus, dass sein Vorabentscheidungsersuchen zum einen die Möglichkeit betreffe, den Wirtschaftsteilnehmern, die an freiwilligen Systemen teilnähmen, die Gegenstand eines Beschlusses der Kommission seien, weitere Überprüfungen aufzuerlegen, die das nationale Zertifizierungssystem vorschreibe, und zum anderen die Möglichkeit, den Wirtschaftsteilnehmern, die Teil der Lieferkette seien, die Verpflichtung aufzuerlegen, die begleitenden Erklärungen oder Zertifikate mit den vorgeschriebenen Informationen zu ergänzen. Insoweit weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass, da das Ziel der nationalen Regelung darin bestehe, die Nachverfolgbarkeit des Erzeugnisses und seiner Nachhaltigkeit entlang der gesamten Lieferkette zu gewährleisten, Zwischenhändler wie Movendi von dieser Pflicht nicht ausgenommen werden könnten.

    25

    Vor diesem Hintergrund hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Zu den Vorlagefragen

    Zur ersten Frage

    26

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 18 Abs. 7 der Richtlinie 2009/28 in Verbindung mit dem Durchführungsbeschluss 2011/438 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, durch die den Wirtschaftsteilnehmern spezielle Voraussetzungen auferlegt werden, die von den Voraussetzungen, die nach einem freiwilligen System zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit wie dem ISCC‑System vorgesehen sind, das nach dem genannten, gemäß Art. 18 Abs. 4 der genannten Richtlinie von der Kommission erlassenen Durchführungsbeschluss anerkannt ist, abweichen und über diese Voraussetzungen hinausgehen.

    27

    Einleitend ist festzustellen, dass Art. 17 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2009/28 Nachhaltigkeitskriterien festlegt, die zu beachten sind, damit Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe als erneuerbare Energiequellen berücksichtigt werden können.

    28

    Der Unionsgesetzgeber wollte – wie aus Art. 17 der Richtlinie 2009/28 in Verbindung mit ihren Erwägungsgründen 65 und 67 hervorgeht –, gestützt u. a. auf Art. 114 AEUV, die Nachhaltigkeitskriterien harmonisieren, die Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe zwingend erfüllen müssen, damit die aus ihnen erzeugte Energie in jedem Mitgliedstaat für die in Art. 17 Abs. 1 Buchst. a, b und c der Richtlinie genannten Zwecke berücksichtigt werden kann. Bei diesen Zwecken handelt es sich um die Überprüfung, inwieweit die Mitgliedstaaten zum einen ihre in Art. 3 der Richtlinie 2009/28 genannten nationalen Ziele und zum anderen ihre Verpflichtungen zur Nutzung erneuerbarer Energie einhalten, sowie um die Möglichkeit der finanziellen Förderung für den Verbrauch von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2017, E.ON Biofor Sverige, C‑549/15, EU:C:2017:490, Rn. 28).

    29

    Die Harmonisierung der genannten Nachhaltigkeitskriterien ist abschließend, denn Art. 17 Abs. 8 der Richtlinie 2009/28 stellt klar, dass die Mitgliedstaaten Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe, die die in diesem Artikel genannten Nachhaltigkeitskriterien erfüllen, für diese drei Zwecke nicht aus sonstigen Nachhaltigkeitsgründen außer Acht lassen dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2017, E.ON Biofor Sverige, C‑549/15, EU:C:2017:490, Rn. 32).

    30

    Hinsichtlich der Überprüfung der Einhaltung der Kriterien für die Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen und flüssigen Biobrennstoffen ergibt sich aus Art. 18 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2009/28, dass die Mitgliedstaaten, wenn Biokraftstoffe und flüssige Biobrennstoffe für die in Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie genannten drei Zwecke berücksichtigt werden, die Wirtschaftsteilnehmer verpflichten, nachzuweisen, dass die in Art. 17 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie festgelegten Nachhaltigkeitskriterien erfüllt sind.

    31

    Zu diesem Zweck haben die Mitgliedstaaten u. a., wie aus Art. 18 Abs. 1 Satz 2 der Richtlinie 2009/28 hervorgeht, die Wirtschaftsteilnehmer zur Verwendung eines Massenbilanzsystems zu verpflichten, das, wie in den Buchst. a, b und c der Vorschrift angegeben, es erstens erlaubt, Lieferungen von Rohstoffen oder Biokraftstoffen mit unterschiedlichen Nachhaltigkeitseigenschaften zu mischen, zweitens vorschreibt, dass Angaben über die Nachhaltigkeitseigenschaften und den jeweiligen Umfang der genannten Lieferungen weiterhin dem Gemisch zugeordnet sind, und drittens vorsieht, dass die Summe sämtlicher Lieferungen, die dem Gemisch entnommen werden, dieselben Nachhaltigkeitseigenschaften in denselben Mengen hat wie die Summe sämtlicher Lieferungen, die dem Gemisch zugefügt werden.

    32

    In diesem Zusammenhang kann das Massenbilanzsystem insbesondere, wie der Generalanwalt in Nr. 42 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, durch ein von der zuständigen Behörde des jeweiligen Mitgliedstaats gemäß Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 vorgesehenes nationales System oder durch von der Kommission anerkannte freiwillige nationale oder internationale Systeme wie das ISCC‑System gemäß Art. 18 Abs. 4 und 5 dieser Richtlinie durchgeführt werden.

    33

    Insoweit ergibt sich aus Art. 18 Abs. 7 der Richtlinie 2009/28, dass, wenn ein Wirtschaftsteilnehmer Nachweise oder Daten vorlegt, die gemäß einer Übereinkunft oder einem System, die bzw. das Gegenstand eines von der Kommission nach Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie 2009/28 erlassenen Beschlusses ist, nach Maßgabe dieses Beschlusses eingeholt wurden, ein Mitgliedstaat von dem Lieferanten keine weiteren Nachweise für die Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien gemäß Art. 17 Abs. 2 bis 5 dieser Richtlinie verlangen darf.

    34

    Hingegen steht es den Mitgliedstaaten, wenn die Kommission keinen Beschluss bezüglich eines bestimmten Zertifizierungssystems erlassen hat oder wenn in einem solchen Beschluss klargestellt wird, dass dieses System nicht alle in Art. 17 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2009/28 festgelegten Nachhaltigkeitskriterien erfasst, weiterhin frei, die Wirtschaftsteilnehmer insoweit zur Beachtung der nationalen Regelung zu verpflichten, die die Überprüfung der Beachtung dieser Kriterien gewährleisten soll.

    35

    Daher ist zur Beantwortung der ersten Frage der Anwendungsbereich des von der Kommission auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie 2009/28 erlassenen Durchführungsbeschlusses 2011/438 zu bestimmen, was das im Ausgangsverfahren in Rede stehende Zertifizierungssystem anbelangt.

    36

    Hierzu ist festzustellen, dass die Anerkennung des ISCC‑Systems für einen Zeitraum von fünf Jahren durch den Durchführungsbeschluss 2011/438, wie aus dessen Art. 1 Abs. 1 hervorgeht, nur zum Nachweis der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen, nicht aber von flüssigen Biobrennstoffen gilt. Daraus folgt, dass der Durchführungsbeschluss 2011/438 insoweit, als das ISCC‑System, das seinen Gegenstand bildet, die Massenbilanzmethode zum Nachweis der Nachhaltigkeit von Biokraftstoffen verwendet, die den Mitgliedstaaten nach Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2009/28 zustehende Befugnis zur Festlegung der Modalitäten der Überprüfung der Einhaltung der in Art. 17 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2009/28 festgelegten Nachhaltigkeitskriterien, was flüssige Biobrennstoffe anbelangt, offenkundig nicht beschränken kann.

    37

    Art. 18 Abs. 4 der Richtlinie 2009/28, der es der Kommission erlaubt, zu beschließen, dass ein freiwilliges nationales oder internationales System zum Nachweis der Einhaltung der in Art. 17 Abs. 2 bis 5 dieser Richtlinie festgelegten Nachhaltigkeitskriterien dient, war nämlich bis zum Erlass der Richtlinie (EU) 2015/1513 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 zur Änderung der Richtlinie 98/70 und zur Änderung der Richtlinie 2009/28 (ABl. 2015, L 239, S. 1), die am 15. Oktober 2015 in Kraft trat und mit der die Möglichkeit geschaffen wurde, die Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen durch freiwillige System zu zertifizieren, nur auf Biokraftstoffe anwendbar.

    38

    Insoweit ist klarzustellen, dass es sich bei flüssigen Biobrennstoffen und bei Biokraftstoffen, wie aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. h und i der Richtlinie 2009/28 hervorgeht, insoweit um zwei verschiedene Begriffe handelt, als Letztere nur flüssige oder gasförmige Kraftstoffe für den Verkehr umfassen, während Erstere flüssige Brennstoffe bezeichnen, die für den Einsatz zu energetischen Zwecken, mit Ausnahme des Transports, bestimmt sind.

    39

    Im vorliegenden Fall nahm L.E.G.O. die Anreizregelung der grünen Zertifikate für den Zeitraum von 2012 bis 2014 für ein mit erneuerbaren Energiequellen unter Verwendung eines flüssigen Biobrennstoffs, nämlich Palmöl, betriebenes Wärmekraftwerk in Anspruch. Mit Entscheidung vom 29. September 2014 verlangte die zuständige Behörde u. a. wegen Nichteinhaltung der Verpflichtungen zum Nachweis der Nachhaltigkeit der flüssigen Biobrennstoffe nach dem nationalen Zertifizierungssystem die Rückzahlung der insoweit gewährten Beträge.

    40

    Unter diesen Umständen fallen in Anbetracht dessen, dass das ISCC‑System mit dem Durchführungsbeschluss 2011/438 nur für Biokraftstoffe anerkannt wurde, die zusätzlichen Voraussetzungen, die die italienische Regelung hinsichtlich der Überprüfung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen vorschreibt, nicht unter das Verbot nach Art. 18 Abs. 7 der Richtlinie 2009/28.

    41

    Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 18 Abs. 7 der Richtlinie 2009/28 in Verbindung mit dem Durchführungsbeschluss 2011/438 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht, durch die den Wirtschaftsteilnehmern spezielle Voraussetzungen für die Zertifizierung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen vorgeschrieben werden, die von den Voraussetzungen, die nach einem freiwilligen System zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit wie dem ISCC‑System vorgesehen sind, das nach dem genannten, gemäß Art. 18 Abs. 4 der genannten Richtlinie von der Kommission erlassenen Durchführungsbeschluss anerkannt ist, abweichen und über diese Voraussetzungen hinausgehen, da dieses System nur für Biokraftstoffe anerkannt wurde und die genannten Voraussetzungen nur flüssige Biobrennstoffe betreffen.

    Zur zweiten Frage

    42

    Mit seiner zweiten Frage, die für den Fall gestellt worden ist, dass die erste Frage verneint wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob das Unionsrecht, insbesondere Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2009/28, dahin auszulegen ist, dass es dem entgegensteht, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ein nationales System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen vorschreibt, das vorsieht, dass alle Wirtschaftsteilnehmer, die in die Lieferkette der betreffenden Ware eingebunden sind, selbst wenn es sich um Zwischenhändler handelt, die die Lieferungen von flüssigen Biobrennstoffen nicht physisch in Besitz nehmen, bestimmten, sich aus diesem System ergebenden Zertifizierungs-, Mitteilungs- und Informationspflichten unterliegen.

    43

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hindert der Umstand, dass ein nationales Gericht sein Vorabentscheidungsersuchen seiner Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht unabhängig davon, worauf es in seinen Fragen Bezug genommen hat, alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 22. Juni 2017, E.ON Biofor Sverige, C‑549/15, EU:C:2017:490, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    44

    Im vorliegenden Fall ist – obwohl das vorlegende Gericht den Gerichtshof nicht formal zur Auslegung der den freien Warenverkehr betreffenden Vorschriften des Vertrags befragt hat –, wie der Generalanwalt in Nr. 87 seiner Schlussanträge empfohlen hat, auch zu prüfen, ob Art. 34 AEUV einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht.

    Zur Auslegung der Richtlinie 2009/28

    45

    Erstens ist festzustellen, dass die Richtlinie 2009/28 den Begriff „Wirtschaftsteilnehmer“ verwendet, ohne ihn jedoch zu definieren. Der Gerichtshof hat in Anbetracht der allgemeinen Formulierung der in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis c dieser Richtlinie genannten Kriterien bereits für Recht erkannt, dass mit dieser Vorschrift die mit dem Massenbilanzsystem zusammenhängende Überprüfungsmethode nicht vollständig harmonisiert worden ist. Die Mitgliedstaaten behalten somit vorbehaltlich dessen, dass sie die in Art. 18 Abs. 1 Buchst. a bis c der Richtlinie genannten allgemeinen Anforderungen einzuhalten haben, einen bedeutenden Gestaltungsspielraum, wenn sie die konkreten Bedingungen, unter denen die Wirtschaftsteilnehmer ein solches System verwenden sollen, genauer bestimmen sollen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2017, E.ON Biofor Sverige, C‑549/15, EU:C:2017:490, Rn. 40 und 77).

    46

    Zweitens stützt sich die Massenbilanzmethode nach Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2009/28, wie aus dem 76. Erwägungsgrund dieser Richtlinie hervorgeht, auf eine konkrete Verbindung zwischen der Herstellung und dem Verbrauch von flüssigen Biobrennstoffen in der Union zum Zweck der Überprüfung der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien und soll gleichzeitig vermeiden, dass der Industrie ein unvertretbarer Aufwand abverlangt wird.

    47

    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Wortlaut von Art. 12 Abs. 2 des Ministerialdekrets vom 23. Januar 2012 im Licht von Art. 2 Abs. 1 Buchst. i septies des Gesetzesdekrets Nr. 66/2005 und Art. 2 Abs. 3 Buchst. a des genannten Ministerialdekrets betrachtet, dass diese Regelung allen Wirtschaftsteilnehmern, die in die Lieferkette der flüssigen Biobrennstoffe eingebunden sind, einschließlich der Zwischenhändler, die die genannte Ware nicht physisch in Besitz nehmen, die Pflicht auferlegt, in der Erklärung oder Zertifizierung, die die Lieferungen flüssiger Biobrennstoffe begleitet, die Informationen anzugeben, die den Nachweis von deren Nachhaltigkeit ermöglichen.

    48

    Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Umstand, dass die Zwischenhändler als Wirtschaftsteilnehmer eingestuft werden, gemäß den Anforderungen von Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 die Rückverfolgbarkeit der Lieferungen flüssiger Biobrennstoffe entlang der gesamten Lieferkette gewährleisten soll, wodurch eine bessere Kontrolle der Herstellung und Vermarktung dieser Waren zur Verringerung des Betrugsrisikos ermöglicht wird.

    49

    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 18 Abs. 3 der Richtlinie 2009/28 Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Wirtschaftsteilnehmer verlässliche Informationen vorlegen und dem betreffenden Mitgliedstaat auf Anfrage die Daten zur Verfügung stellen, die zur Zusammenstellung der Informationen zu den Nachhaltigkeitseigenschaften des betreffenden Erzeugnisses verwendet wurden. Die Mitgliedstaaten verpflichten die Wirtschaftsteilnehmer auch, für ein angemessenes unabhängiges Audit der von ihnen vorgelegten Informationen zu sorgen und nachzuweisen, dass ein solches Audit – das sich auf die Frage erstreckt, ob die von den Wirtschaftsteilnehmern verwendeten Systeme genau, verlässlich und vor Betrug geschützt sind – erfolgt ist.

    50

    Da der Begriff „Wirtschaftsteilnehmer“ durch die Richtlinie 2009/28 nicht definiert wird, ist in Anbetracht des derzeitigen Standes der Harmonisierung durch den Unionsgesetzgeber, was die Modalitäten der mit dem Massenbilanzsystem zusammenhängende Überprüfungsmethode anbelangt, davon auszugehen, dass die Mitgliedstaaten über einen Wertungsspielraum verfügen, um unter Beachtung des Unionsrechts festzulegen, welche Wirtschaftsteilnehmer zum Nachweis der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien nach Art. 17 Abs. 2 bis 5 der genannten Richtlinie verpflichtet sind.

    51

    Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2009/28 dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ein nationales System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen vorschreibt, das vorsieht, dass alle Wirtschaftsteilnehmer, die in die Lieferkette der Ware eingebunden sind, selbst wenn es sich um Zwischenhändler handelt, die die Lieferungen von flüssigen Biobrennstoffen nicht physisch in Besitz nehmen, bestimmten, sich aus diesem System ergebenden Zertifizierungs-, Mitteilungs- und Informationspflichten unterliegen.

    Zur Auslegung von Art. 34 AEUV

    52

    Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf Unionsebene abschließend harmonisiert wurde, anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht des Primärrechts zu beurteilen ist (Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 57).

    53

    Der Unionsgesetzgeber wollte keineswegs eine abschließende Harmonisierung der nationalen Regelungen zur Förderung der Erzeugung grüner Energie vornehmen, sondern ging, wie u. a. aus dem 25. Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/28 hervorgeht, zum einen davon aus, dass die Mitgliedstaaten verschiedene Förderregelungen anwenden, und zum anderen von dem Grundsatz, dass das ungestörte Funktionieren dieser Förderregelungen zu gewährleisten ist, damit das Vertrauen der Investoren erhalten bleibt und die Mitgliedstaaten wirksame nationale Maßnahmen im Hinblick auf die Erfüllung der verbindlichen nationalen Gesamtziele, die ihnen die Richtlinie vorschreibt, konzipieren können (Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 59).

    54

    Des Weiteren ist – wie aus Rn. 45 des vorliegenden Urteils hervorgeht – durch Art. 18 der Richtlinie 2009/28, was die mit dem Massenbilanzsystem zusammenhängende Überprüfungsmethode anbelangt, keine abschließende Harmonisierung erfolgt, so dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Vorschrift weiterhin über einen bedeutenden Gestaltungsspielraum verfügen. Allerdings haben sie dabei Art. 34 AEUV zu beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2017, E.ON Biofor Sverige, C‑549/15, EU:C:2017:490, Rn. 78).

    55

    Somit sind die den freien Warenverkehr betreffenden Vorschriften des Vertrags auszulegen, um zu bestimmen, ob Art. 34 AEUV einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, die vorsieht, dass alle Wirtschaftsteilnehmer, die in die Lieferkette der Ware eingebunden sind, selbst wenn es sich um Zwischenhändler handelt, die die flüssigen Biobrennstoffe nicht physisch in Besitz nehmen, bestimmten, sich aus einem nationalen System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit ergebenden Zertifizierungs-, Mitteilungs- und Informationspflichten unterliegen.

    56

    Wie sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten und den von ED & F Man Liquid Products Italia in der mündlichen Verhandlung gemachten Angaben ergibt, wird der im Ausgangsverfahren in Rede stehende flüssige Biobrennstoff, das Palmöl, in Indonesien hergestellt, in die Union eingeführt, in Frankreich in den freien Verkehr überführt und gelagert sowie anschließend zum Verkauf an L.E.G.O. nach Italien befördert.

    57

    Nach Art. 28 Abs. 2 AEUV gilt das in den Art. 34 bis 37 AEUV enthaltene Verbot mengenmäßiger Beschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten sowohl für Waren, die aus den Mitgliedstaaten stammen, als auch für Waren aus dritten Ländern, die sich in den Mitgliedstaaten im freien Verkehr befinden.

    58

    Nach ständiger Rechtsprechung ist Art. 34 AEUV, der Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen zwischen den Mitgliedstaaten verbietet, auf alle nationalen Maßnahmen anwendbar, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 66 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    59

    Als Maßnahmen mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen im Sinne von Art. 34 AEUV sind Hemmnisse für den freien Warenverkehr anzusehen, die sich in Ermangelung einer Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften daraus ergeben, dass von einem Mitgliedstaat auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten, die dort rechtmäßig in den Verkehr gebracht worden sind, Vorschriften über die Voraussetzungen, denen diese Waren entsprechen müssen, angewandt werden, auch wenn diese Vorschriften unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. September 2016, Kommission/Tschechische Republik, C‑525/14, EU:C:2016:714, Rn. 35).

    60

    Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die Verpflichtung zur Vorlage von Nachhaltigkeitszertifikaten, die die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung den Zwischenhändlern auferlegt, die die flüssigen Biobrennstoffe, die den Gegenstand der Transaktion bilden, an der sie beteiligt sind, nicht physisch in Besitz nehmen, die Einfuhr solcher Waren aus anderen Mitgliedstaaten zumindest mittelbar und potenziell behindern kann.

    61

    Diese Verpflichtung führt nämlich dazu, dass die Einfuhr von flüssigen Biobrennstoffen erschwert wird, da einfache Zwischenhändler, die der Zertifizierungspflicht nach Art. 18 der Richtlinie 2009/28 nicht unterliegen, diese Zertifizierung gleichwohl vorweisen müssen, wenn sie flüssige Biobrennstoffe nach Italien einführen, und damit administrativen Pflichten unterworfen sind und die damit verbundenen Kosten zu tragen haben.

    62

    Folglich stellt eine solche nationale Regelung eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen dar, die grundsätzlich mit Art. 34 AEUV unvereinbar ist, sofern sie nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 75).

    Zur etwaigen Rechtfertigung

    63

    Eine nationale Regelung oder Praxis, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt, kann durch einen der in Art. 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein. Im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss in beiden Fällen die nationale Maßnahme geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zu seiner Erreichung erforderlich ist (Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 76).

    64

    Insoweit können nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs nationale Maßnahmen, die geeignet sind, den Handel innerhalb der Union zu behindern, u. a. durch zwingende Erfordernisse des Umweltschutzes gerechtfertigt sein. Die Nutzung erneuerbarer Energiequellen zur Stromerzeugung, die durch eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gefördert werden soll, dient aber dem Umweltschutz, da sie zur Verringerung der Emissionen von Treibhausgasen beiträgt, die zu den Hauptursachen der Klimaänderungen zählen, zu deren Bekämpfung sich die Union und ihre Mitgliedstaaten verpflichtet haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. März 2001, PreussenElektra, C‑379/98, EU:C:2001:160, Rn. 73, vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 77, 78 und 82, sowie vom 22. Juni 2017, E.ON Biofor Sverige, C‑549/15, EU:C:2017:490, Rn. 85 bis 88).

    65

    Eine solche nationale Regelung trägt daher, indem sie die Nutzung erneuerbarer Energiequellen begünstigt, auch zum Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren und Pflanzen bei, der in Art. 36 AEUV unter den Gründen des Allgemeininteresses aufgeführt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2017, E.ON Biofor Sverige, C‑549/15, EU:C:2017:490, Rn. 89).

    66

    Darüber hinaus trägt eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, wie der Generalanwalt in Nr. 97 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dadurch, dass sie alle an der Produktion und dem Vertrieb der nachhaltigen flüssigen Biobrennstoffe beteiligten Wirtschaftsteilnehmer, einschließlich der Zwischenhändler, verpflichtet, Nachhaltigkeitszertifikate einzureichen, dazu bei, der Betrugsgefahr bei der Lieferkette von flüssigen Biobrennstoffen vorzubeugen.

    67

    Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs können die Ziele des Umweltschutzes und der Betrugsbekämpfung aber nationale Maßnahmen rechtfertigen, die geeignet sind, den Handel innerhalb der Union zu behindern, sofern diese Maßnahmen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen (Urteil vom 6. Oktober 2011, Bonnarde, C‑443/10, EU:C:2011:641, Rn. 34).

    68

    Daher ist, wie sich aus Rn. 63 des vorliegenden Urteils ergibt, nachzuprüfen, ob eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende den Anforderungen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit entspricht, d. h., ob sie zur Erreichung des mit ihr verfolgten legitimen Ziels geeignet und erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juli 2014, Ålands Vindkraft, C‑573/12, EU:C:2014:2037, Rn. 83).

    69

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass eine nationale Vorschrift wie Art. 12 Abs. 2 des Ministerialdekrets vom 23. Januar 2012 die Rückverfolgbarkeit der Ware auf dem Herstellungs- und Transportweg sowie ihre Nachhaltigkeit gewährleistet, um eine mögliche Umwandlung oder Fälschung von Palmöl zu verhindern. Ein Zwischenhändler wie Movendi, der den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden flüssigen Biobrennstoff – unter Erwerb des rechtlichen Eigentums daran – einschließlich der gesamten zugehörigen Dokumentation einkauft, wäre nämlich in der Lage, vor dem Verkauf an den Endverbraucher die Eigenschaften dieses flüssigen Biobrennstoffs zu ändern, ihn Dritten zur Verfügung zu stellen und mit anderen Flüssigkeiten oder nicht zertifizierten flüssigen Biobrennstoffen zu mischen. Indem die genannte nationale Vorschrift alle Wirtschaftsteilnehmer in der Lieferkette der flüssigen Biobrennstoffe betrifft, trägt sie somit dazu bei, dem Betrugsrisiko bezüglich der Nachhaltigkeit dieser flüssigen Biobrennstoffe vorzubeugen. Folglich stellt sie eine geeignete Maßnahme dar, um das mit ihr verfolgte legitime Ziel zu erreichen.

    70

    Auf diese Weise kann die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Vorschrift auch zur Erreichung der in den Rn. 63 bis 66 des vorliegenden Urteils angeführten Ziele des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen beitragen.

    71

    Was die Erforderlichkeit einer solchen Regelung anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass ein Zwischenhändler wie Movendi im Ausgangsverfahren zwar keinen physischen Besitz an den flüssigen Biobrennstoffen erlangt, die Gegenstand der Transaktion sind, an der er beteiligt ist, er jedoch vorübergehend das rechtliche Eigentum daran und daher grundsätzlich die Möglichkeit hat, sie an einen anderen Ort zu verbringen, ihre Substanz zu verändern oder die zugehörigen Dokumente zu fälschen. Somit ist festzustellen, dass die Italienische Republik berechtigterweise davon ausgehen durfte, dass die genannte Maßnahme, indem sie diesen Gefahren vorbeugt, zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich war.

    72

    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass das Unionsrecht, insbesondere Art. 34 AEUV und Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2009/28, dahin auszulegen ist, dass es dem nicht entgegensteht, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ein nationales System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen vorschreibt, das vorsieht, dass alle Wirtschaftsteilnehmer, die in die Lieferkette der Ware eingebunden sind, selbst wenn es sich um Zwischenhändler handelt, die die flüssigen Biobrennstoffe nicht physisch in Besitz nehmen, bestimmten, sich aus diesem System ergebenden Zertifizierungs-, Mitteilungs- und Informationspflichten unterliegen.

    Kosten

    73

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 18 Abs. 7 der Richtlinie 2009/28/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2009 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinien 2001/77/EG und 2003/30/EG in Verbindung mit dem Durchführungsbeschluss 2011/438/EU der Kommission vom 19. Juli 2011 über die Anerkennung des Zertifizierungssystems „International Sustainability and Carbon Certification“ zum Nachweis der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien der Richtlinien 2009/28 und 2009/30/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegensteht, durch die den Wirtschaftsteilnehmern spezielle Voraussetzungen für die Zertifizierung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen vorgeschrieben werden, die von den Voraussetzungen, die nach einem freiwilligen System zur Zertifizierung der Nachhaltigkeit wie dem ISCC‑System vorgesehen sind, das nach dem genannten, gemäß Art. 18 Abs. 4 der genannten Richtlinie von der Europäischen Kommission erlassenen Durchführungsbeschluss anerkannt ist, abweichen und über diese Voraussetzungen hinausgehen, da dieses System nur für Biokraftstoffe anerkannt wurde und die genannten Voraussetzungen nur flüssige Biobrennstoffe betreffen.

     

    2.

    Das Unionsrecht, insbesondere Art. 34 AEUV und Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2009/28, ist dahin auszulegen, dass es dem nicht entgegensteht, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende ein nationales System zur Überprüfung der Nachhaltigkeit von flüssigen Biobrennstoffen vorschreibt, das vorsieht, dass alle Wirtschaftsteilnehmer, die in die Lieferkette der Ware eingebunden sind, selbst wenn es sich um Zwischenhändler handelt, die die Lieferungen von flüssigen Biobrennstoffen nicht physisch in Besitz nehmen, bestimmten, sich aus diesem System ergebenden Zertifizierungs-, Mitteilungs- und Informationspflichten unterliegen.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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