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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62017CC0054

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 31. Mai 2018.
    Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato gegen Wind Tre SpA und Vodafone Italia SpA.
    Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Verbraucherschutz – Richtlinie 2005/29/EG – Unlautere Geschäftspraktiken – Art. 3 Abs. 4 – Geltungsbereich – Art. 5, 8 und 9 – Aggressive Geschäftspraktiken -Anhang I Nr. 29 – Unter allen Umständen aggressive Geschäftspraktiken – Lieferung einer unbestellte Ware oder Dienstleistung – Richtlinie 2002/21/EG – Richtlinie 2002/22/EG – Telekommunikationsdienste – Verkauf von SIM-Karten (‚Subscriber Identity Module‘, Teilnehmer-Identifikationsmodul) mit bestimmten vorinstallierten und ‑aktivierten Diensten – Keine vorherige Aufklärung der Verbraucher.
    Verbundene Rechtssachen C-54/17 und C-55/17.

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2018:377

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

    vom 31. Mai 2018 ( 1 )

    Verbundene Rechtssachen C‑54/17 und C‑55/17

    Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

    gegen

    Wind Tre SpA, vormals Wind Telecomunicazioni SpA

    und

    Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato

    gegen

    Vodafone Italia SpA, vormals Vodafone Omnitel NV,

    Streithelfer:

    Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni,

    Altroconsumo,

    Vito Rizzo,

    Telecom Italia SpA

    (Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato [Staatsrat, Italien])

    „Vorlagefrage – Verbraucherschutz – Unlautere Geschäftspraktiken – Aggressive Geschäftspraktiken – Unbestellte Waren oder Dienstleistungen – Richtlinie 2005/29/EG – Art. 3 Abs. 4 – Anwendungsbereich – Telekommunikationsdienste – Richtlinie 2002/21/EG – Richtlinie 2002/22/EG – Voreinstellung von Diensten auf einer SIM-Karte, ohne den Verbraucher darüber zu informieren“

    1. 

    Das Unionsrecht verfügt über ein allgemeines System zum Schutz der Verbraucher vor unlauteren Geschäftspraktiken von Unternehmen, das in der Richtlinie 2005/29/EG niedergelegt ist ( 2 ), sowie andere sektorspezifische Rechtsakte, die die Interessen derselben Verbraucher in einzelnen Marktbereichen schützen.

    2. 

    Einer der sektorspezifischen Rechtsakte ist die Richtlinie 2002/22/EG ( 3 ), die die Rechte der Nutzer von Kommunikationsdienstleistungen schützt. Ihre Abstimmung mit dem allgemeinen Verbraucherschutzrahmen ( 4 ) ist nicht unproblematisch. Zur Lösung dieser Problematik sieht die Richtlinie 2005/29 vor, dass ihre Bestimmungen nicht anwendbar sind, wenn sie mit anderen Rechtsvorschriften der Union kollidieren, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln.

    3. 

    In den Rechtsstreitigkeiten, die zu den vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen geführt haben, ist zu entscheiden, welche Regelung die Vermarktung von Mobiltelefonen regelt, deren SIM-Karten ( 5 ) bestimmte Voreinstellungen bzw. voreingestellte Dienste enthalten, über die die Verbraucher beim Verkauf nicht informiert worden sind.

    4. 

    Das Ausgangsgericht fragt in diesem Zusammenhang zusammengefasst: a) ob es sich bei diesem Verhalten im Licht der Richtlinie 2005/29 um einen Fall von „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“ oder eine „aggressive Geschäftspraxis“ handelt, b) ob gemäß Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie die Voraussetzungen für eine vorrangige Anwendung anderer Rechtsvorschriften der Union gegeben sind, und c) ob Letzteren die nationalen Bestimmungen gleichgestellt werden können, die in dem Rahmen, den das Unionsrecht den Mitgliedstaaten anvertraut, erlassen worden sind.

    I. Rechtlicher Rahmen

    A. Unionsrecht

    1.   Richtlinie 2005/29

    5.

    In Art. 2 heißt es:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    d)

    ‚Geschäftspraktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern‘ (nachstehend auch ‚Geschäftspraktiken‘ genannt) jede Handlung, Unterlassung, Verhaltensweise oder Erklärung, kommerzielle Mitteilung einschließlich Werbung und Marketing eines Gewerbetreibenden, die unmittelbar mit der Absatzförderung, dem Verkauf oder der Lieferung eines Produkts an Verbraucher zusammenhängt;

    j)

    ‚unzulässige Beeinflussung‘ die Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher zur Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt;

    …“

    6.

    Art. 3 bestimmt:

    „(1)   Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 zwischen Unternehmen und Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts.

    (4)   Kollidieren die Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften [der Union], die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, so gehen die Letzteren vor und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend.

    …“

    7.

    Art. 5 sieht vor:

    „(1)   Unlautere Geschäftspraktiken sind verboten.

    (2)   Eine Geschäftspraxis ist unlauter, wenn

    a)

    sie den Erfordernissen der beruflichen Sorgfaltspflicht widerspricht,

    und

    b)

    sie in Bezug auf das jeweilige Produkt das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers, den sie erreicht oder an den sie sich richtet[,] oder des durchschnittlichen Mitglieds einer Gruppe von Verbrauchern, wenn sich eine Geschäftspraxis an eine bestimmte Gruppe von Verbrauchern wendet, wesentlich beeinflusst oder dazu geeignet ist, es wesentlich zu beeinflussen.

    (4)   Unlautere Geschäftspraktiken sind insbesondere solche, die

    a)

    irreführend im Sinne der Artikel 6 und 7

    oder

    b)

    aggressiv im Sinne der Artikel 8 und 9 sind.

    (5)   Anhang I enthält eine Liste jener Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter anzusehen sind. Diese Liste gilt einheitlich in allen Mitgliedstaaten und kann nur durch eine Änderung dieser Richtlinie abgeändert werden.“

    8.

    Art. 7 Abs. 1 regelt:

    „Eine Geschäftspraxis gilt als irreführend, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände und der Beschränkungen des Kommunikationsmediums wesentliche Informationen vorenthält, die der durchschnittliche Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und die somit einen Durchschnittsverbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung veranlasst oder zu veranlassen geeignet ist, die er sonst nicht getroffen hätte.“

    9.

    Art 8 sieht vor:

    „Eine Geschäftspraxis gilt als aggressiv, wenn sie im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit des Durchschnittsverbrauchers in Bezug auf das Produkt durch Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder durch unzulässige Beeinflussung tatsächlich oder voraussichtlich erheblich beeinträchtigt und dieser dadurch tatsächlich oder voraussichtlich dazu veranlasst wird, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.“

    10.

    Art. 9 bezeichnet die Aspekte, auf die „[b]ei der Feststellung, ob im Rahmen einer Geschäftspraxis die Mittel der Belästigung, der Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder der unzulässigen Beeinflussung eingesetzt werden“, abzustellen ist.

    11.

    In Anhang I, der die „Geschäftspraktiken, die unter allen Umständen als unlauter gelten“, enthält, wird unter Nr. 29 folgende Praxis beschrieben:

    „Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Bezahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewebetreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat (unbestellte Waren oder Dienstleistungen); ausgenommen hiervon sind Produkte, bei denen es sich um Ersatzlieferungen gemäß Artikel 7 Absatz 3 der Richtlinie 97/7/EG handelt.“

    2.   Richtlinie 2002/21/EG ( 6 )

    12.

    Art. 1 Abs. 1 bestimmt:

    „(1) Mit dieser Richtlinie wird ein harmonisierter Rahmen für die Regulierung elektronischer Kommunikationsdienste und Kommunikationsnetze sowie zugehöriger Einrichtungen und zugehöriger Dienste vorgegeben. Sie legt die Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden sowie eine Reihe von Verfahren fest, die die [unionsweit] harmonisierte Anwendung des Rechtsrahmens gewährleisten.“

    13.

    Art. 2 Buchst. g bestimmt den Begriff „nationale Regulierungsbehörde“ mit folgenden Worten:

    „… eine oder mehrere Stellen, die von einem Mitgliedstaat mit einer der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten Regulierungsaufgaben beauftragt werden“ ( 7 ).

    14.

    Art. 3 bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass alle den nationalen Regulierungsbehörden mit dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien übertragenen Aufgaben von einer zuständigen Stelle wahrgenommen werden.

    (2)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Unabhängigkeit der nationalen Regulierungsbehörden, indem sie dafür sorgen, dass sie rechtlich und funktional von allen Unternehmen unabhängig sind, die elektronische Kommunikationsnetze, ‑geräte oder ‑dienste anbieten. …

    (4)   Die Mitgliedstaaten veröffentlichen die von den nationalen Regulierungsbehörden wahrzunehmenden Aufgaben in leicht zugänglicher Form, insbesondere wenn diese Aufgaben mehr als einer Stelle übertragen werden. …

    (5)   Die nationalen Regulierungs- und Wettbewerbsbehörden tauschen untereinander Informationen aus, die für die Anwendung der Bestimmungen dieser Richtlinie und der Einzelrichtlinien notwendig sind. …

    (6)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission unter Angabe der jeweiligen Zuständigkeiten alle Aufgaben mit, die den nationalen Regulierungsbehörden aufgrund dieser Richtlinie und der Einzelrichtlinien übertragen werden.“

    3.   „Universaldienstrichtlinie“

    15.

    In Art. 1 heißt es:

    „(1)   Innerhalb des Rahmens der … (Rahmenrichtlinie) betrifft diese Richtlinie die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste für Endnutzer. Sie zielt ab auf die Gewährleistung der Verfügbarkeit [unionsweiter] hochwertiger, öffentlich zugänglicher Dienste durch wirksamen Wettbewerb und Angebotsvielfalt und regelt gleichzeitig die Fälle, in denen die Bedürfnisse der Endnutzer durch den Markt nicht ausreichend befriedigt werden können. …

    (2)   Diese Richtlinie begründet die Rechte der Endnutzer und die entsprechenden Pflichten von Unternehmen, die öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste bereitstellen. …

    (4)   Die Endnutzerrechte betreffenden Bestimmungen dieser Richtlinie gelten unbeschadet der [unionsrechtlichen] Verbraucherschutzvorschriften, insbesondere der Richtlinien 93/13/EWG[ ( 8 )] und 97/7/EG[ ( 9 )], und der mit dem [Unionsrecht] im Einklang stehenden nationalen Vorschriften.“

    16.

    Art. 20 sieht vor:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Verbraucher und andere Endnutzer, die dies verlangen, bei der Anmeldung zu Diensten, die die Verbindung mit einem öffentlichen Kommunikationsnetz und/oder öffentlich zugänglichen elektronischen Kommunikationsdiensten bereitstellen, Anspruch auf einen Vertrag mit dem Unternehmen oder den Unternehmen haben, die derartige Dienste und/oder Verbindungen bereitstellen. In diesem Vertrag ist in klarer, umfassender und leicht zugänglicher Form mindestens Folgendes aufzuführen:

    a)

    Name und Anschrift des Unternehmens;

    b)

    die angebotenen Dienste, darunter insbesondere …

    d)

    Einzelheiten über Preise und Tarife …;

    …“

    17.

    Art. 21 Abs. 1 regelt:

    „Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die nationalen Regulierungsbehörden Unternehmen, die öffentliche elektronische Kommunikationsnetze und/oder öffentlich zugängliche elektronische Kommunikationsdienste bereitstellen, dazu verpflichten können, transparente, vergleichbare, ausreichende und aktuelle Informationen über geltende Preise und Tarife, über die bei Vertragskündigung anfallenden Gebühren und über Standardbedingungen für den Zugang zu den von ihnen für Endnutzer und Verbraucher bereitgestellten Diensten und deren Nutzung gemäß Anhang II zu veröffentlichen. Diese Informationen sind in klarer, verständlicher und leicht zugänglicher Form zu veröffentlichen. …“

    B. Nationales Recht. Decreto Legislativo Nr. 206 vom 6. September 2005 ( 10 )

    18.

    Art. 19 Abs. 3 bestimmt:

    „Bei einem Widerspruch haben die Bestimmungen der Richtlinien und anderer [Rechtsvorschriften der Union] sowie der nationalen Umsetzungsbestimmungen, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, Vorrang gegenüber den Bestimmungen dieses Titels und sind auf diese speziellen Aspekte anzuwenden.“

    19.

    Art. 27 Abs. 1 lautet:

    „Die Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato[ ( 11 )] nimmt im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen ihre in diesem Artikel geregelten Aufgaben auch als zuständige Behörde für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Oktober 2004 über die Zusammenarbeit zwischen den für die Durchsetzung der Verbraucherschutzgesetze zuständigen nationalen Behörden[ ( 12 )] wahr.“

    20.

    Art. 27 Abs. 1bis bestimmt:

    „Auch in den regulierten Sektoren … fällt die Zuständigkeit für das Vorgehen gegen Verhaltensweisen von Gewerbetreibenden, die den Tatbestand einer unlauteren Geschäftspraxis erfüllen, … in die ausschließliche Zuständigkeit der [AGCM], die sie auf der Grundlage der ihr gemäß diesem Artikel eingeräumten Befugnisse nach Stellungnahme der zuständigen Regulierungsbehörde ausübt …“

    21.

    Abschnitt III („Rechte der Endverbraucher“) des Gesetzbuchs über die elektronische Kommunikation ( 13 ) enthält eine Reihe von Bestimmungen zum Schutz der Verbraucher speziell im Kommunikationsbereich und weist die betreffenden Regulierungs- und Sanktionierungsbefugnisse der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni ( 14 ) zu.

    II. Sachverhalt

    22.

    Die AGCM verhängte gegen die Unternehmen Wind Telecomunicazioni (jetzt Wind Tre) und Vodafone Omnitel (jetzt Vodafone Italia) jeweils eine Geldbuße, da sie für eine aggressive Geschäftspraxis verantwortlich seien, die in der Vermarktung von SIM-Karten mit voreingestellten Diensten ( 15 ), über die sie die Verbraucher nicht informiert hätten, bestanden habe.

    23.

    Das Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien), bei dem die beiden Unternehmen die Entscheidung der AGCM angefochten hatten, gab der Klage statt, nachdem es festgestellt hatte, dass diese Behörde für die Ahndung eines Verhaltens (die Lieferung unbestellter Dienste), das unter die Sanktionierungsbefugnis der AGCom falle, nicht zuständig sei.

    24.

    Die AGCM focht das im ersten Rechtszug ergangene Urteil bei der Sechsten Kammer des Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) an, der das Verfahren aussetzte, um die Frage dem Plenarsenat vorzulegen.

    25.

    Der Plenarsenat des Consiglio di Stato (Staatsrat) bejahte am 9. Februar 2016 die Zuständigkeit der AGCM. Zusammenfassend war er der Ansicht,

    dass der streitige Sachverhalt nach Art. 26 des Verbrauchergesetzbuchs eine „unter allen Umständen aggressive Geschäftspraxis“ darstelle;

    dass, auch wenn dieses Verhalten unter Verletzung von Pflichten aus sektorspezifischen Vorschriften (wie dem Gesetzbuch über die elektronische Kommunikation) stattgefunden habe, es sich um einen Fall der Spezialität durch besonders missbräuchliche Verhaltensweisen handele, so dass der anfängliche Verstoß gegen bloße Informationspflichten den Tatbestand einer schwereren und umfassenderen Ordnungswidrigkeit erfülle, die vom Verbrauchergesetzbuch mit einer Sanktion belegt und daher von der AGCM geahndet werden könne.

    26.

    Der Plenarsenat gelangte zu dieser Schlussfolgerung, indem er den Grundsatz der Spezialität anders auslegte als die bisherige Rechtsprechung. Er rechtfertigte diese Änderung damit, dass sie durch diesen in der Richtlinie 2005/29 geregelten Grundsatz geboten sei und die Kommission seine Nichtbeachtung in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien gerügt habe.

    27.

    Nach Rückverweisung des Rechtsstreits an die Sechste Kammer des Consiglio di Stato (Staatsrat) legt dieser Spruchkörper dem Gerichtshof in beiden Rechtsstreitigkeiten dieselben Vorlagefragen vor.

    III. Vorlagefragen

    28.

    Die Fragen haben folgenden Wortlaut:

    1.

    Stehen die Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29 einer Auslegung der entsprechenden nationalen Umsetzungsvorschriften (Art. 24 und 25 des Verbrauchergesetzbuchs) entgegen, nach der das Verhalten eines Telekommunikationsbetreibers, das darin besteht, nicht darüber zu informieren, dass auf der SIM-Karte bestimmte Telekommunikationsdienste (automatische Beantwortung von Anrufen oder Internetzugang) voreingestellt sind, als „unzulässige Beeinflussung“ und daher als „aggressive Geschäftspraxis“ anzusehen ist, die die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit eines Durchschnittsverbrauchers voraussichtlich „erheblich“ beeinträchtigt, und zwar insbesondere in einer Situation, in der dem Telekommunikationsbetreiber kein weiteres, davon zu trennendes tatsächliches Verhalten vorgeworfen wird?

    2.

    Ist Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 dahin auszulegen, dass ein Fall von „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“ vorliegt, wenn ein Mobilfunkbetreiber von seinem Kunden die Vergütung für Mailbox- und Internetzugangsdienste in einer Situation verlangt, die durch folgende Umstände gekennzeichnet ist:

    Der Telekommunikationsbetreiber soll den Verbraucher bei Abschluss des Mobilfunkvertrags nicht ordnungsgemäß darüber informiert haben, dass die Mailbox- und Internetzugangsdienste auf der SIM-Karte voreingestellt sind, so dass der Verbraucher diese Dienste potenziell nutzen kann, ohne dafür eine Einstellung (setting) vornehmen zu müssen;

    um diese Dienste tatsächlich nutzen zu können, muss der Verbraucher jedoch die dafür erforderlichen Handlungen vornehmen (z. B. die Nummer der Mailbox wählen oder die Befehle zur Aktivierung der Internetnutzung eingeben);

    die technischen und anwendungsbezogenen Modalitäten der konkreten Nutzung der Dienste durch den Verbraucher, die darauf bezogenen Informationen und die Preise für diese Dienste werden nicht beanstandet, sondern es wird dem Betreiber nur die fehlende Information über die auf der SIM-Karte voreingestellten Dienste vorgeworfen?

    3.

    Stehen der Zweck der „allgemeinen“ Richtlinie 2005/29 als „Sicherheitsnetz“ zum Schutz der Verbraucher sowie der zehnte Erwägungsgrund und Art. 3 Abs. 4 dieser Richtlinie einer nationalen Regelung entgegen, nach der die Beurteilung, ob die in der sektorspezifischen Richtlinie 2002/22 zum Schutz des Nutzers vorgesehenen spezifischen Verpflichtungen erfüllt wurden, in den Geltungsbereich der allgemeinen Richtlinie 2005/29 über unlautere Geschäftspraktiken fällt und dadurch das Eingreifen der Behörde, die für die Ahndung eines Verstoßes gegen die sektorspezifische Richtlinie zuständig ist, in allen Fällen ausschließt, in denen auch der Tatbestand einer unlauteren Geschäftspraxis erfüllt sein kann?

    4.

    Ist der in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 aufgestellte Grundsatz der Spezialität als ein Grundsatz zu verstehen, der das Verhältnis zwischen Rechtsordnungen (allgemeine Rechtsordnung und sektorspezifische Rechtsordnung), das Verhältnis zwischen Rechtsvorschriften (allgemeinen Rechtsvorschriften und speziellen Rechtsvorschriften) oder das Verhältnis zwischen den Behörden regelt, die für die Regulierung und Aufsicht über die jeweiligen Sektoren zuständig sind?

    5.

    Ist der Begriff „Kollision“ in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 nur in Fällen eines tief greifenden Widerspruchs zwischen den Bestimmungen der Regelung über unlautere Geschäftspraktiken und den übrigen Rechtsvorschriften europarechtlichen Ursprungs, die sektorspezifische Aspekte der Geschäftspraktiken regeln, anwendbar, oder genügt es dafür, dass die fraglichen Rechtsvorschriften im Hinblick auf die Besonderheiten des Sektors eine von den Rechtsvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken abweichende Regelung treffen, so dass in Bezug auf denselben konkreten Fall eine Normenkollision entsteht?

    6.

    Bezieht sich der Begriff „Rechtsvorschriften [der Union]“ in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 nur auf Bestimmungen, die in den europäischen Verordnungen und Richtlinien enthalten sind, sowie auf Rechtsvorschriften, die diese unmittelbar umsetzen, oder umfasst er auch Rechts- und Verwaltungsvorschriften, mit denen Grundsätze des Europarechts umgesetzt werden?

    7.

    Stehen der im zehnten Erwägungsgrund und in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 aufgestellte Grundsatz der Spezialität, die Art. 20 und 21 der Richtlinie 2002/22 sowie die Art. 3 und 4 der Richtlinie 2002/21 einer Auslegung der entsprechenden nationalen Umsetzungsvorschriften entgegen, nach der immer dann, wenn in einem regulierten Sektor, in dem eine sektorspezifische Verbraucherschutzregelung gilt, in der die Regulierungs- und Sanktionierungsbefugnisse der sektorspezifischen Behörde zugewiesen werden, ein Verhalten auftritt, das unter den Begriff „aggressive Praxis“ im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29 oder „unter allen Umständen aggressive Praxis“ im Sinne von Anhang I der Richtlinie 2005/29 fällt, die allgemeine Regelung über unlautere Praktiken Anwendung finden muss, und zwar auch dann, wenn es eine dem Verbraucherschutz dienende sektorspezifische Regelung gibt, die sich auf Bestimmungen des Unionsrechts stützt, in denen die „aggressiven Praktiken“ und die „unter allen Umständen aggressiven Praktiken“ oder die „unlauteren Praktiken“ umfassend geregelt sind?

    IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

    29.

    Die Vorabentscheidungsersuchen sind am 1. Februar 2017 beim Gerichtshof eingegangen und sind zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

    30.

    Wind Tre, Vodafone Italia, Telecom Italia, die italienische Regierung und die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht und sind auch in der mündlichen Verhandlung am 8. März 2018 erschienen.

    V. Prüfung

    A. Vorerwägungen

    31.

    Obwohl keine der Parteien sie angezweifelt hat, ist vorab darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof die Legitimation der Sechsten Kammer des Consiglio di Stato (Staatsrat) zur Vorlage eines Vorabentscheidungsersuchens, in dem sie eine Ansicht vertritt, die nicht notwendigerweise mit der des Plenarsenats dieses Rechtsprechungsorgans übereinstimmt, bejaht hat ( 16 ).

    32.

    Was die materiellen Aspekte des Rechtsstreits anbelangt, stimmen sämtliche Parteien dahin überein, dass die sieben Fragen, die das vorlegende Gericht formuliert hat, in zwei Gruppen unterteilt werden können:

    Die erste (erste und zweite Frage) hat die Feststellung zum Gegenstand, ob das Verhalten der Telekommunikationsbetreiber nach der Richtlinie 2005/29 als ein Fall von „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“ oder als „aggressive Geschäftspraxis“ eingestuft werden kann.

    In Rahmen der zweiten (dritte bis siebte Frage) ist zu erörtern, ob gemäß Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 die Bestimmungen dieser Richtlinie hinter andere Rechtsvorschriften der Union und gegebenenfalls hinter nationale Vorschriften, die zu ihrer Umsetzung erlassen worden sind, zurücktreten müssen

    B. Zum Begriff der „aggressiven Geschäftspraxis“ und der „unbestellten Waren und Dienstleistungen“ (erste und zweite Frage)

    33.

    An erster Stelle ist zu klären, ob das streitige Verhalten eine durch Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2005/29 verbotene „unlautere Geschäftspraxis“ darstellt ( 17 ).

    1.   Zusammenfassung der Erklärungen der Parteien

    34.

    Wind Tre führt zur ersten Frage aus, angesichts der Art. 2 Buchst. j, 8 und 9 der Richtlinie 2005/29 könne das, was ihres Erachtens ein bloßes „Vorenthalten von Informationen“ über die Voreinstellung von Diensten auf einer SIM-Karte sei, nicht als „aggressive Geschäftspraxis“ eingestuft werden.

    35.

    Zur zweiten Frage führt Wind Tre aus, Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 sei nicht anwendbar, da der Nutzer bestimmte Handlungen vornehmen müsse, um die Dienste nutzen zu können. Darüber hinaus sei weder die Voreinstellung dieser Dienste als solche gerügt worden, noch sei die Eignung der Informationen über das Vorhandensein, die Modalitäten und den Preis für die Dienste als solche streitig.

    36.

    Vodafone Italia hält das einfache Unterlassen in Form der Vermarktung von SIM-Karten mit voreingestellten Basisdiensten, deren Verbrauch nur einem Verbraucher in Rechnung gestellt werde, der sie bewusst und freiwillig nutze, nicht für eine „aggressive Geschäftspraxis“. Es lägen auch keine Tatsachen vor, die ungerechtfertigten Druck oder ungerechtfertigte Einflussnahme belegten.

    37.

    Telecom Italia führt zu ersten Frage aus, eine „aggressive Geschäftspraxis“ setze ein positives Handeln des Gewerbetreibenden voraus, das sich von einem einfachen Tun oder Unterlassen im Bereich der Information unterscheide und geeignet sein müsse, den Willen des Durchschnittsverbrauchers zu beeinflussen und ihn zu geschäftlichen Entscheidungen zu veranlassen, ohne davon überzeugt zu sein, dass sie für ihn von Vorteil seien. Daher könne ein bloßes Vorenthalten von Informationen durch einen Gewerbetreibenden nicht als „unzulässige Beeinflussung“ eingestuft werden.

    38.

    Zur zweiten Frage führt sie aus, unter den Umständen dieser Rechtssache könne nicht von „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“ gesprochen werden.

    39.

    Die italienische Regierung schlägt vor, die erste und die zweite Frage gemeinsam und auf der Grundlage der rechtlichen Einordnung der Tatsachen durch die AGCM zu prüfen. Sie meint, die Richtlinie 2005/29 definiere die Tatbestandsmerkmale aggressiver Geschäftspraktiken hinreichend klar, da sie insoweit nicht nur auf ihre Auswirkungen auf die Möglichkeit für den Verbraucher, die für eine fundierte Entscheidung erforderlichen Kenntnisse zu erlangen, abstelle, sondern insbesondere auch darauf, dass sie zum Ziel hätten, seinen Willen zu beeinflussen.

    40.

    Aggressive Geschäftspraktiken setzten das Vorliegen funktioneller und struktureller Bedingungen voraus. Zu Letzteren gehöre die unzulässige Beeinflussung im Sinne von Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29, die sich daraus ergeben könne, dass ein Unternehmen Informationsasymmetrien bewusst zu seinem eigenen Vorteil ausnutze.

    41.

    Das Fehlen von Informationen beim Verkauf der SIM-Karte könne dem Vorenthalten von Informationen im Sinne von Art. 7 der Richtlinie 2005/29 (irreführende Geschäftspraxis) nicht gleichgestellt werden. Es sei unerheblich, wenn ein Unternehmen kein konkretes Verhalten folgen lasse, da dies aufgrund der Voreinstellung der Dienste nicht erforderlich sei, um das zuvor als „Ausnutzen einer Machtposition“ definierte Verhalten zu verwirklichen.

    42.

    Die Kommission geht in diesem Fall von „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“ im Sinne von Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 aus. Das zu beanstandende Verhalten bestehe weniger darin, dass dem Verbraucher bestimmte Dienste zur Verfügung gestellt würden, die er aktivieren könne oder auch nicht, als diese Dienste voreingestellt – also in der Praxis vorgegeben – zu haben, ohne ihn eindeutig und angemessen zu informieren.

    43.

    Ausgehend von dieser Prämisse ist die Kommission der Auffassung, dass die Beantwortung der ersten Frage entbehrlich sei. Hilfsweise führt sie aber aus, dass für die Einstufung des Verhaltens als aggressive Praxis im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29 nicht nur in letztgenannter Vorschrift genannte Merkmale geprüft werden müssten, sondern alle, die in der Rechtssache einschlägig seien. Dies sei Sache des nationalen Gerichts.

    2.   Würdigung

    44.

    Meines Erachtens sollte unter Umkehr der von dem vorlegenden Gericht vorgeschlagenen Reihenfolge zunächst geprüft werden, ob das streitige Verhalten unter den Begriff der „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“ fällt. Sollte dies der Fall sein, wäre eine der beiden Voraussetzungen gegeben, um dieses Verhalten als „unter allen Umständen unlauter“ – um den in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2005/29 verwendeten Begriff zu gebrauchen, der auf die (schwarze) Liste der in Anhang I aufgeführten Praktiken verweist – einstufen zu können. Verlangt der Lieferant darüber hinaus rechtswidrig eine Bezahlung für diesen Dienst, wäre die zweite der in dieser Liste geregelten Voraussetzungen erfüllt und die Prüfung, ob dieses Verhalten unter andere Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 fällt, unnötig.

    a)   Zum Begriff der „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“

    45.

    Gemäß Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 stellt die „Aufforderung des Verbrauchers zur sofortigen oder späteren Bezahlung oder zur Rücksendung oder Verwahrung von Produkten, die der Gewebetreibende geliefert, der Verbraucher aber nicht bestellt hat (unbestellte Waren oder Dienstleistungen)“, eine nach Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie „unter allen Umständen“ unlautere Geschäftspraxis dar ( 18 ). Voraussetzung für dieses Verhalten ist also, dass die Waren nicht bestellt worden sind, und sein aktiver Kern besteht darin, dass der Gewerbetreibende ihre Bezahlung (oder Rücksendung oder Verwahrung, wenn es sich um Waren handelt) verlangt ( 19 ).

    46.

    Nach dem 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 bedürfen unter allen Umständen unlautere Geschäftspraktiken keiner „Beurteilung des Einzelfalls anhand der Bestimmungen der Artikel 5 bis 9 [der Richtlinie 2005/29]“.

    47.

    Aus dem Wortlaut der zweiten Vorlagefrage ergibt sich, dass in dieser Rechtssache „[d]er Telekommunikationsbetreiber … den Verbraucher bei Abschluss des Mobilfunkvertrags nicht ordnungsgemäß darüber informiert haben [soll], dass die Mailbox- und Internetzugangsdienste auf der SIM-Karte voreingestellt sind, so dass der Verbraucher diese Dienste potenziell nutzen kann, ohne dafür eine Einstellung (setting) vornehmen zu müssen“. Es soll mithin eine „Lieferung“ von zwei Diensten (Mailbox und Internet) erfolgt sein, zu denen der Nutzer zusätzlich Zugang hatte und die aus den dargestellten Gründen nicht als „informiert“ eingestuft werden könnte. Die Frage besteht darin, ob sie schon deshalb eine „unbestellte Ware oder Dienstleistung“ wäre.

    48.

    Meines Erachtens spricht das hohe Verbraucherschutzniveau, das nach Art. 1 der Richtlinie 2005/29 mit ihr erreicht werden soll, für eine Auslegung des Begriffs „Bestellung von Waren oder Dienstleistungen“, der es ermöglicht, Waren oder Dienstleistungen, zu denen nicht nur eine so wesentliche Information wie der Preis der Lieferung nicht zur Verfügung gestellt wurde ( 20 ), sondern nicht einmal eine Angabe zu ihrer Existenz an sich gemacht wurde, als „unbestellt“ einzustufen.

    49.

    Der Lieferung einer Dienstleistung oder einer Ware müssen geeignete Informationen vorangehen, damit der Verbraucher – mit den Worten des Art. 7 der Richtlinie 2005/29 – „eine informierte geschäftliche Entscheidung … treffen“ kann ( 21 ). Die grundlegendste Information betrifft offenkundig die Ware oder die Dienstleistung, zu deren Lieferung oder Erbringung der Gewerbetreibende verpflichtet ist: Ihre Beschreibung muss dem entsprechen, was der Verbraucher bestellt oder was der Gewerbetreibende ihm angeboten hat. In jedem Fall entspricht der Gegenstand der Informationen dem, was beide vereinbart haben, gleich, ob eine Bestellung oder ein Angebot vorliegt.

    50.

    Aufgrund des qualifizierten Schutzes, den die Richtlinie 2005/29 den Verbrauchern vermitteln will, kann die Möglichkeit einer stillschweigenden Annahme einer Lieferung, über die der Verbraucher nicht ausdrücklich informiert worden ist, nur ausnahmsweise bejaht werden.

    51.

    In dieser Rechtssache wurden die SIM-Karten verkauft, um in Smartphones eingelegt zu werden. Unter diesen Umständen dürfte es einem Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet ist, kaum entgehen, dass die Dienste aktiviert werden, wenn er, wie das vorlegende Gericht ausführt, „die Nummer des automatischen Anrufbeantworters [wählt] oder die Befehle zur Aktivierung der Internetnutzung [eingibt]“. Dies setzt logischerweise voraus, dass er auch wusste oder wissen musste, dass Dienste auf dem Telefonapparat eingerichtet waren. Da ihm dieser Umstand bekannt sein musste, könnte die Nutzung beider Dienste durch den Nutzer der stillschweigenden Annahme ihrer Lieferung gleichkommen ( 22 ).

    52.

    Einige Applikationen für Mobiltelefone können jedoch, wie die Kommission ausgeführt hat ( 23 ), ohne Eingreifen des Nutzers und sogar hinter seinem Rücken einen automatischen Verbrauch von Internetverkehr bewirken ( 24 ). Sicherlich lässt sich dies vermeiden, wenn man das Telefon über die sogenannte „Opt-out“-Funktion neu konfiguriert, aber hierzu sind Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich, die meines Erachtens nicht dem Profil des „Durchschnittsverbrauchers“ ( 25 ) im Sinne der Richtlinie 2005/29 entsprechen.

    53.

    So sehr es auch Sache des vorlegenden Gerichts ist, dies im Licht des Sachverhalts, den es letztlich für erwiesen hält, festzustellen, meine ich, dass ein Durchschnittsverbraucher vernünftigerweise nicht vermuten muss, dass sein elektronisches Gerät mit einem Dienst ausgestattet ist, über dessen Existenz er nicht informiert worden ist und zu dessen Deaktivierung er eine Neukonfigurierung vornehmen muss, die er vermutlich nicht beherrscht.

    54.

    Daher lässt sich in dieser Rechtssache eine „unbestellte Lieferung von … Dienstleistungen“ grundsätzlich nicht ausschließen.

    55.

    Dies reicht allerdings für sich allein nicht aus, um das streitige Verhalten als „unlautere Geschäftspraxis“ im Sinne von Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 einstufen zu können.

    56.

    Tatsächlich reicht es nicht, dass der Verbraucher die in Rede stehende Lieferung nicht bestellt hat. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass der Gewerbetreibende ihn zur Bezahlung dieses Diensts auffordert.

    57.

    Meiner Ansicht nach kann es sich bei der Aufforderung zur Zahlung, die in dieser Bestimmung geregelt ist, nur um eine unangemessene Aufforderung handeln, da sie auf eine Lieferung zurückgeht, mit der kein Einverständnis bestand, was der Fall ist, wenn sie nicht einmal bestellt worden ist.

    58.

    Allerdings scheint sich im vorliegenden Fall wiederum aus den Angaben im Vorlagebeschluss zu ergeben, dass zwar mit der Voreinstellung der streitigen Dienste und damit ihrer Lieferung selbst kein, wohl aber mit der Zahlung, zu der die Verbraucher aufgefordert werden, an sich Einverständnis bestand. In diesem Sinne führt das vorlegende Gericht aus, „die technischen und anwendungsbezogenen Modalitäten der konkreten Nutzung der Dienste durch den Verbraucher, die darauf bezogenen Informationen und die Preise für diese Dienste werden nicht beanstandet, sondern es wird dem Betreiber nur die fehlende Information über die auf der SIM-Karte voreingestellten Dienste vorgeworfen“ ( 26 ).

    59.

    Entspricht diese Feststellung dem tatsächlichen Geschehen, hätte der Betreiber in einer für das vorlegende Gericht einwandfreien Art und Weise den Verbraucher nicht nur über die technischen und anwendungsbezogenen Modalitäten, sondern auch über die Preise informiert. Vor diesem Hintergrund könnte ein Durchschnittsverbraucher – einschließlich desjenigen, von dem die zuvor erwähnten technologischen Kenntnisse nicht erwartet werden können – zu dem Schluss kommen, dass ihm die erworbene SIM-Karte Dienste anbieten konnte, über deren Kosten es sonst keinen Sinn hätte, ihn zu informieren.

    60.

    Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu entscheiden, bis zu welchem Punkt die Art und Weise, in der die Informationen über die Preise der Mailbox- und Internetzugangsdienste erteilt worden sind, keine Zweifel daran entstehen lässt, dass diese Dienste voreingestellt waren und ihre Nutzung mit Kosten verbunden war, über die sich der Nutzer gerade wegen der Informationen, die ihm beim Kauf der SIM-Karte gegeben wurden, bewusst war oder bewusst sein musste. Unter diesen Umständen ließe sich die „Aufforderung zur Bezahlung“ der beiden Dienstleistungen, über deren Preis vorab informiert worden ist, nicht unter Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 subsumieren.

    b)   Zum Begriff der „aggressiven Geschäftspraxis“

    61.

    Ist das Vorenthalten der Informationen über die Voreinstellung der streitigen Dienste „in einer Situation, in der dem Telekommunikationsbetreiber kein weiteres tatsächliches Verhalten … vorgeworfen wird“, eine „aggressive Geschäftspraxis“, die „die Entscheidungs- oder Verhaltensfreiheit eines Durchschnittsverbrauchers ‚erheblich‘ beeinträchtigt“?

    62.

    Laut Art. 8 der Richtlinie 2005/29 ist eine Geschäftspraxis „aggressiv“, die unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände des Falls durch den Einsatz gewisser Mittel zu einem bestimmten Ergebnis führt.

    63.

    Dieses Ergebnis muss in einer tatsächlichen oder voraussichtlichen Beeinträchtigung der Entscheidungsfreiheit des Verbrauchers zum Ausdruck kommen, die so „erheblich“ ist, dass sie eine Entscheidung zur Folge hat oder haben kann, die er anderenfalls nicht getroffen hätte. Nach dieser Bestimmung muss dieses Ziel durch „Belästigung, Nötigung, einschließlich der Anwendung körperlicher Gewalt, oder durch unzulässige Beeinflussung“ erreicht worden sein.

    64.

    Das Vorenthalten der Informationen, das den Betreibern in dieser Rechtssache vorgeworfen wird, fällt im Licht der Merkmale, die Art. 9 der Richtlinie 2005/29 für die Feststellung nennt, ob es im Rahmen einer Geschäftspraxis zu einer Belästigung, Nötigung oder unzulässigen Beeinflussung gekommen ist, unter keines dieser Mittel ( 27 ). Ich bin der Auffassung, dass sowohl die Belästigung wie die Nötigung – und selbstverständlich der Einsatz von Gewalt – ein aktives Verhalten voraussetzen, das bei einem Vorenthalten von Informationen nicht gegeben ist.

    65.

    Man könnte jedoch in Betracht ziehen, dass durch ein Unterlassen, das für die Entscheidung des Verbrauchers entscheidend ist, eine „unzulässige Beeinflussung“ ausgeübt werden könnte. Die Beeinflussung, auf die sich die Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29 beziehen, ist aber nicht die, die schlicht Folge der Irreführung – im Sinne von Art. 7 der Richtlinie – ist, sondern diejenige, durch die aktiv durch Ausübung von Druck die Konditionierung des Willens des Verbrauchers erzwungen wird ( 28 ).

    66.

    Die italienische Regierung ist der Ansicht, dass neben dem Vorenthalten der Informationen über die voreingestellten Dienste in dem Umstand der Voreinstellung und der sich daraus ergebenden Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers, der sie genutzt habe, bereits die Ausnutzung einer Machtposition durch den Gewerbetreibenden liege.

    67.

    Ich bin jedoch der Ansicht, das ebenso, wie die Fähigkeit der Beeinflussung, die einem Unterlassen innewohnt, nicht mit der „unzulässigen Beeinflussung“ im Sinne des Art. 8 der Richtlinie 2005/29 verwechselt werden darf, auch zwischen zwei Aspekten der Machtposition unterschieden werden muss:

    einerseits der Ausnutzung einer Machtposition, die es dem Gewerbetreibenden ermöglicht, die Freiheit des Verbrauchers beim Erwerb eines Erzeugnisses zu beeinträchtigen;

    andererseits der Machtposition, in der sich der Gewerbetreibende rechtlich befindet, der nach Vertragsschluss vom Verbraucher die Gegenleistung verlangen kann, zu der sich dieser beim Abschluss verpflichtet hat.

    68.

    Die „aggressive Geschäftspraxis“ ist die, die unter Ausnutzung der unterlegenen Position, in der sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden befindet ( 29 ), und unter Ausnutzung einer rechtswidrig – durch Belästigung, Nötigung, Gewalt oder proaktive Beeinflussung -erlangten Machtposition die Freiheit des Verbrauchers beeinträchtigt, der zum Abschluss eines Vertrags veranlasst wird, dem er ohne diesen rechtswidrigen Vorteil nicht zustimmen würde.

    69.

    Gerade weil der Abschluss eines Vertrags die Eingehung bestimmter Verpflichtungen mit sich bringt, die die Gegenpartei nach dem Gesetz rechtmäßig geltend machen kann, schützt die Richtlinie 2005/29 die Freiheit des Verbrauchers, informiert zu kontrahieren und ausschließlich die Verpflichtungen zu übernehmen, die er in Ausübung dieser Freiheit einzugehen bereit ist. Die Richtlinie schützt daher nicht vor den rechtlichen Verpflichtungen, die der Verbraucher bereits freiwillig eingegangen ist, sondern vor ihrer Eingehung infolge einer unlauteren Geschäftspraxis.

    70.

    Daher ist für die Feststellung, ob das Vorenthalten von Informationen über die Installation voreingestellter Dienste eine aggressive Geschäftspraxis darstellt, entscheidend, ob der Gewerbetreibende durch dieses Vorenthalten die Wahlfreiheit des Verbrauchers bis zu dem Punkt beeinträchtigt hat, dass er ihn gezwungen hat, vertraglichen Verpflichtungen zuzustimmen, denen er unter anderen Umständen nicht zustimmen würde. Hingegen ist es unerheblich, dass der Gewerbetreibende aufgrund des bereits abgeschlossenen Vertrags gegenüber dem Verbraucher die sich aus ihm ergebenden Rechte geltend machen kann (wie z. B. die Bezahlung der Dienste). Letztendlich geht es darum, dass der Gewerbetreibende die sich aus einem Vertrag ergebende (rechtliche) Machtposition nicht einmal ausüben kann.

    71.

    Zusammengefasst erfüllt das streitgegenständliche Verhalten nicht die Merkmale aggressiver Geschäftspraktiken im Sinne der Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29.

    C. Das Verhältnis zwischen der Richtlinie 2005/29 und anderen Vorschriften, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln (dritte bis siebte Frage)

    72.

    Die Antwort, die ich für die zwei ersten Vorlagefragen vorschlage, macht eine Prüfung der übrigen Fragen an sich überflüssig. Ich werde sie dennoch hilfsweise prüfen.

    1.   Zusammenfassung der Erklärungen der Parteien

    73.

    Wind Tre prüft die Reichweite des Grundsatzes der Spezialität, den Begriff der „Kollision“ sowie den Begriff der „Rechtsvorschriften [der Union]“ getrennt.

    74.

    Zum Grundsatz lex specialis führt sie aus, wenn eine Materie durch nationale Vorschriften (wie die Vorschriften zum Umsetzung der Universaldienstrichtlinie oder die von der nationalen Regulierungsbehörde [im Folgenden: NRB] erlassenen Vorschriften) erschöpfend geregelt sei, seien ausschließlich diese und nicht die allgemeinen Verbraucherschutzregelungen anwendbar.

    75.

    Die „Kollision“ beziehe sich nicht auf Fälle eines „Widerspruchs“ zwischen, sondern der „Überschneidung“ von Vorschriften, die den Schutz der Verbraucher zum Gegenstand hätten und sich in einigen Fällen durch ihren speziellen Charakter unterschieden.

    76.

    Die „Rechtsvorschriften [der Union]“ umfassten die von der NRB in Ausübung ihrer Verbraucherschutzfunktionen erlassenen Vorschriften, mit denen die in den nationalen Bestimmungen zur Umsetzung der Art. 20 und 21 der Universaldienstrichtlinie niedergelegten Pflichten genauer geregelt würden.

    77.

    Vodafone Italia meint, die Richtlinie 2005/29, die Universaldienstrichtlinie und die Rahmenrichtlinie stünden einer gleichzeitigen Anwendung des „Sicherheitsnetzes“, das die Richtlinie 2005/29 vorsehe, entgegen, wenn es in einem bestimmten tatsächlichen Zusammenhang (und nicht in einem ganzen Sektor) eine erschöpfende sektorspezifische Regelung gebe, die aus dem Unionsrecht abgeleitet sei.

    78.

    Hilfsweise bringt Vodafone Italia vor, dieselben Richtlinien stünden auch dem entgegen, dass die AGCM die Anwendung der sektorspezifischen Regelung vollständig durch eine alternative parallele Regelung, die mit den spezifischen Aspekten der sektorspezifischen Regelung unvereinbar sei, ersetzen könne.

    79.

    Telecom Italia meint, die Anwendung der Richtlinie 2005/29 sei nicht ohne Weiteres ausgeschlossen, weil es andere gesetzgeberische Instrumente der Union gebe, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regelten. Es müsse jede Situation fallweise geprüft werden, um feststellen zu können, ob sie vollständig durch besondere Vorschriften geregelt sei; in diesem Fall würden ausschließlich Letztere angewandt.

    80.

    Der Begriff „Rechtsvorschriften [der Union]“ sei weit zu verstehen und umfasse nicht nur solche, die in Verordnungen, Richtlinien und Umsetzungsvorschriften enthalten seien, sondern auch die von den Mitgliedstaaten zur Durchführung des Unionsrechts erlassenen Rechtsakte.

    81.

    Die italienische Regierung führt aus, durch Art. 27 Abs. 1bis des Verbrauchergesetzbuchs werde weder ein neues Kriterium eingeführt noch eine Ausnahme von der Anwendung des in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 verankerten Grundsatzes der Spezialität vorgesehen. Das vorlegende Gericht verwechsele das Verhältnis zwischen Regelungen mit der Verteilung von Zuständigkeiten und werfe deshalb ein falsches Problem auf, nämlich die Unanwendbarkeit der Universaldienstrichtlinie auf die speziellen Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken.

    82.

    Die interne Zuständigkeitsverteilung sei Sache der Mitgliedstaaten, und mit Art. 27 Abs. 1bis des Verbrauchergesetzbuchs sei die Beseitigung der in Italien im Jahr 2012 aufgetretenen Zweifel, welche Behörde für die Bearbeitung unregelmäßiger Geschäftspraktiken in regulierten Sektoren zuständig sei, bezweckt worden. Mit demselben Ziel sei am 23. Dezember 2016 eine Protokollvereinbarung auf dem Gebiet unlauterer Geschäftspraktiken zwischen der AGCom und der AGCM unterzeichnet worden, deren Inhalt bestätige, dass Art. 27 Abs. 1bis des Verbrauchergesetzbuchs die Prüfung der sektoriellen Verstöße im Anwendungsbereich der in der Richtlinie 2005/29 vorgesehenen allgemeinen Regelung nicht erfasse.

    83.

    Zur vierten Frage führt die italienische Regierung aus, die allgemeine und die spezifische Regelung müssten kollidieren, damit der Grundsatz der Spezialität zur Anwendung kommen könne: In dieser Rechtssache habe dieser Grundsatz die Unanwendbarkeit der allgemeinen Verbraucherschutzregelung zur Folge.

    84.

    Die italienische Regierung hält die fünfte und die siebte Frage für unzulässig, da sie hypothetisch seien, denn das streitige Verhalten stelle keine aggressive Geschäftspraxis dar.

    85.

    Zur sechsten Frage führt die italienische Regierung aus, der Begriff „Rechtsvorschriften [der Union]“ beziehe sich nur auf die besonderen Vorschriften der Verordnungen und Richtlinien sowie die Vorschriften, mit denen Letztere unmittelbar umgesetzt würden.

    86.

    Die Kommission führt zur dritten Frage aus, dass Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 impliziere, dass bei einer Kollision zwischen einer Bestimmung dieser Richtlinie und einer unionsrechtlichen Vorschrift zur Regelung spezieller Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken Letztere ausschließlich im Hinblick auf die speziellen Aspekte Vorrang habe. Die Richtlinie 2005/29 werde parallel angewandt, soweit sie die anderen Aspekte solcher Praktiken betreffe.

    87.

    Die Universaldienstrichtlinie enthalte keine Bestimmungen, die im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 besondere Aspekte derartiger unlauterer Geschäftspraktiken regelten.

    88.

    In Bezug auf die vierte Frage vertritt die Kommission die Ansicht, Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 sehe ein Kriterium zur Regelung des Verhältnisses zwischen Rechtsvorschriften, nicht aber zwischen Typen von Regelungen (allgemeiner oder sektorspezifischer) vor und betreffe auch nicht die Zuständigkeitsverteilung zwischen nationalen Behörden.

    89.

    Zur fünften Frage führt die Kommission aus, da die Universaldienstrichtlinie keine Bestimmungen zu besonderen Aspekten unlauterer Geschäftspraktiken im Sinne von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 enthalte, seien zwei der Voraussetzungen, die für die Anwendung letztgenannter Vorschrift unerlässlich seien, nicht erfüllt, so dass es nicht notwendig sei, den Begriff der „Kollision“ abschließend zu definieren. Die Beantwortung der fünften Frage sei mithin nicht statthaft.

    90.

    Bezüglich der sechsten Frage weist die Kommission darauf hin, dass die AGCom sehr detaillierte Bestimmungen erlassen habe, die über die Umsetzung der Universaldienstrichtlinie hinausgingen. Der rechtliche Sinnzusammenhang des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 werde gefährdet, wenn man davon ausgehe, dass die Vorschrift sich nicht auf den Besitzstand der Union beziehe, sondern auf eine Rechtslage, die nicht nur national, sondern auch hypothetisch und zukünftig sei; dies widerspreche dem Gebot der Rechtssicherheit.

    91.

    Hinsichtlich der siebten Frage ist die Kommission der Auffassung, die aggressive Praxis in Form der „unbestellten Waren oder Dienstleistungen“, die Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 nenne, werde durch die Universaldienstrichtlinie und die Rahmenrichtlinie nicht sanktioniert, so dass diese Frage nicht beantwortet werden müsse.

    2.   Würdigung

    a)   Der restriktive Charakter der Unanwendbarkeitsregel des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29

    92.

    Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 sieht vor, dass bei einer Kollision der Bestimmungen dieser Richtlinie „mit anderen Rechtsvorschriften [der Union], die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln“, Letztere vorgehen und „für diese besonderen Aspekte“ maßgebend sind.

    93.

    An dieser Vorrangsregelung wird deutlich, dass die Richtlinie 2005/29 dazu bestimmt ist, „den Verbrauchern in den Fällen Schutz [zu bieten], in denen es keine spezifischen sektoralen Vorschriften auf [Unionsebene] gibt“ ( 30 ). Mit ihr soll letztendlich ein echtes System zum Schutz der Verbraucherrechte in allen Sektoren eingerichtet werden ( 31 ).

    94.

    In Wirklichkeit scheint mir der Zweck der Richtlinie 2005/29 nicht so sehr – oder nicht vorrangig – darin zu bestehen, die Mängel anderer sektorspezifischer Vorschriften der Union, die Verbraucher schützen, zu beheben, sondern darin, Kern eines allgemeinen Schutzsystems zu bilden, in das neben ihren eigenen Bestimmungen die auf bestimmten von der Union regulierten Sektoren bereits bestehenden Vorschriften einbezogen werden.

    95.

    Dieses allgemeine System muss sicherstellen, „dass [die Richtlinie 2005/29] … in Fällen, in denen Einzelvorschriften über unlautere Geschäftspraktiken in speziellen Sektoren anwendbar sind[,] auf das [Unionsrecht] abgestimmt ist“ ( 32 ). Sie müssen also jeweils kohärent und harmonisch ausgelegt werden.

    96.

    Die Diskussion zwischen den Parteien und der Ansatz des vorlegenden Gerichts vermitteln aber den Anschein, das Verhältnis zwischen den jeweiligen Vorschriften könne nur unter dem Gesichtspunkt der Kollision und des Ausschlusses betrachtet werden, so als ob der Schlüssel zur Regelung des Verhältnisses zwischen der Richtlinie 2005/29 und anderen Rechtsvorschriften allein in der Bestimmung des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie liege.

    97.

    Zwar verweist die Richtlinie 2005/29 zulasten ihrer eigenen Anwendbarkeit auf die „spezifischen Vorschriften des [Unionsrechts] …, die spezielle Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wie etwa Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind“ ( 33 ). Für mich handelt es sich aber um eine extreme Lösung, die für einen ebenso extremen Fall gedacht ist, in dem sich nicht sämtliche Fälle einer friedlichen Koexistenz zwischen der Richtlinie 2005/29 und anderen Vorschriften der Union erschöpfen.

    98.

    Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 regelt eine selektive Verweisung durch die Richtlinie 2005/29 auf diejenigen (anderen) unionsrechtlichen Bestimmungen, die sich mit sehr konkreten Aspekten befassen, wie den Anforderungen an die Verbraucherinformationen. Diese Verweisung ist im Hinblick auf ihre Reichweite zudem restriktiv, denn sie ist ausschließlich auf „besondere Aspekte“ beschränkt, wie sich aus der Vorschrift ergibt. Und schließlich handelt es sich um eine extreme Verweisung, denn sie ist nur in einer Situation einer „Kollision“ statthaft. Man könnte also annehmen, dass mit ihr einer Pathologie des Systems abgeholfen, nicht aber seine Physiologie näher beschrieben werden sollte.

    99.

    Was diese extreme Lösung anbelangt – die, betone ich, weder die einzige ist noch die typische sein muss – und auf der Linie mit dem Wortlaut des zehnten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2005/29 spricht der Wortlaut des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie für eine restriktive Auslegung der in dieser Vorschrift enthaltenen Verweisung auf „[andere] Rechtsvorschriften [der Union]“, bei denen es sich nur um diejenigen handeln kann, die „besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln“ ( 34 ). Die Richtlinie 2005/29 tritt ihnen gegenüber nur zurück, soweit die Regelung dieser besonderen Aspekte betroffen ist.

    100.

    Meiner Ansicht nach liegt der Grund für eine enge Auslegung der Verweisung auf andere Rechtsvorschriften aber nicht nur im Wortlaut des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29. Hinzu kommt, dass durch die Richtlinie 2005/29 „ein hohes allgemeines Verbraucherschutzniveau“ geschaffen worden ist, das Ergebnis des „hohe[n] Maß[es] an Konvergenz, das die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften durch diese Richtlinie hervorbringt“ ( 35 ), ist. Generalanwalt Saugmandsgaard Øe ( 36 ) hat hervorgehoben, dass mit der Nichtanwendung ihrer Bestimmungen „die Gefahr verbunden [ist], dass es zu Lücken im von dieser Richtlinie geschaffenen Sicherheitsnetz kommt, wenn die anderen Rechtsvorschriften der Union – d. h. jene, die vorrangig gelten – kein derart hohes Verbraucherschutzniveau gewährleisten“ ( 37 ).

    101.

    Folglich muss sich die Verweisung des Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 rigoros auf die Unionsvorschriften beschränken, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln. Sie darf darüber hinaus nur angewandt werden, wenn diese Regelung mit der der Richtlinie 2005/29 selbst kollidiert, was eine eingehende Prüfung erfordert.

    b)   Die Voraussetzungen der Unanwendbarkeitsregel

    1) Der Regelungsgegenstand des in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 aufgenommenen Verhältnisses der Spezialität

    102.

    Mit der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 aufgestellte Grundsatz der Spezialität „das Verhältnis zwischen Rechtsordnungen …, … zwischen Rechtsvorschriften … oder … zwischen den Behörden regelt, die für die Regulierung und Aufsicht über die jeweiligen Sektoren zuständig sind“. Dieselbe materielle Frage wird in der dritten und der siebten Frage gestellt, wenn auch jeweils aus einer spezifischen Perspektive ( 38 ).

    103.

    Meines Erachtens ergibt sich aus einer gemeinsamen Auslegung des zehnten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2005/29 und ihres Art. 3 Abs. 4, dass der Unionsgesetzgeber weniger die Absicht hatte, unter sektorspezifischen, als unter normativen Gesichtspunkten und im Hinblick auf alle Sektoren tätig zu werden.

    104.

    Die Kommission hat darauf hingewiesen, dass anders als Art. 3 Abs. 9 der Richtlinie 2005/29 (wonach die Mitgliedstaaten die für ihren Anwendungsbereich vorgesehenen Anforderungen für den Finanzdienstleistungssektor und den Immobiliensektor erschweren können) Abs. 4 desselben Artikels ausschließlich den Fall betreffe, dass möglicherweise „die Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften [der Union], die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln“, kollidieren. Es handelt sich mithin um eine transversale Vorschrift für alle Sektoren des Wirtschaftslebens, wie es einer Richtlinie entspricht, deren Zielsetzung in erster Linie darin besteht, unabhängig von dem betroffenen Wirtschaftssektor und im Interesse eines optimalen Verbraucherschutzes auf alle unlauteren Geschäftspraktiken angewandt zu werden ( 39 ).

    105.

    Unter den „besonderen Aspekten“, die möglichweise durch „[andere] Rechtsvorschriften [der Union]“ geregelt sind, nennt der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 die „Informationsanforderungen oder Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind“.

    106.

    Es handelt sich in der Tat um sehr konkrete Fragen, die sich in Vorschriften unterschiedlicher Natur finden können, ohne dass sie in einen Normenkomplex integriert sein müssen, der einen Wirtschaftszweig regelt. Es ist daher nicht statthaft, ein allgemeines Verbraucherschutzsystem, wie es die Richtlinie 2005/29 darstellt, und die verschiedenen sektorspezifischen Verbraucherschutzrahmen wie den, den – soweit hier von Bedeutung – die Universaldienstrichtlinie festlegt, einander entgegenzusetzen.

    107.

    Für das Zurücktreten der Anwendbarkeit der Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 ist es nicht unerlässlich, dass ein sektorspezifisches Verbraucherschutzsystem existiert. Als allgemeines Schutzsystem tritt das von dieser Richtlinie errichtete System als solches hinter keinem anderen System zurück. Es treten lediglich einige seiner Bestimmungen und auch nur insoweit zurück, wie andere (unabhängig davon, ob sie in ein spezifisches Schutzsystem integriert sind) bestehen, die „besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken“ regeln und die zudem mit ihnen kollidieren. Letztlich mit der Folge, dass sich die Unanwendbarkeit der Richtlinie 2005/29 in diesem Fall ausschließlich auf die Regelung dieser „besonderen Aspekte“ beschränkt.

    108.

    Die „besonderen Aspekte“, von denen Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 spricht, sind im zehnten Erwägungsgrund bespielhaft durch eine Bezugnahme auf die „Informationsanforderungen oder [die] Regeln darüber, wie dem Verbraucher Informationen zu vermitteln sind“, aufgeführt. Und genau die Art. 20 und 21 der Universaldienstrichtlinie, die das vorlegende Gericht angeführt hat, betreffen die Informationen, die die Verträge enthalten müssen, die mit Unternehmen geschlossen werden, die die Verbindung mit einem öffentlichen Kommunikationsnetz oder elektronische Kommunikationsdienstleistungen bereitstellen.

    109.

    Unter diesen Umständen bin ich der Auffassung, dass die Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 über die Informationen, die dem Verbraucher allgemein zu vermitteln sind, im Bereich der elektronischen Kommunikationsdienstleistungen hinter der Anwendung der spezifischen Bestimmungen, die die Universaldienstrichtlinie enthält, zurücktreten müssen. Dies aber nur in diesem Punkt und ohne dass dies bedeuten würde, dass die gesamte Richtlinie 2005/29 unanwendbar wäre, nach deren Art. 3 Abs. 4 – wie ich bereits ausgeführt habe – ihre Unanwendbarkeit auf die „besonderen Aspekte“, die in anderen Bestimmungen geregelt sind, beschränkt ist. Zudem muss die andere Voraussetzung erfüllt sein, die diese Bestimmung vorsieht – die Normenkollision –, auf die ich sogleich eingehe.

    110.

    Hierauf beschränkt sich letztendlich die in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 vorgesehene Ausnahme ( 40 ). Natürlich, wie ich hier noch einmal betonen möchte, nur, sofern auch die Voraussetzung der Kollision zwischen der Richtlinie 2005/29 und der Bestimmung, durch die sie möglicherweise verdrängt wird, erfüllt ist.

    111.

    Zusammenfassend hat das in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 vorgesehene Verhältnis der Spezialität Vorschriften oder Bestimmungen zum Gegenstand, nicht aber sektorspezifische Rechtsvorschriften. Es hat darüber hinaus nichts mit der Feststellung zu tun, welche Verwaltungsbehörden die jeweilige Regelung anwenden müssen, denn die Verteilung oder Zuweisung von Zuständigkeiten unter ihnen ist eine Befugnis der Mitgliedstaaten.

    112.

    Ausgehend davon, dass es sich ausschließlich um Verhältnisse zwischen Rechtsvorschriften handelt, muss nun noch klargestellt werden, um welche Vorschriften es sich handelt.

    2) Die einander widersprechenden Vorschriften

    113.

    Das vorlegende Gericht bringt in seiner sechsten Frage seinen Zweifel zum Ausdruck, ob die Bezugnahme in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 auf „Rechtsvorschriften [der Union]“ nur „Bestimmungen, die in europäischen Verordnungen und Richtlinien enthalten sind, sowie … Rechtsvorschriften, die diese unmittelbar umsetzen, [betrifft,] oder … auch Rechts- und Verwaltungsvorschriften, mit denen Grundsätze des Europarechts umgesetzt werden“, umfasst.

    114.

    Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 regelte ursprünglich den Fall einer Kollision von „Bestimmungen dieser Richtlinie und anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft“ (heutzutage „der Union“).

    115.

    Rechtsvorschriften der Gemeinschaft oder der Union sind ausschließlich solche, die die Organe der Union annehmen, also die in Art. 288 AEUV aufgezählten „Rechtsakte“. Ich bin daher der Ansicht, dass eine Aufnahme von nationalen Vorschriften, sowohl von „Rechts- und Verwaltungsvorschriften, mit denen Grundsätze des Europarechts umgesetzt werden“ ( 41 ), wie sie der Consiglio di Stato (Staatsrat) anführt, als auch nationaler Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinien in diese Kategorie fehlgeht.

    116.

    Die italienische Regierung weist jedoch auf die Möglichkeit einer weiten Auslegung von Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 hin, die dazu führen würde, dass die nationalen Vorschriften, mit denen Bestimmungen der Union in nationales Recht umgesetzt würden, von seinem Anwendungsbereich erfasst würden. Auf derselben Linie haben einige Parteien ( 42 ) angemerkt, dass die NRB die Aufgabe hätten, eine sehr detaillierte sektorspezifische Regelung durchzuführen, die hinter die Richtlinie 2005/29 zurücktreten würde, wenn man nicht davon ausginge, das sie vom Begriff „andere Rechtsvorschriften [der Union]“ umfasst sei.

    117.

    Ich bin der Ansicht, dass die von mir vorgeschlagene Auslegung (die sich meines Erachtens unmittelbar aus Art 3 Abs. 4 der Richtlinie ergibt) mit den Bedenken vereinbar ist, die die italienische Regierung und die übrigen Parteien des Rechtsstreits geäußert haben.

    118.

    Tatsächlich hat der Gerichtshof festgestellt, dass die durch die Richtlinie 2005/29 erfolgte Harmonisierung abschließend ist, und ausgeführt, dass „[Regeln für unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmen und Verbrauchern] vollständig harmonisiert [werden]“ und daher „die Mitgliedstaaten … keine strengeren als die in der Richtlinie festgelegten Maßnahmen erlassen [dürfen], und zwar auch nicht, um ein höheres Verbraucherschutzniveau zu erreichen“ ( 43 ).

    119.

    Dieses Merkmal der Abgeschlossenheit bedeutet jedoch nicht, dass jede nationale Vorschrift, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken detaillierter regelt als die Bestimmungen der Richtlinie 2005/29, grundsätzlich unanwendbar ist. Um die Anwendbarkeit solcher detaillierterer nationaler Vorschriften zu gewährleisten, bedarf es nicht ihrer Aufnahme in die Kategorie der „Rechtsvorschriften der Union“. Es reicht, sie auf die (sektorspezifische) Richtlinie zurückzuführen, aus der sie hervorgegangen sind, und zu prüfen, ob diese wiederum der Richtlinie 2005/29 vorgeht, weil die in ihrem Art. 3 Abs. 4 vorgesehenen Voraussetzungen vorliegen.

    120.

    Mit anderen Worten: Wenn das Unionsrecht es den Mitgliedstaaten gestattet, besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken strikter zu regeln als die Richtlinie 2005/29, ist das Zurücktreten Letzterer nicht auf die auf der Grundlage dieser Möglichkeit erlassene nationale Vorschrift zurückzuführen, sondern auf die (sektorspezifische) Richtlinie, die dies gestattet.

    3) Der Charakter des Widerspruchs. Kollision oder Unterschied

    121.

    Das Vorliegen anderer Unionsvorschriften, die spezifische Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, reicht für sich allein nicht aus, damit die Anwendung der Richtlinie 2005/29 hinter diese anderen Rechtsvorschriften zurücktreten muss. Es ist darüber hinaus unumgänglich, dass sich Letztere und die der Richtlinie in einer Situation befinden, in der sie „kollidieren“ ( 44 ).

    122.

    Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob der in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 verwendete Begriff der Kollision einen „tiefgreifenden Widerspruch“ zwischen den jeweiligen Bestimmungen voraussetzt oder ob es im Gegenteil genügt, dass sie eine „abweichende Regelung“ treffen. Mit anderen Worten, ob er sich auf einen unüberbrückbaren Widerspruch oder eine einfache Normenkollision bezieht.

    123.

    Im Rahmen der Erörterung dieses Punkts wurden (gelegentlich bis an die Grenzen der Haarspalterei) sehr unterschiedliche Begriffe verwendet, um auf das Verhältnis zwischen Rechtsätzen untereinander Bezug zu nehmen: neben Widerspruch und Zusammentreffen, die bereits angeführt worden sind, wurden die Begriffe Konflikt, Überlagerung, Überlappung, Kohabitation und andere mehr oder weniger analoge Begriffe verwendet.

    124.

    Meines Erachtens weist der Begriff („kollidieren“), den der Unionsgesetzgeber verwendet hat, auf ein Verhältnis zwischen den von ihm betroffenen Bestimmungen hin, das über eine bloße Abweichung oder einen einfachen Unterschied hinausgeht. Davon zu sprechen, dass zwei Realitäten kollidieren, impliziert die Feststellung, dass zwischen ihnen eine Divergenz besteht, aber darüber hinaus auch, dass es sich um eine Divergenz handelt, die unmöglich durch eine auf Ausgleich gerichtete Formel, die das Nebeneinanderbestehen beider Realitäten ermöglicht, überwunden werden kann, ohne dass ihre Verschiedenheit verfälscht würde.

    125.

    Dass dies der Sinn ist, mit dem die Richtlinie 2005/29 das Wort „kollidieren“ verwendet, ergibt sich aus der Lösung, zu der der Gesetzgeber gegriffen hat: Er hat sich nicht für eine auf Ausgleich gerichtete Auslegung der streitigen Vorschriften entschieden, sondern schlicht und einfach für den Vorrang jener, die unter den oben dargestellten Voraussetzungen den Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 entgegenstehen.

    126.

    So meine ich auf der Linie mit Generalanwalt Saugmandsgaard Øe ( 45 ), dass eine Kollision, wie sie Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 vorsieht, nur in Betracht kommt, wenn bei der Regelung besonderer Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken wie den Informationen, die den Verbrauchern zu vermitteln sind, Unionsbestimmungen, die mit der Richtlinie 2005/29 nichts zu tun haben, Unternehmen ohne Handlungsspielraum Verpflichtungen auferlegen, die mit denen, die sich aus dieser Richtlinie ergeben, unvereinbar sind.

    c)   Die Anwendung dieser Kriterien auf den Ausgangsrechtsstreit

    127.

    Wäre die Richtlinie auf das Verhalten anwendbar, das den Telekommunikationsbetreibern vorgeworfen wird, weil es unter die in einer der zuvor geprüften Bestimmungen umschriebenen unlauteren Geschäftspraktiken fällt, dürften die in Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 geregelten Voraussetzungen für das Zurücktreten ihrer Vorschriften hinter andere Rechtsvorschriften der Union zur Regelung besonderer Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken nicht erfüllt sein.

    128.

    Ich stimme mit der Kommission dahin überein, dass vor diesem Hintergrund eine parallele Anwendung der Richtlinie 2005/29 und der Universaldienstrichtlinie machbar wäre. Während Erstere das Verlangen eines Preises für „unbestellte Waren oder Dienstleistungen“ zu den Geschäftspraktiken zählt, die unter allen Umständen unlauter sind, regelt die Universaldienstrichtlinie (Art. 20 und 21), welche Informationen die Betreiber elektronischer Kommunikationsdienstleistungen den Verbrauchern vermitteln müssen, allerdings ohne die Lieferung unbestellter Waren oder die Erbringung unbestellter Dienstleistungen als rechtswidriges Verhalten einzustufen, was in den Ausgangsverfahren streitig ist.

    129.

    Statt um eine Kollision zwischen den beiden Richtlinien handelt es sich daher um einen Fall, in dem sie gemeinsam anzuwenden sind, denn für die Feststellung, ob der Verbraucher die Waren oder Dienstleistungen bestellt hat oder nicht (Richtlinie 2005/29), muss u. a. geprüft werden, ob die Informationen, die ihm übermittelt wurden, den Anforderungen entsprechen, die die Universaldienstrichtlinie dem Unternehmer auferlegt.

    VI. Ergebnis

    130.

    Angesichts des Vorstehenden schlage ich dem Gerichtshof vor, der Sechsten Kammer des Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) wie folgt zu antworten:

    1.

    Die Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates ist wie folgt auszulegen:

    Art. 5 Abs. 5 in Verbindung mit Anhang I Nr. 29 der genannten Richtlinie gestattet es nicht, das bloße Vorenthalten von Informationen über die Voreinstellung von Mailbox- und Internetzugangsdiensten auf einer zum Einlegen in ein Smartphone bestimmten SIM-Karte gegenüber dem Verbraucher als unlautere Geschäftspraxis zu bezeichnen, wenn dieser Nutzer zuvor über „die technischen und anwendungsbezogenen Modalitäten der konkreten Nutzung der Dienste … und die Preise für diese Dienste“ informiert worden ist. Dies festzustellen, ist Sache des vorlegenden Gerichts.

    Die Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29 sind dahin auszulegen, dass sie es nicht gestatten, das zuvor beschriebene Verhalten eines Telekommunikationsbetreibers als „aggressive Geschäftspraxis“ zu bezeichnen.

    2.

    Hilfsweise: Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29 ist dahin auszulegen, dass die Anwendbarkeit der Bestimmungen dieser Richtlinie nur dann hinter andere Rechtsvorschriften der Union zurücktritt, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, wenn zwischen Ersteren und Letzteren ein Widerspruch besteht, der nicht im Wege eines Ausgleichs oder einer abgestimmten Anwendung behoben werden kann.


    ( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken im binnenmarktinternen Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2005, L 149, S. 22).

    ( 3 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (ABl. 2002, L 108, S. 51) in der durch die Richtlinie 2009/136/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 11) geänderten Fassung („Universaldienstrichtlinie“).

    ( 4 ) Neben dem Schutz vor unlauteren Unternehmenspraktiken können die Verbraucher den Schutz in Anspruch nehmen, den ihnen andere Richtlinien gewähren, wie die Richtlinien über im Fernabsatz geschlossene Verträge oder über missbräuchliche Klauseln in von ihnen geschlossenen Verträgen.

    ( 5 ) SIM ist das englische Akronym von subscriber identity module (Teilnehmer‑Identitätsmodul).

    ( 6 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. 2002, L 108, S. 33) („Rahmenrichtlinie“).

    ( 7 ) Gemäß Buchst. l derselben Bestimmung gehört zu diesen Einzelrichtlinien die Universaldienstrichtlinie.

    ( 8 ) Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).

    ( 9 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz (ABl. 1997, L 144, S. 19) in der durch die Richtlinie 2002/65/EG des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 23. September 2002 (ABl. 2002, L 271, S. 16) geänderten Fassung.

    ( 10 ) Decreto Legislativo 6 settembre 2005, n. 206. Codice del consumo, a norma dell’articolo 7 della legge 29 luglio 2003, n. 229 (Gesetzvertretendes Dekret Nr. 206 vom 6. September 2005 über das Verbrauchergesetzbuch nach Artikel 7 des Gesetzes Nr. 229 vom 29. Juli 2003, Supplemento ordinario zur GURI Nr. 235 vom 8. Oktober 2005, im Folgenden: Verbrauchergesetzbuch).

    ( 11 ) Wettbewerbs- und Marktaufsichtsbehörde (im Folgenden: AGCM).

    ( 12 ) ABl. 2004, L 364, S. 1.

    ( 13 ) Gesetzvertretendes Dekret Nr. 259 vom 1. August 2003 (GURI Nr. 214 vom 15. September 2003), durch das u. a. die Rahmenrichtlinie und die Universaldienstrichtlinie umgesetzt werden.

    ( 14 ) Kommunikationsregulierungsbehörde (im Folgenden: AGCom).

    ( 15 ) In den Vorlagebeschlüssen wird die Bezeichnung „servizi preimpostati“ für die auf der SIM-Karte vorhandenen Funktionen, die der Nutzer später durch Vornahme der für ihre Nutzung erforderlichen Handlungen aktivieren muss, verwendet. In demselben Sinne kann auch von vorinstallierten Diensten gesprochen werden.

    ( 16 ) Urteil vom 5. April 2016, PFE (C‑689/13, EU:C:2016:199, Rn. 36), nach dem ein Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist, wenn sich in Bezug auf eine Frage nach der Auslegung oder der Gültigkeit des Unionsrechts „eine Kammer eines letztinstanzlich entscheidenden Gerichts … der durch eine Entscheidung des Plenums dieses Gerichts aufgestellten Leitlinie nicht anzuschließen vermag“.

    ( 17 ) Es steht außer Zweifel, dass das in diesen Rechtsstreitigkeiten zu beurteilende Verhalten eine „Geschäftspraxis“ im Sinne von Art. 2 Buchst. d der Richtlinie 2005/29 ist. Ich halte es nicht für unerlässlich, näher auf die Gründe einzugehen, die zu dieser Beurteilung führen, denn nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs hat diese Richtlinie einen besonders weiten Anwendungsbereich, wie die von Generalanwalt Saugmandsgaard Øe in den Schlussanträgen in der Rechtssache Dyson (C‑632/16, EU:C:2018:95, Nr. 75, Fn. 23) angeführten Fälle belegen.

    ( 18 ) Vgl. Urteile vom 14. Januar 2010, Plus Warenhandelsgesellschaft (C‑304/08, EU:C:2010:12, Rn. 45), und vom 9. November 2010, Mediaprint Zeitungs- und Zeitschriftenverlag (C‑540/08, EU:C:2010:660, Rn. 34).

    ( 19 ) Obwohl Anhang I Nr. 29 der Richtlinie 2005/29 auf gewisse Handlungsweisen Bezug nimmt, die nur im Zusammenhang mit Produkten in Betracht kommen (z. B. ihre Rücksendung oder Verwahrung), können auch Dienstleistungen als Unterkategorie unter den in Art. 2 Buchst. c als „jede Ware oder Dienstleistung“ definierten Begriff Produkt fallen.

    ( 20 ) Statt aller, Urteil vom 26. Oktober 2016, Canal Digital Danmark (C‑611/14, EU:C:2016:800, Rn. 55).

    ( 21 ) In diesem Sinne wird in Rn. 40 des Urteils vom 7. September 2016, Deroo-Blanquart (C‑310/15, EU:C:2016:633), festgestellt, dass „es für einen Verbraucher von grundlegender Bedeutung ist, dass er vor Abschluss eines Vertrags über dessen Bedingungen und die Folgen des Vertragsschlusses informiert ist. Insbesondere auf der Grundlage dieser Informationen entscheidet er, ob er sich gegenüber dem Gewerbetreibenden vertraglich binden möchte, indem er sich den von diesem vorformulierten Bedingungen unterwirft (Urteil vom 30. April 2014, Kásler und Káslerné Rábai, C‑26/13, EU:C:2014:282, Rn. 70).“

    ( 22 ) Der Wortlaut der Frage des vorlegenden Gerichts ist in gewisser Hinsicht zweideutig. Nachdem der Consiglio di Stato (Staatsrat) festgestellt hat, dass die streitigen Dienste „voreingestellt sind“, nuanciert er, dass, „um diese Dienste tatsächlich nutzen zu können, … der Verbraucher jedoch die dafür erforderlichen Handlungen vornehmen“ muss, und in einer anderen Passage führt er aus, dass der Verbraucher „diese Dienste potenziell nutzen kann, ohne dafür eine Einstellung (setting) vornehmen zu müssen“. In Rn. 13.1 des Vorlagebeschlusses in der Rechtssache C‑54/17 heißt es, „der Schritt von der Voreinstellung der Dienste auf der SIM-Karte, die der Verbraucher erworben hat, zur tatsächlichen Nutzung der Dienste erfordert ein eigenständiges Tun dieses Nutzers“, ein eigenständiges Tun, das im Kontext dieser Rn. 13.1 über das Anwählen der Nummer des Anrufbeantworters oder die Handlung des Antippens von Symbolen, die den Zugang zum Internet aktivieren, hinausgeht. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diesen Umstand zu klären.

    ( 23 ) Rn. 56 und 57 der schriftlichen Erklärungen der Kommission.

    ( 24 ) Neben den Verfahren zur Aktualisierung von Hintergrundanwendungen können auch einige Ortungsfunktionen unbemerkt aktiviert werden (was darüber hinaus Risiken aus der Sicht des Rechts auf Privatsphäre in sich birgt).

    ( 25 ) Als solcher wird im Urteil vom 12. Mai 2011, Ving Sverige (C‑122/10, EU:C:2011:299, Rn. 22), der „Durchschnittsverbraucher, der angemessen gut unterrichtet und angemessen aufmerksam und kritisch ist, unter Berücksichtigung sozialer, kultureller und sprachlicher Faktoren als Maßstab“ definiert. Er beruht keinesfalls auf einer „statistischen Grundlage“, wie sich aus dem 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29 ergibt. Nach dem Urteil vom 26. Oktober 2016, Canal Digital Danmark (C‑611/14, EU:C:2016:800, Rn. 39), müssen sich „die nationalen Gerichte und Verwaltungsbehörden … bei der Beurteilung der Frage, wie der Durchschnittsverbraucher in einem gegebenen Fall typischerweise reagieren würde, auf ihre eigene Urteilsfähigkeit verlassen“.

    ( 26 ) Hervorhebung nur hier. In der mündlichen Verhandlung bestand Gelegenheit, im Zusammenhang mit den Ausführungen von Wind Tre in ihren schriftlichen Erklärungen, in deren Fn. 30 die Informationen über Preise und Tarife, die in den Prospekten der ausgelieferten Karten den Käufern bzw. den Händlern zur Verfügung gestellt werden, sowie die Verpackungen des Produkts dargestellt werden, näher auf diesen Gesichtspunkt einzugehen.

    ( 27 ) Es handelt sich um: „a) Zeitpunkt, Ort, Art oder Dauer des Einsatzes; b) die Verwendung drohender oder beleidigender Formulierungen oder Verhaltensweisen; c) die Ausnutzung durch den Gewerbetreibenden von konkreten Unglückssituationen oder Umständen von solcher Schwere, dass sie das Urteilsvermögen des Verbrauchers beeinträchtigen, worüber sich der Gewerbetreibende bewusst ist, um die Entscheidung des Verbrauchers in Bezug auf das Produkt zu beeinflussen; d) belastende oder unverhältnismäßige Hindernisse nichtvertraglicher Art, mit denen der Gewerbetreibende den Verbraucher an der Ausübung seiner vertraglichen Rechte zu hindern versucht …; e) Drohungen mit rechtlich unzulässigen Handlungen“.

    ( 28 ) Gemäß Art. 2 Buchst. j der Richtlinie 2005/29 handelt es sich um ein Verhalten, das in einer „Ausnutzung einer Machtposition gegenüber dem Verbraucher“ zur „Ausübung von Druck, auch ohne die Anwendung oder Androhung von körperlicher Gewalt, in einer Weise, die die Fähigkeit des Verbrauchers zu einer informierten Entscheidung wesentlich einschränkt“, besteht. Es reicht also nicht, den Verbraucher zu täuschen und ihn fälschlich glauben zu machen, dass er eine informierte Entscheidung trifft, sondern er muss gezwungen werden, gegen seinen Willen einen Vertrag abzuschließen.

    ( 29 ) Urteil vom 16. April 2015, UPC Magyarország (C‑388/13, EU:C:2015:225, Rn. 53).

    ( 30 ) Zehnter Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29.

    ( 31 ) Die Kommission bringt es folgendermaßen zum Ausdruck: Die Richtlinie 2005/29 „ist der wichtigste … [Unionsrechtsakt] über irreführende Werbung und sonstige unlautere Praktiken im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und Verbrauchern“, und ausgestattet mit einem „breiten Geltungsbereich … findet [sie] auf sämtliche Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern … in allen Sektoren Anwendung“ und fungiert „als Sicherheitsnetz in Fällen, die durch andere sektorspezifische Vorschriften nicht oder unzureichend geregelt sind“. Vgl. Nr. 1 der Mitteilung an das Europäische Parlament, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss über die Anwendung der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken (COM[2013] 138 final).

    ( 32 ) Zehnter Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29.

    ( 33 ) Ebd.

    ( 34 ) Hervorhebung nur hier.

    ( 35 ) Elfter Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/29: „Das hohe Maß an Konvergenz, das die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften durch diese Richtlinie hervorbringt, schafft ein hohes allgemeines Verbraucherschutzniveau. Diese Richtlinie stellt ein einziges generelles Verbot jener unlauteren Geschäftspraktiken auf, die das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers beeinträchtigen. Sie stellt außerdem Regeln über aggressive Geschäftspraktiken auf, die gegenwärtig auf [Unionsebene] nicht geregelt sind.“

    ( 36 ) Schlussanträge in der Rechtssache Dyson (C‑632/16, EU:C:2018:95, Nrn. 81 bis 85).

    ( 37 ) Ebd., Nr. 82.

    ( 38 ) Die dritte Frage betrifft die organische Dimension des Problems (also im Hinblick auf seine Auswirkungen auf die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Verwaltungsbehörden), während die siebte Frage dasselbe Problem aus der Sicht des Verhältnisses zwischen einer allgemeinen und einer sektorspezifischen Regelung anspricht. Es wird daher vorausgesetzt, dass der Grundsatz der Spezialität letztendlich für Letztere gilt.

    ( 39 ) In diesem Sinne äußert sich auch Generalanwalt Saugmandsgaard Øe in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Dyson (C‑632/16, EU:C:2018:95, Nr. 81), für den insoweit der in Art. 1 der Richtlinie 2005/29 niedergelegte Zweck („durch Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über unlautere Geschäftspraktiken, die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen, zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts und zum Erreichen eines hohen Verbraucherschutzniveaus beizutragen“) und die Festlegung des Anwendungsbereichs in ihrem Art. 3 Abs. 1 („unlautere Geschäftspraktiken … zwischen Unternehmen und Verbrauchern … während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts“) entscheidend sind.

    ( 40 ) Sie stellt daher eine eher bescheidene Ausnahme dar, die gleichzeitig mit der Bestimmung des Art. 1 Abs. 4 der Universaldienstrichtlinie im Einklang steht, wonach deren „[d]ie Endnutzerrechte betreffenden Bestimmungen … unbeschadet der … Verbraucherschutzvorschriften [der Union] [gelten], insbesondere der Richtlinien [die der Richtlinie 2005/29 vorangegangen sind]“ (Hervorhebung nur hier).

    ( 41 ) Bei diesen „Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ kann es sich nur um nationale Vorschriften handeln, denn wenn sie formell Unionsvorschriften wären, hätte die Frage keinen Sinn.

    ( 42 ) So Wind Tre und Telecom Italia in den Rn. 71 bis 75 bzw. 43 bis 50 ihrer schriftlichen Erklärungen. Telecom Italia führt aus, eine restriktive Auslegung dieses Begriffs führe zu „offenkundig nicht hinnehmbaren Ergebnissen“, wie die Unanwendbarkeit sämtlicher nationaler Bestimmungen, die konkrete Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken strenger und mit einem höheren Schutzniveau regelten als die Richtlinie 2005/29.

    ( 43 ) Urteil vom 23. April 2009, VTB-VAB und Galatea (C‑261/07 und C‑299/07, EU:C:2009:244, Rn. 52).

    ( 44 ) Mit dem Zusammentreffen beider Voraussetzungen hat sich der Gerichtshof im Urteil vom 16. Juli 2015, Abcur (C‑544/13 und C‑545/13, EU:C:2015:481, Rn. 79 bis 81), befasst.

    ( 45 ) Schlussanträge in der Rechtssache Dyson (C‑632/16, EU:C:2018:95, Nr. 91).

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