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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62017CC0047

Schlussanträge des Generalanwalts M. Wathelet vom 22. März 2018.
X und X gegen Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie.
Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Haarlem.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 und Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 – Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Kriterien und Verfahren zur Bestimmung – Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme eines Asylbewerbers – Ablehnende Antwort des ersuchten Mitgliedstaats – Ersuchen um neuerliche Prüfung – Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 – Antwortfrist – Ablauf – Wirkungen.
Verbundene Rechtssachen C-47/17 und C-48/17.

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2018:212

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

MELCHIOR WATHELET

vom 22. März 2018 ( 1 )

Verbundene Rechtssachen C‑47/17 und C‑48/17

X (C‑47/17),

X (C‑48/17)

gegen

Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie

(Vorabentscheidungsersuchen der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Haarlem [Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Haarlem, Niederlande])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EU) Nr. 604/2013 – Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist – Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 – Art. 5 Abs. 2 – Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme eines Asylbewerbers – Ablehnende Antwort des ersuchten Mitgliedstaats – Gesuch um neuerliche Prüfung – Antwortfrist – Nichtbeachtung – Konsequenzen“

I. Einführung

1.

Die vorliegenden, bei der Kanzlei des Gerichtshofs am 1. und 3. Februar 2017 eingegangenen Vorlagefragen der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Haarlem (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Haarlem, Niederlande) betreffen die Auslegung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist ( 2 ).

2.

Die Fragen wurden im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen zwei Asylbewerbern und dem Staatssecretaris van Veiligheid en Justitie (Staatssekretär für Sicherheit und Justiz, Niederlande, im Folgenden: Staatssekretär) gestellt.

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Dublin‑III-Verordnung

3.

Die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 ( 3 ) legt die Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, fest ( 4 ). In dieser Verordnung sind die folgenden Artikel relevant:

4.

Art. 3 Abs. 2:

„Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.“

5.

Art. 17 Abs. 1:

„Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

…“

6.

Art. 20 Abs. 1 und 5:

„(1)   Das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats wird eingeleitet, sobald in einem Mitgliedstaat erstmals ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.

(5)   Der Mitgliedstaat, bei dem der erste Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ist gehalten, einen Antragsteller, der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält oder dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nachdem er seinen ersten Antrag noch während des Verfahrens zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zurückgezogen hat, nach den Bestimmungen der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen, um das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zum Abschluss zu bringen.

…“

7.

Art. 21:

„(1)   Hält der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig, so kann er so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung im Sinne von Artikel 20 Absatz 2, diesen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen.

Abweichend von Unterabsatz 1 wird im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Artikel 14 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der [Dublin‑III‑]Verordnung und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT‑Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ( 5 )] dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gemäß Artikel 15 Absatz 2 jener Verordnung gestellt.

Wird das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der in Unterabsätzen 1 und 2 niedergelegten Frist unterbreitet, so ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für die Prüfung des Antrags zuständig.

(2)   Der ersuchende Mitgliedstaat kann in Fällen, in denen der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, nachdem die Einreise oder der Verbleib verweigert wurde, der Betreffende wegen illegalen Aufenthalts festgenommen wurde oder eine Abschiebungsanordnung zugestellt oder vollstreckt wurde, eine dringende Antwort anfordern.

In dem Gesuch werden die Gründe genannt, die eine dringende Antwort rechtfertigen, und es wird angegeben, innerhalb welcher Frist eine Antwort erwartet wird. Diese Frist beträgt mindestens eine Woche.

(3)   In den Fällen im Sinne der Unterabsätze 1 und 2 ist für das Gesuch um Aufnahme durch einen anderen Mitgliedstaat ein Formblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung des Antragstellers enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat gemäß den in dieser Verordnung definierten Kriterien zuständig ist.

Die [Europäische] Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Aufnahmegesuchen fest. …“

8.

Art. 22:

„(1)   Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs.

(3)   Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten die Erstellung und regelmäßige Überprüfung zweier Verzeichnisse, in denen die sachdienlichen Beweismittel und Indizien … aufgeführt sind, fest.

(6)   Beruft sich der ersuchende Mitgliedstaat auf das Dringlichkeitsverfahren …, so unternimmt der ersuchte Mitgliedstaat alle Anstrengungen, um die vorgegebene Frist einzuhalten. In Ausnahmefällen, in denen nachgewiesen werden kann, dass die Prüfung eines Gesuchs um Aufnahme eines Antragstellers besonders kompliziert ist, kann der ersuchte Mitgliedstaat seine Antwort nach Ablauf der vorgegebenen Frist erteilen, auf jeden Fall ist die Antwort jedoch innerhalb eines Monats zu erteilen. …

(7)   Wird innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß Absatz 1 bzw. der Frist von einem Monat gemäß Absatz 6 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.“

9.

Art. 23:

„(1)   Ist ein Mitgliedstaat, in dem eine Person im Sinne des Artikels 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d einen neuen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Auffassung, dass nach Artikel 20 Absatz 5 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstaben b, c oder d ein anderer Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags zuständig ist, so kann er den anderen Mitgliedstaat ersuchen, die Person wieder aufzunehmen.

(2)   Ein Wiederaufnahmegesuch ist so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung im Sinne von Artikel 9 Absatz 5 der [Eurodac‑]Verordnung … zu stellen.

Stützt sich das Wiederaufnahmegesuch auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System, ist es innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz im Sinne von Artikel 20 Absatz 2 gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten.

(3)   Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Absatz 2 festgesetzten Frist, so ist der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wurde.

(4)   Für ein Wiederaufnahmegesuch ist ein Standardformblatt zu verwenden, das Beweismittel oder Indizien im Sinne der beiden Verzeichnisse nach Artikel 22 Absatz 3 und/oder sachdienliche Angaben aus der Erklärung der betroffenen Person enthalten muss, anhand deren die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats prüfen können, ob ihr Staat auf Grundlage der in dieser Verordnung festgelegten Kriterien zuständig ist.

Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für die Erstellung und Übermittlung von Wiederaufnahmegesuchen fest. …“

10.

Art. 25:

„(1)   Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt die erforderlichen Überprüfungen vor und entscheidet über das Gesuch um Wiederaufnahme der betreffenden Person so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde. Stützt sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System, verkürzt sich diese Frist auf zwei Wochen.

(2)   Wird innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen gemäß Absatz 1 keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.“

11.

Art. 29:

„(1)   Die Überstellung des Antragstellers … aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat erfolgt gemäß den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des ersuchenden Mitgliedstaats nach Abstimmung der beteiligten Mitgliedstaaten, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese … aufschiebende Wirkung hat.

(2)   Wird die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt, ist der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet und die Zuständigkeit geht auf den ersuchenden Mitgliedstaat über. Diese Frist kann höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist.

…“

12.

Art. 37:

„(1)   Können sich die Mitgliedstaaten in Fragen, die die Anwendung dieser Verordnung betreffen, nicht einigen, können sie das Schlichtungsverfahren in Absatz 2 in Anspruch nehmen.

(2)   Das Schlichtungsverfahren wird auf Ersuchen eines der an der Meinungsverschiedenheit beteiligten Mitgliedstaaten an den Vorsitzenden des durch Artikel 44 eingesetzten Ausschusses eingeleitet. Mit der Inanspruchnahme des Schlichtungsverfahrens verpflichten sich die beteiligten Mitgliedstaaten, die vorgeschlagene Lösung weitestgehend zu berücksichtigen.

Der Ausschussvorsitzende benennt drei Mitglieder des Ausschusses, die drei nicht an der Angelegenheit beteiligte Mitgliedstaaten vertreten. Diese Ausschussmitglieder nehmen die Argumente der Parteien in schriftlicher oder mündlicher Form entgegen und schlagen nach Beratung, gegebenenfalls nach Abstimmung, binnen eines Monats eine Lösung vor.

Die vorgeschlagene Lösung ist endgültig und kann ungeachtet dessen, ob sie von den Parteien angenommen oder abgelehnt wurde, nicht angefochten werden.“

2. Verordnung Nr. 1560/2003

13.

Art. 5 der Verordnung Nr. 1560/2003 bestimmt:

„(1)   Vertritt der ersuchte Mitgliedstaat nach Prüfung der Unterlagen die Auffassung, dass sich aus ihnen nicht seine Zuständigkeit ableiten lässt, erläutert er in seiner ablehnenden Antwort an den ersuchenden Mitgliedstaat ausführlich sämtliche Gründe, die zu der Ablehnung geführt haben.

(2)   Vertritt der ersuchende Mitgliedstaat die Auffassung, dass die Ablehnung auf einem Irrtum beruht, oder kann er sich auf weitere Unterlagen berufen, ist er berechtigt, eine neuerliche Prüfung seines Gesuchs zu verlangen. Diese Möglichkeit muss binnen drei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Antwort in Anspruch genommen werden. Der ersuchte Mitgliedstaat erteilt binnen zwei Wochen eine Antwort. Durch dieses zusätzliche Verfahren ändern sich in keinem Fall die in Artikel 18 Absätze 1 und 6 und Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b) der [Dublin‑II‑]Verordnung … vorgesehenen Fristen.“

3. Richtlinie 2013/32

14.

Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ( 6 ) bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird.

Ist ein Antrag gemäß dem Verfahren nach Maßgabe der [Dublin‑III‑]Verordnung … zu behandeln, so beginnt die Sechsmonatsfrist, sobald der für die Prüfung zuständige Mitgliedstaat gemäß jener Verordnung bestimmt ist, sich der Antragsteller im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats befindet und er von der zuständigen Behörde betreut wird.

Die Mitgliedstaaten können die in dem vorliegenden Absatz festgelegte Sechsmonatsfrist um höchstens neun weitere Monate verlängern, wenn

a)

sich in tatsächlicher und/oder rechtlicher Hinsicht komplexe Fragen ergeben;

b)

eine große Anzahl von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gleichzeitig internationalen Schutz beantragt, so dass es in der Praxis sehr schwierig ist, das Verfahren innerhalb der Frist von sechs Monaten abzuschließen;

Ausnahmsweise können die Mitgliedstaaten die Fristen gemäß diesem Absatz in ausreichend begründeten Fällen um höchstens drei Monate überschreiten, wenn dies erforderlich ist, um eine angemessene und vollständige Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zu gewährleisten.“

B.   Niederländisches Recht

15.

Die relevanten Artikel der Algemene wet bestuursrecht (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz, im Folgenden: Awb) lauten wie folgt:

16.

Art. 4:17 Abs. 1:

„Wenn ein Antrag nicht rechtzeitig beschieden wird, hat die Verwaltungsbehörde dem Antragsteller für jeden Tag ihrer Untätigkeit, höchstens jedoch für 42 Tage, ein Zwangsgeld zu zahlen. …“

17.

Art. 6:2 Buchst. b:

„Für die Anwendung der Rechtsvorschriften über Klage und Widerspruch gilt der nicht rechtzeitige Erlass eines Bescheids als Erlass eines Bescheids.“

18.

Art. 6:12 Abs. 2:

„Klage kann erhoben werden, sobald … die Verwaltungsbehörde es unterlassen hat, rechtzeitig einen Bescheid zu erlassen …, und … nach dem Tag, an dem der Betroffene die Verwaltungsbehörde schriftlich zum Tätigwerden aufgefordert hat, zwei Wochen vergangen sind.“

19.

Art. 8:55b Abs. 1:

„Richtet sich die Klage gegen das Unterlassen, rechtzeitig einen Bescheid zu erlassen, entscheidet der Verwaltungsrichter in Anwendung von Art. 8:54 Awb innerhalb von acht Wochen nach Eingang der Klageschrift und Erfüllung der Voraussetzungen von Art. 6:5 Awb, es sei denn, er hält eine Untersuchung in mündlicher Verhandlung für erforderlich.“

20.

Art. 8:55c:

„Ist die Klage begründet, setzt der Verwaltungsrichter auf Antrag auch die Höhe des … geschuldeten Zwangsgelds fest. …“

21.

Gemäß Art. 8:55d Abs. 1 Awb gibt der Verwaltungsrichter, wenn die Klage begründet ist und noch kein Bescheid bekannt gegeben worden ist, der Verwaltungsbehörde auf, innerhalb von zwei Wochen nach dem Tag der Zustellung des Urteils einen Bescheid bekannt zu geben. Nach Abs. 2 setzt der Verwaltungsrichter in seinem Urteil ein weiteres Zwangsgeld für jeden Tag fest, an dem die Verwaltungsbehörde dem Urteil nicht nachkommt.

III. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

A.   Rechtssache C‑47/17

22.

Am 24. Januar 2016 stellte der Kläger des Ausgangsverfahrens, ein syrischer Staatsangehöriger, beim Staatssekretär in den Niederlanden einen Antrag auf befristete Aufenthaltsgenehmigung für Asylbewerber. Am selben Tag erhielt der Staatssekretär eine Eurodac-Treffermeldung betreffend den Kläger, wonach dieser am 22. Januar 2016 bei der Bundesrepublik Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe ( 7 ).

23.

Am 24. März 2016 stellte der Staatssekretär auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Dublin‑III-Verordnung bei den deutschen Behörden ein Wiederaufnahmegesuch für den Kläger des Ausgangsverfahrens.

24.

Am 7. April 2016 lehnten die deutschen Behörden das Wiederaufnahmegesuch ab ( 8 ).

25.

Am 14. April 2016 stellte der Staatssekretär gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 bei den deutschen Behörden einen Antrag auf neuerliche Prüfung, der unbeantwortet geblieben ist.

26.

Mit Brief vom 29. August 2016 forderte der Kläger des Ausgangsverfahrens den Staatssekretär zur Prüfung seines Antrags sowie dazu auf, die Ablehnung der deutschen Behörden vom 7. April 2016 als endgültig zu betrachten. Der Staatssekretär antwortete auf diesen Antrag nicht in der Sache.

27.

Am 14. November 2016 trat der Kläger des Ausgangsverfahrens in einen Hunger- und Durststreik.

28.

Am 17. November 2016 erhob er Klage beim vorlegenden Gericht, machte das Ausbleiben einer rechtzeitigen Entscheidung über seinen Antrag auf befristete Aufenthaltsgenehmigung für Asylbewerber geltend und beantragte, den Staatssekretär zur Zahlung eines Zwangsgeldes ab dem Tag seiner Säumnis zu verurteilen, ihn zu einer Entscheidung innerhalb einer vom Gericht festzusetzenden Frist zu verpflichten und diese Verpflichtung mit einem zusätzlichen Zwangsgeld von 100 Euro pro Tag der Verspätung zu versehen ( 9 ).

29.

Um den 23. November 2016 begann der Kläger des Ausgangsverfahrens wieder zu essen und zu trinken.

30.

Am 22. Dezember 2016 informierte der Staatssekretär das vorlegende Gericht über die Tatsache, dass der Kläger das bei den deutschen Behörden gestellte Wiederaufnahmegesuch am 14. Dezember 2016 zurückgezogen habe und dass der Asylantrag des Klägers des Ausgangsverfahrens nunmehr im Rahmen der Nederlandse Algemene Asielprocedure (allgemeines niederländisches Asylverfahren) behandelt werde.

31.

Durch Entscheidung vom 26. Januar 2017 erhielt der Kläger des Ausgangsverfahrens den Flüchtlingsstatus.

32.

Die Parteien des Ausgangsverfahrens sind darüber uneinig, ob die Frist zur Entscheidung des Staatssekretärs über den vom Kläger des Ausgangsverfahrens am 24. Januar 2016 gestellten Antrag auf befristete Aufenthaltsgenehmigung für Asylbewerber zwischenzeitlich abgelaufen war.

33.

Insoweit macht der Kläger des Ausgangsverfahrens insbesondere geltend, dass nach Ablauf der in den Art. 23 und 25 der Dublin‑III-Verordnung geregelten Fristen für das Wiederaufnahmeverfahren der zuständige Mitgliedstaat bestimmt worden sein müsse. Lehne der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Fristen das Wiederaufnahmegesuch ab, so sei ab diesem Zeitpunkt der ersuchende Mitgliedstaat zuständig. Folglich beginne die sechsmonatige Frist zur Entscheidung über den Asylantrag in diesem Moment. Da die deutschen Behörden das Wiederaufnahmegesuch am 7. April 2016 abgelehnt hätten, seien ab diesem Datum die Niederlande für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig gewesen, so dass die Frist zur Entscheidung über diesen Antrag am 7. Oktober 2016 abgelaufen sei.

34.

Dagegen habe die Frist zur Entscheidung über diesen Antrag nach Ansicht des Staatssekretärs erst am 14. Dezember 2016 begonnen, als das Königreich der Niederlande sich für seine Bearbeitung für zuständig erklärt habe.

35.

Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:

1.

Hat der ersuchte Mitgliedstaat unter Berücksichtigung von Sinn, Inhalt und Zweck der Dublin‑III-Verordnung und der Richtlinie 2013/32 innerhalb von zwei Wochen auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 zu antworten?

2.

Bei Verneinung der ersten Frage: Gilt dann unter Berücksichtigung des letzten Satzes von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Dublin‑II-Verordnung (jetzt Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung) vorgesehene Frist von höchstens einem Monat?

3.

Bei Verneinung der ersten und der zweiten Frage: Verfügt der ersuchte Mitgliedstaat aufgrund des Begriffs „bemüht sich“ in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 über eine angemessene Frist, um auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung zu antworten?

4.

Wenn der ersuchte Mitgliedstaat tatsächlich binnen einer angemessenen Frist nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung antworten muss, handelt es sich dann wie im vorliegenden Fall nach Ablauf von mehr als sechs Monaten noch um eine angemessene Frist? Bei Verneinung dieser Frage: Was hat dann als angemessene Frist zu gelten?

5.

Welche Folge ist daran zu knüpfen, wenn der ersuchte Mitgliedstaat nicht innerhalb von zwei Wochen, einem Monat oder einer angemessenen Frist auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung antwortet? Ist der ersuchende Mitgliedstaat dann zuständig, den Asylantrag des Ausländers inhaltlich zu prüfen, oder ist dies der ersuchte Mitgliedstaat?

6.

Wenn davon auszugehen ist, dass der ersuchte Mitgliedstaat für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist, weil er nicht rechtzeitig auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geantwortet hat, innerhalb welcher Frist hat dann der ersuchende Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall der Beklagte, dies dem Ausländer mitzuteilen?

B.   Rechtssache C‑48/17

36.

Am 22. September 2015 stellte der Kläger des Ausgangsverfahrens, der die eritreische Staatsangehörigkeit besitzt, in den Niederlanden einen Antrag auf befristete Aufenthaltsgenehmigung für Asylbewerber. Gemäß der Eurodac-Datenbank hatte er am 9. Juni 2015 bereits einen Antrag auf internationalen Schutz in der Schweiz gestellt.

37.

Obwohl das Vorabentscheidungsersuchen hierzu keine Informationen enthält, ergibt sich offenbar aus der nationalen Akte, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens Ende Mai 2015 über das Mittelmeer nach Italien gekommen ist, wo seine Fingerabdrücke jedoch nicht erfasst wurden. Er begab sich sodann in die Schweiz, wo er am 8. Juni 2015 ankam. Am 17. September 2015 verließ er die Schweiz und begab sich über Frankreich in die Niederlande.

38.

Am 20. November 2015 stellte der Staatssekretär bei den schweizerischen Behörden gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Dublin‑III-Verordnung ein Gesuch um Wiederaufnahme des Klägers des Ausgangsverfahrens.

39.

Am 25. November 2015 lehnten die schweizerischen Behörden diesen Antrag mit der Begründung ab, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft zuvor bei der Italienischen Republik ein Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme gestellt habe, das unbeantwortet geblieben sei, so dass die Italienische Republik ab dem 1. September 2015 für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig sei.

40.

Am 27. November 2015 stellte der Staatssekretär bei den italienischen Behörden gemäß Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Dublin‑III-Verordnung ein Gesuch um Aufnahme oder Wiederaufnahme des Klägers des Ausgangsverfahrens.

41.

Am 30. November 2015 lehnten die italienischen Behörden dieses Gesuch ab.

42.

Am 1. Dezember 2015 stellte der Staatssekretär bei den italienischen Behörden gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 einen Antrag auf neuerliche Prüfung, und am 18. Januar 2016 sandte er ein Erinnerungsschreiben an diese Behörden.

43.

Am 26. Januar 2016 gaben die italienischen Behörden dem Gesuch um Wiederaufnahme des Klägers des Ausgangsverfahrens statt ( 10 ).

44.

Mit Entscheidung vom 19. April 2016 lehnte der Staatssekretär die Prüfung des Antrags des Klägers des Ausgangsverfahrens auf befristete Aufenthaltsgenehmigung für Asylbewerber mit der Begründung ab, die Italienische Republik sei für die Bearbeitung dieses Antrags zuständig.

45.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens klagte gegen diese Entscheidung beim vorlegenden Gericht. Er beantragte außerdem bei dem für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständigen Gericht, dem Staatssekretär vorläufig zu untersagen, ihn vor Ablauf einer Frist von vier Wochen, beginnend am Tag, an dem das vorlegende Gericht über seine Klage entschieden haben wird, auszuweisen. Durch Beschluss vom 30. Juni 2016 erließ das für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zuständige Gericht die beantragte vorläufige Maßnahme.

46.

Die Parteien sind insbesondere darüber uneinig, ob der Staatssekretär für die Prüfung des vom Kläger des Ausgangsverfahrens am 22. September 2015 gestellten Antrags auf befristete Aufenthaltsgenehmigung für Asylbewerber infolge der Tatsache, dass die italienischen Behörden, nachdem sie das Aufnahme‑ oder Wiederaufnahmegesuch des Staatssekretärs erstmals zurückgewiesen hatten, den Antrag auf neuerliche Prüfung nicht innerhalb der gesetzten Frist beantwortet haben, zuständig geworden ist.

47.

Unter diesen Umständen hat das vorlegende Gericht das Verfahren ausgesetzt und den Gerichtshof um Beantwortung der folgenden Fragen ersucht:

1.

Hat der ersuchte Mitgliedstaat unter Berücksichtigung von Sinn, Inhalt und Zweck der Dublin‑III-Verordnung und der Richtlinie 2013/32 innerhalb von zwei Wochen auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 zu antworten?

2.

Bei Verneinung der ersten Frage: Gilt dann unter Berücksichtigung des letzten Satzes von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 die in Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Dublin‑II-Verordnung (jetzt Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung) vorgesehene Frist von höchstens einem Monat?

3.

Bei Verneinung der ersten und der zweiten Frage: Verfügt der ersuchte Mitgliedstaat aufgrund des Begriffs „bemüht sich“ in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 über eine angemessene Frist, um auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung zu antworten?

4.

Wenn der ersuchte Mitgliedstaat tatsächlich binnen einer angemessenen Frist nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung antworten muss, handelt es sich dann wie im vorliegenden Fall nach Ablauf von siebeneinhalb Wochen noch um eine angemessene Frist? Bei Verneinung dieser Frage: Was hat dann als angemessene Frist zu gelten?

5.

Welche Folge ist daran zu knüpfen, wenn der ersuchte Mitgliedstaat nicht innerhalb von zwei Wochen oder einer angemessenen Frist auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung antwortet? Ist der ersuchende Mitgliedstaat dann zuständig, den Asylantrag des Ausländers inhaltlich zu prüfen, oder ist dies der ersuchte Mitgliedstaat?

6.

Wenn davon auszugehen ist, dass der ersuchte Mitgliedstaat für die inhaltliche Prüfung des Asylantrags zuständig ist, weil er nicht rechtzeitig auf das Verlangen einer neuerlichen Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geantwortet hat, innerhalb welcher Frist hat dann der ersuchende Mitgliedstaat, im vorliegenden Fall der Beklagte, dies dem Ausländer mitzuteilen?

IV. Verfahren vor dem Gerichtshof

48.

Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 13. Februar 2016 ist die Rechtssache C‑47/17 mit der Rechtssache C‑48/17 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden, weil die in diesen beiden Rechtssachen von demselben Gericht gestellten Vorlagefragen im Wesentlichen identisch sind ( 11 ).

49.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑47/17, die niederländische und die ungarische Regierung, die Regierungen des Vereinigten Königreichs und der Schweizerischen Eidgenossenschaft sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen abgegeben.

50.

Mit Schreiben des Gerichtshofs vom 16. Oktober 2017 sind die in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs genannten Beteiligten gebeten worden, auf schriftliche Fragen kurz zu antworten.

51.

Die Kläger der Ausgangsverfahren in den verbundenen Rechtssachen C‑47/17 und C‑48/17, die niederländische und die deutsche Regierung sowie die Kommission haben schriftliche Antworten eingereicht.

52.

Die Kläger der Ausgangsverfahren in den verbundenen Rechtssachen C‑47/17 und C‑48/17, die niederländische und die deutsche Regierung sowie die Regierung des Vereinigten Königreichs und die Kommission haben in der mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2018 mündliche Erklärungen abgegeben.

V. Würdigung

A.   Vorbemerkungen

53.

Das dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem zugrunde liegende Prinzip des gegenseitigen Vertrauens hat den Unionsgesetzgeber dazu veranlasst, insbesondere die Dublin‑III-Verordnung zu erlassen, um die Behandlung der Anträge auf internationalen Schutz zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen, wobei all dies hauptsächlich bezweckt, die Bearbeitung der Anträge im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der teilnehmenden Staaten zu beschleunigen ( 12 ).

54.

Zweck der Dublin‑III-Verordnung ist es also gemäß ihrem Art. 1, die Kriterien und Verfahren festzulegen, die bei der Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, zur Anwendung gelangen ( 13 ).

1. Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren

55.

„[N]ach Art. 3 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung [wird] ein Asylantrag, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats stellt, grundsätzlich allein von dem nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung als zuständiger Staat bestimmten Mitgliedstaat geprüft“ ( 14 ). Art. 7 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung bestimmt, dass die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats in der in Kapitel III der Verordnung genannten Rangfolge Anwendung finden. Neben den in Kapitel III der Dublin‑III-Verordnung genannten Kriterien für die Bestimmung eines einzigen für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats schafft jedoch Kapitel VI dieser Verordnung Verfahren zur Aufnahme und Wiederaufnahme durch einen Mitgliedstaat, die – ebenso wie die in Kapitel III der Verordnung genannten Kriterien – zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beitragen ( 15 ).

56.

Die von der Dublin‑III-Verordnung geschaffenen Bestimmungen über die Verfahren der Aufnahme und Wiederaufnahme sehen eine Reihe von zwingenden Fristen sowie Konsequenzen für den Fall des Ablaufs dieser Fristen vor. Meines Erachtens liegt den in Kapitel VI der Dublin‑III-Verordnung geregelten zwingenden Fristen das Ziel der Beschleunigung der Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der beteiligten Staaten zugrunde.

57.

So sieht Art. 21 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vor, dass das Aufnahmegesuch so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Stellung des Antrags auf internationalen Schutz, unterbreitet werden muss ( 16 ). Der Unionsgesetzgeber hat die Auswirkungen des Ablaufs dieser Fristen in Art. 21 Abs. 1 Unterabs. 3 der Dublin‑III-Verordnung geregelt. Danach ist der Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig, wenn das Gesuch nicht innerhalb der genannten Fristen unterbreitet wird ( 17 ).

58.

In Rn. 62 des Urteils vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587), hat der Gerichtshof entschieden, dass sich gemäß Art. 27 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung eine Person, die internationalen Schutz beantragt, im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen eine ihr gegenüber ergangene Überstellungsentscheidung auf den Ablauf einer in Art. 21 Abs. 1 der Verordnung genannten Frist berufen kann.

59.

Außerdem verfügt der ersuchte Staat gemäß Art. 22 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung über eine Frist von zwei Monaten, um dem Aufnahmegesuch ausdrücklich stattzugeben ( 18 ). Erteilt der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der in Abs. 1 genannten Frist von zwei Monaten ( 19 ) keine Antwort auf das Gesuch, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person aufzunehmen.

60.

Gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 1 der Dublin‑III-Verordnung ist ein Wiederaufnahmegesuch so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung zu stellen. Gemäß Art. 23 Abs. 2 Unterabs. 2 derselben Verordnung ist das Wiederaufnahmegesuch, wenn es sich auf andere Beweismittel als Angaben aus dem Eurodac-System stützt, innerhalb von drei Monaten, nachdem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, an den ersuchten Mitgliedstaat zu richten. Erfolgt das Wiederaufnahmegesuch nicht innerhalb der in Abs. 2 festgesetzten Fristen, so ist gemäß Art. 23 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung der Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, in dem der neue Antrag gestellt wird.

61.

Gemäß Art. 25 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung ist, wenn der ersuchte Mitgliedstaat innerhalb der Frist von einem Monat oder der Frist von zwei Wochen, wenn sich der Antrag auf Angaben aus dem Eurodac-System stützt, keine Antwort erteilt, davon auszugehen, dass dem Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die betreffende Person wieder aufzunehmen.

62.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass wenn der ersuchte Mitgliedstaat das Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung geregelten Fristen ablehnt, die Verordnung die Wirkungen dieser Antwort nicht bestimmt ( 20 ).

63.

Insoweit sieht die Dublin‑III-Verordnung nicht vor, dass solche ablehnenden Antworten notwendig die Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zur Folge haben ( 21 ). Außerdem regelt die Dublin‑III-Verordnung unter diesen Umständen nicht die Frist, innerhalb deren der für den Antrag auf internationalen Schutz zuständige Mitgliedstaat ermittelt werden muss ( 22 ).

64.

Trotz des Fehlens dieser Angaben bin ich der Meinung, dass wenn ein Mitgliedstaat die Dublin‑III-Verordnung anwendet, der Grundsatz des Rechts auf eine gute Verwaltung und insbesondere das Recht jeder Person, dass ihre Angelegenheiten innerhalb einer angemessenen Frist behandelt werden, das einen allgemeinen Grundsatz des Unionsrechts darstellt, im Rahmen der Verfahren vor den zuständigen nationalen Behörden anwendbar ist ( 23 ). Folglich, und trotz des Fehlens einer zwingenden Frist in bestimmten Fällen, muss die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats innerhalb einer angemessenen Frist erfolgen.

2. Überstellungen

65.

In seinen Vorabentscheidungsersuchen nimmt das vorlegende Gericht mehrfach Bezug auf das in Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung geregelte System der Überstellungen und das in Art. 27 dieser Verordnung geregelte Rechtsmittel.

66.

Gemäß Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 der Dublin‑III-Verordnung erfolgt die Überstellung der betroffenen Person, sobald dies praktisch möglich ist und spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs durch einen anderen Mitgliedstaat oder der endgültigen Entscheidung über einen Rechtsbehelf oder eine Überprüfung, wenn diese aufschiebende Wirkung hat.

67.

Art. 29 Abs. 2 dieser Verordnung bestimmt, dass wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird ( 24 ), der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht. Gemäß dem Gerichtshof geht die Zuständigkeit von Rechts wegen auf den ersuchenden Mitgliedstaat über, ohne dass es erforderlich ist, dass der zuständige Mitgliedstaat die Verpflichtung zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person ablehnt ( 25 ).

68.

Art. 27 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung bestimmt, dass der Antragsteller auf internationalen Schutz das Recht auf ein wirksames Rechtsmittel gegen eine Überstellungsentscheidung in Form einer auf Sach- und Rechtsfragen gerichteten Überprüfung durch ein Gericht hat. Außerdem bestimmt Art. 27 Abs. 3 Buchst. c der Dublin‑III-Verordnung, dass wenn das nationale Recht vorsieht, dass die betreffende Person die Möglichkeit hat, bei einem Gericht eine Aussetzung der Durchführung der Überstellungsentscheidung bis zum Abschluss des Rechtsbehelfs oder der Überprüfung zu beantragen, das Gericht innerhalb einer angemessenen Frist entscheiden und seine Entscheidung, die Durchführung der Überstellungsentscheidung nicht auszusetzen, begründen muss.

69.

Was die sechsmonatige Frist betrifft, wie sie in Art. 29 Abs. 1 und 2 der Dublin‑III-Verordnung geregelt ist, ergibt sich aus Rn. 44 des Urteils vom 25. Oktober 2017, Shiri (C‑201/16, EU:C:2017:805), dass der Antragsteller über einen wirksamen und schnellen Rechtsbehelf verfügen können muss, der es ihm ermöglicht, sich auf den Ablauf dieser Frist zu berufen.

70.

Da die deutschen Behörden in der Rechtssache C‑47/17 das Gesuch des Staatssekretärs um Aufnahme oder Wiederaufnahme des Betroffenen zurückgewiesen ( 26 ) und den Antrag auf neuerliche Prüfung des Staatssekretärs nicht einmal beantwortet haben ( 27 ), scheint mir, dass angesichts des Fehlens einer Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats die Frage einer Überstellung gemäß Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung verfrüht bzw. nicht relevant ist.

71.

Ich stelle außerdem fest, dass die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen in der Rechtssache C‑48/17 festgestellt hat, dass „[d]ie niederländischen Behörden … dem Anwalt des Betroffenen am 31. März 2016 ihre Absicht mitgeteilt [haben], dessen Asylantrag nicht zu bearbeiten und ihn nach Italien zu überstellen. … Am 8. April 2016 hat der Anwalt des Betroffenen darauf hingewiesen, dass die Italienische Republik nicht am 26. Januar 2016, sondern am 1. September 2015 zuständig geworden ist. Die in Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung geregelte sechsmonatige Frist für die Überstellung war also bereits abgelaufen. … Am 27. September 2016 regt der Anwalt des Betroffenen in Ergänzung der Begründung der Klage an, dass eine Vorlagefrage für die Auslegung von Art. 5 der Verordnung Nr. 1560/2003 und von Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung nützlich wäre – es stellt sich in der Tat die Frage, inwieweit die Italienische Republik für den Asylantrag des Betroffenen zuständig ist, da nicht nachgewiesen ist, dass die Schweizerische Eidgenossenschaft die in Art. 29 geregelte sechsmonatige Frist verlängert und die Italienische Republik informiert hat, dass der Betroffene nicht von der Schweizerischen Eidgenossenschaft überstellt werden kann, weil er dieses Land mit unbekanntem Ziel verlassen hat.“

72.

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass das vorlegende Gericht keine Frage in Bezug auf Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung gestellt hat. Seine Fragen betreffen ausschließlich Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003. Daraus folgt, dass die Frage, ob die in Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung geregelten Überstellungsfristen in den verbundenen Rechtssachen C‑47/17 und C‑48/17 beachtet worden sind, dem Gerichtshof nicht vorliegt.

3. Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32

73.

Art. 31 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32 sieht vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … Anträge auf internationalen Schutz im Rahmen eines Prüfungsverfahrens [bearbeiten] …“. Außerdem bestimmt Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie, dass „[d]ie Mitgliedstaaten [sicherstellen], dass das Prüfungsverfahren innerhalb von sechs Monaten nach förmlicher Antragstellung zum Abschluss gebracht wird“. Nach dieser gleichen Vorschrift beginnt die Sechsmonatsfrist, sobald der für die Prüfung zuständige Mitgliedstaat gemäß der Dublin‑III-Verordnung bestimmt ist, sich der Antragsteller im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufhält und er von der zuständigen Behörde betreut wird.

74.

Daraus folgt, dass die Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats gemäß der Dublin‑III-Verordnung und gegebenenfalls der Überstellung des Betroffenen klar nachfolgt ( 28 ). Trotz der Festlegung bestimmter zwingender Fristen in der Dublin‑III-Verordnung können diese Bestimmung und die Überstellung jedoch ungeachtet des Erfordernisses der zügigen Bearbeitung relativ lang dauern, wenn die Aufnahme-, Wiederaufnahme und Überstellungsverfahren eingeleitet sind und wenn der Betroffene die ihm zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe oder die Überprüfung, die aufschiebende Wirkung haben, nutzt ( 29 ). Es ist also, trotz der entsprechenden Versuche des vorlegenden Gerichts, unmöglich, für diese Bestimmung abstrakt eine maximale oder auch nur eine angemessene Frist ( 30 ) zu ermitteln. Jede Sache muss im Einzelfall geprüft werden.

75.

Es ist außerdem festzustellen, dass der Gerichtshof in dem Urteil vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587, Rn. 102), hervorhebt, dass die Bestimmungen der Dublin‑III-Verordnung und der Richtlinie 2013/32 zwei verschiedene Verfahren einführen, die eigene Anforderungen aufweisen und insbesondere im Bereich der Fristen unterschiedlichen Regelungen unterliegen.

76.

In diesem Zusammenhang sind die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zum Verfahren der neuerlichen Prüfung, wie es in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geregelt ist, zu prüfen.

B.   Zur ersten Vorlagefrage

77.

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der ersuchte Mitgliedstaat in Anbetracht des Ziels, des Inhalts und der Tragweite der Dublin‑III-Verordnung und der Richtlinie 2013/32 den Antrag auf neuerliche Prüfung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 innerhalb einer zweiwöchigen Frist beantworten muss. Diese Frage ist insbesondere auf die Feststellung gerichtet, ob die Frist zur Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 für den ersuchten Mitgliedstaat eine zwingende Frist darstellt, deren Nichtbeachtung die Zuständigkeit dieses Mitgliedstaats für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zur Folge hat.

78.

Vor der Prüfung dieser Frage ist es notwendig, die Art des von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geschaffenen Verfahrens sowie seine mögliche Rechtsgrundlage zu prüfen ( 31 ).

79.

Aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1560/2003 ergibt sich, dass diese Verordnung einige praktische Modalitäten zur wirkungsvollen Durchführung der Dublin‑III-Verordnung präzisieren soll, „um die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Verordnung mit Blick auf die Übermittlung und Behandlung der Aufnahme- und Wiederaufnahmegesuche wie auch hinsichtlich Informationsersuchen und der Durchführung von Überstellungen zu erleichtern“.

80.

Wie die ungarische Regierung erklärt, hat „[d]ie Verordnung Nr. 1560/2003 … nicht den Zweck, Regeln über die Zuständigkeit aufzustellen, die die [Dublin‑III‑]Verordnung nicht enthält“ ( 32 ).

81.

In der Tat ist das von der Verordnung Nr. 1560/2003 geschaffene Verfahren der neuerlichen Prüfung nicht ausdrücklich in der Dublin‑III-Verordnung vorgesehen, die, worauf die deutsche Regierung in ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs hinweist, keinerlei ausdrückliche Ermächtigung zur Schaffung eines solchen Verfahrens enthält ( 33 ). Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 stellt selbst klar, dass das mit ihm geschaffene Verfahren ein zusätzliches Verfahren ist, dessen Ziel meiner Ansicht nach darin besteht, eine bessere Anwendung der Dublin‑III-Verordnung ( 34 ) zu ermöglichen. Dies impliziert, dass ein Antrag auf neuerliche Prüfung kein neues Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch darstellt ( 35 ). Außerdem werden die Regeln über die Bestimmung des für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats allein durch die Dublin‑III-Verordnung festgelegt ( 36 ).

82.

Gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1560/2003 muss der ersuchte Mitgliedstaat, der mit einem Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch befasst wird, in seiner ablehnenden Antwort die Gründe erläutern, und Art. 5 Abs. 2 bestimmt, dass der ersuchende Mitgliedstaat, wenn er die Auffassung vertritt, dass die Ablehnung auf einem Irrtum beruht, oder wenn er sich auf weitere Unterlagen berufen kann, berechtigt ist, eine neuerliche Prüfung seines Gesuchs zu verlangen, und dies innerhalb einer zwingenden Frist ( 37 ) von drei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Antwort ( 38 ). Die gleiche Bestimmung sieht in der französischen Sprachfassung außerdem vor, dass der ersuchte Mitgliedstaat „s’efforce [sich bemüht] ( 39 )“, binnen zwei Wochen eine Antwort zu erteilen ( 40 ).

83.

Ich füge noch zwei Überlegungen hinzu. Erstens knüpft Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 neben der Tatsache, dass nach dem Wortlaut des Textes die zweiwöchige Frist nicht zwingend ist ( 41 ), weder an die Nichtbeachtung dieser Frist noch an das Ausbleiben einer Antwort auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung eine Rechtsfolge ( 42 ). Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 sieht im Gegensatz zu Art. 22 Abs. 7 und zu Art. 25 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung nicht vor, dass der ersuchte Mitgliedstaat dazu verpflichtet ist, die betreffende Person aufzunehmen oder wiederaufzunehmen.

84.

Zweitens definiert die Dublin‑III-Verordnung nicht die Wirkungen einer ablehnenden Antwort auf ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung geregelten Fristen. Meines Erachtens begründet das in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geregelte Verfahren der neuerlichen Prüfung nur eine Konsultation oder einen strukturierten Dialog zwischen dem ersuchenden Mitgliedstaat und dem ersuchten Mitgliedstaat nach einer solchen ablehnenden Antwort, um gemäß der Dublin‑III-Verordnung die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu erleichtern und damit die Erfüllung der Ziele der Dublin‑III-Verordnung. Wenn dieses zusätzliche Verfahren innerhalb einer angemessenen Frist abgeschlossen wird und folglich nicht das Ziel der schnellen Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz im Interesse sowohl der Asylbewerber als auch der beteiligten Staaten beeinträchtigt, stellt es ein Instrument dar, das die wirksame Anwendung der Dublin‑III-Verordnung fördert. Meines Erachtens schließen der fehlende zwingende Charakter von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 ( 43 ) und sein Zweck, die Anwendung der Dublin‑III-Verordnung zu erleichtern, jeden Ungültigkeitseinwand aus.

85.

Ich bin deshalb der Meinung, dass die erste Vorlagefrage zu verneinen ist: Der ersuchte Mitgliedstaat muss sich zwar bemühen, den in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geregelten Antrag auf neuerliche Prüfung binnen zwei Wochen zu beantworten, er ist aber rechtlich nicht verpflichtet, innerhalb dieser Frist zu antworten. Außerdem knüpft Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 keinerlei Rechtsfolgen an das Ausbleiben einer Antwort auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung innerhalb dieser Frist.

C.   Zur zweiten Vorlagefrage

86.

Mit seiner zweiten Frage, die für den Fall gestellt wird, dass die erste Frage verneint wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob in Anbetracht von Art. 5 Abs. 2 letzter Satz der Verordnung Nr. 1560/2003 die in Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung geregelte maximale Frist von einem Monat anzuwenden ist.

87.

Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 sieht eine zwingende Frist von drei Wochen für die Stellung eines Antrags auf neuerliche Prüfung und eine wünschenswerte Frist von zwei Wochen für seine Beantwortung vor. Es ist darauf hinzuweisen, dass der letzte Satz dieser Bestimmung vorsieht, dass die in Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung geregelten Fristen ( 44 ) unter keinen Umständen durch das in ihm geregelte „zusätzliche“ Verfahren erneut ausgelöst oder geändert werden.

88.

Das Verfahren der neuerlichen Prüfung ist klar zu unterscheiden von den in der Dublin‑III-Verordnung geregelten Verfahren der Aufnahme und der Wiederaufnahme und hat keinerlei Auswirkung auf die von den Bestimmungen dieser Verordnung geregelten Fristen.

89.

In Anbetracht dieser klaren Unterscheidung bin ich der Meinung, dass die in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geregelten Fristen insbesondere nicht durch das in Art. 25 der Dublin‑III-Verordnung geregelte Verfahren der Wiederaufnahme geändert werden ( 45 ). Die in Art. 25 der Dublin‑III-Verordnung geregelten Fristen sind also auf das durch Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geschaffene Verfahren der neuerlichen Prüfung nicht übertragbar.

90.

Ich bin deshalb der Meinung, dass die zweite Vorlagefrage zu verneinen ist: Die in Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung geregelte maximale Frist von einem Monat ist im Rahmen des in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geregelten Verfahrens der neuerlichen Prüfung nicht anwendbar.

D.   Zur dritten und zur vierten Vorlagefrage

91.

Mit seiner dritten Frage, die für den Fall gestellt wird, dass die zweite Frage bejaht wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der ersuchte Mitgliedstaat über eine angemessene Frist für die Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung verfügt. Mit der vierten Frage, die für den Fall gestellt wird, dass die dritte Frage verneint wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine Dauer von siebeneinhalb Wochen ( 46 ) oder von sechs Monaten ( 47 ) eine angemessene Dauer darstellt. Für den Fall der Verneinung der vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, was eine angemessene Frist ist.

92.

In Anbetracht ihrer Konnexität halte ich es für zweckmäßig, diese beiden Fragen zusammen zu prüfen.

93.

Nach Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 muss sich der ersuchte Mitgliedstaat bemühen, einen Antrag auf neuerliche Prüfung binnen zwei Wochen zu beantworten. Mit dieser Ermahnung wird der ersuchte Mitgliedstaat aufgefordert, im Geiste der Kooperation zu handeln, damit der zuständige Mitgliedstaat schnell ermittelt werden kann ( 48 ). Es liegt auf der Hand, dass wenn der ersuchte Mitgliedstaat diese unverbindliche Frist nicht einhält, er einen Antrag auf neuerliche Prüfung gleichwohl innerhalb angemessener Frist beantworten muss, um nicht das Ziel der schnellen Bestimmung des für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats zu beeinträchtigen und um den Grundsatz der guten Verwaltung und den Grundsatz der Effizienz zu beachten.

94.

Folglich kann, was eine angemessene Frist im Rahmen der Anwendung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 darstellt, nicht im Vorhinein festgelegt werden, sondern muss von Fall zu Fall unter Beachtung des Ziels einer zügigen Bearbeitung, das den roten Faden der Dublin‑III-Verordnung bildet, nach den besonderen Umständen ( 49 ) des Falles beurteilt werden ( 50 ). Da diese Prüfung eine tatsächliche Bewertung der Umstände des Einzelfalls erfordert, bin ich der Meinung, dass es dem vorlegenden Gericht obliegt, im konkreten Fall unter Beachtung aller sachbezogenen Umstände ( 51 ) zu beurteilen, ob der ersuchte Mitgliedstaat bei der Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung eine angemessene Frist eingehalten hat. Dagegen impliziert, wie sich aus meiner Antwort auf die fünfte und die sechste Vorlagefrage ergeben wird, das Ausbleiben einer Antwort auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung innerhalb einer angemessenen Frist, dass der ersuchende Mitgliedstaat die Verantwortung für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz übernehmen muss ( 52 ).

95.

Es ist jedoch daran zu erinnern, dass Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 an die Nichtbeachtung der Frist von zwei Wochen ebenso wie einer angemessenen Frist keinerlei Rechtsfolge für den ersuchten Mitgliedstaat knüpft.

96.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass auf die dritte und die vierte Vorlagefrage zu antworten ist, dass der ersuchte Mitgliedstaat sich darum bemühen muss, einen Antrag auf neuerliche Prüfung in einer Frist von zwei Wochen, jedenfalls aber in einer angemessenen Frist zu beantworten. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu bestimmen, ob die vom ersuchten Mitgliedstaat benötigte Frist angemessen war.

E.   Zur fünften und zur sechsten Vorlagefrage

1. Argumente

97.

Mit seiner fünften und sechsten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, welche Folgen das Ausbleiben einer Antwort des ersuchten Mitgliedstaats auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung hat, und insbesondere, ob in diesem Fall der ersuchende Mitgliedstaat oder der ersuchte Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist.

98.

Der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑47/17 ist der Meinung, dass wenn der ersuchte Mitgliedstaat nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen antwortet ( 53 ) oder nicht antwortet, der ersuchende Mitgliedstaat endgültig für die Bearbeitung des Asylantrags zuständig wird. Er ist der Meinung, dass „[i]n Anbetracht der Tatsache, dass die Folgen einer verspäteten Entscheidung über ein erstes Wiederaufnahmegesuch ausdrücklich in Art. 25 Abs. 2 der [Dublin‑III‑]Verordnung geregelt sind, … diese Bestimmung nicht implizit auf das Verfahren der neuerlichen Prüfung anwendbar sein [kann]. Folglich ist … zu schließen, dass, weil die Übertragung der Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat extrem radikal ist, nur eine ausdrückliche Bestimmung eine solche Übertragung vorsehen kann. In Ermangelung einer besonderen Bestimmung, nach der im Rahmen eines Antrags auf neuerliche Prüfung das Ausbleiben einer Antwort die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats zur Folge hätte, bleibt der ersuchende Mitgliedstaat zuständig. Außerdem [stellt er] fest, dass es einen fundamentalen Unterschied zwischen diesen beiden Verfahren gibt. Im Fall eines Verfahrens zur neuerlichen Prüfung existiert bereits eine ausdrückliche Ablehnung des Wiederaufnahmegesuchs, die die Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats begründet. Nur eine positive Antwort auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung (binnen angemessener Frist) kann gleichwohl die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats begründen.“

99.

In seinen Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs vertritt der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑48/17 ( 54 ) die Ansicht, dass im Fall einer ablehnenden Antwort des ersuchten Mitgliedstaats auf ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch der ersuchende Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei. Dass der ersuchte Mitgliedstaat später seine Meinung ändere und nun bereit sei, die betreffende Person aufzunehmen oder wieder aufzunehmen, könne die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz nicht ändern ( 55 ). Der für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständige Mitgliedstaat werde, je nach Fall, spätestens zweieinhalb Monate, dreieinhalb Monate, vier Monate oder fünf Monate nach Stellung des Antrags auf Schutz bestimmt. Gemäß Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 müsse das Prüfverfahren binnen sechs Monaten beendet sein. Außerdem könne das Verfahren der neuerlichen Prüfung nach Ablauf der in Art. 22 Abs. 1 und 6 sowie Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Fristen nicht mehr zur Anwendung kommen.

100.

Das mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 eingeführte zusätzliche Prüfverfahren sei nicht aufgrund von Art. 21 Abs. 3, Art. 23 Abs. 3, Art. 23 Abs. 4 oder Art. 24 Abs. 5 der Dublin‑III-Verordnung erlassen worden, die in der Präambel der Verordnung Nr. 1560/2003 als Rechtsgrundlage angeführt seien. „Da die Kommission nach der Dublin‑III-Verordnung nicht dafür zuständig ist, ein erneutes Prüfverfahren einzuführen, ist Art. 5 Abs. 2 der Verordnung [Nr. 1560/2003] wegen Verstoßes gegen die Art. 290 und 291 AEUV ungültig.“ Diese Bestimmung sei auch aus dem weiteren Grund ungültig, dass das darin vorgesehene erneute Prüfverfahren dem im fünften Erwägungsgrund der Dublin‑III-Verordnung ( 56 ) genannten Ziel sowohl der Erforderlichkeit eines effektiven Schutzes des Asylrechts als auch des jedermann zustehenden Rechts, dass seine Angelegenheiten unparteiisch, fair und binnen angemessener Frist behandelt werden, zuwiderlaufe. Schließlich könne das Schlichtungsverfahren nach Art. 37 der Dublin‑III-Verordnung keine Anwendung finden, um Meinungsverschiedenheiten im konkreten Fall eines individuellen Antragstellers, der internationalen Schutz beantrage, beizulegen.

101.

Nach Ansicht der niederländischen Regierung „wird [der ersuchte Mitgliedstaat], wenn er den Antrag auf neuerliche Prüfung nicht rechtzeitig beantwortet, nicht zuständiger Mitgliedstaat“. „Aus dem Fehlen der Erwähnung einer solchen klaren Konsequenz in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung [Nr. 1560/2003] folgt, dass der ersuchte Mitgliedstaat im Fall der Überschreitung der Antwortfrist nicht für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig wird.“„Ebenso wenig wird der ersuchende Mitgliedstaat unmittelbar der zuständige Mitgliedstaat, wenn der ersuchte Mitgliedstaat nicht innerhalb der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung [Nr. 1560/2003] geregelten Frist antwortet. Weder die Verordnung [Nr. 1560/2003] noch die [Dublin‑III‑]Verordnung stellen klar, dass der ersuchende Mitgliedstaat im Fall einer Überschreitung der Frist zur Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung zuständig ist.“

102.

Die gleiche Regierung ist der Meinung, dass sich aus dem von der Dublin‑III-Verordnung geschaffenen System ergibt, dass „die Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats nicht notwendig aus der Überschreitung der in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung [Nr. 1560/2003] geregelten Frist folgt. Der ersuchende Mitgliedstaat verfügt über andere Optionen, wenn der ersuchte Mitgliedstaat den Antrag auf neuerliche Prüfung nicht annimmt. … [D]er ersuchende Mitgliedstaat kann, z. B. aufgrund neu erlangter Informationen, zu dem Schluss kommen, dass noch ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist … Dies war der Fall in der Rechtssache C‑48/17, in der die niederländischen Behörden in Italien auf der Grundlage von Informationen, die sie von den schweizerischen Behörden in Beantwortung eines Wiederaufnahmegesuchs erhalten haben, ein Wiederaufnahmegesuch gestellt haben. Auch können neue Informationen, die auf die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats hinweisen, noch im Laufe des Verfahrens zur neuerlichen Prüfung auftauchen. … Der ersuchende Mitgliedstaat muss zunächst auf der Grundlage der in der [Dublin‑III‑]Verordnung genannten Kriterien feststellen, dass kein zuständiger Mitgliedstaat ermittelt werden kann, oder dass die Überstellung in den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt worden ist, unmöglich ist. Erst in diesem Moment wird der Mitgliedstaat, der den zuständigen Mitgliedstaat ermittelt, zuständiger Mitgliedstaat (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 3 der [Dublin‑III‑]Verordnung)“.

103.

Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist der Meinung, dass „[d]ie Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung erfolgt, nachdem die Frage der Zuständigkeit für die Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz bereits beantwortet ist. Per Definition hat der ersuchte Mitgliedstaat das Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch bereits zurückgewiesen, was die Zuständigkeit des ersuchenden Mitgliedstaats zur Folge hat. Das sogenannte ‚Dublin‑III‘-System hat also das angestrebte Ziel, das in der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats besteht, erreicht. Das in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung [Nr. 1560/2003] geregelte Verfahren der neuerlichen Prüfung sieht die Möglichkeit des ersuchenden Mitgliedstaats vor, die Entscheidung des ersuchten Mitgliedstaats anzugreifen, jedoch, und dieser Punkt ist entscheidend, in einem Zusammenhang, in dem die Zuständigkeit bereits feststeht.“

104.

Nach Ansicht der ungarischen Regierung ist, „[w]enn ein Mitgliedstaat einen Antrag auf neuerliche Prüfung eines Wiederaufnahmegesuchs nicht beantwortet, … es die ausdrücklich oder implizit auf das erste Wiederaufnahmegesuch gegebene Antwort, die die Bestimmung des für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats ermöglicht. Antwortet der ersuchte Mitgliedstaat nicht innerhalb der Frist von einem Monat oder von zwei Wochen auf das Wiederaufnahmegesuch, so impliziert gemäß Art. 25 der [Dublin‑III‑]Verordnung das Ausbleiben einer Antwort die Annahme des genannten Gesuchs sowie die Pflicht des ersuchten Mitgliedstaats zur Wiederaufnahme. Es versteht sich jedoch von selbst, dass eine ablehnende Antwort nicht die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats zur Folge hat.“

105.

Die Kommission ist gemäß ihrer Antwort auf die zweite Vorlagefrage der Meinung, dass „eine unangemessen lange Zeit, die der ersuchte Mitgliedstaat für die Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung benötigt hat, nicht einen Übergang der Zuständigkeit zur Folge haben kann“. Sie ist der Meinung, dass „unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑47/17 für den ersuchten Mitgliedstaat keine Rechtsfolge an die Tatsache geknüpft ist, dass er den Antrag auf neuerliche Prüfung nicht innerhalb einer Frist von zwei Wochen oder innerhalb einer angemessenen Frist beantwortet, weil dieser Mitgliedstaat das Wiederaufnahmegesuch innerhalb der in Art. 25 Abs. 1 der [Dublin‑III‑]Verordnung geregelten Frist bereits abgelehnt hat und anschließend kein automatischer Übergang der Zuständigkeit auf den ersuchten Mitgliedstaat aufgrund der vergangenen Zeit erfolgt. Unter Umständen wie jenen des Ausgangsverfahrens findet auch auf der Grundlage der [Dublin‑III‑]Verordnung oder der Verordnung Nr. 1560/2003 kein Übergang der Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat statt: In der Rechtssache C‑48/17 war die Zuständigkeit bereits auf der Grundlage einer stillschweigenden Annahme eines Aufnahmegesuchs begründet worden, während unter Umständen wie jenen der Rechtssache C‑47/17 der ersuchende Mitgliedstaat eine Eurodac-Treffermeldung als zuverlässigen Beweis dafür werten durfte, dass der ersuchte Mitgliedstaat als Mitgliedstaat des ersten Asylantrags zuständig ist.“

106.

Nach Ansicht der Kommission waren, „[a]nders als das vorlegende Gericht anzunehmen scheint, … die niederländischen Behörden nicht dazu verpflichtet, sich nach Ablauf der unverbindlichen Frist von zwei Wochen, die dem ersuchten Mitgliedstaat für die Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung auferlegt ist, unmittelbar für zuständig zu erklären. Die Niederlande haben in keiner Weise unvernünftig gehandelt, indem sie mehrere Monate abgewartet haben, dass die deutschen Behörden das Problem, … das die Anträge auf neuerliche Prüfung ihnen bereiteten, lösen. Die Niederlande haben sich schließlich am 14. Dezember 2016 für zuständig erklärt, was auf Art. 3 Abs. 1 oder auf Art. 17 der Dublin‑III-Verordnung gestützt werden kann.“

107.

In ihren Antworten auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs ist die deutsche Regierung der Auffassung, dass „[d]ie ablehnende Antwort des ersuchten Mitgliedstaats innerhalb der in den Art. 22 Abs. 1, Abs. 6 sowie Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung vorgesehenen Fristen … grundsätzlich zur Folge [hat], dass der ersuchende Mitgliedstaat zuständig wird. Diese Zuständigkeit entsteht mit Eingang der Ablehnung beim ersuchenden Mitgliedstaat.“ Sie fügt hinzu, dass wenn „der ersuchte Mitgliedstaat nicht innerhalb der in Art. 5 Abs. 2 der Durchführungsverordnung vorgesehenen Frist von zwei Wochen [antwortet], … dies … nicht den Übergang der Zuständigkeit auf den ersuchten Mitgliedstaat zur Folge [hat]. Der ersuchende Mitgliedstaat bleibt zuständig. Ist es nicht mehr möglich, den ersuchten Mitgliedstaat bei Vorliegen neuer Umstände erneut um Aufnahme oder Wiederaufnahme zu ersuchen …, so begründet das Datum der Ablehnung einer neuerlichen Prüfung oder der erfolglose Ablauf der Antwortfrist des Art. 5 Abs. 2 der [Verordnung Nr. 1560/2003] das Ende des Verfahrens einer neuerlichen Prüfung und setzt damit die Bearbeitungsdauer des Art. 31 Abs. 3 der [Richtlinie 2013/32] in Gang.“

2. Würdigung

108.

Ich bin der Meinung, dass in Anbetracht der Tatsache, dass Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung die rechtlichen Wirkungen einer ablehnenden Antwort des um Aufnahme oder Wiederaufnahme ersuchten Mitgliedstaats nicht regeln, der ersuchende Mitgliedstaat in diesem Moment nicht automatisch für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig wird ( 57 ).

109.

Unter der Voraussetzung, dass die in den Art. 21 und 23 der Dublin‑III-Verordnung geregelten zwingenden Fristen eingehalten werden, kann nämlich der ersuchende Mitgliedstaat noch ein neues Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch bei einem vom ersten ersuchten Mitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat stellen, das möglicherweise zur Zuständigkeit dieses letzteren Mitgliedstaats für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz führen könnte.

110.

Außerdem kann der ersuchende Mitgliedstaat, wenn er der Meinung ist, dass die Ablehnung auf einem Irrtum beruht, oder wenn er sich auf weitere Unterlagen berufen kann ( 58 ), binnen drei Wochen nach Erhalt dieser Antwort gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 eine neuerliche Prüfung seines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs beantragen.

3. Ausdrückliche Annahme der Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz durch den Mitgliedstaat

111.

Ich bin außerdem der Meinung, dass, unter der Voraussetzung, dass die in der Dublin‑III-Verordnung und insbesondere in ihrem Kapitel III genannten Kriterien für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats beachtet werden, der gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 ersuchte Mitgliedstaat für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, wenn er diese Zuständigkeit ausdrücklich innerhalb einer angemessenen Frist ( 59 ) unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls ( 60 ) annimmt.

112.

Es stellt sich damit die Frage, was eine angemessene Frist für die Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung ist. Wie ich bereits oben in den Nrn. 94 bis 96 dieser Schlussanträge erklärt habe, ist es meines Erachtens unmöglich, im Vorhinein und abstrakt zu definieren, was eine angemessene Frist ist. Im Interesse der Rechtssicherheit ist es jedoch zweckmäßig, dem nationalen Gericht hierzu einige Hinweise ( 61 ) zu geben.

113.

Da der ersuchte Mitgliedstaat das Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch bereits abgelehnt hat und der Antrag auf neuerliche Prüfung in einer unverbindlichen Frist von zwei Wochen beantwortet werden muss, bin ich der Meinung, dass der ersuchende Mitgliedstaat im Fall der Nichtbeantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung, der dieselbe Person betrifft, in einem Zeitraum von mehr als einem Monat, wobei diese Frist unter besonderen Umständen bis zu zwei Monate betragen kann, die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz übernehmen muss. Wenn der ersuchte Mitgliedstaat aber diese Zuständigkeit innerhalb angemessener Frist ausdrücklich annimmt, wird er für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

114.

Insoweit erinnere ich daran, dass die italienischen Behörden in der Rechtssache C‑48/17 nach einem Antrag des Staatssekretärs auf neuerliche Prüfung vom 1. Dezember 2015 und einer Erinnerung vom 18. Januar 2016 am 26. Januar 2016, also innerhalb einer Frist von weniger als zwei Monaten nach Stellung des Antrags, die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz der betreffenden Person angenommen haben.

115.

Auch wenn es dem vorlegenden Gericht obliegt, zu prüfen, ob der Staatssekretär unter den besonderen Umständen des Einzelfalls mit der erforderlichen Zügigkeit gehandelt hat, scheint es mir, dass wenn der ersuchte Mitgliedstaat seine Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz ausdrücklich annimmt, wie es in dieser Rechtssache der Fall ist, der ersuchende Mitgliedstaat die betreffende Person jedenfalls so schnell wie möglich darüber informieren muss.

116.

Die niederländischen Behörden sollen den Anwalt des Klägers des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑48/17 am 31. März 2016 über ihre Absicht informiert haben, seinen Antrag auf internationalen Schutz nicht zu bearbeiten und an Italien abzugeben, also mehr als zwei Monate nach der Annahme der Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz durch die italienischen Behörden am 26. Januar 2016.

117.

Vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht scheint mir, dass die niederländischen Behörden insoweit nicht mit der erforderlichen Zügigkeit gehandelt haben. Es obliegt gegebenenfalls dem vorlegenden Gericht, die im nationalen Recht vorgesehenen Sanktionen gegebenenfalls anzuwenden.

4. Ausbleiben einer Antwort des ersuchten Mitgliedstaats auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung

118.

Da Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 keinerlei Rechtsfolge an das Ausbleiben einer Antwort des ersuchten Mitgliedstaats auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung innerhalb einer angemessenen Frist knüpft, steht das Ausbleiben einer Antwort der Annahme der Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz durch diesen Mitgliedstaat nicht gleich.

119.

Wenn der ersuchte Mitgliedstaat auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung innerhalb angemessener Frist nicht antwortet ( 62 ) oder es ablehnt, die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz anzunehmen ( 63 ), so ist meines Erachtens der ersuchende Mitgliedstaat für diese Prüfung zuständig ( 64 ) und dazu verpflichtet, die betreffende Person hierüber so schnell wie möglich zu informieren, da sie sich anderenfalls in einer Art rechtlichem Vakuum befindet ( 65 ), in dem weder der ersuchende Mitgliedstaat noch der ersuchte Mitgliedstaat für die Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz zuständig wären. Eine solche Situation wäre im Rahmen des „Dublin‑III-Systems“, das durch die Notwendigkeit charakterisiert ist, bei der Bestimmung des für die Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats die Rechtssicherheit zu gewährleisten, und das dabei Zügigkeit vorschreibt, vollkommen inakzeptabel.

120.

In der Rechtssache C‑47/17 ist festzustellen, dass zwischen dem Antrag auf neuerliche Prüfung des Staatssekretärs bei den deutschen Behörden am 14. April 2016 und dem 14. Dezember 2016, an dem sich das Königreich der Niederlande schließlich für die Bearbeitung des Antrags auf internationalen Schutz für zuständig erklärt hat ( 66 ), weil die deutschen Behörden auf den Antrag auf neuerliche Prüfung nicht geantwortet hatten ( 67 ), acht Monate vergangen sind.

121.

Ich bin, vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht, der Meinung, dass diese Frist unverhältnismäßig ist und selbst dann nicht gerechtfertigt sein kann und mit einer im nationalen Recht vorgesehenen Geldstrafe sanktioniert werden muss, wenn die Mitgliedstaaten mit einem Ansturm von Personen, die internationalen Schutz beantragen, konfrontiert sind.

122.

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die fünfte und die sechste Vorlagefrage wie folgt beantwortet werden müssen:

Da die Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung die Rechtsfolgen einer ablehnenden Antwort des ersuchten Mitgliedstaats auf ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch nicht definieren, wird der ersuchende Mitgliedstaat nicht automatisch in diesem Moment zuständig für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz;

wenn die in den Art. 21 und 23 der Dublin‑III-Verordnung geregelten zwingenden Fristen eingehalten werden, kann der ersuchende Mitgliedstaat noch ein neues Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch bei einem vom ersten ersuchten Mitgliedstaat verschiedenen Mitgliedstaat stellen, das möglicherweise zur Zuständigkeit dieses letzteren Mitgliedstaats für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz führen könnte;

akzeptiert der Mitgliedstaat, an den, nachdem innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung geregelten Fristen ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch abgelehnt wurde, ein Gesuch um neuerliche Prüfung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 gerichtet wird, ausdrücklich innerhalb angemessener Frist die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz, so ist er für diese Prüfung zuständig und muss die betreffende Person hierüber so schnell wie möglich informieren;

wenn der ersuchte Mitgliedstaat den Antrag auf neuerliche Prüfung dagegen nicht in angemessener Frist beantwortet, oder wenn er die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz ablehnt, wäre der ersuchende Mitgliedstaat für diese Prüfung zuständig und muss die betreffende Person hierüber so schnell wie möglich informieren.

VI. Ergebnis

123.

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, auf die von der Rechtbank Den Haag, zittingsplaats Haarlem (Bezirksgericht Den Haag, Sitzungsort Haarlem, Niederlande) gestellten Vorlagefragen wie folgt zu antworten:

Der ersuchte Mitgliedstaat muss sich zwar darum bemühen, den in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 der Kommission vom 2. September 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist, geregelten Antrag auf neuerliche Prüfung innerhalb einer Frist von zwei Wochen zu beantworten, ist aber rechtlich nicht dazu verpflichtet, innerhalb dieser Frist zu antworten. Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 knüpft außerdem keine Rechtsfolge an das Ausbleiben einer Antwort auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung innerhalb dieser Frist.

Die in Art. 25 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, geregelte maximale Frist von einem Monat ist im Rahmen des in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geregelten Verfahrens der neuerlichen Prüfung nicht anwendbar.

Der ersuchte Mitgliedstaat muss sich darum bemühen, einen Antrag auf neuerliche Prüfung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 innerhalb einer Frist von zwei Wochen und jedenfalls innerhalb angemessener Frist zu beantworten. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände zu beurteilen, ob die Frist, die der ersuchte Mitgliedstaat benötigt hat, angemessen war.

Da Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013 nicht die Rechtsfolgen einer ablehnenden Antwort des ersuchten Mitgliedstaats auf ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch festlegen, wird der ersuchende Mitgliedstaat nicht mit der Ablehnung automatisch zuständig für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz. Sofern die in den Art. 21 und 23 der Verordnung Nr. 604/2013 geregelten zwingenden Fristen eingehalten werden, kann der ersuchende Mitgliedstaat noch ein neues Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch bei einem anderen Mitgliedstaat als dem ersten ersuchten Mitgliedstaat stellen, das gegebenenfalls zu dessen Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz führen kann. Akzeptiert der Mitgliedstaat, an den, nachdem innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Verordnung Nr. 604/2013 geregelten Fristen ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch abgelehnt wurde, ein Gesuch um neuerliche Prüfung gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 gerichtet wird, ausdrücklich innerhalb angemessener Frist die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz, so ist er für diese Prüfung zuständig und muss die betreffende Person hierüber so schnell wie möglich informieren. Antwortet der ersuchte Mitgliedstaat dagegen nicht innerhalb angemessener Frist auf den Antrag auf neuerliche Prüfung oder lehnt er die Zuständigkeit für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz ab, ist der ersuchende Mitgliedstaat für diese Prüfung zuständig und muss die betreffende Person hierüber so schnell wie möglich informieren.


( 1 ) Originalsprache: Französisch.

( 2 ) ABl. 2003, L 222, S. 3. Die Verordnung Nr. 1560/2003 wurde geändert insbesondere durch die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 118/2014 der Kommission vom 30. Januar 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2014, L 39, S. 1). Art. 5 der Verordnung Nr. 1560/2003 wurde nicht geändert.

( 3 ) Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. 2013, L 180, S. 31, im Folgenden: Dublin‑III-Verordnung).

( 4 ) Die Dublin‑III-Verordnung hat die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. 2003, L 50, S. 1, im Folgenden: Dublin‑II-Verordnung) aufgehoben und ersetzt.

( 5 ) ABl. 2013, L 180, S. 1, im Folgenden: Eurodac-Verordnung. Das Eurodac-System besteht aus einem Zentralsystem, das insbesondere als eine automatisierte Zentraldatenbank für Fingerabdruckdaten, die ein wichtiges Element für die Feststellung der genauen Identität von Personen, die internationalen Schutz beantragen, und von Personen, die beim illegalen Überschreiten der Außengrenzen der Europäischen Union aufgegriffen wurden, darstellen, betrieben wird, und elektronischen Einrichtungen für die Datenübertragung zwischen den Mitgliedstaaten und dem Zentralsystem. Eines der wesentlichen Ziele des Eurodac-Systems ist die wirksame Anwendung der Dublin‑III-Verordnung. Die Eurodac-Datenbank wurde geschaffen, damit „jeder Mitgliedstaat in Erfahrung bringen kann, ob ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der sich illegal in seinem Hoheitsgebiet aufhält, bereits in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat“. Vgl. Erwägungsgründe 4 bis 6 der Eurodac-Verordnung. Gemäß Art. 9 Abs. 1 der Eurodac-Verordnung „[nimmt j]eder Mitgliedstaat … jeder Person, die internationalen Schutz beantragt und mindestens 14 Jahre alt ist, umgehend den Abdruck aller Finger ab und übermittelt die Fingerabdruckdaten … so bald wie möglich, spätestens aber 72 Stunden nach Antragstellung gemäß Artikel 20 Absatz 2 der [Dublin‑III‑]Verordnung … an das Zentralsystem“.

( 6 ) ABl. 2013, L 180, S. 60.

( 7 ) In ihren schriftlichen Erklärungen vertritt die Kommission die Meinung, der Kläger des Ausgangsverfahrens habe keinen Antrag auf internationalen Schutz bei der Bundesrepublik Deutschland gestellt. Sie stellt fest, dass „[e]in Brief des Anwalts des Betroffenen an die niederländischen Behörden … einen Brief des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: BAMF) vom 4. Juli 2016 [erwähnt], dem zu entnehmen sei, dass die Fingerabdrücke aller Ausländer, die nach Deutschland einreisen, erhoben würden, und dass sie alle in der ‚Kategorie 1‘ des Eurodac-Systems erfasst würden – jene von Asylbewerbern, die von Personen, die beim illegalen Überschreiten der Außengrenzen der Union aufgegriffen wurden, zu unterscheiden seien –, unabhängig davon, ob tatsächlich ein Asylantrag gestellt wurde oder nicht. Diese Umstände der Erfassung hätten zwischenzeitlich zur Folge gehabt, dass die deutschen Behörden, wie im vorliegenden Fall, Anträge der niederländischen Behörde zurückgewiesen hätten, weil kein Asylantrag gestellt worden war“ (vgl. Nr. 8 dieser Erklärungen).

( 8 ) Laut der Kommission hätten die deutschen Behörden „zunächst ablehnend geantwortet, um die in Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung geregelte Antwortfrist einzuhalten. Die Antwort erforder[e] eine vertiefte Prüfung in Deutschland, über die [die niederländischen Behörden] unaufgefordert informiert werden würden“ (vgl. Nr. 5 ihrer schriftlichen Erklärungen).

( 9 ) In der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2018 hat der Anwalt des Klägers des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑47/17 bestätigt, dass unter dem Zwangsgeld ein Betrag zu verstehen ist, der, auch für die Vergangenheit, für jeden Tag der Überschreitung der Frist für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu zahlen ist.

( 10 ) Obwohl sich aus der Akte zu ergeben scheint, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, so dass es sich vorliegend um eine Aufnahme (und nicht um eine Wiederaufnahme) handeln würde, nimmt der Bescheid über die Annahme der Überstellung der italienischen Behörden auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b der Dublin‑III-Verordnung Bezug. Ich stelle außerdem fest, dass nach der Kommission am „8. April 2016 der Anwalt des Betroffenen darauf hingewiesen [habe], dass Italien nicht am 26. Januar 2016, sondern am 1. September 2015 zuständig geworden [sei]. Die in Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung geregelte Frist von sechs Monaten für die Überstellung ist also bereits abgelaufen gewesen“ (vgl. Nr. 23 der schriftlichen Erklärungen der Kommission).

( 11 ) Die Worte „mehr als sechs Monaten“ in der vierten Frage in der Rechtssache C‑47/17 wurden in der Rechtssache C‑48/17 durch die Worte „siebeneinhalb Wochen“ ersetzt, und die Worte „einem Monat“ in der fünften Frage in der Rechtssache C‑47/17 fehlen im ersten Satz der fünften Frage in der Rechtssache C‑48/17.

( 12 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Dezember 2013, Abdullahi (C‑394/12, EU:C:2013:813, Rn. 53 und 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). Hervorhebung nur hier.

( 13 ) Aus dem vierten Erwägungsgrund der Dublin‑III-Verordnung ergibt sich, dass das Gemeinsame Europäische Asylsystem eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats umfassen sollte. Gemäß dem fünften Erwägungsgrund dieser Verordnung sollte „[e]ine solche Formel … auf objektiven und für die Mitgliedstaaten und die Betroffenen gerechten Kriterien basieren. Sie sollte insbesondere eine rasche Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ermöglichen, um den effektiven Zugang zu den Verfahren zur Gewährung des internationalen Schutzes zu gewährleisten und das Ziel einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz nicht zu gefährden“.

( 14 ) Urteil vom 16. Februar 2017, C. K. u. a. (C‑578/16 PPU, EU:C:2017:127, Rn. 56). Kapitel IV der Dublin‑III-Verordnung nennt Situationen, in denen ein Mitgliedstaat abweichend von diesen Kriterien als für die Prüfung eines Asylantrags zuständig angesehen werden kann.

( 15 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2017, Shiri (C‑201/16, EU:C:2017:805, Rn. 39). In Rn. 53 des Urteils vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587), hat der Gerichtshof entschieden, „dass die Vorschriften in Art. 21 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung zwar das Aufnahmeverfahren regeln sollen, aber auch – ebenso wie die in Kapitel III der Verordnung genannten Kriterien – zur Bestimmung des im Sinne der Verordnung zuständigen Mitgliedstaats beitragen. Eine Entscheidung, mit der die Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat als den, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, angeordnet wird, kann daher nicht wirksam ergehen, wenn die in diesen Vorschriften festgelegten Fristen abgelaufen sind.“

( 16 ) Vgl. Urteil vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587, Rn. 51). Abweichend von dieser ersten Frist muss im Fall einer Eurodac-Treffermeldung im Zusammenhang mit Daten gemäß Art. 14 der Eurodac-Verordnung dieses Gesuch innerhalb von zwei Monaten nach Erhalt der Treffermeldung gestellt werden. In Rn. 67 des Urteils vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587), hat der Gerichtshof entschieden, dass sich aus dem Wortlaut von Art. 21 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung ergibt, dass das Aufnahmegesuch zwingend unter Beachtung der in dieser Bestimmung genannten Fristen unterbreitet werden muss.

( 17 ) Vgl. Urteil vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587, Rn. 52). In Rn. 61 dieses Urteils hat der Gerichtshof entschieden, dass „Art. 21 Abs. 1 der Verordnung [bestimmt], dass sein Unterabs. 3 für den Fall des Ablaufs der in den Unterabs. 1 und 2 genannten Fristen von Rechts wegen einen Übergang der Zuständigkeit auf den Mitgliedstaat vorsieht, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, ohne diesen Übergang von irgendeiner Reaktion des ersuchten Mitgliedstaats abhängig zu machen“. In Rn. 54 dieses Urteils hat der Gerichtshof entschieden, dass „[d]ie … Vorschriften [des Art. 21 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung] … somit entscheidend zur Verwirklichung des im fünften Erwägungsgrund der Dublin‑III-Verordnung erwähnten Ziels einer zügigen Bearbeitung der Anträge auf internationalen Schutz beitragen, indem sie bei einer verzögerten Durchführung des Aufnahmeverfahrens gewährleisten, dass der Antrag auf internationalen Schutz in dem Mitgliedstaat geprüft wird, in dem er gestellt wurde, damit die Prüfung nicht durch den Erlass und den Vollzug einer Überstellungsentscheidung weiter aufgeschoben wird“.

( 18 ) Art. 22 Abs. 6 der Dublin‑III-Verordnung sieht unter bestimmten Umständen eine Frist von einem Monat zur Beantwortung eines Aufnahmegesuchs vor.

( 19 ) Oder innerhalb der in Abs. 6 vorgesehenen Frist von einem Monat.

( 20 ) Gemäß der Kommission enthält „[d]ie Dublin‑III-Verordnung … keine allgemeine Bestimmung über die Frist, innerhalb derer die Zuständigkeit eines Mitgliedstaats bestimmt werden muss, wenn der ersuchte Mitgliedstaat seine ablehnende Antwort innerhalb der in Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 geregelten Frist übermittelt hat“ (vgl. Nr. 3 der Antworten auf die schriftlichen Fragen).

( 21 ) Es bleibt offen, ob die in Kapitel III der Dublin‑III-Verordnung geregelten Kriterien anwendbar sind oder ob die Zuständigkeit automatisch an den ersuchenden Mitgliedstaat fällt.

( 22 ) Mir scheint die Dublin‑III-Verordnung insoweit ziemlich lückenhaft zu sein.

( 23 ) Urteil vom 8. Mai 2014, N. (C‑604/12, EU:C:2014:302, Rn. 49 und 50).

( 24 ) Gemäß Art. 29 Abs. 2 der Dublin‑III-Verordnung kann „[d]iese Frist [von sechs Monaten] höchstens auf ein Jahr verlängert werden, wenn die Überstellung aufgrund der Inhaftierung der betreffenden Person nicht erfolgen konnte, oder höchstens auf achtzehn Monate, wenn die betreffende Person flüchtig ist“. Hervorhebung nur hier.

( 25 ) Urteil vom 25. Oktober 2017, Shiri (C‑201/16, EU:C:2017:805, Rn. 27, 29 und 34). In Rn. 39 dieses Urteils erklärt der Gerichtshof, dass „[d]ie durch die Dublin‑III-Verordnung geschaffenen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren … insbesondere unter Beachtung einer Reihe zwingender Fristen durchgeführt werden [müssen], zu denen die in Art. 29 Abs. 1 und 2 der Verordnung erwähnte sechsmonatige Frist zählt. Diese Vorschriften sollen zwar die genannten Verfahren regeln, tragen aber auch – ebenso wie die in Kapitel III der Verordnung genannten Kriterien – zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats bei.“ In Rn. 41 dieses Urteils erklärt der Gerichtshof außerdem, dass „sich die in Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung genannten Fristen … nicht nur auf den Erlass der Überstellungsentscheidung beziehen, sondern auch auf ihre Durchführung“.

( 26 ) Siehe Nr. 24 dieser Schlussanträge.

( 27 ) Siehe Nr. 25 dieser Schlussanträge.

( 28 ) Nach Ansicht der Kommission „ergibt sich eindeutig aus Art. 31 Abs. 3 Unterabs. 2 der Richtlinie 2013/32, dass die (verlängerbare) Frist von sechs Monaten für die Bearbeitung des Asylantrags in dem Moment beginnt, in dem der zuständige Mitgliedstaat gemäß der [Dublin‑III‑]Verordnung bestimmt worden ist und in dem sich der Antragsteller im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats aufhält und die zuständige Behörde die Verantwortung für ihn übernommen hat“ (vgl. Nr. 72 dieser Erklärungen).

( 29 ) In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs nimmt die deutsche Regierung an, dass trotz der Tatsache, dass das Ziel der Dublin‑III-Verordnung eine schnelle Bearbeitung von Anträgen auf internationalen Schutz ist, „[n]icht in jedem Fall … das Verfahren indessen auf die kurzmöglichste Dauer reduziert werden [kann], da der Antragsteller durch Einlegung eines Rechtsmittels gegen seinen Bescheid bzw. durch Flucht oder Strafhaft sich das Verfahren verlängern kann. In diesen Fällen sieht die Dublin‑III-Verordnung selbst einen späteren Beginn oder eine Verlängerung der Sechs-Monats-Frist des Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 vor“ (vgl. Nr. 5 ihrer Antwort auf die Fragen).

( 30 ) Und folglich eine maximale Frist für die Bearbeitung eines Antrags auf internationalen Schutz, die erst ab der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zu laufen beginnt und dies auch nur, wenn die anderen Voraussetzungen in Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 erfüllt sind.

( 31 ) Mit Schreiben vom 16. Oktober 2017 an die in Art. 23 seiner Satzung genannten Betroffenen hat der Gerichtshof diese zur Rechtsgrundlage des von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 geschaffenen zusätzlichen Verfahrens zur neuerlichen Prüfung befragt. Der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑48/17 ist der Meinung, dass die Dublin‑III-Verordnung der Kommission keinerlei Kompetenz für die Schaffung eines Verfahrens zur neuerlichen Prüfung gibt. Die deutsche Regierung ist der Meinung, dass wenn auch die Dublin‑III-Verordnung keine ausdrückliche Ermächtigung zur Schaffung des Verfahrens der neuerlichen Prüfung enthält, „[d]ie [Verordnung Nr. 1560/2003] … in ihrem ersten Erwägungsgrund [beschreibt], dass zur wirkungsvollen Durchführung der Dublin‑III-Verordnung einige praktische Modalitäten zu präzisieren sind. Ziel ist es u. a., die ‚Behandlung‘ der Ersuchen zu erleichtern. Unter diesen Regelungsgegenstand fällt auch Art. 5 der Durchführungsverordnung, der Bestimmungen über die Behandlung von Ersuchen enthält, wenn diese abgelehnt werden.“ Der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑48/17 hat in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2018 erklärt, dass seines Erachtens die Rechtsgrundlage des fraglichen Verfahrens zur neuerlichen Prüfung nicht Art. 29 Abs. 4 der Dublin‑III-Verordnung sein könne. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten, dass Art. 17 Abs. 3 der Dublin‑II-Verordnung (der in etwa Art. 21 Abs. 3 der Dublin‑III-Verordnung entspricht) sowie Art. 29 Abs. 4 der Dublin‑III-Verordnung die Rechtsgrundlage von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 darstellten. Insoweit hat sich die niederländische Regierung den Erklärungen der Kommission angeschlossen.

( 32 ) Vgl. Nr. 17 der Erklärungen der ungarischen Regierung.

( 33 ) Ebenso wenig wie übrigens die Dublin‑II-Verordnung.

( 34 ) Und der Dublin‑II-Verordnung in der Vergangenheit. Vgl. in diesem Sinne den ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1560/2003.

( 35 ) Ich bin gemäß Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung und dem Urteil vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587, Rn. 67), der Meinung, dass der ersuchende Mitgliedstaat nach einer ablehnenden Antwort des ersuchten Mitgliedstaats unter der Voraussetzung, dass die in den Art. 21 und 23 der Dublin‑III-Verordnung geregelten zwingenden Fristen eingehalten werden, ein neues Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch stellen kann. Daraus folgt, dass parallele Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuche zumindest theoretisch möglich sind. Wenn die betreffenden Fristen abgelaufen sind, kann der ersuchende Mitgliedstaat jedoch kein solches Gesuch mehr stellen. Der Antwort der Kommission auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs ist zu entnehmen, dass „[d]as Verfahren des Antrags auf neuerliche Prüfung … in einer nicht zu vernachlässigenden Zahl von Fällen (2903 Anträge in 2015, 8442 in 2016) verwendet [wird] und … zu einer Annahme in etwa einem Drittel der Fälle [führt] (im Fall von 1019 Anträgen in 2015 und von 2489 Anträgen in 2016)“.

( 36 ) Wie ich in Nr. 111 dieser Schlussanträge ausführen werde, ist der gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 ersuchte Mitgliedstaat nur dann für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz zuständig, wenn er diese Zuständigkeit ausdrücklich innerhalb einer angemessenen Frist annimmt.

( 37 ) Insoweit lässt der Wortlaut des Textes keine Zweifel, was die Verwendung zwingender Begriffe anbelangt: „Diese Möglichkeit muss binnen drei Wochen nach Erhalt der ablehnenden Antwort in Anspruch genommen werden“.

( 38 ) In Nr. 53 ihrer Erklärungen stellt die Kommission fest, dass „[d]ie Dublin‑III-Verordnung und die zu ihrer Durchführung erlassene Verordnung Nr. 1560/2003 … eine Reihe von eindeutig zwingenden Fristen [enthalten], … jedoch nicht für alles zwingende Fristen [gelten]. Aus genau diesem Grund scheidet eine Auslegung aus, die mit einem klaren Text unvereinbar ist. Im Fall von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung [Nr. 1560/2003] kann es tatsächlich Situationen geben, in denen die Behörden des ersuchten Mitgliedstaats komplexe Fälle, z. B. im Zusammenhang mit unbegleiteten Minderjährigen und möglichen Familienangehörigen, prüfen müssen; in solchen Situationen wäre eine kurze und zwingende Frist mit dem Ziel, den zuständigen Mitgliedstaat korrekt zu ermitteln, unvereinbar. Dem klaren Wortlaut von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 liegt also eine politische Erwägung zugrunde.“

( 39 ) In der spanischen Fassung: „se esforzará“; in der dänischen Fassung: „bestraeber“; in der englischen Fassung: „shall endeavour“; in der italienischen Fassung: „procura di“; in der ungarischen Fassung: „törekszik“; in der niederländischen Fassung: „zich beijveren“.

( 40 ) Ich bin wie die Kommission der Meinung, dass der Begriff „s’efforce [sich bemüht]“ in der französischen Sprachfassung und „die in der großen Mehrheit der Sprachfassungen der Verordnung verwendeten ähnlichen Formulierungen … vollkommen klar [sind]“ und keine Pflicht begründen, innerhalb von zwei Wochen zu antworten (vgl. Nrn. 51 und 52 dieser Erklärungen). Der Kläger des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑47/17 ist der Meinung, dass der Begriff „zich beijveren“ („sich bemühen“), wie er in der niederländischen Sprachfassung von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 verwendet wird, nur in der Weise interpretiert werden kann, dass den ersuchten Mitgliedstaat eine Pflicht trifft, sich nach Kräften zu bemühen. Die Pflicht, sich nach Kräften zu bemühen, kann nicht bedeuten, dass der ersuchte Mitgliedstaat antworten muss (vgl. Nr. 3.1 seiner Erklärungen). Die niederländische Regierung ist der Meinung, dass die zweiwöchige Frist in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 keine zwingende Frist sei, und dass der ersuchte Mitgliedstaat nicht verpflichtet sei, binnen zwei Wochen zu antworten (vgl. Nrn. 36 bis 38 ihrer Erklärungen). Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs „[muss d]er ersuchte Mitgliedstaat … versuchen, binnen zwei Wochen zu antworten, er ist hierzu aber nicht verpflichtet. … Der Begriff ‚sich bemühen‘ wäre jeglicher Bedeutung beraubt, hätte der ersuchte Mitgliedstaat eine absolute Pflicht, binnen zwei Wochen zu antworten. Er weist darauf hin, dass ernsthafte und reale Anstrengungen unternommen werden müssen, um innerhalb dieser Frist zu antworten, erkennt aber an, dass dies nicht immer möglich sein wird, und zwar aus einer großen Zahl von Gründen wie z. B. dem Druck infolge der großen Zahl von Angelegenheiten, die vom ersuchten Mitgliedstaat bearbeitet werden, oder den Schwierigkeiten der geprüften Angelegenheit. Der ersuchte Mitgliedstaat ist nicht absolut an die genannte Zweiwochenfrist gebunden. … Die Situation kann außerdem von einigen der in der Dublin‑III-Verordnung genannten Fristen unterschieden werden: So entscheidet der ersuchte Mitgliedstaat gemäß Art. 22 dieser Verordnung ‚über das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers innerhalb von zwei Monaten, nach Erhalt des Gesuchs‘. Nach dem Wortlaut von Art. 25 Abs. 1 entscheidet der ersuchte Mitgliedstaat ‚so rasch wie möglich, in jedem Fall aber nicht später als einen Monat, nachdem er mit dem Gesuch befasst wurde‘.“„Wenn der Unionsgesetzgeber eine absolute Pflicht begründen wollte, hat er dies in sehr klaren Worten getan. Die in Art. 5 Abs. 2 der [Verordnung Nr. 1560/2003] geregelte Pflicht ist von anderer Art“ (vgl. Nrn. 11, 12 und 14 dieser Erklärungen, Hervorhebungen nur hier).

( 41 ) Nach Ansicht der niederländischen Regierung ist diese Frist „nur eine Leitlinie für den ersuchten Mitgliedstaat“. Nach Ansicht der Kommission möchte die Verordnung Nr. 1560/2003 „keine streng zwingende Frist vorschreiben, sondern eine Orientierung geben, der im Rahmen des Möglichen zu folgen ist“. Es handelt sich also um eine vollkommen unverbindliche Frist. Die Schweizerische Eidgenossenschaft, die Erklärungen nur zur ersten Vorlagefrage abgegeben hat, ist insofern weniger kategorisch, als sie annimmt, dass „[d]er Wortlaut der Bestimmung … dafür [spricht], dass die in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung [Nr. 1560/2003] geregelte Frist unverbindlich ist und keine Ausschlussfrist darstellt. Es ist somit klar, insbesondere wenn man sich auf bestimmte Sprachfassungen von Art. 5 Abs. 2 stützt, … dass die Pflicht des ersuchten [Mitgliedstaats], binnen einer zweiwöchigen Frist zu antworten, nicht in der Weise verstanden werden kann, dass die Nichtbeachtung unmittelbare Rechtsfolgen haben muss. Die Pflicht, sich zu bemühen, impliziert im Gegenteil eine gewisse Flexibilität hinsichtlich der Zeit zur Beantwortung eines Antrags auf neuerliche Prüfung. Der ersuchte Mitgliedstaat kann also auch nach Ablauf der zweiwöchigen Frist den Antrag wirksam beantworten. Der Zweck der Dublin‑III-Verordnung spricht jedoch dafür, dass die in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung … Nr. 1560/2003 geregelte Frist eine grundsätzlich zu beachtende Frist ist und nicht nur eine unverbindliche Zeitangabe.“ Hervorhebungen nur hier.

( 42 ) Die Regierung des Vereinigten Königreichs stellt fest, dass „anders z. B. als in den Art. 22 und 25 de Dublin‑III-Verordnung … kein automatischer Übergang der Zuständigkeit vorgesehen [ist], wenn ein ersuchter Mitgliedstaat nicht … binnen zwei Wochen antwortet …“ (vgl. Nr. 20 ihrer Erklärungen). Nach Ansicht der ungarischen Regierung „stellt [man] fest, dass weder die [Dublin‑III‑]Verordnung noch die Verordnung Nr. 1560/2003 ausdrücklich Rechtsfolgen an das Ausbleiben einer Antwort auf einen Antrag auf neuerliche Prüfung oder an die Überschreitung der hierfür vorgesehenen zweiwöchigen Frist knüpfen, und folglich auch keinerlei Folge, die Auswirkungen auf die Zuständigkeit für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz hätte“ (vgl. Nr. 18 ihrer Erklärungen). In ihrer Antwort auf die schriftlichen Fragen des Gerichtshofs nimmt die deutsche Regierung an, dass „[d]ie Dublin‑III-Verordnung … keine Rechtsfolge für den Fall der Nichtbeantwortung des Verlangens einer neuerlichen Prüfung des Gesuchs um Aufnahme oder Wiederaufnahme [enthält]. … [Es] sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass mangels Rechtsgrundlage in der Dublin‑III-Verordnung die Nichtbeantwortung keinen Zuständigkeitsübergang zur Folge haben kann.“

( 43 ) Wie er sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung und insbesondere aus dem Begriff „s’efforce [bemüht sich]“ in der französischen Sprachfassung ergibt.

( 44 ) Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1560/2003 bestimmt, dass „[d]er ersuchte Mitgliedstaat [sich bemüht], binnen zwei Wochen eine Antwort zu erteilen. Durch dieses zusätzliche Verfahren ändern sich in keinem Fall die in Artikel 18 Absätze 1 und 6 und Artikel 20 Absatz 1 Buchstabe b) der [Dublin‑II‑]Verordnung … vorgesehenen Fristen“. Hervorhebung nur hier. Art. 18 Abs. 1 und 6 und Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Dublin‑II-Verordnung entsprechen Art. 22 Abs. 1 und 6 und Art. 25 Abs. 1 der Dublin‑III-Verordnung.

( 45 ) Die Kommission ist der Meinung, dass diese Fristen also nicht verlängert werden oder „zu einem Übergang der Zuständigkeit führen können. Dies bedeutet mit anderen Worten, dass ein ersuchter Mitgliedstaat nach einer ablehnenden Antwort im Sinne von Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1560/2003 nur noch dann zuständig werden kann, wenn er dies selbst akzeptiert. Der Grund hierfür ist, dass ein Antrag auf neuerliche Prüfung kein neues Wiederaufnahmegesuch ist. Ein Antrag auf neuerliche Prüfung verpflichtet den ersuchten Mitgliedstaat zu nicht mehr als zur Überprüfung der Situation und zur Prüfung, ob er seine ablehnende Antwort aufrechterhält. Eine andere Auslegung wäre im Übrigen mit der Normenhierarchie unvereinbar, weil sie darauf hinausliefe, eine Durchführungsverordnung von der Grundverordnung abweichen zu lassen“. Hervorhebung nur hier.

( 46 ) Rechtssache C‑48/17.

( 47 ) Rechtssache C‑47/17. In den verbundenen Rechtssachen C‑47/17 und C‑48/17 stellt das vorlegende Gericht fest, dass es in Art. 31 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32 heißt, dass „die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass das Verfahren der Prüfung des Asylantrags innerhalb von sechs Monaten nach Antragstellung zum Abschluss gebracht wird. Es ist daher nicht logisch, anzunehmen, dass der Zeitraum für die neuerliche Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 der [Verordnung Nr. 1560/2003] in Bezug auf die Frage, welcher Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, länger sein dürfe als die Frist, die für die Entscheidung über den Asylantrag selbst eingeräumt wird, eine Entscheidung, die noch im Anschluss an die Entscheidung über die Zuständigkeit für die Prüfung dieses Antrags zu erfolgen hat“. Ich bin entsprechend meinen Erklärungen in Nr. 75 dieser Schlussanträge der Meinung, dass die in der Richtlinie 2013/32 und insbesondere in ihrem Art. 31 Abs. 3 geregelten Fristen klar von den in der Dublin‑III-Verordnung geregelten und folglich von den in der Verordnung Nr. 1560/2003 geregelten zu unterscheiden sind.

( 48 ) Nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV geregelten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit müssen die Mitgliedstaaten insbesondere die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen.

( 49 ) Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs „[ist e]s … nicht möglich, zu bestimmen, was eine „angemessene Dauer“ ist, weil dieser Begriff per Definition eng mit den Tatsachen zusammenhängt. Was angemessen ist, hängt vom Zusammenhang ab“ (vgl. Nr. 22 ihrer Erklärungen).

( 50 ) In der Rechtssache C‑47/17 haben die deutschen Behörden auf den Antrag auf neuerliche Prüfung des Staatssekretärs vom 14. April 2016 nicht geantwortet. In der Rechtssache C‑48/17 haben sich die italienischen Behörden nach einem Antrag auf neuerliche Prüfung des Staatssekretärs vom 1. Dezember 2015 und nach einer Erinnerung vom 18. Januar 2016 am 26. Januar 2016, also innerhalb einer Frist von weniger als zwei Monaten ab Stellung des Antrags, für zuständig erklärt, den Antrag der betreffenden Person auf internationalen Schutz zu prüfen.

( 51 ) Die Kommission hat unverbindlich erklärt, dass die Tatsachen und Faktoren, die für diese Beurteilung möglicherweise relevant sein könnten „insbesondere … der Umfang der für die Prüfung des Antrags notwendigen Ermittlungen und Maßnahmen sowie eine mögliche Arbeitsüberlastung der zuständigen Behörden“ sein könnten. Die niederländische Regierung ist der Meinung, dass „insbesondere die folgenden Umstände … relevante Faktoren für die Beantwortung der Frage, ob die Frist angemessen ist, sein [können]: [1] die betreffenden Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats und des ersuchten Mitgliedstaats mussten zahlreiche Recherchen über die betreffende Person durchführen; [2] die betreffenden Behörden des ersuchenden Mitgliedstaats und des ersuchten Mitgliedstaats mussten sich viele Male abstimmen, z. B., um eine Meinungsverschiedenheit zu klären; [3] die betreffenden Behörden des ersuchten Mitgliedstaats waren mit einer größeren Arbeitslast konfrontiert, wie beispielsweise einem Ansturm von Asylbewerbern“.

( 52 ) Siehe Nr. 113 dieser Schlussanträge.

( 53 ) Oder innerhalb einer angemessenen Frist.

( 54 ) Ich stelle fest, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens in der mündlichen Verhandlung vom 16. Januar 2018 bestätigt hat, dass er in der Rechtssache C‑48/17 mit seiner Klage im Ausgangsverfahren beantragt, dass sein Antrag von den niederländischen Behörden, und nicht von den italienischen Behörden geprüft wird.

( 55 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 26. Juli 2017, Mengesteab (C‑670/16, EU:C:2017:587, Rn. 59).

( 56 ) Nach dem fünften Erwägungsgrund der Dublin‑III-Verordnung sollte die Methode zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats „auf objektiven und … gerechten Kriterien basieren“.

( 57 ) Siehe Nrn. 62 und 63 dieser Schlussanträge.

( 58 ) Es ist daran zu erinnern, dass gemäß Art. 5 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1560/2003 sämtliche Gründe einer ablehnenden Antwort ausführlich zu erläutern sind.

( 59 ) Es ist daran zu erinnern, dass die Frist von zwei Wochen nur eine unverbindliche Frist ist. Außerdem entspricht meines Erachtens eine rechtzeitige Antwort einer Antwort innerhalb einer angemessenen Frist.

( 60 ) In diesem Moment wird der ersuchte Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Außerdem beginnt gemäß Art. 29 der Dublin‑III-Verordnung mit dieser ausdrücklichen Annahme des ersuchten Mitgliedstaats die Frist von sechs Monaten für die Überstellung der betreffenden Person.

( 61 ) Die in keinem Fall als zwingende Obergrenzen verstanden werden dürfen.

( 62 ) Ich bin der Meinung, dass eine Antwort sich zwar auf allgemeine Umstände wie einen Ansturm von Personen, die internationalen Schutz beantragen, berufen kann, sie jedoch jedenfalls speziell auf die betreffende Person Bezug nehmen muss.

( 63 ) Diese Situation liegt in den Ausgangsverfahren nicht vor.

( 64 ) Zwangsläufig.

( 65 ) Oder zumindest in der „juristischen Vorhölle“.

( 66 ) Es ist daran zu erinnern, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens in dieser Rechtssache in Hunger- und Durststreik getreten ist und bei dem vorlegenden Gericht aufgrund der verspäteten Bestimmung des für die Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz zuständigen Mitgliedstaats Klage erhoben hat.

( 67 ) Im konkreten Fall des Klägers des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑47/17 scheint keine Erinnerung der deutschen Behörden erfolgt zu sein. Außerdem ist das in Art. 37 der Dublin‑III-Verordnung geregelte Schlichtungsverfahren trotz der Kontakte zwischen den niederländischen und den deutschen Behörden über die Erfassung von Fingerabdrücken für das Eurodac-System nicht eingeleitet worden. Gemäß der Kommission ist dieses Verfahren für andauernde Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedstaaten über eine Frage betreffend die Anwendung der Dublin‑III-Verordnung konzipiert. Sie stellt fest, dass dieses Verfahren noch nie angewendet worden ist.

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