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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62016CJ0112

    Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 26. Juli 2017.
    Persidera SpA gegen Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni und Ministero dello Sviluppo Economico delle Infrastrutture e dei Trasporti.
    Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektronische Kommunikation – Telekommunikationsdienste – Richtlinien 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/77/EG – Gleichbehandlung – Ermittlung der Anzahl der jedem Betreiber, der bereits Inhaber analoger Funkfrequenzen ist, zuzuteilenden digitalen Funkfrequenzen – Berücksichtigung rechtswidrig genutzter analoger Funkfrequenzen – Entsprechung zwischen der Anzahl der gehaltenen analogen Funkfrequenzen und der Anzahl der zugeteilten digitalen Funkfrequenzen.
    Rechtssache C-112/16.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2017:597

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

    26. Juli 2017 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Elektronische Kommunikation – Telekommunikationsdienste – Richtlinien 2002/20/EG, 2002/21/EG und 2002/77/EG – Gleichbehandlung – Ermittlung der Anzahl der jedem Betreiber, der bereits Inhaber analoger Funkfrequenzen ist, zuzuteilenden digitalen Funkfrequenzen – Berücksichtigung rechtswidrig genutzter analoger Funkfrequenzen – Entsprechung zwischen der Anzahl der gehaltenen analogen Funkfrequenzen und der Anzahl der zugeteilten digitalen Funkfrequenzen“

    In der Rechtssache C‑112/16

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) mit Entscheidung vom 2. Juli 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Februar 2016, in dem Verfahren

    Persidera SpA

    gegen

    Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni,

    Ministero dello Sviluppo economico, delle Infrastrutture e dei Trasporti,

    Beteiligte:

    Radiotelevisione italiana SpA (RAI),

    Reti Televisive Italiane SpA (RTI),

    Elettronica Industriale SpA,

    Television Broadcasting System SpA,

    Premiata Ditta Borghini e Stocchetti di Torino Srl,

    Rete A SpA,

    Centro Europa 7 Srl,

    Prima TV SpA,

    Sky Italia Srl,

    Elemedia SpA,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz, der Richter E. Juhász und C. Vajda, der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin) sowie des Richters C. Lycourgos,

    Generalanwältin: J. Kokott,

    Kanzler: X. Lopez Bancalari, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2017,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Persidera SpA, vertreten durch F. Pace, L. Sabelli und B. Caravita di Toritto, avvocati,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,

    der Radiotelevisione italiana SpA (RAI), vertreten durch G. de Vergottini, avvocato,

    der Reti Televisive Italiane SpA (RTI), vertreten durch L. Medugno, G. Rossi, I. Perego, G. M. Roberti und M. Serpone, avvocati,

    der Elettronica Industriale SpA, vertreten durch G. Rossi und L. Medugno, avvocati,

    der slowenischen Regierung, vertreten durch A. Vran als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Nicolae, L. Malferrari und G. Braun als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 30. März 2017

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56, 101, 102 und 106 AEUV, der Art. 3, 5 und 7 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 21) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Genehmigungsrichtlinie), von Art. 9 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie), der Art. 2 und 4 der Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. 2002, L 249, S. 21, im Folgenden: Wettbewerbsrichtlinie) sowie der Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, der Wettbewerbsfreiheit, der Verhältnismäßigkeit, der Effektivität und der Informationsvielfalt.

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Persidera SpA auf der einen Seite und der Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni (Aufsichtsbehörde für das Kommunikationswesen, Italien, im Folgenden: AGCOM) sowie dem Ministero dello Sviluppo economico, delle Infrastrutture e dei Trasporti (Ministerium für wirtschaftliche Entwicklung, Infrastruktur und Verkehr, Italien) auf der anderen Seite über die Zuteilung von Frequenznutzungsrechten für digitale terrestrische Fernsehübertragung.

    Rechtlicher Rahmen

    3

    Der neue gemeinsame Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste und ‑netze sowie zugehörige Einrichtungen und Dienste (im Folgenden: NGR) besteht aus der Rahmenrichtlinie und vier Einzelrichtlinien – darunter die Genehmigungsrichtlinie –, die durch die Wettbewerbsrichtlinie vervollständigt werden.

    Rahmenrichtlinie

    4

    Nach Art. 2 Buchst. g der Rahmenrichtlinie bezeichnet der Begriff „nationale Regulierungsbehörde“ (NRB) „eine oder mehrere Stellen, die von einem Mitgliedstaat mit einer der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten Regulierungsaufgaben beauftragt werden“. Nach Buchst. l dieses Art. 2 zählt die Genehmigungsrichtlinie zu den „Einzelrichtlinien“.

    5

    Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 und Abs. 4 Buchst. b der Rahmenrichtlinie bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die [NRB] bei der Wahrnehmung der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten regulatorischen Aufgaben alle angezeigten Maßnahmen treffen, die den in den Absätzen 2, 3 und 4 vorgegebenen Zielen dienen. Die Maßnahmen müssen in angemessenem Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

    (4)   Die [NRB] fördern die Interessen der Bürger der Europäischen Union, indem sie unter anderem

    b)

    einen weit gehenden Verbraucherschutz … gewährleisten“.

    6

    Art. 9 Abs. 1 und 2 der Rahmenrichtlinie lautet:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen für die effiziente Verwaltung der Funkfrequenzen für elektronische Kommunikationsdienste in ihrem Hoheitsgebiet im Einklang mit den Artikeln 8 und 8a, wobei sie gebührend berücksichtigen, dass die Funkfrequenzen ein öffentliches Gut von hohem gesellschaftlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Wert sind. Sie gewährleisten, dass die Zuteilung von Funkfrequenzen für elektronische Kommunikationsdienste und die Erteilung von Allgemeingenehmigungen oder individuellen Nutzungsrechten für solche Funkfrequenzen durch die zuständigen nationalen Behörden auf objektiven, transparenten, nicht diskriminierenden und angemessenen Kriterien beruhen.

    Die Mitgliedstaaten halten bei der Anwendung dieses Artikels die einschlägigen internationalen Übereinkünfte, einschließlich der … Vollzugsordnung [der Internationalen Fernmeldeunion] für den Funkdienst, ein und können öffentliche Belange berücksichtigen.

    (2)   Die Mitgliedstaaten fördern die Harmonisierung der Nutzung der Funkfrequenzen in der [Union], um deren effektiven und effizienten Einsatz zu gewährleisten und um Vorteile für die Verbraucher, wie etwa größenbedingte Kostenvorteile und Interoperabilität der Dienste, zu erzielen. Dabei handeln sie im Einklang mit Artikel 8a und mit der Entscheidung Nr. 676/2002/EG (Frequenzentscheidung).“

    Genehmigungsrichtlinie

    7

    In Art. 3 der Genehmigungsrichtlinie heißt es:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten die Freiheit, elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste gemäß den in dieser Richtlinie festgelegten Bedingungen bereitzustellen. Sie dürfen ein Unternehmen nur dann an der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder ‑dienste hindern, wenn dies aus den in Artikel [52] Absatz 1 [AEUV] genannten Gründen notwendig ist.

    (2)   Die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste darf unbeschadet der in Artikel 6 Absatz 2 genannten besonderen Verpflichtungen oder der in Artikel 5 genannten Nutzungsrechte nur von einer Allgemeingenehmigung abhängig gemacht werden. Von dem betreffenden Unternehmen kann eine Meldung gefordert werden, aber nicht verlangt werden, vor Ausübung der mit der Genehmigung verbundenen Rechte eine ausdrückliche Entscheidung oder einen anderen Verwaltungsakt der [NRB] zu erwirken. Nach einer entsprechenden Meldung, sofern diese verlangt wird, kann ein Unternehmen seine Tätigkeit aufnehmen, gegebenenfalls vorbehaltlich der Bestimmungen der Artikel 5, 6 und 7 über die Nutzungsrechte.

    …“

    8

    Art. 5 der Genehmigungsrichtlinie bestimmt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten erleichtern die Nutzung von Funkfrequenzen im Rahmen von Allgemeingenehmigungen. Erforderlichenfalls können sie individuelle Nutzungsrechte gewähren

    zur Vermeidung funktechnischer Störungen,

    zur Gewährleistung der technischen Qualität der Dienste,

    zur Sicherstellung der effizienten Nutzung von Funkfrequenzen oder

    zur Erreichung anderer von den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem [Unions]recht festgelegter Ziele von allgemeinem Interesse.

    (2)   Müssen für Funkfrequenzen und Nummern individuelle Nutzungsrechte gewährt werden, so gewähren die Mitgliedstaaten solche Rechte auf Antrag jedem Unternehmen für die Bereitstellung von Netzen oder Diensten auf der Grundlage der in Artikel 3 genannten Allgemeingenehmigung, vorbehaltlich der Artikel 6 und 7 und des Artikels 11 Absatz 1 Buchstabe c der vorliegenden Richtlinie sowie sonstiger Vorschriften zur Sicherstellung einer effizienten Nutzung dieser Ressourcen gemäß der [Rahmenrichtlinie].

    Unbeschadet der von den Mitgliedstaaten festgelegten spezifischen Kriterien und Verfahren, die Anwendung finden, wenn Erbringern von Rundfunk- oder Fernsehinhaltsdiensten Frequenznutzungsrechte gewährt werden, um Ziele von allgemeinem Interesse im Einklang mit dem [Unions]recht zu erreichen, werden die Rechte zur Nutzung von Frequenzen und Nummern nach offenen, objektiven, transparenten, nicht diskriminierenden und verhältnismäßigen Verfahren sowie, im Falle von Funkfrequenzen, im Einklang mit Artikel 9 der [Rahmenrichtlinie] gewährt. Von der Anforderung offener Verfahren darf in den Fällen abgewichen werden, in denen die Gewährung individueller Frequenznutzungsrechte an die Erbringer von Rundfunk- oder Fernsehinhaltsdiensten im Hinblick auf ein von den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem [Unions]recht festgelegtes Ziel von allgemeinem Interesse notwendig ist.

    (5)   Die Mitgliedstaaten schränken die Zahl der gewährten Nutzungsrechte nur so weit ein, wie dies für eine effiziente Nutzung der Funkfrequenzen gemäß Artikel 7 notwendig ist.

    (6)   Die zuständigen nationalen Behörden stellen sicher, dass die Funkfrequenzen im Einklang mit Artikel 8 Absatz 2 und Artikel 9 Absatz 2 der [Rahmenrichtlinie] effizient und wirksam genutzt werden. Sie sorgen dafür, dass der Wettbewerb nicht durch Übertragungen oder eine Anhäufung von Rechten zur Nutzung von Funkfrequenzen verzerrt wird. Hierbei können die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen ergreifen, z. B. indem sie den Verkauf oder die Vermietung von Frequenznutzungsrechten anordnen.“

    9

    Art. 7 der Genehmigungsrichtlinie, der die Beschränkung der Einräumung von Nutzungsrechten für Funkfrequenzen betrifft, sieht vor:

    „(1)   Erwägt ein Mitgliedstaat, die zu erteilenden Rechte für die Nutzung von Funkfrequenzen zahlenmäßig zu beschränken oder die Geltungsdauer bestehender Nutzungsrechte in anderer Weise als entsprechend den darin festgelegten Bedingungen zu verlängern, so berücksichtigt er unter anderem Folgendes:

    a)

    Er trägt der Notwendigkeit gebührend Rechnung, den Nutzen für die Nutzer zu maximieren und den Wettbewerb zu erleichtern;

    (3)   Muss die Erteilung von Nutzungsrechten für Funkfrequenzen beschränkt werden, so erteilen die Mitgliedstaaten diese Rechte nach objektiven, transparenten, nicht diskriminierenden und verhältnismäßigen Auswahlkriterien. Bei diesen Auswahlkriterien tragen sie der Umsetzung der Ziele nach Artikel 8 der [Rahmenrichtlinie] sowie der Anforderungen ihres Artikels 9 gebührend Rechnung.

    …“

    Wettbewerbsrichtlinie

    10

    Nach Art. 2 der Wettbewerbsrichtlinie über ausschließliche und besondere Rechte für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste gilt:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten gewähren keine ausschließlichen oder besonderen Rechte für die Errichtung und/oder die Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze oder die Erbringung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste und sorgen für die Aufhebung derartiger Rechte.

    (2)   Die Mitgliedstaaten stellen durch entsprechende Maßnahmen sicher, dass jedes Unternehmen das Recht zur Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste bzw. zur Errichtung, zum Ausbau und zur Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze erhält.

    (4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die einem Unternehmen erteilte Allgemeingenehmigung zur Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste oder zur Errichtung und/oder zur Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und die damit verbundenen Bedingungen auf objektiven, diskriminierungsfreien, angemessenen und nachvollziehbaren Kriterien beruhen.

    …“

    11

    Art. 4 der Wettbewerbsrichtlinie, der sich auf Frequenznutzungsrechte bezieht, bestimmt:

    „Unbeschadet der von den einzelnen Mitgliedstaaten zum Schutz des Gemeinwohls in Übereinstimmung mit dem [Unions]recht eingeführten besonderen Kriterien und Verfahren für die Vergabe von Rechten zur Nutzung von Funkfrequenzen durch Hörfunk- und TV-Inhalteanbieter gilt Folgendes:

    1.

    Die Mitgliedstaaten gewähren keine ausschließlichen oder besonderen Rechte zur Nutzung von Funkfrequenzen für die Erbringung elektronischer Kommunikationsdienste.

    2.

    Die Vergabe von Funkfrequenzen für elektronische Kommunikationsdienste muss nach objektiven, nachvollziehbaren, diskriminierungsfreien und angemessenen Kriterien erfolgen.“

    Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    12

    Der Ausgangsrechtsstreit betrifft die Vergabe von Funkfrequenzen für die digitale terrestrische Fernsehübertragung zugunsten von Anbietern, die bereits Inhaber von Funkfrequenzen zur analogen Übertragung waren und analoge Fernsehsender betrieben. Die digitale Technik zeichnet sich durch eine gegenüber der analogen Technik höhere Übertragungseffizienz aus, da sie es im Gegensatz zu letzterer Technik ermöglicht, im selben Frequenzbereich mehrere Programme gleichzeitig zu übertragen. Die damit frei gewordenen Funkfrequenzen bilden die „digitale Dividende“.

    13

    Der Übergang vom analogen zum digitalen Fernsehen (im Folgenden: Digitalisierung) begann in Italien während eines seit 2006 laufenden Vertragsverletzungsverfahrens gegen diesen Mitgliedstaat, in dem es um die Vereinbarkeit der italienischen Rechtsvorschriften über die Verwaltung der Fernsehfunkfrequenzen, die Digitalisierung und die Zuteilung digitaler Funkfrequenzen mit den Bestimmungen der Rahmenrichtlinie, der Genehmigungsrichtlinie und der Wettbewerbsrichtlinie ging. In ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 19. Juli 2007 stellte die Europäische Kommission im Wesentlichen fest, dass diese Rechtsvorschriften, indem sie nur den bereits mittels analoger Technik sendenden Betreibern Zugang zum Markt für digitales Radio und Fernsehen gewährten, diese vor einem Wettbewerb auf diesem Markt bewahrten. Die italienische Regierung ergriff mehrere Maßnahmen, um diese Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht in Einklang zu bringen.

    14

    In diesem Zusammenhang erließ die AGCOM die Entscheidung 181/09/CONS vom 7. April 2009, die später durch die Legge n. 88 (Gesetz Nr. 88) vom 7. Juli 2009 in ein Gesetz umgewandelt wurde. Mit dieser Entscheidung legte die AGCOM die Kriterien für die vollständige Digitalisierung der terrestrischen Fernsehnetze fest.

    15

    In diese Entscheidung war insbesondere die Vergabe von 21 nationalen Multiplexen vorgesehen, die es ermöglichen, verschiedene Signale zu einem gemeinsamen Datenstrom zu bündeln und mehrere digitale terrestrische Fernsehdienste gleichzeitig zu übertragen. Zum Zweck ihrer Aufteilung zwischen den neuen Betreibern, den Betreibern, die digitale Netze geschaffen hatten, und den Betreibern, die bereits analoge Netze unterhielten, wurden diese Multiplexe in drei Gruppen unterteilt, die nach unterschiedlichen Kriterien zu vergeben waren. Außerdem war vorgesehen, dass am Ende des Auswahlverfahrens kein Betreiber mehr als fünf nationale Multiplexe erhalten durfte.

    16

    Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist nur eine der drei Gruppen. Diese Gruppe besteht aus acht Multiplexen, die zur Umwandlung bestehender analoger Fernsehsender in digitale Fernsehnetze dienten. In Anbetracht der Anzahl der verfügbaren digitalen Funkfrequenzen, die geringer als die Anzahl der Fernsehsender war, wurde in der Entscheidung 181/09/CONS ein sogenanntes „angemessenes“ Zuteilungskriterium gewählt, das auf der Kontinuität der analog ausgestrahlten Programme beruhte. Außerdem war vorgesehen, dass jedem bereits auf dem analogen Markt tätigen Betreiber mindestens ein Multiplex zugeteilt wird. Auf dieser Grundlage wurden drei Multiplexe Betreibern von Einzelsendern zugeteilt. Fünf Multiplexe wurden zwischen Betreibern mehrerer Sender aufgeteilt. Dabei wurden der Radiotelevisione italiana SpA (RAI) und Mediaset, die jeweils drei analoge Sender betrieben, zwei Multiplexe zugeteilt, während Telecom Italia Media Broadcasting, die zwei analoge Sender betrieb, einen Multiplex erhielt.

    17

    Telecom Italia Media Broadcasting erhob beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio (Verwaltungsgericht für die Region Latium, Italien) eine Klage auf Nichtigerklärung der Zuteilungsentscheidungen für die zuletzt genannten Multiplexe sowie auf Nichtigerklärung der Entscheidungen, die hierfür als Rechtsgrundlage dienten. Mit seiner Klage beantragt dieses Unternehmen die Feststellung seines Anspruchs auf Erhalt eines zusätzlichen Multiplex, die Verpflichtung der zuständigen Behörden, ihm diesen Multiplex zuzuteilen, bzw. ihre Verurteilung zur Zahlung von Schadensersatz.

    18

    Nach der Abweisung ihrer Klage durch das Urteil Nr. 1398/2014 legte Telecom Italia Media Broadcasting hiergegen Berufung bei dem vorlegenden Gericht ein.

    19

    Im Verlauf des Verfahrens wurde Telecom Italia Media Broadcasting im Zuge einer Kapitaleinbringung der Rete A SpA zu Persidera. Rete A hielt Nutzungsrechte für zwei nationale Multiplexe. Als Folge dieser Transaktion ist Persidera im Besitz von fünf nationalen Multiplexen. Sie hat somit die in Rn. 15 des vorliegenden Urteils genannte zulässige Obergrenze erreicht.

    20

    Persidera wendet sich vor dem vorlegenden Gericht u. a. gegen das Kriterium zur Umwandlung bestehender analoger Sender in digitale Netze. Sie beruft sich auf mehrere Bestimmungen des Unionsrechts und macht einen Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit geltend. Sie trägt zum einen vor, dass auf sie ein Umwandlungsfaktor von 50 % angewandt worden sei, so dass nur einer von zwei analogen Sendern in ein digitales Netz umgewandelt worden sei, während RAI und Mediaset in den Genuss eines Umwandlungsfaktors von 66 % gekommen seien, da zwei von drei analogen Sendern in digitale Netze umgewandelt worden seien. Zum anderen greift sie den Umstand an, dass bei diesen beiden Betreibern rechtswidrig betriebene Sender für die Umwandlung berücksichtigt worden seien.

    21

    Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Stehen das Recht der Europäischen Union und insbesondere die Art. 56, 101, 102 und 106 AEUV, Art. 9 der Rahmenrichtlinie, die Art. 3, 5 und 7 der Genehmigungsrichtlinie und die Art. 2 und 4 der Wettbewerbsrichtlinie sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, der Wettbewerbsfreiheit, der Verhältnismäßigkeit, der Effektivität und der Informationsvielfalt einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die zur Festlegung der Zahl der digitalen Netze, die Betreibern zur Umwandlung von analogen Netzen zuzuteilen sind, in gleichem Maße wie die Berücksichtigung analoger Netze, deren Betrieb eine uneingeschränkte Legitimität besitzt, auch die Berücksichtigung derjenigen analogen Netze vorsieht, die in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Konzentrationsschwellen gemäß nationalen Rechtsvorschriften, die vom Gerichtshof oder der Europäischen Kommission bereits beanstandet wurden, oder jedenfalls ohne Konzession betrieben wurden?

    2.

    Stehen das Recht der Europäischen Union und insbesondere die Art. 56, 101, 102 und 106 AEUV, Art. 9 der Rahmenrichtlinie, die Art. 3, 5 und 7 der Genehmigungsrichtlinie und die Art. 2 und 4 der Wettbewerbsrichtlinie sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung, der Transparenz, der Wettbewerbsfreiheit, der Verhältnismäßigkeit, der Effektivität und der Informationsvielfalt einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, die zur Festlegung der Zahl der digitalen Netze, die Betreibern zur Umwandlung von analogen Netzen zuzuteilen sind – und die die Berücksichtigung aller bis zu diesem Zeitpunkt gleichwie betriebenen analogen Netze vorsieht, auch wenn deren Betrieb gegen die Konzentrationsschwellen gemäß nationalen Rechtsvorschriften verstieß, die vom Gerichtshof oder der Europäischen Kommission bereits beanstandet wurden, oder jedenfalls ohne Konzession stattfand –, konkret gegenüber einem Betreiber mehrerer Netze eine Kürzung der Zahl der zugeteilten digitalen Netze gegenüber den analog betriebenen Netzen vorsieht, die proportional größer ist als die den Wettbewerbern auferlegte Kürzung?

    Zu den Vorlagefragen

    Zur Zulässigkeit

    22

    Erstens trägt die italienische Regierung vor, dass sich das Vorabentscheidungsersuchen auf ein hypothetisches und für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits nicht entscheidungserhebliches Problem beziehe. Ihrer Auffassung nach geht es in der Klage im Ausgangsverfahren um den Erhalt eines weiteren Multiplex. Persidera habe jedoch die maximal zulässige Obergrenze von fünf Multiplexen erreicht.

    23

    Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen der mit Art. 267 AEUV eingerichteten Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts ist, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof von ihm vorgelegten Fragen zu beurteilen. Betreffen daher die vorgelegten Fragen die Auslegung des Unionsrechts, ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, darüber zu befinden (Urteil vom 6. September 2016, Petruhhin, C‑182/15, EU:C:2016:630, Rn. 19 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    24

    Daraus folgt, dass eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen eines nationalen Gerichts spricht, die es zur Auslegung des Unionsrechts in dem rechtlichen und sachlichen Rahmen stellt, den es in eigener Verantwortung festlegt und dessen Richtigkeit der Gerichtshof nicht zu prüfen hat. Der Gerichtshof darf die Entscheidung über ein Ersuchen eines nationalen Gerichts nur dann verweigern, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn er nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteile vom 14. April 2016, Polkomtel, C‑397/14, EU:C:2016:256, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 13. Oktober 2016, Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej und Petrotel, C‑231/15, EU:C:2016:769, Rn. 16).

    25

    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die von Persidera erhobene Klage nicht nur auf die Zuteilung eines zusätzlichen Multiplex gerichtet ist, sondern auch auf die Zuerkennung von Schadensersatz. Persidera stellt mit ihrer Klage die Vereinbarkeit der auf die Umwandlung analoger Sender in digitale Netze angewandten Regelungen mit dem Unionsrecht in Abrede, und die Vorlagefragen dienen gerade dazu, dem vorlegenden Gericht eine Beurteilung dieser Vereinbarkeit und der Schadensersatzforderung zu ermöglichen. Unter diesen Umständen erscheint die Streitfrage im Ausgangsverfahren nicht offensichtlich hypothetisch.

    26

    Zweitens machen die italienische Regierung und die Reti Televisive Italiane SpA geltend, dass der Gerichtshof nicht über die erforderlichen tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfüge, um die Vorlagefragen zweckdienlich zu beantworten.

    27

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, dass dieses Gericht die Anforderungen an den Inhalt eines Vorabentscheidungsersuchens, die ausdrücklich in Art. 94 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, von dem das vorlegende Gericht Kenntnis haben sollte, aufgeführt sind, sorgfältig beachtet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Juli 2016, Ognyanov, C‑614/14, EU:C:2016:514, Rn. 18 und 19 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 27. Oktober 2016, Audace u. a., C‑114/15, EU:C:2016:813, Rn. 35).

    28

    So ist es – nach Art. 94 Buchst. c der Verfahrensordnung – unerlässlich, dass die Vorlageentscheidung selbst eine Darstellung der Gründe enthält, aus denen das vorlegende Gericht Zweifel bezüglich der Auslegung oder der Gültigkeit bestimmter Vorschriften des Unionsrechts hat, und den Zusammenhang angibt, den es zwischen diesen Vorschriften und dem auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren nationalen Recht herstellt.

    29

    Wie in Art. 94 Buchst. a der Verfahrensordnung vorgesehen, ist es ebenfalls unerlässlich, dass die Vorlageentscheidung selbst zumindest eine Darstellung der tatsächlichen Umstände, auf denen die Fragen beruhen, enthält. Diese Erfordernisse gelten nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C‑380/05, EU:C:2008:59, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Beschluss vom 12. Dezember 2013, Umbra Packaging, C‑355/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:867, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    30

    Im vorliegenden Fall ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Vorabentscheidungsersuchen keinerlei Erläuterung zur Relevanz der Art. 56, 101, 102 und 106 AEUV für die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits enthält.

    31

    Zum einen ergibt sich aus den dem Gerichtshof übermittelten Unterlagen, dass der Ausgangsrechtsstreit durch Merkmale charakterisiert ist, die sämtlich nicht über die Grenzen des italienischen Staates hinausweisen. In einer solchen Situation findet Art. 56 AEUV jedoch keine Anwendung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    32

    Zum anderen enthält die Vorlageentscheidung keinerlei tatsächliche oder rechtliche Angaben, die eine Beurteilung der Frage zuließen, ob und inwieweit einer der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Betreiber analoger Sender als Unternehmen im Sinne von Art. 106 AEUV eingestuft werden kann und ob und inwieweit die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, die für die Digitalisierung angewandt wurde, geeignet ist, einem solchen Unternehmen gegen die Art. 101 und 102 AEUV verstoßende besondere Rechte zu verleihen.

    33

    Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass die Vorlagefragen in tatsächlicher Hinsicht auf der Prämisse beruhen, dass bestimmte für die Umstellung berücksichtigte analoge Sender ordnungs- oder rechtswidrig betrieben worden seien, d. h. unter Verstoß gegen die Konzentrationsschwellen oder ohne Konzession. Das vorlegende Gericht macht allerdings keine genaueren Angaben zu dieser Prämisse, die im Übrigen von der italienischen Regierung sowie von Reti Televisive Italiane und RAI angegriffen wird.

    34

    Abgesehen davon, dass der Gerichtshof nach der in Rn. 24 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Richtigkeit des von dem vorlegenden Gericht dargestellten sachlichen Rahmens nicht zu prüfen hat, ist indessen darauf hinzuweisen, dass sich die Vorlagefragen nicht auf den ordnungsgemäßen Betrieb der in Rede stehenden analogen Sender im Hinblick auf den NGR beziehen. Diese Fragen beziehen sich nämlich auf die Problematik, ob vorgeblich ordnungswidrig betriebene Sender in gleichem Maße wie ordnungsgemäß betriebene Sender für die Umwandlung in digitale Netze berücksichtigt werden können. Der Gerichtshof ist jedoch – wie die Generalanwältin in den Nrn. 37 bis 40 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat – in der Lage, dem vorlegenden Gericht auf der Grundlage des von diesem übermittelten Akteninhalts und in tatsächlicher Hinsicht ausgehend von der Prämisse – die nur dieses Gericht gegebenenfalls entkräften kann –, dass die analogen Sender im Hinblick auf das nationale Recht und/oder die Bestimmungen des NGR ordnungs- oder rechtswidrig betrieben wurden, eine sachdienliche Antwort zu geben.

    35

    Nach alledem sind die Vorlagefragen insoweit unzulässig, als sie sich auf die Auslegung der Art. 56, 101, 102 und 106 AEUV beziehen.

    Zur Beantwortung der Fragen

    36

    Mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 9 der Rahmenrichtlinie, die Art. 3, 5 und 7 der Genehmigungsrichtlinie, die Art. 2 und 4 der Wettbewerbsrichtlinie sowie die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die für die Umwandlung bestehender analoger Sender in digitale Netze rechtswidrig betriebene analoge Sender ebenso wie rechtmäßig betriebene analoge Sender berücksichtigt und die – auch wenn darauf das gleiche Umwandlungskriterium angewandt wird – zum Nachteil eines Betreibers im Vergleich zu seinen Wettbewerbern zu einer proportional stärkeren Verringerung der Anzahl der zugeteilten digitalen Netze im Verhältnis zu den betriebenen analogen Sendern führt.

    37

    Erstens ist darauf hinzuweisen, dass Art. 8 der Rahmenrichtlinie die Mitgliedstaaten verpflichtet, dafür zu sorgen, dass die NRB alle angezeigten Maßnahmen treffen, die der Förderung des Wettbewerbs bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsdienste dienen, wobei sie gewährleisten, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder ‑beschränkungen im Bereich der elektronischen Kommunikation gibt, und verbleibende Hindernisse für die Erbringung dieser Dienste auf Unionsebene abbauen (Urteile vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C‑380/05, EU:C:2008:59, Rn. 81, vom 3. Dezember 2009, Kommission/Deutschland, C‑424/07, EU:C:2009:749, Rn. 92, und vom 7. November 2013, UPC Nederland, C‑518/11, EU:C:2013:709, Rn. 50).

    38

    Nach Abs. 1 dieses Artikels müssen die NRB bei der Wahrnehmung ihrer in der Rahmenrichtlinie und u. a. der Genehmigungsrichtlinie festgelegten regulatorischen Aufgaben alle angezeigten Maßnahmen treffen, die den in den Abs. 2 bis 4 dieses Artikels vorgegebenen Zielen dienen, nämlich den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste zu fördern, zur Entwicklung des Binnenmarkts beizutragen und die Interessen der Unionsbürger zu fördern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 19. Juni 2014, TDC, C‑556/12, EU:C:2014:2009, Rn. 39, und vom 15. September 2016, Koninklijke KPN u. a., C‑28/15, EU:C:2016:692, Rn. 46).

    39

    Nach Art. 4 Abs. 2 der Wettbewerbsrichtlinie, Art. 5 Abs. 2 Unterabs. 2 und Art. 7 Abs. 3 der Genehmigungsrichtlinie sowie Art. 9 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie sind die Frequenznutzungsrechte nach objektiven, transparenten (bzw. nachvollziehbaren), nicht diskriminierenden (bzw. diskriminierungsfreien) und angemessenen (bzw. verhältnismäßigen) Kriterien zu vergeben. Die letztgenannte Voraussetzung bedeutet, dass diese Kriterien geeignet sein müssen, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen dürfen, was zum Erreichen dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. April 2015, Kommission/Bulgarien, C‑376/13, nicht veröffentlicht, EU:C:2015:266, Rn. 65 und 84).

    40

    Wie die Generalanwältin in Nr. 47 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, sind diese Kriterien nicht nur bei der erstmaligen Frequenzvergabe zu beachten, sondern auch bei jeder weiteren Vergabe, einer Verlängerung oder, wie unter den Umständen des Ausgangsverfahrens, einer Umwandlung der Frequenzen im Kontext der Digitalisierung.

    41

    Schließlich ergibt sich aus Art. 5 Abs. 6 der Genehmigungsrichtlinie, dass die NRB dafür sorgen, dass der Wettbewerb nicht durch eine Anhäufung von Rechten zur Nutzung von Funkfrequenzen verfälscht wird.

    42

    Aus diesen Bestimmungen folgt, dass der NGR u. a. auf dem Ziel eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs beruht und seine Entwicklung unter besonderer Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit bezweckt.

    43

    In diesem Sinne wurde bereits entschieden, dass die Bestimmungen des NGR, insbesondere Art. 9 Abs. 1 der Rahmenrichtlinie, Art. 5 Abs. 1 der Genehmigungsrichtlinie und Art. 4 Nr. 1 der Wettbewerbsrichtlinie, nationalen Maßnahmen entgegenstehen, die zur Folge haben, die Strukturen des nationalen Marktes zu verfestigen und die Position der bereits auf diesem Markt aktiven nationalen Betreiber zu schützen, indem sie den Zugang zu diesem Markt für neue Betreiber versperren oder einschränken, es sei denn, dass diese Maßnahmen aus im Interesse der Allgemeinheit liegenden Zielen gerechtfertigt sind und auf der Grundlage objektiver, transparenter, nicht diskriminierender und angemessener Kriterien durchgeführt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C‑380/05, EU:C:2008:59, Rn. 95 bis 107).

    44

    Es ist davon auszugehen, dass es ebenfalls gegen die Bestimmungen des NGR verstieße, einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil zugunsten eines bereits auf dem Markt tätigen Betreibers, der unter Missachtung der gesetzlichen Anforderungen und entgegen der Zielsetzung des wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs erzielt wurde, zu perpetuieren oder gar zu verstärken und gleichzeitig den Zugang zum Markt für neue Betreiber zu versperren oder einzuschränken.

    45

    Daraus ergibt sich, dass die Bestimmungen des NGR, wie die Generalanwältin in Nr. 70 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, der Berücksichtigung illegal betriebener analoger Sender für die Digitalisierung entgegenstehen, da sie zu einer Perpetuierung oder gar einer Verstärkung eines ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteils führt.

    46

    Zweitens ist – um dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort für den Fall zu geben, dass es zu der Feststellung gelangt, dass alle in Rede stehenden Sender rechtmäßig betrieben wurden – darauf hinzuweisen, dass nach dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz als allgemeinem Grundsatz des Unionsrechts vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleich behandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Vergleichbarkeit der Sachverhalte ist u. a. im Licht des Gegenstands und des Zwecks der Maßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und die Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, dem die in Rede stehende Maßnahme unterfällt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    47

    Zunächst ist entsprechend den von der Generalanwältin in Nr. 53 ihrer Schlussanträge gemachten Ausführungen darauf hinzuweisen, dass sich Betreiber wie Persidera, RAI und Mediaset, die in Italien analoge Sender ausstrahlten, im Hinblick auf die Umwandlung dieser Sender in digitale Netze anlässlich der Digitalisierung grundsätzlich in einer vergleichbaren Situation befanden.

    48

    Sodann ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen, dass die von diesen drei Anbietern mehrerer Netze betriebenen analogen Sender in Anwendung des in Rn. 16 des vorliegenden Urteils angeführten sogenannten „angemessenen“ Kriteriums umgewandelt wurden. So ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass die Anzahl der von jedem Anbieter betriebenen Sender in eine entsprechende Anzahl digitaler Netze – abzüglich eines Senders – umgewandelt wurde. Folglich wurde Persidera, die zwei analoge Sender betrieb, ein digitales Netz zugeteilt, während RAI und Mediaset, die jeweils drei analoge Sender betrieben, jeweils zwei digitale Netze zugeteilt wurden. Mit anderen Worten betrug das Umwandlungsverhältnis im Fall von Persidera lediglich 50 %, da sie ein einziges digitales Netz für ihre zwei analogen Sender erhielt, während RAI und Mediaset in den Genuss eines Umwandlungsverhältnisses von 66,67 % kamen, da jede zwei digitale Netze für drei analoge Sender erhielt. Die Anwendung ein und derselben Maßnahme, nämlich des Abzugs eines analogen Senders bei der Digitalisierung, führte daher zur Anwendung unterschiedlicher Umwandlungssätze, die Persidera mehr beeinträchtigten als RAI und Mediaset.

    49

    Unter diesen Umständen ist, wie die Generalanwältin in den Nrn. 54 bis 57 ihrer Schlussanträge hervorgehoben hat, davon auszugehen, dass eine nationale Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende eine Ungleichbehandlung zwischen im Wettbewerb stehenden Betreibern darstellt, die sich indessen in einer vergleichbaren Situation befinden.

    50

    Weiterhin ergibt sich aus den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen, dass das sogenannte „angemessene“ Kriterium mit der Notwendigkeit gerechtfertigt werden sollte, die Kontinuität des Fernsehangebots sicherzustellen. Außerdem sei die Ungleichbehandlung durch sachliche Zwänge verursacht worden, die mit der technischen Unmöglichkeit zusammenhingen, die Funkfrequenzen zu teilen.

    51

    Hierzu ist festzustellen, dass die Kontinuität des Fernsehangebots, wie die Generalanwältin in Nr. 64 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, dem Verbraucherschutz zuzurechnen ist, der im Übrigen ausdrücklich unter den in Art. 8 Abs. 4 der Rahmenrichtlinie genannten Zielen aufgeführt ist. Daher kann das Ziel der Kontinuität des Fernsehangebots von den NRB bei der Umwandlung bestehender analoger Sender in digitale Netze berücksichtigt werden, wobei jedoch dafür zu sorgen ist, dass diese Umwandlung sämtliche in Art. 8 der Rahmenrichtlinie genannten Ziele und die Notwendigkeit einer effizienten Verwaltung der Funkfrequenzen beachtet, wie sie mit Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie verlangt wird.

    52

    Die Umwandlung bestehender analoger Sender in digitale Netze ist sicher geeignet, die Kontinuität des bis dahin dank analoger Technik ausgestrahlten Fernsehangebots sicherzustellen.

    53

    Eine Maßnahme, die dazu führte, dass den bereits auf dem Markt tätigen Betreibern eine größere Anzahl von digitalen Funkfrequenzen zugeteilt wird, als für eine Sicherstellung der Kontinuität ihres Fernsehangebots ausreichend wäre, würde jedoch über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist, und wäre somit unverhältnismäßig.

    54

    Es ist noch klarzustellen, dass die NRB bei der Umwandlung bestehender analoger Sender in digitale Netze sachliche Zwänge, die mit der technischen Unmöglichkeit zusammenhängen, die in Rede stehenden Funkfrequenzen zu teilen, zu berücksichtigen hat. Das Ziel, eine effiziente Nutzung und Verwaltung der Funkfrequenzen sicherzustellen, wie es u. a. in Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der Rahmenrichtlinie vorgesehen ist, kann die Zuteilung einer im Verhältnis zur Anzahl der betriebenen analogen Sender größeren oder geringeren Anzahl digitaler Netze rechtfertigen, um Bruchteile bei der Frequenzvergabe zu vermeiden.

    55

    Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorliegenden Unterlagen, dass ein digitaler Multiplex die Übertragung von fünf bis sechs Sendern in einer zur analogen Übertragung gleichwertigen Übertragungsqualität oder aber die Übertragung von drei digitalen Sendern in HD, d. h. mit einer fortschrittlicheren Technik, erlaubt. Wie die Generalanwältin in Nr. 67 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat – und unter dem Vorbehalt der Prüfung durch das vorlegende Gericht –, zeigt sich somit, dass ein einziger Multiplex hätte ausreichen können, um Betreibern wie RAI und Mediaset die Sicherstellung der Kontinuität ihrer drei analogen Sender in einer vergleichbaren Qualität zu ermöglichen, und dass die Zuteilung eines zweiten Multiplex über das hinausging, was zu diesem Zweck erforderlich war. Im Übrigen ist, wie sich aus Nr. 79 der Schlussanträge ergibt, nicht ersichtlich, dass die Bewahrung der Unteilbarkeit der Frequenzen die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Ungleichbehandlung hinreichend rechtfertigt, was von dem vorlegenden Gericht zu prüfen sein wird.

    56

    Im Licht der vorstehenden Erwägungen sind die Vorlagefragen wie folgt zu beantworten:

    Art. 9 der Rahmenrichtlinie, die Art. 3, 5 und 7 der Genehmigungsrichtlinie sowie die Art. 2 und 4 der Wettbewerbsrichtlinie sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die für die Umwandlung bestehender analoger Sender in digitale Netze rechtswidrig betriebene analoge Sender berücksichtigt, da sie zur Perpetuierung oder sogar Verstärkung eines ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteils führt.

    Die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die in Anwendung ein und desselben Umwandlungskriteriums zum Nachteil eines Betreibers im Vergleich zu seinen Wettbewerbern zu einer proportional stärkeren Verringerung der Anzahl der zugeteilten digitalen Netze im Verhältnis zu den betriebenen analogen Sendern führt, es sei denn, sie ist objektiv gerechtfertigt und zu ihrem Ziel verhältnismäßig. Die Kontinuität des Fernsehangebots stellt ein legitimes Ziel dar, das einen solchen Unterschied rechtfertigen kann. Eine Bestimmung, die dazu führt, dass bereits auf dem Markt tätigen Betreibern eine größere Anzahl von digitalen Funkfrequenzen zugeteilt wird, als für eine Sicherstellung der Kontinuität des Fernsehangebots ausreichend wäre, würde jedoch über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist, und wäre somit unverhältnismäßig.

    Kosten

    57

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 9 der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung, die Art. 3, 5 und 7 der Richtlinie 2002/20/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140 geänderten Fassung sowie die Art. 2 und 4 der Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die für die Umwandlung bestehender analoger Sender in digitale Netze rechtswidrig betriebene analoge Sender berücksichtigt, da sie zur Perpetuierung oder sogar Verstärkung eines ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteils führt.

     

    2.

    Die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der Verhältnismäßigkeit sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die in Anwendung ein und desselben Umwandlungskriteriums zum Nachteil eines Betreibers im Vergleich zu seinen Wettbewerbern zu einer proportional stärkeren Verringerung der Anzahl der zugeteilten digitalen Netze im Verhältnis zu den betriebenen analogen Sendern führt, es sei denn, sie ist objektiv gerechtfertigt und zu ihrem Ziel verhältnismäßig. Die Kontinuität des Fernsehangebots stellt ein legitimes Ziel dar, das einen solchen Unterschied rechtfertigen kann. Eine Bestimmung, die dazu führt, dass bereits auf dem Markt tätigen Betreibern eine größere Anzahl von digitalen Funkfrequenzen zugeteilt wird, als für eine Sicherstellung der Kontinuität des Fernsehangebots ausreichend wäre, würde jedoch über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels notwendig ist, und wäre somit unverhältnismäßig.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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