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Dokument 62015CJ0600

Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 8. Dezember 2016.
Staatssecretaris van Financiën gegen Lemnis Lighting BV.
Vorabentscheidungsersuchen des Hoge Raad der Nederlanden.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 – Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif – Tarifierung – Kombinierte Nomenklatur – Positionen 8539, 8541, 8543, 8548 und 9405 – Lampen aus Leuchtdioden (LED).
Rechtssache C-600/15.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2016:937

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

8. Dezember 2016 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 — Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif — Tarifierung — Kombinierte Nomenklatur — Positionen 8539, 8541, 8543, 8548 und 9405 — Lampen aus Leuchtdioden (LED)“

In der Rechtssache C‑600/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) mit Entscheidung vom 6. November 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 16. November 2015, in dem Verfahren

Staatssecretaris van Financiën

gegen

Lemnis Lighting BV

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Richters A. Borg Barthet (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Zehnten Kammer sowie der Richter E. Levits und F. Biltgen,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Lemnis Lighting BV, vertreten durch E. Mennes und B. Kalshoven, belastingadviseurs,

der niederländischen Regierung, vertreten durch K. Bulterman und B. Koopman als Bevollmächtigte,

der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, G. Koós und A. Pálfy als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Caeiros und P. Vanden Heede als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Tarifpositionen 8539, 8541, 8543, 8548 und 9405 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1214/2007 der Kommission vom 20. September 2007 (ABl. 2007, L 286, S. 1) (im Folgenden: KN).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen, Niederlande, im Folgenden: Zollverwaltung) und der Lemnis Lighting BV (im Folgenden: Lemnis Lighting) wegen der zolltariflichen Einreihung von Lampen aus Leuchtdioden (im Folgenden: LED-Lampen).

Rechtlicher Rahmen

Übereinkommen über das Harmonisierte System

3

Der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), wurde durch das am 15. Dezember 1950 in Brüssel geschlossene internationale Abkommen zu seiner Gründung errichtet. Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde von der WZO ausgearbeitet und mit dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS-Übereinkommen) eingeführt, das mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt wurde.

4

Nach Art. 3 Abs. 1 des HS-Übereinkommens verpflichtet sich jede Vertragspartei, ihre Zolltarifnomenklatur und ihre Statistiknomenklaturen mit dem HS in Übereinstimmung zu bringen, alle Positionen und Unterpositionen des HS sowie die dazugehörigen Codenummern zu verwenden, ohne etwas hinzuzufügen oder zu ändern, und die Nummernfolge des HS einzuhalten. Jede Vertragspartei verpflichtet sich außerdem, die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS sowie alle Anmerkungen zu den Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen des HS anzuwenden und die Tragweite der Abschnitte, Kapitel, Positionen oder Unterpositionen des HS nicht zu verändern.

5

Die WZO genehmigt nach Maßgabe von Art. 8 des HS-Übereinkommens die vom HS-Ausschuss ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise.

6

In den HS-Erläuterungen zur HS-Position 8541 heißt es:

„A) Dioden, Transistoren und ähnliche Halbleiterbauelemente

Von diesen Bauelementen können genannt werden:

I)

Dioden. Das sind Bauelemente mit 2 Anschlüssen und nur einem pn-Übergang, die den Stromdurchgang in einer Richtung (Durchlassrichtung) erlauben, in der anderen Richtung (Sperr-Richtung) dagegen sehr großen Widerstand leisten. Sie werden als Detektor, zum Gleichrichten, zum Schalten usw. verwendet.

Die wichtigsten Diodenarten sind die Signaldioden, die Leistungsgleichrichterdioden, die spannungsregelnden Dioden, die Dioden zum Stabilisieren von Spannungen.

II)

Transistoren …

III)

Ähnliche Halbleiterbauelemente …

Die vorstehend beschriebenen Halbleiterbauelemente gehören zu dieser Position, gleichgültig, ob sie in montiertem Zustand, d. h. bereits mit ihren Anschlüssen versehen oder verkapselt (komplette Bauelemente), nicht montiert (Elemente) oder sogar in Form von noch nicht zerschnittenen Scheiben (wafers) gestellt werden.

B) Lichtempfindliche Halbleiterbauelemente;

C) Leuchtdioden

Leucht- oder Elektrolumineszenzdioden (auf Grundlage z. B. von Galliumarsenid oder Galliumphosphid) sind Vorrichtungen, die elektrische Energie in sichtbare Strahlen, Infrarotstrahlen oder ultraviolette Strahlen umwandeln. Sie werden z. B. zur Datenanzeige oder zur Datenübertragung in Datenverarbeitungssystemen verwendet.

…“

7

In den HS-Erläuterungen zur HS-Position 8543 wird ausgeführt:

„Zu dieser Position gehören alle elektrischen Maschinen, Apparate und Geräte, die in anderen Positionen dieses Kapitels weder genannt oder inbegriffen noch in irgendeiner Position eines anderen Kapitels (vor allem der Kapitel 84 oder 90) genauer erfasst sind und auch nicht durch die Anmerkungen zu Abschnitt XVI oder zu diesem Kapitel ausgenommen sind.

Die zu dieser Position gehörenden elektrischen Maschinen, Apparate und Geräte müssen eine eigene Funktion besitzen. Die einführenden Bestimmungen in den Erläuterungen zu Pos. 8479 über Maschinen, Apparate und Geräte mit eigener Funktion sind sinngemäß auf Maschinen, Apparate und Geräte dieser Position anzuwenden.

Die meisten Maschinen, Apparate und Geräte dieser Position sind aus elektrischen Waren oder Teilen (z. B. Elektronenröhren, Transformatoren, Kondensatoren, Drosselspulen, Widerständen usw.) zusammengesetzt und arbeiten (funktionieren) rein elektrisch. Jedoch gehören auch elektrische Maschinen, Apparate und Geräte mit mechanischen Vorrichtungen zu dieser Position, sofern diese Vorrichtungen im Vergleich zu den elektrisch arbeitenden Teilen der Maschinen, Apparate oder Geräte von untergeordneter Bedeutung sind.“

8

In den HS-Erläuterungen zur HS-Position 8479 heißt es:

„Zu dieser Position gehören nur Maschinen, Apparate und mechanische Geräte mit eigener Funktion, die

c)

nicht in eine andere, speziellere Position des Kapitels 84 eingereiht werden können, weil

1.

sie aufgrund ihrer Funktion, Bezeichnung oder Bauart zu keiner anderen Position gehören, …

Die Maschinen, Apparate und Geräte dieser Position unterscheiden sich von Maschinen-, Apparate- oder Geräteteilen, die nach den allgemeinen Bestimmungen über die Einreihung von Teilen einzureihen sind, dadurch, dass sie eine eigene Funktion besitzen.

Als Maschinen, Apparate und mechanische Geräte mit ‚eigener Funktion‘ sind anzusehen:

A)

Mechanische Vorrichtungen …, deren Funktion sich deutlich von der Funktion anderer Maschinen, Apparate oder mechanischer Geräte unterscheidet. …

B)

Mechanische Vorrichtungen, die ihre Funktion nur dann ausüben können, wenn sie an eine andere Maschine, einen anderen Apparat oder ein anderes mechanisches Gerät angebaut oder in eine größere Einheit eingebaut sind, sofern ihre Funktion:

1.

sich deutlich von der Funktion der Maschine, des Apparates, des mechanischen Gerätes oder der Einheit unterscheidet, an die sie angebaut bzw. in die sie eingebaut werden sollen, und

2.

nicht als integrierender und untrennbarer Teil des Funktionsablaufes in der Maschine, im Apparat, im mechanischen Gerät oder in der Einheit anzusehen ist.

…“

9

In den HS-Erläuterungen zu Position 9405 wird ausgeführt:

„Zu dieser Position gehören erkennbare Teile von Beleuchtungskörpern, Reklameschildern, Leuchtschildern, beleuchteten Namensschildern und dergleichen, anderweit weder genannt noch inbegriffen, …

Gesondert gestellte elektrische Teile (z. B. Schalter, Lampenfassungen, Kabel, Stecker, Transformatoren, Starter, Halterungen) sind ausgenommen (Kapitel 85).

Nicht zu dieser Position gehören ebenfalls:

h)

elektrische Glühlampen und Entladungslampen (einschließlich Röhren in verschiedenen Formen, wie Schnörkel, Buchstaben, Figuren, Sternen usw.) und Bogenlampen (Pos. 8539).

…“

Die KN

10

Die zolltarifliche Einreihung der Waren, die in die Europäische Union eingeführt werden, richtet sich nach der KN, die auf dem HS aufbaut.

11

Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 in der durch die Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. 2000, L 28, S. 16) geänderten Fassung veröffentlicht die Europäische Kommission jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergibt. Die betreffende Verordnung gilt jeweils ab dem 1. Januar des folgenden Jahres.

12

Auf den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sachverhalt, der einen Zeitraum von Mai 2008 bis März 2011 umfasst, sind die Fassungen der KN anwendbar, die sich nacheinander aus der Verordnung Nr. 1214/2007, der Verordnung (EG) Nr. 1031/2008 der Kommission vom 19. September 2008 (ABl. 2008, L 291, S. 1), der Verordnung (EG) Nr. 948/2009 der Kommission vom 30. September 2009 (ABl. 2009, L 287, S. 1) und der Verordnung (EU) Nr. 861/2010 der Kommission vom 5. Oktober 2010 (ABl. 2010, L 284, S. 1) ergeben. Da der Wortlaut der auf diesen Sachverhalt anwendbaren Bestimmungen der KN von diesen Änderungen nicht erfasst wurde, ist die sich aus der Verordnung Nr. 1214/2007 ergebende Fassung zugrunde zu legen.

13

Teil I der KN enthält eine Reihe einführender Vorschriften. Unter seinem Titel I, in dem die Allgemeinen Vorschriften niedergelegt sind, bestimmt Abschnitt A („Allgemeine Vorschriften für die Auslegung der [KN]“):

„Für die Einreihung von Waren in die [KN] gelten folgende Grundsätze:

1.

Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und – soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist – die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

4.

Waren, die nach den vorstehenden Allgemeinen Vorschriften nicht eingereiht werden können, werden in die Position der Waren eingereiht, denen sie am ähnlichsten sind.

6.

Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und – sinngemäß – die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.“

14

Teil II („Zolltarif“) der KN enthält u. a. Abschnitt XVI, dessen Anmerkung 4 Folgendes vorsieht:

„Besteht eine Maschine oder eine Kombination aus Maschinen aus entweder voneinander getrennten oder durch Leitungen, Übertragungsvorrichtungen, elektrischen Kabeln oder anderen Vorrichtungen miteinander verbundenen Einzelkomponenten, die gemeinsam eine genau bestimmte, in einer der Positionen des Kapitels 84 oder 85 erfasste Funktion ausüben, so ist das Ganze in die Position einzureihen, die diese Funktion erfasst.“

15

Abschnitt XVI der KN enthält ein Kapitel 85 („Elektrische Maschinen, Apparate, Geräte und andere elektrotechnische Waren, Teile davon; Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte, Bild- und Tonaufzeichnungs- oder ‑wiedergabegeräte für das Fernsehen, Teile und Zubehör für diese Geräte“).

16

In Anmerkung 8 zu Kapitel 85 der KN heißt es:

„Im Sinne der Positionen 8541 und 8542 sind:

‚Dioden, Transistoren und ähnliche Halbleiterbauelemente‘ Bauelemente, deren Arbeitsweise auf der Veränderung des spezifischen Widerstandes unter dem Einfluss eines elektrischen Feldes beruht;

Mit Ausnahme der Position 8523 haben die Positionen 8541 und 8542 für die in dieser Anmerkung beschriebenen Waren Vorrang vor jeder anderen Position der Nomenklatur, die für diese Waren, insbesondere wegen ihrer Funktion, in Betracht kommen könnte.“

17

Anmerkung 9 zu Kapitel 85 der KN lautet:

„Als ausgebrauchte elektrische Primärelemente und Primärbatterien sowie ausgebrauchte elektrische Akkumulatoren im Sinne der Position 8548 gelten derartige Waren, die wegen Bruchs, Zerstörung, Abnutzung oder anderer Gründe als solche nicht mehr verwendet werden können oder nicht wiederaufladbar sind.“

18

Kapitel 85 der KN enthält folgende Tarifpositionen:

„8539

Elektrische Glühlampen und Entladungslampen, einschließlich innenverspiegelte Scheinwerferlampen (sealed beam lamp units) und Ultraviolett- und Infrarotlampen; Bogenlampen:

 

 

8541

Dioden, Transistoren und ähnliche Halbleiterbauelemente (einschließlich Fotoelemente, auch zu Modulen zusammengesetzt oder in Form von Tafeln); Leuchtdioden; gefasste oder montierte piezoelektrische Kristalle:

 

 

8543

Elektrische Maschinen, Apparate und Geräte, mit eigener Funktion, in Kapitel 85 anderweit weder genannt noch inbegriffen:

8548

Abfälle und Schrott von elektrischen Primärelementen, Primärbatterien und Akkumulatoren; ausgebrauchte elektrische Primärelemente, Primärbatterien und Akkumulatoren; elektrische Teile von Maschinen, Apparaten und Geräten, in diesem Kapitel anderweit weder genannt noch inbegriffen:

…“

19

Kapitel 94 („Möbel; Medizinisch-chirurgische Möbel; Bettausstattungen und ähnliche Waren; Beleuchtungskörper, anderweit weder genannt noch inbegriffen; Reklameleuchten, Leuchtschilder, beleuchtete Namensschilder und dergleichen; vorgefertigte Gebäude“) in Abschnitt XX der KN umfasst die Tarifposition 9405, die lautet:

„Beleuchtungskörper (einschließlich Scheinwerfer) und Teile davon, anderweit weder genannt noch inbegriffen; Reklameleuchten, Leuchtschilder, beleuchtete Namensschilder und dergleichen, mit fest angebrachter Lichtquelle, und Teile davon, anderweit weder genannt noch inbegriffen:

…“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

20

Im Zeitraum von Mai 2008 bis März 2011 gab Lemnis Lighting Anmeldungen zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr für LED-Lampen ab.

21

Die LED-Lampen setzen sich aus verschiedenen elektronischen Komponenten, einer Glasumhüllung und einer Metallfassung zusammen. Sie sind zur Verwendung in einer Leuchte bestimmt und dienen der Beleuchtung.

22

Eine der elektronischen Komponenten ist eine gedruckte Schaltung („printed circuit board“, im Folgenden: PCB) in quadratischer Form mit 14 mm Seitenlänge, auf der sechs Leuchtdioden („light emitting diodes“, im Folgenden: Leuchtdioden) angebracht sind. Die Leuchtdioden setzen elektrische Energie aus dem Stromnetz in sichtbares Licht um, sobald elektrischer Strom in der Durchlassrichtung durch die Diode fließt.

23

Das PCB mit den Leuchtdioden ist von einer Glaskugel umhüllt. Ferner verfügen die LED-Lampen über eine Fassung mit sogenanntem Edison-Gewinde mit einem Durchmesser von 27 mm (E27-Fassung, im Folgenden: Fassung). Damit können die LED-Lampen in eine Leuchte eingesetzt werden.

24

Die Leuchtdioden benötigen eine konstante Stromzufuhr. Daher ist zwischen der Fassung und dem PCB eine elektronische Komponente angebracht, die die Funktion hat, Stromschwankungen aufzufangen, die im Stromnetz auftreten. Diese elektronische Komponente enthält u. a. Dioden, Transistoren, Widerstände, Kondensatoren und Spulen sowie integrierte Schaltungen.

25

Bei der Anmeldung gab Lemnis Lighting für die LED-Lampen die KN‑Unterposition 8541 40 10 an, für die ein Zollsatz von 0 % gilt.

26

Die Zollverwaltung war der Auffassung, dass die LED-Lampen in die KN-Unterposition 8543 70 90 einzureihen seien, für die ein Zollsatz von 3,7 % gilt, und erließ Zahlungsbescheide über Zölle in entsprechender Höhe gegenüber Lemnis Lighting.

27

Lemnis Lighting legte gegen diese Einreihungsentscheidung Einspruch ein, der von der Zollverwaltung zurückgewiesen wurde. Gegen diese ablehnende Entscheidung erhob sie Klage bei der Rechtbank te Haarlem (Gericht Harlem, Niederlande), die die Klage für unbegründet erklärte. Gegen dieses Urteil legte Lemnis Lighting Berufung beim Gerechtshof Amsterdam (Berufungsgericht Amsterdam, Niederlande) ein.

28

Dieses Gericht entschied, dass die LED-Lampen in Anwendung der Vorschrift 4 der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN in die KN-Unterposition 8539 22 90 eingereiht werden könnten, für die ein Zollsatz von 2,7 % gelte, da die Glühlampen in KN‑Position 8539 den LED-Lampen am nächsten seien.

29

Die Steuerverwaltung legte gegen dieses Urteil des Gerechtshof Amsterdam (Berufungsgericht Amsterdam) Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht, dem Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande), ein. Lemnis Lighting legte gegen dasselbe Urteil Anschlusskassationsbeschwerde ein. Das vorlegende Gericht äußert Zweifel in Bezug auf die zolltarifliche Einreihung der LED-Lampen.

30

Es ist nämlich der Ansicht, dass die Einreihung der LED-Lampen, da gemäß der Vorschrift 1 der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN keine der KN‑Positionen 8539, 8541 und 8543 anwendbar sei, anhand der Vorschriften 2, 3 oder eventuell 4 der Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN erfolgen könne. Sollten die LED-Lampen als „elektrische Teile von Maschinen, Apparaten und Geräten“ oder als „Beleuchtungskörper und Teile davon“ anzusehen sein, stelle sich die Frage, ob sie den KN‑Positionen 8548 oder 9405 zugeordnet werden könnten.

31

Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad der Nederlanden (Oberster Gerichtshof der Niederlande) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind die Positionen 8539, 8541, 8543, 8548 und 9405 der KN dahin auszulegen, dass Waren wie LED-Lampen, die aus Leuchtdioden und anderen elektrischen Komponenten sowie einer Glasumhüllung und einer Edison-Fassung zusammengesetzt sind und nach Anbringung in einem Beleuchtungskörper zur Beleuchtung dienen, in eine dieser Positionen einzureihen sind? Für den Fall der Bejahung: In welche dieser Positionen sind diese Waren dann einzureihen? Für den Fall der Verneinung: In welche andere Position muss die Einreihung dann erfolgen?

Zur Vorlagefrage

32

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, unter welche der KN‑Positionen 8539, 8541, 8543, 8548 oder 9405 Waren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden LED-Lampen fallen.

33

Vorab ist festzustellen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren auf dem Gebiet der zolltariflichen Einreihung Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Kriterien aufzuzeigen, anhand deren es die betreffenden Waren richtig in die KN einreihen kann, nicht aber, diese Einreihung selbst vorzunehmen, zumal er nicht immer über die hierfür erforderlichen Angaben verfügt. Somit ist das nationale Gericht hierzu jedenfalls offensichtlich besser in der Lage (Urteil vom 12. Juni 2014, Lukoyl Neftohim Burgas, C‑330/13, EU:C:2014:1757, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Es ist daher Sache des vorlegenden Gerichts, die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren anhand der Anhaltspunkte einzureihen, die der Gerichtshof in Beantwortung der ihm vorgelegten Frage gibt.

35

Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist von vornherein zu betonen, dass zum einen, wie sich aus Rn. 13 des vorliegenden Urteils ergibt, nach den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN für die Einreihung von Waren der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln maßgebend ist, da die Überschriften der Abschnitte, Kapitel oder Teilkapitel nur als Hinweise gelten.

36

Zum anderen ist nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN‑Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (Urteil vom 12. Juni 2014, Lukoyl Neftohim Burgas, C‑330/13, EU:C:2014:1757, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37

Hinsichtlich der HS-Erläuterungen ist hinzuzufügen, dass sie zwar nicht verbindlich sind, aber wichtige Hilfsmittel für die Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs darstellen und als solche wertvolle Hinweise für dessen Auslegung liefern (Urteil vom 17. März 2016, Sonos Europe, C‑84/15, EU:C:2016:184, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

38

Im vorliegenden Fall werden LED-Lampen wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden weder vom Wortlaut der KN‑Positionen 8539, 8541, 8548 und 9405 noch von dem der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN oder dem der KN- oder HS-Erläuterungen ausdrücklich erfasst.

39

Es ist jedoch zu prüfen, ob die LED-Lampen in eine dieser KN‑Positionen eingereiht werden können.

40

Was die KN‑Position 8539 betrifft, so geht aus ihrem Wortlaut hervor, dass sie sich speziell und ausschließlich auf „[e]lektrische Glühlampen und Entladungslampen, einschließlich innenverspiegelte Scheinwerferlampen (sealed beam lamp units) und Ultraviolett- und Infrarotlampen; Bogenlampen“ bezieht. Zu ihr gehören folglich nur Lampen, die eine besondere Technik verwenden, um Licht zu erzeugen.

41

Die objektiven Merkmale und Eigenschaften von Waren wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entsprechen jedoch nicht diesem Wortlaut. Die LED-Lampen geben nämlich durch Leuchtdioden Licht ab. Dabei handelt es sich um einen Prozess des Lichtgebens, der nicht von der KN‑Position 8539 erfasst ist.

42

Waren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden können daher nicht unter die KN‑Position 8539 fallen.

43

Was die KN‑Position 8541 anbelangt, so erfasst diese u. a. „Leuchtdioden“. Wie sich aus der Vorlageentscheidung und den beim Gerichtshof eingereichten Erklärungen ergibt, bestehen die LED-Lampen unstreitig aus Leuchtdioden.

44

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Position 8541 nach der dazugehörigen HS-Erläuterung u. a. Leucht- oder Elektrolumineszenzdioden erfasst, die Vorrichtungen sind, die elektrische Energie in sichtbare Strahlen, Infrarotstrahlen oder ultraviolette Strahlen umwandeln. Sie werden z. B. zur Datenanzeige oder zur Datenübertragung in Datenverarbeitungssystemen verwendet.

45

Demnach erfasst die KN‑Position 8541 Leuchtdioden, die nicht mit weiteren elektronischen Komponenten zusammengefügt sind. Die LED‑Lampen bestehen jedoch nicht nur aus Leuchtdioden, sondern auch aus zahlreichen anderen Komponenten, die für ihre Funktion erforderlich sind, wie einem Glaskolben, einem PCB und einer Fassung.

46

Die LED-Lampen können daher nicht unter die KN‑Position 8541 fallen.

47

Zur KN‑Position 8548 ist festzustellen, dass sie u. a. „elektrische Teile von Maschinen, Apparaten und Geräten“ umfasst.

48

Auch wenn der Begriff „Teile“ im Sinne der KN‑Position 8548 in der KN nicht definiert ist, setzt der Begriff „Teile“ nach der im Zusammenhang mit den Kapiteln 84 und 85 des Abschnitts XVI und Kapitel 90 des Abschnitts XVIII der KN entwickelten Rechtsprechung des Gerichtshofs voraus, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktionieren diese Teile unabdingbar sind. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass es für die Einstufung einer Ware als „Teil“ im Sinne der genannten Kapitel nicht ausreicht, nachzuweisen, dass die Maschine, der Apparat oder das Gerät ohne diese Ware nicht ihrer Bestimmung gemäß verwendet werden kann. Es muss auch festgestellt werden, dass das mechanische oder elektrische Funktionieren der Maschine, des Apparats oder des Geräts von dieser Ware abhängt (Urteil vom 12. Dezember 2013, HARK, C‑450/12, EU:C:2013:824, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des vorlegenden Gerichts, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden LED-Lampen in eine Leuchte eingesetzt werden können. Die Leuchtdioden benötigen zudem eine konstante Stromzufuhr. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen vorträgt, hängt jedoch das mechanische oder elektrische Funktionieren des Beleuchtungskörpers, auch wenn er ohne Lampe kein Licht ausstrahlen kann, nicht davon ab, ob die LED-Lampe vorhanden ist.

50

Somit ist die LED-Lampe für das Funktionieren einer Leuchte nicht unabdingbar. In Anbetracht der in Rn. 48 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung kann daher eine LED-Lampe nicht als „Teil“ einer Leuchte eingestuft werden und damit auch nicht unter die KN‑Position 8548 fallen.

51

Darüber hinaus können die LED-Lampen nicht als „Beleuchtungskörper (einschließlich Scheinwerfer) und Teile davon“ im Sinne der KN‑Position 9405 angesehen werden.

52

Im Interesse einer kohärenten und einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs ist dem Begriff „Teile“ im Sinne der KN‑Position 9405 nämlich dieselbe Definition zu geben, die sich der zu anderen Kapiteln der KN ergangenen Rechtsprechung wie derjenigen, die in Rn. 48 des vorliegenden Urteils wiedergegeben worden ist, entnehmen lässt.

53

Demnach können die LED-Lampen nicht unter die KN‑Position 9405 fallen, da sie, wie sich aus den Rn. 49 und 50 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht als „Teile“ von Beleuchtungskörpern anzusehen sind, für deren Funktionieren sie unabdingbar wären.

54

Was die KN‑Position 8543 betrifft, so ergibt sich aus ihrem Wortlaut, dass sie „[e]lektrische Maschinen, Apparate und Geräte, mit eigener Funktion, in Kapitel 85 [der KN] anderweit weder genannt noch inbegriffen“, erfasst. Die Einreihung einer Ware in diese Position ist daher nur dann denkbar, wenn es nicht möglich ist, sie in eine andere Position des Kapitels 85 einzureihen. Wie aus den Rn. 42, 46 und 50 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist dies vorliegend der Fall (vgl. entsprechend Urteil vom 25. Februar 2016, G. E. Security, C‑143/15, EU:C:2016:115, Rn. 71).

55

Die KN‑Position 8543 ist außerdem auf elektrische Maschinen, Apparate und Geräte nur dann anwendbar, wenn sie eine eigene Funktion besitzen (vgl. Urteil vom 20. November 2014, Rohm Semiconductor, C‑666/13, EU:C:2014:2388, Rn. 27).

56

In den HS-Erläuterungen zu KN‑Position 8543 wird nämlich ausgeführt, dass die zu dieser Position gehörenden „elektrischen Maschinen, Apparate und Geräte“ eine eigene Funktion besitzen müssen. Weiter heißt es dort, dass die meisten Maschinen, Apparate und Geräte dieser Position aus elektrischen Waren oder Teilen (z. B. Elektronenröhren, Transformatoren, Kondensatoren, Drosselspulen, Widerständen usw.) zusammengesetzt sind und rein elektrisch arbeiten (funktionieren), zu dieser Position jedoch auch elektrische Maschinen, Apparate und Geräte mit mechanischen Vorrichtungen gehören, sofern diese Vorrichtungen im Vergleich zu den elektrisch arbeitenden Teilen der Maschinen, Apparate oder Geräte von untergeordneter Bedeutung sind. Ferner ist dort ausgeführt, dass die einführenden Bestimmungen in den Erläuterungen zur HS-Position 8479 über Maschinen, Apparate und Geräte mit eigener Funktion sinngemäß auf Maschinen, Apparate und Geräte der HS-Position 8543 anzuwenden sind.

57

In den HS-Erläuterungen zu Position 8479 wird insoweit darauf hingewiesen, dass zu dieser Position nur Maschinen, Apparate und mechanische Geräte mit eigener Funktion gehören, die nicht in eine andere, speziellere Position des Kapitels 84 des HS eingereiht werden können, weil sie aufgrund ihrer Funktion, Bezeichnung oder Bauart zu keiner anderen Position gehören, und dass außerdem die Maschinen, Apparate und Geräte dieser Position sich von Maschinen-, Apparate- oder Geräteteilen, die nach den allgemeinen Bestimmungen über die Einreihung von Teilen einzureihen sind, dadurch unterscheiden, dass sie eine eigene Funktion besitzen.

58

Im vorliegenden Fall haben die LED-Lampen eine Beleuchtungsfunktion. Diese Funktion wird durch Leuchtdioden sichergestellt, durch die konstant Strom fließt. Die LED-Lampen müssen insoweit nicht zwangsläufig in eine Leuchte eingebaut sein, um ihre Beleuchtungsfunktion zu erfüllen, da eine Stromzufuhr ausreicht, damit sie funktionieren. Die LED-Lampen besitzen somit eine eigene Funktion.

59

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass Waren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden LED-Lampen vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Würdigung sämtlicher ihm vorliegender Tatsachen unter die KN‑Position 8543 fallen.

Kosten

60

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1214/2007 der Kommission vom 20. September 2007 ist dahin auszulegen, dass Waren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Lampen aus Leuchtdioden vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Würdigung sämtlicher ihm vorliegender Tatsachen unter die Position 8543 dieser Nomenklatur fallen.

 

Unterschriften


( *1 ) * Verfahrenssprache: Niederländisch.

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