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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62014CC0165

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Szpunar vom 4. Februar 2016.
    Alfredo Rendón Marín gegen Administración del Estado.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Unionsbürgerschaft – Art. 20 und 21 AEUV – Richtlinie 2004/38/EG – Recht eines vorbestraften Drittstaatsangehörigen auf Aufenthalt in einem Mitgliedstaat – Elternteil mit alleinigem Sorgerecht für zwei minderjährige Kinder, die Unionsbürger sind – Erstes Kind, das die Staatsangehörigkeit des Wohnmitgliedstaats besitzt – Zweites Kind, das die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt – Nationale Regelung, nach der die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen solchen Verwandten in aufsteigender Linie bei Vorstrafen ausgeschlossen ist – Verweigerung des Aufenthalts, der zur Folge haben kann, dass die Kinder das Gebiet der Union verlassen müssen.
    Rechtssache C-165/14.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein ; Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2016:75

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MACIEJ SZPUNAR

    vom 4. Februar 2016 ( 1 )

    Rechtssache C‑165/14

    Alfredo Rendón Marín

    gegen

    Administración del Estado

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo [Oberster Gerichtshof, Spanien])

    „Unionsbürgerschaft — Art. 20 AEUV und 21 AEUV — Richtlinie 2004/38/EG — Aufenthaltsrecht eines vorbestraften Drittstaatsangehörigen — Allein sorgeberechtigter Vater zweier minderjähriger Kinder, die Unionsbürger sind — Erstes Kind, das die Staatsangehörigkeit des Wohnsitzmitgliedstaats besitzt — Zweites Kind, das die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt, sich aber immer in diesem Staat aufgehalten hat — Nationale Rechtsvorschriften, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels an diesen Verwandten in aufsteigender Linie wegen seiner Vorstrafen ausschließen — Verweigerung eines Aufenthaltsrechts, die zur Folge haben kann, dass die minderjährigen Kinder das Gebiet der Europäischen Union verlassen müssen — Zulässigkeit — Bestehen eines Aufenthaltsrechts in Anwendung der Rechtsprechung Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639) und Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124)“

    und

    Rechtssache C‑304/14

    Secretary of State for the Home Department

    gegen

    CS

    (Vorabentscheidungsersuchen des Upper Tribunal [Immigration and Asylum Chamber] London [Obergericht (Senat für Einwanderung und Asyl) London, Vereinigtes Königreich])

    „Unionsbürgerschaft — Art. 20 AEUV — Drittstaatsangehörige, die einem minderjährigen Kind, das Unionsbürger ist, Unterhalt gewährt — Daueraufenthaltsrecht in dem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit das Kind besitzt — Strafrechtliche Verurteilungen des Elternteils — Ausweisungsverfügung gegen den Elternteil, die zur mittelbaren Ausweisung des minderjährigen Kindes führt — Zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit“

    Inhaltsverzeichnis

     

    I – Einleitung

     

    II – Rechtlicher Rahmen

     

    A – EMRK

     

    B – Unionsrecht

     

    1. Charta

     

    2. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

     

    3. Richtlinie 2004/38

     

    C – Regelung des Vereinigten Königreichs

     

    D – Spanisches Recht

     

    III – Sachverhalt der Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

     

    A – Rechtssache C‑165/14

     

    B – Rechtssache C‑304/14

     

    IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

     

    V – Würdigung

     

    A – Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑165/14

     

    B – Zur Begründetheit in den Rechtssachen C‑165/14 und C‑304/14

     

    1. Besonderheiten der Rechtssachen

     

    2. Vorbemerkungen

     

    a) Zum Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung im Bereich des Einwanderungsrechts

     

    b) Zu den Aufenthaltsrechtsrechten, die der Gerichtshof Familienangehörigen eines Unionsbürgers gewährt

     

    3. Zu dem Aufenthaltsrecht, das Familienangehörigen eines Unionsbürgers im Aufnahmestaat gewährt wird: Würdigung der Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Tochter im Rahmen der Richtlinie 2004/38

     

    a) Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 auf die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Tochter

     

    b) Auswirkungen der Vorstrafen auf die Anerkennung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts unter Berücksichtigung der Art. 27 und 28 der Richtlinie 2004/38

     

    c) Zwischenergebnis in der Rechtssache C‑165/14

     

    4. Zu dem Aufenthaltsrecht, das Familienangehörigen eines Unionsbürgers in dem Mitgliedstaat gewährt wird, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt: Würdigung der Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Kinder sowie der Situation von CS und ihres Kindes

     

    a) Die Unionsbürgerschaft in der Rechtsprechung des Gerichtshofs

     

    b) Zur Beachtung des Aufenthaltsrechts der Unionsbürger im nationalem Recht

     

    5. Zur Möglichkeit, Beschränkungen eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts einzuführen, das sich unmittelbar aus Art. 20 AEUV ergibt

     

    a) Tragweite des Begriffs der öffentlichen Ordnung und des Begriffs der öffentlichen Sicherheit in Bezug auf ein sich aus Art. 20 AEUV ergebendes Aufenthaltsrecht

     

    b) Prüfung der von der Regierung des Vereinigten Königreichs geltend gemachten Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit

     

    c) Zwischenergebnis zur Rechtssache C‑165/14

     

    d) Zwischenergebnis zur Rechtssache C‑304/14

     

    VI – Ergebnis

    I – Einleitung

    1.

    Die Fragen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) und des Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) London (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl] London, Vereinigtes Königreich) beziehen sich im Wesentlichen auf die Auslegung von Art. 20 AEUV und die Tragweite dieser Vorschrift im Licht der Urteile Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639) und Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) bzw. ausschließlich im Licht des Urteils Ruiz Zambrano. Der tatsächliche Rahmen dieser Rechtssachen betrifft Drittstaatsangehörige, denen der Mitgliedstaat des Wohnsitzes bzw. der Staatsangehörigkeit ihrer minderjährigen Kinder, die Unionsbürger sind und denen sie Unterhalt gewähren, einen Aufenthaltstitel verweigert hat bzw. gegen die dieser Mitgliedstaat die Ausweisung verfügt hat. Aufgrund besagter Entscheidungen besteht die Gefahr, dass den genannten Kindern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der durch ihren Unionsbürgerstatus verliehenen Rechte verwehrt wird. Diese Gefahr ergibt sich aus nationalen Maßnahmen, die gegen die erwähnten drittstaatsangehörigen Elternteile wegen ihrer Vorstrafen ergangen sind.

    2.

    In Anbetracht der vorliegenden Vorabentscheidungsersuchen wird sich der Gerichtshof daher zunächst mit der Frage zu befassen haben, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Situationen in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. Bei Bejahung dieser Frage wird er sodann zu bestimmen haben, inwiefern sich Vorstrafen auf die Anerkennung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts auswirken, das aus der Richtlinie 2004/38/EG ( 2 ) hergeleitet wird. Schließlich wird der Gerichtshof Gelegenheit haben, sich zu der Möglichkeit, Beschränkungen eines sich unmittelbar aus Art. 20 AEUV ergebenden Aufenthaltsrechts einzuführen, und damit zur Tragweite des Begriffs „öffentliche Ordnung“ oder „öffentliche Sicherheit“ in Situationen wie den in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Rede stehenden zu äußern.

    II – Rechtlicher Rahmen

    A – EMRK

    3.

    Art. 8 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) bestimmt:

    „(1)   Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz.

    (2)   Eine Behörde darf in die Ausübung dieses Rechts nur eingreifen, soweit der Eingriff gesetzlich vorgesehen und in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist für die nationale oder öffentliche Sicherheit, für das wirtschaftliche Wohl des Landes, zur Aufrechterhaltung der Ordnung, zur Verhütung von Straftaten, zum Schutz der Gesundheit oder der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer.“

    B – Unionsrecht

    1. Charta

    4.

    Art. 7 („Achtung des Privat- und Familienlebens“) der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) lautet:

    „Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation.“

    5.

    Art. 52 („Tragweite und Auslegung der Rechte und Grundsätze“) Abs. 1 der Charta bestimmt:

    „Jede Einschränkung der Ausübung der in dieser Charta anerkannten Rechte und Freiheiten muss gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie notwendig sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.“

    2. Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    6.

    Art. 20 Abs. 1 AEUV führt eine Unionsbürgerschaft ein und bestimmt, dass Unionsbürger ist, „wer die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt“. Nach Art. 20 Abs. 2 Buchst. a AEUV haben die Unionsbürger das „Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“.

    7.

    Art. 21 Abs. 1 AEUV fügt hinzu, dass dieses Recht „vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen“ gilt.

    3. Richtlinie 2004/38

    8.

    In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie 2004/38 heißt es:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    1.

    ‚Unionsbürger‘ jede Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt;

    2.

    ‚Familienangehöriger‘

    d)

    die Verwandten in gerader aufsteigender Linie des Unionsbürgers und des Ehegatten oder des Lebenspartners im Sinne von Buchstabe b, denen von diesen Unterhalt gewährt wird;

    3.

    ‚Aufnahmemitgliedstaat‘ den Mitgliedstaat, in den sich der Unionsbürger begibt, um dort sein Recht auf Freizügigkeit oder Aufenthalt auszuüben.“

    9.

    Art. 3 („Berechtigte“) der Richtlinie 2004/38 bestimmt:

    „(1)   Diese Richtlinie gilt für jeden Unionsbürger, der sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen im Sinne von Artikel 2 Nummer 2, die ihn begleiten oder ihm nachziehen.

    (2)   Unbeschadet eines etwaigen persönlichen Rechts auf Freizügigkeit und Aufenthalt der Betroffenen erleichtert der Aufnahmemitgliedstaat nach Maßgabe seiner innerstaatlichen Rechtsvorschriften die Einreise und den Aufenthalt der folgenden Personen:

    a)

    jedes nicht unter die Definition in Artikel 2 Nummer 2 fallenden Familienangehörigen ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit, dem der primär aufenthaltsberechtigte Unionsbürger im Herkunftsland Unterhalt gewährt oder der mit ihm im Herkunftsland in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, …;

    Der Aufnahmemitgliedstaat führt eine eingehende Untersuchung der persönlichen Umstände durch und begründet eine etwaige Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Personen.“

    10.

    Art. 7 („Recht auf Aufenthalt für mehr als drei Monate“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38 bestimmt:

    „(1)   Jeder Unionsbürger hat das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats für einen Zeitraum von über drei Monaten, wenn er

    a)

    Arbeitnehmer oder Selbstständiger im Aufnahmemitgliedstaat ist oder

    b)

    für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen oder

    c)

    über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügt und der zuständigen nationalen Behörde … glaubhaft macht, dass er für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, oder

    d)

    ein Familienangehöriger ist, der den Unionsbürger, der die Voraussetzungen des Buchstaben a, b oder c erfüllt, begleitet oder ihm nachzieht.

    (2)   Das Aufenthaltsrecht nach Absatz 1 gilt auch für Familienangehörige, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen und die den Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleiten oder ihm nachziehen, sofern der Unionsbürger die Voraussetzungen des Absatzes 1 Buchstabe a, b oder c erfüllt.“

    11.

    Art. 27 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/38 bestimmt:

    „(1)   Vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Kapitels dürfen die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit beschränken. Diese Gründe dürfen nicht zu wirtschaftlichen Zwecken geltend gemacht werden.

    (2)   Bei Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und darf ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend sein. Strafrechtliche Verurteilungen allein können ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen.

    Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.“

    12.

    Art. 28 der Richtlinie 2004/38 sieht vor:

    „(1)   Bevor der Aufnahmemitgliedstaat eine Ausweisung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügt, berücksichtigt er insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat.

    (2)   Der Aufnahmemitgliedstaat darf gegen Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt in seinem Hoheitsgebiet genießen, eine Ausweisung nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit verfügen.

    (3)   Gegen Unionsbürger darf eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden, wenn sie

    a)

    ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat gehabt haben oder

    b)

    minderjährig sind, es sei denn, die Ausweisung ist zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.“

    C – Regelung des Vereinigten Königreichs

    13.

    Gemäß Section 32(5) des Gesetzes über die Grenzen von 2007 (UK Borders Act 2007, im Folgenden: Borders Act) hat der Secretary of State for the Home Department (Minister des Innern des Vereinigten Königreichs, im Folgenden: Innenminister), wenn eine Person, die nicht die britische Staatsangehörigkeit besitzt, im Vereinigten Königreich wegen einer strafbaren Handlung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwölf Monaten verurteilt wurde, gegen sie eine Ausweisungsverfügung zu erlassen. Es handelt sich dabei um eine Pflicht.

    14.

    Gemäß Section 33 des Borders Act gilt dies nicht, wenn die Abschiebung der verurteilten Person gemäß der Ausweisungsverfügung

    „a)

    die Rechte einer Person aufgrund der [EMRK] verletzen,

    b)

    gegen die Verpflichtungen des Vereinigten Königreichs aus [der Flüchtlingskonvention ( 3 )] verstoßen oder

    c)

    Rechte des Straftäters aus den EU-Verträgen verletzen würde“.

    15.

    Nach Auffassung des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland sind für die vorliegende Rechtssache einige Bestimmungen der Verordnung von 2006 über die Einwanderung (Europäischer Wirtschaftsraum) (Immigration [European Economic Area) Regulations 2006) in der geänderten Fassung von 2012 (im Folgenden: Einwanderungsverordnung) relevant.

    16.

    Mit Regulation 15A(4A) der Einwanderungsverordnung wird dem Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) Wirksamkeit verliehen. Eine Person, die die in Regulation 15A(4A) vorgesehenen Kriterien erfüllt, genießt „ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht im Vereinigten Königreich“. Nach Regulation 15A(9) der Einwanderungsverordnung genießt eine Person, die normalerweise ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht – u. a. nach den Bestimmungen von Regulation 15A(4A) – genießen würde, dieses Recht jedoch nicht, „wenn der [Innenminister] eine Verfügung gemäß Regulation 19(3)(b), 20(1) oder 20A(1) erlassen hat“.

    17.

    Gemäß Regulation 20(1) der Einwanderungsverordnung kann der Innenminister die Erteilung einer Anmeldebescheinigung, einer Aufenthaltskarte, eines Dokuments, in dem ein Daueraufenthalt bescheinigt wird, oder einer Daueraufenthaltskarte verweigern, diese Dokumente widerrufen oder ihre Verlängerung verweigern, „wenn die Verweigerung oder der Widerruf aus Gründen der öffentlichen Ordnung, öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt ist“.

    18.

    Gemäß Regulation 20(6) der Einwanderungsverordnung hat ein solcher Bescheid im Einklang mit Regulation 21 zu ergehen.

    19.

    Mit Regulation 21A der Einwanderungsverordnung wird eine geänderte Fassung von Teil 4 dieser Verordnung u. a. auf Entscheidungen im Zusammenhang mit abgeleiteten Aufenthaltsrechten angewandt. Dabei ist nach Regulation 21A(3)(a) der Verordnung Teil 4 in der Weise anzuwenden, dass „Bezugnahmen auf einen Sachverhalt, der ‚aus Gründen der öffentlichen Ordnung, öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt im Sinne von Regulation 21‘ ist, stattdessen darauf Bezug nehmen, dass ein Sachverhalt ‚im allgemeinen Interesse liegt‘“.

    20.

    Die Wirkung dieser Vorschriften besteht nach den Angaben des Vereinigten Königreichs darin, dass einer Person, die normalerweise ein Aufenthaltsrecht nach Art. 20 AEUV, wie der Gerichtshof ihn in seinem Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) angewandt habe, beanspruchen könnte, die Erteilung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts verweigert werden könne, wenn dies im allgemeinen Interesse liege.

    D – Spanisches Recht

    21.

    Das verfassungsergänzende Gesetz 4/2000 betreffend die Rechte und Freiheiten sowie die soziale Integration von Ausländern in Spanien (Ley Orgánica 4/2000 sobre derechos y libertades de los extranjeros en España y su integración social) vom 11. Januar 2000 (BOE Nr. 10 vom 12. Januar 2000, S. 1139) in der durch das verfassungsergänzende Gesetz 2/2009 zur Änderung des verfassungsergänzenden Gesetzes 4/2000 (Ley Orgánica 2/2009 de reforma de la Ley Orgánica 4/2000) vom 11. Dezember 2009 geänderten Fassung (BOE Nr. 299 vom 12. Dezember 2009, S. 104986), das seit dem 13. Dezember 2009 in Kraft ist (im Folgenden: Ausländergesetz), sieht in Art. 31 Abs. 3 die Möglichkeit vor, einem Drittstaatsangehörigen aus außergewöhnlichen Gründen auch ohne vorheriges Visum einen vorläufigen Aufenthaltstitel zu erteilen.

    22.

    Art. 31 Abs. 5 und 7 des Ausländergesetzes bestimmt:

    „(5)   Einem Ausländer wird eine befristete Aufenthaltserlaubnis nur erteilt, wenn er keine Vorstrafen in Spanien oder in seinen vorherigen Aufenthaltsländern wegen Taten hat, die in der spanischen Rechtsordnung mit Strafe bedroht sind, und für ihn in den Staaten, mit denen Spanien ein entsprechendes Abkommen geschlossen hat, kein Einreiseverbot besteht.

    (7)   Bei der Verlängerung der befristeten Aufenthaltserlaubnisse werden gegebenenfalls berücksichtigt:

    a)

    die Vorstrafen, wobei Begnadigungen, bedingte Straferlasse und die Aussetzung der Freiheitsstrafe zu berücksichtigen sind;

    b)

    die Nichteinhaltung der Verpflichtungen des Ausländers in Steuersachen und Angelegenheiten der sozialen Sicherheit.

    Bei der Verlängerung werden insbesondere die für die Verlängerung sprechenden Integrationsanstrengungen des Ausländers berücksichtigt, die durch einen positiven Bericht der Autonomen Gemeinschaft nachgewiesen werden müssen, der bescheinigt, dass der Betreffende die in Art. 2ter dieses Gesetzes vorgesehenen Schulungen besucht hat.“

    23.

    Der Königliche Erlass 2393/2004 über die Genehmigung der Verordnung zur Durchführung des verfassungsergänzenden Gesetzes 4/2000 (Real Decreto 2393/2004, por el que se aprueba el Reglamento de la Ley Orgánica 4/2000) vom 30. Dezember 2004 (BOE Nr. 6 vom 7. Januar 2005, S. 485, im Folgenden: Verordnung zum Ausländergesetz) sah in Abs. 4 a. E. der Ersten Zusatzbestimmung vor, dass „[d]er Staatssekretär für Ein- und Auswanderung … bei Vorliegen außergewöhnlicher, in dieser Regelung nicht vorgesehener Umstände auf vorherigen Bericht des Staatssekretärs für Sicherheit individuelle befristete Aufenthaltserlaubnisse erteilen [kann]“.

    III – Sachverhalt der Ausgangsrechtsstreitigkeiten und Vorlagefragen

    24.

    Der relevante Sachverhalt der Ausgangsrechtsstreitigkeiten, wie er sich aus den Vorlageentscheidungen ergibt, lässt sich wie folgt beschreiben.

    A – Rechtssache C‑165/14

    25.

    Herr Rendón Marín, kolumbianischer Staatsangehöriger, ist Vater zweier minderjähriger, in Malaga (Spanien) geborener Kinder, eines Jungen spanischer Staatsangehörigkeit und eines Mädchens polnischer Staatsangehörigkeit. Die Kinder haben immer in Spanien gewohnt.

    26.

    Aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Schriftstücken der Akte ergibt sich, dass Herr Rendón Marín mit gerichtlicher Entscheidung des Juzgado de Primera Instancia de Málaga (erstinstanzliches Gericht von Malaga, Spanien) vom 13. Mai 2009 das alleinige Sorge- und Beherbergungsrecht für seine Kinder erhalten hat. Der Wohnsitz der Kindesmutter, einer polnischen Staatsangehörigen, ist unbekannt. Die beiden Kinder erhalten der Vorlageentscheidung zufolge eine angemessene Versorgung und Schulausbildung.

    27.

    Herr Rendón Marín ist vorbestraft: Er wurde u. a. in Spanien zu einer Gefängnisstrafe von neun Monaten verurteilt. Diese Strafe wurde jedoch ab dem 13. Februar 2009 für zwei Jahre vorläufig ausgesetzt. Zum Zeitpunkt der Vorlageentscheidung, am 20. März 2014, erwartete Herr Rendón Marín eine Entscheidung über einen Antrag auf Löschung der Vorstrafen im Strafregister.

    28.

    Am 18. Februar 2010 beantragte er bei der Generaldirektion für Einwanderung des Ministeriums für Arbeit und Einwanderung (Director General de Inmigración del Ministerio de Trabajo e Inmigración, im Folgenden: Generaldirektion für Einwanderung) eine Duldung wegen außergewöhnlicher Umstände nach Abs. 4 a. E. der Ersten Zusatzbestimmung der Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes ( 4 ).

    29.

    Aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akten geht hervor, dass der Antrag von Herrn Rendón Marín mit Bescheid vom 13. Juli 2010 wegen des Vorliegens von Vorstrafen gemäß Art. 31 Abs. 5 des Ausländergesetzes abgelehnt wurde.

    30.

    Nach Abweisung seiner hiergegen erhobenen Klage mit Urteil der Audiencia Nacional (Nationaler Gerichtshof, Spanien) vom 21. März 2012 legte Herr Rendón Marín gegen dieses Urteil Rechtsmittel vor dem Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) ein.

    31.

    Herr Rendón Marín stützte sein Rechtsmittel auf ein einziges rechtliches Vorbringen, nämlich eine falsche Auslegung der Urteile Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639) und Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124), deren Ansatz seiner Meinung nach zur Genehmigung der beantragten Duldung hätte führen müssen, sowie auf eine Verletzung von Art. 31 Abs. 3 und 7 des Ausländergesetzes.

    32.

    Das vorlegende Gericht führt aus, unabhängig von den konkreten Umständen des jeweiligen Falls bedeute die Verweigerung des Aufenthaltstitels in Spanien in der Ausgangsrechtssache ebenso wie in den Fällen der Urteile Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639) und Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) für Herrn Rendón Marín seine erzwungene Ausreise aus dem nationalen Hoheitsgebiet und daher auch aus dem der Europäischen Union, was gleichsam – da die Mutter unbekannten Aufenthalts sei – die Ausreise seiner beiden Kinder aus dem Hoheitsgebiet der Union zur Folge habe, von denen eines ein minderjähriger, von seinem Vater abhängiger Familienangehöriger mit spanischer Staatsangehörigkeit sei ( 5 ). Im Unterschied zu den Sachverhalten in den vorerwähnten Urteilen des Gerichtshofs bestehe im vorliegenden Fall jedoch ein gesetzliches Verbot, einen Aufenthaltstitel auszustellen, wenn der Antragsteller in Spanien vorbestraft sei. Folglich fragt sich das vorlegende Gericht, ob eine nationale Regelung, die in jedem Fall und ohne Anpassung an den Einzelfall die Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen von Vorstrafen im Antragsland verhindert, auch wenn das unvermeidlich bedeutet, dass ein minderjähriger vom Antragsteller abhängiger Familienangehöriger, der Unionsbürger ist, seines Aufenthaltsrechts im Hoheitsgebiet der Union beraubt wird, mit der aufgeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Auslegung von Art. 20 AEUV vereinbar ist.

    33.

    Unter diesen Umständen hat der Tribunal supremo (Oberster Gerichtshof) mit Entscheidung vom 20. März 2014, bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen am 7. April 2014, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Sind nationale Rechtsvorschriften, die die Möglichkeit, einem Elternteil eines von ihm abhängigen minderjährigen Unionsbürgers eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wegen des Vorliegens von Vorstrafen im Antragsland ausschließen, auch wenn das den Minderjährigen zur Ausreise aus dem Unionsgebiet zwingt, weil er den Elternteil begleiten muss, mit Art. 20 AEUV in dessen Auslegung durch die Urteile Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639) und Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) vereinbar?

    B – Rechtssache C‑304/14

    34.

    CS ist marokkanische Staatsangehörige. Im Jahr 2002 heiratete sie in Marokko einen Staatsangehörigen des Vereinigten Königreichs. Im September 2003 erhielt sie aufgrund ihrer Eheschließung ein Visum und reiste rechtmäßig in das Vereinigte Königreich ein, mit der Erlaubnis, sich dort bis zum 20. August 2005 aufzuhalten. Am 31. Oktober 2005 wurde ihr eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für das Vereinigte Königreich erteilt.

    35.

    Im Jahr 2007 wurde CS von ihrem Mann geschieden. Sie versöhnte sich mit ihm und heiratete ihn 2010 erneut. Im Jahr 2011 wurde aus dieser Ehe im Vereinigten Königreich ein Sohn geboren. Das Kind besitzt die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs. CS trägt angeblich die Hauptsorge für dieses Kind.

    36.

    Am 21. März 2012 wurde CS wegen einer Straftat verurteilt. Das Strafmaß wurde am 4. Mai 2012 auf eine Freiheitsstrafe von zwölf Monaten festgesetzt.

    37.

    Am 2. August 2012 wurde sie darüber informiert, dass sie aufgrund ihrer Verurteilung aus dem Vereinigten Königreich ausgewiesen werden könne. Am 30. August 2012 stellte CS einen Asylantrag. Ihr Antrag wurde von der zuständigen Behörde des Vereinigten Königreichs, dem Innenminister, geprüft.

    38.

    Am 2. November 2012 wurde CS nach Verbüßung ihrer Haftstrafe freigelassen, und am 9. Januar 2013 lehnte der Innenminister ihren Asylantrag ab ( 6 ). Die Verfügung, mit der CS aus dem Vereinigten Königreich in einen Nichtmitgliedstaat der Union ausgewiesen wurde, erging nach Section 32(5) des Borders Act. CS focht die Entscheidung des Innenministers an, indem sie von ihrem Recht auf Klage beim First-tier Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (erstinstanzliches Gericht [Abteilung für Einwanderung und Asyl] Gebrauch machte. Am 3. September 2013 wurde ihrer Klage mit der Begründung stattgegeben, dass ihre Ausweisung zu einer Verletzung der Flüchtlingskonvention, der Art. 3 und 8 EMRK sowie der Verträge führen würde.

    39.

    In seiner Entscheidung stellte das First-tier Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (erstinstanzliches Gericht [Abteilung Einwanderung und Asyl]) fest, dass sich im Fall einer Ausweisungsmaßnahme gegen CS kein anderer Familienangehöriger im Vereinigten Königreich um das Kind kümmern könne, so dass es ihr nach Marokko folgen müsste. Unter Bezugnahme auf die nach Art. 20 AEUV aus der Unionsbürgerschaft und dem Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) folgenden Rechte des Kindes von CS entschied das First-tier Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) (erstinstanzliches Gericht [Abteilung Einwanderung und Asyl]), dass „[e]in Unionsbürger … schlicht unter keinen Umständen faktisch aus dem Gebiet der EU ausgewiesen werden [kann]. … Die Verpflichtung erlaubt überhaupt keine Ausnahme, auch dann nicht, wenn die Eltern vorbestraft sind. … Die im vorliegenden Fall ergangene Ausweisungsverfügung steht daher nicht im Einklang mit dem Gesetz, weil sie die Rechte des Kindes nach Art. 20 AEUV verletzt.“

    40.

    Dem Innenminister wurde erlaubt, Rechtsmittel beim Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) London (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl] London) einzulegen. Der Innenminister machte geltend, dass das First-tier Tribunal (Immigration Chamber and Asylum) (erstinstanzliches Gericht [Abteilung Einwanderung und Asyl]) in seiner Beurteilung und in seinen Schlussfolgerungen in Bezug auf sämtliche Gründe, aus denen es der Klage von CS stattgegeben habe, Rechtsfehlern unterlegen sei, eingeschlossen seine Beurteilung und seine Schlussfolgerungen in Bezug auf die dem Kind nach Art. 20 AEUV zustehenden Rechte, das Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) und die von CS abgeleiteten Rechte. Der Innenminister brachte insbesondere vor, dass es ihm nach dem Unionsrecht nicht untersagt sei, CS nach Marokko auszuweisen, auch wenn dadurch ihrem Kind, das Unionsbürger sei, die Möglichkeit des tatsächlichen Genusses des Kernbestands der Rechte, die mit diesem Status verbunden seien, genommen würde.

    41.

    Unter diesen Umständen hat das Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) London (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl] London) mit Urteil vom 4. Juni 2014, bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen am 24. Juni 2014, beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    1.

    Ist es einem Mitgliedstaat nach dem Recht der Union, insbesondere Art. 20 AEUV, untersagt, einen Nichtunionsbürger, der Elternteil eines die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats (und folglich die Unionsbürgerschaft) besitzenden Kindes ist und tatsächlich für dieses Kind sorgt, aus seinem Hoheitsgebiet in einen Nichtmitgliedstaat auszuweisen, wenn dadurch dem Kind, das Unionsbürger ist, die Möglichkeit des tatsächlichen Genusses des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger genommen würde?

    2.

    Wenn die erste Frage zu verneinen ist: Unter welchen Umständen wäre eine solche Ausweisung nach dem Recht der Union zulässig?

    3.

    Wenn die erste Frage zu verneinen ist: Inwieweit, wenn überhaupt, sind die Art. 27 und 28 der Richtlinie 2004/38 für die Beantwortung der zweiten Frage maßgeblich?

    IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

    42.

    In der Rechtssache C‑165/14 haben Herr Rendón Marín, die spanische, die griechische, die französische, die italienische, die niederländische, die polnische und die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Europäische Kommission und in der Rechtssache C‑304/14 CS, die Regierung des Vereinigten Königreichs, die französische und die polnische Regierung sowie die Kommission schriftliche Erklärungen eingereicht.

    43.

    Der Gerichtshof hat die beiden Rechtssachen mit Beschluss vom 2. Juni 2015 gemäß Art. 29 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung an denselben Spruchkörper, die Große Kammer, verwiesen und gemäß Art. 77 der genannten Verfahrensordnung eine gemeinsame mündliche Verhandlung für diese Rechtssachen durchgeführt.

    44.

    Im Verlauf der Sitzung, die am 30. Juni 2015 stattgefunden hat, sind im Namen von Rendón Marín, von CS, der spanischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs, der polnischen und der dänischen Regierung sowie der Kommission mündliche Ausführungen gemacht worden.

    V – Würdigung

    A – Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs in der Rechtssache C‑165/14

    45.

    Aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten sowie den Erklärungen von Herrn Rendón Marín und der spanischen Regierung in der mündlichen Verhandlung geht hervor, dass der Kläger des Ausgangsverfahrens, nachdem gegen das Urteil vom 21. März 2012, mit dem die Klage gegen die Entscheidung über die Versagung des Aufenthaltstitels abgewiesen worden war, Rechtsmittel eingelegt worden ist, in dessen Rahmen der Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen eingereicht hat, bei der Unterdelegation der Regierung in Malaga zwei neue Anträge auf Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels wegen außergewöhnlicher Umstände gestellt hat. Jeder einzelne dieser Anträge war jedoch auf einen neuen Grund gestützt, nämlich die in Art. 124 Abs. 3 ( 7 ) der neuen Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes ( 8 ) vorgesehene familiäre Verwurzelung.

    46.

    Wie sich aus den Akten, über die der Gerichtshof verfügt, ergibt, hat die Unterdelegation der Regierung in Malaga den ersten dieser beiden Anträge mit Bescheid vom 17. Februar 2014 aufgrund des Vorliegens von Vorstrafen gemäß Art. 31 Abs. 5 des Ausländergesetzes und Art. 128 der neuen Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes ( 9 ) abgelehnt.

    47.

    In Bezug auf den zweiten Antrag hat die spanische Regierung in der mündlichen Verhandlung angegeben, dass dem Kläger des Ausgangsverfahrens von der Unterdelegation der Regierung in Malaga am 18. Februar 2015 ein befristeter Aufenthaltstitel erteilt worden sei. Den mündlichen Ausführungen von Herrn Rendón Marín lässt sich insoweit entnehmen, dass er diesen befristeten Aufenthaltstitel wegen außergewöhnlicher Umstände erhalten hat, die auf die familiäre Verwurzelung aufgrund der Löschung der Vorstrafen im Strafregister durch die zuständige spanische Behörde gestützt wurden.

    48.

    Folglich hat Herr Rendón Marín den von ihm beantragten befristeten Aufenthaltstitel nunmehr offenbar erhalten. Obwohl dies die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens nicht berührt, weil bei seiner Einreichung alle Voraussetzungen für die Stellung dieses Ersuchens erfüllt waren ( 10 ), erhebt sich die Frage, ob der Rechtsstreit entschieden ist und es noch einer Antwort auf die gestellte Vorlagefrage bedarf. Diese Frage betrifft somit kein Problem der Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) ( 11 ), sondern die etwaige Unzuständigkeit des Gerichtshofs ( 12 ).

    49.

    Sowohl aus dem Wortlaut als auch aus dem Aufbau von Art. 267 AEUV folgt, dass das Vorabentscheidungsverfahren voraussetzt, dass bei den nationalen Gerichten tatsächlich ein Rechtsstreit anhängig ist, in dem sie eine Entscheidung erlassen müssen, bei der das Urteil des Gerichtshofs im Vorabentscheidungsverfahren berücksichtigt werden kann ( 13 ). Das Vorliegen eines Ausgangsrechtsstreits ist daher eine wesentliche Voraussetzung für die Zuständigkeit des Gerichtshofs, die von Amts wegen geprüft werden kann und sogar geprüft werden muss ( 14 ).

    50.

    Im vorliegenden Fall ist der Aufenthaltstitel, wie aus Nr. 45 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, erst erteilt worden, nachdem gegen das Urteil, mit dem die Klage gegen die Entscheidung über die Versagung des genannten Aufenthaltstitels abgewiesen worden war, das Rechtsmittel eingelegt worden ist, in dessen Rahmen der Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) ein Vorabentscheidungsersuchen beim Gerichtshof eingereicht hat. Falls sich erweist, dass Herr Rendón Marín den von ihm beantragten befristeten Aufenthaltstitel erhalten hat ( 15 ), wäre davon auszugehen, dass der Ausgangsrechtsstreit gegenstandslos ist, da die Ansprüche von Herrn Rendón Marín befriedigt worden sind. Auch wenn es zweifelhaft erscheint, dass es einer Antwort des Gerichtshofs bedarf, um dem Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) den Erlass seiner Entscheidung zu ermöglichen, wie es Art. 267 AEUV verlangt, ist der Gerichtshof meines Erachtens jedoch nicht in der Lage, eindeutig und ausschließlich auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung erteilten Informationen festzustellen, dass der Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) das Verfahren nicht fortzusetzen braucht. Dieser ist nämlich vielleicht aus einem Grund dazu gehalten, der aus den Akten, über die der Gerichtshof verfügt, nicht hervorgeht.

    51.

    Das vorlegende Gericht sollte insoweit danach gefragt werden, ob es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalten will und es Grund zu der Annahme gibt, dass es für die Entscheidung noch einer Antwort des Gerichtshofs bedarf. Dieses Vorgehen wäre mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs vereinbar, wonach die Rechtfertigung des Vorabentscheidungsersuchens nicht in der Abgabe von Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen liegt, sondern darin, dass das Ersuchen für die tatsächliche Entscheidung eines Rechtsstreits erforderlich ist ( 16 ).

    52.

    Für den Fall, dass der Gerichtshof nach der Kontaktaufnahme mit dem vorlegenden Gericht entscheiden sollte, dass eine Antwort immer noch erforderlich ist, werde ich die gestellte Frage prüfen, soweit das vorlegende Gericht sie nicht zurückgenommen hat.

    B – Zur Begründetheit in den Rechtssachen C‑165/14 und C‑304/14

    53.

    Die beiden Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) bzw. des Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) London (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl] London) betreffen im Wesentlichen die Auslegung von Art. 20 AEUV und die Tragweite dieser Vorschrift im Licht der Urteile Zhu und Chen ( 17 ) (Rechtssache C‑165/14) sowie Ruiz Zambrano ( 18 ) (Rechtssachen C‑165/14 und C‑304/14) bzw. ausschließlich im Licht des letztgenannten Urteils, mit der Besonderheit, dass die Kläger vorbestraft sind.

    54.

    Vorab weise ich darauf hin, dass es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Verfahrens sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren. Es ist Aufgabe des Gerichtshofs, alle Bestimmungen des Unionsrechts auszulegen, die die nationalen Gerichte benötigen, um die bei ihnen anhängigen Rechtsstreitigkeiten zu entscheiden, auch wenn diese Bestimmungen in den dem Gerichtshof von diesen Gerichten vorgelegten Fragen nicht ausdrücklich genannt sind ( 19 ).

    55.

    Auch wenn das vorlegende Gericht seine Fragen formal auf die Auslegung von Art. 20 AEUV beschränkt hat, hindert dies demnach den Gerichtshof nicht daran, dem Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat. Der Gerichtshof hat insoweit aus dem gesamten vom einzelstaatlichen Gericht vorgelegten Material, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen ( 20 ).

    56.

    Im vorliegenden Fall möchte das vorlegende Gericht in der Rechtssache C‑165/14 im Wesentlichen zum einen wissen, ob die Richtlinie 2004/38 einer nationalen Regelung entgegensteht, die vorschreibt, dass dem drittstaatsangehörigen Elternteil eines minderjährigen Kindes, das Unionsbürger ist, dem dieser Elternteil Unterhalt gewährt und das mit ihm im Aufnahmemitgliedstaat wohnt, automatisch ein Aufenthaltstitel versagt wird, wenn er vorbestraft ist, und zum anderen, ob Art. 20 AEUV in der Auslegung der Urteile Zhu und Chen ( 21 ) sowie Ruiz Zambrano ( 22 ) ebendieser nationalen Regelung entgegensteht, die vorschreibt, dass dem drittstaatsangehörigen Elternteil minderjähriger Kinder, die Unionsbürger sind und für die dieser Elternteil das alleinige Sorgerecht wahrnimmt, automatisch ein Aufenthaltstitel versagt wird, wenn er vorbestraft ist und die genannte Versagung zur Folge hat, dass die Kinder das Unionsgebiet verlassen müssen.

    57.

    Was die Rechtssache C‑304/14 angeht, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob es einem Mitgliedstaat nach Art. 20 AEUV untersagt ist, einen drittstaatsangehörigen Elternteil eines Kindes, das die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt und für das dieser Elternteil tatsächlich das alleinige Sorgerecht wahrnimmt, in einen Staat auszuweisen, der nicht Mitglied der Union ist, wenn dadurch dem Kind, das Unionsbürger ist, der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt würde.

    58.

    Da mit den beiden Rechtssachen ähnliche Fragen aufgeworfen werden, lege ich gemeinsame Schlussanträge vor. Zu beachten ist jedoch, dass zwischen diesen beiden Rechtssachen trotz ihrer Ähnlichkeiten Unterschiede bestehen und sich daher auch die Fragen, die dem Gerichtshof vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) und vom Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) London (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl] London) vorgelegt worden sind, unterscheiden. Vor der Prüfung der entscheidenden Aspekte der Fragen der vorlegenden Gerichte ist es meines Erachtens daher angemessen, zunächst die Besonderheiten der Ausgangsrechtsstreitigkeiten zu untersuchen.

    1. Besonderheiten der Rechtssachen

    59.

    Den in den Ausgangsrechtsstreitigkeiten in Rede stehenden Sachverhalten ist zunächst gemein, dass die Parteien des Ausgangsverfahrens drittstaatsangehörige Elternteile minderjähriger Unionsbürger sind, die jeweils in ihrem eigenen Mitgliedstaat wohnen und für die sie das alleinige Sorgerecht wahrnehmen. Sodann haben sich diese Kinder, die Unionsbürger sind, immer in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat aufgehalten. Schließlich sind Herr Rendón Marín und CS beide zu Freiheitsstrafen von neun bzw. zwölf Monaten verurteilt worden.

    60.

    Die beiden Ausgangsrechtsstreitigkeiten weisen jedoch eine Reihe von Unterschieden auf. Diese Unterschiede hängen u. a. mit der Tatsache, dass eines der betroffenen Kinder, die Tochter von Herrn Rendón Marín, in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Staatsangehörigkeit wohnt, der Art der in Rede stehenden nationalen Regelung (Versagung eines Titels in Spanien und Verfügung der Ausweisung aus dem Vereinigten Königreich) ( 23 ) sowie dem Schweregrad der von Herrn Rendón Marín und CS begangenen Straftaten (Aussetzung der neunmonatigen Gefängnisstrafe, zu der Herr Rendón Marín verurteilt worden ist, während CS ihre zwölfmonatige Freiheitsstrafe verbüßt hat) zusammen.

    61.

    Was zunächst die Situation der Tochter von Herrn Rendón Marín (polnischer Staatsangehörigkeit) angeht, die in Spanien geboren ist und diesen Mitgliedstaat nie verlassen hat, ist vorab festzustellen, ob eine solche Situation in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38 fällt, wie die griechische, die italienische und die polnische Regierung sowie die Kommission vortragen. Diese Prüfung wird im Folgenden ( 24 ) durchgeführt.

    62.

    Was sodann die Art der in Rede stehenden nationalen Regelung angeht, möchte ich auf einige besondere Aspekte der vorliegenden Rechtssachen hinweisen.

    63.

    In der Rechtssache C‑165/14 geht aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Schriftstücken der Akte sowie aus den Angaben von Herrn Rendón Marín und der spanischen Regierung in der mündlichen Verhandlung hervor, dass Herr Rendón Marín, wie es in der Entscheidung der Unterdelegation der Regierung von Malaga vom 17. Februar 2014 über die Versagung des Aufenthaltstitels heißt, gemäß Art. 28 Abs. 3 des Ausländergesetzes in Verbindung mit Art. 24 der Verordnung zum Ausländergesetz „verpflichtet [ist], Spanien innerhalb einer Frist von höchstens 15 Tagen ab dem Zeitpunkt der Zustellung der [Entscheidung über die Ablehnung des Antrags] zu verlassen“.

    64.

    Die spanische Regierung trägt in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen insoweit vor, die Anwendung der fraglichen spanischen Rechtsvorschriften und folglich die Aufforderung zum Verlassen des Hoheitsgebiets hätten nicht automatisch die Ausweisung eines Drittstaatsangehörigen wegen seiner Vorstrafen zur Folge. Die zuständige Behörde müsse nämlich zunächst nachweisen, dass die betreffende Person gegen Art. 53 Abs. 1 Buchst. a des Ausländergesetzes verstoßen habe, und anschließend das Sanktionsverfahren einleiten, das gegebenenfalls zu einer Ausweisung führen könne.

    65.

    Herr Rendón Marín hat in der mündlichen Verhandlung in diesem Zusammenhang gleichwohl hervorgehoben, dass eine Person, die sich ohne Aufenthaltstitel in Spanien aufhalte, eine Ordnungswidrigkeit begehe, die mit einer Ausweisungsverfügung geahndet werden könne.

    66.

    Den Angaben in der Vorlageentscheidung lässt sich jedenfalls entnehmen, dass die Weigerung, Herrn Rendón Marín wegen seiner Vorstrafen einen Aufenthaltstitel in Spanien zu erteilen, für diesen eine erzwungene Ausreise aus dem nationalen Hoheitsgebiet und damit aus dem Unionsgebiet bedeuten würde, was auch zur Ausreise seiner beiden Kinder aus dem Unionsgebiet führen würde.

    67.

    In der Rechtssache C‑304/14 ist festzustellen, wie das vorlegende Gericht ausführt, dass der Innenminister nach den fraglichen Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs verpflichtet ist, gegen eine wegen einer strafbaren Handlung für schuldig befundenen und zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwölf Monaten verurteilten Person, die nicht die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs besitzt, eine Ausweisungsverfügung zu erlassen ( 25 ).

    68.

    Was schließlich den Schweregrad der Straftaten angeht, die Herr Rendón Marín und CS begangen haben, scheint es mir angebracht, auf folgende Gesichtspunkte Bezug zu nehmen.

    69.

    In der Rechtssache C‑165/14 geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Generaldirektion für Einwanderung den Antrag von Herrn Rendón Marín auf Erteilung eines befristeten Aufenthaltstitels wegen außergewöhnlicher Umstände gemäß Art. 31 Abs. 5 des Ausländergesetzes aufgrund des Vorliegens von Vorstrafen abgelehnt hat. Wie sich aus Nr. 27 der vorliegenden Schlussanträge ergibt, ist die neunmonatige Freiheitsstrafe, zu der Herr Rendón Marín verurteilt worden ist, jedoch vorläufig ausgesetzt worden, und er wird seine Freiheitsstrafe nicht verbüßen. Darüber hinaus erwartete er zum Zeitpunkt der Vorlageentscheidung eine Entscheidung der zuständigen Behörde über den Antrag auf Löschung der Vorstrafen im Strafregister ( 26 ).

    70.

    Im Gegensatz zu Herrn Rendón Marín ist CS in der Rechtssache C‑304/14 einer Straftat für schuldig befunden worden, für die sie zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden ist, die sie tatsächlich verbüßt hat. Aufgrund ihrer Verurteilung und der Tatsache, dass sie nicht die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs besitzt, ist gegen sie darüber hinaus die Ausweisung aus dem Vereinigten Königreich verfügt worden ( 27 ).

    71.

    In Anbetracht der Besonderheiten dieser Rechtssachen wäre erstens zu klären, ob die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Kinder sowie die Situation von CS und ihres Kindes in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen. Bei Bejahung dieser Frage werde ich die von den vorlegenden Gerichten aufgeworfenen besonderen Probleme untersuchen, nämlich die Auswirkungen der Vorstrafen von Herrn Rendón Marín und CS auf die Anerkennung ihres Aufenthaltsrechts.

    2. Vorbemerkungen

    72.

    In den Ausgangsrechtssachen ist der Gerichtshof gehalten, das Unionsrecht auszulegen, um die Vereinbarkeit der in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht im Kontext von Situationen zu prüfen, die zum einen das Recht minderjähriger Unionsbürger, die sich immer in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat aufgehalten haben, auf Wohnsitznahme im Unionsgebiet und damit das Aufenthaltsrecht ihres drittstaatsangehörigen Elternteils, der das alleinige Sorgerecht für sie wahrnimmt, und zum anderen die Möglichkeit eines Mitgliedstaats betreffen, die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu verweigern oder solche Drittstaatsangehörige aufgrund ihrer Vorstrafen auszuweisen.

    73.

    In diesem Zusammenhang ist, bevor die Aufenthaltsrechte untersucht werden, die der Gerichtshof Familienangehörigen eines Unionsbürgers gewährt, kurz der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung im Bereich des Einwanderungsrechts zu prüfen.

    a) Zum Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung im Bereich des Einwanderungsrechts

    74.

    Im Bereich des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts verfügt die Union mit den Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 2 Buchst. j AEUV über eine geteilte Zuständigkeit. Die Ziele und die Modalitäten der Ausübung dieser Zuständigkeit sind in Titel V des dritten Teils des AEU-Vertrags im Einzelnen aufgeführt. Art. 67 AEUV sieht vor, dass die Union u. a. eine gemeinsame Politik im Bereich Einwanderung entwickelt, die sich auf die Solidarität der Mitgliedstaaten gründet und gegenüber Drittstaatsangehörigen angemessen ist. So gilt das ordentliche Gesetzgebungsverfahren für den Erlass jeder einzelnen in Art. 79 Abs. 2 AEUV ( 28 ) genannten Maßnahme. Die Ausübung der Zuständigkeit der Union hat – nach der Subsidiaritätskontrolle – eine preemptive Wirkung auf die Mitgliedstaaten. Diese verlieren daher ihre eigene Zuständigkeit, soweit die Union tätig wird. Da die Zuständigkeit der Union in Migrationsfragen eine Harmonisierungszuständigkeit ist, variiert die preemptive Wirkung nach Maßgabe des genauen Umfangs und der Intensität des Tätigwerdens der Union ( 29 ). Gemeinsame Regeln werden somit mittels Richtlinien erlassen, die die Mitgliedstaaten umzusetzen haben; diese können jedoch in den Bereichen gesetzgeberisch tätig werden, die von den erwähnten Richtlinien nicht erfasst sind, und auch von den gemeinsamen Regeln abweichen, soweit die Richtlinien es gestatten. Vor diesem Hintergrund behalten die Mitgliedstaaten grundsätzlich ihre Zuständigkeiten im Bereich des Einwanderungsrechts.

    75.

    Handelt es sich um eine Situation, in der die Rechte auf Freizügigkeit und freien Aufenthalt nach dem Unionsrecht in Rede stehen, kann der Gestaltungsspielraum, über den die Mitgliedstaaten im Bereich der Einwanderung verfügen, hingegen selbst dann nicht die Anwendung der Vorschriften über die Unionsbürgerschaft oder über die Freizügigkeit beeinträchtigen, wenn diese Vorschriften nicht nur den Fall eines Unionsbürgers, sondern auch den Fall eines drittstaatsangehörigen Familienangehörigen betreffen.

    b) Zu den Aufenthaltsrechtsrechten, die der Gerichtshof Familienangehörigen eines Unionsbürgers gewährt

    76.

    Es ist klarzustellen, dass der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung Familienangehörigen eines Unionsbürgers – u. a. auf der Grundlage der Verträge – drei Arten eines Aufenthaltsrechts eingeräumt hat.

    77.

    Was die ersten beiden Aufenthaltsarten angeht, wird den Familienangehörigen eines Unionsbürgers das Aufenthaltsrecht in dem Staat gewährt, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt ( 30 ). Die erste bezieht sich auf das Recht auf Familienzusammenführung, das dem Bürger infolge der vorherigen oder gleichzeitigen Ausübung der Freizügigkeit gewährt und aus dem Verbot von Hemmnissen hergeleitet wird ( 31 ). Die zweite ergibt sich aus der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 AEUV und soll verhindern, dass den Unionsbürgern der Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen die Unionsbürgerschaft verleiht, verwehrt wird ( 32 ). Hierbei handelt es sich um Ausnahmefälle ( 33 ).

    78.

    Die dritte Art eines Aufenthaltsrechts wird den Familienangehörigen eines Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat gewährt ( 34 ). Der Gerichtshof hat nämlich für Recht erkannt, dass sich ein Unionsbürger, der niemals das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verlassen hat, auf die sich aus dem Vertrag ergebenden Rechte berufen kann, sofern er Staatsangehöriger eines anderen Mitgliedstaats ist ( 35 ). Er hat dieses Aufenthaltsrecht auf die praktische Wirksamkeit des Rechts des Unionsbürgers auf Wohnsitznahme gestützt ( 36 ).

    79.

    Es ist hervorzuheben, dass die vorliegenden Rechtssachen nur die letzten beiden vorerwähnten ( 37 ) Arten eines Aufenthaltsrechts betreffen.

    80.

    Im Rahmen dieser Rechtsprechung werde ich zunächst prüfen, ob die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner beiden Kinder sowie die Situation von CS und ihres Kindes in den Anwendungsbereich des Unionsrechts, insbesondere der Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft, fallen.

    3. Zu dem Aufenthaltsrecht, das Familienangehörigen eines Unionsbürgers im Aufnahmestaat gewährt wird: Würdigung der Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Tochter im Rahmen der Richtlinie 2004/38

    81.

    Die Freizügigkeit von Personen stellt eine der Grundfreiheiten des Binnenmarkts dar, der einen Raum ohne Binnengrenzen umfasst, in dem diese Freiheit gemäß den Bestimmungen des Vertrags gewährleistet ist ( 38 ).

    82.

    Das Recht von Personen auf Freizügigkeit kommt in der Ausreise eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats und damit eines Unionsbürgers aus seinem eigenen Mitgliedstaat zum Ausdruck. In den vorliegenden Rechtssachen haben jedoch weder die Kinder von Herrn Rendón Marín, die die spanische bzw. polnische Staatsangehörigkeit besitzen, noch das Kind von CS, das die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs besitzt, eine Grenze überschritten. Folglich betreffen diese Rechtssachen grundsätzlich nicht das Recht eines Unionsbürgers, sich frei von einem Mitgliedstaat in den anderen zu begeben. Die Richtlinie 2004/38 gilt nämlich für jeden Unionsbürger, der „sich in einen anderen als den Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, begibt oder sich dort aufhält, sowie für seine Familienangehörigen“. Daher findet diese Richtlinie in Situationen wie der von Herrn Rendón Marín und seines Sohnes spanischer Staatsangehörigkeit sowie der von CS und ihres Kindes, das die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs besitzt, grundsätzlich keine Anwendung.

    83.

    Die spanische, die griechische, die italienische und die polnische Regierung sowie die Kommission vertreten jedoch die Auffassung, die Situation der Tochter von Herrn Rendón Marín polnischer Staatsangehörigkeit, eines minderjährigen Kindes, das sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit es nicht besitzt, falle in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38. Eine solche Situation könne nämlich der Situation gleichgestellt werden, die dem Urteil Zhu und Chen ( 39 ) zugrunde liege.

    84.

    Folglich ist zu prüfen, ob ein minderjähriges Kind, das Unionsbürger ist und sich in einem Mitgliedstaat aufhält, dessen Staatsangehörigkeit es nicht besitzt, in Anbetracht der Umstände der Rechtssache C‑165/14 die Voraussetzungen der Richtlinie 2004/38 erfüllt.

    a) Anwendbarkeit der Richtlinie 2004/38 auf die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Tochter

    85.

    Nach dem Wortlaut des dritten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2004/38 wird mit dieser das Ziel verfolgt, das Freizügigkeits- und Aufenthaltsrecht aller Unionsbürger zu vereinfachen und zu verstärken. Ausgangspunkt für die Feststellung, ob ein Aufenthaltsrecht auf diese Richtlinie gestützt werden kann, ist ihr Art. 3. Dieser Artikel, der mit „Berechtigte“ überschrieben ist, bestimmt in seinem Abs. 1, dass die genannte Richtlinie u. a. für jeden Unionsbürger, der „sich in eine[m] anderen als de[m] Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, … aufhält, sowie für seine Familienangehörigen“ gilt. Diese Situation entspricht eindeutig der Situation der Tochter von Herrn Rendón Marín, die sich in Spanien, einem Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzt, aufhält.

    86.

    Im Urteil Zhu und Chen ( 40 ) hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass die Situation eines Kindes im Kleinkindalter, das Unionsbürger ist, seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem hat, dessen Staatsangehörigkeit es besitzt, und sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat, gleichwohl in den Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Bestimmungen über die Freizügigkeit ( 41 ), insbesondere der Bestimmungen der Richtlinie 90/364, die durch die Richtlinie 2004/38 ersetzt und aufgehoben worden ist, fällt. In seiner Argumentation hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass die Situation des Angehörigen eines Mitgliedstaats, der im Aufnahmemitgliedstaat geboren wurde und von dem Recht auf Freizügigkeit keinen Gebrauch gemacht hat, nicht allein aufgrund dieser Tatsache einer rein internen Situation gleichgestellt werden kann, in der dieser Staatsangehörige im Aufnahmemitgliedstaat die unionsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit und den Aufenthalt nicht geltend machen kann ( 42 ). Der Gerichtshof hat darüber hinaus festgestellt, dass das Recht zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nach Art. 21 Abs. 1 AEUV jedem Unionsbürger durch eine klare und präzise Vorschrift des Vertrags unmittelbar zuerkannt wird ( 43 ).

    87.

    Letztlich ist die Tochter von Herrn Rendón Marín allein deshalb, weil sie Staatsangehörige eines Mitgliedstaats und damit Unionsbürgerin ist, berechtigt, sich auf Art. 21 Abs. 1 AEUV zu berufen. Nach Ansicht des Gerichtshofs besteht dieses Recht der Unionsbürger zum Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats jedoch vorbehaltlich der im Vertrag und in seinen Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen ( 44 ), wobei diese Beschränkungen und Bedingungen unter Einhaltung der einschlägigen unionsrechtlichen Grenzen und im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, anzuwenden sind ( 45 ).

    88.

    Vor diesem Hintergrund bin ich der Meinung, dass Art. 21 Abs. 1 AEUV und die Richtlinie 2004/38 der Tochter von Herrn Rendón Marín im vorliegenden Fall grundsätzlich ein Aufenthaltsrecht in Spanien verleihen. Es bleibt allerdings zu prüfen, ob sich Herr Rendón Marín als direkter Verwandter in aufsteigender Linie, der die Staatsangehörigkeit eines Drittstaats besitzt, auf ein Aufenthaltsrecht berufen kann.

    89.

    Ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht kann Herrn Rendón Marín nämlich nur gewährt werden, wenn seine minderjährige Tochter, die Unionsbürgerin ist, die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen erfüllt ( 46 ). Diese Vorschrift sieht insbesondere vor, dass der Unionsbürger für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel verfügt, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats in Anspruch nehmen müssen, und er und seine Familienangehörigen über einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Aufnahmemitgliedstaat verfügen, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.

    90.

    Insoweit weise ich zunächst darauf hin, dass, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, dem Unionsbürger zwar ausreichende Mittel zur Verfügung stehen müssen, das Unionsrecht jedoch keinerlei Anforderungen in Bezug auf die Herkunft dieser Mittel enthält, so dass sie auch von einem Drittstaatsangehörigen, der Elternteil der betroffenen Unionsbürger im Kleinkindalter ist, stammen können ( 47 ). Daher hat der Gerichtshof festgestellt: „Würde … dem für einen minderjährigen Unionsbürger tatsächlich sorgenden Elternteil, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats oder eines Drittstaats ist, nicht erlaubt, sich mit dem Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten, so würde dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers jede praktische Wirksamkeit genommen, da der Genuss des Aufenthaltsrechts durch ein Kind im Kleinkindalter notwendigerweise voraussetzt, dass sich die für das Kind tatsächlich sorgende Person bei ihm aufhalten darf und dass es demgemäß dieser Person ermöglicht wird, während dieses Aufenthalts mit dem Kind zusammen im Aufnahmemitgliedstaat zu wohnen.“ ( 48 ) Somit hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, dass, wenn Art. 21 AEUV und die Richtlinie 2004/38 dem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaats im Kleinkindalter, der die in Art. 7 Abs. 1 Buchst. b dieser Richtlinie aufgestellten Voraussetzungen erfüllt, ein Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat verleihen, dieselben Vorschriften es dem Elternteil, der für diesen Staatsangehörigen tatsächlich sorgt, erlauben, sich mit ihm im Aufnahmemitgliedstaat aufzuhalten ( 49 ).

    91.

    Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Kinder eine angemessene Versorgung und Schulausbildung erhalten. Ihr Vater stellt somit offenbar ordnungsgemäß ihr Auskommen sicher. Die spanische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung darüber hinaus angegeben, dass Herr Rendón Marín nach spanischem Recht eine Krankenversicherung für sich und seine Kinder habe. Abgesehen davon wird es Sache des vorlegenden Gerichts sein, festzustellen, ob die Tochter von Herrn Rendón Marín selbst oder über ihren Vater über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 verfügt.

    92.

    Unter diesen Umständen fällt die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Tochter meines Erachtens grundsätzlich in den Anwendungsbereich von Art. 21 AEUV und der Richtlinie 2004/38.

    b) Auswirkungen der Vorstrafen auf die Anerkennung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts unter Berücksichtigung der Art. 27 und 28 der Richtlinie 2004/38

    93.

    Nunmehr ist zu prüfen, ob das abgeleitete Aufenthaltsrecht, das Herr Rendón Marín genießt, aufgrund einer Vorschrift wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden eingeschränkt werden kann, die die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels automatisch davon abhängig macht, dass in Spanien oder in den Ländern seines vorherigen Aufenthalts keine Vorstrafen vorliegen.

    94.

    Ich bin nicht dieser Ansicht, und zwar aus folgenden Gründen.

    95.

    Nach ständiger Rechtsprechung stellt jede Beschränkung des Rechts, sich frei zu bewegen und aufzuhalten, eine Abweichung vom grundlegenden Prinzip der Freizügigkeit dar, die eng auszulegen ist und deren Tragweite nicht einseitig von den Mitgliedstaaten bestimmt werden kann ( 50 ). Damit das Unionsrecht der Verweigerung des von Herrn Rendón Marín beantragten Aufenthaltstitels nicht entgegensteht, muss die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vorschrift daher mit den vom Unionsgesetzgeber festgelegten Beschränkungen und Bedingungen im Einklang stehen.

    96.

    Bezüglich der Ausnahmen des Aufenthaltsrechts von Herrn Rendón Marín weist der Gerichtshof erstens systematisch auf die in Art. 27 der Richtlinie 2004/38 enthaltenen Bestimmungen hin ( 51 ). Abs. 1 dieses Artikels sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die Freizügigkeit und das Aufenthaltsrecht eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit beschränken dürfen. Solche Ausnahmen sind jedoch sehr begrenzt. Wie aus Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 1 der Richtlinie 2004/38 hervorgeht, sind Maßnahmen zur Beschränkung der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers oder seiner Familienangehörigen, insbesondere solche aus Gründen der öffentlichen Ordnung, nur gerechtfertigt, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wird und ausschließlich das persönliche Verhalten des Betroffenen ausschlaggebend ist ( 52 ). Diese Vorschrift sieht darüber hinaus vor, dass strafrechtliche Verurteilungen allein ohne Weiteres diese Maßnahmen nicht begründen können. Art. 27 Abs. 2 Unterabs. 2 der genannten Richtlinie bestimmt, dass das persönliche Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt ( 53 ). Diese Vorschrift stellt klar, dass vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen nicht zulässig sind ( 54 ).

    97.

    Allerdings erfüllt die Situation von Herrn Rendón Marín meines Erachtens nicht die in den Nrn. 95 und 96 der vorliegenden Schlussanträge genannten Voraussetzungen. Insoweit ist anzumerken, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung die erstmalige Erteilung eines Aufenthaltstitels automatisch und ohne jede Möglichkeit einer Anpassung davon abhängig macht, dass in Spanien oder in den Ländern des vorherigen Aufenthalts der betreffenden Person keine Vorstrafen vorliegen.

    98.

    Im vorliegenden Fall wird in der Vorlageentscheidung, wie aus Nr. 69 der vorliegenden Schlussanträge hervorgeht, darauf hingewiesen, dass der Antrag von Herrn Rendón Marín auf Erteilung eines vorläufigen Aufenthaltstitels wegen außergewöhnlicher Umstände in Anwendung der genannten Regelung aufgrund des Vorliegens von Vorstrafen abgelehnt worden sei. Der Aufenthaltstitel ist daher automatisch versagt worden, ohne die besondere Situation des Klägers des Ausgangsverfahrens zu berücksichtigen, d. h., ohne sein persönliches Verhalten oder die etwaige gegenwärtige Gefahr zu bewerten, die er für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen konnte. Die polnische Regierung hat in ihren schriftlichen Erklärungen darüber hinaus festgestellt, nichts in der Vorlageentscheidung deute darauf hin, dass diese Umstände geprüft und bewertet worden wären.

    99.

    Im Kontext der Würdigung der relevanten Umstände möchte ich bemerken, dass Herr Rendón Marín, wie aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Akten hervorgeht, für eine im Jahr 2005 begangene Straftat verurteilt worden ist. Diese strafrechtliche Verurteilung allein kann die Versagung eines Aufenthaltstitels ohne Weiteres nur begründen, wenn „außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt“, sein persönliches Verhalten „eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend schwere Gefährdung [schuf], die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“ ( 55 ).

    100.

    Der Gerichtshof hat außerdem entschieden, dass die Voraussetzung des Vorliegens einer gegenwärtigen Gefährdung grundsätzlich zu dem Zeitpunkt erfüllt sein muss, zu dem die betreffende Maßnahme ergeht ( 56 ), was hier nicht der Fall zu sein scheint. Die Tatsache, dass die Strafe, zu der Herr Rendón Marín verurteilt wurde, ausgesetzt worden ist, legt für mich nämlich den Schluss nahe, dass er seine Gefängnisstrafe nicht verbüßt hat.

    101.

    Was zweitens die mögliche Ausweisung von Herrn Rendón Marín angeht, weise ich auf die Notwendigkeit hin, zum einen den Grundrechten Rechnung zu tragen, deren Beachtung der Gerichtshof sichert, insbesondere dem in Art. 7 der Charta und Art. 8 EMRK niedergelegten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ( 57 ), und zum anderen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren.

    102.

    Um zu beurteilen, ob eine Ausweisungsmaßnahme im Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck steht, hier dem Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, sind daher die Kriterien von Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38, nämlich die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Aufnahmemitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat, zu berücksichtigen. Im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit sollte nach meinem Dafürhalten auch die Schwere des Verstoßes gewürdigt werden.

    103.

    Schließlich ist festzustellen, dass im 23. Erwägungsgrund ( 58 ) der Richtlinie 2004/38 ein besonderes Schutzbedürfnis für Personen erwähnt wird, die vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind.

    104.

    Aufgrund der vorstehenden Erwägungen sehe ich mich zu dem Schluss veranlasst, dass die in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Voraussetzungen für die Anwendung der Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, wie sie vom Gerichtshof ausgelegt werden, nicht erfüllt sind und diese Ausnahme eine Beschränkung des Aufenthaltsrechts wie diejenige, die sich aus der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regelung ergibt, im vorliegenden Fall nicht stützen kann. Die Prüfung unter Berücksichtigung sämtlicher vorstehend erwähnter Gesichtspunkte obliegt jedenfalls dem vorlegenden Gericht.

    c) Zwischenergebnis in der Rechtssache C‑165/14

    105.

    Nach alledem schlage ich vor, festzustellen, dass die Richtlinie 2004/38 auf die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Tochter polnischer Staatsangehörigkeit Anwendung findet. Daher sind Art. 21 AEUV und die Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorschreibt, dass dem drittstaatsangehörigen Elternteil eines minderjährigen Kindes, das Unionsbürger ist, dem dieser Elternteil Unterhalt gewährt und das mit ihm im Aufnahmemitgliedstaat wohnt, automatisch ein Aufenthaltstitel verweigert wird, wenn er vorbestraft ist.

    4. Zu dem Aufenthaltsrecht, das Familienangehörigen eines Unionsbürgers in dem Mitgliedstaat gewährt wird, dessen Staatsangehörigkeit der Unionsbürger besitzt: Würdigung der Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Kinder sowie der Situation von CS und ihres Kindes

    106.

    Meines Erachtens fällt die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Tochter polnischer Staatsangehörigkeit in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38. Für den Fall, dass das vorlegende Gericht bei der Kontrolle der Bedingungen dieser Richtlinie zu dem Schluss gelangt, dass die genannten Bedingungen nicht erfüllt sind, werde ich die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Kinder im Rahmen des im Urteil Ruiz Zambrano ( 59 ) festgelegten Grundsatzes jedoch zusammen mit der Situation von CS und ihres Kindes prüfen.

    a) Die Unionsbürgerschaft in der Rechtsprechung des Gerichtshofs

    107.

    Art. 20 AEUV, der jeder Person, die die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt, die Unionsbürgerschaft verleiht ( 60 ), bedeutet, dass die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats eine Grundvoraussetzung für den Genuss des Unionsbürgerstatus ist. Dieser stellt seit seiner Aufnahme in die Verträge ( 61 ) den Status aller Angehörigen der Mitgliedstaaten dar ( 62 ). Er hat daher den Prozess der europäischen Integration legitimiert, indem die Teilhabe der Bürger gestärkt wurde ( 63 ). Der Gerichtshof hat insoweit wiederholt darauf hingewiesen, dass die Unionsbürgerschaft dazu bestimmt ist, der grundlegende Status der Angehörigen der Mitgliedstaaten zu sein ( 64 ).

    108.

    Die Grundfreiheit, sich in der gesamten Union zu bewegen und aufzuhalten, ist mit dem Unionsbürgerstatus verbunden ( 65 ). Als „persönlicher Status mit grenzüberschreitender Tragweite“ hat er daher die für eine gegenseitige Anerkennung und damit eine gegenseitige Kenntnis der Gesellschaften der Mitgliedstaaten und ihrer Bürger erforderlichen Voraussetzungen geschaffen ( 66 ), deren Entwicklung sich in den besonderen Rahmen der konkreten Beziehungen der Angehörigen der Mitgliedstaaten mit den nationalen Behörden einfügt ( 67 ). Gerade diese Beziehungen haben es den betreffenden Staatsangehörigen erlaubt, auf der Grundlage des Unionsbürgerstatus den Genuss von Rechten zu beanspruchen. Mit der Anerkennung dieser Rechte hat die Rechtsprechung des Gerichtshofs eine wichtige oder sogar entscheidende Rolle beim Aufbau dieses grundlegenden Status gespielt, der heute einen wesentlichen Teil der europäischen Identität der Bürger darstellt ( 68 ).

    109.

    Insbesondere hat der Gerichtshof unter die Rechte, die er den Unionsbürgern zuerkannt hat ( 69 ), zunächst zu ihren Gunsten einen Anspruch auf Gleichbehandlung über die Bestimmungen zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer hinaus subsumiert ( 70 ). Sodann hat er ihnen im Rahmen des Rechts auf Freizügigkeit im Unionsgebiet ein Aufenthaltsrecht und einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Verhältnis zu den Angehörigen des Aufnahmemitgliedstaats zugesprochen ( 71 ). Schließlich hat er die Vertragsbestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer im Licht der Unionsbürgerschaft ausgelegt ( 72 ).

    110.

    Diese umfangreiche Rechtsprechung, über die der Gerichtshof der Unionsbürgerschaft Wirksamkeit verliehen hat, wurde und wird weiterhin schrittweise in enger Zusammenarbeit mit den nationalen Gerichten im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens verwirklicht. Im gesamten Verlauf dieser Zusammenarbeit ist der Gerichtshof einer kohärenten Rechtsprechungslinie gefolgt, die beträchtlich zum Aufbau des grundlegenden Unionsbürgerstatus beigetragen hat.

    111.

    Im Rahmen der vorliegenden Rechtssachen sind drei Fortentwicklungen der Rechtsprechung des Gerichtshofs besonders relevant, nämlich die Urteile Zhu und Chen ( 73 ), Rottmann ( 74 ) sowie Ruiz Zambrano ( 75 ).

    112.

    Im Urteil Zhu und Chen ( 76 ), auf das ich in den Nrn. 86 und 87 der vorliegenden Schlussanträge bereits Bezug genommen habe, hat der Gerichtshof in einem Fall, in dem das Kind, das Unionsbürger war, das Vereinigte Königreich nie verlassen hatte ( 77 ), die Auffassung vertreten, dass dieses Kind die Rechte, über die es in seiner Eigenschaft als Unionsbürger verfügte, ohne die Anwesenheit und Unterstützung seiner Eltern nicht uneingeschränkt und wirksam ausüben konnte.

    113.

    Das Urteil Rottmann ( 78 ) hat den Gerichtshof zu der Klarstellung veranlasst, dass die Anwendbarkeit des Unionsrechts kein grenzüberschreitendes Element voraussetzt ( 79 ). Nach Bejahung der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet des Erwerbs und Verlusts der Staatsangehörigkeit ( 80 ) hat der Gerichtshof gleichwohl auf Folgendes hingewiesen: „Dass für ein Rechtsgebiet die Mitgliedstaaten zuständig sind, schließt … nicht aus, dass die betreffenden nationalen Vorschriften in Situationen, die unter das Unionsrecht fallen, dieses Recht beachten müssen.“ ( 81 ) In diesem Zusammenhang hat er sich auf eine ständige diesbezügliche Rechtsprechung zu Situationen gestützt, in denen in Bereichen einzelstaatlicher Zuständigkeiten erlassene Rechtsvorschriften im Licht des Unionsrechts geprüft worden waren ( 82 ). Sofern diese Situationen in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, müssen sie dieses daher beachten und unterliegen der Kontrolle des Gerichtshofs. Dem Unionsbürgerstatus darf nämlich nicht seine praktische Wirksamkeit genommen werden, und folglich dürfen die Rechte, die er verleiht, nicht durch den Erlass staatlicher Maßnahmen verletzt werden ( 83 ). Dies bedeutet zwar nicht, dass die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit im Bereich der Staatsangehörigkeit verloren haben! Die genannte Rechtsprechung hebt jedoch hervor, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit im Bereich der Staatsangehörigkeit das Unionsrecht zu beachten haben ( 84 ). Mit anderen Worten sind die Mitgliedstaaten gerade bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten verpflichtet, sicherzustellen, dass das Unionsrecht nicht seiner praktischen Wirksamkeit beraubt wird.

    114.

    Im Urteil Rottmann ( 85 ) hat der Gerichtshof daher festgestellt, dass der durch Art. 20 AEUV verliehene Unionsbürgerstatus derart grundlegend ist, dass eine Situation, in der es um einen Unionsbürger geht und die zum Verlust dieses Status und der damit verbundenen Rechte führen kann, „ihrem Wesen und ihren Folgen nach unter das Unionsrecht fällt“ ( 86 ). Dieser letzte Satz ( 87 ) erinnert mich an das Kriterium, das der Gerichtshof im Urteil Ruiz Zambrano ( 88 ) festgelegt hat, in dem er festgestellt hat, dass das Unionsrecht Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Vertrag verleiht, verwehrt wird. Meines Erachtens entspricht die „Verwehrung des Genusses des Kernbestands der durch den Unionsbürgerstatus verliehenen Rechte“ dem „Wesen und den Folgen des Verlusts des Unionsbürgerstatus“. Der erste Begriff geht nämlich vollkommen im zweiten auf. Ich werde später auf die Ähnlichkeit zwischen diesen beiden Begriffen zurückkommen ( 89 ).

    115.

    Die Bedeutung des Schutzes der Unionsbürgerschaft, die im Urteil Rottmann ( 90 ) zum Ausdruck kommt, ist im Urteil Ruiz Zambrano ( 91 ) präzisiert worden, in dem der Gerichtshof ein Aufenthaltsrecht der Angehörigen von Drittstaaten anerkannt hat, die Familienangehörige eines Unionsbürgers sind, der nie von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat.

    116.

    Das Urteil Ruiz Zambrano ( 92 ) fügt sich in eine Rechtsprechungslinie ein, die auf die Anerkennung der Rechte abzielt, die von Angehörigen der Mitgliedstaaten geltend gemacht werden, die ( 93 ) – als Unionsbürger – ihr Rechtsschutzbedürfnis und ihr Integrationsverlangen nicht nur im Aufnahmemitgliedstaat geltend machen ( 94 ), sondern auch in ihrem eigenen Mitgliedstaat. Die Tatsache, dass den Angehörigen der Mitgliedstaaten ein solch grundlegender Status wie der Unionsbürgerstatus verliehen wird, bedeutet nach Auffassung des Gerichtshofs nämlich, dass das Unionsrecht nationalen Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass ihnen der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die sie aus diesem Status herleiten, verwehrt wird. Dies wäre der Fall, wenn einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, allein Unterhalt gewährt, das Recht verweigert wird, sich in dem Mitgliedstaat des Wohnsitzes dieser Kinder, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, aufzuhalten, da die erwähnte Maßnahme auch die genannten Kinder zwingt, das Gebiet der Union zu verlassen ( 95 ).

    117.

    Diese Schlussfolgerung des Gerichtshofs, die das Schrifttum sehr unterschiedlich beurteilt hat, ist selbstverständlich nicht zufällig gezogen worden. Insoweit möchte ich lediglich hervorheben, dass das genannte Urteil das Ergebnis einer wichtigen Entwicklung der Rechtsprechung ( 96 ) ist, die die Grundlage ( 97 ) für die Lösung bildete, die der Gerichtshof im Urteil Ruiz Zambrano ( 98 ) gewählt hat. Meiner Meinung nach ergibt sich diese Rechtsprechungsentwicklung zum einen aus einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten und zum anderen aus der glücklichen und zugleich logischen Entwicklung der Gesellschaft in den Mitgliedstaaten und der europäischen Gesellschaft insgesamt, deren Staatsangehörige den Unionsbürgerstatus, den ihnen der Vertrag verleiht, schlicht und ergreifend in ihr Leben integrieren. Dieser Status bindet sie als Völker eines Europas, das ihnen auf der Grundlage einer noch im Aufbau befindlichen, in einem globalisierten politischen, wirtschaftlichen und sozialen Kontext aber erforderlichen bürgerschaftlichen und politischen Verbundenheit Rechte und Pflichten verleiht, die von den nationalen Behörden nicht in ungerechtfertigter Weise eingeschränkt werden können ( 99 ). Mit der Aussage, dass die Angehörigen der Mitgliedstaaten Unionsbürger sind, werden Erwartungen geweckt, gleichzeitig aber Rechte und Pflichten begründet ( 100 ).

    118.

    In dieser Entwicklung hat der Gerichtshof insbesondere das im Urteil Ruiz Zambrano ( 101 ) festgelegte Kriterium, wonach Art. 20 AEUV nationalen Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird, in seinen späteren Urteilen ( 102 ) bestätigt. Der Gerichtshof hat die Tragweite dieses Kriteriums präzisiert, indem er entschieden hat, dass es für „ganz besondere Sachverhalte“ gilt, „in denen – obwohl das für das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen geltende abgeleitete Recht nicht eingreift und der betreffende Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat – einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger dieses Unionsbürgers ist, ein Aufenthaltsrecht ausnahmsweise nicht verweigert werden darf, da sonst die Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde, wenn sich der Unionsbürger infolge einer solchen Weigerung de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm die Unionsbürgerschaft verleiht, verwehrt würde“ ( 103 ).

    119.

    Im Rahmen dieser in den Nrn. 111 bis 118 der vorliegenden Schlussanträge angeführten Rechtsprechung stellt sich im Kontext der vorliegenden Rechtssachen folgende Frage: Kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass es sich bei der Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Kinder ( 104 ) ebenso wie bei der Situation von CS und ihres Kindes um besondere oder außergewöhnliche Fälle handelt, auf die der Gerichtshof in der oben erwähnten Rechtsprechung Bezug nimmt? Lässt sich mit anderen Worten bejahen, dass diese Situationen in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen?

    120.

    Ich bin davon überzeugt. Die Tatsache, dass die Kinder von Herrn Rendón Marín und das Kind von CS die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, nämlich die spanische und die polnische Staatsangehörigkeit bzw. die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs, deren Erwerbsbedingungen selbstverständlich in die Zuständigkeit der betreffenden Mitgliedstaaten fallen ( 105 ), bedeutet, dass sie in den Genuss des Unionsbürgerstatus kommen ( 106 ). Als Unionsbürger haben diese Kinder folglich das Recht, sich frei im Unionsgebiet zu bewegen und aufzuhalten, so dass jede Beschränkung dieses Rechts in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt ( 107 ).

    121.

    Den Angaben in den Vorlageentscheidungen lässt sich jedoch gerade eine mögliche Beschränkung des genannten Rechts, insbesondere des Aufenthaltsrechts, entnehmen. Der Schutz des Unionsrechts gilt, sofern sich die Kinder von Herrn Rendón Marín und das Kind von CS infolge der Ausweisung ihres jeweils betroffenen Elternteils, dessen alleiniger Sorge sie anvertraut worden sind, de facto gezwungen sehen, diesen zu begleiten und damit das Gebiet der Union „als Ganzes“ zu verlassen. Durch die Ausweisung ihres Elternteils würde ihnen nämlich der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte verwehrt, die ihnen ihr Unionsbürgerstatus aber gerade verleiht ( 108 ). Es lässt sich nicht widerlegen, dass dadurch, dass Herr Rendón Marín der Aufenthaltstitel in Spanien verweigert ( 109 ) und CS aus dem Vereinigten Königreich ausgewiesen wird, grundsätzlich die praktische Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft, die ihre jeweiligen Kinder besitzen, verkannt werden könnte. Daher stellen die in Rede stehenden Situationen, wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, außergewöhnliche Fälle im Sinne der das Urteil Ruiz Zambrano bestätigenden Rechtsprechung ( 110 ) dar.

    122.

    Im Licht dieser Rechtsprechung fallen die genannten Situationen nach meinem Dafürhalten daher in den Anwendungsbereich des Unionsrechts.

    b) Zur Beachtung des Aufenthaltsrechts der Unionsbürger im nationalem Recht

    123.

    Der Gerichtshof hat ausgeführt, dass das Unionsrecht Drittstaatsangehörigen keine eigenständigen Rechte verleiht. Die etwaigen Rechte, die ihnen die Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft verleihen, sind nämlich keine eigenen Rechte, sondern Rechte, die daraus abgeleitet werden, dass ein Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hat ( 111 ). Daher besteht ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht grundsätzlich nur, soweit dies notwendig ist, um dem Unionsbürger die wirksame Wahrnehmung seiner Freizügigkeits- und Aufenthaltsrechte zu ermöglichen ( 112 ). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs macht folglich die Tatsache, dass den betroffenen Kindern „der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte verwehrt wird“, die sich aus ihrem Unionsbürgerstatus ergeben, den Schutz des abgeleiteten Rechts ihrer Eltern erforderlich.

    124.

    Für CS und die Kommission besteht die Frage, die, wie Letztere in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen geltend gemacht hat, den Kern der vorliegenden Rechtssache bildet, darin, ob das sich unmittelbar aus Art. 20 AEUV ergebende Recht des Kindes, das Unionsbürger ist, nicht zum Verlassen der Union gezwungen zu werden, absolut ist oder ob ein Mitgliedstaat berechtigt ist, das Primärrecht der Union gegen sein eigenes Interesse an der Ausweisung eines Drittstaatsangehörigen, dessen Verhalten aus Sicht des nationalen Rechts seine Abschiebung in einen Drittstaat rechtfertigt, abzuwägen.

    125.

    Zur Prüfung dieser Frage würde ich gern auf die Ähnlichkeit der in den Urteilen Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104) und Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) unterbreiteten Lösungsvorschläge zurückkommen ( 113 ).

    126.

    Die Übereinstimmung zwischen der Situation von Herrn Rottmann, die zum „Verlust des durch Art. [20 AEUV] verliehenen Status und der damit verbundenen Rechte“ ( 114 ) führen kann, und der Situation der Kinder Ruiz Zambrano, die bewirken kann, dass ihnen „der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird“ ( 115 ), ist selbstverständlich kein bloßer Zufall ( 116 ). Es genügt der Hinweis, dass Rn. 42 des Urteils Ruiz Zambrano auf Rn. 42 des Urteils Rottmann gestützt wird. Jedenfalls haben diese beiden Begriffe meiner Meinung nach eine ähnliche Bedeutung.

    127.

    Darauf möchte ich näher eingehen.

    128.

    Der vom Gerichtshof verwendete Begriff „Kernbestand der Rechte“ erinnert unweigerlich an den Begriff „Wesensgehalt der Rechte“, insbesondere der Grundrechte ( 117 ), der aus den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten ( 118 ) und dem Unionsrecht ( 119 ) bekannt ist. Insbesondere Letzteres sieht in Art. 52 Abs. 1 der Charta, wie er in der Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgelegt wird, vor, dass Einschränkungen der Ausübung von Rechten vorgenommen werden können, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und der Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen.

    129.

    Es ließe sich die Auffassung vertreten, dass die Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, die dann zur Prüfung der Einschränkungen gehöre, die an der Ausübung von Grundrechten vorgenommen werden könnten ( 120 ), wenn man den relativen Begriff von der Gewährleistung des Wesensgehalts der Grundrechte zugrunde lege ( 121 ), auch in Bezug auf etwaige Einschränkungen der mit dem grundlegenden Unionsbürgerstatus verbundenen Rechte überprüft werden müsse, zu denen das Recht gehöre, sich frei im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu bewegen und aufzuhalten. Nach Art. 45 Abs. 1 der Charta haben „[d]ie … Unionsbürger … das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten“.

    130.

    Würde ein solcher Ansatz akzeptiert, wäre sodann davon auszugehen, dass die Wahrung des Kernbestands der sich aus dem grundlegenden Unionsbürgerstatus ergebenden Rechte – wie im Fall der Achtung des Wesensgehalts der Grundrechte – „als letzte und unüberwindbare Schranke jeder möglichen Einschränkung der Ausübung [der damit verbundenen] Rechte“, d. h. als eine „Schranken-Schranke“, fungiert ( 122 ). Die Nichtwahrung des Kernbestands der den Unionsbürgern verliehenen Rechte führt nämlich dazu, dass sie „als solche nicht wiederzuerkennen“ sind, so dass dann nicht von einer „Einschränkung“ der Ausübung der genannten Rechte, sondern schlicht und einfach von ihrer „Abschaffung“ gesprochen werden muss ( 123 ). Letztlich haben der Verlust der Unionsbürgerschaft (für Herrn Rottmann infolge des behördlichen Verlusts der Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats) und die Verwehrung des tatsächlichen Genusses des Kernbestands der mit dem Unionsbürgerstatus verbundenen Rechte (für die Kinder Ruiz Zambrano infolge ihrer „tatsächlichen“ Verpflichtung, das Gebiet der Union zu verlassen) die gleichen schwerwiegenden Folgen für das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger. Unabhängig davon, ob dies endgültig oder langfristig ( 124 ) erfolgt, erweist sich, dass dieses Recht grundsätzlich seines Wesensgehalts, hier der Freiheit, sich im Unionsgebiet aufzuhalten, beraubt ist. Daher muss geklärt werden, ob diese Beschränkung des Aufenthaltsrechts verhältnismäßig ist, denn wenn sie es nicht wäre, würde sie die Schranke verletzen, die für eine mögliche Beschränkung der mit dem Unionsbürgerstatus verbundenen Rechte besteht, d. h. die Wahrung des Kernbestands dieser Rechte ( 125 ).

    131.

    Zwar ließe sich auch die Auffassung vertreten, der vom Gerichtshof verwendete Begriff „Kernbestand der Rechte“ sei nicht zwangsläufig Ausdruck des Begriffs „Wesensgehalt der Rechte“, auf den sich Art. 52 Abs. 1 der Charta bezieht ( 126 ). Selbst wenn man zu dem Schluss gelangt, dass sich diese beiden Begriffe deshalb nicht entsprechen ( 127 ), weil die in Rede stehenden nationalen Maßnahmen die Beschränkung des Aufenthaltsrechts eines Unionsbürgers voraussetzen, ist ihre Verhältnismäßigkeit jedoch dann zu prüfen, wenn sich der betreffende Staat auf die Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit beruft.

    132.

    Gerade die Frage der Prüfung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat einen wichtigen Unterschied in der Art und Weise ausgemacht, auf die der Gerichtshof die erwähnten beiden Rechtssachen gewürdigt hat. In der Rechtssache, in der das Urteil Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104) ergangen ist, hatte der Gerichtshof nämlich zu untersuchen, ob die von mehreren Regierungen geltend gemachte Rechtfertigung der Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung wegen betrügerischer Handlungen einem Grund des Allgmeininteresses, einschließlich der öffentlichen Ordnung oder Gesundheit, entsprach. In der Rechtssache, in der das Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) ergangen ist, hatte sich die belgische Regierung jedoch weder auf das Allgemeininteresse noch auf die öffentliche Ordnung oder Sicherheit berufen. Herr Ruiz Zambrano wurde nicht als eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit in Belgien betrachtet ( 128 ). Mit anderen Worten war der Gerichtshof nur zu der Notwendigkeit befragt worden, Herrn Ruiz Zambrano – u. a. – ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, und die belgische Regierung hatte sich nicht auf die Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit berufen. Eine Prüfung der nationalen Maßnahme im Rahmen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit hat der Gerichtshof daher nicht vorgenommen. Die Tatsache, dass er die Verhältnismäßigkeit der nationalen Maßnahme in dieser Rechtssache nicht geprüft hat, schließt allerdings nicht aus, dass eine solche Prüfung unter anderen Umständen relevant sein kann ( 129 ).

    133.

    Im Fall von Herrn Rottmann, in dem es um die Rücknahme seiner deutschen Staatsangehörigkeit und damit den endgültigen Verlust der Unionsbürgerschaft ging, hat der Gerichtshof jedenfalls eingeräumt, dass das vorlegende Gericht zu prüfen habe, ob die in Rede stehende Rücknahmeentscheidung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die unionsrechtliche Stellung des Betroffenen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wahre ( 130 ). Daher wäre eine solche Prüfung des Grundsatzes des Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit auch in Bezug auf die Situationen in den vorliegenden Rechtssachen relevant. Der Gerichtshof hat insoweit entschieden: „Angesichts der Bedeutung, die das Primärrecht dem Unionsbürgerstatus beimisst, sind … bei der Prüfung einer Entscheidung über die Rücknahme der Einbürgerung die möglichen Folgen zu berücksichtigen, die diese Entscheidung für den Betroffenen und gegebenenfalls für seine Familienangehörigen in Bezug auf den Verlust der Rechte, die jeder Unionsbürger genießt, mit sich bringt.“ ( 131 )

    134.

    Ich werde nunmehr die Frage nach den Folgen der Vorstrafen für die Gewährung eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts an Herrn Rendón Marín und CS behandeln und in diesem Rahmen, nachdem ich auf die Tragweite des Begriffs der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit eingegangen bin, die entsprechende Ausnahme prüfen, auf die sich das Vereinigte Königreich berufen hat.

    5. Zur Möglichkeit, Beschränkungen eines abgeleiteten Aufenthaltsrechts einzuführen, das sich unmittelbar aus Art. 20 AEUV ergibt

    135.

    Die Regierung des Vereinigten Königreichs vertritt die Auffassung, die Begehung einer Straftat könne eine Angelegenheit dem Anwendungsbereich des im Urteil Ruiz Zambrano ( 132 ) aufgestellten Grundsatzes entziehen.

    136.

    Daher erhebt sich die Frage, ob davon auszugehen ist, dass Vorstrafen der Parteien der Ausgangsrechtsstreitigkeiten geeignet sind, die Anerkennung des abgeleiteten Aufenthaltsrechts, das diese Parteien aus dem Kriterium der bewirkten „Verwehrung des tatsächlichen Genusses des Kernbestands der sich aus dem Unionsbürgerstatus [ihrer Kinder] ergebenden Rechte“ herleiten, grundsätzlich in Frage zu stellen?

    137.

    Ich glaube nicht.

    138.

    Meines Erachtens kann das bloße Vorliegen von Vorstrafen für sich genommen weder die nationalen Entscheidungen in den Ausgangsrechtssachen rechtfertigen noch das Kriterium der bewirkten „Verwehrung des tatsächlichen Genusses des Kernbestands der sich aus dem Unionsbürgerstatus ergebenden Rechte“ in Frage stellen; das vorlegende Gericht hat vielmehr zu prüfen, ob diese Entscheidungen, insbesondere in Bezug auf ihre Folgen für die Situation von Herrn Rendón Marín und CS sowie ihrer jeweiligen Kinder, die Unionsbürger sind, den unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachten ( 133 ).

    139.

    In diesem Zusammenhang werde ich nachstehend erstens die Tragweite des Begriffs „öffentliche Ordnung“ oder „öffentliche Sicherheit“ im Verhältnis zu den in Rede stehenden nationalen Entscheidungen untersuchen, die zur „Verwehrung des tatsächlichen Genusses des Kernbestands der sich aus dem Unionsbürgerstatus ergebenden Rechte“ führen. Auf der Grundlage dieser Prüfung werde ich zweitens untersuchen, wie das Vereinigte Königreich die Geltendmachung einer auf diese Begriffe gestützten Ausnahme begründet hat.

    a) Tragweite des Begriffs der öffentlichen Ordnung und des Begriffs der öffentlichen Sicherheit in Bezug auf ein sich aus Art. 20 AEUV ergebendes Aufenthaltsrecht

    140.

    Als Erstes ist festzustellen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil Ruiz Zambrano ( 134 ) und in der späteren Rechtsprechung, mit der dieses Urteil bestätigt worden ist, eine weite Auslegung von Art. 20 AEUV vorgenommen hat, die im Einklang mit dem grundlegenden Charakter des Unionsbürgerstatus steht. In außergewöhnlichen Situationen, die mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit zusammenhängen, ist es daher – ausnahmsweise – zweckmäßig, bestimmte Beschränkungen einzuführen.

    141.

    Als Zweites ist festzuhalten, dass die Zuständigkeit der Union im Bereich des freien Verkehrs von Personen die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, sich auf eine Ausnahme zu berufen, die u. a. mit der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Gewährleistung der inneren Sicherheit zusammenhängt. Der Gerichtshof hat in seinem Urteil van Duyn ( 135 ) insoweit festgestellt, dass „die besonderen Umstände, die möglicherweise die Berufung auf den Begriff der öffentlichen Ordnung rechtfertigen, von Land zu Land und im zeitlichen Wechsel verschieden sein können, so dass insoweit den zuständigen innerstaatlichen Behörden ein Beurteilungsspielraum innerhalb der durch den Vertrag gesetzten Grenzen zuzubilligen ist“ ( 136 ). Daher können die Mitgliedstaaten die Gefahren einer Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit in ihrem Hoheitsgebiet nach wie vor am besten einschätzen.

    142.

    Abgesehen davon sollte darauf hingewiesen werden, dass die Begriffe „öffentliche Ordnung“ und „öffentliche Sicherheit“ als Rechtfertigung einer Ausnahme vom grundlegenden Prinzip des freien Personenverkehrs eng zu verstehen sind, so dass ihre Tragweite nicht von den Mitgliedstaaten einseitig ohne Kontrolle durch die Unionsorgane bestimmt werden kann ( 137 ). Mit anderen Worten bedeutet der Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten nicht den Ausschluss jeder Kontrolle durch den Gerichtshof, der sicherzustellen hat, dass ein Grundrecht wie das Recht auf Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats gewahrt wird. Der Gerichtshof hat insbesondere festgestellt, dass „der Unionsbürgerstatus eine besonders enge Auslegung“ der Ausnahmen „erfordert“ ( 138 ).

    143.

    In diesem Zusammenhang sind die Mitgliedstaaten nach dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit ( 139 ) verpflichtet, ihre Zuständigkeit auf dem Gebiet der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in einer Weise auszuüben, dass die volle Wirksamkeit der Vertragsbestimmngen nicht beeinträchtigt wird. Der Gerichtshof hat daher festgestellt, dass „die Berechtigung von Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Ordnung anhand aller Vorschriften des [Unions]rechts zu beurteilen ist, die dazu bestimmt sind, zum einen das freie Ermessen der Mitgliedstaaten auf diesem Gebiet zu beschränken und zum anderen die Verteidigung der Rechte von Personen zu garantieren, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung freiheitsbeschränkenden Maßnahmen unterworfen werden“ ( 140 ). Ein übermäßiger oder willkürlicher Gebrauch der Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit gegenüber Unionsbürgern liefe nämlich Gefahr, ihren Rechten, insbesondere ihren Rechten auf Freizügigkeit und Aufenthalt, jede praktische Wirksamkeit zu nehmen ( 141 ).

    144.

    Als Drittes hat der Gerichtshof im Rahmen der Rechtsprechung zur Situation strafrechtlich verurteilter Unionsbürger ( 142 ) die Tatbestandsmerkmale der Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit definiert. An diesen Definitionen orientieren sich die Kriterien für das Vorliegen der in der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Gründe der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit. Die genannte Richtlinie legt daher den Rahmen für die Beschränkungen u. a. der Freizügigkeit und des Aufenthaltsrechts fest, indem sie an die Rechtsprechung des Gerichtshofs anknüpft.

    145.

    Da die Richtlinie 2004/38 für die in den Ausgangsrechtssachen in Rede stehenden Situationen, insbesondere die Situation von CS, nicht gilt ( 143 ), stellt sich jedoch folgende Frage.

    146.

    Inwiefern ist die Rechtsprechung zu Abschiebemaßnahmen gegen strafrechtlich verurteilte Angehörige eines Mitgliedstaats einschlägig, wenn die vorbestrafte Person nicht selbst der Unionsbürger ist, sondern ein drittstaatsangehöriges Mitglied seiner Familie?

    147.

    Nach meinem Dafürhalten ist diese Rechtsprechung unter den Umständen der vorliegenden Rechtssachen einschlägig, und zwar aus den nachstehend dargelegten Gründen.

    148.

    Erstens enthält die Richtlinie 2004/38, wie ich soeben ausgeführt habe, die Kriterien, die in der Rechtsprechung u. a. für Beschränkungen des Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit entwickelt worden sind.

    149.

    Zweitens gelten diese Kriterien gemäß Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 nicht nur für einen Unionsbürger, der sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem seiner Staatsangehörigkeit aufhält, sondern auch für seine Familienangehörigen ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit.

    150.

    Zwar leiten Herr Rendón Marín ( 144 ) und CS ihr abgeleitetes Aufenthaltsrecht nicht aus der Richtlinie 2004/38 ab ( 145 ). Diese Rechte ergeben sich vielmehr aus der Tatsache, dass sie jeweils Elternteil eines Kindes sind, das Unionsbürger ist und für das sie tatsächlich das alleinige Sorgerecht wahrnehmen, da ihren jeweiligen Kindern in der Linie des Urteils Ruiz Zambrano ( 146 ) durch ihre Ausweisung der „tatsächliche Genuss des Kernbestands ihrer Rechte“ als Unionsbürger verwehrt würde.

    151.

    Daher vermag ich nicht zu erkennen, weshalb die Rechtsprechung zu Abschiebemaßnahmen gegen strafrechtlich verurteilte Angehörige eines Mitgliedstaats nicht auch entsprechend für sie gelten sollte, sofern ihre Situation in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fällt.

    152.

    Würde davon ausgegangen, dass diese Rechtsprechung auf die Fälle von Herrn Rendón Marín und CS nicht anwendbar ist, hätte dies meiner Meinung nach im Gegenteil eine Inkohärenz bei der Behandlung des abgeleiteten Aufenthaltsrechts zur Folge, je nachdem, ob es aus der Richtlinie 2004/38 oder aus Art. 20 AEUV, wie er im Urteil Ruiz Zambrano ( 147 ) ausgelegt worden ist, hergeleitet wird. Wäre es also hinnehmbar, wenn sich die Beschränkungen eines solchen abgeleiteten Aufenthaltsrechts aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit unterscheiden, je nachdem, ob sich dieses Recht aus dem Primärrecht oder dem Sekundärrecht ergibt?

    153.

    Meines Erachtens veranschaulicht die Situation von Herrn Rendón Marín eine solche Inkohärenz sehr gut. Wie die Kommission zu Recht festgestellt hat, kommt der Kohärenzbedarf nämlich insbesondere in dieser Situation zum Ausdruck, da die beiden Kinder unterschiedlicher Staatsangehörigkeit sind und die Richtlinie 2004/38 ausschließlich auf die Situation eines von ihnen und damit auf das abgeleitete Aufenthaltsrecht ihres Vaters anwendbar ist.

    154.

    Können wir eine solche Inkohärenz zulassen?

    155.

    Können wir darüber hinaus eine Auslegung der Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erlauben, die im Hinblick auf das Schutzniveau gegen Abschiebemaßnahmen eine Ungleichbehandlung minderjähriger Unionsbürger und ihrer drittstaatsangehörigen Eltern nach Maßgabe des Mitgliedstaats ihrer Staatsangehörigkeit ermöglichen würde?

    156.

    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen bin ich davon überzeugt, dass es angemessen ist, die Rechtsprechung zu Abschiebemaßnahmen gegen strafrechtlich verurteilte Angehörige eines Mitgliedstaats im Rahmen des abgeleiteten Aufenthaltsrechts, das gleichermaßen strafrechtlich verurteilte drittstaatsangehörige Eltern von Unionsbürgern aus der Rechtsprechung herleiten, die sich aus dem Urteil Ruiz Zambrano ( 148 ) ergibt, entsprechend auch auf Abschiebemaßnahmen gegen diese Eltern anzuwenden.

    157.

    Die Kommission weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die in der Richtlinie 2004/38 enthaltenen Garantien zumindest dann eine zu erfüllende Mindestnorm darstellen müssten, wenn es sich bei dem Drittstaatsangehörigen, wie im vorliegenden Fall, um den Elternteil eines Unionsbürgers handle, der im Einklang mit dem Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) ein Aufenthaltsrecht in der Union genieße. Sie stellt darüber hinaus fest, dass die in den Art. 27 und 28 der Richtlinie 2004/38 verankerten Garantien und Grundsätze lediglich detailliert zum Ausdruck brächten, was der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der ihnen zugrunde liege, umfasse. Diese Garantien würden in Art. 21 Abs. 1 AEUV, wonach jeder Unionsbürger das Recht habe, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten, ebenso ausdrücklich berücksichtigt.

    158.

    Insbesondere erscheint es mir folgerichtig, dass die in den Nrn. 93 und 104 der vorliegenden Schlussanträge vorgenommene Analyse, die sich auf die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner Tochter polnischer Staatsangehörigkeit bezieht, auf die Prüfung seiner Situation im Verhältnis zu seinem Sohn spanischer Staatsangehörigkeit oder gegebenenfalls seiner beiden Kinder übertragen wird, falls das vorlegende Gericht nach Überprüfung der Auffassung sein sollte, seine Tochter polnischer Staatsangehörigkeit erfülle nicht die in der Richtlinie 2004/38 festgelegten Voraussetzungen.

    159.

    Gleichwohl bleibt zu prüfen, wie das Vereinigte Königreich die Ausweisungsverfügung begründet hat.

    b) Prüfung der von der Regierung des Vereinigten Königreichs geltend gemachten Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit

    160.

    Es ist darauf hinzuweisen, dass sich die Regierung des Vereinigten Königreichs – anders als in der Rechtssache, in der das Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) ergangen ist, in der die Ausnahme der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit von der belgischen Regierung nicht geltend gemacht worden ist – in der vorliegenden Rechtssache auf eine solche Ausnahme beruft. Somit hat der Gerichtshof sie zu prüfen.

    161.

    In ihren Erklärungen hat die Regierung des Vereinigten Königreichs geltend gemacht, die Ausweisungsverfügung gegen CS wegen ihres schwerwiegenden deliktischen Verhaltens erfolge aus Gründen der öffentlichen Ordnung, da dieses Verhalten eine eindeutige Bedrohung für ein legitimes Interesse dieses Mitgliedstaats, nämlich die Wahrung des sozialen Zusammenhalts und der Werte seiner Gesellschaft, darstelle. Im vorliegenden Fall habe der Court of Appeal (Berufungsgericht) daher die Schwere der von CS begangenen Straftat festgestellt ( 149 ).

    162.

    Was erstens die in Rede stehende Regelung angeht, führt das vorlegende Gericht aus, nach dieser Regelung sei der Innenminister verpflichtet, gegen eine nicht die Staatsbürgerschaft des Vereinigten Königreichs besitzende Person, die wegen einer strafbaren Handlung für schuldig befunden und zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwölf Monaten verurteilt worden sei, eine Ausweisungsverfügung zu erlassen ( 150 ), es sei denn, diese Ausnahme „würde die dem verurteilten Straftäter nach den Unionsverträgen zukommenden Rechte verletzen“.

    163.

    Diese Regelung scheint somit einen systematischen und automatischen Zusammenhang zwischen der strafrechtlichen Verurteilung der betreffenden Person und der für sie geltenden Abschiebemaßnahme herzustellen; jedenfalls bestünde eine Vermutung dafür, dass der betreffende Staatsangehörige aus dem Vereinigten Königreich ausgewiesen werden muss, was eine Abwägung der betroffenen berechtigten Interessen und die Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls ausschließen würde.

    164.

    Was zweitens das Verhalten von CS betrifft, so ist diese, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, wegen einer schweren strafbaren Handlung für schuldig befunden worden, für die sie zu einer Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt worden ist.

    165.

    Da die in Rede stehende Ausweisungsverfügung einen drittstaatsangehörigen Elternteil eines minderjährigen Unionsbürgers betrifft und dazu geführt hat, dass diesem der Genuss des Kernbestands der Rechte verwehrt wird, die er aus seinem Unionsbürgerstatus herleitet, kann eine Verurteilung zu einer einjährigen Freiheitsstrafe „ohne eine Prüfung des angemessenen Ausgleichs zwischen den betroffenen berechtigten Interessen“ ( 151 ) nach der fraglichen Regelung insoweit keine Ausweisungsverfügung nach sich ziehen.

    166.

    Bei dieser Prüfung muss die zuständige nationale Behörde die in den folgenden Nummern beschriebenen Elemente berücksichtigen, was das nationale Gericht zu überprüfen hat.

    167.

    Nach der Rechtsprechung ( 152 ) ist es grundsätzlich nicht möglich, einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats oder ein Mitglied seiner Familie allein aufgrund des Vorliegens einer strafrechtlichen Verurteilung auszuweisen ( 153 ). Eine Abschiebemaßnahme muss nämlich auf eine Einzelfallprüfung gestützt werden. Daher muss das Verhalten der betreffenden Person eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt ( 154 ). Der Mitgliedstaat könnte seine Ausweisungsverfügung somit gegebenenfalls auf das persönliche Verhalten der betreffenden Person stützen. Folglich ist meiner Meinung nach zu ermitteln, was im Verhalten von CS oder in der von ihr begangenen strafbaren Handlung entweder einen schwerwiegenden Grund der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ( 155 ) oder einen zwingenden Grund der öffentlichen Sicherheit darstellen kann, der geeignet ist, die Verfügung der Ausweisung aus dem Vereinigten Königreich zu rechtfertigen ( 156 ). Da CS, wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, nämlich zum einen seit 2005 einen dauerhaften Aufenthaltstitel im Vereinigten Königreich besaß, und ihr Kind, das die Unionsbürgerschaft besitzt, zum anderen minderjährig ist, sollte eines dieser beiden Kriterien meine Überlegungen leiten.

    168.

    Im vorliegenden Fall ist dem minderjährigen Unionsbürger, sofern die Möglichkeit besteht, dass er infolge der Ausweisung seiner Mutter das Gebiet der Union vorübergehend als Ganzes verlassen muss, nach meinem Dafürhalten der verstärkte Schutz zu gewähren, den der Begriff „zwingender Grund der öffentlichen Sicherheit“ beinhaltet. Daher könnte eine Ausweisungsverfügung gegen CS, falls ihr Kind ihr anschließend folgen müsste, nur durch diese zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit gerechtfertigt werden.

    169.

    Unter Berücksichtigung der Kürze des in der Vorlageentscheidung enthaltenen tatsächlichen Rahmens ist es schwierig, zum einen das Ausmaß der Gefahr, die von einer Straftat wie der von CS begangenen für die Gesellschaft ausgeht, und zum anderen die möglichen Folgen, die eine solche Straftat für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit des betreffenden Mitgliedstaats haben könnte, genau abzuschätzen.

    170.

    Ich weise darauf hin, dass die öffentliche Sicherheit, wie der Gerichtshof festgestellt hat, sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats umfasst ( 157 ). Der Gerichtshof hat insbesondere entschieden, dass die „Beeinträchtigung des Funktionierens der Einrichtungen des Staates und seiner wichtigen öffentlichen Dienste sowie das Überleben der Bevölkerung ebenso wie die Gefahr einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker oder eine Beeinträchtigung der militärischen Interessen die öffentliche Sicherheit berühren können“ ( 158 ). Er hat ferner festgestellt, dass die Bekämpfung der mit bandenmäßigem Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität ( 159 ), die Bekämpfung des Terrorismus ( 160 ) und die Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern ( 161 ) vom Begriff „öffentliche Sicherheit“ erfasst sind.

    171.

    In diesem Zusammenhang muss jede Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit eines Mitgliedstaats tatsächlich und gegenwärtig sein. Bei der Bewertung des Verhaltens der betreffenden Person ist folglich das Rückfallrisiko zu prüfen ( 162 ).

    172.

    Im Rahmen dieser Abwägung ist den Grundrechten, deren Einhaltung der Gerichtshof gewährleistet, insbesondere dem in Art. 7 der Charta und Art. 8 EMRK niedergelegten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ( 163 ), sowie der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen.

    173.

    Um zu beurteilen, ob eine Abschiebemaßnahme im Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck steht, hier dem Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit, sind daher die Art und die Schwere der Zuwiderhandlung, die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, sein Alter ( 164 ), sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Wohnsitzmitgliedstaat und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

    174.

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist insoweit festzustellen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, die den Schluss zulassen, dass die nationalen Behörden keinen angemessenen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen, insbesondere dem Interesse der Kinder an der Fortführung ihres Familienlebens im betreffenden Staat, hergestellt und das in Art. 8 EMRK garantierte Grundrecht auf Achtung des Familienlebens somit nicht geschützt haben ( 165 ); dies gilt insbesondere im Fall einer Ausweisungsverfügung wie der vorliegenden. Daher müssen die Folgen, die eine solche Verfügung für die Kinder haben kann, berücksichtigt werden. Bei der Abwägung der auf dem Spiel stehenden Interessen ist dem übergeordneten Wohl der Kinder Rechnung zu tragen ( 166 ). Besondere Aufmerksamkeit sollte ihrem Alter, ihrer Situation in dem oder den betreffenden Mitgliedstaaten und Staaten sowie dem Grad der Abhängigkeit von ihren Eltern gewidmet werden ( 167 ).

    175.

    Jedenfalls fällt, da der Gerichtshof entschieden hat, dass ein Mitgliedstaat zum Schutz der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit die in Nr. 170 der vorliegenden Schlussanträge aufgezählten strafbaren Handlungen als eine Gefahr für die Gesellschaft ansehen kann, die besondere Maßnahmen gegen Ausländer rechtfertigt, die gegen die betreffenden Rechtsvorschriften verstoßen ( 168 ), die in Rede stehende strafbare Handlung unter den Begriff der öffentlichen Sicherheit, vorausgesetzt, sie hat Folgen, die der öffentlichen Sicherheit abträglich sind, was das vorlegende Gericht zu beurteilen hat.

    c) Zwischenergebnis zur Rechtssache C‑165/14

    176.

    Art. 20 AEUV in der Auslegung der Urteile Zhu und Chen ( 169 ) sowie Ruiz Zambrano ( 170 ) steht einer nationalen Regelung entgegen, die vorschreibt, dass dem drittstaatsangehörigen Elternteil minderjähriger Kinder, die Unionsbürger sind und für die dieser Elternteil das alleinige Sorgerecht wahrnimmt, deshalb automatisch ein Aufenthaltstitel versagt wird, weil er vorbestraft ist, wenn die genannte Versagung zur Folge hat, dass die Kinder das Unionsgebiet verlassen müssen.

    d) Zwischenergebnis zur Rechtssache C‑304/14

    177.

    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen schlage ich dem Gerichtshof vor, zu antworten, dass Art. 20 AEUV dahin auszulegen ist, dass es einem Mitgliedstaat grundsätzlich untersagt ist, einen drittstaatsangehörigen Elternteil eines Kindes, das die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt und für das dieser Elternteil tatsächlich das alleinige Sorgerecht wahrnimmt, in einen Staat auszuweisen, der nicht Mitglied der Union ist, wenn dadurch dem Kind, das Unionsbürger ist, der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt würde. Unter außergewöhnlichen Umständen kann ein Mitgliedstaat jedoch eine solche Maßnahme erlassen, vorausgesetzt, sie

    wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und wird auf das persönliche Verhalten dieses Staatsangehörigen gestützt, das eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, und

    wird auf zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit gestützt.

    178.

    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies in der bei ihm anhängig gemachten Rechtssache der Fall ist.

    VI – Ergebnis

    179.

    Nach alledem schlage ich vor, dass der Gerichtshof wie folgt auf die Vorlagefragen des Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) und des Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber) London (Obergericht [Senat für Einwanderung und Asyl] London) antwortet.

    In der Rechtssache C‑165/14:

    Art. 21 AEUV und die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die vorschreibt, dass dem drittstaatsangehörigen Elternteil eines minderjährigen Kindes, das Unionsbürger ist, dem dieser Elternteil Unterhalt gewährt und das mit ihm im Aufnahmemitgliedstaat wohnt, automatisch ein Aufenthaltstitel versagt wird, wenn er vorbestraft ist.

    Art. 20 AEUV in der Auslegung der Urteile Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639) sowie Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) steht einer ebensolchen nationalen Regelung entgegen, die vorschreibt, dass dem drittstaatsangehörigen Elternteil minderjähriger Kinder, die Unionsbürger sind und für die dieser Elternteil das alleinige Sorgerecht wahrnimmt, deshalb automatisch ein Aufenthaltstitel versagt wird, weil er vorbestraft ist, wenn die genannte Versagung zur Folge hat, dass die Kinder das Gebiet der Europäischen Union verlassen müssen.

    In der Rechtssache C‑304/14:

    Art. 20 AEUV ist dahin auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat grundsätzlich untersagt ist, einen drittstaatsangehörigen Elternteil eines Kindes, das die Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats besitzt und für das dieser Elternteil tatsächlich das alleinige Sorgerecht wahrnimmt, in einen Staat auszuweisen, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist, wenn dadurch dem Kind, das Unionsbürger ist, der tatsächliche Genuss des Kernbestands seiner Rechte als Unionsbürger verwehrt würde. Unter außergewöhnlichen Umständen kann ein Mitgliedstaat jedoch eine solche Maßnahme erlassen, vorausgesetzt, sie

    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies in der bei ihm anhängig gemachten Rechtssache der Fall ist.


    ( 1 ) Originalsprache: Französisch.

    ( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77).

    ( 3 ) Am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichnetes Abkommen (United Nations Treaty Series, Bd. 189, S. 150, Nr. 2545 [1954]).

    ( 4 ) Zum Inhalt dieser Vorschrift vgl. Nr. 23 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 5 ) Zu beachten ist, dass die Tochter von Herrn Rendón Marín polnischer Staatsangehörigkeit nur im tatsächlichen Rahmen der Vorlageentscheidung erwähnt wird. In der Begründung seines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof nimmt der Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) hingegen ausschließlich auf das minderjährige Kind spanischer Staatsangehörigkeit Bezug.

    ( 6 ) Im letzten Punkt der Entscheidung wurde angeordnet, dass gegen CS aufgrund von deren strafrechtlicher Verurteilung eine Ausweisungsverfügung erlassen werden solle.

    ( 7 ) Dieser neue Artikel legt die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen der familiären Verwurzelung fest. Er sieht ausdrücklich die Möglichkeit vor, dem Elternteil eines minderjährigen Kindes, das die spanische Staatsangehörigkeit besitzt, für den Fall einen Aufenthaltstitel zu erteilen, dass dieser Elternteil dem Kind Unterhalt gewährt und mit ihm zusammenlebt.

    ( 8 ) Genehmigt durch den Königlichen Erlass 557/2011 zur Genehmigung der Verordnung über das verfassungsergänzende Gesetz 4/2000 betreffend die Rechte und Freiheiten der Ausländer in Spanien sowie ihre soziale Integration nach seiner Neufassung durch das verfassungsergänzende Gesetz 2/2009 (Real Decreto 557/2011 por el que se aprueba el Reglamento de la Ley Orgánica 4/2000, sobre derechos y libertades de los extranjeros en España y su integración social, tras su reforma por Ley Orgánica 2/2009) vom 20. April 2011 (BOE Nr. 103 vom 30. April 2011, S. 43821).

    ( 9 ) Vgl. Nr. 23 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 10 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Djabali (C‑314/96, EU:C:1997:248, Nr. 16). Vgl. auch Urteil Djabali (C‑314/96, EU:C:1998:104, Rn. 17 bis 23). In der vorliegenden Rechtssache ermöglicht die Darstellung des rechtlichen und tatsächlichen Rahmens des Vorabentscheidungsersuchens dem Gerichtshof die Vornahme einer sachdienlichen Auslegung des Unionsrechts. Vgl. Art. 94 der Verfahrensordnung.

    ( 11 ) Zum Unterschied zwischen diesen beiden Verfahrensfragen vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Gullotta und Farmacia di Gullotta Davide & C. (C‑497/12, EU:C:2015:168, Nrn. 16 und 22). Vgl. auch Naômé, C., Le renvoi préjudiciel en droit européen – Guide pratique, Larcier, Brüssel, 2010, 2. Aufl., S. 85 und 86.

    ( 12 ) Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Gullotta und Farmacia di Gullotta Davide & C. (C‑497/12, EU:C:2015:168, Nr. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung), in denen er ausführt, dass „die Zuständigkeit des Gerichtshofs von dem durch die Verträge geschaffenen System von Rechtsbehelfen eingerahmt wird, die nur dann zur Verfügung stehen, wenn die Voraussetzungen der maßgeblichen Vorschriften erfüllt sind“.

    ( 13 ) Urteil UGT‑Rioja u. a. (C‑428/06 bis C‑434/06, EU:C:2008:488, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 14 ) Ebd. (Rn. 40).

    ( 15 ) Ich weise darauf hin, dass die Voraussetzungen, von denen Art. 267 AEUV die Zuständigkeit des Gerichtshofs abhängig macht, nicht nur zu dem Zeitpunkt, zu dem der Gerichtshof vom nationalen Gericht angerufen wird, sondern während des gesamten Verfahrens vorliegen müssen. Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Wahl in der Rechtssache Gullotta und Farmacia di Gullotta Davide & C. (C‑497/12, EU:C:2015:168, Nr. 19). Vgl. Art. 100 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs:

    „(1)   Der Gerichtshof bleibt mit einem Vorabentscheidungsersuchen befasst, solange das vorlegende Gericht es nicht zurückgenommen hat. …

    (2)   Der Gerichtshof kann jedoch jederzeit feststellen, dass die Voraussetzungen für seine Zuständigkeit nicht mehr erfüllt sind.“

    ( 16 ) Vgl. u. a. Urteile Zabala Erasun u. a. (C‑422/93 bis C‑424/93, EU:C:1995:183, Rn. 29), Djabali (C‑314/96, EU:C:1998:104, Rn. 19) und García Blanco (C‑225/02, EU:C:2005:34, Rn. 28).

    ( 17 ) C‑200/02, EU:C:2004:639.

    ( 18 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 19 ) Vgl. u. a. Urteil Betriu Montull (C‑5/12, EU:C:2013:571, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 20 ) Ebd. (Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 21 ) C‑200/02, EU:C:2004:639.

    ( 22 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 23 ) In Bezug auf die Situation von CS ist zu beachten, dass sie als Ehefrau einer Person, die die Staatsangehörigkeit des Vereinigten Königreichs besitzt, regelmäßig mit einer befristeten Aufenthaltserlaubnis in das Vereinigte Königreich zurückgekehrt ist. Später ist ihr in diesem Mitgliedstaat ein Daueraufenthaltstitel erteilt worden.

    ( 24 ) Vgl. Nrn. 81 bis 88 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 25 ) Vgl. auch Nr. 13 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 26 ) Vgl. insoweit Nrn. 46 und 47 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 27 ) Zum zwingenden Charakter dieser Ausweisungsverfügung vgl. Nrn. 13 und 67 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 28 ) Dieser Artikel erfasst gleichzeitig die rechtmäßige und die illegale Einwanderung.

    ( 29 ) Im Protokoll Nr. 25 über die Ausübung der geteilten Zuständigkeit heißt es: „Ist die Union in einem bestimmten Bereich … tätig geworden, so erstreckt sich die Ausübung der Zuständigkeit nur auf die durch den entsprechenden Rechtsakt der Union geregelten Elemente und nicht auf den gesamten Bereich.“

    ( 30 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache McCarthy u. a. (C‑202/13, EU:C:2014:345).

    ( 31 ) Vgl. Urteile Singh (C‑370/90, EU:C:1992:296), Carpenter (C‑60/00, EU:C:2002:434), Eind (C‑291/05, EU:C:2007:771) sowie McCarthy u. a. (C‑202/13, EU:C:2014:2450).

    ( 32 ) Vgl. Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124).

    ( 33 ) Zum Ausnahmecharakter derartiger Fälle vgl. Urteile McCarthy (C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 47), Dereci u. a. (C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 64), Iida (C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 71) sowie Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 32).

    ( 34 ) Dieses Aufenthaltsrecht ist Eltern eines minderjährigen Unionsbürgers gewährt worden, obwohl sie sich grundsätzlich nicht auf die Eigenschaft eines Verwandten in aufsteigender Linie, dem Unterhalt gewährt wird, berufen konnten, da sie die in der (durch die Richtlinie 2004/38 ersetzten und aufgehobenen) Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (ABl. L 180, S. 26) vorgesehenen Bedingungen für das Aufenthaltsrecht nicht erfüllten. Vgl. Urteil Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 43 bis 46).

    ( 35 ) Vgl. Urteil Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639). Vgl. auch Urteil Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539).

    ( 36 ) Vgl. Urteil Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 45). Vgl. auch Urteil Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 28).

    ( 37 ) Vgl. Nrn. 77 und 78 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 38 ) Vgl. zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38.

    ( 39 ) C‑200/02, EU:C:2004:639.

    ( 40 ) C‑200/02, EU:C:2004:639.

    ( 41 ) Ebd. (Rn. 19, 20 und 25 bis 27). Ich weise darauf hin, dass der Gerichtshof bereits in seinem Urteil Baumbast und R (C‑413/99, EU:C:2002:493, Rn. 75) anerkannt hatte, dass „Artikel 12 der Verordnung [(EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15. Oktober 1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. L 257, S. 2)] in einem Fall, in dem Kinder ein Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat haben, um dort, wie in diesem Artikel vorgesehen, am allgemeinen Unterricht teilzunehmen, dahin auszulegen ist, dass er dem Elternteil, der die Personensorge für die Kinder tatsächlich wahrnimmt, ungeachtet seiner Staatsangehörigkeit den Aufenthalt bei den Kindern erlaubt, um ihnen die Wahrnehmung ihres genannten Rechts zu erleichtern, selbst wenn die Eltern inzwischen geschieden sind oder der Elternteil, der Bürger der Europäischen Union ist, nicht mehr Wanderarbeitnehmer im Aufnahmemitgliedstaat ist“.

    ( 42 ) Urteil Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 19).

    ( 43 ) Ebd. (Rn. 26).

    ( 44 ) Ebd. (Rn. 26).

    ( 45 ) Vgl. u. a. Urteil Baumbast und R (C‑413/99, EU:C:2002:493, Rn. 91).

    ( 46 ) Aus den dem Gerichtshof zur Verfügung stehenden Schriftstücken der Akte geht hervor, dass die Tochter von Herrn Rendón Marín 2003 in Spanien geboren ist. Ich kann daher nicht ausschließen, dass sie gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 ein Daueraufenthaltsrecht in diesem Mitgliedstaat erworben hat. In diesem Fall unterläge ihr Aufenthaltsrecht, wie die polnische Regierung zu Recht ausführt, nicht den Voraussetzungen von Kapitel III dieser Richtlinie, insbesondere den Voraussetzungen von deren Art. 7 Abs. 1 Buchst. b.

    ( 47 ) Urteile Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 30) sowie Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 27).

    ( 48 ) Urteile Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 45) sowie Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 28). Hervorhebung nur hier.

    ( 49 ) Urteile Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 46 und 47) sowie Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 29).

    ( 50 ) Vgl. u. a. Urteile van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 18), Bonsignore (67/74, EU:C:1975:34, Rn. 6), Rutili (36/75, EU:C:1975:137, Rn. 27), Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 33), Calfa (C‑348/96, EU:C:1999:6, Rn. 23), Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 64 und 65), Kommission/Spanien (C‑503/03, EU:C:2006:74, Rn. 45), Kommission/Deutschland, (C‑441/02, EU:C:2006:253, Rn. 34) und Kommission/Niederlande (C‑50/06, EU:C:2007:325, Rn. 42).

    ( 51 ) Vgl. Bericht der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Anwendung der Richtlinie 2004/38 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten (KOM[2008] 840 endgültig, S. 8), worin es heißt: „Kapitel VI der Richtlinie enthält Bestimmungen über das Recht der Mitgliedstaaten, Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen die Einreise zu verweigern oder sie auszuweisen. Dies ist jedoch an strenge materielle Schutzklauseln und Verfahrensgarantien gebunden, die ein gerechtes Gleichgewicht zwischen den Interessen der Mitgliedstaaten und jenen der Unionsbürger gewährleisten.“ Insbesondere zu dem Unionsbürgern und ihren einem Drittstaat angehörenden Familienangehörigen verweigerten Recht auf Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats vgl. Urteil Kommission/Spanien (C‑503/03, EU:C:2006:74, Rn. 43 und 45).

    ( 52 ) Vgl. insoweit u. a. Urteile Bonsignore (67/74, EU:C:1975:34, Rn. 6) und Kommission/Deutschland (C‑441/02, EU:C:2006:253, Rn. 93).

    ( 53 ) Vgl. u. a. Urteile Rutili (36/75, EU:C:1975:137, Rn. 28), Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 35), Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 66) sowie Jipa (C‑33/07, EU:C:2008:396, Rn. 23).

    ( 54 ) Vgl. insoweit Urteil Bonsignore (67/74, EU:C:1975:34, Rn. 7).

    ( 55 ) Vgl. u. a. Urteile Rutili (36/75, EU:C:1975:137, Rn. 28), Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 35), Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 66) sowie Jipa (C‑33/07, EU:C:2008:396, Rn. 23). Ich weise darauf hin, dass alle Kriterien kumulativ vorliegen müssen. Vgl. Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat – Hilfestellung bei der Umsetzung und Anwendung der Richtlinie 2004/38 (KOM[2009] 313 endgültig, S. 11).

    ( 56 ) Vgl. u. a. Urteile Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 28) und Kommission/Spanien (C‑503/03, EU:C:2006:74, Rn. 44).

    ( 57 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 52).

    ( 58 ) In diesem Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38 heißt es, dass „[d]ie Ausweisung von Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit eine Maßnahme [ist], die Personen, die ihre Rechte und Freiheiten aus dem Vertrag in Anspruch genommen haben und vollständig in den Aufnahmemitgliedstaat integriert sind, sehr schaden kann“.

    ( 59 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 60 ) Urteile D’Hoop (C‑224/98, EU:C:2002:432, Rn. 27) und Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124, Rn. 40).

    ( 61 ) In Bezug auf die Aussage des Gerichtshofs im Urteil Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 31) hat Generalanwältin Sharpston die Auffassung vertreten, dass „[d]ie Konsequenzen dieser Aussage … ebenso wichtig und weitreichend wie diejenigen früherer Meilensteine in der Rechtsprechung des Gerichtshofs [sind]. Ich halte die vom Gerichtshof vorgenommene Charakterisierung der Unionsbürgerschaft sogar für potenziell ähnlich bedeutsam wie die wegweisende Aussage im Urteil Van Gend & Loos [(26/62, EU:C:1963:1)], dass ‚die Gemeinschaft eine neue Rechtsordnung des Völkerrechts darstellt, zu deren Gunsten die Staaten … ihre Souveränitätsrechte eingeschränkt haben, eine Rechtsordnung, deren Rechtssubjekte nicht nur die Mitgliedstaaten, sondern auch die Einzelnen sind‘.“ Vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2010:560, Nr. 68).

    ( 62 ) Zur Bedeutung der Unionsbürgerschaft nach dem Vertrag von Maastricht O’Leary, S., The evolving Concept of Community Citizenship, From the Free Movement of Persons to Union Citizenship, Den Haag, London, Boston (Kluwer), 1996.

    ( 63 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache McCarthy u. a. (C‑202/13, EU:C:2014:345, Nrn. 39 und 40).

    ( 64 ) Vgl. u. a. Urteile Grzelczyk (C‑184/99, EU:C:2001:458, Rn. 31), D’Hoop (C‑224/98, EU:C:2002:432, Rn. 28), Baumbast und R (C‑413/99, EU:C:2002:493, Rn. 82), Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539, Rn. 22), Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 65), Pusa (C‑224/02, EU:C:2004:273, Rn. 16), Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 25), Bidar (C‑209/03, EU:C:2005:169, Rn. 31), Kommission/Österreich (C‑147/03, EU:C:2005:427, Rn. 45), Schempp (C‑403/03, EU:C:2005:446, Rn. 15), Spanien/Vereinigtes Königreich (C‑145/04, EU:C:2006:543, Rn. 74), Kommission/Niederlande (C‑50/06, EU:C:2007:325, Rn. 32), Huber (C‑524/06, EU:C:2008:724, Rn. 69), Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104), Prinz und Seeberger (C‑523/11 und C‑585/11, EU:C:2013:524, Rn. 24) sowie Martens (C‑359/13, EU:C:2015:118, Rn. 21).

    ( 65 ) Vgl. in diesem Sinne Lenaerts, K., und Gutièrrez-Fons, J. A., „Ruiz-Zambrano (C‑34/09) o de la emancipación de la Ciudadanía de la Unión de los límites inherentes a la libre circulación“, Revista española de derecho europeo, Nr. 40, 2011, S. 493 bis 521, S. 518.

    ( 66 ) Die Unionsbürgerschaft „setzt das Bestehen eines Bandes politischer Natur zwischen den Bürgern Europas voraus, obwohl es sich nicht um ein Band der Zugehörigkeit zu einem Volk handelt. Dieses politische Band eint vielmehr die Völker Europas. Es beruht auf der von ihnen eingegangenen gegenseitigen Verpflichtung, ihr jeweiliges politisches Gemeinwesen den anderen europäischen Bürgern zu öffnen und eine neue Form der bürgerschaftlichen und politischen Verbundenheit auf europäischer Ebene zu schaffen. Es setzt nicht ein bestehendes Volk voraus, sondern beruht auf dem Vorhandensein eines europäischen politischen Raums, aus dem Rechte und Pflichten erwachsen.“ Vgl. Schlussanträge von Generalanwalt Poiares Maduro in der Rechtssache Rottmann (C‑135/08, EU:C:2009:588, Nr. 23).

    ( 67 ) Vgl. in diesem Sinne Azoulai, L., „La citoyenneté européenne, un statut d’intégration sociale“, Chemins d’Europe. Mélanges en l’honneur de Jean Paul Jacqué, 2010, S. 2 bis 28.

    ( 68 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache McCarthy u. a. (C‑202/13, EU:C:2014:345, Nrn. 39 und 40).

    ( 69 ) Vgl. insoweit Azoulai, L., a. a. O., S. 6.

    ( 70 ) Vgl. u. a. Urteil Martínez Sala (C‑85/96, EU:C:1998:217).

    ( 71 ) Vgl. u. a. Urteile Baumbast und R (C‑413/99, EU:C:2002:493), Trojani (C‑456/02, EU:C:2004:488) sowie Bidar (C‑209/03, EU:C:2005:169).

    ( 72 ) Vgl. u. a. Urteile Collins (C‑138/02, EU:C:2004:172), Ioannidis (C‑258/04, EU:C:2005:559) sowie Vatsouras und Koupatantze (C‑22/08 und C‑23/08, EU:C:2009:344).

    ( 73 ) C‑200/02, EU:C:2004:639.

    ( 74 ) C‑135/08, EU:C:2010:104.

    ( 75 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 76 ) C‑200/02, EU:C:2004:639.

    ( 77 ) Im Urteil Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639) war das Kind in einem Landesteil des Vereinigten Königreichs (Nordirland) geboren und verlegte, als es nach Cardiff, Wales, umzog, seinen Wohnsitz lediglich innerhalb dieses Landes.

    ( 78 ) C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 38 bis 42. Zur Erinnerung: In diesem Urteil hat sich der Gerichtshof zu der Maßnahme geäußert, mit der ein Mitgliedstaat (in jenem Fall die Bundesrepublik Deutschland, Bayern) die Rücknahme der deutschen Staatsangehörigkeit beabsichtigte, die Herr Rottmann nach seiner Ausreise aus Österreich und der Wohnsitznahme in Deutschland durch betrügerisch erwirkte Einbürgerung erworben hatte. Die deutsche und die österreichische Regierung sowie die Kommission haben jedoch geltend gemacht, der Umstand, „[d]ass der Betroffene in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens vor der Einbürgerung von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht habe, stelle für sich allein kein grenzüberschreitendes Element dar, das in Bezug auf die Rücknahme dieser Einbürgerung eine Rolle spielen könnte“. Bei der Prüfung dieser Argumentation ist der Gerichtshof der Anregung gefolgt, den Umstand, dass Herr Rottmann bereits zuvor sein Freizügigkeitsrecht ausgeübt hatte, außer Betracht zu lassen, und hat den Blick nicht in die Vergangenheit, sondern in die Zukunft gerichtet. Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2010:560, Nr. 94).

    ( 79 ) Urteil Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 48). Bei dieser Rechtssache handelte es sich nicht um die erste Rechtssache, die die Unionsbürgerschaft betraf und in der das Element einer tatsächlichen grenzüberschreitenden Bewegung entweder kaum erkennbar war oder schlicht und ergreifend nicht vorlag. Das Urteil Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539) betraf nämlich bereits Eltern, die sich als spanische bzw. belgische Staatsangehörige in Belgien niedergelassen hatten, deren zwei Kinder, die eine doppelte – die spanische und die belgische – Staatsangehörigkeit besaßen und deren streitiger Nachname Gegenstand des Verfahrens war, aber in Belgien geboren waren und diesen Mitgliedstaat nie verlassen hatten. Auch im Urteil Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639) hatte das Kind das Vereinigte Königreich nie verlassen. Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2010:560, Nr. 77). Vgl. auch Urteile Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539) sowie Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639).

    ( 80 ) Urteile Micheletti u. a. (C‑369/90, EU:C:1992:295, Rn. 10), Mesbah (C‑179/98, EU:C:1999:549, Rn. 29), Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 37) sowie Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 39).

    ( 81 ) Urteil Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 41).

    ( 82 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Bickel und Franz (C‑274/96, EU:C:1998:563, Rn. 17 [betreffend eine nationale Regelung im Bereich des Straf- und Strafverfahrensrechts]), Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539, Rn. 25 [betreffend nationale Vorschriften über den Namen von Personen]), Schempp (C‑403/03, EU:C:2005:446, Rn. 19 [betreffend nationale Vorschriften über direkte Steuern]) und Spanien/Vereinigtes Königreich (C‑145/04, EU:C:2006:543, Rn. 78 [betreffend nationale Vorschriften über die Bestimmung der aktiv und passiv Wahlberechtigten für die Wahlen zum Europäischen Parlament]). Das Urteil Kaur (C‑192/99, EU:C:2001:106), das die Bestimmung des Begriffs „Staatsangehörige“ betraf, ist wie folgt kommentiert worden: „Im Urteil Kaur hat der Gerichtshof … für Recht erkannt, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Zuständigkeiten im Bereich der Staatsangehörigkeit das Recht der Europäischen Union gebührend berücksichtigen müssen. Die Bedeutung dieser Feststellung geht aus dem in der Rechtssache Rottmann [(C‑135/08, EU:C:2010:104)] ergangenen Grundsatzurteil hervor.“ Vgl. Barnard, C., The Substantive Law of the EU. The Four Freedoms, Oxford University Press, Oxford, 2010, 4. Aufl., S. 476.

    ( 83 ) Zu diesem Urteil vgl. Mengozzi, P., „Complémentarité et coopération entre la Cour de justice de l’Union européenne et les juges nationaux en matière de séjour dans l’Union des citoyens d’États tiers“, Il Diritto dell’Unione Europea, 1/2013, S. 29 bis 48, insbesondere S. 34.

    ( 84 ) Urteil Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. auch, für eine Analyse der zu diesem Bereich ergangenen Rechtsprechung im Schrifttum, Pudzianowska, D., „Warunki nabycia i utraty obywatelstwa Unii Europejskiej. Czy dochodzi do autonomizacji pojęcie obywatelstwa Unii?“, Ochrona praw obywatelek i obywateli Unii Europejskiej, éd. Baranowska, G., Bodnar, A., Gliszczyńska-Grabias, A., Warschau, 2015, S. 141 bis 154.

    ( 85 ) C‑135/08, EU:C:2010:104.

    ( 86 ) Hervorhebung nur hier. Urteil Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 39 bis 46). Vgl. insoweit Mengozzi, P., a. a. O., S. 33.

    ( 87 ) C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 42.

    ( 88 ) C‑34/09, EU:C:2011:124, Rn. 42.

    ( 89 ) Vgl. Nrn. 125 ff. der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 90 ) C‑135/08, EU:C:2010:104. Zu diesem Urteil vgl. Kochenov, D., und Plender, R., „EU Citizenship: From an Incipient Form to an Incipient Substance?“The Discovery of the Treaty Text, European Law Review, Bd. 37, Nr. 4, S. 369 bis 396.

    ( 91 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 92 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 93 ) Vgl. Nr. 109 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 94 ) Vgl. 18. Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/38.

    ( 95 ) Rn. 42 bis 45.

    ( 96 ) Vgl. u. a. Urteile Micheletti u. a. (C‑369/90, EU:C:1992:295), Singh (C‑370/90, EU:C:1992:296), Bickel und Franz (C‑274/96, EU:C:1998:563), Kaur (C‑192/99, EU:C:2001:106), D’Hoop (C‑224/98, EU:C:2002:432), Baumbast und R (C‑413/99, EU:C:2002:493), Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539), Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639), Schempp (C‑403/03, EU:C:2005:446), Spanien/Vereinigtes Königreich (C‑145/04, EU:C:2006:543) sowie Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104).

    ( 97 ) Zum Urteil Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104) vgl. Lenaerts, K., „The concept of EU citizenship in the case law of the European Court of Justice“, ERA Forum, 2013, S. 369 bis 583, insbesondere S. 575, wo es heißt, dass „[d]ieses Urteil … den Boden für den Erlass des Urteils Ruiz Zambrano [(C‑34/09, EU:C:2011:124)] durch den Gerichtshof bereitet hat“. Vgl. auch Barnard, C., a. a. O., S. 424: „Es unterliegt keinem Zweifel, dass dieses Urteil des Gerichtshofs, insbesondere seine Rn. 42, das sehr umstrittene Grundsatzurteil erahnen ließ, das in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) ergangen ist“.

    ( 98 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 99 ) Beispielsweise ist darauf hinzuweisen, dass es in der Rechtssache, in der das Urteil Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539) ergangen ist, nach Auffassung des Gerichtshofs „nicht darauf an[kam], ob die Unterschiedlichkeit der Nachnamen aus der doppelten Staatsangehörigkeit der Betroffenen folgt[e], sondern vielmehr darauf, dass diese Unterschiedlichkeit für die Unionsbürger zu schwerwiegenden Nachteilen führen konnte, die eine Behinderung der Freizügigkeit darstellten, die allenfalls dann gerechtfertigt wäre, wenn sie auf objektiven Erwägungen beruhte und in einem angemessenen Verhältnis zum legitimerweise verfolgten Zweck stünde“. Vgl. Urteil McCarthy (C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 52) sowie – in diesem Sinne – Urteil Grunkin und Paul (C‑353/06, EU:C:2008:559, Rn. 23, 24 und 29). Hervorhebung nur hier.

    ( 100 ) Sarmiento, D., und Sharpston, E., „European Citizenship and its New Union: time to move on?“, in: Kochenov, D. (Hrsg.), EU Citizenship and Federalism: The Role of Rights, Cambridge University Press (in Vorbereitung).

    ( 101 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 102 ) Vgl. Urteile McCarthy (C‑434/09, EU:C:2011:277, Rn. 47), Dereci u. a. (C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 64) Iida (C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 71) sowie Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 32). In diesen Urteilen hat der Gerichtshof, wie ich in meinen Schlussanträgen in der Rechtssache McCarthy u. a. (C‑202/13, EU:C:2014:345, Nr. 98) hervorgehoben habe, entschieden, dass die in Rede stehenden Situationen nicht unter das Unionsrecht fallen. Die betreffenden Unionsbürger hatten nämlich in diesen Rechtssachen entweder ihr Recht auf Freizügigkeit nie ausgeübt, weil sie immer in dem Mitgliedstaat gewohnt haben, dessen Staatsangehörigkeit sie besaßen, so dass ihnen durch die in Rede stehenden Maßnahmen grundsätzlich nicht der tatsächliche Genuss des Kernbestands der durch ihren Status verliehenen Rechte verwehrt wurde (insbesondere hatte Frau McCarthy immer im Vereinigten Königreich – dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie besaß – gelebt; sie konnte sich daher allein dort aufhalten, auch wenn ihrem Ehemann jamaikanischer Staatsangehörigkeit als einem Drittstaat angehörenden Familienangehörigen der Aufenthalt verweigert worden war), oder sie wurden weder von dem einem Drittstaat angehörenden Familienangehörigen begleitet, noch war dieser ihnen nachgezogen, und erfüllten nicht die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38 vorgesehenen Voraussetzungen (der Gerichtshof hat insbesondere festgestellt, dass Herr Iida nicht das Recht begehrt hatte, sich mit seiner Ehefrau und seiner Tochter im Aufnahmemitgliedstaat – Republik Österreich – aufzuhalten, sondern in der Bundesrepublik Deutschland, ihrem Herkunftsmitgliedstaat, diese beiden Unionsbürgerinnen nicht davon abgehalten worden waren, ihr Recht auf Freizügigkeit auszuüben, und Herr Iida selbst jedenfalls bestimmte Aufenthaltsrechte sowohl nach nationalem Recht als auch nach Unionsrecht besaß [Urteil Iida, C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 73 bis 75]).

    ( 103 ) Urteile Dereci u. a. (C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 67), Iida (C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 71), Ymeraga u. a. (C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 36) sowie Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 32). Herr Dereci etwa war ein türkischer Staatsangehöriger, dessen Ehefrau und drei Kinder die österreichische Staatsangehörigkeit besaßen und sich immer in Österreich aufgehalten hatten, wo er mit ihnen zusammenleben wollte. In dieser Situation wurde weder den drei Kindern noch der Mutter der Genuss des Kernbestands ihrer Rechte verwehrt, weil die erwähnten Kinder – anders als in der Rechtssache, in der das Urteil Ruiz Zambrano ergangen ist (C‑34/09, EU:C:2011:124) – hinsichtlich ihres Lebensunterhalts nicht auf ihren Vater angewiesen waren und daher in Österreich bleiben konnten.

    ( 104 ) Vgl. Nr. 106 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 105 ) Urteile Micheletti u. a. (C‑369/90, EU:C:1992:295, Rn. 29) sowie Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 39).

    ( 106 ) Urteile Garcia Avello (C‑148/02, EU:C:2003:539, Rn. 21) sowie Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:639, Rn. 21). Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Tizzano in der Rechtssache Zhu und Chen (C‑200/02, EU:C:2004:307, Nrn. 47 bis 52).

    ( 107 ) Vgl. Nrn. 107 bis 122 der vorliegenden Schlussanträge. Als Unionsbürger kommen sie in den Genuss ihres Rechts, sich im Unionsgebiet frei zu bewegen und aufzuhalten, obwohl sie dieses Recht nicht ausgeübt haben.

    ( 108 ) Vgl. in diesem Sinne Urteile Dereci u. a. (C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 67), Iida (C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 71), Ymeraga u. a. (C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 36) sowie Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 32).

    ( 109 ) Dass Herr Rendón Marín und seine Kinder die Möglichkeit hätten, nach Polen – dem Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit seiner Tochter – umzuziehen, wie mehrere Mitgliedstaaten, die Streithelfer sind, festgestellt haben, lässt sich nur abstrakt vertreten. Herr Rendón Marín hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, er habe weder Bindungen zur Familie der Mutter seiner Tochter (die ihren Wohnsitz nach seiner Kenntnis nicht in Polen hat), noch spreche er Polnisch.

    ( 110 ) C‑34/09, EU:C:2011:124. Vgl. in diesem Sinne Urteile Dereci u. a. (C‑256/11, EU:C:2011:734, Rn. 67), Iida (C‑40/11, EU:C:2012:691, Rn. 71), Ymeraga u. a. (C‑87/12, EU:C:2013:291, Rn. 36) sowie Alokpa und Moudoulou (C‑86/12, EU:C:2013:645, Rn. 32).

    ( 111 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil O. und B. (C‑456/12, EU:C:2014:135, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 112 ) Vgl. in diesem Sinne Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in den verbundenen Rechtssachen O. u. a. (C‑456/12 und C‑457/12, EU:C:2013:842, Nr. 49).

    ( 113 ) Vgl. Nr. 114 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 114 ) Urteil Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 42).

    ( 115 ) Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124, Rn. 42).

    ( 116 ) Vgl. Schlussanträge von Generalanwältin Sharpston in der Rechtssache Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2010:560, Nr. 95).

    ( 117 ) Zu diesem Begriff, der seinen Ursprung im deutschen Recht findet, vgl. u. a. Häberle, P., Die Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG, 3. Aufl., C. F. Müller, Karlsruhe, 1983, und Schneider, L., Der Schutz des Wesensgehalts von Grundrechten nach Art. 19 Abs. 2 GG, Duncker & Humblot, Berlin, 1983. Im polnischen Schrifttum vgl. für eine Analyse des Begriffs „istota praw i wolności“ in Art. 33 Abs. 3, der polnischen Verfassung, Wojtyczek, K., Granice ingerencji ustawodawczej w sferę ochrony praw człowieka w Konstytucji RP, Krakau, 1999, S. 203 bis 214, und Łabno, A., „Ograniczenia wolności i praw człowieka na podstawie art. 31 Konstytucji III RP“, Prawa i wolności obywatelskie w Konstytucji RP, hrsg. von Banaszak, B., Preisner, A., Warschau, 2002, S. 693 bis 709. Im spanischen Schrifttum vgl. u. a. De Otto, I., „La regulación del ejercicio de los derechos fundamentales. La garantía de su contenido esencial en el artículo 53.1 de la Constitución“, Obras Completas, Universität Oviedo und Zentrum für politische und verfassungsrechtliche Studien, Oviedo, 2010, S. 1471; Cruz Villalón, P., „Derechos Fundamentales y Legislación (1991)“, La curiosidad del jurista persa, y otros estudios sobre la Constitución, CEPC, 2. Aufl., Madrid, 2006, und Jiménez Campo, J., Derechos fundamentales. Concepto y garantías, 1999, Trotta (Hrsg.), 1999.

    ( 118 ) Vgl. Art. 4 Abs. 4 der tschechischen Grundrechtecharta, Art. 8 Abs. 2 der ungarischen Verfassung, Art. 31 Abs. 3 der polnischen Verfassung, Art. 18 Abs. 3 der portugiesischen Verfassung, Art. 49 Abs. 2 der rumänischen Verfassung und Art. 13 Abs. 4 der slowakischen Verfassung.

    ( 119 ) Vgl. u. a. Urteil Volker und Markus Schecke und Eifert (C‑92/09 und C‑93/09, EU:C:2010:662, Rn. 50). Vgl. auch Wróbel, A., „Art. 52“, Karta Praw podstawowych Unii Europejskiej. Komenstarz, Wróbel, A. (Hrsg.), Wydawnictwo C. H. Beck, 2013, S. 1343 bis 1384, insbesondere S. 1352.

    ( 120 ) Zum endgültigen Verlust des aktiven Wahlrechts im Zusammenhang mit einer strafrechtlichen Verurteilung vgl. Urteil Delvigne (C‑650/13, EU:C:2015:648, Rn. 46 bis 48). Zu Einschränkungen der Ausübung des Eigentumsrechts vgl. Urteile Hauer (44/79, EU:C:1979:290, Rn. 23 und 30), Schräder HS Kraftfutter (265/87, EU:C:1989:303, Rn. 15), Standley u. a. (C‑293/97, EU:C:1999:215, Rn. 54) sowie Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 355).

    ( 121 ) Nach dem absoluten Begriff von der Gewährleistung des Wesensgehalts der Grundrechte kann dieser Wesensgehalt hingegen in keinem Fall eingeschränkt werden. Zum relativen und zum absoluten Begriff von der Gewährleistung des Wesensgehalts der Grundrechte vgl. u. a. Alexy, R., A Theory of Constitutional Principles, Oxford, 2010, S. 192 bis 196. Im polnischen Schrifttum wird die Ansicht vertreten, dass der Wesensgehalt der Rechte jedenfalls nur im konkreten Fall festgestellt werden kann. Vgl. Łabno, A., „Ograniczenia wolności i praw człowieka na podstawie art. 31 Konstytucji III RP“, Prawa i wolności obywatelskie w Konstytucji RP, hrsg. von Banaszak, B., Preisner, A., Warschau, 2002, S. 708.

    ( 122 ) Vgl. entsprechend Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache Delvigne (C‑650/13, EU:C:2015:363, Nrn. 115 und 116). Zu diesem Begriff, der seinen Ursprung im deutschen Recht findet, vgl. u. a. Häberle, P., a. a. O., und Schneider, L., a. a. O. Im spanischen Schrifttum vgl. u. a. De Otto, I., a. a. O., S. 1471.

    ( 123 ) Ebd.

    ( 124 ) Bei Kindern im Kleinkindalter kann die Beschränkung des Aufenthaltsrechts mehrere Jahre gelten, bis sie alt genug sind, um dieses Recht unabhängig von ihren Eltern auszuüben.

    ( 125 ) Vgl. entsprechend Schlussanträge von Generalanwalt Cruz Villalón in der Rechtssache Delvigne (C‑650/13, EU:C:2015:363, Nrn. 115 und 116). Vgl. auch Schlussanträge von Generalanwalt Bot in der Rechtssache Schrems (C‑362/14, EU:C:2015:627, Nrn. 175 bis 177 und 185).

    ( 126 ) Zu der Terminologie, die der Gerichtshof im Urteil Ruiz Zambrano (C‑34/09, EU:C:2011:124) und der Unionsgesetzgeber in der Charta verwendet hat, vgl. beispielsweise die spanische (la esencia de los derechos [vinculados al estatuto de ciudadano de la Unión]/el contenido esencial de esos derechos [y libertades]), die deutsche (der Kernbestand der Rechte, [die der Unionsbürgerstatus verleiht]/der Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten), die englische (the substance of the rights [attaching to the status of European Union citizen]/the essence of those rights [and freedoms]), die italienische (dei diritti connessi [allo status di cittadino dell’Unione]/il contenuto essenziale di detti diritti [e libertà]) bzw. die polnische Sprachfassung (istota praw [związanych ze statusem obywatela Unii]/istota praw i wolności [uznanych w Karcie]).

    ( 127 ) Ich stelle jedoch fest, dass der Gerichtshof im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Einschränkungen des Eigentumsrechts ebenfalls den Begriff „Wesensgehalt des Rechts“ verwendet hat. Zu Einschränkungen der Ausübung des Eigentumsrechts vgl. Urteile Hauer (44/79, EU:C:1979:290, Rn. 23 und 30), Schräder HS Kraftfutter (265/87, EU:C:1989:303, Rn. 15), Standley u. a. (C‑293/97, EU:C:1999:215, Rn. 54) sowie Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 355).

    ( 128 ) Vgl. insoweit Urteil Carpenter (C‑60/00, EU:C:2002:434, Rn. 44).

    ( 129 ) Vgl. in diesem Sinne Lenaerts, K., „‚Civis Europaeus Sum‘: from the Cross-border Link to the Status of Citizen of the Union“, Constitutionalising the EU Judicial System: Essays in Honour of Pernilla Lindh, Cardonnel, P., Rosas, A., und Wahl, N. (Hrsg.), Hart, Oxford, 2012, S. 213 bis 232.

    ( 130 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Rottmann (C‑135/08, EU:C:2010:104, Rn. 54 und 55).

    ( 131 ) Ebd. (Rn. 56).

    ( 132 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 133 ) Vgl. Nr. 130 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 134 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 135 ) 41/74, EU:C:1974:133.

    ( 136 ) Zum Grundsatz einer engen Auslegung der Schutzklauseln im Unionsrecht vgl. Urteil van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 18).

    ( 137 ) Vgl. u. a. Urteile van Duyn (41/74, EU:C:1974:133, Rn. 18), Bonsignore (67/74, EU:C:1975:34, Rn. 6), Rutili (36/75, EU:C:1975:137, Rn. 27), Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 33), Calfa (C‑348/96, EU:C:1999:6, Rn. 23), Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 64 und 65), Kommission/Spanien (C‑503/03, EU:C:2006:74, Rn. 45), Kommission/Deutschland (C‑441/02, EU:C:2006:253, Rn. 34) und Kommission/Niederlande (C‑50/06, EU:C:2007:325, Rn. 42).

    ( 138 ) Urteil Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 65). Dieser Rechtsprechungsansatz wurde im Rahmen der Richtlinie 2004/38 entwickelt, in deren erstem Erwägungsgrund es u. a. heißt, dass das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ein „elementares und persönliches Recht“ jedes Bürgers der Union ist, das durch die Unionsbürgerschaft verliehen wird.

    ( 139 ) Vgl. Art. 4 Abs. 3 EUV.

    ( 140 ) Urteile Rutili (36/75, EU:C:1975:137, Rn. 51) und Oteiza Olazabal (C‑100/01, EU:C:2002:712, Rn. 30).

    ( 141 ) Vgl. in diesem Sinne Néraudau-d’Unienville, E., Ordre public et droit des étrangers en Europe. La notion d’ordre public en droit des étrangers à l’aune de la construction européenne, Bruylant, 2006, S. 424.

    ( 142 ) Vgl. u. a. Urteile van Duyn (41/74, EU:C:1974:133), Bonsignore (67/74, EU:C:1975:34), Rutili (36/75, EU:C:1975:137), Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172), Calfa (C‑348/96, EU:C:1999:6), Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262), Kommission/Spanien (C‑503/03, EU:C:2006:74), Kommission/Deutschland (C‑441/02, EU:C:2006:253) und Kommission/Niederlande (C‑50/06, EU:C:2007:325).

    ( 143 ) Was Herrn Rendón Marín angeht, beziehe ich mich selbstverständlich auf seine Situation im Verhältnis zu seinem Sohn spanischer Staatsangehörigkeit. In Bezug auf seine Tochter polnischer Staatsangehörigkeit bin ich – daran sei erinnert – zu dem Schluss gekommen, dass ihre Situation in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/38 fällt. Sollte das vorlegende Gericht die Auffassung vertreten, Herr Rendón Marín und seine Tochter erfüllten nicht die Voraussetzungen dieser Richtlinie (vgl. Nr. 106 der vorliegenden Schlussanträge), dürfte die in den Nrn. 146 ff. der vorliegenden Schlussanträge vorgenommene Analyse jedenfalls auch für die Situation von Herrn Rendón Marín und seiner beiden Kinder gelten.

    ( 144 ) Für den Fall, dass die Richtlinie 2004/38 nicht anwendbar ist. Vgl. Nr. 106 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 145 ) Vgl. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2004/38.

    ( 146 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 147 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 148 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

    ( 149 ) Wie aus den Akten, über die der Gerichtshof verfügt, hervorgeht, ist die Situation von CS als Mutter, die das Sorgerecht für ein minderjähriges Kind wahrnimmt, den Angaben dieses Gerichts zufolge als mildernder Umstand berücksichtigt worden, ohne den „das Strafmaß zweifellos höher ausgefallen wäre“.

    ( 150 ) Vgl. auch Nr. 13 der vorliegenden Schlussanträge.

    ( 151 ) Der Gerichtshof hat festgestellt, dass „[d]ie nationale Behörde … bei der Prüfung, wo der angemessene Ausgleich zwischen den betroffenen berechtigten Interessen liegt, die besondere Rechtsstellung der dem [Unions]recht unterliegenden Personen und die entscheidende Bedeutung des Grundsatzes der Freizügigkeit zu berücksichtigen [hat]“. Vgl. Urteil Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 96).

    ( 152 ) Urteile Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262), Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708) und I. (C‑348/09, EU:C:2012:300).

    ( 153 ) Vgl. auch die Art. 27 und 28 der Richtlinie 2004/38.

    ( 154 ) Urteile Orfanopoulos und Oliveri (C‑482/01 und C‑493/01, EU:C:2004:262, Rn. 95), Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 48) und I. (C‑348/09, EU:C:2012:300, Rn. 30).

    ( 155 ) Der Begriff „schwerwiegender Grund der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ in Art. 28 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 gilt für „Unionsbürger oder ihre Familienangehörigen, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit, die das Recht auf Daueraufenthalt … genießen“. Hervorhebung nur hier.

    ( 156 ) Art. 28 Abs. 3 der Richtlinie 2004/38 wendet diesen Begriff in Fällen von Ausweisungen an, die gegen minderjährige Unionsbürger verfügt werden, es sei denn, die Ausweisung ist zum übergeordneten Wohl des Kindes notwendig.

    ( 157 ) Urteil Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 158 ) Ebd. (Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 159 ) In diesem Sinne ebd. (Rn. 45 und 46).

    ( 160 ) Vgl. Urteil Oteiza Olazabal (C‑100/01, EU:C:2002:712).

    ( 161 ) Vgl. Urteil I. (C‑348/09, EU:C:2012:300).

    ( 162 ) Der Gerichtshof hat insoweit entschieden, dass, wenn auch die Feststellung einer derartigen Gefährdung „eine Neigung des Betroffenen nahelegt, dieses Verhalten in Zukunft beizubehalten, … es doch auch möglich [ist], dass schon allein das vergangene Verhalten den Tatbestand einer solchen Gefährdung der öffentlichen Ordnung erfüllt“. Vgl. in diesem Sinne Urteil Bouchereau (30/77, EU:C:1977:172, Rn. 29).

    ( 163 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 50). Vgl. auch EGMR, Jeunesse/Niederlande [GK], Nr. 12738/10, Rn. 114 bis 122, 3. Oktober 2014.

    ( 164 ) Im Fall eines Unionsbürgers, der die meiste oder die gesamte Zeit seiner Kindheit und Jugend rechtmäßig im Aufnahmemitgliedstaat verbracht hat, müssten sehr stichhaltige Gründe vorgebracht werden, um die Ausweisungsmaßnahme zu rechtfertigen. Vgl. Urteil Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 53) und – in diesem Sinne – u. a. EGMR, Urteil Maslov/Österreich [GK], Nr. 1638/03, Rn. 61 ff., CEDH 2008.

    ( 165 ) Vgl. auch EGMR, Jeunesse/Niederlande [GK], Nr. 12738/10, Rn. 118, 3. Oktober 2014,.

    ( 166 ) Ebd. (Rn. 118). Vgl. auch EGMR, Neulinger und Shuruk/Schweiz [GK], Nr. 41615/07, Rn. 135, EGMR 2010, sowie EGMR, X./Lettland [GK], Nr. 27853/09, Rn. 96, EGMR 2013.

    ( 167 ) Ebd. (Rn. 118). Vgl. auch EGMR, Tuquabo-Tekle u. a./Niederlande, Nr. 60665/00, Rn. 44, 1. Dezember 2005.

    ( 168 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Tsakouridis (C‑145/09, EU:C:2010:708, Rn. 54).

    ( 169 ) C‑200/02, EU:C:2004:639.

    ( 170 ) C‑34/09, EU:C:2011:124.

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