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Dokument 62014CC0439
Opinion of Advocate General Sharpston delivered on 28 April 2016.
Schlussanträge der Generalanwältin E. Sharpston vom 28. April 2016.
Schlussanträge der Generalanwältin E. Sharpston vom 28. April 2016.
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2016:307
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
ELEANOR SHARPSTON
vom 28. April 2016 ( 1 )
Verbundene Rechtssachen C‑439/14 und C‑488/14
SC Star Storage SA
gegen
Institutul Naţional de Cercetare-Dezvoltare în Informatică (ICI)
(Vorabentscheidungsersuchen der Curte de Apel Bucureşti [Berufungsgericht Bukarest, Rumänien])
und
SC Max Boegl România SRL,
SC UTI grup SA,
Astaldi SpA,
SC Construcții Napoca SA
gegen
RA Aeroportul Oradea,
SC Porr Construct SRL,
Teerag-Asdag Aktiengesellschaft,
SC Col-Air Trading SRL,
AVZI SA,
Trameco SA,
Iamsat Muntenia SA
(Vorabentscheidungsersuchen der Curte de Apel Oradea [Berufungsgericht Oradea, Rumänien])
„Vergabe öffentlicher Aufträge — Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG — Nach nationalem Recht für den Zugang zu Nachprüfungsverfahren erforderliche ‚Wohlverhaltenssicherheit‘ — Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten — Grundsätze der Äquivalenz und Effektivität — Art. 47 und Art. 52 der Charta — Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf — Einschränkung — Verhältnismäßigkeit“
1. |
In den vorliegenden Rechtssachen ersuchen die Curte de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien) und die Curte de Apel Oradea (Berufungsgericht Oradea, Rumänien) um Hinweise des Gerichtshofs im Wesentlichen zu der Frage, ob das Unionsrecht einen Mitgliedstaat hindert, von einem Beschwerdeführer für den Zugang zu Nachprüfungsverfahren gegen Vergabeentscheidungen öffentlicher Auftraggeber die Bestellung einer „Wohlverhaltenssicherheit“ zu verlangen. Nach den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelungen behalten die öffentlichen Auftraggeber die Wohlverhaltenssicherheit ein, wenn die für die Nachprüfung ihrer Entscheidungen zuständige Stelle die Beschwerde zurückweist oder der Beschwerdeführer sie zurücknimmt. |
2. |
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen somit den Umfang des Rechts auf Zugang zu einem wirksamen Rechtsbehelf im Zusammenhang mit der Vergabe öffentlicher Aufträge, das durch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) garantiert und darüber hinaus in Richtlinien der Union über Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge konkretisiert wird. Inwieweit können die Mitgliedstaaten finanzielle Voraussetzungen für Beschwerden gegen Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber vorsehen, um die Gefahr missbräuchlicher Beschwerden zu begrenzen, d. h. von Beschwerden, die an sich keine Erfolgsaussichten haben und deren Zweck lediglich in der Behinderung des öffentlichen Vergabeverfahrens besteht? |
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3. |
Nach Art. 47 Abs. 1 der Charta hat jede Person, deren durch das Unionsrecht garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen. Nach Art. 52 Abs. 1 der Charta muss jede Einschränkung der Ausübung eines Charta-Rechts gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt des betreffenden Rechts achten. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist eine solche Einschränkung nur möglich, wenn sie erforderlich ist und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht. |
4. |
Nach dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665/EWG des Rates ( 2 ) setzt die Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für den unionsweiten Wettbewerb eine beträchtliche Verstärkung der Garantien im Bereich der Transparenz und der Nichtdiskriminierung voraus. Für den Fall von Verstößen gegen das Unionsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen einzelstaatliche Vorschriften, die in Umsetzung dieses Rechts ergangen sind, müssen Möglichkeiten einer wirksamen und raschen Nachprüfung bestehen. |
5. |
Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 89/665 bestimmt: „(1) Diese Richtlinie gilt für Aufträge im Sinne der Richtlinie 2004/18/EG …[ ( 3 ) ], sofern diese Aufträge nicht gemäß den Artikeln 10 bis 18 der genannten Richtlinie ausgeschlossen sind. Aufträge im Sinne der vorliegenden Richtlinie umfassen öffentliche Aufträge, Rahmenvereinbarungen, öffentliche Baukonzessionen und dynamische Beschaffungssysteme. Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2004/18/EG fallenden Aufträge die Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der Artikel 2 bis 2f der vorliegenden Richtlinie auf Verstöße gegen das [Unionsrecht] im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können. (2) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die in dieser Richtlinie getroffene Unterscheidung zwischen einzelstaatlichen Vorschriften zur Umsetzung des [Unionsrechts] und den übrigen innerstaatlichen Bestimmungen nicht zu Diskriminierungen zwischen Unternehmen führt, die im Rahmen eines Verfahrens zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags einen Schaden geltend machen könnten. (3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Nachprüfungsverfahren entsprechend den gegebenenfalls von den Mitgliedstaaten festzulegenden Bedingungen zumindest jeder Person zur Verfügung stehen, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht. …“ |
6. |
Nach dem fünften Erwägungsgrund der Richtlinie 92/13/EWG des Rates ( 4 ) erfordert die Öffnung des Auftragswesens im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste für den unionsweiten Wettbewerb, dass Lieferanten oder Unternehmen im Falle von Verstößen gegen das einschlägige Unionsrecht oder die zur Umsetzung dieses Rechts erlassenen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften angemessene Nachprüfungsverfahren zur Verfügung stehen. |
7. |
Die ersten drei Absätze von Art. 1 („Anwendungsbereich und Zugang zu Nachprüfungsverfahren“) der Richtlinie 92/13 entsprechen im Wesentlichen den ersten drei Absätzen von Art. 1 der Richtlinie 89/665 ( 5 ). |
Rumänisches Recht
8. |
Nach Art. 431 der Dringlichkeitsverordnung Nr. 34/2006 betreffend die Vergabe öffentlicher Beschaffungsaufträge, öffentlicher Bauaufträge und öffentlicher Dienstleistungsaufträge (Ordonanţa de urgenţă a Guvernului nr. 34/2006; im Folgenden: OUG Nr. 34/2006) hat jeder potenzielle Bieter zur Teilnahme am Verfahren in allen Fällen, in denen der öffentliche Auftraggeber nach der OUG Nr. 34/2006 zur Veröffentlichung einer Bekanntmachung oder einer Aufforderung zur Abgabe von Vorschlägen verpflichtet ist, eine Sicherheit (im Folgenden: Teilnahmesicherheit) zu bestellen. Die Teilnahmesicherheit, die bis zu 2 % des geschätzten Werts des öffentlichen Auftrags betragen kann, soll den öffentlichen Auftraggeber während des gesamten Zeitraums bis zum Vertragsschluss gegen die Gefahr eines nicht konformen Verhaltens des Bieters schützen. |
9. |
Nach Art. 256 Abs. 1 der OUG Nr. 34/2006 ist ein Beteiligter, der sich geschädigt sieht, berechtigt, den Nationalen Rat für Beschwerdeentscheidungen (Consiliului Naţional de Soluţionare a Contestaţiilor; im Folgenden: CNSC) anzurufen. Nach Art. 281 Abs. 1 können Entscheidungen des CNSC gerichtlich angefochten werden. |
10. |
Nach Art. 278 Abs. 1 der OUG Nr. 34/2006 entscheidet der CNSC oder das zuständige Gericht vorab über prozessuale und materielle Einreden. Wird deren Begründetheit festgestellt, wird der Rechtsstreit nicht mehr in der Sache geprüft. |
11. |
Art. 2781 der OUG Nr. 34/2006 sah vor, dass der öffentliche Auftraggeber einen Teil der Teilnahmesicherheit einbehielt, wenn der CNSC oder das zuständige nationale Gericht die Beschwerde des Bieters zurückwies oder der Bieter die Beschwerde zurücknahm. |
12. |
Mit der Dringlichkeitsverordnung Nr. 51/2014 (Ordonanţa de urgenţă a Guvernului nr. 51/2014; im Folgenden: OUG Nr. 51/2014) wurde Art. 2781 der OUG Nr. 34/2006 aufgehoben und die folgenden Bestimmungen in diese Rechtsvorschriften aufgenommen ( 6 ): „Art. 2711 (1) Der Beschwerdeführer ist verpflichtet, zu dem Zweck, den öffentlichen Auftraggeber gegen die Gefahr eines möglichen nicht konformen Verhaltens zu schützen, für den gesamten Zeitraum zwischen der Erhebung der Beschwerde im Verwaltungsrechtsweg/der Stellung des gerichtlichen Antrags/der Klageerhebung und dem Zeitpunkt, zu dem die entsprechende Entscheidung des [CNSC]/das Urteil des zuständigen Gerichts bestands- bzw. rechtskräftig wird, eine Wohlverhaltenssicherheit zu stellen. (2) Die [Beschwerde] [wird] [zurück]gewiesen, wenn der Beschwerdeführer die Bestellung der in Abs. 1 vorgesehenen Sicherheit nicht nachweist. (3) Die Wohlverhaltenssicherheit ist durch Banküberweisung oder durch ein nach den gesetzlichen Vorschriften von einer Bank oder einer Versicherungsgesellschaft herausgegebenes Sicherungsinstrument zu stellen und im Original am Sitz des öffentlichen Auftraggebers und in Kopie beim [CNSC] oder beim Gericht gleichzeitig mit der Erhebung der [Beschwerde] zu hinterlegen. (4) Die Gesamthöhe der Wohlverhaltenssicherheit wird auf Grundlage des geschätzten Werts des zu vergebenden Auftrags wie folgt festgelegt:
(5) Die Wohlverhaltenssicherheit muss mindestens 90 Tage gültig und unwiderruflich sein, und sie muss auf erstes Anfordern des öffentlichen Auftraggebers zahlbar sein, wenn die [Beschwerde] [zurück]gewiesen wird. (6) Ist die Entscheidung des [CNSC] oder das Urteil des Gerichts bis zum letzten Tag der Gültigkeit der Wohlverhaltenssicherheit nicht bestands- bzw. rechtskräftig geworden und hat der Beschwerdeführer die Gültigkeit der Wohlverhaltenssicherheit nicht nach den Voraussetzungen der Abs. 1 bis 5 verlängert, behält der öffentliche Auftraggeber die Wohlverhaltenssicherheit ein. Die Bestimmungen des Art. 2712 Abs. 3 bis 5 gelten entsprechend. … Art. 2712 (1) Wird die Beschwerde vom [CNSC] oder, wenn der Beschwerdeführer unmittelbar Klage bei den Gerichten erhoben hat, von diesen zurückgewiesen, ist der öffentliche Auftraggeber zur Einbehaltung der Wohlverhaltenssicherheit verpflichtet, sobald die Entscheidung des [CNSC]/das Urteil des Gerichts bestands‑/rechtskräftig geworden ist. Die Einbehaltung erfolgt für die Teile des Auftrags, bezüglich deren die Beschwerde zurückgewiesen wurde. (2) Abs. 1 findet auch Anwendung, wenn der Beschwerdeführer die [Beschwerde] zurücknimmt. (3) Die Maßnahme nach Abs. 1 findet keine Anwendung, wenn der [CNSC]/das Gericht die Beschwerde als gegenstandslos zurückweist oder wenn die [Beschwerde] zurückgenommen wird, nachdem der öffentliche Auftraggeber nach Maßgabe des Art. 2563 Abs. 1 die erforderlichen Abhilfemaßnahmen getroffen hat. (4) Gibt der [CNSC] der Beschwerde bzw. das zuständige Gericht der Klage gegen die die Beschwerde zurückweisende Entscheidung des [CNSC] statt, so ist der öffentliche Auftraggeber verpflichtet, dem Beschwerdeführer die Wohlverhaltenssicherheit spätestens fünf Tage nach dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung/das Urteil bestands‑/rechtskräftig geworden ist, herauszugeben. (5) Hat der Beschwerdeführer unmittelbar Klage bei den Gerichten erhoben und geben diese der Klage statt, findet Abs. 4 entsprechende Anwendung. (6) Die dem öffentlichen Auftraggeber aus der Wohlverhaltenssicherheit zufließenden Beträge stellen Einnahmen dieses öffentlichen Auftraggebers dar.“ |
13. |
Auf ein entsprechendes Ersuchen des Gerichtshofs um Klarstellung hin haben die vorlegenden Gerichte bestätigt, dass die Curte Constituțională (Verfassungsgericht, Rumänien) Art. 2712 Abs. 1 und 2 der OUG Nr. 34/2006 in einem Urteil vom 15. Januar 2015 für verfassungswidrig erklärt hat. Dies begründete das Verfassungsgericht im Wesentlichen damit, dass der öffentliche Auftraggeber nach diesen Bestimmungen im Fall der Zurückweisung oder Rücknahme der Beschwerde zur Einbehaltung der Wohlverhaltenssicherheit verpflichtet war, ohne dass dem CNSC oder dem über die Beschwerde entscheidenden Gericht Spielraum dafür gelassen wurde, das Verhalten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen. Einen Verlust der Wohlverhaltenssicherheit könnte nur unangemessenes Verhalten rechtfertigten. Mit im Wesentlichen gleicher Begründung erklärte das Verfassungsgericht am 4. November 2015 Art. 2711 Abs. 5 der OUG Nr. 34/2006 insoweit für verfassungswidrig, als die Wohlverhaltenssicherheit nach dieser Bestimmung im Fall der Zurückweisung der Beschwerde auf erstes Anfordern des öffentlichen Auftraggebers zahlbar sein musste. |
14. |
In der mündlichen Verhandlung hat die rumänische Regierung erklärt, dass die Art. 2711 und 2712 der OUG Nr. 34/2006 weiter in Kraft seien, soweit sie nicht für verfassungswidrig erklärt worden seien. Sie hat bestätigt, dass Beschwerdeführer nach den verbleibenden Bestimmungen ( 9 ) weiterhin zur Bestellung einer Wohlverhaltenssicherheit verpflichtet seien, dass für deren Einbehaltung durch den öffentlichen Auftraggeber jedoch keine Rechtsgrundlage mehr bestehe. In der Konsequenz muss der öffentliche Auftraggeber dem Beschwerdeführer die Wohlverhaltenssicherheit jetzt am Ende des Verfahrens herausgeben, und zwar unabhängig vom Ausgang des Verfahrens über die Beschwerde und erst recht unabhängig davon, ob die Stellung des Antrags missbräuchlich war oder nicht. |
Sachverhalt, Verfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C‑439/14
15. |
Das Institut Naţional de Cercetare-Dezvoltare în Informatică (Nationales Institut für Informatikforschung und ‑entwicklung, im Folgenden: INCDI) führte eine Ausschreibung zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags über Waren und Dienstleistung zur Entwicklung und Einrichtung einer Plattform für Cloud-Computing durch. Der geschätzte Wert des Auftrags betrug ohne Mehrwertsteuer 61287713,71 RON (etwa 13700000 Euro). Das INCDI erstellte die entsprechenden Ausschreibungsunterlagen und veröffentlichte am 1. April 2014 im Sistemul Electronic de Achiziţii Publice (Elektronisches System für öffentliche Beschaffungen) eine Bekanntmachung. Das Vergabekriterium war das „des niedrigsten Preises“. |
16. |
Mehrere Wirtschaftsteilnehmer erbaten beim INCDI eine Erläuterung der Bestimmungen der Ausschreibungsunterlagen. Das INCDI reagierte hierauf mit der Veröffentlichung mehrerer Erläuterungen im Elektronischen System für öffentliche Beschaffungen. |
17. |
Am 30. Juni 2014 erhob die SC Star Storage SA (im Folgenden: Star Storage) gegen drei dieser Erläuterungen Beschwerde beim CNSC. Der CNSC wies diese Beschwerde am 18. Juli 2014 als unzulässig zurück, da Star Storage keine Wohlverhaltenssicherheit gestellt habe ( 10 ). Gegen diese Entscheidung erhob Star Storage Klage bei der Curte de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest), die das Verfahren ausgesetzt und um eine Vorabentscheidung über folgende Frage ersucht hat: Sind Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 und Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 dahin auszulegen, dass sie einer Regelung wie derjenigen nach Art. 2711 und Art. 2712 der OUG Nr. 34/2006 entgegenstehen, wonach der Zugang zu Verfahren zur Nachprüfung von Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber von der Vorlage einer „Wohlverhaltenssicherheit“ abhängig ist? |
Rechtssache C‑488/14
18. |
Die RA Aeroportul Oradea (im Folgenden: Flughafen Oradea) veröffentlichte am 21. Januar 2014 im Elektronischen System für öffentliche Beschaffungen eine Bekanntmachung für die Vergabe eines öffentlichen Auftrags zur Erweiterung und Modernisierung dieses Flughafens. Der geschätzte Wert des Auftrags betrug ohne Mehrwertsteuer 101232054 RON (etwa 22800000 Euro). Das Vergabekriterium war das „des wirtschaftlich günstigsten Angebots“. |
19. |
Vier Wirtschaftsteilnehmer gaben Angebote ab. Dem Bericht über die Bewertung der Angebote vom 28. März 2014 zufolge wurde das von der Arbeitsgemeinschaft SC Max Boegl România SRL (im Folgenden: Max Boegl), SC UTI Grup SA und Astaldi SpA abgegebene Angebot für nicht den Vorschriften entsprechend erklärt. Demselben Bericht zufolge wurde das von der Arbeitsgemeinschaft SC Construcţii Napoca SA (im Folgenden: Construcţii Napoca), SC Aici Cluj SA und CS Icco Energ SRL abgegebene Angebot zweitplatziert. |
20. |
Die von diesen beiden Arbeitsgemeinschaften gegen den Bericht über die Bewertung der Angebote erhobenen Beschwerden wies der CNSC am 10. Juli 2014 als unbegründet zurück. |
21. |
Gegen diese Entscheidungen erhoben die Arbeitsgemeinschaft, der Max Boegl angehört, und Construcţii Napoca Klage bei der Curte de Apel Oradea (Berufungsgericht Oradea). In der mündlichen Verhandlung vom 10. September 2014 wies dieses Gericht die Kläger auf das Erfordernis der Bestellung einer Wohlverhaltenssicherheit nach dem Inkrafttreten von Art. Art. 2711 und Art. 2712 der OUG Nr. 34/2006 am 30. Juni 2014 hin ( 11 ). Die Curte de Apel Oradea (Berufungsgericht Oradea) hat dieses Verfahren ausgesetzt und um eine Vorabentscheidung über folgende Frage ersucht: Sind Art. 1 Abs. 1, 2 und 3 der Richtlinie 89/665 bzw. Art. 1 Abs. 1, 2 und 3 der Richtlinie 92/13 dahin auszulegen, dass sie einer Regelung wie derjenigen nach Art. 2711 und Art. 2712 der OUG Nr. 34/2006 entgegenstehen, wonach der Zugang zu Verfahren zur Nachprüfung von Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber von der verpflichtenden vorherigen Hinterlegung einer „Wohlverhaltenssicherheit“ abhängig ist? |
22. |
Mit Beschluss vom 13. November 2014 hat der Präsident des Gerichtshofs die beiden Rechtssachen zum gemeinsamen schriftlichen und mündlichen Verfahren und zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Star Storage, die griechische und die rumänische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Max Boegl, die rumänische Regierung und die Europäische Kommission haben in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2016 mündliche Erklärungen abgegeben. |
Würdigung
Vorbemerkungen
23. |
Der in der Rechtssache C‑439/14 in Rede stehende Wert des öffentlichen Auftrags liegt über dem einschlägigen Schwellenwert für öffentliche Liefer- und Dienstleistungsaufträge in Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 2004/18. Daher gilt für dieses Verfahren die Richtlinie 89/665 ( 12 ). Ebenso erreicht der in der Rechtssache C‑488/14 in Rede stehende Wert des öffentlichen Auftrags die Schwellenwerte für öffentliche Aufträge in Art. 7 Buchst. c der Richtlinie 2004/18 und Art. 16 Buchst. b der Richtlinie 2004/17. |
24. |
Die rumänische Regierung und die Kommission sind jedoch über den für das Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑488/14 einschlägigen rechtlichen Rahmen unterschiedlicher Ansicht. Nach Ansicht der rumänischen Regierung gilt dafür nur die Richtlinie 2004/18 und im weiteren Sinne die Richtlinie 89/665. Nach Ansicht der Kommission fällt das Verfahren, weil das in Rede stehende Vergabeverfahren die Erweiterung und Erneuerung von Flughafenanlagen betroffen habe, unter die Richtlinie 2004/17 ( 13 ), so dass hierfür die Richtlinie 92/13 gelte ( 14 ). |
25. |
Meines Erachtens verfügt der Gerichtshof nicht über genügend Informationen zu diesem Auftrag, um zu entscheiden, ob für das Verfahren seiner Vergabe die Richtlinie 89/665 oder die Richtlinie 92/13 gilt. Daraus ergeben sich hier indes keine Schwierigkeiten. Zum einen wird aus dem Sachverhalt des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C‑488/14 deutlich, dass die Frage, die dem Gerichtshof von der Curte de Apel Oradea (Berufungsgericht Oradea) vorgelegt wird, nicht hypothetischer Natur ist, soweit sie die Richtlinie 92/13 betrifft. Zum anderen entsprechen die ersten drei Absätze des Art. 1 dieser Richtlinie und die ersten drei Absätze des Art. 1 der Richtlinie 89/665 einander im Wesentlichen. Die beiden von den vorlegenden Gerichten gestellten Fragen sind daher im Wesentlichen identisch und sollten gemeinsam behandelt werden. |
26. |
Weiterhin sind die Auswirkungen der Urteile der Curte Constituțională (Verfassungsgericht) vom 15. Januar und 4. November 2015 auf die Ausgangsverfahren unklar. In der mündlichen Verhandlung war die rumänische Regierung der Ansicht, dass die vorlegenden Gerichte jetzt die Übergangsregelung anwenden müssten. Die Kommission hob dagegen auf eine Differenzierung zwischen den beiden Rechtssachen ab. In der Rechtssache C‑488/14 sei das Erfordernis der Wohlverhaltenssicherheit erstmals im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht entstanden. Dieses Gericht müsse somit die Übergangsregelung anwenden. In der Rechtssache C‑439/14 sei das Erfordernis zum ersten Mal im Verfahren vor dem CNSC entstanden – d. h. vor den Urteilen des Verfassungsgerichts. In dieser Rechtssache müsse das vorlegende Gericht daher, wenn die Antwort des Gerichtshofs vorliege, die ursprüngliche Regelung anwenden. |
27. |
Nach ständiger Rechtsprechung ist es nicht Sache des Gerichtshofs, über die Anwendbarkeit nationaler Vorschriften zur Entscheidung der Ausgangsverfahren zu befinden. Vielmehr hat der Gerichtshof im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten den rechtlichen Kontext der Vorabentscheidungsfrage, wie er in der Vorlageentscheidung definiert ist, zu berücksichtigen ( 15 ). Der Gerichtshof ist jedoch befugt, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache über die Frage der Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht zu befinden ( 16 ). Da unsicher ist, ob auf das Ausgangsverfahren in der Rechtssache C‑439/14 die ursprüngliche Regelung oder die Übergangsregelung Anwendung findet, werde ich in diesen Schlussanträgen beide prüfen. |
28. |
Schließlich ergibt sich aus den dem Gerichtshof verfügbaren Informationen, dass nach der OUG Nr. 34/2006 eine Beschwerde entweder beim CNSC (dessen Entscheidungen dann vor einem Berufungsgericht angefochten werden können) oder unmittelbar bei einem Gericht erhoben werden kann. Da in jedem Fall eine Wohlverhaltenssicherheit erforderlich ist, bleibt die folgende Würdigung hiervon unberührt ( 17 ). |
Methodik der Würdigung
29. |
Der erste und zweite Erwägungsgrund der Richtlinie 89/665 sowie der erste, zweite und dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 92/13 stellen klar, dass diese Richtlinien darauf abzielen, die auf einzelstaatlicher Ebene und auf Unionsebene vorhandenen Mechanismen zu verstärken, um die tatsächliche Anwendung der Richtlinien im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu sichern, und zwar insbesondere in einem Stadium, in dem Verstöße noch beseitigt werden können ( 18 ). Zu diesem Zweck werden die Mitgliedstaaten in Art. 1 Abs. 1 der jeweiligen Richtlinie verpflichtet, sicherzustellen, dass rechtswidrige Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und möglichst rasch überprüft werden können ( 19 ). Sie müssen sicherstellen, dass jede Person, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag hat oder hatte und der durch einen behaupteten Verstoß ein Schaden entstanden ist bzw. zu entstehen droht, umfassenden Zugang zu Nachprüfungen hat ( 20 ). |
30. |
Allerdings legen diese Richtlinien nur die Mindestvoraussetzungen fest, denen die nach nationalem Recht bestehenden Nachprüfungsverfahren entsprechen müssen, um die Beachtung der unionsrechtlichen Bestimmungen im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu gewährleisten ( 21 ). In Ermangelung einer spezifischen Vorschrift in diesem Bereich ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, die Bedingungen der Verwaltungsverfahren und gerichtlichen Verfahren für Klagen zu regeln, die den Schutz der Rechte gewährleisten sollen, die Einzelpersonen aus den Rechtsvorschriften der Union im Bereich des öffentlichen Auftragswesens erwachsen. Diese Bedingungen dürfen nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die für entsprechende Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Äquivalenzgrundsatz), und die Ausübung dieser Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) ( 22 ). Das letztere Erfordernis ist von wesentlicher Bedeutung für die Verwirklichung des Hauptziels des Unionsrechts im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, die Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für einen unverfälschten Wettbewerb in allen Mitgliedstaaten ( 23 ). |
31. |
Wie die Kommission anführt, enthalten weder die Richtlinie 89/665 noch die Richtlinie 92/13 Regelungen zu finanziellen Voraussetzungen, die Wirtschaftsteilnehmer möglicherweise erfüllen müssen, um Zugang zu Nachprüfungsverfahren gegen Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber zu erhalten. Nationale Bestimmungen der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art fallen daher vorbehaltlich der Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten. Im Licht dieser Grundsätze werde ich die Vorlagefragen prüfen ( 24 ). |
32. |
Jede dieser Richtlinien konkretisiert gleichwohl im besonderen Bereich des öffentlichen Auftragswesens den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf ( 25 ). Dies wirft zwei miteinander eng verbundene Fragen zur Tragweite des Grundsatzes der Effektivität auf. |
33. |
Erstens: Kann dieser Grundsatz auf eine Kontrolle dahin beschränkt sein, ob ein nationales Verfahrenserfordernis der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art die Ausübung des Rechts auf Zugang zu Nachprüfungsverfahren nach Art. 1 der Richtlinie 89/665 bzw. Art. 1 der Richtlinie 92/13 praktisch unmöglich macht oder übermäßig erschwert? Oder reicht er weiter und verlangt er die Aufhebung jeder nationalen Regelung, die diese Bestimmungen beeinträchtigt? |
34. |
Der Gerichtshof hat mehrfach geprüft, ob nationale Verfahrensvorschriften für Verfahren zum Schutz der Rechte, die das Unionsrecht den durch Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber geschädigten Bewerbern und Bietern einräumt, die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 beeinträchtigen ( 26 ). Es gibt in der Rechtsprechung jedoch keinen einheitlichen Ansatz dazu, in welchem Verhältnis dieses Kriterium der praktischen Wirksamkeit zur Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten und zu dem sie begrenzenden Grundsatz der Effektivität steht ( 27 ). In einigen Fällen konzentrierte sich die Prüfung allein auf die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665, ohne dass auf die Verfahrensautonomie und ihre Grenzen eingegangen wurde ( 28 ). Andere Fälle legen nahe, dass in Ermangelung besonderer Vorschriften der Richtlinie 89/665 für den betreffenden Bereich das Kriterium der praktischen Wirksamkeit das Kriterium der Verfahrensautonomie ergänzt ( 29 ). Gelegentlich geht aus der verwendeten Formulierung hervor, dass das Kriterium der praktischen Wirksamkeit Bestandteil des Kriteriums der Verfahrensautonomie ist (und ihm einen besonderen Inhalt gibt) ( 30 ). |
35. |
Worauf es letztlich ankommt, ist meines Erachtens, dass die Rechte, die das Unionsrecht dem Einzelnen gewährt, stärker und nicht weniger stark geschützt werden müssen. Art. 1 der Richtlinie 89/665 und Art. 1 der Richtlinie 92/13 konkretisieren das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf. Die Prüfung des Grundsatzes der Effektivität kann sich daher nicht darauf beschränken, ob ein Verfahrenserfordernis der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art geeignet ist, die Ausübung dieses Rechts praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren. In diesem konkreten Zusammenhang muss das Kriterium der praktischen Wirksamkeit sicherlich vielmehr mit der Prüfung verbunden sein, ob dieses Erfordernis geeignet ist, das Recht auf Zugang zu wirksamen Nachprüfungsverfahren zu beeinträchtigen, das diese Bestimmungen garantieren. |
36. |
Zweitens: Wie wirkt sich das Grundrecht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta auf den Grundsatz der Effektivität als Begrenzung der Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten aus? |
37. |
Verfahrensvorschriften der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art fallen eindeutig in den Regelungsbereich von Art. 1 der Richtlinie 89/665 und Art. 1 der Richtlinie 92/13. Sie fallen auch in den Schutzbereich des Grundrechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf, das durch diese Bestimmungen konkretisiert wird ( 31 ). Art. 47 der Charta findet folglich in den Ausgangsverfahren Anwendung ( 32 ). Die Stellung der Wohlverhaltenssicherheit ist eine Voraussetzung dafür, eine Beschwerde prüfen lassen zu können ( 33 ). Dieses Erfordernis stellt daher eine Einschränkung des Rechts, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, im Sinne von Art. 47 dar ( 34 ). Eine solche Einschränkung kann somit nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie gesetzlich vorgesehen ist, den Wesensgehalt dieses Rechts achtet und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entspricht ( 35 ). Diese Prüfung ähnelt derjenigen, die der EGMR anwendet, wenn er untersucht, ob finanzielle Beschränkungen des Zugangs zu den Gerichten mit Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar sind ( 36 ). |
38. |
Wiederum ergeben sich hierzu aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs keine eindeutigen Hinweise ( 37 ). Meines Erachtens ist in Fällen wie dem vorliegenden die Prüfung nach Art. 52 Abs. 1 der Charta erforderlich, um dem Schutzniveau zu entsprechen, das Art. 47 der Charta dem Einzelnen gewährt. Ein anderer methodischer Ansatz hätte die überraschende (und meines Erachtens unvertretbare) Folge, dass die Mitgliedstaaten diesen Kriterien einfach dadurch entgehen könnten, dass sie in einem Bereich innerhalb ihrer Verfahrensautonomie handeln würden, in dem der Unionsgesetzgeber das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf konkretisierend ausgestaltet hat. |
39. |
Im Folgenden werde ich somit prüfen, ob nationale Regelungen der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art, die unter die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten fallen, mit den Grundsätzen der Äquivalenz und der Effektivität vereinbar sind. Da für diese Regelungen die jeweiligen Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 bzw. der Richtlinie 92/13 gelten und diese Bestimmungen im besonderen Bereich des öffentlichen Auftragswesens Ausdruck des durch Art. 47 der Charta garantierten Grundrechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf sind, gehe ich bei dieser Prüfung indessen davon aus, dass im Rahmen des Grundsatzes der Effektivität zu untersuchen ist, ob die vorgenannten nationalen Regelungen, die dieses Recht einschränken, der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 52 Abs. 1 der Charta standhalten. Ist dies zu verneinen, beeinträchtigen sie die praktische Wirksamkeit von Art. 1 Abs. 1 und 3 der jeweiligen Richtlinie. |
Ursprüngliche Regelung
40. |
Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 89/665 und Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 92/13 konkretisieren den Grundsatz der Äquivalenz. Dieser Grundsatz setzt voraus, dass die nationale Regelung in gleicher Weise für Rechtsbehelfe gilt, die auf die Verletzung von Unionsrecht gestützt sind, wie für solche, die auf die Verletzung innerstaatlichen Rechts gestützt sind, sofern diese Rechtsbehelfe einen ähnlichen Gegenstand und Rechtsgrund haben ( 38 ). |
41. |
Ich stimme mit Star Storage nicht überein, soweit sie der Ansicht ist, dass nationale Regelungen der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art mit diesem Grundsatz unvereinbar seien. Sie führen zwar zu einer spezifischen finanziellen Belastung für die Einleitung von Nachprüfungsverfahren im Bereich des öffentlichen Auftragswesens, der Grundsatz der Äquivalenz verlangt jedoch nicht die Äquivalenz nationaler Verfahrensvorschriften, die für Rechtsstreitigkeiten unterschiedlicher Art (wie zivilrechtliche auf der einen Seite und verwaltungsrechtliche auf der anderen Seite) oder Streitigkeiten mit Bezug zu zwei unterschiedlichen Rechtsgebieten gelten ( 39 ). In der mündlichen Verhandlung hat die rumänische Regierung ferner bestätigt, dass die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmungen für alle Nachprüfungsverfahren gegen Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber unabhängig davon gelten, ob für das Vergabeverfahren die Vergabevorschriften des Unionsrechts gelten. |
42. |
Wie verhält es sich mit dem Grundsatz der Effektivität und der Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 52 Abs. 1 der Charta? |
43. |
Die sich aus Art. 2711 und Art. 2712 der OUG Nr. 34/2006 ergebenden Einschränkungen sind unstreitig gesetzlich vorgesehen. |
44. |
Die zweite Voraussetzung im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist, dass die Maßnahme einem legitimen Zweck (d. h. einer von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung oder dem Erfordernis des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer) dienen muss. Die Wohlverhaltenssicherheit ist unstreitig eine Einnahmequelle für den öffentlichen Auftraggeber, soweit dieser sie einbehält. Diese Sicherheit dient daher nicht der Finanzierung des Gerichtssystems ( 40 ). Die nationalen Bestimmungen, die der Wohlverhaltenssicherheit zugrunde liegen, dienen vielmehr im Wesentlichen dem Schutz der öffentlichen Auftraggeber, des CNSC und der Gerichte vor missbräuchlichen Beschwerden, die Wirtschaftsteilnehmer (einschließlich solcher, die keine Bieter sind) zu anderen als denjenigen Zwecken erheben könnten, zu denen die Nachprüfungsverfahren eingeführt wurden ( 41 ). Dabei handelt es sich unbestreitbar um einen legitimen Zweck ( 42 ). Die Abwehr missbräuchlicher Beschwerden ermöglicht den mit der Nachprüfung der Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber befassten Stellen insbesondere, sich auf „echte“ Beschwerden zu konzentrieren. Dies dürfte zur Erfüllung der Verpflichtung der Mitgliedstaaten beitragen, zu gewährleisten, dass Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber wirksam und vor allem möglichst rasch nachgeprüft werden können, wenn geltend gemacht wird, dass solche Entscheidungen gegen das Vergaberecht der Union oder nationale Regelungen zu seiner Umsetzung verstoßen ( 43 ). |
45. |
Die nächste Frage ist, ob nationale Bestimmungen der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art geeignet sind, dieses Ziel zu erreichen. |
46. |
Wie die vorliegenden Verfahren verdeutlichen ( 44 ), können sich aus diesen Bestimmungen erhebliche Kosten für einen Wirtschaftsteilnehmer ergeben, der mit seiner Beschwerde unterliegt oder sie zurücknimmt ( 45 ). Diese Kosten können bei öffentlichen Beschaffungs- und Dienstleistungsaufträgen eine 25000 Euro entsprechende Höhe und bei öffentlichen Bauaufträgen eine 100000 Euro entsprechende Höhe, nebst den mit der Bestellung der Sicherheit verbundenen Kosten, erreichen ( 46 ). In der mündlichen Verhandlung hat die rumänische Regierung bestätigt, dass der Beschwerdeführer nach der ursprünglichen Regelung den gesamten Betrag der Wohlverhaltenssicherheit verlor, weil der öffentliche Auftraggeber zu dessen Einbehaltung verpflichtet war. Der CNSC oder das über die Beschwerde entscheidende Gericht sind nicht befugt, aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls dem öffentlichen Auftraggeber gegenüber anzuordnen, dass dieser lediglich einen Teilbetrag der Wohlverhaltenssicherheit einbehält. |
47. |
Kosten dieser Größenordnung sind meines Erachtens geeignet, die Erhebung missbräuchlicher Beschwerden abzuwehren, weil diese schon ihrer Natur nach voraussichtlich zurückgewiesen werden und daher automatisch zum Verlust der gesamten Wohlverhaltenssicherheit und der verbundenen Kosten führen ( 47 ). Der Umstand, dass, wie vom Gerichtshof im Urteil Orizzonte Salute angeführt ( 48 ), Unternehmen, die sich an einem öffentlichen Vergabeverfahren beteiligen möchten, für das die Vergabevorschriften des Unionsrechts gelten, eine entsprechende wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit haben müssen, stellt diese Schlussfolgerung nicht in Frage. Erstens gelten die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Bestimmungen für alle Wirtschaftsteilnehmer, die Beschwerde gegen Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber erheben, und somit nicht nur für Bieter. Weiterhin gilt die Voraussetzung, dass Bieter wirtschaftlich und finanziell leistungsfähig sein müssen, nicht absolut. Nach Art. 47 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 kann sich ein Wirtschaftsteilnehmer zum Nachweis dieser Leistungsfähigkeit ungeachtet des Charakters der zwischen ihm und diesen Unternehmen bestehenden Verbindungen auf die Kapazitäten anderer Unternehmen stützen ( 49 ). Daher kann eine Person nicht allein deshalb vom Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen werden, weil sie zur Ausführung des Auftrags Mittel einzusetzen beabsichtigt, die sie nicht selbst besitzt, sondern die einer oder mehreren anderen Einrichtungen gehören ( 50 ). Schließlich stand die Feststellung des Gerichtshofs zur wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit im Urteil Orizzonte Salute im Zusammenhang mit finanziellen Einschränkungen des Zugangs zu Nachprüfungsverfahren, die weit geringer waren als diejenigen, die in den vorliegenden Rechtssachen in Rede stehen ( 51 ). |
48. |
Der letzte Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist, dass die in Rede stehenden Maßnahmen nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung ihres Ziels erforderlich ist ( 52 ). Wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, müssen die Mitgliedstaaten die am wenigsten belastende wählen; die dadurch bedingten Nachteile müssen in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen ( 53 ). |
49. |
Nach der ursprünglichen Regelung verliert der Beschwerdeführer die Wohlverhaltenssicherheit automatisch, wenn seine Beschwerde zurückgewiesen wird oder er sie zurücknimmt. Dies gilt auch, wenn keine Anzeichen für einen Missbrauch des Nachprüfungsverfahrens vorliegen (z. B. dergestalt, dass die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist oder allein zum Zweck der Verzögerung des Vergabeverfahrens erhoben wurde). Aus ähnlichen Gründen, wie ich sie oben angeführt habe ( 54 ), führt die ursprüngliche Regelung somit zu einer erheblichen Behinderung des Zugangs zu Nachprüfungsverfahren gegen Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber für Personen, die (selbst wenn ihre Beschwerde letztlich erfolglos bleibt) „plausible Ansprüche“ ( 55 ) haben. Sie ist daher geeignet, einen erheblichen Teil potenzieller Rechtssuchender von der Erhebung einer Beschwerde abzuhalten, wenn sie nicht mit hinreichender Sicherheit damit rechnen können, dass sie Erfolg haben wird. Beispiele für solche Fälle könnten meines Erachtens etwa sein, dass es zu der streitigen Frage keine gefestigte Rechtsprechung gibt oder dass die Beschwerde sich gegen eine Bewertung eines öffentlichen Auftraggebers richtet, bei der dieser einen weiten Beurteilungsspielraum hat. |
50. |
Es dürfte meines Erachtens möglich gewesen sein, diese nachteilige Wirkung (und den erheblichen Eingriff in das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf) zu vermeiden, ohne den Zweck der Abwehr missbräuchlicher Beschwerden zu beeinträchtigen. Beispielsweise hätte dem CNSC oder dem zuständigen Gericht im Fall der Zurückweisung oder Rücknahme einer Beschwerde ein Entscheidungsspielraum dahin eingeräumt werden können, festzustellen, ob diese Beschwerde unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände ( 56 ) missbräuchlich war oder nicht, und ausgehend davon darüber zu befinden, ob eine (vollständige oder teilweise) Einbehaltung der Wohlverhaltenssicherheit gerechtfertigt ist. |
51. |
Ich stimme daher mit Star Storage, Max Boegl und der Kommission darin überein, dass die ursprüngliche Regelung zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung des nach Art. 47 der Charta geschützten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf führt und somit die praktische Wirksamkeit von Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 und von Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 92/13 beeinträchtigt. Diese Regelung berührt auch den Wesensgehalt dieses Rechts, da sie in der Praxis geeignet ist, Wirtschaftsteilnehmer, die ein Interesse an einem bestimmten Auftrag haben oder hatten, den Zugang zu einem Rechtsbehelf gegen mutmaßlich rechtswidrige Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber zu verwehren. |
52. |
Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 und Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 92/13 in Verbindung mit Art. 47 der Charta einer nationalen Regelung der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Art entgegenstehen, wonach ein Beschwerdeführer eine „Wohlverhaltenssicherheit“ bestellen muss, um Zugang zu einer Nachprüfung der Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers im Bereich des öffentlichen Auftragswesens zu erhalten, und wonach der öffentliche Auftraggeber diese Sicherheit im Fall der Zurückweisung oder Rücknahme der Beschwerde unabhängig davon einbehalten muss, ob die Beschwerde missbräuchlich ist oder nicht. |
Übergangsregelung
53. |
Ich komme nun zu der Übergangsregelung, die sich von der ursprünglichen Regelung dadurch unterscheidet, dass der Beschwerdeführer die Wohlverhaltenssicherheit unabhängig vom Ausgang der Beschwerde zurückerhält. |
54. |
Meine obigen Ausführungen zur Äquivalenz gelten hier gleichermaßen ( 57 ). |
55. |
Was die Effektivität angeht, ist eindeutig, dass ein Verfahrenserfordernis, wie es sich aus Art. 2711 Abs. 1 der OUG Nr. 34/2006 ergibt, für sich genommen das Recht auf Zugang zu Nachprüfungsverfahren gegen Entscheidungen öffentlicher Auftraggeber zwangsläufig einschränkt. Dieses Erfordernis ist eine Voraussetzung für die Überprüfung der Begründetheit einer Beschwerde ( 58 ). Auch wenn der Beschwerdeführer die Wohlverhaltenssicherheit am Ende des Verfahrens über seine Beschwerde zurückerhält, bringt ihre Bestellung für ihn ferner zwangsläufig eine finanzielle Belastung mit sich. So gibt Art. 2711 Abs. 3 Satz 1 der OUG Nr. 34/2006 zwei Wege an, auf denen die Wohlverhaltenssicherheit gestellt werden kann. Nimmt der Beschwerdeführer eine Banküberweisung vor, wird ein möglicherweise erheblicher Betrag für den gesamten Zeitraum vom Zeitpunkt der Erhebung der Beschwerde bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung des CNSC oder das Urteil des zuständigen Gerichts bestands‑ bzw. rechtskräftig wird, seiner Verfügung entzogen. Der Beschwerdeführer trägt somit die Opportunitätskosten, über diese Mittel nicht zu anderen Zwecken verfügen zu können. Wählt der Beschwerdeführer stattdessen ein von einer Bank oder Versicherungsgesellschaft angebotenes Sicherungsinstrument, muss er die mit diesem Instrument verbundenen Kosten tragen ( 59 ). |
56. |
Meines Erachtens ist ferner eindeutig, dass ein solches Verfahrenserfordernis öffentliche Auftraggeber vor missbräuchlichen Beschwerden nicht angemessen schützt. Nach der Übergangsregelung muss der öffentliche Auftraggeber dem Beschwerdeführer die Wohlverhaltenssicherheit innerhalb von fünf Tagen nach dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung des CNSC oder das Urteil bestands‑ bzw. rechtskräftig geworden ist, herausgeben, selbst wenn der Beschwerdeführer sein Recht auf Zugang zu Nachprüfungsverfahren offensichtlich missbraucht hat. Die mit der Übergangsregelung verbundenen Kosten können daher nicht bewirken, einen Wirtschaftsteilnehmer von der Erhebung einer Beschwerde abzuhalten, die einen anderen als diejenigen Zwecke verfolgt, zu denen die Nachprüfungsverfahren eingeführt wurden – z. B. die Schädigung eines Wettbewerbers. Sie können sich jedoch als Hindernis für einen Wirtschaftsteilnehmer erweisen, der einen plausiblen Anspruch, aber begrenzte Mittel hat. |
57. |
Schließlich nimmt die Übergangsregelung – ebenso wie die ursprüngliche Regelung – keine Unterscheidung zwischen plausiblen und missbräuchlich erhobenen Ansprüchen vor. Daher geht die mit ihr vorgenommene Einschränkung des Zugangs zu Nachprüfungsverfahren eindeutig über das hinaus, was erforderlich ist, um das Ziel der Abwehr missbräuchlicher Beschwerden zu erreichen. |
58. |
Ich komme daher zu dem Ergebnis, dass Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 89/665 und Art. 1 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 92/13 in Verbindung mit Art. 47 der Charta einer nationalen Regelung wie der Übergangsregelung entgegenstehen, wonach ein Beschwerdeführer eine „Wohlverhaltenssicherheit“ bestellen muss, um Zugang zu einer Nachprüfung der Entscheidungen eines öffentlichen Auftraggebers zu erhalten, und wonach dieser Beschwerdeführer die Sicherheit am Ende des Verfahrens über die Beschwerde unabhängig von dessen Ausgang automatisch zurückerhält. |
Ergebnis
59. |
Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die von der Curte de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest) und der Curte de Apel Oradea (Berufungsgericht Oradea) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:
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( 1 ) Originalsprache: Englisch.
( 2 ) Vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. 1989, L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 (ABl. 2007, L 335, S. 31) geänderten Fassung.
( 3 ) Des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. 2004, L 134, S. 114).
( 4 ) Vom 25. Februar 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften über die Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie im Telekommunikationssektor (ABl. 1992, L 76, S. 14).
( 5 ) Mit der Ausnahme, dass Art. 1 der Richtlinie 92/13 auf die Richtlinie 2004/17/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (ABl. 2004, L 134, S. 1) und nicht auf die Richtlinie 2004/18 verweist.
( 6 ) Diese Bestimmungen bezeichne ich im Folgenden als „ursprüngliche Regelung“.
( 7 ) Art. 55 Abs. 2 Buchst. a und b der OUG Nr. 34/2006 betrifft öffentliche Beschaffungs- und öffentliche Dienstleistungsaufträge.
( 8 ) Art. 55 Abs. 2 Buchst. c der OUG Nr. 34/2006 betrifft öffentliche Bauaufträge.
( 9 ) Bei den „verbleibenden Bestimmungen“ handelt es sich (nach meinem Verständnis) im Wesentlichen um Art. 2711 ohne das Erfordernis der Zahlbarkeit auf erstes Anfordern nach dessen Abs. 5 und um Art. 2712 Abs. 3 bis 5 der OUG Nr. 34/2006. Diese Bestimmungen bezeichne ich in diesen Schlussanträgen in Abgrenzung von der „ursprünglichen Regelung“ und der neuen Regelung, die der rumänische Gesetzgeber nach den Angaben der rumänischen Regierung in der mündlichen Verhandlung zu einem künftigen Zeitpunkt zu erlassen beabsichtigt, als „Übergangsregelung“.
( 10 ) Die Höhe der fälligen Sicherheit belief sich auf einen 25000 Euro entsprechenden Betrag in RON.
( 11 ) Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen geht hervor, dass die Höhe jeder im Verfahren vor dem nationalen Gericht erforderlichen Wohlverhaltenssicherheit sich auf einen 100000 Euro entsprechenden Betrag in RON belief.
( 12 ) Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665.
( 13 ) Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 2004/17.
( 14 ) Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 92/13.
( 15 ) Vgl. u. a. Urteil vom 17. Juli 2008, Corporación Dermoestética (C‑500/06, EU:C:2008:421, Rn. 20 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 16 ) Urteil vom 16. Dezember 2008, Michaniki (C‑213/07, EU:C:2008:731, Rn. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 17 ) Vgl. insbesondere Art. 2711 Abs. 1 und Art. 2712 Abs. 1 und 5 der OUG Nr. 34/2006.
( 18 ) Vgl. u. a. Urteile vom 28. Oktober 1999, Alcatel Austria u. a. (C‑81/98, EU:C:1999:534, Rn. 33), vom 19. Juni 2003, GAT (C‑315/01, EU:C:2003:360, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 28. Januar 2010, Uniplex (UK) (C‑406/08, EU:C:2010:45, Rn. 26).
( 19 ) Vgl. u. a. Urteile vom 19. Juni 2003, Hackermüller (C‑249/01, EU:C:2003:359, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 19. Juni 2003, GAT (C‑315/01, EU:C:2003:360, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 20 ) Urteil vom 26. November 2015, MedEval (C‑166/14, EU:C:2015:779, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 21 ) Urteil vom 30. September 2010, Strabag u. a. (C‑314/09, EU:C:2010:567, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil vom 24. September 1998, EvoBus Austria (C‑111/97, EU:C:1998:434, Rn. 16).
( 22 ) Vgl. u. a. Urteile vom 11. September 2003, Safalero (C‑13/01, EU:C:2003:447, Rn. 49), und vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute (C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 23 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Februar 2008, Varec (C‑450/06, EU:C:2008:91, Rn. 33 und 34).
( 24 ) Siehe Nrn. 40 bis 58 dieser Schlussanträge.
( 25 ) Vgl. in diesem Sinne den Beschluss vom 23. April 2015, Kommission/Vanbreda Risk & Benefits (C‑35/15 P[R], EU:C:2015:275, Rn. 28). Diese Auffassung lässt sich in ihren Ursprüngen auf das Urteil vom 15. Mai 1986, Johnston (222/84, EU:C:1986:206, Rn. 18 und 19), zurückverfolgen.
( 26 ) Vgl. u. a. Urteile vom 12. Dezember 2002, Universale-Bau u. a. (C‑470/99, EU:C:2002:746, Rn. 71 und 72), vom 28. Januar 2010, Uniplex (UK) (C‑406/08, EU:C:2010:45, Rn. 27), und vom 30. September 2010, Strabag u. a. (C‑314/09, EU:C:2010:567, Rn. 34).
( 27 ) Dieser Mangel an Einheitlichkeit macht den methodischen Ansatz, nach dem der Gerichtshof in einem konkreten Fall vorgeht, schwer vorhersehbar. Vgl. Prechal, S., Widdershoven, R., „Redefining the Relationship between ‚Rewe-effectiveness‘ and Effective Judicial Protection“, 4 Review of European Administrative Law, 2011, S. 39.
( 28 ) Vgl. z. B. Urteile vom 12. Dezember 2002, Universale-Bau u. a. (C‑470/99, EU:C:2002:746, Rn. 71), und vom 28. Januar 2010, Uniplex (UK) (C‑406/08, Rn. 26 bis 28).
( 29 ) Urteile vom 30. September 2010, Strabag u. a. (C‑314/09, EU:C:2010:567, Rn. 34), und vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute (C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 47, 50 und 72).
( 30 ) Urteil vom 12. März 2015, eVigilo (C‑538/13, EU:C:2015:166, Rn. 40 [siehe insbesondere die einleitende Formulierung „Insbesondere …“] und 41). Im Urteil vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 47 und 48), stellte der Gerichtshof fest, dass in den Erfordernissen in Bezug auf die Gleichwertigkeit und Effektivität die allgemeine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, den gerichtlichen Schutz der Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte zu gewährleisten, ihren Niederschlag finde. Diese Formel wurde im Beschluss vom 24. April 2009, Koukou (C‑519/08, EU:C:2009:269, Rn. 98), wiederholt. In ähnlicher Weise miteinander verschmolzen wurden der Grundsatz der Effektivität als Begrenzung der Verfahrensautonomie und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf nach Art. 47 der Charta vom Gerichtshof im Urteil vom 6. Oktober 2015, East Sussex County Council (C‑71/14, EU:C:2015:656, Rn. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 31 ) Vgl. u. a. Urteile vom 15. April 2008, Impact (C‑268/06, EU:C:2008:223, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 17. Juli 2014, Sánchez Morcillo und Abril García (C‑169/14, EU:C:2014:2099, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 32 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute (C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 49). Vgl. entsprechend auch Urteil vom 17. Dezember 2015, Tall (C‑239/14, EU:C:2015:824, Rn. 51). Soweit er für die Mitgliedstaaten gilt, spiegelt Art. 47 der Charta Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV wider und konkretisiert den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit in Art. 4 Abs. 3 EUV. Zum letzteren Punkt vgl. Urteil vom 13. März 2007, Unibet (C‑432/05, EU:C:2007:163, Rn. 37).
( 33 ) Art. 2711 Abs. 2 der OUG Nr. 34/2006.
( 34 ) Vgl. entsprechend Schlussanträge des Generalanwalts Jääskinen in der Rechtssache Orizzonte Salute (C‑61/14, EU:C:2015:307, Nr. 37). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (im Folgenden: EGMR) betrachtet Gerichtsgebühren oder Sicherheiten für Kosten grundsätzlich als Eingriff in das von Art. 6 Abs. 1 der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) geschützte Recht auf Zugang zu den Gerichten, wenn die Zahlung eine Voraussetzung für die Prüfung der Rechtssache ist. Vgl. u. a. Urteile des EGMR Tolstoy Miloslavski/Vereinigtes Königreich vom 13. Juli 1995, CE:ECHR:1992:0220DEC00181399, §§ 59 bis 67, vom 4. Mai 2006, Weissman u. a./Rumänien, CE:ECHR:2006:0524JUD006394500, §§ 32 bis 44, und vom 12. Juli 2007, Stankov/Bulgarien, CE:ECHR:2007:0712JUD006849001, § 53.
( 35 ) Vgl. u. a. Urteil vom 17. September 2014, Liivimaa Lihaveis (C‑562/12, EU:C:2014:2229, Rn. 72), und meine Schlussanträge in der Rechtssache Ordre des barreaux francophones et germanophone u. a. (C‑543/14, EU:C:2016:157, Nr. 80).
( 36 ) Der EGMR hat klargestellt, dass die Mitgliedstaaten zwar einen gewissen Gestaltungsspielraum haben, der es ihnen erlaubt, solche Beschränkungen einzuführen, doch dürfen diese Beschränkungen nicht den Zugang zu den Gerichten in einer solchen Weise beschränken oder verringern, dass der Wesensgehalt des Rechts beeinträchtigt wird, sie müssen ein legitimes Ziel verfolgen, und die eingesetzten Mittel müssen in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen. Vgl. in diesem Sinne Urteile des EGMR vom 13. Juli 1995, Tolstoy‑Miloslavsky/Vereinigtes Königreich, CE:ECHR:1992:0220DEC00181399, §§ 59 bis 67, und vom 19. Juni 2001, Kreuz/Polen, CE:ECHR:2001:0619JUD002824995, §§ 54 und 55 (angeführt im Urteil vom 22. Dezember 2010, DEB,C‑279/09, EU:C:2010:811, Rn. 47). Vgl. ferner Urteil des EGMR vom 14. Dezember 2006, Markovic u. a./Italien, CE:ECHR:2006:1214JUD000139803, § 99.
( 37 ) Im Urteil Orizzonte Salute stellte der Gerichtshof klar, dass Art. 1 der Richtlinie 89/665 notwendig im Licht von Art. 47 der Charta auszulegen ist. Er beschränkte seine Prüfung des Grundsatzes der Effektivität jedoch auf eine Kontrolle dahin, dass das in jener Rechtssache in Rede stehende Gerichtsgebührensystem die Ausübung der durch das Vergaberecht der Union verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren konnte (Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute,C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 49 und 72). Der Gerichtshof nahm keine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art. 52 Abs. 1 der Charta vor. In anderen Fällen hat der Gerichtshof dagegen zur Beurteilung von Einschränkungen des Rechts nach Art. 47 der Charta, bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen, die Verhältnismäßigkeitsprüfung angewendet. Vgl. u. a. Urteile vom 18. März 2010, Alassini u. a. (C‑317/08 bis C‑320/08, EU:C:2010:146, Rn. 61 bis 66), und vom 26. September 2013, Texdata Software (C‑418/11, EU:C:2013:588, Rn. 84 bis 88).
( 38 ) Vgl. jüngst Urteil vom 12. Februar 2015, Surgicare (C‑662/13, EU:C:2015:89, Rn. 30).
( 39 ) Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute (C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 40 ) Dies unterscheidet die Wohlverhaltenssicherheit von den Gerichtsgebühren, um die es im Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute (C‑61/14, EU:C:2015:655), ging.
( 41 ) Den Motiven zur OUG Nr. 51/2014 zufolge haben Beschwerden, die offensichtlich unbegründet sind oder lediglich der Verfahrensverzögerung dienen sollen, mehrere nachteilige Folgen. So können öffentliche Auftraggeber Außenfinanzierungen (einschließlich seitens der Union) wegen übermäßiger Verzögerungen der Vergabeverfahren verlieren und außerstande sein, wichtige Vorhaben von allgemeinem Interesse durchzuführen. Außerdem können missbräuchliche Beschwerden zu Überlastungen des Personals führen, das mit der Vertretung der öffentlichen Auftraggeber im Verfahren vor dem CNSC oder den Gerichten befasst ist, und ganz allgemein die Effizienz des CNSC beeinträchtigen.
( 42 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute (C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 73 und 74). Dies ist auch die Auffassung des EGMR. Vgl. u. a. Urteile des EGMR vom 12. Juli 2007, Stankov/Bulgarien, CE:ECHR:2007:0712JUD006849001, § 57, und vom 3. Juni 2014, Harrison McKee/Ungarn, CE:ECHR:2014:0603JUD002284007, § 27.
( 43 ) Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 89/665 bzw. der Richtlinie 92/13.
( 44 ) Siehe Fn. 10 und 11.
( 45 ) Es sei denn, der öffentliche Auftraggeber darf die Wohlverhaltenssicherheit nach Art. 2712 Abs. 3 nicht einbehalten.
( 46 ) Siehe unten, Nr. 55.
( 47 ) Dies gilt erst recht für Bieter, die zusätzlich eine Teilnahmesicherheit in Höhe von bis zu 2 % des geschätzten Auftragswerts bestellen müssen (Art. 431 der OUG Nr. 34/2006). Die rumänische Regierung hat in der mündlichen Verhandlung zwar geltend gemacht, dass die beiden Sicherheiten verschiedenen Zwecken dienten, doch bleibt es dabei, dass ein Bieter beide in einem einzigen Vergabeverfahren verlieren kann.
( 48 ) Urteil vom 6. Oktober 2015, Orizzonte Salute (C‑61/14, EU:C:2015:655, Rn. 64).
( 49 ) Vgl. auch Art. 63 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18 (ABl. 2014, L 94, S. 65).
( 50 ) Urteile vom 2. Dezember 1999, Holst Italia (C‑176/98, EU:C:1999:593, Rn. 26), vom 18. März 2004, Siemens und ARGE Telekom (C‑314/01, EU:C:2004:159, Rn. 43), und vom 10. Oktober 2013, Swm Costruzioni 2 und Mannocchi Luigino (C‑94/12, EU:C:2013:646, Rn. 32).
( 51 ) Die regelmäßigen Gerichtsgebühren, die in jener Rechtssache geprüft wurden, betrugen je nach Wert des öffentlichen Auftrags 2000 Euro, 4000 Euro oder 6000 Euro.
( 52 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 74).
( 53 ) Vgl. u. a. Urteil vom 29. April 2015, Léger (C‑528/13, EU:C:2015:288, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).
( 54 ) Nr. 46 dieser Schlussanträge.
( 55 ) Diesen Begriff entnehme ich der Rechtsprechung des EGMR, wonach Art. 13 EMRK eine wirksame Beschwerde bei „plausiblen Ansprüchen“ gewährleisten soll. Vgl. u. a. Urteil des EGMR vom 23. Juni 2011, Diallo/Tschechische Republik, CE:ECHR:2011:0623JUD002049307, § 56.
( 56 ) Zu diesen Umständen könnte gehören, ob die Rechtsprechung in einer bestimmten Rechtsfrage gefestigt ist, ob die Beschwerde lediglich eine frühere Beschwerde wiederholt oder ob sie sich auf eine eindeutig falsche Auslegung der angegriffenen Maßnahme oder auf offensichtlich falsche tatsächliche Voraussetzungen stützt.
( 57 ) Siehe oben, Nrn. 40 und 41.
( 58 ) Art. 2711 Abs. 2 der OUG Nr. 34/2006.
( 59 ) Unklar ist, ob dem Beschwerdeführer diese Kosten vom öffentlichen Auftraggeber erstattet werden, wenn der CNSC oder das Gericht der Beschwerde stattgibt. Selbst wenn dies der Fall ist, hätte der obsiegende Beschwerdeführer die Kosten gleichwohl zunächst tragen müssen, um Zugang zum Nachprüfungsverfahren zu erhalten. Somit wird das Erfordernis der Stellung einer Sicherheit gleichwohl noch ein Hindernis für den Zugang gewesen sein.