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Dokument 62013CJ0114

Urteil des Gerichtshofs (Erste Kammer) vom 12. Februar 2015.
Theodora Hendrika Bouman gegen Rijksdienst voor Pensioenen.
Vorabentscheidungsersuchen des Arbeidshof te Antwerpen.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Soziale Sicherheit – Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 – Alters- und Todesfallversicherung – Art. 46a Abs. 3 Buchst. c – Feststellung der Leistungen – Nationale Antikumulierungsvorschriften – Ausnahme – Begriff, freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherungʻ – Nationale Rente nach einem Pflichtversicherungssystem – Möglichkeit, während eines bestimmten Zeitraums eine Befreiung vom Anschluss zu beantragen – Tragweite der vom zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats ausgestellten Bescheinigung – Verordnung (EWG) Nr. 574/72 – Art. 47.
Rechtssache C-114/13.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2015:81

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Erste Kammer)

12. Februar 2015 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung — Soziale Sicherheit — Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 — Alters- und Todesfallversicherung — Art. 46a Abs. 3 Buchst. c — Feststellung der Leistungen — Nationale Antikumulierungsvorschriften — Ausnahme — Begriff ‚freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung‘ — Nationale Rente nach einem Pflichtversicherungssystem — Möglichkeit, während eines bestimmten Zeitraums eine Befreiung vom Anschluss zu beantragen — Tragweite der vom zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats ausgestellten Bescheinigung — Verordnung (EWG) Nr. 574/72 — Art. 47“

In der Rechtssache C‑114/13

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Arbeidshof te Antwerpen (Belgien) mit Entscheidung vom 4. März 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 11. März 2013, in dem Verfahren

Theodora Hendrika Bouman

gegen

Rijksdienst voor Pensioenen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richter A. Borg Barthet und E. Levits, der Richterin M. Berger (Berichterstatterin) und des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

von Frau Bouman, vertreten durch W. van Ophuizen, advocaat,

der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von T. Jansen, advocaat,

der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und V. Kreuschitz als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 4. März 2014

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. 1997, L 28, S. 1), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 (ABl. L 392, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71).

2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Frau Bouman und dem Rijksdienst voor Pensioenen (Staatliches Rentenamt, im Folgenden: Rijksdienst) wegen Überprüfung einer Entscheidung des Rijksdienst vom 10. Juli 1969, mit der Frau Bouman eine Hinterbliebenenrente gewährt worden war, im Jahr 2009 und wegen Rückzahlung zu Unrecht gezahlter Leistungen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Art. 15 („Freiwillige Versicherung und freiwillige Weiterversicherung“) der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:

„(1)   Artikel 13 bis 14d gelten nicht für die freiwillige Versicherung und die freiwillige Weiterversicherung, es sei denn, es gibt in einem Mitgliedstaat für einen der in Artikel 4 genannten Zweige nur ein System freiwilliger Versicherung.

(2)   Führt die Anwendung der Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten zu

einem Zusammentreffen einer Pflichtversicherung und einer freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung bei einem oder mehreren Systemen, so unterliegt der Versicherte ausschließlich der Pflichtversicherung;

einem Zusammentreffen der freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung bei zwei oder mehr Systemen, so kann der Versicherte nur der freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung angehören, für die er sich entschieden hat.

(3)   Der Versicherte kann in den Zweigen Invalidität, Alter und Tod (Renten) jedoch auch dann der freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung eines Mitgliedstaats angehören, wenn er nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats pflichtversichert ist, sofern ein solches Zusammentreffen im ersten Mitgliedstaat ausdrücklich oder stillschweigend zugelassen ist.“

4

Art. 46a („Allgemeine Vorschriften über die nach den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten auf Leistungen bei Invalidität, Alter oder Tod anzuwendenden Kürzungs-, Ruhens- oder Entziehungsbestimmungen“) sieht vor:

„(1)   Im Sinne dieses Kapitels bedeutet das Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art jedes Zusammentreffen von Leistungen bei Invalidität, Alter oder für Hinterbliebene, die auf der Grundlage der von ein und derselben Person zurückgelegten Versicherungs- und/oder Wohnzeiten berechnet oder gewährt wurden.

(2)   Im Sinne dieses Kapitels bedeutet das Zusammentreffen von Leistungen unterschiedlicher Art jedes Zusammentreffen von Leistungen, die im Sinne des Absatzes 1 nicht als Leistungen gleicher Art betrachtet werden können.

(3)   Für die Anwendung der Kürzungs-, Ruhens- und Entziehungsbestimmungen nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats bei Zusammentreffen einer Leistung bei Invalidität, Alter oder für Hinterbliebene mit einer Leistung gleicher Art oder einer Leistung unterschiedlicher Art oder mit sonstigen Einkünften gelten folgende Vorschriften:

a)

Die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats erworbenen Leistungen oder die in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünfte werden nur berücksichtigt, wenn die Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats die Berücksichtigung solcher im Ausland erworbenen Leistungen oder dort erzielter Einkünfte vorsehen.

b)

Der Betrag der von einem anderen Mitgliedstaat zu zahlenden Leistungen wird vor Abzug der Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und anderer individueller Abgaben oder Abzüge berücksichtigt.

c)

Der Betrag der nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats erworbenen Leistungen, die auf der Grundlage einer freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung gewährt werden, wird nicht berücksichtigt.

d)

Sind Kürzungs-, Ruhens- bzw. Entziehungsbestimmungen nach den Rechtsvorschriften eines einzigen Mitgliedstaats anwendbar, weil der Versicherte aufgrund der Rechtsvorschriften anderer Mitgliedstaaten geschuldete Leistungen gleicher oder unterschiedlicher Art oder andere im Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten erzielte Einkünfte bezieht, so kann die nach den Rechtsvorschriften des ersten Mitgliedstaats geschuldete Leistung nur um den Betrag der nach den Rechtsvorschriften der anderen Mitgliedstaaten geschuldeten Leistungen oder der im Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten erzielten Einkünfte gekürzt werden.“

5

Art. 47 der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 des Rates vom 21. März 1972 über die Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 (ABl. L 74, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 1248/92 des Rates vom 30. April 1992 (ABl. L 136, S. 7) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 574/72) lautet:

„Berechnung der geschuldeten Beträge, die den Zeiten freiwilliger Versicherung oder freiwilliger Weiterversicherung entsprechen

Der Träger eines jeden Mitgliedstaats berechnet nach den von ihm anzuwendenden Rechtsvorschriften den geschuldeten Betrag, der den Zeiten der freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung entspricht und nach Artikel 46a Absatz 3 Buchstabe c) der Verordnung nicht den Kürzungs-, Ruhens- oder Entziehungsbestimmungen eines anderen Mitgliedstaats unterliegt.“

Nationales Recht

Belgisches Recht

6

Art. 52 § 1 Satz 1 des Königlichen Erlasses vom 21. Dezember 1967 zur Einführung einer allgemeinen Regelung über die Ruhestands- und Hinterbliebenenpension für Lohnempfänger (Koninklijk besluit van 21 december 1967 tot vaststelling van het algemeen reglement betreffende het rust- en overlevingspensioen voor werknemers, Belgisch Staatsblad vom 16. Januar 1968, S. 441) sieht vor:

„Hat der hinterbliebene Ehegatte Anspruch auf eine Hinterbliebenenrente nach dem Rentensystem für Arbeitnehmer sowie auf eine oder mehrere Altersrenten oder eine an deren Stelle tretende sonstige Vergünstigung nach dem Rentensystem für Arbeitnehmer oder nach einem oder mehreren anderen Rentensystemen, so kann die Hinterbliebenenrente mit den genannten Altersrenten nur bis zu einer Summe entsprechend 110 % des Betrags der Hinterbliebenenrente kumuliert werden, die dem hinterbliebenen Ehegatten für eine vollständige Versicherungslaufbahn bewilligt worden wäre.“

Niederländisches Recht

7

Das Gesetz über die allgemeine Altersversorgung (Algemene Ouderdomswet, Stb. 1956, Nr. 281, im Folgenden: AOW) sieht eine Pflichtversicherung u. a. für alle niederländischen Staatsangehörigen mit Wohnsitz im Hoheitsgebiet des Königreichs der Niederlande, die das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, vor. Insoweit ist ein nicht einkommensbezogener Sozialversicherungsbeitrag zu zahlen. Von dieser allgemeinen Regel gibt es jedoch in einer begrenzten Zahl von Fällen Ausnahmen, und das Mitglied kann eine Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen.

8

So bestimmt Art. 22 der Verordnung vom 24. Dezember 1998 zur Erweiterung und Beschränkung des Kreises der Sozialversicherungspflichtigen (Besluit uitbreiding en beperking kring verzekerden volksverzekeringen, Stb. 1998, Nr. 746, im Folgenden: niederländische Verordnung):

„Sofern sie nicht in den Niederlanden arbeitet, wird eine Person mit Wohnsitz in den Niederlanden, die Anspruch auf eine Leistung nach einem ausländischen gesetzlichen oder außergesetzlichen System der sozialen Sicherheit oder nach dem System einer internationalen Organisation hat, von der Sozialversicherungskasse auf ihren Antrag hin von der Versicherung gemäß dem Gesetz über die allgemeine Altersversorgung (Algemene Ouderdomswet), dem Gesetz über die allgemeine Hinterbliebenenversorgung (Algemene nabestaandenwet) und dem Gesetz über das allgemeine Kindergeld (Algemene kinderbijslagwet) befreit, solange sie

a)

dauerhaft ausschließlich Anspruch auf eine im einleitenden Teil dieser Vorschrift genannte Leistung hat und der monatliche Betrag dieser Leistung mindestens 70 % des in Art. 8 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über den Mindestlohn und das Mindesturlaubsgeld (Wet minimumloon en minimumvakantiebijslag) genannten Betrags entspricht;

b)

zusätzlich zu der Leistung nach Buchst. a Anspruch auf eine Leistung der niederländischen Sozialversicherung hat und der monatliche Betrag dieser Leistung und der gesetzlichen oder außergesetzlichen ausländischen Leistung oder der Leistung der internationalen Organisation insgesamt mindestens 70 % des in Art. 8 Abs. 1 Buchst. a des Gesetzes über den Mindestlohn und das Mindesturlaubsgeld genannten Betrags entspricht und die ausländische Leistung oder die Leistung der internationalen Organisation die niederländische Leistung überschreitet oder ihr entspricht.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9

Frau Bouman, geboren am 2. Juni 1942, ist eine niederländische Staatsangehörige, die bis zum 23. Juni 1957 in den Niederlanden und danach bis zum 3. Februar 1974 in Belgien wohnte.

10

Da sie mit einem belgischen Staatsangehörigen verheiratet war, der am 3. August 1968 verstarb, erhält sie seit dem 1. September 1969 eine belgische Hinterbliebenenrente, die ihr aufgrund einer Entscheidung des Rijksdienst vom 10. Juli 1969 gewährt wird.

11

Seither hatte Frau Bouman kein eigenes Einkommen aus Erwerbstätigkeit.

12

Nach ihrer Rückkehr in die Niederlande zahlte Frau Bouman Beiträge zum Aufbau einer niederländischen Altersrente nach der AOW (im Folgenden: AOW-Rente).

13

Für die letzten vier Jahre vor Erreichen des Rentenalters, also ab dem 1. August 2003, beantragte und erhielt Frau Bouman gemäß Art. 22 der niederländischen Verordnung eine Befreiung von der Beitragspflicht nach der AOW. Daher stellte sie die Zahlung von Beiträgen zum niederländischen Sozialversicherungssystem ein, was zur Folge hatte, dass sie keine vollständige AOW-Rente aufgebaut hat.

14

Seit dem 1. Juni 2007, dem Tag des Erreichens des Rentenalters, bezieht sie eine unvollständige AOW-Rente.

15

Mit Bescheid vom 4. Februar 2009 teilte der Rijksdienst Frau Bouman mit, dass er beschlossen habe, diese AOW-Rente mit Wirkung vom 1. Juni 2007 von ihrer belgischen Hinterbliebenenrente abzuziehen und die rechtsgrundlos gezahlten Rentenbeträge in Höhe von 2271,81 Euro zurückzufordern.

16

Frau Bouman erhob am 4. Mai 2009 gegen diesen Bescheid Klage vor der Arbeidsrechtbank te Antwerpen.

17

Die Sociale Verzekeringsbank (Sozialversicherungskasse, im Folgenden: SVB) wurde als zuständige Behörde um Feststellung ersucht, ob die von Frau Bouman bezogene Leistung auf der Grundlage einer freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung gewährt werde.

18

Die SVB teilte mit Schreiben vom 31. Juli 2009 und vom 15. Juni 2010 mit, dass die Versicherung nach der AOW grundsätzlich eine Pflichtversicherung sei und es sich nur in zwei Fällen um eine freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung handele. Dies sei erstens der Fall, wenn innerhalb eines Jahres nach Beginn der ersten Pflichtversicherung beantragt werde, vergangene Zeiten der Nichtversicherung zu regularisieren, und zweitens dann, wenn innerhalb eines Jahres nach Ablauf der Pflichtversicherung beantragt werde, die Versicherung freiwillig fortzusetzen. In beiden Fällen sei ein an die SVB gerichteter Antrag unerlässlich, und es unterliege, so die SVB, keinerlei Zweifel, dass Frau Bouman niemals von dieser Möglichkeit der freiwilligen Versicherung oder der freiwilligen Weiterversicherung Gebrauch gemacht habe.

19

Die SVB schließt daraus, dass die AOW-Rente von Frau Bouman nicht auf Zeiten der freiwilligen Versicherung beruhe, sondern vollständig in Zeiten der Pflichtversicherung erworben worden sei.

20

Gegen das klageabweisende Urteil der Arbeidsrechtbank te Antwerpen vom 6. Mai 2010 legte Frau Bouman beim Arbeidshof te Antwerpen Rechtsmittel ein.

21

Dieses Gericht vertritt unter Hinweis auf das Urteil Knoch (C‑102/91, EU:C:1992:303, Rn. 53) die Auffassung, dass es die Bescheinigung der SVB zu überprüfen habe. Es hat Zweifel an der Vereinbarkeit der Auffassung der SVB mit Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 und hält sich für zuständig, über diese Frage im Rahmen des Ausgangsrechtsstreits zu entscheiden.

22

Unter diesen Umständen hat der Arbeidshof te Antwerpen das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist der Teil der einem niederländischen Gebietsansässigen gezahlten AOW-Leistung, der auf einer Versicherungszeit beruht, in der dieser niederländische Gebietsansässige auf einfachen Antrag hin von einem Anschluss an das niederländische System und damit von der Zahlung von Beiträgen zu diesem System absehen kann und dies während eines begrenzten Zeitraums auch tatsächlich getan hat, als auf der Grundlage einer freiwilligen Weiterversicherung gewährte Leistung im Sinne von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 zu betrachten, so dass er bei der Anwendung der Antikumulierungsvorschrift des Art. 52 § 1 Satz 1 des Königlichen Erlasses vom 21. Dezember 1967 zur Einführung einer allgemeinen Regelung über die Alters- und Hinterbliebenenrente für Arbeitnehmer nicht berücksichtigt werden kann?

Zur Vorlagefrage

Vorbemerkungen

23

Im vorliegenden Fall wird die Auslegung des Unionsrechts von einem Gericht eines Mitgliedstaats erbeten, das Zweifel hegt, ob die in einem Dokument der SVB zum Ausdruck gebrachte Auffassung, dass die AOW-Rente von Frau Bouman nicht auf Zeiten der freiwilligen Versicherung beruhe, sondern vollständig in Zeiten der Pflichtversicherung erworben worden sei, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

24

Was die Frage betrifft, ob die Träger eines anderen Mitgliedstaats an eine solche gemäß Art. 47 der Verordnung Nr. 574/72 erstellte Bescheinigung gebunden sind, ist auf die Entscheidung des Gerichtshofs hinzuweisen, dass eine vom zuständigen Träger eines Mitgliedstaats ausgestellte Bescheinigung über die Versicherungs- oder Beschäftigungszeiten, die eine Person nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zurückgelegt hat, weder für den zuständigen Träger eines anderen Mitgliedstaats noch für die Gerichte dieses Staates einen unwiderlegbaren Beweis darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteile Knoch, EU:C:1992:303, Rn. 54, sowie Adanez-Vega, C‑372/02, EU:C:2004:705, Rn. 36 und 48).

25

Da die belgischen Behörden die nach den niederländischen Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungszeiten berücksichtigen mussten, um den Umfang der sich aus der Anwendung der belgischen Antikumulierungsvorschriften ergebenden Ansprüche von Frau Bouman festzustellen, darf nach dieser Rechtsprechung das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren prüfen, ob der Inhalt der von der SVB ausgestellten Bescheinigung mit dem Unionsrecht, u. a. den einschlägigen Vorschriften der Verordnung Nr. 1408/71, vereinbar ist.

26

Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Gerichtshof entschieden hat, dass eine nach Titel III („Durchführung der Vorschriften der Verordnung zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften“) der Verordnung Nr. 574/72 ausgestellte Bescheinigung, nämlich die Bescheinigung E 101, solange sie nicht von den Behörden des Ausstellungsstaats zurückgezogen oder für ungültig erklärt wird, die Sozialversicherungsträger und die Gerichte des Mitgliedstaats, in den die betreffenden Arbeitnehmer entsandt wurden, insoweit bindet, als sie den Anschluss dieser Arbeitnehmer an das Sozialversicherungssystem des Mitgliedstaats bescheinigt, in dem ihr Unternehmen seinen Sitz hat (vgl. in diesem Sinne Urteile FTS, C‑202/97, EU:C:2000:75, Rn. 55, und Herbosch Kiere, C‑2/05, EU:C:2006:69, Rn. 26 und 31).

27

Auch wenn die Beschränkung der gerichtlichen Kontrolle der Gültigkeit eines solchen Verwaltungsdokuments in Bezug auf die Bescheinigung der Tatsachen, auf deren Grundlage es ausgestellt wurde (vgl. Urteil Herbosch Kiere, EU:C:2006:69, Rn. 32), aus Gründen der Rechtssicherheit gerechtfertigt ist, kann für eine Bescheinigung, wie sie die SVB im Ausgangsverfahren ausgestellt hat, nicht automatisch das Gleiche gelten. Wenn nämlich die Behörden des betreffenden Mitgliedstaats die Ansprüche eines Betroffenen gemäß den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zu bestimmen haben, müssen sie auch die Möglichkeit haben, alle relevanten Gesichtspunkte zu prüfen, die sich aus den Dokumenten ergeben, die von der die Bescheinigung erteilenden Behörde des Herkunftsmitgliedstaats erstellt wurden.

28

In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht dem Gerichtshof eine Frage wie die im Ausgangsverfahren gestellte vorlegen kann, die auf die Überprüfung der Vereinbarkeit einer Bescheinigung mit dem Unionsrecht gerichtet ist, die von einer Behörde eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen der Anwendung der nationalen Antikumulierungsvorschriften ausgestellt wurde.

Zur Vorlagefrage

29

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass er den Teil der Leistung umfasst, der auf einer Versicherungszeit beruht, während deren der Betroffene Anspruch auf Befreiung vom Anschluss an das Pflichtversicherungssystem hatte, wenn sich dieser Anschluss während des fraglichen Zeitraums auf den Umfang der Leistung der sozialen Sicherheit auswirkt.

30

Es ist zu beachten, dass der Begriff „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ weder in Art. 46a Abs. 3 Buchst c der Verordnung Nr. 1408/71 noch in anderen Bestimmungen dieser Verordnung näher bestimmt wird.

31

Nach ständiger Rechtsprechung sind daher die Bedeutung und die Tragweite dieses Begriffs unter Berücksichtigung sowohl des Wortlauts als auch des Kontexts der maßgeblichen unionsrechtlichen Bestimmung (vgl. in diesem Sinne Urteile BLV Wohn- und Gewerbebau, C‑395/11, EU:C:2012:799, Rn. 25, und Lundberg, C‑317/12, EU:C:2013:631, Rn. 18) sowie der Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. insbesondere Urteil Lundberg, EU:C:2013:631, Rn. 19), und im vorliegenden Fall der Entstehungsgeschichte dieser Regelung (vgl. entsprechend Urteil Pringle, C‑370/12, EU:C:2012:756, Rn. 135) zu bestimmen.

32

Zum Wortlaut von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 hat der Gerichtshof bereits festgestellt, dass ein Vergleich der verschiedenen Sprachfassungen des Begriffs „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ zwar Divergenzen zwischen den Texten aufzeigt, die verschiedenen Versionen jedoch in jedem Fall die Absicht erkennen lassen, alle Versicherungsarten zu erfassen, die ein Element der Freiwilligkeit aufweisen (Urteil Liégeois, 93/76, EU:C:1977:50, Rn. 12 bis 14).

33

Was den Kontext von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Verordnung nach ständiger Rechtsprechung ein System zur Koordinierung der nationalen Systeme der sozialen Sicherheit vorsieht und in ihrem Titel II Regeln zur Bestimmung der anzuwendenden Rechtsvorschriften enthält. Diese Regeln sollen nicht nur verhindern, dass die Betroffenen in Ermangelung einer auf sie anwendbaren Rechtsordnung in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht schutzlos bleiben, sondern auch bezwecken, dass die Betroffenen dem System der sozialen Sicherheit nur eines Mitgliedstaats unterliegen, um die Kumulierung anwendbarer nationaler Rechtsvorschriften und die Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben können, zu vermeiden (vgl. Urteil I, C‑255/13, EU:C:2014:1291, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Nach Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1408/71 gilt dieses System der Koordinierung jedoch nicht im Bereich der freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung, es sei denn, es gibt in einem Mitgliedstaat für den betreffenden Zweig nur ein System freiwilliger Versicherung.

35

Ferner steht fest, dass die allgemeinen Bestimmungen, die in Titel II der Verordnung Nr. 1408/71 enthalten sind, nur insoweit gelten, als die besonderen Vorschriften für die einzelnen Leistungsarten, die Titel III dieser Verordnung bilden, nicht etwas anderes bestimmen (vgl. insbesondere Urteil Aubin, 227/81, EU:C:1982:209, Rn. 11).

36

Dies ist jedoch im Ausgangsverfahren der Fall, da die Rentenempfänger einer in Titel III Kapitel 3 („Alter und Tod [Renten]“) der Verordnung Nr. 1408/71, zu dem Art. 46a gehört, vorgesehenen Sonderregelung unterliegen. Damit nimmt Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 die freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung für den Fall von der Anwendung der Antikumulierungsvorschriften aus, dass diese in den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehen sind.

37

Wie der Generalanwalt in Nr. 42 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ermöglichen diese Bestimmungen demjenigen, der innerhalb der Europäischen Union zu- oder abgewandert ist und sich für die Beitragsleistung zu einer freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung entschieden hat, um sich eine Altersrente in einem anderen Mitgliedstaat aufzubauen, die Wahrung der daraus folgenden Ansprüche. Diese Möglichkeit zeigt sich demnach in zwei verschiedenen, aber einander ergänzenden Maßnahmen. Mit anderen Worten hat der Unionsgesetzgeber in diesem Zusammenhang zum einen den Grundsatz gelockert, dass in einer bestimmten Situation die Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats anwendbar sein sollen, und es zum anderen ermöglicht, dass Leistungen, die jemand in einem Mitgliedstaat auf der Grundlage einer freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung erhält, nicht den Antikumulierungsvorschriften unterworfen sind, die die von ihm in einem anderen Mitgliedstaat bezogene Leistung mindern.

38

Diese Feststellung wird durch das Ziel der Verordnung Nr. 1408/71 bestätigt, das nach deren Erwägungsgründen 2 und 4 darin besteht, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Selbständigen in der Union zu gewährleisten und dabei die Eigenheiten der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über die soziale Sicherheit zu berücksichtigen. Wie sich aus den Erwägungsgründen 5, 6 und 10 ergibt, stellt die Verordnung zu diesem Zweck den Grundsatz der Gleichbehandlung der Arbeitnehmer und Selbständigen nach den verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften auf und zielt darauf ab, die Gleichbehandlung aller im Gebiet eines Mitgliedstaats erwerbstätigen Arbeitnehmer und Selbständigen bestmöglich zu gewährleisten und Nachteile für diejenigen unter ihnen, die ihr Recht auf Freizügigkeit wahrnehmen, abzuwenden (Urteil Tomaszewska, C‑440/09, EU:C:2011:114, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39

Daher sind die Bestimmungen der Verordnung Nr. 1408/71 im Licht von Art. 48 AEUV auszulegen, der die Freizügigkeit der Arbeitnehmer erleichtern soll und u. a. impliziert, dass Wanderarbeitnehmer nicht deshalb Ansprüche auf Leistungen der sozialen Sicherheit verlieren oder geringere Leistungen erhalten dürfen, weil sie das ihnen durch den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verliehene Recht auf Freizügigkeit ausgeübt haben (vgl. u. a. Urteile Bosmann, C‑352/06, EU:C:2008:290, Rn. 29, sowie Hudzinski und Wawrzyniak, C‑611/10 und C‑612/10, EU:C:2012:339, Rn. 46).

40

Ebenso wird im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1408/71 ausgeführt, dass die in der Verordnung enthaltenen Vorschriften zur Koordinierung der innerstaatlichen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zur Freizügigkeit von Personen gehören und zur Verbesserung ihres Lebensstandards beitragen sollen (Urteile Bosmann, EU:C:2008:290, Rn. 30, sowie Hudzinski und Wawrzyniak, EU:C:2012:339, Rn. 47).

41

Wie der Generalanwalt in Nr. 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist Art. 46a Abs. 3 Buchst. c dieser Verordnung daher in einer Weise auszulegen, die verhindert, dass einem Arbeitnehmer durch die Anwendung der nationalen Antikumulierungsvorschriften der Genuss von Versicherungszeiten vorenthalten wird, die er nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats freiwillig zurückgelegt hat.

42

Angesichts des Wortlauts und des Zusammenhangs von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 sowie des mit ihm verfolgten Ziels ist der Begriff „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ daher weit auszulegen, um dem Betroffenen nicht den Genuss der Zeit einer freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung vorzuenthalten, die er nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt hat.

43

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 43 seiner Schlussanträge dargelegt hat, auch die Entstehungsgeschichte von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 für eine weite Auslegung des Begriffs „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ spricht.

44

Art. 46 Abs. 2 der Verordnung Nr. 574/72 („Berechnung der Leistungen bei Überschneidung von Zeiten“) sah für die Anwendung der nationalen Antikumulierungsvorschriften im Rahmen von Art. 46 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71 vor, dass die Leistungen aus Zeiten der freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung nicht berücksichtigt werden.

45

Im Urteil Schaap (176/78, EU:C:1979:112, Rn. 10 und 11) hat der Gerichtshof festgestellt, dass Art. 46 Abs. 2 der Verordnung Nr. 574/72, obwohl er unter der genannten Überschrift steht, auf alle unter Art. 46 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1408/71 fallenden Sachverhalte anzuwenden ist, so dass der zuständige Träger bei der Anwendung dieses Absatzes die Leistungen nicht berücksichtigen darf, die Zeiten freiwilliger Versicherung oder freiwilliger Weiterversicherung entsprechen.

46

Wie sich dem Änderungsvorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften zu Art. 46 Abs. 2 der Verordnung Nr. 574/72 (KOM[89] 370 endg., S. 23) entnehmen lässt, sollte durch die Beschränkung, die mit der Einfügung von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 angestrebt war, der Auslegung dieser Bestimmung durch den Gerichtshof Folge geleistet werden.

47

Im Übrigen wird eine weite Auslegung des Begriffs „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Art. 9 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1408/71 bestätigt. Ziel dieser Bestimmung ist es, den Zugang zur freiwilligen Versicherung oder zur freiwilligen Weiterversicherung zu erleichtern, indem sie die Mitgliedstaaten verpflichtet, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten, soweit erforderlich, wie Versicherungszeiten, die nach ihren Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden, zu berücksichtigen, wenn nach ihren Rechtsvorschriften die Zulassung zur freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung von der Zurücklegung von Versicherungszeiten abhängig ist.

48

Nach ständiger Rechtsprechung erfasst der in Rede stehende Begriff alle Versicherungsarten, die ein Element der Freiwilligkeit aufweisen, unabhängig davon, ob es sich um die Fortsetzung eines zuvor begründeten Versicherungsverhältnisses handelt oder nicht (Urteile Liégeois, EU:C:1977:50, Rn. 12 bis 14, und Hartmann Troiani, 368/87, EU:C:1989:206, Rn. 12).

49

Im Ausgangsverfahren beruht die AOW-Rente, wie sich aus den Akten ergibt, grundsätzlich auf einem Pflichtversicherungssystem, dem Frau Bouman automatisch seit ihrer Rückkehr in die Niederlande im Jahr 1974 angeschlossen war. Für die vier Jahre vor Erreichen des Renteneintrittsalters hat Frau Bouman jedoch eine Befreiung von der Mitgliedschaft nach Art. 22 der niederländischen Verordnung beantragt und erhalten.

50

Daher stellt sich die Frage, ob eine solche Versicherung unter den Begriff „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ im Sinne des weit ausgelegten Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 fällt.

51

Entgegen den Erklärungen der belgischen Regierung führt der bloße Umstand, dass der Anschluss von Frau Bouman an die niederländische allgemeine Versicherung automatisch – aber mit Befreiungsmöglichkeit auf Antrag der Betroffenen – erfolgte, nicht zwangsläufig dazu, dass dies nicht als freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung betrachtet werden kann.

52

Wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge festgestellt hat, kann sich insoweit der freiwillige Charakter einer Versicherung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden sowohl daraus ergeben, dass der Betroffene seinen Anschluss an das Versicherungssystem oder die Fortsetzung der Versicherung beantragen muss, als auch daraus, dass er eine Befreiung von der Mitgliedschaft beanspruchen kann. Diese beiden Fälle gründen auf einer Wahlmöglichkeit des Versicherten und belegen damit, dass der Anschluss, falls er aufrechterhalten wird, freiwillig bleibt.

53

Im Übrigen geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die von Frau Bouman in dem Zeitraum, in dem sie berechtigt war, gemäß Art. 22 der niederländischen Verordnung eine Befreiung von der Mitgliedschaft zu beantragen, gezahlten Beiträge ihr einen zusätzlichen sozialen Schutz sicherten, indem sie sich auch auf die Höhe ihrer AOW-Rente auswirkten.

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Daher ist festzustellen, dass der Teil der Leistung, der auf dem Zeitraum beruht, während dessen die Betroffene grundsätzlich berechtigt war, eine Befreiung von der Mitgliedschaft zu beantragen, von dieser Option aber keinen Gebrauch gemacht hat, unter den Begriff „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ im Sinne von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 fällt, wenn sich diese Fortsetzung der Mitgliedschaft während des fraglichen Zeitraums auf die Versicherungszeiten und somit auf die Höhe der späteren Altersrente der Betroffenen auswirkt.

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Dieses Ergebnis kann nicht durch das Vorbringen der belgischen Regierung in Frage gestellt werden. Danach soll der in Rede stehende Begriff nur Zeiten der Nichtmitgliedschaft abdecken, um Lücken beim Aufbau der Altersrente zu verkleinern oder zu schließen; die Freistellung von der Mitgliedschaft, die zur Befreiung von der Beitragspflicht führe, bewirke das Gegenteil, indem sie solche Lücken schaffe, so dass die freiwillige Fortsetzung einer Pflichtmitgliedschaft niemals mit einer Befreiung verbunden sein könne.

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Hierzu genügt die Feststellung, dass sich weder aus dem Wortlaut von Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 noch aus der Systematik dieser Verordnung ergibt, dass eine „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ im Sinne dieser Vorschrift ausschließlich der Schließung von Lücken beim Aufbau einer Rente dienen muss.

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Zudem steht das Ziel dieser Vorschrift, das darin besteht, dem Betroffenen nicht den Genuss aller Zeiten der freiwilligen Versicherung oder freiwilligen Weiterversicherung vorzuenthalten, die er nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegt hat, einer solchen einschränkenden Auslegung des Begriffs „freiwillige Versicherung oder freiwillige Weiterversicherung“ entgegen, die ausschließlich einem von mehreren Zielen Rechnung trägt, die mit den betreffenden nationalen Rechtsvorschriften verfolgt werden können.

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Daher ist festzustellen, dass dieser Begriff den Fall erfassen kann, dass der Betroffene die Option hat, den Anschluss an ein Pflichtversicherungssystem für bestimmte Zeiten fortzusetzen oder zu beenden, soweit diese Wahl sich auf den Umfang der späteren Leistung der sozialen Sicherheit auswirkt.

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Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass er den Teil der Leistung umfasst, der auf einer Versicherungszeit beruht, während deren der Betroffene Anspruch auf Befreiung vom Anschluss an das Pflichtversicherungssystem hatte, wenn sich dieser Anschluss während des fraglichen Zeitraums auf den Umfang der Leistung der sozialen Sicherheit auswirkt.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt:

 

Art. 46a Abs. 3 Buchst. c der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1992/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er den Teil der Leistung umfasst, der auf einer Versicherungszeit beruht, während deren der Betroffene Anspruch auf Befreiung vom Anschluss an das Pflichtversicherungssystem hatte, wenn sich dieser Anschluss während des fraglichen Zeitraums auf den Umfang der Leistung der sozialen Sicherheit auswirkt.

 

Unterschriften


( *1 )   Verfahrenssprache: Niederländisch.

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