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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62014CC0154

    Schlussanträge des Generalanwalts N. Wahl vom 3. September 2015.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2015:543

    SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    NILS WAHL

    vom 3. September 2015 ( 1 )

    Rechtssache C‑154/14 P

    SKW Stahl-Metallurgie GmbH,

    SKW Stahl-Metallurgie Holding AG

    gegen

    Europäische Kommission

    „Rechtsmittel — Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates — Art. 12 und 14 der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission — Verfahrensvorschriften für Untersuchungen von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln der Union — Anspruch auf rechtliches Gehör — Anhörung — Anhörung in camera vor der Kommission“

    1. 

    Zweifellos haben Unternehmen bei Untersuchungen von Verstößen gegen die Wettbewerbsregeln der Union einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Besteht jedoch ein Anspruch auf rechtliches Gehör privatim? Dies ist die Kernfrage, um die es im vorliegenden Rechtsmittelverfahren geht. Aus den nachstehenden Gründen ist diese Frage meiner Meinung nach zu verneinen.

    2. 

    Die Rechtsmittelführerinnen beantragen die Aufhebung eines Urteils des Gerichts ( 2 ), mit dem eine Entscheidung der Kommission ( 3 ) zur Verhängung einer Geldbuße von 13,3 Mio. Euro gegen sie wegen Beteiligung an einem Kartell im Calciumcarbid- und Magnesiumsektor bestätigt wurde. Die Rechtsmittelführerinnen machen im Wesentlichen geltend, das Gericht habe rechtsfehlerhaft nicht beanstandet, dass die Kommission den Antrag der Rechtsmittelführerinnen auf Anhörung in camera ( 4 ) im Verwaltungsverfahren abgelehnt habe.

    3. 

    Die übrigen von den Rechtsmittelführerinnen angeführten Rechtsmittelgründe werde ich summarisch prüfen und mich somit ganz bewusst auf den ersten Rechtsmittelgrund konzentrieren.

    I – Rechtlicher Rahmen

    4.

    Art. 27 („Anhörung der Parteien, der Beschwerdeführer und sonstiger Dritter“) der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 ( 5 ) bestimmt:

    „(1)   Vor einer Entscheidung gemäß den Artikeln 7, 8, 23 oder 24 Absatz 2 gibt die Kommission den Unternehmen und Unternehmensvereinigungen, gegen die sich das von ihr betriebene Verfahren richtet, Gelegenheit, sich zu den Beschwerdepunkten zu äußern, die sie in Betracht gezogen hat. Die Kommission stützt ihre Entscheidung nur auf die Beschwerdepunkte, zu denen sich die Parteien äußern konnten. …

    (2)   Die Verteidigungsrechte der Parteien müssen während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt werden. …“

    5.

    Nach Art. 33 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1/2003 hat die Kommission Durchführungsvorschriften über u. a. die praktische Durchführung der Anhörungen gemäß Art. 27 erlassen. Diese Vorschriften finden sich in der Verordnung (EG) Nr. 773/2004 ( 6 ). Art. 12 („Recht auf Anhörung“) der Verordnung Nr. 773/2004 bestimmt in seinem Abs. 1, dass die Kommission den Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, Gelegenheit gibt, ihre Argumente in einer Anhörung vorzutragen, wenn dies in ihren schriftlichen Ausführungen beantragt wird.

    6.

    In Art. 14 („Durchführung der Anhörung“) der Verordnung Nr. 773/2004 heißt es:

    „(6)   Die Anhörungen sind nicht öffentlich. Jede Person kann allein oder in Anwesenheit anderer geladener Personen gehört werden; dabei ist den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse und anderer vertraulicher Informationen Rechnung zu tragen.

    (7)   Der Anhörungsbeauftragte kann den Parteien, an die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet worden ist, den Beschwerdeführern, den anderen geladenen Personen, den Kommissionsdienststellen und den Behörden der Mitgliedstaaten gestatten, während der Anhörung Fragen zu stellen.

    (8)   Die Aussagen jeder gehörten Person werden aufgezeichnet. Die Aufzeichnung der Anhörung wird den Personen, die an der Anhörung teilgenommen haben, auf Antrag zur Verfügung gestellt. Dabei ist den berechtigten Interessen der Verfahrensbeteiligten an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse und anderer vertraulicher Informationen Rechnung zu tragen.“

    7.

    Schließlich ist in Art. 16 Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 bestimmt, dass Informationen einschließlich Unterlagen von der Kommission nicht mitgeteilt oder zugänglich gemacht werden, soweit sie Geschäftsgeheimnisse oder sonstige vertrauliche Informationen von Personen enthalten.

    II – Vorgeschichte des Verfahrens

    A – Überblick

    8.

    Für das vorliegende Verfahren ist Folgendes relevant: Dem angefochtenen Urteil zufolge ( 7 ) vertrat die Kommission in der streitigen Entscheidung die Auffassung, dass die Hauptanbieter von Calciumcarbid und Magnesium für die Stahl- und Gasindustrie gegen Art. 81 EG und Art. 53 des EWR-Abkommens verstoßen hätten, indem sie sich vom 7. April 2004 bis 16. Januar 2007 an einer einzigen und fortdauernden Zuwiderhandlung gegen diese Vorschriften beteiligt hätten. Diese habe in einer Aufteilung der Märkte, einer Festsetzung von Quoten, einer Zuteilung der Kunden, einer Festsetzung der Preise und einem Austausch vertraulicher Geschäftsinformationen zwischen Anbietern von Calciumcarbid- und Magnesiumgranulat in wesentlichen Teilen des Marktes des Europäischen Wirtschaftsraums bestanden (im Folgenden: in Rede stehende Zuwiderhandlung).

    9.

    Insbesondere stellte die Kommission in Art. 1 Buchst. f der streitigen Entscheidung fest, dass sich die SKW Stahl-Metallurgie GmbH (im Folgenden: SKW) vom 22. April 2004 bis 16. Januar 2007 und die SKW Stahl-Metallurgie Holding AG (im Folgenden: SKW Holding) vom 30. August 2004 bis 16. Januar 2007 an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung beteiligt hätten. Die Kommission war der Ansicht, dass im genannten Zeitraum Mitarbeiter von SKW direkt an den in der streitigen Entscheidung beschriebenen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen des Kartells beteiligt gewesen seien. SKW habe vom 30. August 2004 bis 16. Januar 2007 im direkten 100%igen Eigentum von SKW Holding gestanden. Aufgrund einer auf dieses Eigentum gestützten Annahme gelangte die Kommission zu der Auffassung, dass SKW Holding entscheidenden Einfluss auf SKW ausgeübt habe – eine Annahme, die nach Ansicht der Kommission durch weitere Tatsachenelemente ( 8 )„bestätigt“ worden sei – und dass SKW Holding Teil derselben wirtschaftlichen Einheit wie SKW gewesen sei und daher für die von SKW begangene Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln haftbar gemacht werden könne.

    B – Verwaltungsverfahren vor der Kommission ( 9 )

    10.

    In ihrer Stellungnahme vom 6. Oktober 2008 zur Mitteilung der Beschwerdepunkte der Kommission vom 24. Juni 2008 machten die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass in Wirklichkeit Degussa und nicht SKW Holding bestimmenden Einfluss auf SKW ausgeübt habe, und beantragten, dies in einer Anhörung erläutern zu dürfen. Nach ihrer Ladung zu einer Anhörung beantragten sie mit E-Mail vom 31. Oktober 2008, den Teil ihres Vorbringens, der die Rolle von Degussa betreffe, in camera vortragen zu dürfen. Zur Begründung dieses Antrags führten die Rechtsmittelführerinnen aus, dass SKW für ihr wirtschaftliches Überleben auf Degussa angewiesen sei, die ihr nahezu das gesamte von ihr vermarktete Calciumcarbid liefere, und dass SKW mit Degussa in Verhandlungen über einen neuen Liefervertrag stehe. Der Vortrag dieses Teils ihrer Argumente in Anwesenheit von Degussa würde ihre Geschäftsbeziehung zu Degussa ernsthaft gefährden und könnte zu Vergeltungsmaßnahmen führen. Mit E-Mail vom 5. November 2008 schlugen die Rechtsmittelführerinnen als praktikable Lösung vor, Degussa nach Ablauf des Jahres 2008 oder nach Abschluss eines neuen Liefervertrags Zugang zu ihrem Vortrag in camera zu geben. Am 6. November 2008 sandten die Rechtsmittelführerinnen eine weitere E-Mail an die Anhörungsbeauftragte, in der sie diese Gesichtspunkte wiederholten.

    11.

    Mit Schreiben vom 6. November 2008 lehnte die Anhörungsbeauftragte den Antrag auf Durchführung einer Anhörung in camera ab. Da der Antrag streng genommen nicht auf ein berechtigtes Interesse an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und anderen vertraulichen Informationen gestützt sei, prüfte sie ihn unter dem Gesichtspunkt des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Hierzu stellte sie fest, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen das Verhalten von Degussa betreffe und nur dann als mildernder Umstand ( 10 ) berücksichtigt werden könne, wenn sein Beweiswert anhand eines Vergleichs mit einer von Degussa abzugebenden Erklärung geprüft werde; außerdem würde eine Anhörung in camera Degussa das Recht nehmen, auf die gegen sie gerichteten Behauptungen der Rechtsmittelführerinnen mündlich zu antworten. Schließlich führte die Anhörungsbeauftragte aus, dass die von den Rechtsmittelführerinnen vorgeschlagene praktikable Lösung nicht durchführbar sei, da weder das Ergebnis noch die Dauer der Verhandlungen feststehe.

    12.

    Eine Anhörung fand am 10. und 11. November 2008 statt.

    13.

    Mit Schreiben vom 28. Januar 2009 teilten die Rechtsmittelführerinnen der Anhörungsbeauftragten mit, dass zwischen SKW und Degussa ein neuer Liefervertrag geschlossen worden sei und dass einer Anhörung in Anwesenheit von Degussa nichts mehr im Wege stehe. Sie beantragten deshalb, ihnen Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt zum Verhalten von Degussa, den sie in der Anhörung nicht vorgetragen hätten, in einer erneuten Anhörung darzulegen.

    14.

    Mit Schreiben vom 3. Februar 2009 lehnte die Anhörungsbeauftragte den Antrag auf Durchführung einer erneuten Anhörung mit der Begründung ab, dass das Recht auf Anhörung eine unmittelbare Folge einer Mitteilung der Beschwerdepunkte darstelle und nur ein einziges Mal gewährt werde. Die Anhörungsbeauftragte gestattete den Rechtsmittelführerinnen jedoch, binnen einer weiteren Frist das Vorbringen zu diesem Punkt schriftlich zu ergänzen.

    15.

    Schließlich erklärten die Rechtsmittelführerinnen mit Schreiben vom 10. Februar 2009 an die Anhörungsbeauftragte, dass sie deren Standpunkt nicht teilten. Das Recht auf mündliche Anhörung sei keine „einmalige Angelegenheit“ und nur ein einziges Mal zu gewähren, sondern müsse während des gesamten Verfahrens gewährleistet sein. Da die bisherigen schriftlichen Ausführungen der Rechtsmittelführerinnen die Kommission nicht bewogen hätten, ihr Augenmerk auf die Rolle von Degussa und auf den Umstand zu lenken, dass SKW von Degussa abhängig sei, träten sie der Vorstellung entgegen, dass die Möglichkeit einer schriftlichen Erklärung das Recht auf mündliche Anhörung ersetzen könne.

    16.

    Am 9. Juli 2009 legte die Anhörungsbeauftragte ihren Abschlussbericht zu dem Entwurf einer Entscheidung über die in Rede stehende Zuwiderhandlung vor ( 11 ), in dem sie sich zum Antrag der Rechtsmittelführerinnen auf Durchführung einer Anhörung in camera äußerte. In ihrem Bericht führte sie aus, dass es in dem Entscheidungsentwurf nur um Beschwerdepunkte gehe, zu denen sich die Parteien hätten äußern können, und dass die Anhörungsrechte aller Beteiligten in dem Verfahren gewahrt worden seien.

    III – Verfahren vor dem Gericht

    17.

    Mit am 1. Oktober 2009 eingereichter Klage beantragten die Rechtsmittelführerinnen die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung. Sie führten sechs Nichtigkeitsgründe an, und zwar i) Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, ii) fehlerhafte Anwendung von Art. 81 EG, iii) Verletzung der Begründungspflicht, iv) Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung, v) Verstoß gegen die Art. 7 und 23 der Verordnung Nr. 1/2003 sowie gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Rechtmäßigkeit der Strafen und vi) Verstoß gegen Art. 23 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003.

    18.

    Im Anschluss an eine öffentliche Sitzung vom 16. April 2013 verwarf das Gericht mit dem angefochtenen Urteil alle Nichtigkeitsgründe und wies daher die Klage ab. Außerdem verurteilte es die Rechtsmittelführerinnen zur Tragung ihrer eigenen Kosten und der Kosten der Kommission.

    IV – Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge

    19.

    Mit ihrem am 2. April 2014 beim Gerichtshof eingereichten Rechtsmittel beantragen die Rechtsmittelführerinnen,

    das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben, soweit darin die Anträge der Rechtsmittelführerinnen zurückgewiesen wurden, und den erstinstanzlichen Anträgen in vollem Umfang stattzugeben;

    hilfsweise, das angefochtene Urteil teilweise aufzuheben;

    weiter hilfsweise, die den Rechtsmittelführerinnen in Art. 2 Buchst. f und g der streitigen Entscheidung auferlegten Geldbußen nach billigem Ermessen herabzusetzen;

    weiter hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Gericht zurückzuverweisen;

    die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    20.

    Mit ihrer am 13. Juni 2014 beim Gerichtshof eingereichten Rechtsmittelbeantwortung beantragt die Kommission,

    das Rechtsmittel zurückzuweisen;

    den Rechtsmittelführerinnen die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

    21.

    In der Sitzung vom 13. Mai 2015 haben die Rechtsmittelführerinnen und die Kommission mündlich verhandelt.

    V – Würdigung

    A – Einleitende Bemerkungen

    22.

    Die Rechtsmittelführerinnen stützen ihre Anträge auf vier Rechtsmittelgründe, die im Wesentlichen wie folgt lauten: i) Dadurch, dass das Gericht die von der Kommission im Verwaltungsverfahren begangene Verletzung der Verfahrensrechte der Rechtsmittelführerinnen, wie die Gewährung rechtlichen Gehörs, nicht geahndet habe, habe es einen Rechtsfehler begangen und zudem gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Verbot der antizipierenden Beweiswürdigung verstoßen; ii) das Gericht habe außerdem einen Rechtsfehler durch Verkennung des Umstands begangen, dass die Kommission sowohl Art. 101 AEUV als auch die Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV falsch angewandt habe; iii) das Gericht habe gegen das Prinzip der Sanktionenklarheit und den Grundsatz der individuellen Straf- und Sanktionsfestsetzung verstoßen, indem es die streitige Entscheidung aufrechterhalten habe; iv) das Gericht habe ein Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen im Verfahren rechtsfehlerhaft als neu und damit unzulässig gewertet. Ich werde den zweiten, den dritten und den vierten Rechtsmittelgrund summarisch sofort abhandeln.

    23.

    Die Frage der von der Kommission gerügten Zulässigkeit des ersten Teils des zweiten Rechtsmittelgrundes einmal beiseitegelassen, machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, das Gericht habe nicht berücksichtigt, dass ihrer Ansicht nach die SKW Holding kein wirtschaftliches Interesse an der in Rede stehenden Zuwiderhandlung gehabt habe. Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass, wenn es der Kommission gelungen ist, Urkundenbeweise für die behauptete Zuwiderhandlung zu sammeln, die ausreichend erscheinen, um die Existenz einer wettbewerbswidrigen Vereinbarung zu belegen, nicht geprüft zu werden brauche, ob das beschuldigte Unternehmen ein wirtschaftliches Interesse an der fraglichen Vereinbarung gehabt habe ( 12 ). Dieser Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes geht daher ins Leere.

    24.

    Mit dem zweiten Teil ihres zweiten Rechtsmittelgrundes rügen die Rechtsmittelführerinnen, das Gericht habe durch die Aufrechterhaltung der streitigen Entscheidung Art. 296 AEUV falsch ausgelegt. Sie tragen insbesondere vor, das Gericht habe nicht beanstandet, dass die Kommission nicht sämtliche Argumente der Rechtsmittelführerinnen berücksichtigt und damit gegen ihre „verschärfte“ Begründungspflicht bei der Feststellung einer Verantwortlichkeit der Muttergesellschaft für das Verhalten ihrer Tochtergesellschaft verstoßen habe. Wie ich jedoch an anderer Stelle dargelegt habe, hat der Gerichtshof meines Erachtens nicht ausdrücklich eine verschärfte Begründungspflicht in solchen Fällen postuliert ( 13 ). Jedenfalls bin ich der Meinung, dass das Gericht die Begründung der streitigen Entscheidung, mit der ein im Verfahren (wenngleich überflüssigerweise) angeführtes Argument der Kommission als irrig verworfen wurde, angemessen geprüft hat. Somit hat das Gericht Art. 296 AEUV nicht falsch ausgelegt, so dass der zweite Teil des zweiten Rechtsmittelgrundes ebenfalls nicht durchgreift.

    25.

    Der von den Rechtsmittelführerinnen mit ihrem dritten Rechtsmittelgrund erhobene Einwand, dass die Kommission die Geldbuße inter partes zwischen den einzelnen Beteiligten des Kartells individuell hätte aufteilen müssen, ist in dem nach Einreichung des vorliegenden Rechtsmittels ergangenen Urteil Kommission/Siemens Österreich u. a. ( 14 ) zurückgewiesen worden. Aus dem genannten Urteil ergibt sich, dass auch dieser Rechtsmittelgrund – trotz der Bemühungen der Rechtsmittelführerinnen in der mündlichen Verhandlung um eine Nuancierung ihres Standpunkts – nicht durchgreift.

    26.

    Schließlich erübrigt sich eine Erörterung des vierten Rechtsmittelgrundes, mit dem die Rechtsmittelführerinnen rügen, dass das Gericht eben jenes im Rahmen des dritten Rechtsmittelgrundes geltend gemachte Argument betreffend die Aufteilung der Geldbuße als unzulässig zurückgewiesen habe. Angesichts des genannten Urteils geht der vierte Rechtsmittelgrund ins Leere.

    27.

    Damit komme ich zum ersten Rechtsmittelgrund.

    B – Erster Rechtsmittelgrund

    1. Feststellungen im angefochtenen Urteil ( 15 )

    28.

    In den Rn. 35 bis 40 des angefochtenen Urteils weist das Gericht zunächst auf die Bedeutung der Verteidigungsrechte und des Schutzes von Geschäftsgeheimnissen sowie anderer vertraulicher Informationen hin und wendet sich dann der Auslegung von Art. 14 Abs. 6 der Verordnung Nr. 773/2004 zu. Da es nach dieser Bestimmung nicht ausgeschlossen sei, dass Anhörungen in Anwesenheit anderer Personen durchgeführt würden, sei den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse und anderer vertraulicher Informationen Rechnung zu tragen. Die Kommission sei daher verpflichtet, in jedem Einzelfall bei den Untersuchungen das Ziel des Schutzes der Verteidigungsrechte eines wegen einer mutmaßlichen Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln des Unionsrechts verfolgten Unternehmens mit dem berechtigten Interesse, das Dritte am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse und anderer vertraulicher Informationen hätten, in Einklang zu bringen.

    29.

    Anschließend prüft das Gericht in Rn. 41 des angefochtenen Urteils, ob der Teil der Argumentation der Rechtsmittelführerinnen, den sie in camera hätten vortragen wollen, für ihre Verteidigung unerlässlich gewesen sei.

    30.

    Hierzu führt das Gericht in den Rn. 42 bis 44 des angefochtenen Urteils aus, dass die Kommission nur den Mitarbeitern bzw. der Geschäftsleitung von SKW eine direkte Beteiligung an der streitigen Zuwiderhandlung vorgeworfen habe. Dagegen beruhe die Verantwortung der SKW Holding für dieselbe Verletzung der Wettbewerbsregeln darauf, dass sie einen bestimmenden Einfluss auf SKW ausgeübt habe. Weiter stellt das Gericht in den Rn. 47 bis 52 des angefochtenen Urteils fest, dass die Rechtsmittelführerinnen nicht erläutert hätten, inwiefern ein etwaiger bestimmender Einfluss von Degussa auf SKW die Rechtsmittelführerinnen von ihrer Verantwortung entbinden könne. Das erstinstanzliche Gericht erklärt ausdrücklich, dass die Frage, ob Degussa bestimmenden Einfluss auf SKW ausgeübt habe, für die Problematik unerheblich sei, ob SKW Holding die sich aus ihrer 100%igen Kapitalbeteiligung an SKW ergebende Vermutung der Ausübung bestimmenden Einflusses widerlegt habe.

    31.

    Auf dieser Grundlage gelangt das Gericht in den Rn. 53 bis 56 des angefochtenen Urteils zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen sie jedenfalls nicht von ihrer Haftung befreien könne. Das Gericht leitet daraus ab, dass die Anhörungsbeauftragte in ihrem Schreiben vom 6. November 2008 (siehe oben, Nr. 11) den Antrag auf Durchführung einer Anhörung in camera zu Recht ausschließlich im Hinblick auf die Rolle von Degussa als mildernder Umstand geprüft habe, da der sich darauf beziehende Teil des Vorbringens der Rechtsmittelführerinnen ihnen allein in dieser Hinsicht einen Vorteil verschaffen könne. Deshalb sei die Würdigung der Beteiligung von Degussa als mildernder Umstand bei der Haftung der Rechtsmittelführerinnen im Rahmen des zweiten Teils des fünften von ihnen geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes zu prüfen.

    32.

    Zum ersten Nichtigkeitsgrund führt das Gericht in den Rn. 57 bis 63 des angefochtenen Urteils aus, dass das Vorbringen, die Rolle von Degussa sei als mildernder Umstand zugunsten der Rechtsmittelführerinnen anzuerkennen, umgekehrt auf eine erhöhte Haftung von Degussa hinauslaufe. Die Anhörungsbeauftragte habe daher zutreffend angenommen, dass eine Anhörung in camera nicht gestattet werden könne, da Degussa berechtigt sei, zu solchen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Das Gericht schließt sich der Ansicht der Anhörungsbeauftragten an, wonach die von den Rechtsmittelführerinnen vorgeschlagene praktikable Lösung nicht dem Recht von Degussa Rechnung trage, auf die Anschuldigungen der Rechtsmittelführerinnen in der Anhörung mündlich zu erwidern. Unter Berücksichtigung der Erfordernisse eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verwaltungsverfahrens, das innerhalb einer angemessenen Frist zum Erlass einer Entscheidung führen müsse, habe die Anhörungsbeauftragte die Durchführung einer weiteren Anhörung rechtmäßigerweise ablehnen dürfen, da einer Partei nicht das Recht zuerkannt werden könne, jedes Mal die Durchführung einer erneuten Anhörung zu verlangen, wenn der Grund entfalle, der sie daran gehindert habe, bestimmte Argumente vorzubringen. Da die Anhörungsbeauftragte den Rechtsmittelführerinnen schließlich auch gestattet habe, ihr Vorbringen schriftlich zu ergänzen, hat das Gericht den ersten Nichtigkeitsgrund der Rechtsmittelführerinnen zurückgewiesen.

    2. Vorbringen der Parteien

    33.

    Die Rechtsmittelführerinnen machen geltend, das Gericht verkenne, dass die Kommission durch ihre Ablehnung des Antrags der Rechtsmittelführerinnen auf Durchführung einer Anhörung in camera wesentliche Formvorschriften verletzt habe. Die Ablehnung sei u. a. deshalb vollkommen unverhältnismäßig, weil der Antrag durchaus angemessen gewesen sei und nicht zu einer Verletzung von Verfahrensrechten anderer geführt habe. Somit lasse das Gericht die Verteidigungsrechte außer Acht, obwohl Art. 27 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1/2003 bestimme, dass „[d]ie Verteidigungsrechte der Parteien … während des Verfahrens in vollem Umfang gewahrt werden [müssen]“. Bei einer mündlichen Anhörung in Anwesenheit von Degussa hätten die Rechtsmittelführerinnen ihrer Ansicht nach nicht die Möglichkeit gehabt, der Kommission ihren Standpunkt zu erläutern, da sie Sanktionen durch Degussa befürchtet hätten. Deshalb hätten sie um eine kurze Zusammenkunft in camera von ungefähr 30 Minuten Dauer gebeten. Außerdem hätten sie – vergeblich – mehrere Alternativlösungen vorgeschlagen, bei denen ihr Anspruch auf rechtliches Gehör wohl gewahrt worden wäre.

    34.

    Das Gericht lasse ebenso wie zuvor die Kommission die berechtigten Interessen der Rechtsmittelführerinnen offenkundig außer Acht. Die Rechtsmittelführerinnen verweisen auf Art. 14 Abs. 6 der Verordnung Nr. 773/2004 über das Interesse der Unternehmen an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen. Sie führen ferner an, dass, wenn eine Anhörung in camera bereits zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen gewährt werden könne (bzw. gewährt werden müsse, wenn es keine andere Möglichkeit zur Wahrung solcher Geheimnisse gebe), eine Anhörung erst recht gewährt werden müsse, wenn sie aller Wahrscheinlichkeit nach einen hinreichenden Schutz der Verteidigungsrechte des betroffenen Unternehmens gewährleiste und andernfalls die Existenz des Unternehmens gefährdet wäre.

    35.

    Nach Auffassung der Rechtsmittelführerinnen bietet allein ein mündlicher Vortrag die Möglichkeit zu einem Dialog mit der Kommission, um Zweifel auszuräumen und etwaige Fragen zu beantworten. Das Gericht führe in den Rn. 38 bis 62 des angefochtenen Urteils zutreffend aus, dass die Interessen des eine Anhörung in camera verlangenden Unternehmens gegen die Interessen anderer Unternehmen, sich gegen etwaige Anschuldigungen verteidigen zu können, abzuwägen seien, das Gericht habe jedoch fehlerhaft entschieden, dass letztere Interessen höher zu werten seien und eine Zurückweisung der von den Rechtsmittelführerinnen vorgeschlagenen Alternativlösungen rechtfertigten. Damit versäume es das Gericht irrigerweise, die Kommission zu verpflichten, vorrangig diejenige Lösung zu wählen, die die Wahrung der Interessen aller Beteiligten ermöglicht hätte; folglich nehme das Gericht eine unverhältnismäßig zulasten der Rechtsmittelführerinnen gehende Interessenabwägung vor.

    36.

    Des Weiteren machen die Rechtsmittelführerinnen geltend, dass das Gericht durch seine Einschätzung, dass ihr Vortrag nicht geeignet gewesen sei, sie zu entlasten, und dass die Frage des Einflusses von Degussa auf SKW für die Prüfung der Verantwortung von SKW Holding unerheblich sei, einerseits eine unzulässige antizipierte Beweiswürdigung vornehme. Andererseits verkenne das Gericht, dass der Nachweis der fortgeführten Kontrolle eines Unternehmens über ihre ehemalige Tochtergesellschaft geeignet sei, den Einfluss der neuen Muttergesellschaft über die Tochtergesellschaft in Frage zu stellen. Außerdem hätten die Rechtsmittelführerinnen die Rolle von Degussa nicht bloß als mildernden Umstand angeführt, sondern auch zur Begründung ihrer Auffassung, dass die SKW Holding keinerlei Verantwortung treffe.

    37.

    Schließlich tragen die Rechtsmittelführerinnen zu den Auswirkungen der Verletzung ihrer Verteidigungsrechte vor, dass es – wie sie bereits im ersten Rechtszug ausgeführt hätten – für die Nichtigkeit der streitigen Entscheidung bereits ausreiche, wenn denkbar sei, dass das Verwaltungsverfahren ohne den von der Kommission begangenen Verfahrensfehler zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

    38.

    Die Kommission tritt dem Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen vollumfänglich entgegen. Was den von SKW Holding ausgeübten Einfluss auf SKW betreffe, machten die Rechtsmittelführerinnen nicht die Anwendung eines fehlerhaften Beweismaßstabs geltend, sondern wendeten sich gegen die Tatsachenfeststellungen und Beweiswürdigung des Gerichts, ohne eine Verfälschung von Beweismitteln zu rügen; dies sei im Rechtsmittelverfahren unzulässig.

    3. Würdigung

    a) Zulässigkeit

    39.

    Im Hinblick auf die von der Kommission beiläufig erhobene Unzulässigkeitseinrede (siehe oben, Nr. 38) möchte ich daran erinnern, dass die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem ersten Rechtsmittelgrund nicht die Verantwortung der SKW Holding in Frage stellen, die durch deren bestimmenden Einfluss auf SKW begründet wird (dies ist vielmehr Kernfrage des zweiten Rechtsmittelgrundes), sondern dass sie eine Verletzung ihrer Verfahrensrechte rügen, nämlich des Anspruchs auf wirksames rechtliches Gehör. Ihrer Ansicht nach ist dem Gericht bei der gebotenen Abwägung der Interessen der Rechtsmittelführerinnen an der Durchführung einer Anhörung in camera und der Interessen der anderen Beteiligten – insbesondere der Interessen von Degussa – an der Möglichkeit, zu den Behauptungen der Rechtsmittelführerinnen Stellung zu nehmen, sowie bei der Zurückweisung der Alternativvorschläge der Rechtsmittelführerinnen ein Rechtsfehler unterlaufen. Dies ist eine Rechtsfrage, für deren Entscheidung der Gerichtshof nach Art. 256 Abs. 1 AEUV und Art. 58 der Satzung zuständig ist.

    b) Allgemeine Erwägungen zum Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren vor der Kommission

    40.

    Das Verwaltungsverfahren vor der Kommission nach Art. 101 AEUV ist in zwei unterschiedliche, aufeinanderfolgende Abschnitte unterteilt, die jeweils einer eigenen inneren Logik folgen, nämlich einen Abschnitt der Voruntersuchung und einen kontradiktorischen Abschnitt. Der Abschnitt der Voruntersuchung, der sich bis zur Mitteilung der Beschwerdepunkte erstreckt, soll es der Kommission ermöglichen, alle relevanten Elemente zusammenzutragen, durch die das Vorliegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsvorschriften bestätigt oder nicht bestätigt wird, und eine erste Position zur Ausrichtung und zum weiteren Gang des Verfahrens einzunehmen. Der kontradiktorische Abschnitt, der sich von der Mitteilung der Beschwerdepunkte bis zum Erlass der endgültigen Entscheidung erstreckt, soll es ihr ermöglichen, sich abschließend zu der gerügten Zuwiderhandlung zu äußern. Erst zu Beginn des kontradiktorischen Abschnitts wird die betroffene Partei durch die Mitteilung der Beschwerdepunkte über alle wesentlichen Gesichtspunkte informiert, auf die sich die Kommission in diesem Verfahrensstadium stützt. Folglich kann die Partei die Verteidigungsrechte erst nach Übersendung der Mitteilung der Beschwerdepunkte umfassend geltend machen ( 16 ).

    41.

    Im kontradiktorischen Abschnitt kann rechtliches Gehör in zwei aufeinanderfolgenden Schritten beansprucht werden: schriftlich und mündlich.

    42.

    In Bezug auf den ersten Schritt teilt die Kommission nach Art. 10 Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 den Parteien die gegen sie erhobenen Beschwerdepunkte mit; die Mitteilung der Beschwerdepunkte wird jeder Partei, gegen die Beschwerdepunkte erhoben werden, schriftlich zugestellt. In Art. 10 Abs. 2 und 3 der Verordnung ist das Recht normiert, sich innerhalb einer von der Kommission gesetzten Frist schriftlich zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu äußern, indem alle Tatsachen vortragen werden, die für die Verteidigung relevant sind. Die Kommission ist nicht verpflichtet, später eingegangene schriftliche Ausführungen zu berücksichtigen.

    43.

    Gemäß Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 773/2004 machen die Parteien, die sich zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte äußern, innerhalb der von der Kommission gesetzten entsprechenden Äußerungsfrist die als vertraulich angesehenen Informationen unter Angabe von Gründen kenntlich und legen eine nicht vertrauliche Fassung vor. Nach Art. 16 Abs. 3 der Verordnung kann die Kommission dies auch von Amts wegen verlangen. Erfolgt keine solche Kenntlichmachung, kann die Kommission gemäß Art. 16 Abs. 4 der Verordnung davon ausgehen, dass die Unterlagen keine vertraulichen Informationen enthalten. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die Parteien nach Art. 15 Abs. 1 der Verordnung Akteneinsicht hinsichtlich der nicht vertraulichen Informationen beantragen können.

    44.

    Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es den Parteien überlassen bleibt, wie viele oder wie wenige Informationen sie der Kommission in ihrer schriftlichen Stellungnahme mitteilen wollen. In diesem Rahmen müssen sie entscheiden, ob sie vertrauliche Informationen vorlegen wollen, und dies gegebenenfalls anzeigen. Eine Partei, die solche Informationen mitteilt, läuft in dem Fall, dass die Kommission bezüglich der Vertraulichkeit der Informationen anderer Meinung ist – vorbehaltlich einer möglichen Kontrolle durch die Unionsgerichte –, unternehmerisch Gefahr, dass eine andere Partei die Informationen durch Akteneinsicht erlangt.

    45.

    Was den zweiten Schritt angeht, d. h. das Recht, mündlich gehört zu werden – das nicht immer als inhärentes Recht anerkannt war ( 17 ) –, so sind die Parteien nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 berechtigt, im Rahmen einer Anhörung vor der Kommission zu erscheinen, sofern sie dies in ihrer Stellungnahme zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte beantragt haben.

    46.

    Die Anhörung findet nach Maßgabe von Art. 14 der Verordnung Nr. 773/2004 statt. Gemäß Art. 14 Abs. 6 der Verordnung können Personen allein oder in Anwesenheit anderer Personen gehört werden; dabei ist den berechtigten Interessen an der Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und anderer vertraulicher Informationen Rechnung zu tragen. Nach Art. 14 Abs. 8 der Verordnung werden die Aussagen jeder Person aufgezeichnet; die Aufzeichnung der Anhörung kann den Personen, die an der Anhörung teilgenommen haben, zur Verfügung gestellt werden, wobei wiederum der Wahrung der vertraulichen Informationen der Parteien Rechnung zu tragen ist.

    47.

    Die Parteien, die sich zu einer Mitteilung der Beschwerdepunkte geäußert haben, haben also die Möglichkeit, einen Antrag auf mündlichen Vortrag zu stellen. Das Gebrauchmachen von dieser Möglichkeit stellt eine weitere unternehmerische Entscheidung dar, bei der in Betracht gezogen werden muss, dass andere Parteien anwesend sein und preisgegebene Informationen in die Hände anderer fallen könnten. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass keine Verpflichtung zur Teilnahme an einer Anhörung besteht.

    48.

    Zu guter Letzt kommt bei dem Anspruch auf rechtliches Gehör auch ein entscheidender materieller Gesichtspunkt zum Tragen, und zwar der wirksame Verfahrensschutz der betroffenen Parteien. Die Wahrung der Verteidigungsrechte stellt nämlich in allen Verfahren, die zu Geldbußen führen können, einen fundamentalen Grundsatz des Unionsrechts dar, der auch in einem Verwaltungsverfahren beachtet werden muss ( 18 ). Gemäß Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 773/2004 zieht die Kommission in ihren Entscheidungen nur Beschwerdepunkte in Betracht, zu denen sich die Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet hat, äußern konnten.

    49.

    Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt in Wirklichkeit jedoch darin, dass es hier nicht auf den materiellen Gehalt des Anspruchs auf rechtliches Gehör gegenüber der Kommission ankommt, sondern auf die Form seiner Verwirklichung. Insoweit ist das Recht, schriftlich statt mündlich gehört zu werden, an sich unproblematisch. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) genügt es in Verwaltungsverfahren, die zur Festsetzung einer Geldbuße führen können, wenn die Parteien das Recht haben, anschließend vor einem unparteiischen und unabhängigen Gericht mündlich gehört zu werden ( 19 ).

    c) Prüfung des ersten Rechtsmittelgrundes

    50.

    Im Rahmen des ersten Rechtsmittelgrundes sehe ich zwei Hauptargumente der Rechtsmittelführerinnen, die sich beide auf den Anspruch auf rechtliches Gehör stützen: Erstens habe das Gericht unzulässigerweise nicht beanstandet, dass die Kommission den Antrag der Rechtsmittelführerinnen auf Durchführung einer Anhörung in camera abgelehnt habe, und habe damit eine rechtswidrige antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen. Zweitens habe das Gericht unverhältnismäßig gehandelt, weil es nicht gerügt habe, dass die Kommission den von den Rechtsmittelführerinnen vorgeschlagenen Alternativlösungen nicht gefolgt sei. Ich werde diese beiden Argumente im Folgenden nacheinander prüfen.

    i) Recht auf Anhörung in camera?

    51.

    Zunächst sei darauf hingewiesen, dass offenbar nach Ansicht der Anhörungsbeauftragten die Angaben, mit denen die Rechtsmittelführerinnen ihren Antrag auf Durchführung einer Anhörung in camera begründeten, qualitativ die Anforderungen erfüllten, um eine solche Anhörung zu gewähren ( 20 ).

    52.

    Wie dem auch sei, soweit ich sehe, besteht kein Recht auf Anhörung in camera ( 21 ) .

    53.

    Weder in der Verordnung Nr. 1/2003 noch in der Verordnung Nr. 773/2004 finden sich irgendwelche Anhaltspunkte für ein solches Recht. Insbesondere heißt es in Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 einfach nur, dass die Kommission den Parteien, an die sie eine Mitteilung der Beschwerdepunkte richtet, Gelegenheit gibt, ihre Argumente in einer Anhörung vorzutragen, wenn sie dies in ihren schriftlichen Ausführungen beantragen. Die Bestimmung äußert sich jedoch nicht zu Anhörungen in camera.

    54.

    Auch Art. 14 der Verordnung Nr. 773/2004 – vor allem Art. 14 Abs. 6 – sieht weder nach seinem Wortlaut noch nach seinem Kontext noch nach seinem Zweck ein solches Recht vor.

    55.

    Der Wortlaut von Art. 14 Abs. 6 der Verordnung Nr. 773/2004 besagt, dass jede Person allein oder in Anwesenheit anderer geladener Personen gehört werden kann; dabei ist den berechtigten Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse und anderer vertraulicher Informationen Rechnung zu tragen. Es handelt sich um mehr als eine bloße Befugnis und impliziert eine Wahlmöglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung. Art. 14 Abs. 6 Satz 2 der Verordnung nach zu urteilen ist dabei die Bewertung der Kommission hinsichtlich der Interessen der Unternehmen an der Wahrung ihrer Geschäftsgeheimnisse und anderer vertraulicher Informationen maßgeblich.

    56.

    Ich verstehe die Rechtsmittelführerinnen dahin, dass sie im Wesentlichen geltend machen, im vorliegenden Fall sei „kann“ im Sinne von „muss“ zu verstehen. Diese Argumentation ist jedoch nicht nur sinnwidrig, sondern verfängt auch aus verschiedenen anderen Gründen nicht.

    57.

    Erstens spricht der Kontext von Art. 14 Abs. 6 der Verordnung Nr. 773/2004 für die Auffassung, dass die Gewährung einer Anhörung in camera in das Ermessen des Anhörungsbeauftragten gestellt ist. Gemäß Art. 14 Abs. 7 der Verordnung Nr. 773/2004 kann der Anhörungsbeauftragte den Parteien, an die eine Mitteilung der Beschwerdepunkte gerichtet worden ist, den Beschwerdeführern und den anderen geladenen Personen gestatten, während der Anhörung Fragen zu stellen. Auch die Überschrift von Art. 14 der Verordnung Nr. 773/2004 („Durchführung der Anhörung“) deutet darauf hin, dass durch Art. 14 in erster Linie Regeln festgelegt werden sollen, die den reibungslosen Ablauf von Anhörungen durch den Anhörungsbeauftragten gewährleisten, woraus sich ergibt, dass dem Anhörungsbeauftragten ein gewisses Maß an Leitungsermessen zustehen muss. Umgekehrt ist, wenn den Unternehmen konkrete Rechte verliehen (oder dem Anhörungsbeauftragten konkrete Pflichten auferlegt) werden, dies im Wortlaut selbst ausdrücklich angegeben, z. B. in Art. 12 Abs. 1 oder Art. 14 der Verordnung Nr. 773/2004, in der letztgenannten Vorschrift an mehreren Stellen durch Formulierungen, die ein Ermessen ausschließen. Das ist sicherlich kein Zufall.

    58.

    Im Übrigen spricht auch das Ziel der Verordnung Nr. 773/2004 gegen ein Recht auf eine Anhörung in camera. Ich möchte daran erinnern, dass nach Art. 33 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1/2003 durch die Verordnung Nr. 773/2004 die praktische Durchführung geregelt werden soll, um zu gewährleisten, dass Unternehmen, gegen die sich ein Verfahren der Kommission richtet, Gelegenheit gegeben wird, in Angelegenheiten gehört zu werden, die die Kommission beanstandet hat, und dass abschließende Entscheidungen nur auf Beschwerdepunkten beruhen, zu denen sich die betroffenen Parteien äußern konnten. Umgekehrt bezweckt die Verordnung nicht, zu gewährleisten, dass die Unternehmen tatsächlich gehört werden (und schon gar nicht privatim) – bezeichnenderweise ist dies etwas, was die Unternehmen selbst beantragen müssen. Überdies dürfte, wie erwähnt, das Fehlen eines Anspruchs auf eine Anhörung in camera unter grundrechtlichem Aspekt unproblematisch sein (siehe oben, Nr. 49). Dass nach Ansicht der Rechtsmittelführerinnen ein mündlicher Vortrag effektiver als ein schriftlicher ist, ist darüber hinaus eine Frage der Präferenz, nicht aber des Rechts.

    59.

    Ganz allgemein scheint das Verfahren vor der Kommission dem ungeschriebenen Grundsatz Rechnung zu tragen, dass die Befugnis zur Entscheidung darüber, ob eine Anhörung in camera durchgeführt werden soll, der unparteiischen Stelle zusteht, die die Anhörung durchführt (und von Amts wegen oder auf Antrag ausgeübt wird). Wie dem Gerichtshof sehr wohl bekannt ist, liegt im Verfahren vor den Unionsgerichten die Entscheidung zur Durchführung einer Anhörung in camera nämlich nicht bei den Parteien, sondern beim Spruchkörper ( 22 ). Dasselbe gilt für mündliche Verhandlungen beim EGMR ( 23 ). Außerdem möchte ich daran erinnern, dass in Gerichtsverfahren ein Antrag auf eine Anhörung in camera unter Ausschluss einer anderen Partei – d. h. ein Antrag, Zeit allein mit dem Spruchkörper zu verbringen – als höchst ungewöhnlich angesehen werden muss ( 24 ).

    60.

    Dieses ungewöhnliche Szenario ist vorliegend jedoch irrelevant, da nicht vergessen werden darf, dass das Verfahren vor der Kommission seiner Natur nach ein Verwaltungsverfahren und die Kommission kein Rechtsprechungsorgan ist. Es handelt sich allenfalls um ein streitiges Verfahren zwischen der betroffenen Partei und der Kommission, nicht um ein kontradiktorisches Verfahren zwischen Privaten, die der Beteiligung an einer bestimmten Zuwiderhandlung verdächtigt werden. Eine Konsequenz daraus besteht z. B. darin, dass die Kommission nicht verpflichtet ist, den Parteien die Möglichkeit zu geben, Zeugen zu befragen und deren Aussagen im Stadium der Ermittlungen zu analysieren ( 25 ). Das bedeutet jedoch auch, dass die Kommission Geldbußen für wettbewerbsrechtliche Zuwiderhandlungen nur gegen Parteien verhängen darf, die die Möglichkeit zu einer Stellungnahme hatten. Wenn also eine Partei vertrauliche Informationen preisgeben will, die geeignet sind, eine andere Partei des Verwaltungsverfahrens zu belasten, liegt es meines Erachtens auf der Hand, dass die Kommission, sofern sie sich auf diese Informationen stützen will, eine ergänzende Mitteilung der Beschwerdepunkte an die andere Partei richten muss ( 26 ) (wobei die Kommission nicht verpflichtet ist, wegen weiterer Beschwerdepunkte „Anklage zu erheben“). Folglich war es im vorliegenden Fall nicht erforderlich, die Interessen von Degussa zu berücksichtigen: Soweit die Kommission unter Berufung auf die Informationen der Rechtsmittelführerinnen weitere Sanktionen gegen Degussa hätte verhängen wollen, hätte sie eine weitere Mitteilung der Beschwerdepunkte versenden müssen. Die Begründung, die die Anhörungsbeauftragte für die Verweigerung einer Anhörung in camera gab und die das Gericht nicht beanstandet hat, war daher unzutreffend ( 27 ).

    61.

    Angesichts der vorstehenden allgemeinen Bemerkungen überrascht es nicht, dass es der Entscheidung des Anhörungsbeauftragten überlassen bleibt, ob diese Partei allein angehört werden soll, wenn dies angebracht erscheint, z. B., um die Geschäftsgeheimnisse oder andere vertrauliche Informationen einer Partei zu wahren. Die Beamten der Union sind nämlich zur Wahrung solcher Geheimnisse verpflichtet ( 28 ), und das Verwaltungsverfahren ist, wie erwähnt, nach entsprechend ausgestalteten Regeln durchzuführen. Interessanterweise wird in Art. 14 Abs. 6 der Verordnung Nr. 773/2004 aber – was die Vertraulichkeit angeht – nicht zwischen Anhörungen in camera und Anhörungen in Anwesenheit anderer Personen unterschieden.

    62.

    Damit komme ich zum nächsten Punkt: Im Wortlaut der Verordnung Nr. 773/2004 finden sich keinerlei Anhaltspunkte, die dafür sprächen, dass Informationen, die im Rahmen einer Anhörung in camera – oder genauer gesagt im Rahmen einer mit der betreffenden Partei allein durchgeführten – geliefert werden, automatisch als vertraulich eingestuft werden könnten. Die Vertraulichkeit hängt ausschließlich vom Vortrag bei der Anhörung ab. Im Gegensatz zu Anträgen auf vertrauliche Behandlung schriftlicher Ausführungen zur Mitteilung der Beschwerdepunkte, bei denen eine nachträgliche Bewertung erforderlich ist, muss die Kommission nämlich die Frage, ob die Informationen, die die Partei ihr mitzuteilen gedenkt, tatsächlich vertraulich sind, vorläufig ex ante beurteilen. Auch auf die Gefahr hin, das Offensichtliche auszusprechen, ist zu sagen, dass nicht vertrauliche Informationen, die bei einer Anhörung in camera gegeben werden, anderen Parteien, die Akteneinsicht beantragen, rechtlich nicht vorenthalten werden können.

    63.

    Eine Partei, deren Antrag auf Durchführung einer Anhörung in camera abgelehnt wurde, wird sich also sorgfältig überlegen müssen, ob sie trotzdem an einer in Anwesenheit anderer Parteien durchgeführten Anhörung teilnehmen möchte und was sie vortragen will. Die Partei ist nicht verpflichtet, vertrauliche Informationen im Beisein aller Beteiligten preiszugeben. Sie kann sich vielmehr zu einem früheren Zeitpunkt auch entscheiden, der Kommission vertrauliche Informationen in ihrer Stellungnahme zu der Mitteilung der Beschwerdepunkte zu übermitteln und um vertrauliche Behandlung dieser Informationen zu ersuchen. Das mag zwar ebenfalls unternehmerisch riskant sein, kann jedoch je nach den Fallumständen einen besseren Weg als die Beantragung einer Anhörung in camera darstellen. Dementsprechend gewährleistet das Verwaltungsverfahren, dass die Parteien entscheiden können, ob sie der Kommission ihrer Ansicht nach vertrauliche Informationen vorlegen und ob dies gegebenenfalls mündlich oder schriftlich erfolgen sollte (auch wenn sie zugegebenermaßen nicht abschließend über die Frage der Vertraulichkeit befinden können). Deshalb ist die Geltendmachung des Anspruchs auf rechtliches Gehör stets mit unternehmerischen Entscheidungen der Parteien verbunden ( 29 ). Der vorliegende Fall zeigt Folgendes: Die Rechtsmittelführerinnen entschieden sich (verständlicherweise) dazu, einem kommerziellen Ziel – wirtschaftliches Überleben – Vorrang vor einem anderen, nämlich der Möglichkeit einer Herabsetzung der Geldbußen, einzuräumen.

    64.

    Selbstverständlich hat eine Partei im Fall einer rechtswidrigen Weitergabe vertraulicher Informationen durch die Kommission das Recht, nach Art. 268 AEUV auf Schadensersatz zu klagen ( 30 ). Unbedingt zu beachten ist jedoch, dass die Frage der Zulässigkeit der Weitergabe von Informationen nichts mit der Geltendmachung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu tun hat. Mit anderen Worten: Eine rechtswidrige Weitergabe vertraulicher Informationen wirkt sich nicht unbedingt auf die Gültigkeit einer Kommissionsentscheidung zur Verhängung von Geldbußen aus.

    65.

    Schließlich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Entscheidung zur Gewährung einer Anhörung in camera zwar im Ermessen der Kommission steht, dass sie dieses Ermessen als öffentliche Einrichtung jedoch rechtmäßig ausüben muss. Obwohl ich annehmen möchte, dass bei einem ordnungsgemäßen Ablauf des Verwaltungsverfahrens die Unionsgerichte eine Entscheidung über die Durchführung einer Anhörung in camera inhaltlich nur in seltenen Fällen bemängeln könnten, so ist doch die Möglichkeit einer Rüge in Fällen von Ermessensmissbrauch, Begründungsmangel (einschließlich Unterlassung einer Entscheidung), unzutreffender Tatsachenwürdigung oder vielleicht sogar offensichtlichen Beurteilungsfehlern nicht ausgeschlossen ( 31 ). Ganz abgesehen davon, dass ich davon ausgehe, dass die Kommission bei Entscheidungen über die Durchführung von Anhörungen in camera dem in Art. 41 der Charta verankerten Grundsatz der guten Verwaltung Rechnung trägt, ist es im vorliegenden Fall jedoch nicht nötig, die Grenzen der gerichtlichen Kontrolle solcher Entscheidungen genau auszuloten.

    66.

    Gleichwohl ergibt sich aus alledem, dass dem Gericht in Rn. 39 des angefochtenen Urteils dadurch ein Rechtsfehler unterlaufen ist, dass es eine Verpflichtung der Kommission postuliert, das Ziel des Schutzes der Verteidigungsrechte von wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Wettbewerbsregeln der Union verfolgten Unternehmen mit dem berechtigten Interesse, das Dritte am Schutz ihrer Geschäftsgeheimnisse und anderer vertraulicher Informationen im Verlauf der Untersuchungen haben, in Einklang zu bringen.

    67.

    Aus diesem Fehler folgt jedoch nicht, dass der erste Rechtsmittelgrund durchgreift. Das Vorbringen der Rechtsmittelführerinnen, sie hätten Anspruch auf Durchführung einer Anhörung in camera gehabt, ist nämlich ebenso fehlerhaft und ist im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden. Wie wir noch sehen werden, gilt dasselbe auch für den übrigen Teil dieses Rechtsmittelgrundes, der wie die anderen Rechtsmittelgründe ebenfalls nicht durchgreift. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Rechtsmittel zurückzuweisen, wenn zwar die Gründe des Urteils des Gerichts eine Verletzung des Unionsrechts erkennen lassen, die Urteilsformel sich aber aus anderen Rechtsgründen als richtig erweist ( 32 ).

    68.

    Da es sich bei der Hauptproblematik um eine reine Rechtsfrage handelt, schlage ich dem Gerichtshof vor, die unzutreffende Begründung in den Rn. 35 bis 59, 62 und 63 des angefochtenen Urteils durch eine Begründung zu ersetzen, der zufolge bei Untersuchungen von Zuwiderhandlungen gegen die Wettbewerbsregeln kein Recht auf Anhörung in camera vor der Kommission besteht. Damit wäre auch das Argument zurückgewiesen, das Gericht habe eine verbotene antizipierte Beweiswürdigung vorgenommen; folglich ist das oben in Nr. 50 dargestellte erste Hauptargument der Rechtsmittelführerinnen zurückzuweisen.

    ii) Die von den Rechtsmittelführerinnen vorgeschlagenen Alternativlösungen

    69.

    Die Rechtsmittelführerinnen machen außerdem geltend, das Gericht habe unverhältnismäßig gehandelt, weil es nicht gerügt habe, dass die Kommission den von den Rechtsmittelführerinnen vorgeschlagenen beiden Alternativlösungen nicht gefolgt sei. Zur Erinnerung: Diese Alternativlösungen bestanden ursprünglich darin, Degussa den Zugang zu einem in camera gehaltenen Vortrag der Rechtsmittelführerinnen entweder nach Ablauf des Jahres 2008 oder nach Abschluss eines neuen Liefervertrags zu ermöglichen. Nach Abschluss dieses Vertrags beantragten die Rechtsmittelführerinnen eine erneute Anhörung, bei der Degussa die Anwesenheit gestattet werden sollte.

    70.

    Zur ersten Alternativlösung ist zu sagen, dass – wie oben ausgeführt – kein Recht auf Anhörung in camera besteht. Außerdem ist dieser Vorschlag umso faszinierender, als die Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör grundsätzlich nicht eine Frage des Gebens und Nehmens ist. Im Übrigen liegt die Entscheidung, ob Informationen vertraulich sind oder nicht, nicht bei den Rechtsmittelführerinnen, da andernfalls die Rechte der anderen Parteien, sich nicht vertrauliche Informationen zu verschaffen, eingeschränkt würden.

    71.

    Was den anschließenden Vorschlag betrifft, ist dem Gericht meines Erachtens kein Rechtsfehler mit seiner Feststellung in Rn. 61 des angefochtenen Urteils unterlaufen, dass der ordnungsgemäße Ablauf des Verwaltungsverfahrens den Erlass einer Entscheidung innerhalb einer angemessenen Frist erfordere und dass dementsprechend kein Anspruch auf eine erneute Anhörung bestehe. Dies kommt auch in Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 773/2004 zum Ausdruck, wonach die Kommission nicht verpflichtet ist, schriftlichen Ausführungen Rechnung zu tragen, die nicht innerhalb der für die Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte gesetzten Frist eingehen. Die Rechtsmittelführerinnen hatten Gelegenheit, sich mündlich zu äußern (ich darf hinzufügen, dass ihre Redezeit bei dieser Gelegenheit für den Fall verlängert wurde, dass sie ihren Vortrag in camera halten wollten). Durch den Anspruch auf rechtliches Gehör sollen die Unternehmen Gelegenheit erhalten, gehört zu werden, jedoch nicht notwendigerweise zu dem Zeitpunkt, der ihnen am genehmsten ist.

    72.

    Schließlich hat – wie das Gericht zutreffend hervorhebt – die Anhörungsbeauftragte den Rechtsmittelführerinnen Gelegenheit zur Vorlage weiterer schriftlicher Äußerungen gegeben. Dies entspricht offenbar gängiger Praxis ( 33 ). Die Rechtsmittelführerinnen hatten daher ausgiebig Gelegenheit, sich – auch mündlich – zu äußern.

    73.

    Angesichts dessen ist das Argument, das Gericht habe im Hinblick auf das Recht der Rechtsmittelführerinnen, mündlich gehört zu werden, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, und somit auch das Rechtsmittel zurückzuweisen.

    d) Hilfserwägungen: Folgen der Verletzung der Verfahrensrechte der Rechtsmittelführerinnen

    74.

    Für den Fall, dass der Gerichtshof – anders als ich – zu der Auffassung gelangen sollte, dass die Rechtsmittelführerinnen ein Recht auf Anhörung in camera hatten, möchte ich Folgendes anmerken.

    75.

    Nach der Rechtsprechung liegt eine Verletzung der Verteidigungsrechte vor, wenn aufgrund eines von der Kommission begangenen Fehlers das von ihr durchgeführte Verwaltungsverfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Zum Nachweis eines solchen Verstoßes braucht ein Unternehmen nicht darzutun, dass die Entscheidung der Kommission einen anderen Inhalt gehabt hätte, sondern das Unternehmen muss nur hinreichend belegen, dass es sich ohne den Fehler besser hätte verteidigen können ( 34 ).

    76.

    Allerdings ist der Nachweis einer Verletzung nicht immer einfach ( 35 ). Dies kann verschiedene Gründe haben, wie etwa die vollständige oder teilweise Unzulässigkeit eines Rechtsmittelgrundes oder schlichtweg die fehlende Feststellung eines Rechtsfehlers ( 36 ). Andererseits hat der Gerichtshof in Fällen, in denen eine verfahrensmäßige Unregelmäßigkeit auf der Hand lag, minutiös die Beurteilung des Gerichts im Hinblick darauf überprüft, ob sich das Unternehmen ohne die Unregelmäßigkeit besser hätte verteidigen können ( 37 ), und nötigenfalls auf Nichtigkeit erkannt – und dies zu Recht, denn die Beweisanforderungen dürfen nicht zu hoch sein und etwaige Zweifel müssen zugunsten des klagenden Unternehmens ausgelegt werden ( 38 ).

    77.

    Grundsätzlich frage ich mich, weshalb die Beweislast als solche beim betroffenen Unternehmen liegen sollte. Die Vermutung der Rechtmäßigkeit der Handlungen der Organe darf schließlich nicht uneingeschränkt gelten. Hat ein klagendes Unternehmen dargetan, dass eine Kommissionsentscheidung mit einem Verfahrensfehler behaftet ist, darf diese Vermutung nicht mehr greifen. Vielmehr sollte es Sache der Kommission sein, nachzuweisen, dass der Fehler sich nicht auf den Inhalt der Entscheidung ausgewirkt hat.

    78.

    Die Rechtsmittelführerinnen legen nicht konkret dar, inwieweit es denkbar ist, dass das Verwaltungsfahren zu einem anderen Ergebnis hätte führen können. Dennoch lässt sich dem angefochtenen Urteil sowie den Schriftsätzen der Rechtsmittelführerinnen (sowohl im ersten Rechtszug als auch im Rechtsmittelverfahren) entnehmen, dass sie der Auffassung waren, sie könnten im Rahmen einer Anhörung in camera versuchen, die Kommission davon zu überzeugen, dass die Rechtsmittelführerinnen aufgrund der Rolle von Degussa keine Verantwortung oder allenfalls eine verminderte Verantwortung für die in Rede stehende Zuwiderhandlung treffe. In der mündlichen Verhandlung wurde dies bestätigt.

    79.

    Meiner Meinung nach ist zu unterscheiden zwischen einer Prüfung der Frage, ob eine Partei sich besser hätte verteidigen können, wenn ihr Einsicht in die gesamten Fallakten gewährt worden wäre, und der Frage, ob sie sich besser hätte verteidigen können, wenn ihr eine Anhörung in camera zugebilligt worden wäre. Während die Bedeutung rechtswidrig vorenthaltener Dokumente im Nachhinein beurteilt werden kann ( 39 ), ist dies in Bezug auf die Bedeutung einer Anhörung in camera nicht möglich: Man kann nie völlig sicher sein, was bei solchen Zusammenkünften letztlich geschieht. Eine Partei ist auch nicht daran gehindert, der Kommission bei einer solchen Zusammenkunft anderweitige einschlägige vertrauliche Informationen vorzulegen, die zuvor noch nicht zur Sprache gekommen sind. Falls also ein Recht auf Anhörung in camera vor der Kommission besteht und – wie im vorliegenden Fall – lediglich eine einzige Anhörung durchgeführt wird, dann kann die berechtigte Partei, der die Anhörung verwehrt wird, nur als überhaupt nicht angehört betrachtet werden ( 40 ). Da Gerechtigkeit sichtbar geübt werden muss, bin ich ganz und gar nicht von der These überzeugt, eine antizipierende Verweigerung einer Anhörung in camera sei mit der Begründung zulässig, dass diese Anhörung der Partei unter keinen Umständen hätte weiterhelfen können.

    80.

    Außerdem genügt es nicht, der Partei, der die Anhörung versagt wird, als Ausgleich Gelegenheit zu weiteren schriftlichen Ausführungen zu geben. Eine schriftliche Aussage kann eine Anhörung in camera nicht ersetzen, wenn einer Partei ein Anspruch auf deren Durchführung zusteht.

    81.

    Dies führt mich zum letzten Punkt: Meines Erachtens kann den Rechtsmittelführerinnen nicht entgegengehalten werden, sie hätten sich nicht gegen die Feststellungen des Gerichts zum zweiten Teil ihres fünften Nichtigkeitsgrundes gewandt, der das geltend gemachte Vorliegen mildernder Umstände bezüglich der Rolle von Degussa betraf. Die Entscheidung, kein Rechtsmittel einzulegen, impliziert kein Anerkenntnis. Zudem braucht der Gerichtshof lediglich zu prüfen, ob die Rechtsmittelführerinnen dargetan haben, dass sie sich besser hätten verteidigen können, wenn sie die Gelegenheit gehabt hätten, in camera angehört zu werden.

    82.

    Ich meine, dass es sich so verhält. Sollte der Gerichtshof entscheiden, dass den Rechtsmittelführerinnen ein Recht auf Anhörung in camera vor der Kommission zustand, wäre dementsprechend das angefochtene Urteil wegen Verletzung wesentlicher Formvorschriften, nämlich Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 773/2004 in Verbindung mit Art. 14 Abs. 6 der Verordnung, aufzuheben. Da der Gerichtshof über hinreichende Informationen verfügt, um über die im ersten Rechtszug erhobene Klage zu entscheiden, ist gemäß dem ursprünglichen Klageantrag auch die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären.

    83.

    Da ich jedoch nach wie vor der Ansicht bin, dass den Rechtsmittelführerinnen kein solches Recht zusteht, ist dementsprechend das Rechtsmittel zurückzuweisen.

    VI – Kosten

    84.

    Nach Art. 184 Abs. 2 der Verfahrensordnung entscheidet der Gerichtshof über die Kosten, wenn das Rechtsmittel unbegründet ist. Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung, der nach ihrem Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren anwendbar ist, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    85.

    Da die Kommission beantragt hat, den Rechtsmittelführerinnen die Kosten aufzuerlegen, und die Rechtsmittelführerinnen mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind diese zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

    VII – Ergebnis

    86.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor,

    das Rechtsmittel zurückzuweisen;

    die Rechtsmittelführerinnen zur Tragung der Kosten zu verurteilen.


    ( 1 ) Originalsprache: Englisch.

    ( 2 ) Urteil vom 23. Januar 2014 in der Rechtssache SKW Stahl-Metallurgie Holding und SKW Stahl-Metallurgie/Kommission (T‑384/09, EU:T:2014:27, im Folgenden: angefochtenes Urteil).

    ( 3 ) Entscheidung der Kommission vom 22. Juli 2009 (K[2009] 5791 endg.) in einem Verfahren nach Artikel 81 [EG] und Artikel 53 [des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, ABl. 1994, L 1, S. 3 (im Folgenden: EWR-Abkommen)] (Sache COMP/39.396 – Calciumcarbid und Reagenzien auf Magnesiumbasis für die Stahl- und Gasindustrie, ABl. 2009, C 301, S. 18, im Folgenden: streitige Entscheidung).

    ( 4 ) In den vorliegenden Schlussanträgen ist unter „Anhörung in camera“ eine Zusammenkunft einer Partei mit der entscheidungsbefugten Behörde ohne Anwesenheit anderer Verfahrensbeteiligter (ex parte in camera) zu verstehen und nicht eine nicht öffentliche Verhandlung.

    ( 5 ) Verordnung des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) in geänderter Fassung.

    ( 6 ) Verordnung (EG) Nr. 773/2004 der Kommission vom 7. April 2004 über die Durchführung von Verfahren auf der Grundlage der Artikel 81 und 82 EG-Vertrag durch die Kommission (ABl. 2006, L 362, S. 1) in geänderter Fassung.

    ( 7 ) Es wird auf die Rn. 1 bis 4 des angefochtenen Urteils (nur in deutscher und in französischer Sprachfassung verfügbar) verwiesen.

    ( 8 ) Zu diesen Elementen gehören i), dass SKW Teil des Geschäftsbereichs „Powders and Granulates“ von SKW Holding gewesen sei, ii), dass SKW Holding an den im Tagesgeschäft anfallenden Kontakten von SKW teilgenommen habe, iii), dass SKW Holding für die strategische Entwicklung von SKW zuständig gewesen sei, iv), dass SKW Holding Entscheidungen über Personal, Einstellungen und Finanzierung getroffen habe, v), dass SKW der SKW Holding monatlich über Finanzdaten berichtet habe, vi), dass SKW die Unterschrift eines Vorstandsmitglieds von SKW Holding benötigt habe, um Verträge mit Banken abzuschließen, und vii), dass das von SKW erzielte Einkommen zu den wirtschaftlichen Leistungsdaten von SKW Holding beigetragen habe. Die Kommission fand keine Anhaltspunkte zum Beleg der Behauptung, dass SKW Holding lediglich Handelsvertreter der Evonik Degussa GmbH (im Folgenden: Degussa) oder lediglich Finanzinvestor gewesen sei.

    ( 9 ) Es wird auf die Rn. 24 bis 33 des angefochtenen Urteils verwiesen.

    ( 10 ) Ich möchte darauf hinweisen, dass es im Schreiben der Anhörungsbeauftragten vom 6. November 2008 tatsächlich heißt, dass die Angaben zum Verhalten von Degussa relevant sein könnten, „um [die Rechtsmittelführerinnen] von der Haftung zu entlasten oder als mildernder Umstand berücksichtigt zu werden“ (Hervorhebung nur hier). Das Schreiben enthält keinen Anhaltspunkt zur Bestätigung der These, die Anhörungsbeauftragte habe die Argumentation der Rechtsmittelführerinnen ausschließlich als Vortrag mildernder Umstände gewertet (siehe unten, Nr. 31).

    ( 11 ) ABl. 2009, C 301, S. 16 und 17.

    ( 12 ) Urteil Sumitomo Metal Industries und Nippon Steel/Kommission (C‑403/04 P und C‑405/04 P, EU:C:2007:52, Rn. 46). Vgl. in diesem Sinne auch Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 335).

    ( 13 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Total/Kommission (C‑597/13 P, EU:C:2015:207, Nr. 133).

    ( 14 ) C‑231/11 P bis C‑233/11 P, EU:C:2014:256, mit dem das Urteil des Gerichts Siemens und VA Tech Transmission & Distribution/Kommission (T‑122/07 bis T‑124/07, EU:T:2011:70) aufgehoben wurde.

    ( 15 ) Es wird auf die Rn. 19 bis 63 des angefochtenen Urteils verwiesen.

    ( 16 ) Vgl. Urteil Elf Aquitaine/Kommission (C‑521/09 P, EU:C:2011:620, Rn. 113 und 115).

    ( 17 ) Die Rechtslage hat sich im Laufe der Zeit gewandelt. Art. 7 Abs. 1 der Verordnung Nr. 99/63/EWG der Kommission vom 25. Juli 1963 über die Anhörung nach Artikel 19 Absätze (1) und (2) der Verordnung Nr. 17 des Rates (ABl. 1963, Nr. 127, S. 2268) bestimmte, dass „[d]ie Kommission … Personen, die dies in ihrer schriftlichen Äußerung beantragt haben, Gelegenheit zur mündlichen Erläuterung [gibt], wenn sie ein ausreichendes Interesse glaubhaft machen oder wenn die Kommission eine Geldbuße oder ein Zwangsgeld gegen sie festsetzen will“. Später hieß es in Art. 8 der Verordnung (EG) Nr. 2842/98 der Kommission vom 22. Dezember 1998 über die Anhörung in bestimmten Verfahren nach Artikel 85 und 86 EG-Vertrag (ABl. 1998, L 354, S. 18) einfach, dass „[d]ie Kommission … in geeigneten Fällen den Antragstellern und Beschwerdeführern die Möglichkeit geben [kann], ihre Auffassung mündlich vorzutragen, wenn sie dies in ihrer schriftlichen Äußerung beantragen“.

    ( 18 ) Vgl. Urteil Thyssen Stahl/Kommission (C‑194/99 P, EU:C:2003:527, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 19 ) Vgl. u. a. Urteil des EGMR vom 29. September 2011 in der Rechtssache Flisar/Slowenien. Auch in Gerichtsverfahren, in denen es zu strafrechtlichen Sanktionen kommen kann, sind Anhörungen nicht immer zwingend vorgeschrieben – vgl. u. a. Urteil des EGMR in der Rechtssache Jussila/Finnland (GK, Beschwerde Nr. 73053/01, Sammlung 2006‑XIII, § 43).

    ( 20 ) Das hat die Kommission jedoch nicht von erneuten Ausführungen dahin abgehalten, die Rechtsmittelführerinnen hätten erstens eingeräumt, dass Degussa bekannt gewesen sein müsse, dass die Rechtsmittelführerinnen sich in ihrer Stellungnahme zur Mitteilung der Beschwerdepunkte zum Nachteil von Degussa geäußert hätten, und Degussa müsse zweitens auch die Gründe für die Behauptung der Rechtsmittelführerinnen gekannt haben, dass SKW von Degussa ferngesteuert worden sei, so dass Zweifel an der Vertraulichkeit der Informationen im Verhältnis zu Degussa bestünden.

    ( 21 ) Außer bei einem völligen Verzicht auf eine mündliche Verhandlung, besteht auch kein Anspruch, nicht in camera gehört zu werden.

    ( 22 ) Vgl. Art. 31 der Satzung, Art. 79 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 109 der Verfahrensordnung des Gerichts und Art. 63 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichts für den öffentlichen Dienst.

    ( 23 ) Vgl. Art. 63 der Verfahrensordnung des EGMR vom 1. Juni 2015; vgl. auch Art. A1 Abs. 5.

    ( 24 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil ZZ (C‑300/11, EU:C:2013:363, Rn. 56).

    ( 25 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil Aalborg Portland u. a./Kommission (C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, EU:C:2004:6, Rn. 200).

    ( 26 ) Vgl. in diesem Sinne Urteil des Gerichts LG Display und LG Display Taiwan/Kommission (T‑128/11, EU:T:2014:88, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung) (bestätigt durch das Urteil LG Display und LG Display Taiwan/Kommission, C‑227/14 P, EU:C:2015:258).

    ( 27 ) Es dürfte jedoch klar sein, dass es sich bei der Begründungspflicht um eine Frage handelt, die von der Stichhaltigkeit der Begründung zu unterscheiden ist – vgl. u. a. Urteil Niederlande/Kommission (C‑159/01, EU:C:2004:246, Rn. 65 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 28 ) Vgl. Art. 339 AEUV, Art. 28 („Berufsgeheimnis“) der Verordnung Nr. 1/2003 und Art. 16 („Kenntlichmachung und Schutz vertraulicher Informationen“) der Verordnung Nr. 773/2004.

    ( 29 ) Dies wird dadurch verdeutlicht, dass die Rechtsmittelführerinnen in ihrem Schreiben vom 28. Januar 2009 (oben, Nr. 13) ausführen, dass „es unseren Mandantinnen aus unternehmerischer Sicht nach wie vor unmöglich ist, die Rolle von Degussa in einer öffentlichen Sitzung zu erörtern“.

    ( 30 ) Nach dem im Urteil Adams/Kommission (145/83, EU:C:1985:448) entwickelten Grundsatz.

    ( 31 ) Vgl. i) zum Recht zur Einreichung von Petitionen beim Europäischen Parlament Urteil Schönberger/Parlament (C‑261/13 P, EU:C:2014:2423, Rn. 23 und 24), ii) zu von der Kommission zurückgewiesenen Beschwerden über ein gerügtes wettbewerbswidriges Verhalten Urteil des Gerichts Automec/Kommission (T‑24/90, EU:T:1992:97, Rn. 71 bis 79) und iii) zu Klagen auf Nichtigerklärung von Kommissionsentscheidungen über die Nichteinleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen einen Mitgliedstaat Beschluss Ruipérez Aguirre und ATC Petition/Kommission (C‑111/11 P, EU:C:2011:491, Rn. 11 bis 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 32 ) Vgl. Urteil FIAMM u. a./Rat und Kommission (C‑120/06 P und C‑121/06 P, EU:C:2008:476, Rn. 187 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 33 ) Vgl. Art. 12 Abs. 4 des Beschlusses des Präsidenten der Europäischen Kommission vom 13. Oktober 2011 über Funktion und Mandat des Anhörungsbeauftragten in bestimmten Wettbewerbsverfahren (ABl. 2011, L 275, S. 29).

    ( 34 ) Vgl. Urteil Thyssen Stahl/Kommission (C‑194/99 P, EU:C:2003:527, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    ( 35 ) Vgl. z. B. Urteil SGL Carbon/Kommission (C‑308/04 P, EU:C:2006:433, Rn. 97 und 98) betreffend eine Rüge unzureichender Akteneinsicht.

    ( 36 ) Vgl. ebd. (Rn. 95 und 96).

    ( 37 ) Im Urteil Foshan Shunde Yongjian Housewares & Hardware/Rat (C‑141/08 P, EU:C:2009:598) hat sich der Gerichtshof den Schlussanträgen der Generalanwältin Sharpston (EU:C:2009:307) nicht angeschlossen und das Urteil des Gerichts aufgehoben, das trotz des von der Kommission begangenen Verstoßes gegen die Vorschrift, der zufolge für die Einreichung einer Stellungnahme eine Mindestfrist von zehn Tagen eingeräumt werden muss, die Möglichkeit eines anderen Ergebnisses eines Antidumpingzoll-Verfahrens ausgeschlossen hatte (vgl. insbesondere Rn. 88, 94, 96 und 102 bis 104). Das Nichtabwarten der Frist vor Zuleitung eines Vorschlags für endgültige Maßnahmen an den Rat kommt einer völligen Unterlassung der Anhörung des Unternehmens gleich.

    ( 38 ) Ebenso Craig, P., EU Administrative Law, 2. Aufl., Oxford, 2012, S. 333.

    ( 39 ) Vgl. z. B. Urteil Limburgse Vinyl Maatschappij u. a./Kommission (C‑238/99 P, C‑244/99 P, C‑245/99 P, C‑247/99 P, C‑250/99 P bis C‑252/99 P und C‑254/99 P, EU:C:2002:582, Rn. 649 bis 688).

    ( 40 ) Insoweit ähnelt die Situation dem Sachverhalt, der dem Urteil Foshan Shunde Yongjian Housewares & Hardware/Rat (C‑141/08 P, EU:C:2009:598) zugrunde lag.

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