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Dokument 62014CJ0178

Urteil des Gerichtshofs (Siebte Kammer) vom 5. März 2015.
Vario Tek GmbH gegen Hauptzollamt Düsseldorf.
Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts Düsseldorf.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Tarifierung – Position 8525 80 – Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videokameraaufnahmegeräte (Camcorder) – Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 – In Sportbrillen eingebaute Videokameras – ‚Optische Zoomfunktion‘ – Speichern von Dateien externer Signalquellen.
Rechtssache C-178/14.

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2015:152

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Siebte Kammer)

5. März 2015(*)

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion und Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Tarifierung – Position 8525 80 – Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videokameraaufnahmegeräte (Camcorder) – Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 – In Sportbrillen eingebaute Videokameras – ‚Optische Zoomfunktion‘ – Speichern von Dateien externer Signalquellen“

In der Rechtssache C‑178/14

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Düsseldorf (Deutschland) mit Entscheidung vom 2. April 2014, beim Gerichtshof eingegangen am 11. April 2014, in dem Verfahren

Vario Tek GmbH

gegen

Hauptzollamt Düsseldorf

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.‑C. Bonichot sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça und C. Lycourgos (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–        der Vario Tek GmbH, vertreten durch Steuerberater P. Mönnighoff,

–        der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Caeiros und B.‑R. Killmann als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der Fassung der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 (ABl. L 282, S. 1) (im Folgenden: KN).

2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Vario Tek GmbH (im Folgenden: Vario Tek) und dem Hauptzollamt Düsseldorf (im Folgenden: Hauptzollamt) über die zolltarifliche Einreihung von in Sportbrillen eingebauten Videokameras.

 Rechtlicher Rahmen

3        Die mit der Verordnung Nr. 2658/87 geschaffene KN beruht auf dem Harmonisierten System für die Bezeichnung und Codierung der Waren, das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), ausgearbeitet und mit dem am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt wurde. Dieses Übereinkommen wurde mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) genehmigt.

4        Teil II („Zolltarif“) der KN enthält einen Abschnitt XVI, der u. a. das Kapitel 85 („Elektrische Maschinen, Apparate, Geräte und andere elektronische Waren, Teile davon; Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte, Bild- und Tonaufzeichnungs- oder ‑wiedergabegeräte, für das Fernsehen, Teile und Zubehör für diese Geräte“) umfasst.

5        Anmerkung 3 unter der Überschrift des genannten Abschnitts XVI lautet:

„Soweit nichts anderes bestimmt ist, sind kombinierte Maschinen aus zwei oder mehr Maschinen verschiedener Art, die zusammen arbeiten sollen und ein Ganzes bilden, sowie Maschinen, die ihrer Beschaffenheit nach dazu bestimmt sind, zwei oder mehrere verschiedene, sich abwechselnde oder ergänzende Tätigkeiten (Funktionen) auszuführen, nach der das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit (Hauptfunktion) einzureihen.“

6        Kapitel 85 der KN enthält u. a. folgende Positionen und Unterpositionen:

„8525

Sendegeräte für den Rundfunk oder das Fernsehen, auch mit eingebautem Empfangsgerät oder Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegerät; Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videokameraaufnahmegeräte:

8525 80

− Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videokameraaufnahmegeräte:

8525 80 30

− − digitale Fotoapparate

 

− − Videokameraaufnahmegeräte:

8525 80 91

− − − nur mit Aufzeichnungsmöglichkeit des durch die Kamera aufgenommenen Tons und Bildes

8525 80 99

− − − andere“

7        Gemäß dem Anhang der in Anwendung von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 2658/87 erlassenen Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1249/2011 der Kommission vom 29. November 2011 zur Einreihung bestimmter Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 319, S. 39) werden die in der ersten Spalte der in diesem Anhang wiedergegebenen Tabelle beschriebenen Waren in die Kombinierte Nomenklatur unter die in Spalte 2 dieser Tabelle genannten KN-Codes eingereiht. Zu Unterposition 8525 80 99 sieht diese Tabelle vor:

„Tragbares batteriebetriebenes Gerät zum Aufnehmen und Aufzeichnen von Videosequenzen mit Abmessungen von etwa 10 × 5,5 × 2 cm (sogenannter ‚Videorekorder im Taschenformat‘), bestehend aus:

– einem Kameraobjektiv und einem Digital-Zoom,

– einem Mikrofon,

– einem Lautsprecher

– einer Flüssigkristallanzeige mit einer Diagonale von etwa 5 cm (2 Zoll),

– einem Mikroprozessor,

– einem Speicher mit einer Kapazität von 2 GB,

– USB- und AV-Schnittstellen.

Das Gerät kann nur Videodateien als Bildsequenzen im Format MPEG4-AVI aufnehmen und aufzeichnen. Die Aufzeichnung erfolgt mit einer Auflösung von 640 × 480 Pixeln bei je 30 Bildern pro Sekunde mit einer Aufzeichnungsdauer von maximal 2 Stunden.

Die mit dem Gerät aufgenommenen Videosequenzen können entweder ohne Änderung des Formats der Videodateien über die USB-Schnittstelle an eine automatische Datenverarbeitungsmaschine oder über die AV-Schnittstelle an einen digitalen Videorekorder, einen Monitor oder ein Fernsehempfangsgerät gesendet werden.

Videodateien können über die USB-Schnittstelle von einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine an das Gerät gesendet werden.“

8525 80 99

Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur sowie nach dem Wortlaut der KN-Codes 8525, 8525 80 und 8525 80 99.

Da das Gerät nur Videosequenzen aufzeichnen kann, ist eine Einreihung in den KN-Code 8525 80 30 als digitaler Fotoapparat ausgeschlossen. Seinen Merkmalen nach ist das Gerät ein Videokameraaufnahmegerät.

Da das Gerät Videodateien aus anderen Quellen als der eingebauten Fernsehkamera aufzeichnen kann, ist eine Einreihung in den KN-Code 8525 80 91 als Videokameraaufnahmegerät nur mit Aufzeichnungsmöglichkeit des durch die Kamera aufgenommenen Tons und Bildes ausgeschlossen.

Die Ware ist daher als anderes Videokameraaufnahmegerät in den KN-Code 8525 80 99 einzureihen.

8        Die Erläuterungen zur KN (ABl. 2011, C 137, S. 1) beziehen sich auf die KN in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 861/2010 der Kommission vom 5. Oktober 2010 (ABl. L 284, S. 1). Doch haben die Position 8525 und die Unterpositionen 8525 80 30, 8525 80 91 und 8525 80 99 in den Verordnungen Nrn. 861/2010 und 1006/2011 den gleichen Wortlaut. In diesen Erläuterungen heißt es:

„8525

Sendegeräte für den Rundfunk oder das Fernsehen, auch mit eingebautem Empfangsgerät oder Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegerät; Fernsehkameras, digitale Fotoapparate und Videokameraaufnahmegeräte

8525 80 30

Digitale Fotoapparate

Digitale Fotoapparate dieser Unterposition können immer Fotos aufnehmen und sie entweder auf einem internen Speichermedium oder einem Wechseldatenträger speichern.

Das Design der meisten Fotoapparate dieser Unterposition entspricht dem herkömmlicher Fotoapparate. Sie verfügen für gewöhnlich nicht über ein aufklappbares Sucherdisplay.

Diese Fotoapparate verfügen zum Teil über Videofunktionen, mit denen Videosequenzen aufgenommen werden können.

Fotoapparate werden in diese Unterposition eingereiht, es sei denn, sie sind in der Lage, bei Ausnutzung der maximalen Speicherkapazität in einer Auflösung von 800 × 600 Pixel (oder höher) bei 23 Bildern pro Sekunde (oder mehr) mindestens 30 Minuten einer einzelnen Videosequenz aufzunehmen.

Im Gegensatz zu den Videokameraaufnahmegeräten der Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 bieten viele digitale Fotoapparate beim Gebrauch als Videokamera keine optische Zoomfunktion während der Videoaufnahme. Unabhängig von der Speicherkapazität beenden einige Kameras Videoaufnahmen automatisch nach einer bestimmten Zeit.

8525 80 91

und

8525 80 99

Videokameraaufnahmegeräte

Videokameraaufnahmegeräte dieser Unterpositionen können immer Videosequenzen aufnehmen und entweder auf einem internen Speichermedium oder einem Wechseldatenträger speichern.

Gewöhnlich unterscheidet sich das Design der Videokameraaufnahmegeräte dieser Unterpositionen von dem der digitalen Fotoapparate der Unterposition 8525 80 30. Sie verfügen oft über ein aufklappbares Sucherdisplay und häufig wird eine Fernbedienung mitgeliefert. Während der Videoaufnahmen bieten sie immer eine optische Zoomfunktion.

Diese Videokameraaufnahmegeräte können auch Fotos speichern.

Digitale Fotoapparate sind von diesen Unterpositionen ausgeschlossen, wenn sie nicht in der Lage sind, bei Ausnutzung der maximalen Speicherkapazität in einer Auflösung von 800 × 600 Pixel (oder höher) bei 23 Bildern pro Sekunde (oder mehr) mindestens 30 Minuten einer einzelnen Videosequenz aufzuzeichnen.

8525 80 99

andere

Hierher gehören Videokameraaufnahmegeräte (sog. Camcorder), mit denen nicht nur die von der Kamera aufgenommenen Töne und Bilder, sondern auch Signale externer Quellen (z. B. von DVD-Playern, automatischen Datenverarbeitungsmaschinen oder Fernsehempfangsgeräten) aufgezeichnet werden können. Die aufgezeichneten Bilder können über ein externes Fernsehempfangsgerät oder einen Monitor wiedergegeben werden.

Hierher gehören auch ‚Camcorder‘, bei denen der Videoeingang durch eine Abdeckung (Blende) oder auf andere Weise verschlossen ist oder bei denen der Videoanschluss erst nachträglich mit Hilfe von Software als Videoeingang aktiviert werden kann. Die Geräte sind aufgrund ihrer Beschaffenheit trotzdem in der Lage, Fernsehprogramme oder andere extern eingehende Signale aufzuzeichnen.

Dagegen gehören ‚Camcorder‘, mit denen nur die von der Kamera aufgenommenen Bilder aufgezeichnet und über ein externes Fernsehempfangsgerät oder einen externen Monitor wiedergegeben werden können, zu Unterposition 8525 80 91.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9        Vario Tek führte Sportbrillen nebst Zubehör aus China nach Deutschland ein. In diese Sportbrillen waren sogenannte Action-Kameras eingebaut. Es handelt sich um Skibrillen, Taucherbrillen und sogenannte Off-Road-Brillen.

10      Die eingebaute Kamera nimmt Videosequenzen mit 30 oder 60 Bildern je Sekunde in einer Auflösung mit HD-Qualität oder 1280 × 720 Pixeln auf. Sie eignet sich auch zur Aufnahme von Einzelbildern. Die Dauer der aufgenommenen Videosequenzen ist allein durch den vorhandenen Speicherplatz und den Ladezustand des Akkumulators begrenzt. Die Videokamera verfügt über einen internen Speicher von 32 MB und kann mit einer Micro-SD-Karte als zusätzlicher Speicherplatz bestückt werden. Die von der Videokamera aufgenommenen Bilder und Videos können von einem in die Brille integrierten USB-Anschluss mit dem USB-Kabel ohne Einsatz eines weiteren Programms vom Wechseldatenträger auf einen PC übertragen werden. Über diesen USB-Anschluss können auch Video- oder Audio-Dateien auf die Kamera kopiert werden. Die Kameras verfügen nur über ein Objektiv mit Festbrennweite ohne Zoomfunktion und über ein LCD-Display zur Anzeige betriebsnotwendiger Informationen. Sie eignen sich nicht zum Ansehen der aufgenommenen oder auf der Sportbrille abgespeicherten Videosequenzen.

11      Am 8. Dezember 2011 meldete Vario Tek beim Hauptzollamt Skibrillen des Modells 337 „Summit Series Snow Board Goggle Cam FULL HD1080P“ und Off-Road-Brillen des Modells 367 „Impact Series Offroad Goggle Cam FULL HD1080P“ jeweils als Videokameraaufnahmegeräte unter der Unterposition 8525 80 91 KN zur Einfuhr an. Das Hauptzollamt überließ Vario Tek die Waren nach Entnahme von Proben und Erhebung von Zoll gemäß dieser Unterposition. Am 23. Januar 2012 beantragte Vario Tek die Überführung von Taucherbrillen des Modells 324 „Underwater Digital Camera Mask-Wide Angle Scuba Series HD1080P“ in den zollrechtlich freien Verkehr, die sie unter der Unterposition 8525 80 30 KN anmeldete. Das Hauptzollamt nahm diese Anmeldung an und überließ Vario Tek die Waren ebenfalls nach Entnahme von Proben. Die Sendung wurde zollfrei belassen.

12      Im Anschluss an eine nachträgliche Kontrolle dieser Einfuhren durch das Bildungs‑ und Wissenschaftszentrum der Bundesfinanzverwaltung befand das Hauptzollamt, dass die Skibrillen des Modells 337 und die Taucherbrillen des Modells 324 unter der Unterposition 8525 80 99 KN hätten angemeldet werden müssen, weil diese Modelle nicht nur die Aufzeichnung des durch die Kamera aufgenommenen Tons und Bildes ermöglichten, sondern mit dieser auch über den USB-Anschluss digitale Daten von einem externen Datenträger aufgenommen und gespeichert werden könnten.

13      Das Hauptzollamt wies daher die drei Sportbrillen-Modelle der Unterposition 8525 80 99 KN zu. Es erhob von Vario Tek mit Einfuhrabgabenbescheid vom 8. November 2012 für die Einfuhr vom 8. Dezember 2011 Zoll in Höhe von 2 787,04 Euro und mit Einfuhrabgabenbescheid vom 15. November 2012 für die Einfuhr vom 23. Januar 2012 Zoll in Höhe von 2 021,18 Euro.

14      Nachdem ihren Einsprüchen gegen diese Einfuhrabgabenbescheide beim Hauptzollamt kein Erfolg beschieden war, erhob Vario Tek Klage beim vorlegenden Gericht. Zur Begründung machte sie geltend, dass eine Einreihung in die Unterposition 8525 80 99 KN nicht schon wegen des alleinigen Umstands möglich sei, dass mit den Videokameras auf dem Wechseldatenträger Daten externer Signalquellen gespeichert werden könnten, da diese Kameras vor allem zur Aufzeichnung eigener Bilder und Videos bestimmt seien.

15      Das vorlegende Gericht fragt sich, ob nicht der Umstand, dass die Kameras keine „optische Zoomfunktion“ hätten, einer Einreihung der Sportbrillen unter die Unterpositionen 8525 80 91 oder 8525 80 99 KN entgegenstehe. Selbst wenn sie nicht in diese Unterpositionen einzureihen sein sollten, bestünden noch Zweifel, welche Bedeutung dem Umstand zukomme, dass mit den Brillen digitale Daten externer Signalquellen aufgenommen und gespeichert werden könnten.

16      Das Finanzgericht Düsseldorf hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.      Schließt der Umstand, dass eine Videokamera nicht über Zoommöglichkeiten verfügt, ihre Zuweisung in die Unterposition 8525 80 9 KN aus?

2.      Hat, sollte die erste Frage verneint werden, ein Videokameraaufnahmegerät schon dann eine Aufzeichnungsmöglichkeit des durch die Kamera aufgenommenen Tons und Bildes im Sinne der Unterposition 8525 80 91 KN, wenn auf dem zum Betrieb der Kamera erforderlichen Wechseldatenträger über einen USB-Anschluss der Kamera von einem anderen Gerät eine Video- oder Audiodatei kopiert werden kann, ohne dass diese Datei allein mit der Kamera sichtbar oder hörbar gemacht werden kann?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

17      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass in Sportbrillen eingebaute Videokameras wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keine „optische Zoomfunktion“ bieten, der Einreihung dieser Brillen in die Unterpositionen 8525 80 91 oder 8525 80 99 KN als „Videokameraaufnahmegeräte“ entgegensteht.

18      Zunächst ist hervorzuheben, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren auf dem Gebiet der zolltariflichen Einreihung Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Kriterien aufzuzeigen, anhand deren es die betreffenden Waren ordnungsgemäß in die KN einreihen kann, nicht aber, diese Einreihung selbst vorzunehmen, zumal der Gerichtshof nicht immer über alle hierfür erforderlichen Angaben verfügt. Das nationale Gericht ist zu der fraglichen Einreihung jedenfalls besser in der Lage (vgl. Urteile Proxxon, C‑500/04, EU:C:2006:111, Rn. 23, Digitalnet u. a., C‑320/11, C‑330/11, C‑382/11 und C‑383/11, EU:C:2012:745, Rn. 61, und Beschluss Mineralquelle Zurzach, C‑139/14, EU:C:2014:2313, Rn. 28).

19      Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, ob die Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sportbrillen, wie sie in der Vorlageentscheidung beschrieben sind, allen in den Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 KN genannten Merkmalen entsprechen. Diese Unterpositionen stehen unter der gemeinsamen Überschrift „Videokameraaufnahmegeräte“. Nach dem Wortlaut der Unterposition 8525 80 91 umfasst diese Videokameraaufnahmegeräte „nur mit Aufzeichnungsmöglichkeit des durch die Kamera aufgenommenen Tons und Bildes“. Der Wortlaut der Unterposition 8525 80 99 besteht nur aus dem Wort „andere“. Es handelt sich somit um eine Auffangkategorie für alle anderen Videokameraaufnahmegeräte als die der Unterposition 8525 80 91. Im Übrigen umfasst die Unterposition 8525 80 30 KN „digitale Fotoapparate“.

20      Nach den Erläuterungen zur KN bieten zum einen die Videokameraaufnahmegeräte der Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 „[w]ährend der Videoaufnahmen … immer eine optische Zoomfunktion“. Zum anderen heißt es in diesen Erläuterungen zur Unterposition 8525 80 30 nach einem Vergleich der Waren, die für die Einreihung in diese Unterposition in Betracht kommen, mit den Videokameraaufnahmegeräten der Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99, dass viele digitale Fotoapparate keine optische Zoomfunktion während der Videoaufnahme bieten.

21      Erstens ist zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Interesse der Rechtssicherheit und der leichteren Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren grundsätzlich in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. Urteil JVC France, C‑312/07, EU:C:2008:324, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22      Zweitens hat der Gerichtshof entschieden, dass die Erläuterungen zur KN ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen sind (Urteil Digitalnet u. a., C‑320/11, C‑330/11, C‑382/11 und C‑383/11, EU:C:2012:745, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Erläuterungen, die die Auslegung der KN im Hinblick auf die Einreihung erleichtern sollen, sind so auszulegen, dass die praktische Wirksamkeit der Unterpositionen der KN gewährleistet ist (vgl. Urteil Lukoyl Neftohim Burgas, C‑330/13, EU:C:2014:1757, Rn. 63). Der Inhalt dieser Erläuterungen muss daher mit den Bestimmungen der KN in Einklang stehen und darf deren Bedeutung nicht verändern. Sie sind nicht zu berücksichtigen, wenn sich herausstellt, dass sie dem Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln zuwiderlaufen (vgl. Urteil JVC France, EU:C:2008:324, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23      Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein kann, sofern er der Ware innewohnt, was sich nach der in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung anhand ihrer objektiven Merkmale und Eigenschaften beurteilen lässt, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. Urteile Medion und Canon Deutschland, C‑208/06 und C‑209/06, EU:C:2007:553, Rn. 37, British Sky Broadcasting Group und Pace, C‑288/09 und C‑289/09, EU:C:2011:248, Rn. 76, und Nutricia, C‑267/13, EU:C:2014:277, Rn. 21).

24      Zudem muss berücksichtigt werden, was in den Augen des Verbrauchers die Haupt‑ oder die Zusatzfunktion ausmacht (vgl. Urteil British Sky Broadcasting Group und Pace, EU:C:2011:248, Rn. 77).

25      Weiter ist hervorzuheben, dass in Anmerkung 3 unter der Überschrift des Abschnitts XVI der KN, der die Kapitel 84 und 85 umfasst, ausgeführt wird, dass, soweit nichts anderes bestimmt ist, Geräte, die ihrer Beschaffenheit nach dazu bestimmt sind, zwei oder mehrere verschiedene, sich abwechselnde oder ergänzende Tätigkeiten (Funktionen) auszuführen, nach der das Ganze kennzeichnenden Haupttätigkeit (Hauptfunktion) einzureihen sind.

26      Hinsichtlich der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sportbrillen ergibt sich aus den tatsächlichen Feststellungen des vorlegenden Gerichts, dass in diese Kameras eingebaut sind, die es ihren Benutzern ermöglichen, ihre Sportaktivitäten zu filmen, d. h. je nach Brillenmodell, das Skifahren, Tauchen oder Motorradfahren. Bei diesen Sportaktivitäten, die den Sporttreibenden physisch fordern, ihn ständig in Bewegung halten und ihm schnelle Reaktionen abverlangen, wäre aufgrund ihrer Natur die Aufnahme einzelner Bilder mittels der Kamera als digitaler Fotoapparat, auch wenn diese Option besteht, aus der Sicht des Verbrauchers eher ungewöhnlich. Daher ist aus der Sicht des Endverbrauchers die Aufnahme von Videosequenzen dieser Aktivitäten mittels der eingebauten Kamera die Hauptfunktion dieser Brillen.

27      Folglich genügt der Umstand, dass diese Brillen keine „Zoomfunktion“ bieten, nicht, um ihre Einreihung in die Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 KN auszuschließen.

28      Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass eine Einreihung dieser Brillen in die Unterposition 8525 80 30 KN als digitale Fotoapparate jedenfalls nicht ihrer Hauptfunktion entspräche. Im Übrigen schließen die Erläuterungen zur Unterposition 8525 80 30 KN von dieser diejenigen Apparate aus, die bei Ausnutzung ihrer maximalen Speicherkapazität für die Aufnahme einer Videosequenz von mindestens 30 Minuten in einer Auflösung von 800 × 600 Pixeln bei mindestens 23 Bildern pro Sekunde geeignet sind. Wie jedoch bereits in Rn. 10 des vorliegenden Urteils ausgeführt, übertreffen die Funktionen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sportbrillen diese technischen Merkmale hinsichtlich Videoaufnahmen.

29      Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass der Umstand, dass in Sportbrillen eingebaute Videokameras wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keine „optische Zoomfunktion“ bieten, nicht der Einreihung dieser Brillen in die Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 KN entgegensteht.

 Zur zweiten Frage

30      Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Umstand, dass in Sportbrillen eingebaute Videokameras wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Möglichkeit bieten, Video‑ oder Audiodateien von einer externen Signalquelle auf einem Wechseldatenträger aufzuzeichnen und zu speichern, die jedoch mit den Sportbrillen nicht autonom gelesen werden können, deren Einreihung in die Unterposition 8525 80 91 KN entgegensteht.

31      Wie in Rn. 19 des vorliegenden Urteils festgestellt, umfasst die Unterposition 8525 80 91 nach ihrem Wortlaut Videokameraaufnahmegeräte „nur mit Aufzeichnungsmöglichkeit des durch die Kamera aufgenommenen Tons und Bildes“. Dagegen umfasst die Unterposition 8525 80 99 alle anderen Videokameraaufnahmegeräte als die der Unterposition 8525 80 91.

32      Im Übrigen ergibt sich, wie der Gerichtshof bereits in den Rn. 39 und 41 des Urteils Medion und Canon Deutschland (EU:C:2007:553) entschieden hat, aus den Erläuterungen zur KN, dass der Unterschied zwischen den Camcordern der Unterposition 8525 80 91 und denen der Unterposition 8525 80 99 in der Fähigkeit der letztgenannten Geräte liegt, nicht nur mittels der eingebauten Kamera oder des eingebauten Mikrofons Ton‑ und Bildaufnahmen zu machen, sondern solche Aufnahmen auch dann aufzeichnen zu können, wenn sie aus anderen Quellen als der eingebauten Kamera oder dem eingebauten Mikrofon stammen. Das wesentliche Merkmal eines Camcorders der Unterposition 8525 80 99 ist also insbesondere die „dv‑in“-Funktion, d. h. seine Fähigkeit, extern eingehende Videosignale aufzuzeichnen. Es ist jedoch erforderlich, dass diese Camcorder für die Aufzeichnung extern eingehender Videosignale autonom verwendet werden können, d. h. unabhängig von Software- oder Hardware-Elementen, die nicht Teil der Originalausstattung sind. Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu beurteilen, wie komplex der durchzuführende Vorgang ist, wobei die Aufzeichnung einem Benutzer ohne besondere Kenntnisse mühelos möglich sein muss. Andernfalls sind die Waren nicht in die Unterposition 8525 80 99, sondern in die Unterposition 8525 80 91 KN einzureihen (vgl. entsprechend Urteil Medion und Canon, EU:C:2007:553, Rn. 43).

33      Im Übrigen ist bereits entschieden worden, dass ein Erzeugnis mit zwei möglichen Verwendungen, von denen eine nur eine rein theoretische Möglichkeit darstellt, aufgrund seiner objektiven Merkmale und Eigenschaften naturgemäß für die andere Verwendung bestimmt ist und folglich zur Tarifposition für diese Verwendung gehört (vgl. Urteil Sysmex Europe, C‑480/13, EU:C:2014:2097, Rn. 32).

34      Das vorlegende Gericht ist in dieser Hinsicht der Auffassung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sportbrillen, soweit mit ihnen über einen USB-Anschluss digitale Daten externer Signalquellen aufgenommen werden könnten, nur eine rein theoretische Möglichkeit zum Speichern von Video‑ oder Audiodateien von externen Signalquellen böten, da diese Brillen über keine technische Einrichtung verfügten, mit denen diese Dateien sichtbar oder hörbar gemacht werden könnten.

35      Ist die Möglichkeit, Video‑ oder Audiodateien von externen Signalquellen zu speichern, nur rein theoretisch, wäre eine solche Funktion nicht geeignet, diese Waren von der Unterposition 8525 80 91 KN auszuschließen.

36      Insoweit ist festzustellen, dass es nicht erheblich ist, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sportbrillen fähig sind, Audio‑ und Videodateien von einer externen Signalquelle autonom zu lesen, da angesichts des jeweiligen Wortlauts der Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 KN, der Bestimmungen der Durchführungsverordnung Nr. 1249/2011 zur Unterposition 8525 80 99 KN und der Erläuterungen zur KN für die Tarifierung dieser Sportbrillen allein die Fähigkeit, solche Audio‑ und Videodateien zu speichern, entscheidend ist. Somit ist ein Camcorder immer dann in die Unterposition 8525 80 99 KN einzureihen, wenn das Gerät die Möglichkeit bietet, Ton und Bild von externen Signalquellen als elektronische Dateien zu speichern, und es bleibt bei dieser Einreihung außer Betracht, ob diese elektronischen Dateien mittels des Camcorders selbst gelesen werden können oder nicht.

37      In diesem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass nach den Erläuterungen zur Unterposition 8525 80 99 KN die zu dieser Unterposition gehörenden Camcorder die Möglichkeit bieten müssen, die aufgezeichneten Audio‑ und Videodateien über ein externes Fernsehempfangsgerät oder einen Monitor wiederzugeben.

38      Es ist Sache des nationalen Gerichts, die Merkmale der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Sportbrillen im Hinblick auf die vorstehenden Erwägungen zu beurteilen.

39      Demnach ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass der Umstand, dass in Sportbrillen eingebaute Videokameras wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Möglichkeit bieten, Video‑ oder Audiodateien von einer externen Signalquelle auf einem Wechseldatenträger aufzuzeichnen und zu speichern, ihrer Einreihung in die Unterposition 8525 80 91 KN entgegensteht, wenn diese Aufzeichnung autonom und unabhängig von externem Material oder externer Software erfolgen kann.

 Kosten

40      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Siebte Kammer) für Recht erkannt:

1.      Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der Fassung der Verordnung (EU) Nr. 1006/2011 der Kommission vom 27. September 2011 ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass in Sportbrillen eingebaute Videokameras wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden keine „optische Zoomfunktion“ bieten, nicht der Einreihung dieser Brillen in die Unterpositionen 8525 80 91 und 8525 80 99 dieser Nomenklatur entgegensteht.

2.      Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 in der Fassung der Verordnung Nr. 1006/2011 ist dahin auszulegen, dass der Umstand, dass in Sportbrillen eingebaute Videokameras wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden die Möglichkeit bieten, Video- oder Audiodateien von einer externen Signalquelle auf einem Wechseldatenträger aufzuzeichnen und zu speichern, ihrer Einreihung in die Unterposition 8525 80 91 dieser Nomenklatur entgegensteht, wenn diese Aufzeichnung autonom und unabhängig von externem Material oder externer Software erfolgen kann.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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