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Dokument 62011CJ0530

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 13. Februar 2014.
Europäische Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten – Begriff ‚nicht übermäßig teures‘ Gerichtsverfahren.
Rechtssache C‑530/11.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2014:67

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

13. Februar 2014 ( *1 )

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats — Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten — Begriff ‚nicht übermäßig teures‘ Gerichtsverfahren“

In der Rechtssache C‑530/11

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 18. Oktober 2011,

Europäische Kommission, vertreten durch P. Oliver und L. Armati als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch C. Murrell, dann durch M. Holt als Bevollmächtigte im Beistand von J. Maurici, Barrister,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich Dänemark, vertreten durch C. H. Vang als Bevollmächtigten,

Irland, vertreten durch E. Creedon und A. Joyce als Bevollmächtigte im Beistand von E. Barrington und G. Gilmore, Barristers,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Juli 2013,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. September 2013

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten (ABl. L 156, S. 17) verstoßen hat, dass es die Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 dieser Richtlinie weder vollständig umgesetzt noch richtig angewandt hat.

Rechtlicher Rahmen

Übereinkommen von Aarhus

2

In der Präambel des am 25. Juni 1998 unterzeichneten und im Namen der Europäischen Gemeinschaft durch den Beschluss 2005/370/EG des Rates vom 17. Februar 2005 (ABl. L 124, S. 1) genehmigten Übereinkommens über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten (im Folgenden: Übereinkommen von Aarhus) heißt es:

„…

ferner in der Erkenntnis, dass jeder Mensch das Recht hat, in einer seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt zu leben, und dass er sowohl als Einzelperson als auch in Gemeinschaft mit anderen die Pflicht hat, die Umwelt zum Wohle gegenwärtiger und künftiger Generationen zu schützen und zu verbessern;

in Erwägung dessen, dass Bürger zur Wahrnehmung dieses Rechts und zur Erfüllung dieser Pflicht Zugang zu Informationen, ein Recht auf Beteiligung an Entscheidungsverfahren und Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten haben müssen, und in Anbetracht der Tatsache, dass sie in dieser Hinsicht gegebenenfalls Unterstützung benötigen, um ihre Rechte wahrnehmen zu können;

mit dem Anliegen, dass die Öffentlichkeit, einschließlich Organisationen, Zugang zu wirkungsvollen gerichtlichen Mechanismen haben soll, damit ihre berechtigten Interessen geschützt werden und das Recht durchgesetzt wird;

…“

3

Art. 1 („Ziel“) des Übereinkommens von Aarhus lautet:

„Um zum Schutz des Rechts jeder männlichen/weiblichen Person gegenwärtiger und künftiger Generationen auf ein Leben in einer seiner/ihrer Gesundheit und seinem/ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt beizutragen, gewährleistet jede Vertragspartei das Recht auf Zugang zu Informationen, auf Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und auf Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten in Übereinstimmung mit diesem Übereinkommen.“

4

Art. 3 („Allgemeine Bestimmungen“) Abs. 8 dieses Übereinkommens bestimmt:

„Jede Vertragspartei stellt sicher, dass Personen, die ihre Rechte im Einklang mit diesem Übereinkommen ausüben, hierfür nicht in irgendeiner Weise bestraft, verfolgt oder belästigt werden. Diese Bestimmung berührt nicht die Befugnis innerstaatlicher Gerichte, in Gerichtsverfahren angemessene Gerichtskosten zu erheben.“

5

Art. 9 („Zugang zu Gerichten“) des Übereinkommens sieht vor:

„(1)   Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass jede Person, die der Ansicht ist, dass ihr nach Artikel 4 gestellter Antrag auf Informationen nicht beachtet, fälschlicherweise ganz oder teilweise abgelehnt, unzulänglich beantwortet oder auf andere Weise nicht in Übereinstimmung mit dem genannten Artikel bearbeitet worden ist, Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle hat.

Für den Fall, dass eine Vertragspartei eine derartige Überprüfung durch ein Gericht vorsieht, stellt sie sicher, dass die betreffende Person auch Zugang zu einem schnellen, gesetzlich festgelegten sowie gebührenfreien oder nicht kostenaufwendigen Überprüfungsverfahren durch eine Behörde oder Zugang zu einer Überprüfung durch eine unabhängige und unparteiische Stelle, die kein Gericht ist, hat.

(2)   Jede Vertragspartei stellt im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit,

a)

die ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)

eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsprozessrecht einer Vertragspartei dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht und/oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiell-rechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die Artikel 6 und – sofern dies nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht vorgesehen ist und unbeschadet des Absatzes 3 – sonstige einschlägige Bestimmungen dieses Übereinkommens gelten.

(3)   Zusätzlich und unbeschadet der in den Absätzen 1 und 2 genannten Überprüfungsverfahren stellt jede Vertragspartei sicher, dass Mitglieder der Öffentlichkeit, sofern sie etwaige in ihrem innerstaatlichen Recht festgelegte Kriterien erfüllen, Zugang zu verwaltungsbehördlichen oder gerichtlichen Verfahren haben, um die von Privatpersonen und Behörden vorgenommenen Handlungen und begangenen Unterlassungen anzufechten, die gegen umweltbezogene Bestimmungen ihres innerstaatlichen Rechts verstoßen.

(4)   Zusätzlich und unbeschadet des Absatzes 1 stellen die in den Absätzen 1, 2 und 3 genannten Verfahren angemessenen und effektiven Rechtsschutz und, soweit angemessen, auch vorläufigen Rechtsschutz sicher; diese Verfahren sind fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer. …

(5)   Um die Effektivität dieses Artikels zu fördern, stellt jede Vertragspartei sicher, dass der Öffentlichkeit Informationen über den Zugang zu verwaltungsbehördlichen und gerichtlichen Überprüfungsverfahren zur Verfügung gestellt werden; ferner prüft jede Vertragspartei die Schaffung angemessener Unterstützungsmechanismen, um Hindernisse finanzieller und anderer Art für den Zugang zu Gerichten zu beseitigen oder zu verringern.“

Unionsrecht

6

Um zur Umsetzung der sich aus dem Übereinkommen von Aarhus ergebenden Verpflichtungen beizutragen, wurden durch die Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35 ein Art. 10a in die Richtlinie 85/337/EG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 175, S. 40) und ein Art. 15a in die Richtlinie 96/61/EG des Rates vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 257, S. 26), kodifiziert durch die Richtlinie 2008/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Januar 2008 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (ABl. L 24, S. 8), eingefügt.

7

In diesen Art. 10a und 15a, die nahezu den gleichen Wortlaut haben, heißt es:

„Die Mitgliedstaaten stellen im Rahmen ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften sicher, dass Mitglieder der betroffenen Öffentlichkeit, die

a)

ein ausreichendes Interesse haben oder alternativ

b)

eine Rechtsverletzung geltend machen, sofern das Verwaltungsverfahrensrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht eines Mitgliedstaats dies als Voraussetzung erfordert,

Zugang zu einem Überprüfungsverfahren vor einem Gericht oder einer anderen auf gesetzlicher Grundlage geschaffenen unabhängigen und unparteiischen Stelle haben, um die materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Rechtmäßigkeit von Entscheidungen, Handlungen oder Unterlassungen anzufechten, für die die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Öffentlichkeitsbeteiligung gelten.

Was als ausreichendes Interesse und als Rechtsverletzung gilt, bestimmen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Ziel, der betroffenen Öffentlichkeit einen weitreichenden Zugang zu Gerichten zu gewähren. …

Dieser Artikel schließt die Möglichkeit eines vorausgehenden Überprüfungsverfahrens bei einer Verwaltungsbehörde nicht aus und lässt das Erfordernis einer Ausschöpfung der verwaltungsbehördlichen Überprüfungsverfahren vor der Einleitung gerichtlicher Überprüfungsverfahren unberührt …

Die betreffenden Verfahren werden fair, gerecht, zügig und nicht übermäßig teuer durchgeführt.

…“

Vorgerichtliches Verfahren

8

Die Kommission wurde mit einer Beschwerde befasst, wonach das Vereinigte Königreich seine Verpflichtungen aus Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35 nicht erfüllt habe, soweit diese Bestimmungen erforderten, dass Gerichtsverfahren nicht übermäßig teuer seien. Am 23. Oktober 2007 forderte die Kommission den Mitgliedstaat auf, zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen.

9

Da die Kommission die Antworten für unbefriedigend hielt, richtete sie am 22. März 2010 an das Vereinigte Königreich eine mit Gründen versehene Stellungnahme, mit der sie feststellte, es habe gegen diese Verpflichtungen verstoßen, und es aufforderte, innerhalb von zwei Monaten die zur Abhilfe erforderlichen Maßnahmen zu erlassen.

10

Da die Antwort des Vereinigten Königreichs vom 19. Juli 2010 die Kommission ebenso wenig zufriedenstellte, hat sie die vorliegende Klage eingereicht.

11

Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 4. Mai 2012 sind das Königreich Dänemark und Irland als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Vereinigten Königreichs zugelassen worden.

Zur Klage

12

Die Kommission erhebt mit ihren verschiedenen Argumenten eine einzige Rüge, die mangelnde oder jedenfalls fehlerhafte Umsetzung von Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35, soweit diese vorsähen, dass die betreffenden Gerichtsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürften (im Folgenden: Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens).

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

13

Die Kommission macht in ihrer Klageschrift geltend, dass die Umsetzung einer Richtlinie nicht im Wege der Rechtsprechung erfolgen könne (Urteil vom 16. Juli 2009, Kommission/Irland, C-427/07, Slg. 2009, I-6277, Rn. 93 und 94) und dass jedenfalls die vom Vereinigten Königreich angeführte Rechtsprechung das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens nicht wahre.

14

Die Unzulässigkeitseinrede, die das Vereinigte Königreich gegen das Vorbringen der Kommission in Bezug auf die Definition und die Kriterien für die Beurteilung dieses Erfordernisses erhoben habe, könne keinen Erfolg haben, da in Anbetracht des Gegenstands der vorgebrachten Rüge selbst diese Themen zwangsläufig während des vorgerichtlichen Verfahrens behandelt worden seien. Gleiches gelte für das Vorbringen des Vereinigten Königreichs zur Berücksichtigung des hohen Betrags der Anwaltshonorare.

15

Weiter betreffe das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens sowohl die Verfahrenskosten als auch die Anwaltshonorare der klagenden Partei, die übrigen Kosten, die bei ihr anfallen könnten, sowie sämtliche Kosten möglicher Vorinstanzen, und verlange, dass diese verschiedenen Kosten sowohl dem Grundsatz als auch der Höhe nach hinreichend vorhersehbar seien.

16

In Bezug auf die Kostenregelung und insbesondere die Möglichkeit, dass das innerstaatliche Gericht einen „Kostenschutzbeschluss“ erlasse, der es erlaube, die Höhe der möglicherweise zu erstattenden Kosten in einem frühen Abschnitt des Verfahrens zu beschränken, bleibe die Rechtsprechung in England und Wales trotz der in dem Urteil R (Corner House Research)/Secretary of State for Trade & Industry ([2005] 1 W.L.R 2600) aufgestellten Beurteilungskriterien strittig und rechtlich unsicher. Zudem gewährten die Gerichte diese Schutzmaßnahmen nur selten. Das Urteil des Court of Appeal R (Garner)/Elmbridge Borough Council and Others vom 29. Juli 2010 ([2010] Civ 1006), das jedoch nach Ablauf der Frist ergangen sei, die in der in Rn. 9 des vorliegenden Urteils genannten begründeten Stellungnahme gesetzt worden sei, sei eine positive, aber noch keine ausreichende Entwicklung. Die möglicherweise erlangten Kostenbegrenzungen entsprächen nämlich in der Praxis sehr hohen Beträgen und verursachten Nebenstreitigkeiten, die zu einer Erhöhung der Gesamtkosten des Rechtsstreits führen könnten.

17

Dass die Parteien eine Versicherung abschließen könnten, beseitige nicht all diese Schwierigkeiten. Der Kläger, der ein erfolgsabhängiges Honorar vereinbart habe, könne, auch wenn er mit seiner Klage obsiege, gleichwohl zur Zahlung von Anwaltskosten verpflichtet sein, falls dem Beklagten eine „wechselseitige Kostenbegrenzung“ gewährt werde. Im Übrigen werde ein Kostenschutzbeschluss jedenfalls nur für die laufende Instanz erlassen.

18

Der Verstoß gegen das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens werde schließlich noch gravierender durch die Regelung des vorläufigen Rechtsschutzes, und zwar wegen der Praxis der Gerichte, vom Antragsteller „Gegenverpflichtungen“ zu verlangen, die hohe finanzielle Aufwendungen zur Folge haben könnten. Auch wenn diese finanziellen Gegenleistungen als solche nicht gegen die Richtlinie 2003/35 verstießen, müssten ihre Kosten jedoch bei der Untersuchung berücksichtigt werden.

19

Das Vereinigte Königreich tritt dem Vorbringen der Kommission entgegen.

20

Es wendet zunächst die Unzulässigkeit der Argumente der Kommission zu der Definition und den Kriterien für die Beurteilung des Begriffs „übermäßig teuer“ ein, da diese während des vorgerichtlichen Verfahrens nicht erwähnt worden seien. Gleiches gelte für das Vorbringen der Kommission zu den Anwaltshonoraren des Klägers.

21

Die Umsetzung einer Richtlinie könne im Wege der Rechtsprechung erfolgen. In dem von der Kommission angeführten Urteil Kommission/Irland habe der Gerichtshof nur deshalb einen Verstoß gegen die Umsetzungsverpflichtungen festgestellt, weil das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens, um das es auch in jener Sache gegangen sei, allein dadurch, dass das Gericht nach eigenem Ermessen habe davon absehen können, der unterliegenden Partei die Kosten aufzuerlegen, nicht hinreichend gewährleistet gewesen sei. Die Lage im Vereinigten Königreich sei anders, da das Gericht Schutzmaßnahmen, wie z. B. Kostenschutzbeschlüsse, erlassen könne. Zudem sei die Besonderheit seines Rechtssystems zu berücksichtigen, das aus dem Gewohnheitsrecht hervorgehe und im Wesentlichen auf Richterrecht und dem Grundsatz der Bindungswirkung von Präjudizien beruhe.

22

In Bezug auf die Kostenregelung weist das Vereinigte Königreich darauf hin, dass die zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften in England und Wales das Gericht verpflichteten, eine Entscheidung zu treffen, die unter Berücksichtigung der verschiedenen Umstände des Falles und der Notwendigkeit, die öffentlichen Finanzen nicht zu belasten, ein „gerechtes“ Urteil gewährleiste.

23

Zudem werde die Regel, nach der die unterliegende Partei unbedingt verpflichtet sei, die Kosten der anderen Partei zu tragen, vor allem in den Fällen des Umweltrechts in der Praxis weniger angewandt als in der Vergangenheit, und das Gericht erlasse den entsprechenden Beschluss unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte der Rechtssache. Im Übrigen könne der Kläger in diesen Rechtsstreitigkeiten häufig Prozesskostenhilfe in Anspruch nehmen und werde daher meist nicht zur Tragung der Kosten verurteilt.

24

Die Behörden und öffentlichen Einrichtungen, die im Prozess obsiegten, beantragten sehr häufig keine Verurteilung des Klägers zur Tragung der Kosten. Ferner werde einer öffentlichen Einrichtung die Zulassung eines Rechtsbehelfs bei einem höherrangigen Gericht bisweilen nur gewährt, wenn sie die Kosten beider Parteien übernehme.

25

Jedenfalls seien die Grundsätze zum Erlass eines Kostenschutzbeschlusses durch die Urteile des Court of Appeal „kodifiziert“ worden, was insoweit jede Unsicherheit der klagenden Partei ausschließe.

26

Schließlich sei das Ermessen, über das die innerstaatlichen Gerichte bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erlass eines Kostenschutzbeschlusses verfügten, nicht nur unvermeidlich, sondern auch erwünscht, da es eine Anpassung an die Umstände des Falles erlaube.

27

Ferner ergäben sich die hohen Anwaltskosten aus der Natur des Rechtssystems, das durch das streitige Verfahren gekennzeichnet sei und in dem die Mündlichkeit einen hohen Stellenwert einnehme. Jedenfalls sei zu berücksichtigen, dass die Erbringung rechtsbesorgender Dienstleistungen ein freier und wettbewerbsorientierter Markt sei und mehrere Mittel zur Begrenzung der Höhe dieser Kosten zur Verfügung stünden, z. B. die Vereinbarung erfolgsabhängiger Honorare, die in der Praxis durchaus die Regel sei.

28

In Bezug auf die Gegenverpflichtungen gegenüber einstweiligen Anordnungen führt das Vereinigte Königreich aus, dass in der Praxis bei einem hohen Anteil der Umweltstreitigkeiten allein aufgrund des Umstands, dass die Erteilung einer Genehmigung angefochten werde, die Aufnahme der Arbeiten oder anderer Tätigkeiten bis zur Beendigung des Rechtsstreits ausgesetzt werde. Im Übrigen könne dem Kläger vorläufiger Rechtsschutz ohne eine Gegenverpflichtung gewährt werden, wenn er über nur geringe Mittel verfüge. In jedem Fall stehe die Möglichkeit, Gegenverpflichtungen zu verlangen, gemäß dem Urteil vom 21. Februar 1991, Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest (C-143/88 und C-92/89, Slg. 1991, I-415, Rn. 32), im Einklang mit dem Unionsrecht, und ihre Gewährung beruhe auch auf Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über den Schutz des Eigentums.

29

Irland macht geltend, dass die Mitgliedstaaten über ein weites Ermessen bei der Umsetzung einer Richtlinie verfügten, und weist nachdrücklich darauf hin, dass den Besonderheiten eines „Common-law-Systems“ Rechnung getragen werden müsse. Die Ansicht der Kommission, dass die Gerichte bei der Kostenentscheidung über ein „Ermessen“ verfügten, trage daher dem Grundsatz der Bindungswirkung von Präjudizien, der es erlaube, eine gewisse rechtliche Vorhersehbarkeit sicherzustellen, nicht hinreichend Rechnung.

30

Was die Kostenregelung betreffe, verlange Art. 9 Abs. 5 des Übereinkommens von Aarhus nicht die Beseitigung aller finanziellen Aufwendungen. Zudem sorge die Möglichkeit, der unterliegenden Partei die Kosten aufzuerlegen, für die notwendige Disziplin, um der Einleitung missbräuchlicher Gerichtsverfahren vorzubeugen.

31

Die Frage der Gegenverpflichtungen falle nicht unter die Richtlinie 2003/35, da es sich nicht um Kosten in Verbindung mit dem Gerichtsverfahren im engeren Sinne handele. Solche Maßnahmen habe der Gerichtshof – wie Irland ebenfalls unter Berufung auf das Urteil Zuckerfabrik Süderdithmarschen und Zuckerfabrik Soest feststellt – zudem ausdrücklich zugelassen. Gäbe es sie nicht, könnte das innerstaatliche Gericht einen Antrag auf einstweilige Anordnungen, die für den Umweltschutz notwendig seien, ablehnen.

32

Das Königreich Dänemark ist der Auffassung, dass es in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle, Formen und Mittel der Umsetzung des Erfordernisses eines nicht übermäßig teuren Verfahrens zu bestimmen. Zudem gelte dieses Erfordernis nur im ersten Rechtszug, da das Übereinkommen von Aarhus keine Regelungen über Rechtsmittel oder die Anzahl der erforderlichen Rechtszüge enthalte. Weiter seien nur die Kosten betroffen, die unmittelbar in Verbindung mit der Behandlung der Streitsache stünden, und damit die Honorare für den vom Kläger in Anspruch genommenen Anwalt ausgeschlossen. Schließlich habe dieses Erfordernis nichts mit der Frage der Vorhersehbarkeit der Verfahrenskosten für den Kläger von der Einreichung seiner Klage an zu tun, sondern sehe lediglich vor, dass bei Beendigung des Rechtsstreits aufgrund einer Gesamtwürdigung die entstandenen finanziellen Kosten nicht übermäßig hoch sein dürften.

Würdigung durch den Gerichtshof

33

Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Umsetzung einer Richtlinie nicht unbedingt eine förmliche und wörtliche Übernahme ihrer Bestimmungen in eine ausdrückliche spezifische Rechtsvorschrift, sondern es kann insoweit auch ein allgemeiner rechtlicher Kontext genügen, wenn er tatsächlich ihre vollständige Anwendung hinreichend klar und bestimmt gewährleistet (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 23. Mai 1985, Kommission/Deutschland, 29/84, Slg. 1985, 1661, Rn. 23, und Urteil Kommission/Irland, Rn. 54).

34

Insbesondere für den Fall, dass die fragliche Vorschrift dem Einzelnen Rechte verleihen soll, muss die Rechtslage hinreichend bestimmt und klar sein, und die Begünstigten müssen in die Lage versetzt werden, von allen ihren Rechten Kenntnis zu erlangen, und sie gegebenenfalls vor den nationalen Gerichten geltend zu machen (vgl. u. a. in diesem Sinne Urteil vom 26. Juni 2003, Kommission/Frankreich, C-233/00, Slg. 2003, I-6625, Rn. 76).

35

Der Gerichtshof hat dementsprechend entschieden, dass eine Rechtsprechungspraxis, nach der die Gerichte lediglich die Möglichkeit haben, davon abzusehen, der unterliegenden Partei die Kosten aufzuerlegen, und nach der sie deren Kostenlast der anderen Partei auferlegen können, naturgemäß einen ungewissen Charakter aufweist und nicht die Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit erfüllen kann, um als rechtswirksame Erfüllung der Verpflichtungen aus Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35 angesehen zu werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Irland, Rn. 94).

36

Allerdings kann nicht angenommen werden, dass jede Rechtsprechungspraxis einen ungewissen Charakter aufweist und diese Anforderungen naturgemäß nicht erfüllen kann.

37

Zu der Frage, ob nach der vom Vereinigten Königreich angeführten nationalen Rechtsprechung davon ausgegangen werden kann, dass dieser Mitgliedstaat dem Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens nach der Richtlinie 2003/35 genügt, sind nacheinander die Argumente der Kommission zur Kostenregelung und zur Regelung des vorläufigen Rechtsschutzes zu prüfen.

Kostenregelung

38

Zur Kostenregelung ist zunächst über die vom Vereinigten Königreich erhobene Unzulässigkeitseinrede zu entscheiden.

39

Zwar grenzen das Mahnschreiben der Kommission und die mit Gründen versehene Stellungnahme den Streitgegenstand ein, so dass dieser nicht mehr erweitert werden kann, doch kann dieses Erfordernis nach ständiger Rechtsprechung nicht so weit gehen, dass in jedem Fall eine völlige Übereinstimmung zwischen den im Mahnschreiben erhobenen Rügen, dem Tenor der mit Gründen versehenen Stellungnahme und den Anträgen in der Klageschrift bestehen müsste, sofern nur der Streitgegenstand nicht erweitert oder geändert worden ist (vgl. u. a. in diesem Sinne Urteil vom 6. November 2003, Kommission/Spanien, C-358/01, Slg. 2003, I-13145, Rn. 27 und 28).

40

Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass die mit Gründen versehene Stellungnahme zwar eine zusammenhängende und detaillierte Darlegung der Gründe enthalten muss, aus denen die Kommission zu der Überzeugung gelangt ist, dass der Mitgliedstaat gegen eine seiner Verpflichtungen aus dem AEU-Vertrag verstoßen hat, an die Genauigkeit des Mahnschreibens, das zwangsläufig nur in einer ersten knappen Zusammenfassung der Vorwürfe bestehen kann, jedoch keine ebenso strengen Anforderungen gestellt werden können. Nichts hindert daher die Kommission daran, in der mit Gründen versehenen Stellungnahme die Vorwürfe näher darzulegen, die sie in dem Mahnschreiben bereits in allgemeiner Form erhoben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Spanien, Rn. 29).

41

Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass in Anbetracht des Gegenstands der Rüge selbst, wie sie seit dem Mahnschreiben dargestellt worden ist, die Frage nach dem Inhalt des Erfordernisses eines nicht übermäßig teuren Verfahrens im vorgerichtlichen Verfahren angesprochen worden ist. Gleiches gilt den Ausführungen der Kommission entsprechend für die Berücksichtigung der Kosten der Anwaltshonorare in diesem Zusammenhang, die zudem den Großteil der finanziellen Aufwendungen der Gerichtsverfahren im Vereinigten Königreich darstellen.

42

Darüber hinaus geht in Bezug auf diese Honorare aus der Klageschrift nicht hervor, dass die Kommission, wie das Vereinigte Königreich in Rn. 108 seiner Klagebeantwortung behauptet, geltend macht, dass sie als solche das Verfahren übermäßig teuer machten.

43

Folglich ist die von diesem Mitgliedstaat erhobene Unzulässigkeitseinrede als unbegründet zurückzuweisen.

44

Zur Begründetheit des Vorbringens der Kommission ist darauf hinzuweisen, dass das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens den nationalen Gerichten nicht untersagt, in Gerichtsverfahren eine Verurteilung zur Tragung der Kosten auszusprechen, soweit diese angemessen sind und die für die betroffene Partei angefallenen Kosten insgesamt nicht übermäßig hoch sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. April 2013, Edwards und Pallikaropoulos, C‑260/11, Rn. 25, 26 und 28).

45

Befindet ein Gericht über die Verurteilung eines Einzelnen, der als Kläger in einem Umweltrechtsstreit unterlegen ist, zur Tragung der Kosten oder hat es in einem früheren Abschnitt des Verfahrens zu einer möglichen Begrenzung der Kosten, zu deren Tragung die unterlegene Partei verurteilt werden kann, Stellung zu beziehen, muss es dafür Sorge tragen, dass das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens beachtet wird, wobei es sowohl das Interesse der Person, die ihre Rechte verteidigen möchte, berücksichtigen muss als auch das mit dem Umweltschutz verbundene Allgemeininteresse (vgl. in diesem Sinne Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 35).

46

In Bezug auf die maßgeblichen Beurteilungskriterien hat der Gerichtshof festgestellt, dass bei einer mangelnden Bestimmtheit des Unionsrechts die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, bei der Umsetzung einer Richtlinie deren vollständige Wirksamkeit zu gewährleisten, und dass sie über einen weiten Wertungsspielraum hinsichtlich der Wahl der Mittel verfügen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung). Was die Mittel zur Erreichung des Ziels angeht, einen wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz im Bereich des Umweltschutzrechts ohne übermäßige Kosten zu gewährleisten, müssen folglich alle einschlägigen Bestimmungen des nationalen Rechts berücksichtigt werden, insbesondere ein nationales Prozesskostenhilfesystem sowie eine Kostenschutzregelung, wie sie im Vereinigten Königreich gilt (vgl. in diesem Sinne Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 38).

47

Das Gericht kann seine Bewertung jedoch nicht allein auf die wirtschaftliche Lage des Betroffenen begrenzen, sondern muss auch eine objektive Analyse der Höhe der Kosten vornehmen, zumal Einzelpersonen und Vereinigungen naturgemäß dazu berufen sind, eine aktive Rolle beim Umweltschutz zu spielen. Die Kosten des Verfahrens dürfen daher nicht die finanziellen Möglichkeiten des Betroffenen übersteigen und in keinem Fall objektiv unangemessen sein (vgl. in diesem Sinne Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 40).

48

Was die Untersuchung der wirtschaftlichen Lage des Betroffenen angeht, darf diese nicht nur auf den geschätzten finanziellen Möglichkeiten eines „durchschnittlichen“ Klägers beruhen, da bei solchen Angaben möglicherweise nur ein entfernter Zusammenhang mit der Lage des Betroffenen besteht (vgl. in diesem Sinne Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 41).

49

Darüber hinaus kann das Gericht die Lage der betroffenen Parteien, die begründeten Erfolgsaussichten des Antragstellers, die Bedeutung des Rechtsstreits für diesen sowie für den Umweltschutz, die Komplexität des Rechts und des anwendbaren Verfahrens sowie den möglicherweise mutwilligen Charakter des Rechtsbehelfs in seinen verschiedenen Verfahrensabschnitten berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung), gegebenenfalls aber auch die bereits in früheren Instanzen desselben Rechtsstreits angefallenen Kosten.

50

Der Umstand, dass der Betroffene sich tatsächlich nicht von seiner Klage hat abschrecken lassen, reicht für sich allein nicht für die Annahme aus, dass das Verfahren für ihn nicht übermäßig teuer ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 43).

51

Diese Beurteilung darf schließlich nicht je nachdem unterschiedlich ausfallen, ob das innerstaatliche Gericht im Anschluss an ein erstinstanzliches Verfahren, an eine Rechtsmittelinstanz oder an eine weitere Rechtsmittelinstanz entscheidet (vgl. in diesem Sinne Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 45).

52

Wie aus den dem Gerichtshof übermittelten Akten sowie den Erörterungen in der Sitzung hervorgeht, sieht Section 51 des Senior Courts Act 1981 vor, dass in England und Wales das betreffende Gericht bestimmt, welche Partei die Kosten des Verfahrens trägt, und entscheidet, inwieweit sie sie trägt. Diese Befugnis wird nach den in Rule 44.3 der zivilrechtlichen Verfahrensordnung vorgesehenen Modalitäten ausgeübt. Demnach trifft das betreffende Gericht die Kostenentscheidung im Allgemeinen nach Beendigung des Verfahrens; der Kläger kann jedoch auch einen „Kostenschutzbeschluss“ beantragen, mit dem ihm in einem frühen Abschnitt des Verfahrens eine Begrenzung der möglicherweise geschuldeten Kosten gewährt werden kann.

53

Die Bedingungen für den Erlass eines solchen Beschlusses werden im Urteil des Court of Appeal R (Corner House Research)/Secretary of State for Trade & Industry näher ausgeführt. Danach kann das Gericht zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens einen Kostenschutzbeschluss erlassen, wenn es von der Bedeutung der aufgeworfenen Fragen überzeugt ist wie auch davon, dass das allgemeine Interesse eine Klärung dieser Fragen gebietet und dass der Kläger kein privates Interesse am Ausgang der Rechtssache hat, und wenn es im Hinblick auf die Höhe der finanziellen Mittel des Klägers und des Beklagten, die Höhe der voraussichtlich anfallenden Kosten sowie die Frage, ob der Kläger seinen Rechtsbehelf aufrechterhalten wird, wenn kein solcher Beschluss ergeht, einen solchen Beschluss für geboten hält. Ähnliche Regeln gelten auch in Gibraltar, Schottland und Nordirland.

54

Nach diesen Erwägungen ist zunächst darauf hinzuweisen, dass das Ermessen, über das das Gericht bei der Anwendung der innerstaatlichen Kostenregelung im Einzelfall verfügt, nicht von vornherein als mit dem Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens unvereinbar angesehen werden kann. Dass das angerufene Gericht einen Kostenschutzbeschluss erlassen kann, gewährleistet im Übrigen eine größere Vorhersehbarkeit der Verfahrenskosten und trägt zur Beachtung dieses Erfordernisses bei.

55

Den verschiedenen vom Vereinigten Königreich vorgetragenen und vor allem in der mündlichen Verhandlung erörterten Gesichtspunkten lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass das innerstaatliche Gericht aufgrund einer Rechtsnorm verpflichtet wäre, sicherzustellen, dass das Verfahren für den Kläger keine übermäßig teuren Kosten hat, was allein den Schluss erlaubte, dass die Richtlinie 2003/35 richtig umgesetzt worden ist.

56

Allein der Umstand, dass der Gerichtshof eine Untersuchung und Bewertung verschiedener – zudem umstrittener – Entscheidungen innerstaatlicher Gerichte und daher eines ganzen Rechtsprechungskomplexes vornehmen muss, um festzustellen, ob das nationale Recht mit den Zielen dieser Richtlinie in Einklang steht, während das Unionsrecht dem Einzelnen genaue Rechte verleiht, deren Wirksamkeit eindeutige Regeln erfordert, führt daher zu dem Schluss, dass die Umsetzung, auf die sich das Vereinigte Königreich beruft, jedenfalls nicht hinreichend klar und bestimmt ist.

57

So vermögen bereits die Bedingungen, von denen die innerstaatlichen Gerichte die Entscheidung über einen Kostenschutzantrag abhängig machen, in mehrfacher Hinsicht die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem in der Richtlinie 2003/35 aufgestellten Erfordernis nicht zu gewährleisten. Zunächst ist die von den nationalen Gerichten aufgestellte Bedingung, dass die zu entscheidenden Fragen von allgemeinem Interesse sein müssen, unangemessen, und selbst unter der Annahme, dass an dieser Bedingung, wie das Vereinigte Königreich geltend macht, gemäß dem Urteil des Court of Appeal R (Garner)/Elmbridge Borough Council and Others nicht festgehalten worden ist, könnte der Gerichtshof dieses Urteil, das nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme festgesetzten Frist ergangen ist, im Rahmen der vorliegenden Rechtssache nicht berücksichtigen. Sodann ist jedenfalls das Gericht anscheinend nicht verpflichtet, Kostenschutz zu gewähren, wenn die Kosten des Verfahrens objektiv unangemessen sind. Schließlich wird der Schutz anscheinend auch nicht in dem Fall gewährt, in dem nur das besondere Interesse des Klägers in Rede steht. Diese verschiedenen Faktoren führen zu dem Schluss, dass die in der Rechtsprechung angewandten Regeln in der Praxis nicht dem Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens im Sinne des Urteils Edwards und Pallikaropoulos genügen.

58

Aus den bisherigen Ausführungen geht auch hervor, dass diese Rechtsprechung für den Kläger weder dem Grundsatz noch der Höhe nach eine hinreichende Vorhersehbarkeit der Kosten des Gerichtsverfahrens, an dem er sich beteiligt, sicherstellt, obwohl eine solche Vorhersehbarkeit umso mehr geboten ist, als die Gerichtsverfahren im Vereinigten Königreich, wie von diesem zugestanden, mit hohen Anwaltshonoraren verbunden sind.

59

Das Vereinigte Königreich räumt im Übrigen in Rn. 70 seiner Klagebeantwortung ausdrücklich ein, dass bis zum Urteil des Court of Appeal R (Garner)/Elmbridge Borough Council and Others die Grundsätze für die Kostenschutzbeschlüsse nicht in allen Punkten mit dem Unionsrecht in Einklang gestanden hätten.

60

Was das Vorbringen der Kommission betrifft, dass die Kostenschutzregelung auch nicht mit dem Unionsrecht in Einklang stehe, soweit ein Kostenschutzbeschluss eine „wechselseitige Kostenbegrenzung“ enthalte, die es der beklagten Behörde erlaube, bei einem verlorenen Prozess ihre finanzielle Haftung zu beschränken, was mittelbar den Schutz einer Honorarvereinbarung vermindere, ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens nach Art. 258 AEUV der Kommission obliegt, das Vorliegen der vermeintlichen Verletzung darzutun. Sie hat dem Gerichtshof die erforderlichen Anhaltspunkte zu liefern, die es diesem ermöglichen, das Vorliegen der Vertragsverletzung zu prüfen, und kann sich hierfür nicht auf irgendwelche Vermutungen stützen (vgl. u. a. Urteil vom 22. November 2012, Kommission/Deutschland, C‑600/10, Rn. 13 und die dort angeführte Rechtsprechung).

61

Im vorliegenden Fall hat sich die Kommission jedoch darauf beschränkt, in ihrer mit Gründen versehenen Stellungnahme festzustellen, dass für den Fall, dass das nationale Gericht eine solche wechselseitige Kostenbegrenzung gewähre, der Kläger verpflichtet sein könne, einen Teil seiner Anwaltshonorare zu zahlen, ohne dass sie jedoch darüber hinaus im Einzelnen auf die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Praxis oder ihre finanziellen Folgen eingegangen ist.

62

Es ist daher festzustellen, dass das Vorbringen der Kommission nicht hinreichend substantiiert für eine Prüfung ist.

63

Unter diesem Vorbehalt ist das Vorbringen der Kommission zur Kostenregelung im Vereinigten Königreich daher als im Wesentlichen begründet anzusehen.

Gegenverpflichtungen gegenüber einstweiligen Anordnungen

64

Im Zusammenhang mit der Regelung der vom Gericht auferlegten Gegenverpflichtungen gegenüber einstweiligen Anordnungen, mit denen den dem Gerichtshof übermittelten Akten zufolge dem Kläger im Wesentlichen eine Selbstverpflichtung abverlangt wird, den Schaden zu ersetzen, der durch eine einstweilige Anordnung entstehen kann, wenn das Recht, das mit dieser geschützt werden sollte, sich letztlich als unbegründet erweist, ist festzustellen, dass sich die Frage, ob ein Verfahren übermäßig teuer im Sinne von Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35 ist, auf alle finanziellen Aufwendungen erstreckt, die durch die Beteiligung an dem Gerichtsverfahren verursacht werden, so dass sie in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung aller für die betroffene Partei angefallenen Kosten vorbehaltlich solcher einer missbräuchlichen Rechtsanwendung zu beurteilen ist (vgl. Urteil Edwards und Pallikaropoulos, Rn. 27 und 28).

65

Im Übrigen muss nach ständiger Rechtsprechung ein mit einem nach Unionsrecht zu beurteilenden Rechtsstreit befasstes nationales Gericht in der Lage sein, vorläufige Maßnahmen zu erlassen, um die volle Wirksamkeit der späteren Gerichtsentscheidung über das Bestehen der aus dem Unionsrecht hergeleiteten Rechte sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 2013, Križan u. a., C‑416/10, Rn. 107 und die dort angeführte Rechtsprechung), und zwar insbesondere im Bereich des Umweltrechts (vgl. Urteil Križan u. a., Rn. 109).

66

Folglich erfasst das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens auch die finanziellen Aufwendungen, die durch Maßnahmen verursacht werden, an die das nationale Gericht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten nach Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 der Richtlinie 2003/35 die Gewährung von Sicherungsmaßnahmen knüpfen kann.

67

Unter diesem Vorbehalt richten sich die Voraussetzungen, unter denen das nationale Gericht solche vorläufigen Anordnungen trifft, grundsätzlich allein nach innerstaatlichem Recht, sofern dabei die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität gewahrt werden. Das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens kann nicht dahin ausgelegt werden, dass es von vornherein der Anwendung einer finanziellen Absicherung wie den „Gegenverpflichtungen“ entgegensteht, wenn diese nach innerstaatlichem Recht vorgesehen ist. Gleiches gilt für die finanziellen Folgen, die sich gegebenenfalls nach innerstaatlichem Recht aus einem missbräuchlichen Rechtsbehelf ergeben könnten.

68

Dagegen ist es Sache des mit diesem Gegenstand befassten Gerichts, sicherzustellen, dass das finanzielle Risiko, das sich daraus für den Kläger ergibt, bei der Prüfung, ob das Verfahren übermäßig teuer ist, ebenfalls in die verschiedenen Aufwendungen miteinbezogen wird, die durch dieses Verfahren verursacht werden.

69

Den Akten, die dem Gerichtshof übermittelt worden sind, lässt sich nicht entnehmen, dass das Erfordernis eines nicht übermäßig teuren Verfahrens dem nationalen Gericht in diesem Bereich mit aller erforderlichen Klarheit und Bestimmtheit vorgegeben wird. Das Vereinigte Königreich beschränkt sich nämlich auf die Feststellung, dass Gegenverpflichtungen in umweltrechtlichen Streitigkeiten in der Praxis nicht immer eingefordert und von nicht zahlungskräftigen Klägern nicht verlangt würden.

70

Zu dem Argument des Vereinigten Königreichs, dass die Begrenzung der Gegenverpflichtungen zu einer Verletzung des Eigentumsrechts führen könnte, stellt der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung fest, dass dieses Recht nicht schrankenlos gewährleistet ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen werden muss. Die Ausübung des Eigentumsrechts kann Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen und nicht einen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und nicht tragbaren Eingriff darstellen, der das so gewährleistete Recht in seinem Wesensgehalt antastet (vgl. in diesem Sinne Urteil Križan u. a., Rn. 113 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Der Schutz der Umwelt gehört zu diesen Zielen und kann daher eine Beschränkung der Ausübung des Eigentumsrechts rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne auch Urteil Križan u. a., Rn. 114 und die dort angeführte Rechtsprechung).

71

Folglich ist auch dem Vorbringen der Kommission zu folgen, dass das System der Gegenverpflichtungen gegenüber einstweiligen Anordnungen in Bezug auf die Beachtung des Erfordernisses eines nicht übermäßig teuren Verfahrens eine zusätzliche Unsicherheit und Ungenauigkeit bedeute.

72

Nach alledem ist festzustellen, dass das Vereinigte Königreich dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 2003/35 verstoßen hat, dass es Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 dieser Richtlinie nicht richtig umgesetzt hat, soweit sie vorsehen, dass die betreffenden Gerichtsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen.

Kosten

73

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung des Vereinigten Königreichs beantragt hat und dieses mit seinem Vorbringen im Wesentlichen unterlegen ist, sind ihm die Kosten aufzuerlegen. Nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung tragen Irland und das Königreich Dänemark ihre eigenen Kosten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Richtlinie 2003/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Mai 2003 über die Beteiligung der Öffentlichkeit bei der Ausarbeitung bestimmter umweltbezogener Pläne und Programme und zur Änderung der Richtlinien 85/337/EWG und 96/61/EG des Rates in Bezug auf die Öffentlichkeitsbeteiligung und den Zugang zu Gerichten verstoßen, dass es Art. 3 Nr. 7 und Art. 4 Nr. 4 dieser Richtlinie nicht richtig umgesetzt hat, soweit sie vorsehen, dass die betreffenden Gerichtsverfahren nicht übermäßig teuer sein dürfen.

 

2.

Das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland trägt die Kosten. Das Königreich Dänemark und Irland tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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