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Dokument 62012CJ0383

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 14. November 2013.
Environmental Manufacturing LLP gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).
Rechtsmittel - Gemeinschaftsmarke - Widerspruchsverfahren - Bildmarke mit der Darstellung eines Wolfskopfs - Widerspruch der Inhaberin von internationalen und nationalen Bildmarken mit den Wortbestandteilen ‚WOLF Jardin‘ und ‚Outils WOLF‘ - Relative Eintragungshindernisse - Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der älteren Marke - Verordnung (EG) Nr. 207/2009 - Art. 8 Abs. 5 - Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers - Beweislast.
Rechtssache C-383/12 P.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2013:741

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

14. November 2013 ( *1 )

„Rechtsmittel — Gemeinschaftsmarke — Widerspruchsverfahren — Bildmarke mit der Darstellung eines Wolfskopfs — Widerspruch der Inhaberin von internationalen und nationalen Bildmarken mit den Wortbestandteilen ‚WOLF Jardin‘ und ‚Outils WOLF‘ — Relative Eintragungshindernisse — Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der älteren Marke — Verordnung (EG) Nr. 207/2009 — Art. 8 Abs. 5 — Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers — Beweislast“

In der Rechtssache C‑383/12 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 8. August 2012,

Environmental Manufacturing LLP mit Sitz in Stowmarket (Vereinigtes Königreich), Prozessbevollmächtigte: M. Atkins, Solicitor, K. Shadbolt, advocate, und S. Malynicz, Barrister,

Klägerin,

andere Parteien des Verfahrens:

Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch A. Folliard-Monguiral als Bevollmächtigten,

Beklagter im ersten Rechtszug,

Société Elmar Wolf mit Sitz in Wissembourg (Frankreich), Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt N. Boespflug,

Streithelferin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten T. von Danwitz sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter), A. Rosas, D. Šváby und C. Vajda,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. Mai 2013,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Environmental Manufacturing LLP (im Folgenden: Environmental Manufacturing) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 22. Mai 2012, Environmental Manufacturing/HABM – Wolf (Darstellung eines Wolfskopfs) (T‑570/10, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 6. Oktober 2010 (Sache R 425/2010-2) zu einem Widerspruchsverfahren (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2

Durch die am 13. April 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) wurde die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) kodifiziert und ersetzt.

3

Art. 8 („Relative Eintragungshindernisse“) Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 bestimmt:

„(1)   Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

b)

wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.

(5)   Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke im Sinne des Absatzes 2 ist die angemeldete Marke auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit der älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Gemeinschaftsmarke um eine in der Gemeinschaft bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.“

4

Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 hatte denselben Wortlaut wie die entsprechenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 207/2009.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

5

Am 9. März 2006 meldete die Rechtsvorgängerin von Environmental Manufacturing beim HABM ein Bildzeichen mit der Darstellung eines Wolfskopfs als Gemeinschaftsmarke für die Waren „Maschinen für die professionelle und industrielle Verarbeitung von Holz und Grünabfall; professionelle und industrielle Holzzerkleinerungsmaschinen und ‑häcksler“ der Klasse 7 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung an.

6

Nach der Veröffentlichung der Anmeldung im Blatt für Gemeinschaftsmarken Nr. 38/2006 vom 18. September 2006 erhob die Société Elmar Wolf (im Folgenden: Elmar Wolf) Widerspruch gegen die Eintragung der angemeldeten Marke für diese Waren.

7

Der Widerspruch war auf mehrere ältere französische und internationale Bildmarken gestützt. Er wurde mit den in Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 genannten Eintragungshindernissen begründet.

8

Am 24. September 2007 übertrug die Rechtsvorgängerin von Environmental Manufacturing dieser die Anmeldung. Environmental Manufacturing verlangte am 2. Oktober 2007 gemäß Art. 43 der Verordnung Nr. 40/94 (jetzt Art. 42 der Verordnung Nr. 207/2009), dass Elmar Wolf den Nachweis für die Benutzung der älteren Marken erbringe. Diese legte darauf entsprechende Unterlagen vor.

9

Am 25. Januar 2010 wies die Widerspruchsabteilung des HABM den auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 207/2009 gestützten Widerspruch mit der Begründung zurück, dass zwischen den betreffenden Marken keine Verwechslungsgefahr bestehe. Die Widerspruchsabteilung wies auch den auf Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung gestützten Widerspruch zurück, weil Elmar Wolf keinen Nachweis erbracht habe, dass die Wertschätzung der älteren Marken beeinträchtigt worden sei oder eine unlautere Ausnutzung dieser Marken vorliege.

10

Am 23. März 2010 legte Elmar Wolf gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Die Entscheidung wurde durch die streitige Entscheidung aufgehoben. Zu Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 stellte die Zweite Beschwerdekammer fest, dass die älteren Marken in drei Mitgliedstaaten eine große Bekanntheit genössen. Ferner bestehe ein bestimmter Grad der Ähnlichkeit zwischen den fraglichen Marken, und die maßgeblichen Verkehrskreise könnten angesichts der Unterscheidungskraft und der Wertschätzung der älteren Marken sowie der Ähnlichkeit der von den fraglichen Marken erfassten Waren eine gedankliche Verknüpfung zwischen den Zeichen herstellen. Schließlich gelangte die Beschwerdekammer unter Bezugnahme auf das Vorbringen von Elmar Wolf zu dem Ergebnis, dass die angemeldete Marke das einmalige Bild der älteren Marken verwässern und ihre Unterscheidungskraft oder ihre Wertschätzung unlauter ausnutzen könnte.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

11

Environmental Manufacturing erhob vor dem Gericht Klage auf Aufhebung der streitigen Entscheidung. Sie stützte diese Klage auf zwei Klagegründe, nämlich erstens einen Verstoß gegen Art. 42 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 207/2009 und zweitens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung.

12

Das Gericht hat in den Randnrn. 16 bis 24 des angefochtenen Urteils den ersten Klagegrund als unbegründet zurückgewiesen.

13

Zu dem zweiten Klagegrund hat das Gericht in Randnr. 47 des angefochtenen Urteils befunden, dass die Beschwerdekammer zu Recht der Ansicht gewesen sei, dass das maßgebliche Publikum eine gedankliche Verknüpfung zwischen den von den beiden einander gegenüberstehenden Marken dargestellten Zeichen herstellen könne.

14

Sodann hat das Gericht in den Randnrn. 48 und 49 des angefochtenen Urteils zu der Verwässerungsgefahr ausgeführt, dass nach Auffassung von Environmental Manufacturing der Inhaber der älteren Marke darlegen und nachweisen müsse, dass die Benutzung der jüngeren Marke eine Auswirkung auf das Verhalten der Verbraucher der von der älteren Marke erfassten Waren habe oder dass die ernsthafte Gefahr bestehe, dass dies in Zukunft der Fall sein werde. Weiter mache Environmental Manufacturing geltend, dass die Beschwerdekammer diese Auswirkung im vorliegenden Fall nicht geprüft habe, dass Elmar Wolf Argumente hätte vorbringen müssen, die konkret darlegten, wie die Verwässerung sie beeinträchtige, und dass die bloße Erwähnung einer Verwässerung nicht genüge, um die Anwendung von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 zu rechtfertigen.

15

Die Randnrn. 50 bis 54 des angefochtenen Urteils lauten:

„50

[D]as Eintragungshindernis der Verwässerungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 [trägt] mit den anderen in diesem Artikel aufgeführten relativen Eintragungshindernissen dazu [bei], die Hauptfunktion der Marke, ihre Herkunftsfunktion, zu schützen. Was die Verwässerungsgefahr betrifft, wird diese Funktion beeinträchtigt, wenn die Eignung der älteren Marke, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und benutzt wird, als vom Inhaber dieser Marke stammend zu identifizieren, geschwächt wird, weil die Benutzung der jüngeren Marke zur Auflösung der Identität der älteren Marke und ihrer Bekanntheit beim Publikum führt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die ältere Marke, die eine unmittelbare gedankliche Verbindung mit den von ihr erfassten Waren und Dienstleistungen hervorrief, dies nicht mehr zu bewirken vermag (Urteil [vom 27. November 2008,] Intel Corporation, [C-252/07, Slg. 2008, I-8823], Randnr. 29).

51

Aus dem … Urteil Intel Corporation geht hervor, dass der Inhaber der älteren Marke, der sich auf den durch Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 gewährten Schutz stützt, den Nachweis zu erbringen hat, dass die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft seiner älteren Marke beeinträchtigt. Insoweit ist der Inhaber der älteren Marke nicht verpflichtet, das Vorliegen einer tatsächlichen und gegenwärtigen Beeinträchtigung seiner Marke nachzuweisen. Ist nämlich vorhersehbar, dass sich eine solche Beeinträchtigung aus einer möglichen Benutzung der jüngeren Marke durch deren Inhaber ergeben würde, kann der Inhaber der älteren Marke nicht dazu verpflichtet sein, das tatsächliche Eintreten dieser Beeinträchtigung abzuwarten, um diese Benutzung untersagen lassen zu können. Der Inhaber der älteren Marke muss allerdings das Vorliegen von Gesichtspunkten dartun, aus denen auf die ernsthafte Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung geschlossen werden kann (Urteil Intel Corporation, … Randnrn. 37, 38 und 71).

52

Zu diesem Zweck hat der Inhaber der älteren Marke Gesichtspunkte anzuführen, aus denen dem ersten Anschein nach auf die nicht nur hypothetische Gefahr einer künftigen Beeinträchtigung geschlossen werden kann … Ein solcher Schluss kann insbesondere auf der Grundlage logischer Ableitungen erreicht werden, die auf einer Wahrscheinlichkeitsprognose beruhen und für die die Gepflogenheiten der fraglichen Branche sowie alle anderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt wurden …

53

Es kann jedoch nicht verlangt werden, dass der Inhaber der älteren Marke über diese Gesichtspunkte hinaus eine zusätzliche Wirkung des Auftretens der jüngeren Marke auf das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, nachweist. Denn eine solche Voraussetzung findet sich weder in Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 noch im Urteil Intel Corporation …

54

Was Randnr. 54 des … Urteils Intel Corporation angeht, ergibt sich aus der Wahl des Wortes, folglich’ und aus dem Aufbau der Randnr. 81 dieses Urteils, dass die Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Verbrauchers, auf die [Environmental Manufacturing] ihre Rüge stützt, dargetan ist, sobald dem Inhaber der älteren Marke im Einklang mit Randnr. 76 des Urteils Intel Corporation der Nachweis gelungen ist, dass die Eignung dieser Marke, die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist und benutzt wird, als vom Inhaber dieser Marke stammend zu identifizieren, deshalb geschwächt wird, weil die Benutzung der jüngeren Marke zur Auflösung der Identität der älteren Marke und ihrer Bekanntheit beim Publikum führt.“

16

In den Randnrn. 56 bis 65 des angefochtenen Urteils hat das Gericht geprüft, ob die Beschwerdekammer Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 und die genannten Grundsätze im vorliegenden Fall richtig angewandt habe.

17

In Randnr. 66 des angefochtenen Urteils ist das Gericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beschwerdekammer zu Recht festgestellt habe, dass zum einen die Benutzung der angemeldeten Marke geeignet sei, die Unterscheidungskraft der älteren Marken zu beeinträchtigen, und dass zum anderen die Rüge von Environmental Manufacturing, dass die wirtschaftlichen Auswirkungen der zwischen den beiden einander gegenüberstehenden Marken hergestellten gedanklichen Verbindung nachgewiesen werden müssten, nicht durchgreifen könne.

18

In Randnr. 67 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass „die Beschwerdekammer Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 wegen der von der angemeldeten Marke verursachten Verwässerungsgefahr richtig angewandt hat“ und aus diesem Grund „die Gefahr[, dass Environmental Manufacturing die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marken in unlauterer Weise ausnutzt (Trittbrettfahren)], auf die die [streitige] Entscheidung ebenfalls gestützt ist, nicht mehr geprüft zu werden [braucht]“.

19

Nach alledem hat das Gericht den zweiten Klagegrund als unbegründet zurückgewiesen und die Klage insgesamt abgewiesen.

Vorbringen der Parteien

20

Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Environmental Manufacturing, das angefochtene Urteil aufzuheben, abschließend in der Sache zu entscheiden und dem HABM sowie Elmar Wolf die Kosten aufzuerlegen.

21

Das HABM beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und Environmental Manufacturing die Kosten aufzuerlegen.

22

Elmar Wolf beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen, sowie hilfsweise, die Rechtssache an das Gericht zurückzuverweisen und Environmental Manufacturing ihre eigenen Kosten und die Kosten von Elmar Wolf aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

23

Environmental Manufacturing macht als einzigen Rechtsmittelgrund einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 geltend.

Vorbringen der Parteien

24

Environmental Manufacturing trägt vor, gemäß dem Urteil Intel Corporation setze der Nachweis, dass die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtige oder beeinträchtigen werde, voraus, dass dargetan werde, dass sich das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der Waren, für die die ältere Marke eingetragen sei, infolge der Benutzung der jüngeren Marke geändert habe oder dass die ernsthafte Gefahr einer künftigen Änderung dieses Verhaltens bestehe. Dieser Nachweis müsse also erbracht werden, damit die Verwässerung einer älteren Marke bewiesen werden könne.

25

Environmental Manufacturing wirft dem Gericht vor, diesen Nachweis nicht verlangt zu haben, indem es zu dem Schluss gelangt sei, es reiche aus, dass die Eignung der älteren Marke, die Waren, für die sie eingetragen sei und benutzt werde, als vom Inhaber dieser Marke stammend zu identifizieren, deshalb geschwächt werde, weil die Benutzung der jüngeren Marke zur Auflösung der Identität der älteren Marke und ihrer Bekanntheit beim Publikum führe.

26

Nach Auffassung von Environmental Manufacturing hat das Gericht in seiner Analyse die Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach eine Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens der Verbraucher eine Beeinflussung ihres geschäftlichen Verhaltens voraussetze, nicht berücksichtigt. Environmental Manufacturing macht geltend, dass eine solche potenzielle oder tatsächliche Beeinflussung im Rahmen einer nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 erhobenen Klage geprüft werden müsse und dass das Gericht, da diese Frage weder geprüft noch bewiesen worden sei, das Vorbringen, dass eine Verwässerung im Sinne dieser Vorschrift vorgelegen habe, hätte zurückweisen müssen.

27

Das HABM räumt ein, dass für den Nachweis einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der älteren Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 eine tatsächliche oder mögliche Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers der Waren, für die die älteren Marken eingetragen seien, nachzuweisen sei. Jedoch handele es sich bei der Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers und der Auflösung der Identität der älteren Marke nicht um Voraussetzungen, die eigenständig oder kumulativ seien, sondern die in Wirklichkeit zu einem einzigen Erfordernis gehörten.

28

Bei der in den Randnrn. 29 und 76 des Urteils Intel Corporation genannten Voraussetzung, dass die Benutzung der jüngeren Marke zur Auflösung der Identität der älteren Marke und ihrer Bekanntheit beim Publikum führe, handelt es sich nach Auffassung des HABM nur um eine Ausprägung der Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers. Eine solche Änderung erfolge, wenn im Bewusstsein dieses Verbrauchers der wirtschaftliche Wert der bekannten Marke unter der Benutzung eines jüngeren Zeichens leiden würde. Das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers sei bereits betroffen, wenn dieser Verbraucher die bekannte Marke wegen der Benutzung der umstrittenen jüngeren Marke weniger anziehend, weniger wertvoll oder weniger exklusiv finde.

29

Das HABM führt aus, das angefochtene Urteil beruhe auf der zutreffenden Annahme, dass „eine Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers der Waren, für die die ältere Marke eingetragen ist“, voraussetze, dass, wie im vorliegenden Fall, nachgewiesen werde, dass „die Benutzung der jüngeren Marke zur Auflösung der Identität der älteren Marke und ihrer Bekanntheit beim Publikum führt“. Letztere sei bloß eine Erläuterung des zuerst genannten Kriteriums.

30

Die Auflösung der Identität und der Bekanntheit beim Publikum besage, dass der wirtschaftliche Wert der bekannten Marke sinke und dass die Wahrnehmung des Publikums und sein „wirtschaftliches Verhalten“ daher zwei Seiten derselben Medaille darstellten. Ferner komme in der Schlussfolgerung in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils zum Ausdruck, dass davon ausgegangen werden könne, dass sich das wirtschaftliche Verhalten des Verbrauchers der von den älteren Marken erfassten Waren wahrscheinlich ändere, wenn das umstrittene Zeichen gleichzeitig benutzt werde.

31

Elmar Wolf weist darauf hin, dass die Beschwerdekammer in den Randnrn. 36 und 38 der streitigen Entscheidung festgestellt habe, dass die Benutzung der angemeldeten Marke mit einer Verwässerungsgefahr verbunden sein und eine unlautere Ausnutzung der älteren Marke ermöglichen könnte. Das Gericht, das in Randnr. 66 des angefochtenen Urteils feststelle, dass die angemeldete Marke geeignet sei, die Unterscheidungskraft der älteren Marken zu beeinträchtigen, habe die unlautere Ausnutzung dieser Unterscheidungskraft aus Gründen der Verfahrensökonomie nicht geprüft.

32

In Bezug auf das angeblich im Urteil Intel Corporation aufgestellte ergänzende und gesonderte Kriterium macht Elmar Wolf geltend, dass das Gericht zu Recht erklärt habe, dass das Argument, die wirtschaftlichen Auswirkungen der zwischen den beiden Marken hergestellten gedanklichen Verbindung müssten nachgewiesen werden, nicht durchgreifen könne.

33

Elmar Wolf ist der Auffassung, dass der Sachverhalt, der der Prüfung des Gerichtshofs im Urteil Intel Corporation zugrunde liege, den Fall betreffe, dass die von der jüngeren Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen nicht den von der älteren Marke geschützten Waren oder Dienstleistungen ähnlich seien, während es in der vorliegenden Rechtssache um identische oder zumindest ähnliche Waren gehe. Daher seien die vom Gerichtshof im Urteil Intel Corporation aufgestellten Kriterien im vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Würdigung durch den Gerichtshof

34

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs setzt der Nachweis, dass die Benutzung der jüngeren Marke die Unterscheidungskraft der älteren Marke beeinträchtigt oder beeinträchtigen würde, voraus, dass dargetan wird, dass sich das wirtschaftliche Verhalten des Durchschnittsverbrauchers der Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, infolge der Benutzung der jüngeren Marke geändert hat oder dass die ernsthafte Gefahr einer künftigen Änderung dieses Verhaltens besteht (Urteil Intel Corporation, Randnrn. 77 und 81 sowie Nr. 6 des Tenors).

35

Randnr. 77 des Urteils Intel Corporation verwendet zwar die Konjunktion „folglich“ und schließt sich unmittelbar an die Prüfung der Frage einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft und einer Auflösung der Identität der älteren Marke an, so dass diese Randnummer als bloße Erläuterung der vorangehenden angesehen werden könnte. Der entsprechende Text in Randnr. 81 und im Tenor des Urteils ist jedoch selbständig. Der Umstand, dass er sich im Tenor des Urteils findet, hebt seine Bedeutung hervor.

36

Der Wortlaut der zitierten Rechtsprechung ist eindeutig. Ohne dass der Nachweis erbracht wird, dass diese Voraussetzung erfüllt ist, kann infolgedessen eine Beeinträchtigung oder drohende Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der älteren Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 nicht festgestellt werden.

37

Der Begriff der „Änderung des wirtschaftlichen Verhaltens des Durchschnittsverbrauchers“ stellt eine objektive Voraussetzung auf. Sie kann nicht nur aus subjektiven Gesichtspunkten wie allein der Wahrnehmung der Verbraucher abgeleitet werden. Der bloße Umstand, dass die Verbraucher feststellen, dass es ein neues Zeichen gibt, das einem älteren Zeichen ähnlich ist, reicht allein nicht aus, um das Vorliegen einer Beeinträchtigung oder einer drohenden Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft der älteren Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 darzutun, soweit diese Ähnlichkeit keine Verwechslung hervorruft.

38

Das Gericht hat jedoch in Randnr. 53 des angefochtenen Urteils die Prüfung der im Urteil Intel Corporation aufgestellten Voraussetzung abgelehnt und folglich einen Rechtsfehler begangen.

39

In Randnr. 62 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass „der Umstand, dass Mitbewerber für identische oder ähnliche Waren Zeichen mit einer gewissen Ähnlichkeit verwenden, die unmittelbare gedankliche Verbindung beeinträchtigt, die die maßgeblichen Verkehrskreise zwischen den in Frage stehenden Zeichen und Waren herstellen, was die Eignung der älteren Marke beeinträchtigen kann, die Waren, für die sie eingetragen ist, als vom Inhaber dieser Marke stammend zu identifizieren“.

40

Demgegenüber hat der Gerichtshof in seinem Urteil Intel Corporation klar zum Ausdruck gebracht, dass erhöhte Beweisanforderungen zu stellen sind, um die Beeinträchtigung oder die drohende Beeinträchtigung für die Unterscheidungskraft der älteren Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 207/2009 feststellen zu können.

41

Die Billigung des vom Gericht vorgeschlagenen Kriteriums könnte im Übrigen dazu führen, dass sich die Wirtschaftsteilnehmer bestimmter Zeichen in unlauterer Weise bemächtigten, was dem Wettbewerb schaden könnte.

42

Zwar verlangen die Verordnung Nr. 207/2009 und die Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht, dass eine tatsächliche Beeinträchtigung nachgewiesen wird, sondern lassen auch die ernsthafte Gefahr einer solchen Beeinträchtigung gelten, wobei die Verwendung logischer Ableitungen zulässig ist.

43

Gleichwohl dürfen solche Ableitungen nicht das Ergebnis bloßer Vermutungen sein, sondern sie beruhen, wie das Gericht selbst in Randnr. 52 des angefochtenen Urteils unter Berufung auf ein älteres Urteil des Gerichts festgestellt hat, auf „einer Wahrscheinlichkeitsprognose … und für [sie werden] die Gepflogenheiten der fraglichen Branche sowie alle anderen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt“.

44

Das Gericht hat jedoch unter Verkennung der in seinem eigenen Urteil zitierten Rechtsprechung nicht beanstandet, dass es an einer solchen Beurteilung hier fehle.

45

Zu dem Argument von Elmar Wolf, dass das vom Gerichtshof im Urteil Intel Corporation aufgestellte Kriterium Waren oder Dienstleistungen betreffe, die nicht den von der jüngeren Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen ähnlich seien, und daher im vorliegenden Fall nicht anwendbar sei, genügt der Hinweis, dass die in den Randnrn. 77 und 81 sowie Nr. 6 des Tenors dieses Urteils genannte Rechtsprechung angesichts ihrer allgemeinen Formulierung nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie auf Sachverhalte begrenzt wäre, die Waren oder Dienstleistungen betreffen, die nicht den von einer jüngeren Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen ähnlich sind.

46

Es ist daher festzustellen, dass das Rechtsmittel begründet ist.

47

Das angefochtene Urteil ist somit aufzuheben.

48

Nach Art. 61 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union kann der Gerichtshof, wenn er die Entscheidung des Gerichts aufhebt, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

49

In der vorliegenden Rechtssache sind die Voraussetzungen dafür, dass der Gerichtshof den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden kann, nicht erfüllt.

50

Folglich ist die Sache an das Gericht zurückzuverweisen und die Kostenentscheidung vorzubehalten.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Urteil des Gerichts der Europäischen Union vom 22. Mai 2012, Environmental Manufacturing/HABM – Wolf (Darstellung eines Wolfskopfs) (T‑570/10), wird aufgehoben.

 

2.

Die Sache wird an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

 

3.

Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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