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Dokument 62012CJ0136

    Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 18. Juli 2013.
    Consiglio nazionale dei geologi gegen Autorità garante della concorrenza e del mercato und Autorità garante della concorrenza e del mercato gegen Consiglio nazionale dei geologi.
    Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato.
    Art. 267 Abs. 3 AEUV – Umfang der Vorlagepflicht der letztinstanzlichen Gerichte – Art. 101 AEUV – Verhaltenskodex eines Berufsverbands, wonach die Anwendung von Tarifen verboten ist, die nicht der Würde des Berufs entsprechen.
    Rechtssache C‑136/12.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2013:489

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

    18. Juli 2013 ( *1 )

    „Art. 267 Abs. 3 AEUV — Umfang der Vorlagepflicht der letztinstanzlichen Gerichte — Art. 101 AEUV — Verhaltenskodex eines Berufsverbands, wonach die Anwendung von Tarifen verboten ist, die nicht der Würde des Berufs entsprechen“

    In der Rechtssache C-136/12

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 14. Februar 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 13. März 2012, in den Verfahren

    Consiglio nazionale dei geologi

    gegen

    Autorità garante della concorrenza e del mercato

    und

    Autorità garante della concorrenza e del mercato

    gegen

    Consiglio nazionale dei geologi

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,

    Generalanwalt: P. Cruz Villalón,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    des Consiglio nazionale dei geologi, vertreten durch A. Lagonegro, avvocatessa,

    der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,

    der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues, E. Belliard und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,

    der ungarischen Regierung, vertreten durch M. Fehér, K. Molnár und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch J.-P. Keppenne, L. Malferrari und G. Conte als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 101 AEUV und 267 Abs. 3 AEUV.

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen dem Consiglio nazionale dei geologi (Nationalrat der Geologen, im Folgenden: CNG) und der Autorità garante della concorrenza e del mercato (Wettbewerbs- und Kartellbehörde, im Folgenden: Autorità) sowie zwischen der Autorità und dem CNG wegen der von der Autorità getroffenen Feststellung einer wettbewerbsbeschränkenden Abrede, die mit Hilfe der vom CNG erlassenen standesrechtlichen Vorschriften über die Festsetzung der Honorare der Geologen durchgeführt werde.

    Rechtlicher Rahmen

    3

    Nach Art. 2 des Gesetzes Nr. 112 vom 3. Februar 1963 zum Schutz der Berufsbezeichnung und des Berufs des Geologen (Legge n. 112 – Disposizioni per la tutela del titolo e della professione di geologo) (GURI Nr. 57 vom 28. Februar 1963, im Folgenden: Gesetz Nr. 112/1963) hängt die Ausübung dieses Berufs von der Eintragung in das vom Nationalverband der Geologen geführte Verzeichnis ab.

    4

    Nach Art. 8 dieses Gesetzes besteht der Verband aus den in diesem Verzeichnis eingetragenen Geologen; diese wählen den CNG.

    5

    In Art. 9 des genannten Gesetzes heißt es:

    „Der [CNG] nimmt, neben den ihm durch andere Rechtsvorschriften übertragenen Aufgaben, die folgenden Aufgaben wahr:

    a)

    Er ist für die Einhaltung des Standesrechts sowie aller sonstigen, den Beruf betreffenden Bestimmungen zuständig;

    b)

    er ist für die Führung des Verzeichnisses und des Sonderverzeichnisses zuständig und nimmt die Eintragungen und Löschungen vor;

    c)

    er wacht über den Schutz der Berufsbezeichnung und trifft Maßnahmen zur Bekämpfung der missbräuchlichen Berufsausübung;

    d)

    er erlässt disziplinarische Maßnahmen;

    e)

    er setzt auf Antrag die Honorare fest;

    f)

    er verwaltet die im Eigentum des Nationalverbands stehenden Vermögensgegenstände und erstellt jährlich einen Haushaltsplan und eine Jahresabschlussrechnung;

    g)

    er setzt innerhalb der Grenzen der zur Deckung der für die Funktionsfähigkeit des Nationalverbands unbedingt notwendigen Ausgaben durch Beschluss, den der Justizminister genehmigen muss, den von den in das Verzeichnis oder in das Sonderverzeichnis Eingetragenen zu zahlenden Jahresbeitrag sowie die Gebühr für die Eintragung in das Verzeichnis oder das Sonderverzeichnis, die Gebühr für die Ausstellung von Bescheinigungen sowie die Gebühr für die Erstellung von Gutachten zur Festsetzung der Honorare fest.“

    6

    In Art. 14 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 616 vom 25. Juli 1966 mit ergänzenden Bestimmungen zur Durchführung des Gesetzes Nr. 112 vom 3. Februar 1963 zum Schutz der Berufsbezeichnung und des Berufs des Geologen (Legge n. 616 – Norme integrative per l’applicazione della legge 3 febbraio 1963, n. 112, contenente norme per la tutela del titolo e della professione di geologo) (GURI Nr. 201 vom 13. August 1966) heißt es:

    „Gegen einen in das Berufsverzeichnis oder in das Sonderverzeichnis Eingetragenen, der sich in einer Weise verhält, die gegen die Würde und das Ansehen des Berufs verstößt, kann je nach Schwere des Falles eine der folgenden disziplinarischen Strafen verhängt werden:

    1)

    Tadel;

    2)

    Untersagung der Berufstätigkeit für einen Zeitraum von nicht mehr als einem Jahr;

    3)

    Streichung.

    …“

    7

    Art. 2 des Gesetzesdekrets Nr. 223 vom 4. Juli 2006 betreffend Dringlichkeitsmaßnahmen für den sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufschwung, für die Begrenzung und Zweckausrichtung der öffentlichen Ausgaben, für Maßnahmen auf der Einnahmenseite sowie zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung (Decreto-legge n. 223 –Disposizioni urgenti per il rilancio economico e sociale, per il contenimento e la razionalizzazione della spesa pubblica, nonché interventi in materia di entrate e di contrasto all’evasione fiscale) (GURI Nr. 153 vom 4. Juli 2006), nach Änderungen in ein Gesetz umgewandelt durch das Gesetz Nr. 248 vom 4. August 2006 (im Folgenden: Gesetzesdekret Nr. 223/2006), sieht vor:

    „1.   Gemäß dem gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des freien Wettbewerbs und dem des freien Personen- und Dienstleistungsverkehrs sowie zu dem Zweck, den Nutzern eine effektive Wahlmöglichkeit bei der Ausübung ihrer Rechte und eine Vergleichsmöglichkeit in Bezug auf die auf dem Markt angebotenen Leistungen zu ermöglichen, werden mit Inkrafttreten des vorliegenden Dekrets die Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen aufgehoben, die im Hinblick auf freiberufliche und geistige Tätigkeit Folgendes vorsehen:

    a)

    verbindliche Fest- oder Mindestentgelte oder das Verbot, eine erfolgsabhängige Vergütung zu vereinbaren;

    3.   Die berufsrechtlichen und vertraglichen Bestimmungen sowie die Verhaltenskodizes, die Bestimmungen im Sinne von Abs. 1 enthalten, sind spätestens bis zum 1. Januar 2007 anzupassen, auch durch Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualität der beruflichen Leistungen. Werden sie nicht angepasst, sind ab diesem Zeitpunkt gegen Abs. 1 verstoßende Bestimmungen jedenfalls nichtig.“

    8

    In dem die geistigen Berufe betreffenden Art. 2233 des Codice civile (Zivilgesetzbuch) heißt es:

    „Die Vergütung wird, wenn sie nicht von den Parteien vereinbart wurde und nicht nach den Tarifen oder den Gepflogenheiten bestimmt werden kann, vom Gericht nach Einholung der Stellungnahme der Berufsvereinigung bestimmt, der der Berufstätige angehört.

    In jedem Fall muss die Höhe der Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Arbeit und der Würde des Berufs stehen.

    …“

    9

    Die Art. 17 bis 19 des Verhaltenskodex über die Ausübung des Berufs des Geologen in Italien, der vom CNG am 19. Dezember 2006 genehmigt und zuletzt am 24. März 2010 geändert wurde (im Folgenden: Verhaltenskodex), bestimmen:

    „Art. 17 – Maßstab für die Gebühren

    Der Geologe hat sich bei der Festsetzung der Honorare für seine beruflichen Leistungen an die Bestimmungen des in das Gesetz Nr. 248/2006 umgewandelten Gesetzesdekrets Nr. 223/2006, den Grundsatz der Angemessenheit gemäß Art. 2233 Abs. 2 des Codice civile und darüber hinaus die Gesamtheit der in diesem Bereich geltenden gesetzlichen Regelungen zu halten. Die durch das Ministerialdekret vom 18. November 1971 in seiner geänderten Fassung genehmigte Gebührenordnung sowie die durch Ministerialdekret vom 4. April 2001 genehmigte Gebührenordnung für den Bereich der öffentlichen Arbeiten in dem für die Geologen anwendbaren Teil stellen einen rechtmäßigen und objektiven fach- und berufsbezogenen Maßstab für die Beurteilung, Ermittlung und Festsetzung der Honorare zwischen den Parteien dar.

    Art. 18 – Bemessung des Honorars

    Der Geologe, der eine berufliche Tätigkeit in den unterschiedlichen Formen – als Einzelner, als Gesellschafter oder Teilhaber – ausübt, muss im Rahmen der geltenden gesetzlichen Bestimmungen zur Sicherung der Qualität der Leistungen das eigene Honorar stets nach Maßgabe der Bedeutung und der Schwierigkeit des Auftrags, des beruflichen Ansehens, der erforderlichen technischen Kenntnisse und des erforderlichen Arbeitsaufwands bemessen.

    Der Verband wacht unter Berücksichtigung der Grundsätze des Wettbewerbs innerhalb dieser Berufsgruppe über die Einhaltung [dieser Regeln].

    Art. 19 – Öffentliche Ausschreibungen

    Der Geologe muss bei öffentlichen Ausschreibungen, bei denen die öffentliche Hand als Vergütungsmaßstab nicht die Gebührenordnung zugrunde legt, sein Angebot jedenfalls nach Maßgabe der Bedeutung und der Schwierigkeit des Auftrags, des beruflichen Ansehens, der erforderlichen technischen Kenntnisse und des erforderlichen Arbeitsaufwands bemessen.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    10

    Mit Beschluss vom 23. Juni 2010 (im Folgenden: Beschluss der Autorità), der auf der Grundlage der Ergebnisse einer Untersuchung erlassen wurde, hat die Autorità festgestellt, dass der Nationalverband der Geologen gegen Art. 101 AEUV verstoßen habe, indem er seine Mitglieder dazu verleitet habe, ihr wirtschaftliches Verhalten durch die Anwendung der Gebührenordnung anzugleichen. Die Autorità war insbesondere der Ansicht, dass der Verhaltenskodex einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung darstelle, der unter Verstoß gegen Art. 101 AEUV eine Einschränkung des Wettbewerbs bewirke.

    11

    Dass nach Art. 17 des genannten Kodex die Gebührenordnung als zulässige Bezugsgröße für die Festsetzung der Honorare eingestuft werde, verleite die Geologen dazu, ihre Honorare im Einklang mit der Gebührenordnung festzusetzen. Die formelle Bezugnahme in Art. 17 des Kodex auf das Gesetzesdekret Nr. 223/2006, mit dem die Fest- und Mindestentgelte aufgehoben worden seien, sei nicht geeignet, die Geologen auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Honorare auf der Grundlage einer freien Vereinbarung zwischen den Parteien festzusetzen.

    12

    Die in den Art. 18 und 19 des Verhaltenskodex vorgesehene Pflicht, die Honorare nach Maßgabe von Klauseln allgemeiner Art wie der Würde und des Ansehens des Berufs zu bestimmen, ohne dass es Kriterien gebe, die durch eine spezifische Bezugnahme auf die Festsetzung der Preise der beruflichen Dienstleistungen zu einer Bestimmung dieser Klauseln beitrügen, verleite außerdem zu der Annahme, dass die Gebührenordnung bindend sei, und verhindere somit unabhängige Verhaltensweisen auf dem Markt. Der Umstand, dass Art. 17 des Kodex auf Art. 2233 des Codice civile verweise, der auf die Würde des Berufs Bezug nehme, untermauere im Übrigen diese Ansicht.

    13

    Der CNG focht den Beschluss der Autorità beim Tribunale amministrativo regionale per il Lazio an.

    14

    Mit Urteil vom 25. Februar 2011 wies dieses Gericht die Klage des CNG ab. Es teilte insbesondere die Ansicht der Autorità, dass der Hinweis auf die Gebührenordnung als eine für die Festsetzung der Honorare zulässige Bezugsgröße die Geologen dazu verleite, sich nach dieser Gebührenordnung zu richten, was zu einer Einschränkung des Wettbewerbs führe. Gleichzeitig war es aber der Ansicht, dass die Autorità keine hinreichenden Beweise zur Stützung ihrer Ansicht vorgelegt habe, dass die Bezugnahme auf die Würde des Berufs als einen der Gesichtspunkte, die für die Festsetzung der Geologenhonorare zu berücksichtigen seien, impliziere, dass die Gebührenordnung verbindlich sei. Das Gericht war jedoch der Auffassung, dass dieser Fehler nicht ausreiche, um die Entscheidung der Autorità aufzuheben.

    15

    Der CNG legte beim Consiglio di Stato ein Rechtsmittel gegen das Urteil des Tribunale amministrativo regionale per il Lazio ein. Auch die Autorità legte gegen dieses Urteil ein Rechtsmittel ein, soweit mit ihm festgestellt wurde, dass die Begründung der Entscheidung der Autorità teilweise fehlgehe.

    16

    Im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht hat der CNG vorgeschlagen, dem Gerichtshof mehrere Vorlagefragen über die Vereinbarkeit der nationalen Bestimmungen in Gesetzen, Verwaltungsvorschriften und im Verhaltenskodex mit dem Wettbewerbsrecht der Union zu stellen.

    17

    Das vorlegende Gericht ist zwar der Ansicht, dass die meisten der vom CNG vorgeschlagenen Fragen grundsätzlich für die Lösung der Rechtsstreitigkeiten des Ausgangsverfahrens erheblich seien, gleichwohl stellt es fest, dass sie sehr vage formuliert seien. Ferner hält es einige dieser Fragen für nicht erheblich für die Ausgangsverfahren, insbesondere jene, die sich auf die Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 des Rates vom 25. Juli 1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) (ABl. L 199, S. 1) bezögen.

    18

    Das vorlegende Gericht hat dem Gerichtshof daher Fragen zur Tragweite von Art. 267 Abs. 3 AEUV in Bezug auf die Befugnis des vorlegenden Gerichts, die von einer der Parteien der Ausgangsverfahren vorgeschlagenen Fragen auszuwählen und umzuformulieren, und auf seine etwaige Pflicht, eine solche Auswahl und Umformulierung vorzunehmen, gestellt.

    19

    Bei den Fragen über das Wettbewerbsrecht der Union hat das vorlegende Gericht die vom CNG vorgelegten Vorschläge umformuliert.

    20

    Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    I.

    1.

    Stehen der Anwendung von Art. 267 Abs. 3 AEUV im Zusammenhang mit der Verpflichtung des letztinstanzlichen Gerichts, eine von einer Prozesspartei gestellte Frage nach Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen, innerstaatliche Verfahrensvorschriften entgegen, die ein System prozessualer Hinderungsgründe wie z. B. Rechtsmittelfristen, Bestimmtheit der Klagegründe, Verbot der Antragsänderung während des Verfahrens sowie das Verbot der richterlichen Änderung von Anträgen einer Partei vorsehen?

    2.

    Steht der Anwendung von Art. 267 Abs. 3 AEUV im Zusammenhang mit der Verpflichtung des letztinstanzlichen Gerichts, eine von einer Prozesspartei gestellte Frage nach Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen, die Befugnis des innerstaatlichen Gerichts zur Anwendung eines Filters im Hinblick auf die Erheblichkeit der Frage und die Beurteilung des Grads an Klarheit der Gemeinschaftsnorm entgegen?

    3.

    Steht Art. 267 Abs. 3 AEUV, wenn er dahin ausgelegt wird, dass er dem einzelstaatlichen letztinstanzlichen Gericht die unbedingte Verpflichtung, eine von einer Prozesspartei gestellte Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen, auferlegt, im Einklang mit dem auch im Gemeinschaftsrecht verankerten Grundsatz der angemessenen Verfahrensdauer?

    4.

    Unter welchen faktischen und rechtlichen Umständen stellt die Nichteinhaltung von Art. 267 Abs. 3 AEUV einen „offenkundigen Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht“ durch das innerstaatliche Gericht dar, und kann dieser Begriff im Fall einer speziellen Klage gegen den Staat gemäß dem Gesetz Nr. 117 vom 13. April 1988 wegen „Ersatz in Ausübung richterlicher Funktionen verursachter Schäden und Haftung der Richter“ eine andere Bedeutung und Tragweite haben?

    II.

    Muss dem Gerichtshof, wenn er der These des „groben Filters“ folgen sollte, die einer Anwendung der innerstaatlichen Verfahrensvorschriften über die Bestimmtheit von Klagegründen entgegensteht, das Vorabentscheidungsersuchen in genau dem Wortlaut vorgelegt werden, in dem es der Rechtsmittelführer im Ausgangsverfahren formuliert hat und der im Folgenden wiedergegeben wird:

    „1.

    … wird der Gerichtshof um eine Vorabentscheidung über die Auslegung von Art. 101 AEUV in Bezug auf die nachstehend aufgeführten für diesen Sachverhalt einschlägigen gesetzlichen und standesrechtlichen Vorschriften zur Regelung des Berufs des Geologen sowie der institutionellen Aufgaben und Arbeitsweise des CNG zwecks Überprüfung ihrer Vereinbarkeit mit den europäischen wettbewerbsrechtlichen Rechtsvorschriften (besagtem Art. 101 AEUV) und ihrer Rechtmäßigkeit im Hinblick auf diese ersucht. …

    [Wiedergabe von Art. 9 des Gesetzes Nr. 112/1963]

    [Wiedergabe der Art. 14 Abs. 1 und 17 des Gesetzes Nr. 616 vom 25. Juli 1966 mit ergänzenden Bestimmungen zur Durchführung des Gesetzes Nr. 112 vom 3. Februar 1963 zum Schutz der Berufsbezeichnung und des Berufs des Geologen]

    [Wiedergabe der Art. 6 und 7 des Verhaltenskodex]

    [Wiedergabe von Art. 17 des Verhaltenskodex]. Zu diesem Punkt möge der Gerichtshof insbesondere feststellen, ob es gegen Art. 101 AEUV verstößt, dass als in allen Teilen verbindliche Gesetzesregelung das Gesetzesdekret Nr. 223/2006 mit seinem numerisch-chronologischen System, dem einzigen historischen und rechtmäßigen System sowohl auf innerstaatlicher als auch gemeinschaftlicher Ebene, das die Erkennbarkeit und Verbindlichkeit der rechtlichen Regelung gewiss nicht berührt, angegeben wurde.

    [Wiedergabe der Art. 18 und 19 des Verhaltenskodex]

    In Anbetracht dessen, dass

    die Verordnung Nr. 2137/85 zur Erleichterung und Entwicklung der wirtschaftlichen Tätigkeit ihrer Mitglieder in ihrem sechsten Erwägungsgrund besagt, dass sie ‚jedoch nicht die Anwendung – auf einzelstaatlicher Ebene – der Rechts- und/oder Standesvorschriften über die Bedingungen für die Ausübung einer Tätigkeit oder eines Berufs [präjudiziert]‘;

    [Wiedergabe des 43. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September 2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABl. L 255, S. 22)];

    [Wiedergabe des 115. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376, S. 36)].

    Der Gerichtshof möge sich schließlich dazu äußern, ob die in rechtlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Organisation des Verbands getroffene Unterscheidung zwischen freiberuflicher und gewerblicher Tätigkeit sowie zwischen ‚Wettbewerb im freiberuflichen Bereich‘ und ‚Wettbewerb im gewerblichen Bereich‘ mit Art. 101 AEUV vereinbar ist.

    2.

    a)

    Verbieten Art. 101 AEUV oder eine andere europäische Rechtsvorschrift bei der Festsetzung der Vergütung für eine berufliche Leistung eine Bezugnahme auf die Kriterien der Würde und des Ansehens des Berufs, im vorliegenden Fall des Geologen, und/oder stehen sie einer solchen Bezugnahme entgegen?

    b)

    Führt die Bezugnahme auf die Kriterien der Würde und des Ansehens des Berufs zu Beschränkungen des Wettbewerbs innerhalb der Berufsgruppe im Sinne von Art. 101 AEUV oder einer anderen europäischen Rechtsvorschrift?

    c)

    Ergibt sich aus Art. 101 AEUV oder einer anderen europäischen Rechtsvorschrift, dass die Anforderungen hinsichtlich Würde und Ansehen als Kriterien der Vergütung des Berufsangehörigen in Verbindung mit den Tarifen, deren Mindesthöhe ausdrücklich für abänderbar erklärt worden ist – aufgrund des ausdrücklichen förmlichen Verweises in Art. 17 des Verhaltenskodex auf eine gesetzliche Regelung (das Gesetzesdekret Nr. 223/2006), die eine solche Abänderung ausdrücklich gestattet –, einen Anreiz zu wettbewerbsbeschränkendem Verhalten darstellen?

    d)

    Untersagen Art. 101 AEUV oder eine andere europäische Rechtsvorschrift die Bezugnahme auf die Gebührenordnung – die im Fall der Geologen durch eine staatliche Maßnahme, das Dekret des Justizministers in Abstimmung mit dem Minister für produktive Tätigkeiten, geregelt ist und von deren Mindesttarifen, wie bereits dargelegt, aufgrund des ausdrücklichen und förmlichen Verweises in Art. 17 des Verhaltenskodex auf das Gesetzesdekret Nr. 223/2206 abgewichen werden kann – als einfacher fach- und berufsbezogener Maßstab für die Ermittlung der Vergütungen?

    e)

    Untersagen Art. 101 AEUV oder eine andere europäische Rechtsvorschrift eine Verbindung zwischen der Bedeutung der Leistungen, den Anforderungen hinsichtlich Würde und Ansehen des Berufs, wie sie auch in Art. 6 und 7 des Verhaltenskodex festgelegt sind, und der Vergütung in einer Berufsgruppe gemäß Art. 2233 Abs. 2 des Codice civile, wonach ‚[i]n jedem Fall … die Höhe der Vergütung in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Arbeit und der Würde des Berufs stehen [muss]‘?

    f)

    Ist also gemäß Art. 101 AEUV eine Bezugnahme auf Art. 2233 Abs. 2 des Codice civile zulässig und führt nicht zu wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen?

    g)

    Sehen Art. 101 AEUV oder eine andere europäische Rechtsvorschrift im Rahmen des Wettbewerbsrechts die rechtliche Gleichstellung eines Berufsverbands, der, wie im Fall der Geologen, durch spezielle staatliche Vorschriften geregelt wird, die auf das Erreichen institutioneller Ziele ausgerichtet sind, mit Absprachen und Zusammenschlüssen von Unternehmen, die wettbewerbsbeschränkende Absprachen darstellen, vor?

    h)

    Lassen Art. 101 AEUV oder eine andere europäische Rechtsvorschrift eine Gleichstellung des gesetzlich vorgeschriebenen, zur Erreichung der institutionellen Aufgaben und Ziele vorgesehenen Berufsverbandsbeitrags mit dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen mittels wettbewerbswidriger Handlungen von Unternehmenszusammenschlüssen und dem daraus resultierenden wirtschaftlichen Gewinn zu?

    i)

    Rechtfertigen Art. 101 AEUV oder eine andere europäische Rechtsvorschrift im vorliegenden Fall die Verhängung einer Sanktion?

    j)

    Gestatten Art. 101 AEUV oder eine andere europäische Rechtsvorschrift die obligatorische Erhebung eines gesetzlich vorgesehenen Berufsverbandsbeitrags, wobei dieser Beitrag mit Gewinnen und Einnahmen aus wettbewerbsbeschränkenden wirtschaftlich-kommerziellen Absprachen gleichgestellt wird?“

    III.

    1.

    Hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof die Fragen nach der Auslegung von Art. 267 Abs. 3 AEUV dahin gehend beantworten sollte, dass die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften sich nicht auswirken und dem innerstaatlichen Gericht eine Unterstützungspflicht obliegt, und er die vom Rechtsmittelführer gestellte Vorlagefrage als ein unklares Ersuchen der Partei ansehen sollte, stellt sich folgende Vorlagefrage: Stehen das Wettbewerbs- und Berufsrecht der Gemeinschaft, insbesondere die vom Rechtsmittelführer in seiner Frage angeführten Gemeinschaftsvorschriften, dem Erlass von berufsständischen Verhaltenskodizes entgegen, die die Vergütungshöhe nach Maßgabe von Würde und Ansehen des Berufs sowie der Qualität und Quantität der erbrachten Arbeiten festlegen, mit der Folge, dass Vergütungen unterhalb der Mindesttarife (die daher wettbewerbsfähig sind) disziplinarrechtlich wegen Verstoßes gegen die Standesregeln geahndet werden könnten?

    2.

    Hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof die Fragen nach der Auslegung von Art. 267 Abs. 3 AEUV dahin gehend beantworten sollte, dass die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften sich nicht auswirken und dem innerstaatlichen Gericht eine Unterstützungspflicht obliegt, und er die vom Rechtsmittelführer gestellte Vorlagefrage als ein unklares Ersuchen der Partei ansehen sollte, stellt sich folgende Vorlagefrage: Kann das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft, insbesondere das Verbot wettbewerbsbeschränkender Absprachen, dahin gehend ausgelegt werden, dass Standesregeln, die durch Berufsverbände festgelegt wurden, wettbewerbsbeschränkende Absprachen darstellen können, wenn diese Regeln dadurch, dass sie als Maßstab für die Höhe der Vergütung des Berufsangehörigen auf die Würde und das Ansehen des Berufs sowie auf die Qualität und Quantität der erbrachten Arbeit abstellen, wie nicht abänderbare Mindesttarife wirken und deshalb aufgrund dieser Unabänderbarkeit auch eine wettbewerbseinschränkende Wirkung entfalten?

    3.

    Hilfsweise, für den Fall, dass der Gerichtshof die Fragen nach der Auslegung von Art. 267 Abs. 3 AEUV dahin gehend beantworten sollte, dass die innerstaatlichen Verfahrensvorschriften sich nicht auswirken und dem innerstaatlichen Gericht eine Unterstützungspflicht obliegt, und er die vom Rechtsmittelführer gestellte Vorlagefrage als ein unklares Ersuchen der Partei ansehen sollte, stellt sich die folgende Vorlagefrage: Lassen in Fällen, in denen das innerstaatliche Recht Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs enthält, die strenger sind als die gemeinschaftsrechtlichen, indem es insbesondere vorsieht, dass die Mindesttarife der Gebührenordnungen abgeändert werden können, während das Gemeinschaftsrecht unter bestimmten Voraussetzungen die Unabänderbarkeit der Mindesttarife vorsieht, und in denen ein Verhalten eines Berufsverbands, der verbindliche Mindesttarife vorschreibt, nach innerstaatlichem Recht – im Gegensatz zum Gemeinschaftsrecht – folglich eine wettbewerbsbeschränkende Absprache darstellt, das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft und insbesondere die Gemeinschaftsregelung über wettbewerbsbeschränkende Absprachen nicht zu, ein solches Verhalten nach innerstaatlichem Recht und nicht auch nach Gemeinschaftsrecht als wettbewerbsbeschränkende Absprache zu ahnden, sofern die innerstaatlichen Vorschriften zum Schutz des Wettbewerbs strenger sind als die gemeinschaftsrechtlichen?

    Zu den Vorlagefragen

    Zu den Fragen, die Art. 267 Abs. 3 AEUV betreffen

    21

    Mit seinen Fragen, die Art. 267 Abs. 3 AEUV betreffen, möchte das vorlegende Gericht geklärt wissen, inwieweit es befugt ist, die von einer der Parteien des Ausgangsverfahrens vorgeschlagenen Fragen auszuwählen und umzuformulieren, und ob es etwa verpflichtet ist, eine solche Auswahl und Umformulierung vorzunehmen.

    22

    In diesem Zusammenhang fragt es den Gerichtshof insbesondere, ob die genannte Bestimmung der Anwendung nationaler Vorschriften entgegensteht, die dazu führen, dass das einzelstaatliche Gericht seine Vorlagebefugnis nicht ausüben kann oder die von den Parteien vorgeschlagenen Fragen übernehmen muss.

    23

    Falls Art. 267 Abs. 3 AEUV dahin auszulegen sein sollte, dass er dem einzelstaatlichen letztinstanzlichen Gericht die unbedingte Verpflichtung auferlegt, eine von einer Prozesspartei gestellte Frage nach der Auslegung des Unionsrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen, möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof außerdem wissen, ob das im Unionsrecht verankerte Gebot der angemessenen Verfahrensdauer Auswirkungen auf die nach der genannten Bestimmung bestehenden Pflichten eines letztinstanzlichen Gerichts hat.

    24

    Außerdem legt der Consiglio di Stato die Frage vor, unter welchen Umständen die Nichtbeachtung der Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV einen offenkundigen Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung der außervertraglichen Haftung des Staates wegen Verstoßes gegen dieses Recht darstellen kann.

    25

    Hierzu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass ein einzelstaatliches Gericht, soweit gegen seine Entscheidung kein Rechtsmittel gegeben ist, grundsätzlich verpflichtet ist, den Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV anzurufen, wenn sich in einem bei ihm anhängigen Verfahren eine Frage nach der Auslegung des AEU-Vertrags stellt (vgl. Urteil vom 4. November 1997, Parfums Christian Dior, C-337/95, Slg. 1997, I-6013, Randnr. 26).

    26

    Aus dem Verhältnis zwischen den Abs. 2 und 3 des Art. 267 AEUV ergibt sich, dass die in Abs. 3 genannten Gerichte ebenso wie alle anderen einzelstaatlichen Gerichte die Frage, ob für den Erlass ihrer eigenen Entscheidung eine Entscheidung über eine unionsrechtliche Frage erforderlich ist, in eigener Zuständigkeit beurteilen. Diese Gerichte sind somit nicht zur Vorlage einer vor ihnen aufgeworfenen Frage nach der Auslegung des Unionsrechts verpflichtet, wenn die Frage nicht entscheidungserheblich ist, d. h., wenn die Antwort auf diese Frage, wie auch immer sie ausfällt, keinerlei Einfluss auf die Entscheidung des Rechtsstreits haben kann (Urteil vom 6. Oktober 1982, Cilfit u. a., 283/81, Slg. 1982, 3415, Randnr. 10).

    27

    Stellen sie dagegen fest, dass das Unionsrecht herangezogen werden muss, um eine Entscheidung des bei ihnen anhängigen Rechtsstreits zu ermöglichen, sind sie nach Art. 267 AEUV verpflichtet, dem Gerichtshof jede sich stellende Auslegungsfrage vorzulegen (vgl. Urteil Cilfit u. a., Randnrn. 11 bis 20).

    28

    Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass das System, das mit Art. 267 AEUV geschaffen wurde, um die einheitliche Auslegung des Unionsrechts in den Mitgliedstaaten zu gewährleisten, eine unmittelbare Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten durch ein Verfahren einführt, das der Parteiherrschaft entzogen ist (Urteile vom 16. Dezember 2008, Cartesio, C-210/06, Slg. 2008, I-9641, Randnr. 90, und vom 21. Juli 2011, Kelly, C-104/10, Slg. 2011, I-6813, Randnr. 62).

    29

    Die Bestimmung und die Formulierung der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen sind Sache des nationalen Gerichts, und die Parteien des Ausgangsverfahrens können die Fragen inhaltlich nicht ändern (vgl. Urteile vom 14. April 2011, Vlaamse Dierenartsenvereniging und Janssens, C-42/10, C-45/10 und C-57/10, Slg. 2011, I-2975, Randnr. 43, und vom 21. Dezember 2011, Danske Svineproducenter, C-316/10, Slg. 2011, I-13721, Randnr. 32).

    30

    Auch wenn es dem nationalen Gericht freisteht, die Parteien des bei ihm anhängigen Rechtsstreits aufzufordern, Formulierungen vorzuschlagen, die bei der Abfassung der Vorabentscheidungsfragen übernommen werden können, ist die Entscheidung sowohl über Form als auch über Inhalt dieser Fragen doch letztlich Sache des Gerichts allein (vgl. Urteil Kelly, Randnr. 65).

    31

    Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass es allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Vorabentscheidungsfragen nach der Auslegung des Unionsrechts, die für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten erforderlich sind, zu bestimmen und zu formulieren.

    32

    Hinsichtlich der innerstaatlichen Verfahrensvorschriften, auf die das vorlegende Gericht Bezug genommen hat, ohne jedoch deren genaue Tragweite zu erläutern, genügt jedenfalls der Hinweis, dass solche Vorschriften die Befugnis und die Pflichten nicht beeinträchtigen können, die einem einzelstaatlichen Gericht, wie es das vorlegende Gericht ist, nach Art. 267 AEUV zukommen (vgl. in diesem Sinne Urteil Cartesio, Randnrn. 93, 94 und 98).

    33

    Ferner ist hervorzuheben, dass das nationale Gericht, das im Rahmen seiner Zuständigkeit die unionsrechtlichen Bestimmungen anzuwenden hat, gehalten ist, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts, insbesondere eine Verfahrensvorschrift, aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lässt, ohne dass es die vorherige Beseitigung dieser Bestimmung auf gesetzgeberischem Wege oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren abwarten müsste (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2010, Elchinov, C-173/09, Slg. 2010, I-8889, Randnr. 31).

    34

    Was sodann die etwaigen Auswirkungen des vom vorlegenden Gericht ebenfalls angeführten Gebots der angemessenen Verfahrensdauer anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht die Frage nur für den Fall formuliert hat, dass Art. 267 AEUV dahin auszulegen sein sollte, dass diese Bestimmung dem einzelstaatlichen letztinstanzlichen Gericht die unbedingte Verpflichtung auferlegt, eine von einer Prozesspartei gestellte Frage nach der Auslegung des Unionsrechts zur Vorabentscheidung vorzulegen. Unter diesen Umständen und in Anbetracht dessen, was sich aus den Randnrn. 25 bis 33 des vorliegenden Urteils ergibt, braucht diese Frage nicht beantwortet zu werden.

    35

    Was schließlich den offenkundigen Verstoß gegen das Unionsrecht als Voraussetzung für die außervertragliche Haftung des Staates wegen Verstoßes gegen dieses Recht anbelangt, so ist diese Frage im Rahmen der Ausgangsrechtsstreitigkeiten offensichtlich unerheblich und hypothetisch. Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich nicht hervor, dass die Ausgangsrechtsstreitigkeiten diese Haftung beträfen, und noch nicht einmal, dass diese Frage von einer der Parteien der Ausgangsrechtsstreitigkeiten zum Gegenstand eines Zwischenstreits gemacht worden wäre.

    36

    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist auf die Fragen, die Art. 267 Abs. 3 AEUV betreffen, zu antworten, dass diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass es allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Vorabentscheidungsfragen nach der Auslegung des Unionsrechts, die es für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten für erheblich hält, zu bestimmen und zu formulieren. Nationale Vorschriften, die eine Beeinträchtigung dieser Befugnis bewirken würden, müssen unangewandt bleiben.

    Zu den Fragen, die das Wettbewerbsrecht der Union betreffen

    37

    Da das vorlegende Gericht in diesem Fall die vom CNG vorgeschlagenen Fragen umformuliert hat, sind die Fragen in der umformulierten Fassung zu prüfen.

    38

    Im Wesentlichen möchte das vorlegende Gericht in Erfahrung bringen, ob Art. 101 AEUV es einem Berufsverband untersagt, dass er wie der Nationalverband der Geologen in Italien Standesregeln erlässt, die als Kriterien für die Festsetzung der Honorare außer der Qualität und der Bedeutung der Dienstleistung auch die Würde des Berufs vorsehen, mit der Folge, dass die Festsetzung der Honorare unterhalb einer bestimmten Höhe wegen des Verstoßes gegen diese Regeln geahndet werden könnte, was mit der Einführung von Mindesttarifen vergleichbar wäre.

    39

    Das vorlegende Gericht möchte ferner vom Gerichtshof wissen, ob das nationale Recht einen strengeren Schutz des Wettbewerbs als das Wettbewerbsrecht der Union vorsehen kann. Dazu ist zu bemerken, dass aus der Vorlageentscheidung nicht hervorgeht, dass diese Frage für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten erheblich wäre. Der Vorlageentscheidung lässt sich nämlich nicht entnehmen, welchen Nutzen eine Antwort hierauf für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten hätte. Eine entsprechende Erläuterung wäre aber erforderlich gewesen, da aus der dem Gerichtshof vorgelegten Akte hervorgeht, dass diese Rechtsstreitigkeiten die Rechtmäßigkeit eines Beschlusses der Autorità betreffen, der aufgrund von Art. 101 AEUV und nicht der nationalen Vorschriften über wettbewerbsbeschränkende Abreden ergangen ist. Folglich ist diese Frage für unzulässig zu erklären.

    40

    Gleiches gilt für die Fragen nach der Auslegung der Verordnung Nr. 2137/85 und der Richtlinien 2005/36 und 2006/123.

    41

    Was die in Randnr. 38 des vorliegenden Urteils angeführte Frage anbelangt, ist zu prüfen, inwiefern ein Berufsverband wie der Nationalverband der Geologen in Italien als eine Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen ist, wenn er Regeln erlässt wie die, die in dem Verhaltenskodex vorgesehen sind.

    42

    Im Rahmen dieser Prüfung ist festzustellen, ob ein Berufsverband beim Erlass von Regeln wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden als Unternehmensvereinigung oder vielmehr als Organ der öffentlichen Gewalt anzusehen ist, weil seine Tätigkeit mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse zusammenhängt (vgl. Urteil vom 19. Februar 2002, Wouters u. a., C-309/99, Slg. 2002, I-1577, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    43

    Was die Art der Tätigkeiten des CNG anbelangt, geht aus den Art. 8 und 9 des Gesetzes Nr. 112/1963 hervor, dass der Verband aus den Geologen besteht, die in dem von dieser Bestimmung vorgesehenen Verzeichnis eingetragen sind, dass diese den CNG wählen und dass der CNG für die Einhaltung des Standesrechts sowie aller sonstigen, den Beruf betreffenden Bestimmungen zuständig ist und die disziplinarischen Maßnahmen erlässt.

    44

    Ein Berufsverband wie der Nationalverband der Geologen erfüllt jedoch beim Erlass eines Rechtsakts wie dem Verhaltenskodex keine auf dem Solidaritätsgrundsatz beruhende soziale Aufgabe und übt auch keine typischerweise hoheitlichen Befugnisse aus. Er handelt vielmehr als Organ zur Regelung eines Berufs, dessen Ausübung im Übrigen eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil Wouters u. a., Randnr. 58).

    45

    In Anbetracht dieser Erwägungen ist daher festzustellen, dass sich ein Berufsverband wie der Nationalverband der Geologen bei der Ausarbeitung von Standesregeln wie den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden wie eine Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV verhält.

    46

    Hinsichtlich der Frage, ob die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Standesregeln einen Beschluss im Sinne von Art. 101 AEUV darstellen, ist darauf hinzuweisen, dass selbst eine Preisempfehlung unabhängig davon, wie sie rechtlich genau einzuordnen ist, einen solchen Beschluss darstellen kann (vgl. Urteil vom 27. Januar 1987, Verband der Sachversicherer/Kommission, 45/85, Slg. 1987, 405, Randnr. 32).

    47

    Im vorliegenden Fall lassen der für die Geologen verbindliche Charakter des Verhaltenskodex sowie die Möglichkeit, diese im Fall der Nichtbeachtung des Kodex mit Sanktionen zu belegen, nur den Schluss zu, dass die darin festgelegten Regeln im Hinblick auf Art. 101 AEUV einen Beschluss darstellen.

    48

    Die Wettbewerbsvorschriften der Union sind auf ein Kartell oder ein missbräuchliches Verhalten nur anwendbar, wenn es den Handel zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen kann (vgl. Urteil vom 13. Juli 2006, Manfredi u. a., C-295/04 bis C-298/04, Slg. 2006, I-6619, Randnr. 40).

    49

    Insoweit kann ein Beschluss, eine Vereinbarung oder eine Verhaltensweise den Handel zwischen Mitgliedstaaten nur beeinträchtigen, wenn sich anhand einer Gesamtheit objektiver rechtlicher und tatsächlicher Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt, dass sie unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell den Handel zwischen den Mitgliedstaaten in einer Weise beeinflussen können, die die Verwirklichung eines einheitlichen Marktes zwischen den Mitgliedstaaten hemmen könnte (vgl. Urteil Manfredi u. a., Randnr. 42).

    50

    Ein Kartell, das sich auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erstreckt, hat schon seinem Wesen nach die Wirkung, die Abschottung der Märkte auf nationaler Ebene zu verfestigen, indem es die vom Vertrag gewollte wirtschaftliche Verflechtung behindert (vgl. Urteile vom 18. Juni 1998, Kommission/Italien, C-35/96, Slg. 1998, I-3851, Randnr. 48, und Manfredi u. a., Randnr. 45).

    51

    Der Beschluss der in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Unternehmensvereinigung kann diese Wirkung haben, da das italienische Recht im gesamten Hoheitsgebiet der Italienischen Republik eine Pflichtmitgliedschaft der Geologen im Berufsverband vorsieht, was bedeutet, dass sie Standesregeln unterworfen sind und im Fall des Verstoßes gegen diese Regeln disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden können.

    52

    In Anbetracht der vorstehenden Erwägungen ist festzustellen, dass die Standesregeln, die als Kriterien für die Festsetzung der Honorare des Berufsangehörigen die Würde des Berufs sowie die Qualität und die Bedeutung der Dienstleistung vorsehen, geeignet sind, den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts zu beschränken.

    53

    Allerdings wird nicht jeder Beschluss einer Unternehmensvereinigung, durch den die Handlungsfreiheit der Parteien oder einer der Parteien beschränkt wird, automatisch vom Verbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV erfasst. Bei der Anwendung dieser Vorschrift im Einzelfall sind nämlich zunächst der Gesamtzusammenhang, in dem der fragliche Beschluss zustande gekommen ist oder seine Wirkungen entfaltet, und insbesondere dessen Ziel zu würdigen, das hier darin besteht, den Endverbrauchern der in Rede stehenden Dienstleistungen die erforderlichen Garantien zu bieten. Anschließend ist zu prüfen, ob die mit dem Beschluss verbundenen wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen notwendig mit der Verfolgung des genannten Ziels zusammenhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil Wouters u. a., Randnr. 97).

    54

    In diesem Zusammenhang ist zu prüfen, ob die von den in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden Regeln auferlegten Beschränkungen auf das begrenzt sind, was notwendig ist, um die Umsetzung legitimer Zwecke sicherzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. Juli 2006, Meca-Medina und Majcen/Kommission, C-519/04 P, Slg. 2006, I-6991, Randnr. 47).

    55

    Der Gerichtshof kann anhand der ihm vorgelegten Akten nicht beurteilen, ob das Kriterium der Würde des Berufs als für die Umsetzung eines legitimen Zwecks wie dem, der mit den Garantien verbunden ist, die den Endverbrauchern der Dienstleistungen der Geologen gewährt werden, notwendig angesehen werden kann, insbesondere da zu diesem Kriterium andere Kriterien zur Bestimmung der Honorare hinzukommen, die eng mit der Qualität der Arbeit dieser Geologen verbunden sind, wie die Bedeutung und die Schwierigkeit der Arbeit, die technischen Kenntnisse und der erforderliche Arbeitsaufwand.

    56

    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, in Ansehung des Gesamtzusammenhangs, in dem der Verhaltenskodex seine Wirkungen entfaltet, und in Ansehung des gesamten nationalen Rechtsrahmens sowie der Anwendungspraxis dieses Kodex durch den Nationalverband der Geologen zu beurteilen, ob der Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts beschränkt wird. Das Gericht hat auch zu prüfen, ob in Anbetracht aller ihm vorliegenden erheblichen Gesichtspunkte die Regeln des Kodex, insbesondere soweit sie das Kriterium der Würde des Berufs vorsehen, für die Umsetzung des genannten legitimen Zwecks, der in Zusammenhang mit den Garantien für die Verbraucher steht, als notwendig angesehen werden können.

    57

    Nach alledem ist auf die Fragen, die das Wettbewerbsrecht der Union betreffen, zu antworten, dass Regeln wie die, die in dem Verhaltenskodex vorgesehen sind und die als Kriterien für die Festsetzung der Honorare der Geologen außer der Qualität und der Bedeutung der Dienstleistung die Würde des Berufs vorsehen, einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV darstellen, der den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts beschränken kann. Das vorlegende Gericht hat in Ansehung des Gesamtzusammenhangs, in dem dieser Kodex seine Wirkungen entfaltet, und in Ansehung des gesamten nationalen Rechtsrahmens sowie der Anwendungspraxis des Kodex durch den Nationalverband der Geologen zu beurteilen, ob der Kodex die genannte Wirkung hat. Das Gericht hat auch zu prüfen, ob in Anbetracht aller ihm vorliegenden erheblichen Gesichtspunkte die Regeln des Kodex, insbesondere soweit sie das Kriterium der Würde des Berufs vorsehen, für die Umsetzung des legitimen Zwecks, der in Zusammenhang mit den Garantien für die Verbraucher der Dienstleistungen der Geologen steht, als notwendig angesehen werden können.

    Kosten

    58

    Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 267 Abs. 3 AEUV ist dahin auszulegen, dass es allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, die Vorabentscheidungsfragen nach der Auslegung des Unionsrechts, die es für die Entscheidung der Ausgangsrechtsstreitigkeiten für erheblich hält, zu bestimmen und zu formulieren. Nationale Vorschriften, die eine Beeinträchtigung dieser Befugnis bewirken würden, müssen unangewandt bleiben.

     

    2.

    Regeln wie die, die in dem Verhaltenskodex über die Ausübung des Berufs des Geologen in Italien, der vom Consiglio nazionale dei geologi am 19. Dezember 2006 genehmigt und zuletzt am 24. März 2010 geändert wurde, vorgesehen sind und die als Kriterien für die Festsetzung der Honorare der Geologen außer der Qualität und der Bedeutung der Dienstleistung die Würde des Berufs vorsehen, stellen einen Beschluss einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV dar, der den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts beschränken kann. Das vorlegende Gericht hat in Ansehung des Gesamtzusammenhangs, in dem dieser Kodex seine Wirkungen entfaltet, und in Ansehung des gesamten nationalen Rechtsrahmens sowie der Anwendungspraxis des Kodex durch den Nationalverband der Geologen zu beurteilen, ob der Kodex die genannte Wirkung hat. Das Gericht hat auch zu prüfen, ob in Anbetracht aller ihm vorliegenden erheblichen Gesichtspunkte die Regeln des Kodex, insbesondere soweit sie das Kriterium der Würde des Berufs vorsehen, für die Umsetzung des legitimen Zwecks, der in Zusammenarbeit mit den Garantien für die Verbraucher der Dienstleistungen der Geologen steht, als notwendig angesehen werden können.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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