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Dokument 62011CJ0186
Judgment of the Court (Fourth Chamber), 24 January 2013.#Stanleybet International Ltd (C‑186/11) William Hill Organization Ltd (C‑186/11) William Hill plc (C‑186/11) Sportingbet plc (C‑209/11) v Ipourgos Oikonomias kai Oikonomikon Ipourgos Politismou.#Requests for a preliminary ruling from the Simvoulio tis Epikratias.#Articles 43 and 49 EC — National legislation granting an exclusive right for the running, management, organisation and operation of games of chance to a single undertaking, in the form of a public limited company listed on the stock exchange — Advertising of the games and expansion in other Member States of the European Union — State controls.#Joined Cases C‑186/11 and C‑209/11.
Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 24. Januar 2013.
Stanleybet International Ltd (C‑186/11) William Hill Organization Ltd (C‑186/11) William Hill plc (C‑186/11) Sportingbet plc (C‑209/11) gegen Ypourgos Oikonomias kai Oikonomikon Ypourgos Politismou.
Vorabentscheidungsersuchen des Symvoulio tis Epikrateias.
Art. 43 EG und 49 EG – Nationale Regelung, die einem einzigen Unternehmen, das die Rechtsform einer börsennotierten Aktiengesellschaft aufweist, das ausschließliche Recht zur Durchführung, zur Verwaltung, zur Veranstaltung und zum Betrieb von Glücksspielen gewährt – Werbung für Glücksspiele und Ausdehnung auf andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Staatliche Kontrolle.
Verbundene Rechtssachen C‑186/11 und C‑209/11.
Urteil des Gerichtshofs (Vierte Kammer) vom 24. Januar 2013.
Stanleybet International Ltd (C‑186/11) William Hill Organization Ltd (C‑186/11) William Hill plc (C‑186/11) Sportingbet plc (C‑209/11) gegen Ypourgos Oikonomias kai Oikonomikon Ypourgos Politismou.
Vorabentscheidungsersuchen des Symvoulio tis Epikrateias.
Art. 43 EG und 49 EG – Nationale Regelung, die einem einzigen Unternehmen, das die Rechtsform einer börsennotierten Aktiengesellschaft aufweist, das ausschließliche Recht zur Durchführung, zur Verwaltung, zur Veranstaltung und zum Betrieb von Glücksspielen gewährt – Werbung für Glücksspiele und Ausdehnung auf andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union – Staatliche Kontrolle.
Verbundene Rechtssachen C‑186/11 und C‑209/11.
Sammlung der Rechtsprechung – allgemein
ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2013:33
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)
24. Januar 2013 ( *1 )
„Art. 43 EG und 49 EG — Nationale Regelung, die einem einzigen Unternehmen, das die Rechtsform einer börsennotierten Aktiengesellschaft aufweist, das ausschließliche Recht zur Durchführung, zur Verwaltung, zur Veranstaltung und zum Betrieb von Glücksspielen gewährt — Werbung für Glücksspiele und Ausdehnung auf andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union — Staatliche Kontrolle“
In den verbundenen Rechtssachen C-186/11 und C-209/11
betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Symvoulio tis Epikrateias (Griechenland) mit Entscheidungen vom 21. Januar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 20. April 2011 und 4. Mai 2011, in den Verfahren
Stanleybet International Ltd (C-186/11),
William Hill Organization Ltd (C-186/11),
William Hill plc (C-186/11),
Sportingbet plc (C-209/11)
gegen
Ypourgos Oikonomias kai Oikonomikon,
Ypourgos Politismou,
Beteiligte:
Organismos prognostikon agonon podosfairou AE (OPAP),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, des Richters J.-C. Bonichot, der Richterinnen C. Toader (Berichterstatterin) und A. Prechal sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
— |
der Stanleybet International Ltd, vertreten durch G. Dellis, P. Kakouris und G. Troufakos, dikigoroi, sowie R. A. Jacchia, I. Picciano, A. Terranova und D. Agnello, avvocati, |
— |
der William Hill Organization Ltd und der William Hill plc, vertreten durch G. A. Antonakopoulos, dikigoros, |
— |
der Sportingbet plc, vertreten durch S. Alexandris und P. Anestis, dikigoroi, |
— |
des Ypourgos Oikonomias kai Oikonomikon und des Ypourgos Politismou, vertreten durch S. Detsis als Bevollmächtigten, |
— |
der Organismos prognostikon agonon podosfairou AE (OPAP), vertreten durch G. Gerapetritis und G. Ganotis, dikigoroi, |
— |
der griechischen Regierung, vertreten durch G. Papadaki, E.-M. Mamouna, E. Synoikis und I. Bakopoulos als Bevollmächtigte, |
— |
der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von P. Vlaemminck, advocaat, |
— |
der polnischen Regierung, vertreten durch D. Lutostańska, P. Kucharski und M. Szpunar als Bevollmächtigte, |
— |
der portugiesischen Regierung, vertreten durch A. Silva Coelho als Bevollmächtigte, |
— |
der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Patakia und I. Rogalski als Bevollmächtigte, |
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. September 2012
folgendes
Urteil
1 |
Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung der Art. 43 EG und 49 EG. |
2 |
Diese Ersuchen ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen erstens (C-186/11) der Stanleybet International Ltd (im Folgenden: Stanleybet), der William Hill Organization Ltd und der William Hill plc (im Folgenden zusammenfassend: William Hill) und zweitens (C-209/11) der Sportingbet plc (im Folgenden: Sportingbet) gegen den Ypourgos Oikonomias kai Oikonomikon (Minister für Wirtschaft und Finanzen) und den Ypourgos Politismou (Minister für Kultur) – die Organismos prognostikon agonon podosfairou AE (OPAP) (im Folgenden: OPAP) ist diesen Rechtsstreitigkeiten jeweils als Streithelferin beigetreten – betreffend die von den griechischen Behörden stillschweigend zurückgewiesenen Anträge von Stanleybet, William Hill und Sportingbet auf Zulassung zur Erbringung von Wettdienstleistungen in Griechenland. |
Rechtlicher Rahmen
Das griechische Recht
Das Gesetz 2433/1996
3 |
Der Begründung des Gesetzes 2433/1996 (FEK A’ 180), mit dem das staatliche Monopol auf dem Gebiet der Veranstaltung von Glücksspielen geschaffen wurde, ist zu entnehmen, dass das Gesetz in erster Linie die Bekämpfung unerlaubter Wetttätigkeiten bezweckt, die „in den letzten Jahren [in Griechenland] epidemische Ausmaße angenommen haben“, wohingegen die Erhöhung der Einnahmen zugunsten des Sports ein zweitrangiges Ziel ist. Darüber hinaus heißt es in dieser Begründung, dass „es für notwendig erachtet wird, für Wetten jeder Art Wettscheine … vorzuschreiben, um die Bekämpfung unerlaubter Wetttätigkeiten [in Griechenland] wirksamer zu gestalten, die u. a. unmittelbar zu einem Devisenverlust führen, da die Unternehmen, die derzeit unerlaubte Glücksspiele in Griechenland veranstalten, mit ausländischen Unternehmen zusammenarbeiten und auch in deren Namen Wetten annehmen“. |
4 |
Die Art. 2 und 3 dieses Gesetzes sehen vor: „Art. 2 (1) Durch Präsidialdekret … wird die Ausstellung von Wettscheinen mit ‚festen oder variablen Gewinnquoten‘ für alle Einzel- oder Gruppenspiele sowie für Ereignisse erlaubt, die sich ihrer Natur nach zur Durchführung einer Wette eignen. … Zum Verwalter der Wettscheine wird die [OPAP] bestimmt (2) Wer ohne Konzession die Durchführung einer … Wette organisiert, … wird mit Freiheitsstrafe bestraft … Art. 3 (1) Die jährlichen Kosten der Werbung für die Spiele …, die die OPAP organisiert oder in Zukunft organisieren soll, werden anteilig von der OPAP und den anderen Einrichtungen getragen, die an den aus den einzelnen OPAP-Spielen hergeleiteten Rechten beteiligt sind … … (5) Die [OPAP] ist berechtigt, bis zu 10 % der Werbeflächen in staatlichen und kommunalen Stadien und Sportanlagen für Reklametafeln mit ihren Produkten unentgeltlich zu nutzen …“ |
Das Präsidialdekret 228/1999
5 |
Die Art. 1 und 2 des Präsidialdekrets 228/1999 (FEK A’ 193) bestimmen: „Art. 1 Es wird eine Aktiengesellschaft mit dem Namen [OPAP] gegründet. Diese Gesellschaft wird im öffentlichen Interesse nach den Regeln der Privatwirtschaft betrieben … Art. 2 (1) Die [OPAP] hat zum Zweck:
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Das Gesetz 2843/2000
6 |
Art. 27 des Gesetzes 2843/2000 (FEK A’ 219) in der durch das Gesetz 2912/2001 (FEK A’ 94) geänderten Fassung (im Folgenden: Gesetz 2843/2000) bestimmt: „(1) Der Staat kann den Anlegern über die Athener Börse bis zu 49 % der Anteile am jeweiligen Aktienkapital der [OPAP] anbieten.
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Das Gesetz 3336/2005
7 |
Durch Art. 14 Abs. 1 des Gesetzes 3336/2005 (FEK A’ 96) wurde Art. 27 des Gesetzes 2843/2000 folgendermaßen ersetzt: „Der Staat kann den Anlegern über die Athener Börse bis zu 66 % der Anteile am jeweiligen Aktienkapital der [OPAP] anbieten. Der Anteil des Staates am jeweiligen Aktienkapital der OPAP darf nicht geringer sein als 34 %.“ |
Das Gesetz 3429/2005
8 |
Aus Art. 20 des Gesetzes 3429/2005 (FEK A’ 314) ergibt sich, dass das Recht des Staates, die Mehrheit der Vorstandsmitglieder zu ernennen, aufgehoben wurde. |
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
9 |
Stanleybet, William Hill und Sportingbet sind Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich, wo ihnen Konzessionen für die Veranstaltung von Glücksspielen erteilt worden sind. |
10 |
Wie sich aus den Vorlageentscheidungen ergibt, wurde der OPAP in Griechenland durch die Gesetze 2433/1996 und 2843/2000 sowie durch den im Jahr 2000 zwischen der OPAP und dem griechischen Staat geschlossenen Vertrag für einen Zeitraum von 20 Jahren, d. h. bis 2020, das ausschließliche Recht zur Verwaltung, zur Durchführung, zur Veranstaltung und zum Betrieb von Glücksspielen und von Wetten zu festen oder nichtfesten Quoten eingeräumt. |
11 |
Die OPAP, die ursprünglich ein öffentliches Unternehmen war, dessen Anteile zu 100 % vom griechischen Staat gehalten wurden, wurde 1999 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt und ist seit 2001 an der Börse in Athen notiert, wobei der Staat nach dem Börsengang der OPAP 51 % ihres Aktienkapitals hielt. |
12 |
Im Jahr 2005 beschloss der Staat, seine Beteiligung auf eine Aktienminderheit zu verringern und lediglich 34 % der Aktien der OPAP zu behalten. Seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 3336/2005 war der griechische Staat, obwohl er nur noch über eine Minderheitsbeteiligung am Kapital der OPAP verfügte, gleichwohl berechtigt, die Mehrheit der Vorstandsmitglieder dieser Gesellschaft zu ernennen. Dieses Recht wurde ihm durch Art. 20 des Gesetzes 3429/2005 entzogen, da dieses Vorrecht gegen das kodifizierte Gesetz 2190/1920 über Aktiengesellschaften (FEK A’ 37) verstieß, nach dem die Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften ausschließlich von der Hauptversammlung gewählt werden dürfen. |
13 |
Der griechische Staat übte jedoch nach wie vor die Aufsicht über die OPAP aus, insbesondere durch die Genehmigung der ihre Tätigkeiten betreffenden Verordnungen und die Überwachung des Verfahrens zur Veranstaltung der Spiele. Die Mehrheit der Mitglieder des vorlegenden Gerichts vertritt jedoch die Ansicht, dass die OPAP vom Staat nur oberflächlich überwacht wird. |
14 |
Die OPAP hat ihre Tätigkeit sowohl in Griechenland als auch im Ausland ausgeweitet. So hatte sie am 31. März 2005 auf der Grundlage einer entsprechenden griechisch-zypriotischen Vereinbarung bereits 206 Büros in Zypern gegründet. Außerdem gründete sie 2003 die OPAP Kyprou, um ihre Geschäftstätigkeit in Zypern auszubauen, und 2004 die OPAP International. |
15 |
Es steht fest, dass die OPAP den Höchstbetrag der Einsätze und der Gewinne je Teilnahmeschein und nicht je Spieler festsetzt und hinsichtlich der Werbung für die von ihr veranstalteten Glücksspiele Sonderkonditionen genießt, da sie berechtigt ist, bis zu 10 % der Werbeflächen in staatlichen und kommunalen Stadien und Sportanlagen unentgeltlich zu nutzen. |
16 |
Am 25. November 2004 erhob Stanleybet beim vorlegenden Gericht Klage auf Nichtigerklärung der stillschweigenden Zurückweisung ihres Antrags, ihr die Veranstaltung von Sportwetten in Griechenland zu erlauben, durch die griechischen Behörden. Zwei weitere Klagen mit ähnlichem Klagegegenstand wurden beim vorlegenden Gericht am 18. Juli 2007 von William Hill und am 5. Januar 2007 von Sportingbet erhoben, wobei das letztgenannte Unternehmen außerdem beantragte, ihm die Veranstaltung von Glücksspielen zu erlauben, die auf dem griechischen Markt bereits existierten. Die OPAP wurde in diesen Verfahren als Streithelferin zugelassen. |
17 |
Nach Ansicht der Mehrheit der Mitglieder des vorlegenden Gerichts ist die in den Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung, die der OPAP eine Monopolstellung einräumt, im Hinblick auf die Art. 43 EG und 49 EG nicht gerechtfertigt. Die dieser Stellung zugrunde liegende nationale Regelung lasse sich nicht damit rechtfertigen, dass die Gelegenheiten zum Spiel kohärent und wirksam verringert und die damit zusammenhängenden Tätigkeiten beschränkt werden müssten. Eine derartige Beschränkung sei auch nicht durch das angegebene Ziel gerechtfertigt, Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu bekämpfen, da die Expansion des Glücksspielsektors in Griechenland nicht als kontrolliert eingestuft werden könne. |
18 |
Eine Minderheit der Mitglieder des vorlegenden Gerichts vertritt die Auffassung, dass die Monopolstellung, die durch die in den Ausgangsverfahren fragliche nationale Regelung geschaffen worden sei, im Hinblick auf die Art. 43 EG und 49 EG gerechtfertigt sei, weil das mit dieser Regelung angestrebte Hauptziel nicht in dem Erfordernis zu sehen sei, die Gelegenheiten zum Glücksspiel zu verringern, sondern in der Bekämpfung von mit dem Glücksspiel zusammenhängenden Straftaten. Dieses Ziel werde mit einer Politik der kontrollierten Expansion des Glücksspielsektors verfolgt. |
19 |
Vor diesem Hintergrund hat der Symvoulio tis Epikrateias beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
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Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur zweiten Frage
20 |
Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu behandeln sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 43 EG und 49 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren streitigen, die das ausschließliche Recht zur Durchführung, zur Verwaltung, zur Organisation und zum Betrieb von Glücksspielen einem einzigen Unternehmen überträgt, entgegenstehen, weil das Unternehmen, dem dieses ausschließliche Recht eingeräumt wurde, eine expansive Geschäftspolitik verfolgt, obwohl der Zweck der nationalen Regelung entweder darin besteht, das Angebot von Glücksspielen zu begrenzen, oder darin, die Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu fördern. |
21 |
Es steht fest, dass eine Regelung eines Mitgliedstaats wie die vom vorlegenden Gericht beschriebene eine Beschränkung des in Art. 49 EG verankerten freien Dienstleistungsverkehrs oder der nach Art. 43 EG gewährleisteten Niederlassungsfreiheit darstellt, da sie der OPAP ein Monopol einräumt und Dienstleistern wie Stanleybet, William Hill und Sportingbet, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind, untersagt, in Griechenland Glücksspiele anzubieten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. September 2010, Stoß u. a., C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07, Slg. 2010, I-8069, Randnr. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
22 |
Es ist allerdings zu prüfen, ob eine solche Beschränkung im Rahmen von Ausnahmeregelungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die in den Art. 45 EG und 46 EG ausdrücklich vorgesehen sind und gemäß Art. 55 EG auch im Bereich des freien Dienstleistungsverkehrs gelten, zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (Urteil vom 19. Juli 2012, Garkalns, C-470/11, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
23 |
So können nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Beschränkungen der Glücksspieltätigkeiten durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses wie den Verbraucherschutz, die Betrugsvorbeugung und die Vermeidung von Anreizen für die Bürger zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen gerechtfertigt sein (Urteil Garkalns, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
24 |
Der Gerichtshof hat insoweit wiederholt entschieden, dass die Regelung der Glücksspiele zu den Bereichen gehört, in denen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen. In Ermangelung einer Harmonisierung des betreffenden Gebiets durch die Gemeinschaft ist es Sache der einzelnen Mitgliedstaaten, in diesen Bereichen im Einklang mit ihrer eigenen Wertordnung zu beurteilen, welche Erfordernisse sich aus dem Schutz der betroffenen Interessen ergeben (Urteil vom 8. September 2009, Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, C-42/07, Slg. 2009, I-7633, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
25 |
Im vorliegenden Fall gehören die angeführten Ziele der in den Ausgangsverfahren fraglichen Regelung, d. h., das Angebot von Glücksspielen zu begrenzen und Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu bekämpfen, indem diese im Rahmen einer kontrollierten Expansion reguliert werden, zu den Zielen, die nach der Rechtsprechung Beschränkungen von Grundfreiheiten auf dem Gebiet des Glücksspiels rechtfertigen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Februar 2012, Costa und Cifone, C-72/10 und C-77/10, Randnr. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
26 |
Für die Klärung der Frage, welche Ziele mit den nationalen Rechtsvorschriften tatsächlich verfolgt werden, ist jedoch im Rahmen einer Rechtssache, mit der der Gerichtshof nach Art. 267 AEUV befasst worden ist, das vorlegende Gericht zuständig (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Slg. 2011, I-8185, Randnr. 51). |
27 |
Weiter ist darauf hinzuweisen, dass die von den Mitgliedstaaten auferlegten Beschränkungen die von der Rechtsprechung des Gerichtshofs insoweit aufgestellten Voraussetzungen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung erfüllen müssen. Danach ist eine nationale Regelung nur dann geeignet, die Erreichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. in diesem Sinne Urteil Liga Portuguesa de Futebol Profissional und Bwin International, Randnrn. 59 bis 61 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
28 |
Der bloße Umstand, dass ein Mitgliedstaat ein anderes Schutzsystem als ein anderer Mitgliedstaat gewählt hat, kann keinen Einfluss auf die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der einschlägigen Bestimmungen haben. Diese sind allein im Hinblick auf die von den zuständigen Stellen des betroffenen Mitgliedstaats verfolgten Ziele und auf das von ihnen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen (Urteil vom 12. Juli 2012, HIT und HIT LARIX, C-176/11, Randnr. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
29 |
Ein Mitgliedstaat, der bestrebt ist, ein besonders hohes Schutzniveau zu gewährleisten, kann deshalb, wie der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung anerkannt hat, Grund zu der Annahme haben, dass nur die Gewährung exklusiver Rechte an eine einzige Einrichtung, die von den Behörden genau überwacht wird, ihm erlaubt, die mit dem Glücksspielsektor verbundenen Gefahren zu beherrschen und das Ziel, Anreize zu übermäßigen Ausgaben für das Spielen zu vermeiden und die Spielsucht zu bekämpfen, wirksam zu verfolgen (vgl. Urteil vom 30. Juni 2011, Zeturf, C-212/08, Slg. 2011, I-5633, Randnr. 41). |
30 |
Soweit die nationalen Behörden nämlich das genannte Erfordernis der Verhältnismäßigkeit beachten, steht es ihnen frei, den Standpunkt zu vertreten, dass der Umstand, dass sie als Kontrollinstanz der mit dem Monopol betrauten Einrichtung über zusätzliche Mittel verfügen, mit denen sie deren Verhalten außerhalb der gesetzlichen Regulierungsmechanismen und Kontrollen beeinflussen können, ihnen eine bessere Beherrschung des Glücksspielangebots und bessere Effizienzgarantien bei der Durchführung ihrer Politik zu gewährleisten vermag, als es bei der Ausübung der entsprechenden Tätigkeiten durch private Veranstalter in einer Wettbewerbssituation der Fall wäre, selbst wenn diese eine Erlaubnis benötigten und einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterlägen (Urteil Zeturf, Randnr. 42). |
31 |
Hinsichtlich des in Randnr. 25 des vorliegenden Urteils genannten ersten Ziels, das Angebot von Glücksspielen zu begrenzen, obliegt es den nationalen Gerichten, sich im Licht insbesondere der konkreten Anwendungsmodalitäten der betreffenden restriktiven Regelung zu vergewissern, dass sie tatsächlich dem Anliegen entspricht, die Gelegenheiten zum Spiel zu verringern und die Tätigkeiten in diesem Bereich in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen (vgl. in diesem Sinne Urteil Garkalns, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
32 |
In diesem Kontext darf das vorlegende Gericht insbesondere die verschiedenen, in der Vorlageentscheidung dargelegten Umstände berücksichtigen, die den Regelungsrahmen der OPAP und die Art und Weise, wie dieses Organ in der Praxis funktioniert, kennzeichnen, wie z. B. die Tatsache, dass die OPAP bestimmte Rechte und Privilegien bezüglich der Werbung für von ihr veranstaltete Glücksspiele genießt, oder die Tatsache, dass der maximale Einsatz je Teilnahmeschein und nicht je Spieler festgelegt ist. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob diese oder sonstige Umstände, die in dieser Hinsicht einschlägig sein mögen, zu der Schlussfolgerung führen können, dass die in den Ausgangsverfahren fragliche Regelung den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Erfordernissen nicht genügt. |
33 |
Hinsichtlich des zweiten Ziels, Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen zu bekämpfen, obliegt es dem vorlegenden Gericht außerdem, insbesondere im Licht der Entwicklung des Glücksspielmarkts auf nationaler Ebene zu prüfen, ob die staatliche Kontrolle, der die Tätigkeiten des das Monopol innehabenden Unternehmens unterliegen, wirksam durchgeführt wird und damit die Ziele in kohärenter und systematischer Weise verfolgt werden, die mit der Errichtung der Ausschließlichkeitsregelung zugunsten eines solchen Unternehmens angestrebt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil Zeturf, Randnr. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
34 |
Das vorlegende Gericht muss die Wirksamkeit dieser staatlichen Kontrolle unter Berücksichtigung der Tatsache beurteilen, dass eine so restriktive Maßnahme wie ein Monopol u. a. einer strengen behördlichen Kontrolle unterstehen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil Zeturf, Randnr. 58). |
35 |
Auch wenn bestimmte in der Vorlageentscheidung dargelegte Umstände – insbesondere die Tatsache, dass die OPAP eine an der Börse notierte Aktiengesellschaft ist, und die Einschätzung, dass die OPAP vom griechischen Staat nur oberflächlich überwacht wird – die Annahme nahelegen, dass die in den Randnrn. 33 und 34 des vorliegenden Urteils genannten Erfordernisse nicht erfüllt sind, ist es doch Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung der genannten und aller sonstigen in dieser Hinsicht in Betracht kommenden Umstände festzustellen, ob dies der Fall ist. |
36 |
Nach alledem ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 43 EG und 49 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der in den Ausgangsverfahren fraglichen, die das ausschließliche Recht für die Durchführung, die Verwaltung, die Veranstaltung und den Betrieb von Glücksspielen einem einzigen Unternehmen überträgt, entgegenstehen, wenn zum einen diese Regelung dem Anliegen, die Gelegenheiten zum Spiel kohärent und wirksam zu verringern und die damit zusammenhängenden Tätigkeiten zu beschränken, nicht wirklich gerecht wird und zum anderen eine strenge behördliche Kontrolle der Ausdehnung des Glücksspielsektors – nur soweit dies für die Bekämpfung von Straftaten im Zusammenhang mit Glücksspielen erforderlich ist – nicht gewährleistet ist; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts. |
Zum ersten und zum zweiten Teil der dritten Vorlagefrage
37 |
Mit dem ersten Teil der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die nationalen Behörden, falls die innerstaatliche Regelung für die Veranstaltung von Glücksspielen mit den Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar ist, während einer Übergangszeit davon absehen können, Anträge auf Erteilung von Genehmigungen im Glücksspielsektor wie die in den Ausgangsverfahren fraglichen zu prüfen. |
38 |
Der Gerichtshof hat in dieser Hinsicht bereits entschieden, dass aufgrund des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts eine nationale Regelung über ein staatliches Monopol im Glücksspielbereich, die nach den Feststellungen eines nationalen Gerichts Beschränkungen mit sich bringt, die mit der Niederlassungsfreiheit und dem freien Dienstleistungsverkehr unvereinbar sind, weil sie nicht dazu beitragen, die Wetttätigkeiten in kohärenter und systematischer Weise zu begrenzen, nicht für eine Übergangszeit weiter angewandt werden darf (Urteil vom 8. September 2010, Winner Wetten, C-409/06, Slg. 2010, I-8015, Randnr. 69). |
39 |
Demzufolge ist auf den ersten Teil der dritten Frage zu antworten, dass die nationalen Behörden, falls die innerstaatliche Regelung für die Veranstaltung von Glücksspielen mit den Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassungsfreiheit nicht vereinbar ist, nicht während einer Übergangszeit davon absehen können, Anträge wie die in den Ausgangsverfahren fraglichen, die die Erteilung von Genehmigungen im Glücksspielsektor betreffen, zu prüfen. |
40 |
Angesichts der Antwort auf den ersten Teil der dritten Frage braucht deren zweiter Teil nicht geprüft zu werden. |
Zum dritten Teil der dritten Frage
41 |
Mit dem dritten Teil der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht unter Berücksichtigung der Antworten auf die vorstehenden Fragen geklärt wissen, anhand welcher Kriterien die zuständigen nationalen Behörden Genehmigungsanträge wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden beurteilen müssen, und welche Konsequenzen aus einer etwaigen Versagung einer Übergangszeit für den Ausgang des Verfahrens zur Prüfung dieser Genehmigungsanträge zu ziehen sind. |
42 |
Aus Randnr. 38 des vorliegenden Urteils folgt zwar, dass der Grundsatz des Vorrangs des unmittelbar geltenden Unionsrechts dem entgegensteht, im vorliegenden Fall eine Übergangszeit zu gewähren. |
43 |
Zu prüfen bleibt jedoch, ob, wenn festgestellt wird, dass die fragliche innerstaatliche Regelung mit den Art. 43 EG und 49 EG unvereinbar ist, und eine Übergangszeit zu versagen ist, die nationalen Behörden gezwungen sein können, nach Abschluss des Prüfverfahrens Genehmigungen wie die in den Ausgangsverfahren beantragten zu erteilen. |
44 |
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die staatlichen Stellen in dem besonderen Bereich der Veranstaltung von Glücksspielen über ein ausreichendes Ermessen bei der Festlegung der Anforderungen verfügen, die sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben, und dass – sofern die nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs bestehenden Anforderungen im Übrigen erfüllt sind – es Sache jedes Mitgliedstaats ist, zu beurteilen, ob es im Zusammenhang mit den von ihm verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Spiel- und Wetttätigkeiten vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen (vgl. Urteil Garkalns, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
45 |
Außerdem steht fest, dass im Gegensatz zur Einführung eines freien und unverfälschten Wettbewerbs auf einem traditionellen Markt die Betreibung eines derartigen Wettbewerbs auf dem sehr spezifischen Markt für Glücksspiele, d. h. zwischen mehreren Veranstaltern, die die gleichen Glücksspiele betreiben dürfen, insofern nachteilige Folgen haben könnte, als diese Veranstalter versucht wären, einander an Einfallsreichtum zu übertreffen, um ihr Angebot attraktiver als das ihrer Wettbewerber zu machen, so dass für die Verbraucher die mit dem Spiel verbundenen Ausgaben und die Gefahr der Spielsucht erhöht würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 2010, Sporting Exchange, C-203/08, Slg. 2010, I-4695, Randnr. 58). |
46 |
Es ist daher festzustellen, dass, falls die innerstaatliche Regelung mit den Art. 43 EG und 49 EG unvereinbar ist, die Versagung einer Übergangszeit nicht zwangsläufig zur Folge hat, dass der betroffene Mitgliedstaat, wenn er eine Liberalisierung des Glücksspielmarkts mit dem von ihm angestrebten Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung nicht für vereinbar hält, zu einer derartigen Liberalisierung verpflichtet wäre. Nach dem gegenwärtigen Stand des Unionsrechts steht es den Mitgliedstaaten nämlich frei, das bestehende Monopol zu reformieren, um es mit den Bestimmungen des Vertrags in Einklang zu bringen, indem es insbesondere einer wirksamen und strengen behördlichen Kontrolle unterworfen wird. |
47 |
Ist der betroffene Mitgliedstaat jedoch der Ansicht, dass eine derartige Reform des bestehenden Monopols nicht in Betracht kommt und eine Liberalisierung des Glücksspielmarkts eher dem von ihm angestrebten Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung entspricht, muss er die Grundregeln der Verträge, insbesondere Art. 43 EG und 49 EG, den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot beachten (vgl. in diesem Sinne Urteil Costa und Cifone, Randnr. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung). In einem solchen Fall muss die Einführung eines Systems der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot bestimmter Arten von Glücksspielen in diesem Mitgliedstaat auf objektiven und nichtdiskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind, damit dem Ermessen der nationalen Behörden Grenzen gesetzt werden, die seine missbräuchliche Ausübung verhindern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2010, Carmen Media Group, C-46/08, Slg. 2010, I-8149, Randnr. 90, sowie Costa und Cifone, Randnr. 56 und die dort angeführte Rechtsprechung). |
48 |
Nach alledem ist auf den dritten Teil der dritten Frage zu antworten, dass die zuständigen nationalen Behörden unter Umständen wie denen der Ausgangsverfahren die ihnen unterbreiteten Anträge auf Erteilung einer Genehmigung für die Veranstaltung von Glücksspielen im Hinblick auf das von ihnen angestrebte Niveau des Schutzes der Verbraucher und der Sozialordnung beurteilen können, dabei aber objektive und nichtdiskriminierende Kriterien zugrunde legen müssen. |
Kosten
49 |
Für die Parteien der Ausgangsverfahren ist das Verfahren ein Zwischenstreit in den bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreitigkeiten; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig. |
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt: |
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Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Griechisch.