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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62010CJ0484

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 1. März 2012.
    Asociación para la Calidad de los Forjados (Ascafor) und Asociación de Importadores y Distribuidores de Acero para la Construcción (Asidac) gegen Administración del Estado u. a.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo.
    Freier Warenverkehr – Mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung – Richtlinie 89/106/EWG – Bauprodukte – Nichtharmonisierte Normen – Gütezeichen – Anforderungen in Bezug auf die Zertifizierungsstellen.
    Rechtssache C-484/10.

    Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2012:113

    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    1. März 2012 ( *1 )

    „Freier Warenverkehr — Mengenmäßige Beschränkungen und Maßnahmen gleicher Wirkung — Richtlinie 89/106/EWG — Bauprodukte — Nichtharmonisierte Normen — Gütezeichen — Anforderungen in Bezug auf die Zertifizierungsstellen“

    In der Rechtssache C-484/10

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Spanien) mit Entscheidung vom 14. September 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 7. Oktober 2010, in dem Verfahren

    Asociación para la Calidad de los Forjados (Ascafor),

    Asociación de Importadores y Distribuidores de Acero para la Construcción (Asidac)

    gegen

    Administración del Estado,

    Calidad Siderúrgica SL,

    Colegio de Ingenieros Técnicos Industriales,

    Asociación Española de Normalización y Certificación (AENOR),

    Consejo General de Colegios Oficiales de Aparejadores y Arquitectos Técnicos,

    Asociación de Investigación de las Industrias de la Construcción (Aidico) Instituto Tecnológico de la Construcción,

    Asociación Nacional Española de Fabricantes de Hormigón Preparado (Anefhop),

    Ferrovial Agromán SA,

    Agrupación de Fabricantes de Cemento de España (Oficemen),

    Asociación de Aceros Corrugados Reglamentarios y su Tecnología y Calidad (Acerteq)

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel,

    Generalanwalt: Y. Bot,

    Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 5. Oktober 2011,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Asociación para la Calidad de los Forjados (Ascafor) und der Asociación de Importadores y Distribuidores de Acero para la Construcción (Asidac), Prozessbevollmächtigter: A. Vázquez Guillén, procurador, im Beistand von J. M. Sala Arquer, abogado,

    der Calidad Siderúrgica SL, Prozessbevollmächtigte: M. del Valle Gili Ruiz, procuradora, im Beistand von C. L. Rubio Soler, abogado,

    der Asociación Española de Normalización y Certificación (AENOR), Prozessbevollmächtigter: L. Cazorla González-Serrano, abogado,

    der Asociación de Investigación de las Industrias de la Construcción (Aidico) Instituto Tecnológico de la Construcción, Prozessbevollmächtigte: C. Tejada Marcelino im Beistand von A. Albert Mora, abogado,

    der Asociación Nacional Española de Fabricantes de Hormigón Preparado (Anefhop), Prozessbevollmächtigte: C. Hidalgo Senén und E. Hidalgo Martínez, procuradores,

    der Asociación de Aceros Corrugados Reglamentarios y su Tecnología y Calidad (Acerteq), Prozessbevollmächtigte: R. Martínez Solís, abogada,

    der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta und B. Plaza Cruz als Bevollmächtigte,

    der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Banciella und G. Zavvos sowie A. Alcover San Pedro als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 34 AEUV und 36 AEUV.

    2

    Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Asociación para la Calidad de los Forjados (Ascafor) und der Asociación de Importadores y Distribuidores de Acero para la Construcción (Asidac) gegen die Administración del Estado, die Calidad Siderúrgica SL, das Colegio de Ingenieros Técnicos Industriales, die Asociación Española de Normalización y Certificación (AENOR), den Consejo General de Colegios Oficiales de Aparejadores y Arquitectos Técnicos, die Asociación de Investigación de las Industrias de la Construcción (Aidico) Instituto Tecnológico de la Construcción, die Asociación Nacional Española de Fabricantes de Hormigón Preparado (Anefhop), die Ferrovial Agromán SA, die Agrupación de Fabricantes de Cemento de España (Oficemen) und die Asociación de Aceros Corrugados Reglamentarios y su Tecnología y Calidad (Acerteq) wegen eines Antrags auf Nichtigerklärung des Real Decreto 1247/2008 vom 18. Juli 2008, durch das die Vorschrift für Konstruktionsbeton (EHE-08) (BOE Nr. 203 vom 22. August 2008, S. 35176) gebilligt wird.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3

    Die Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte (ABl. 1989, L 40, S. 12) in der durch die Richtlinie 93/68/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 (ABl. L 220, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/106) gilt gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 für „Bauprodukte“.

    4

    Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie bestimmt:

    „Die Mitgliedstaaten dürfen jedoch auf ihrem Gebiet das Inverkehrbringen von nicht unter Artikel 4 Absatz 2 fallenden Produkten gestatten, wenn diese nationalen Vorschriften, die im Einklang mit dem Vertrag stehen, entsprechen, es sei denn, die europäischen technischen Spezifikationen gemäß Kapitel II und III bestimmen etwas anderes. …“

    5

    Art. 16 dieser Richtlinie lautet:

    „(1)   Wenn für bestimmte Produkte keine technischen Spezifikationen nach Artikel 4 Absatz 2 vorliegen, so betrachtet der Bestimmungsmitgliedstaat auf Antrag im Einzelfall die Produkte, die bei den im Mitgliedstaat des Herstellers durchgeführten Versuchen und Überwachungen durch eine zugelassene Stelle für ordnungsgemäß befunden sind, als konform mit den geltenden nationalen Vorschriften, wenn diese Versuche und Überwachungen nach den im Bestimmungsmitgliedstaat geltenden oder als gleichwertig anerkannten Verfahren durchgeführt worden sind.

    (2)   Der Mitgliedstaat des Herstellers gibt dem Bestimmungsmitgliedstaat, nach dessen Vorschriften geprüft und überwacht werden soll, diejenige Stelle bekannt, die er für diesen Zweck zuzulassen beabsichtigt. Der Bestimmungsmitgliedstaat und der Mitgliedstaat des Herstellers gewähren sich gegenseitig alle notwendigen Informationen. Nach Austausch der gegenseitigen Informationen lässt der Mitgliedstaat des Herstellers die so bezeichnete Stelle zu. Hat ein Mitgliedstaat Bedenken, begründet er seinen Standpunkt und unterrichtet die Kommission.

    (3)   Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die bezeichneten Stellen sich gegenseitig unterstützen.

    (4)   Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass eine zugelassene Stelle die Prüfungen und Überwachungen nicht ordnungsgemäß nach seinen nationalen Vorschriften durchführt, so teilt er dies dem Mitgliedstaat mit, in dem die Stelle zugelassen ist. Dieser Mitgliedstaat unterrichtet den mitteilenden Mitgliedstaat innerhalb einer angemessenen Frist über die getroffenen Maßnahmen. Hält der mitteilende Mitgliedstaat die getroffenen Maßnahmen nicht für ausreichend, so kann er das Inverkehrbringen und die Verwendung des betreffenden Produkts verbieten oder von besonderen Bedingungen abhängig machen. Er unterrichtet hiervon den anderen Mitgliedstaat und die Kommission.“

    6

    Art. 17 der Richtlinie bestimmt:

    „Die Bestimmungsmitgliedstaaten messen den Berichten und Konformitätsbescheinigungen, die im Mitgliedstaat des Herstellers nach dem Verfahren des Artikels 16 erstellt bzw. erteilt werden, den gleichen Wert bei wie den entsprechenden eigenen nationalen Dokumenten.“

    7

    Art. 18 Abs. 2 in Kapitel VII der Richtlinie 89/106 („Zugelassene Stellen“) sieht vor:

    „Die Zertifizierungs-, Überwachungs- und Prüfstellen müssen den in Anhang IV festgelegten Kriterien entsprechen.“

    8

    Anhang IV der Richtlinie enthält die Mindestvoraussetzungen, die von den Zertifizierungs-, Überwachungs- und Prüfstellen erfüllt werden müssen, um gemäß dieser Richtlinie zugelassen zu werden.

    Nationales Recht

    9

    Die durch das Real Decreto 1247/2008 gebilligte Vorschrift für Konstruktionsbeton (EHE-08) (im Folgenden: Vorschrift für Beton) legt die technischen Spezifikationen fest, denen mit Beton zusammenhängende Produkte genügen müssen, um in Spanien im Bausektor verwendet werden zu können.

    10

    Diese Vorschrift legt auch die Modalitäten der Überwachung der zu erfüllenden technischen Spezifikationen fest.

    11

    In Bezug auf Armierungsstahl sieht Art. 87 der Vorschrift für Beton zwei Möglichkeiten vor, um die Konformität der Produkte mit den technischen Spezifikationen zu bescheinigen.

    12

    Zum einen gilt als nachgewiesen, dass der Armierungsstahl den Qualitäts- und Sicherheitsstandards entspricht, wenn er ein amtlich anerkanntes Gütezeichen gemäß Anhang 19 dieser Vorschrift besitzt.

    13

    Zum anderen, wenn kein anerkanntes Gütezeichen vorhanden ist, wird die Konformität mit den genannten Spezifikationen durch die Durchführung von Prüfungen und Tests bei der Abnahme jeder Lieferung von Armierungsstahl festgestellt.

    14

    Für Armierungsstahl, der aus einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien stammt, sieht Art. 4 Abs. 1 der Vorschrift für Beton vor:

    „Im Rahmen der Anwendung dieser Vorschrift können in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union … rechtmäßig hergestellte oder vertriebene Bauprodukte verwendet werden, die den Vorschriften eines dieser Staaten entsprechen und in Bezug auf die Sicherheit und die Verwendung, für die sie bestimmt sind, ein Niveau gewährleisten, das dem durch diese Vorschrift geforderten gleichwertig ist.

    Dieses Niveau der Gleichwertigkeit wird gemäß den Bestimmungen des Art. 4 Abs. 2 oder gegebenenfalls Art. 16 der Richtlinie 89/106/EWG beglaubigt …

    Die freiwilligen Gütezeichen, die die Einhaltung der Anforderungen dieser Vorschrift erleichtern, können von den für den Baubereich zuständigen öffentlichen Verwaltungen jedes Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums anerkannt werden und auf das Strukturprojekt, die Produkte, die Herstellungsverfahren oder die Berücksichtigung von Umweltgesichtspunkten Bezug nehmen.“

    15

    Art. 81 („Garantieniveaus und Gütezeichen“) dieser Vorschrift sieht vor:

    „Die Konformität von Produkten und Ausführungsverfahren in Bezug auf die in dieser Vorschrift festgelegten grundlegenden Anforderungen erfordert, dass sie einer Gesamtheit von Spezifikationen mit einem ausreichenden Garantieniveau entsprechen.

    Auf freiwilliger Grundlage können Produkte und Verfahren mittels der Eingliederung von Systemen (wie beispielsweise Gütezeichen), die durch die entsprechenden Prüfungen, Untersuchungen und Tests garantieren, dass ihre Qualitätssysteme und ihre Produktionskontrollen die für die Zuerkennung solcher Gütezeichen notwendigen Anforderungen erfüllen, über ein das geforderte Minimum übersteigendes Garantieniveau verfügen.

    Im Sinne dieser Vorschrift können diese zusätzlichen und die vorgeschriebenen Minima übersteigenden Garantieniveaus nach jedem der folgenden Verfahren nachgewiesen werden:

    a)

    durch den Besitz eines amtlich anerkannten Gütezeichens gemäß Anhang 19 dieser Vorschrift,

    b)

    bei im eigenen Bauvorhaben hergestellten Produkten oder in diesem ausgeführten Verfahren mittels eines gleichwertigen, unter der Verantwortung der Bauleitung bestätigten und überwachten Systems, das gewährleistet, dass Garantien erreicht werden, die denjenigen gleichwertig sind, die in Anhang 19 für den Fall amtlich anerkannter Gütezeichen verlangt werden.

    Diese Vorschrift betrifft die Anwendung gewisser besonderer Erwägungen bei der Abnahme für jene Produkte und Verfahren, die durch eines der im vorstehenden Absatz genannten Verfahren ein höheres Garantieniveau aufweisen.

    Bei der Abnahmekontrolle können die mit dem Besitz eines Gütezeichens verbundenen Garantien berücksichtigt werden, sofern dieses bestimmte Bedingungen erfüllt. So erlaubt diese Vorschrift sowohl im Falle der Ausführungsverfahren als auch in demjenigen der Produkte, die nach der Richtlinie 89/106/EWG kein EG-Zeichen benötigen, besondere Kriterien bei deren Abnahme anzuwenden, wenn sie ein Gütezeichen freiwilliger Art aufweisen, das von einer zu der öffentlichen Verwaltung eines Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines Unterzeichnerstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum gehörenden Ministerialabteilung mit Befugnissen im Bereich des Hoch- oder des Tiefbaus amtlich anerkannt worden ist.

    Die Regelung im vorstehenden Absatz gilt auch für Bauprodukte, die in einem Staat rechtmäßig hergestellt oder vertrieben werden, der mit der Europäischen Union ein Assoziierungsabkommen in Bezug auf Zölle hat, wenn dieses Abkommen diesen Produkten die gleiche Behandlung einräumt wie in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union hergestellten oder vertriebenen Produkten. In diesen Fällen wird das Niveau der Gleichwertigkeit durch die Anwendung der in der genannten Richtlinie festgelegten Verfahren festgestellt.

    Hinsichtlich der Konformität in Bezug auf die grundlegenden Anforderungen dieser Vorschrift müssen die Gütezeichen zu ihrer amtlichen Anerkennung die in Anhang 19 festgelegten Bedingungen erfüllen.

    …“

    16

    Anhang 19 der Vorschrift für Beton mit dem Titel „Garantieniveaus und Erfordernisse für die amtliche Anerkennung von Gütezeichen“ enthält u. a. eine Reihe von Bestimmungen über die Organisation und die Funktionsweise der Zertifizierungsstellen und die Befugnisse der in Bezug auf diese zuständigen Verwaltung.

    17

    In Art. 1 bestimmt dieser Anhang:

    „Diese Vorschrift betrifft die Möglichkeit, dass die Bauleitung besondere Kriterien auf einige Produkte und Verfahren anwendet, wenn diese freiwillig und im Einklang mit Art. 81 gegenüber den verordnungsrechtlich vorgeschriebenen Minima zusätzliche Garantieniveaus aufweisen.

    Im Allgemeinen werden diese zusätzlichen Garantieniveaus durch den Besitz eines Gütezeichens nachgewiesen, das von einer im Bereich des Bauwesens zuständigen Verwaltung amtlich anerkannt worden ist, die zu einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, zu einem Unterzeichnerstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder zu einem Staat gehört, der mit der Europäischen Union einen Vertrag über die Errichtung einer Zollunion geschlossen hat; in diesem Fall wird das Niveau der Gleichwertigkeit in der Weise festgestellt, dass zu diesem Zweck die in der Richtlinie 89/106/EWG festgelegten Verfahren angewendet werden.“

    18

    Art. 2 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton bestimmt:

    „… Bei Produkten oder Verfahren, für die das EG-Zeichen nicht in Kraft ist, ist das verordnungsrechtlich vorgeschriebene Niveau das durch die Artikel dieser Vorschrift festgelegte.

    Zusätzlich und freiwillig kann der Hersteller eines Produkts, der für ein Verfahren Verantwortliche oder der ausführende Bauunternehmer sich für den Besitz eines Gütezeichens entscheiden, das ein über das durch diese Vorschrift festgelegte Minimum hinausgehendes Qualitätsniveau verbürgt. Bei Produkten mit dem EG-Zeichen müssen diese Gütezeichen zusätzliche Werte in Bezug auf Merkmale beisteuern, die durch dieses Zeichen nicht gedeckt sind.

    Da es sich um freiwillige Initiativen handelt, können die Gütezeichen unterschiedliche Kriterien für ihre Zuerkennung in den entsprechenden besonderen Verfahren aufweisen. Deshalb werden in diesem Anhang die Bedingungen festgelegt, anhand deren sich unterscheiden lässt, wann diese Gütezeichen ein gegenüber dem verordnungsrechtlich vorgeschriebenen Minimum zusätzliches Garantieniveau mit sich bringen und daher Gegenstand einer amtlichen Anerkennung durch die zuständigen Verwaltungen sein können.“

    19

    In Art. 3 dieses Anhangs heißt es:

    „Die zuständige Verwaltung, die die amtliche Anerkennung des Gütezeichens vornimmt, hat zu bestätigen, dass die in diesen Anhang für die amtliche Anerkennung aufgenommenen Erfordernisse erfüllt sind, und zu überwachen, dass diese weiter erfüllt werden. Um dieses Ziel zu erreichen, kann die Verwaltung sich unter Wahrung der erforderlichen Vertraulichkeit in alle Tätigkeiten einschalten, die sie als für die Anerkennung des Gütezeichens erheblich betrachtet.

    …“

    20

    Art. 4 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton sieht vor:

    „Um amtlich anerkannt werden zu können, muss das Gütezeichen

    freiwilliger Art und von einer Zertifizierungsstelle zuerkannt worden sein, die die Erfordernisse dieses Anhangs erfüllt;

    dieser Vorschrift konform sein und in der für das Gütezeichen maßgeblichen Verordnung die ausdrückliche Erklärung dieser Konformität beinhalten;

    auf der Grundlage einer Verordnung zuerkannt werden, die die besonderen Garantien des Gütezeichens, seine Zuerkennungsverfahren, seine Funktionsregelung, seine technischen Anforderungen und die Regeln für die Fassung von Beschlüssen über das Gütezeichen bestimmt.

    Diese Verordnung muss der Öffentlichkeit zugänglich, klar und genau gefasst sein und sowohl dem Kunden der Zertifizierungsstelle als auch den übrigen Betroffenen eine unzweideutige Information bieten.

    Zugleich sieht diese Verordnung besondere Verfahren sowohl für den Fall von nicht zu dem Bauwerk gehörenden Anlagen als auch für Anlagen, die zu diesem gehören, oder für Verfahren vor, die in dem Bauwerk durchgeführt werden.

    [Diese Verordnung muss]

    die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit bei der Vergabe des Gütezeichens gewährleisten, weshalb sie es neben anderen Maßnahmen nicht zulässt, dass bei den Entscheidungen über jedes einzelne Verfahren Personen beteiligt sind, die mit diesem zusammenhängende Gutachter- oder Beratertätigkeiten ausüben;

    die entsprechende Behandlung für zertifizierte Produkte vorsehen, bei denen die Produktionskontrolle nicht konforme Ergebnisse ergibt, um zu gewährleisten, dass unverzüglich die angebrachten Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden und gegebenenfalls die Kunden unterrichtet worden sind. In dieser Verordnung wird auch die Zeitspanne festgelegt, die zwischen dem Zeitpunkt, zu dem die Nichtkonformität festgestellt wird, und den Korrekturmaßnahmen, die durchgeführt werden müssen, verstreichen darf;

    die Mindesterfordernisse festlegen, die die in der Zertifizierung arbeitenden Laboratorien erfüllen müssen;

    als Erfordernis für die Zulassung festlegen, dass Daten der Produktionskontrolle während eines Zeitraums von mindestens sechs Monaten im Fall von Produkten oder Verfahren vorliegen müssen, die in nicht zu dem Bauwerk gehörenden Anlagen entwickelt worden sind. Bei Bauwerksanlagen sieht die maßgebliche Verordnung Kriterien vor, um für den Nutzer das gleiche Niveau der Information über die Produktion und der Garantie zu gewährleisten;

    bei Produkten oder Verfahren, die nicht in diesem Anhang, jedoch in dieser Vorschrift erfasst sind, zusätzliche Garantien in Bezug auf andere Merkmale als die verordnungsrechtlich vorgeschriebenen beibringen, die aber zur Erfüllung der in diese Vorschrift aufgenommenen Anforderungen beitragen können.“

    Sachverhalt des Ausgangsverfahrens und Vorlagefrage

    21

    Die Mitglieder von Ascafor sind Unternehmen, die sich im Wesentlichen mit der Herstellung und dem Vertrieb von Armierungsstahl für Beton in Spanien befassen. Die Mitglieder von Asidac sind spanische Importeure von Baustahl.

    22

    Nach Ansicht dieser Verbände beschränkt die Vorschrift für Beton, insbesondere deren Art. 81 und Anhang 19, ihre Möglichkeiten, Armierungsstahl aus anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien einzuführen.

    23

    Das vorlegende Gericht führt aus, dass der Armierungsstahl, um im Bausektor verwendet werden zu können, in Spanien bestimmten technischen Spezifikationen entsprechen müsse.

    24

    Die Vorschrift für Beton sehe zwei Möglichkeiten vor, um nachzuweisen, dass diese Anforderungen erfüllt seien: Entweder werde die Konformität des Armierungsstahls mit den technischen Spezifikationen nach bei der Abnahme jeder Lieferung dieses Produkts durchgeführten Prüfungen und Überwachungen festgestellt, oder der Armierungsstahl besitze ein amtlich anerkanntes Gütezeichen, womit erwiesen sei, dass sich der Hersteller ab der Produktion den in dieser Vorschrift festgelegten Anforderungen unterworfen habe.

    25

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass im ersten Fall die Prüfungen und Überwachungen zur Feststellung der Konformität höhere Kosten verursachten, die vom Endverwender des Stahls und nicht wie im Fall des Verfahrens zur Bescheinigung der Konformität durch den Erwerb eines amtlich anerkannten Gütezeichens vom Hersteller getragen würden.

    26

    Das vorlegende Gericht zieht hieraus den Schluss, dass für die Verwender von Armierungsstahl ein Anreiz bestehe, zertifizierte Produkte zu verwenden, d. h. Produkte, die über ein amtlich anerkanntesGütezeichen verfügten, um die mit einer Konformitätsprüfung bei der Abnahme jeder Lieferung Armierungsstahls verbundenen Unannehmlichkeiten und Kosten zu vermeiden. Dadurch würden auch die Hersteller aus anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien dazu angeregt, ihre Produkte auf dem spanischen Markt mit Hilfe eines solchen von den spanischen Behörden amtlich anerkannten Gütezeichens zu vermarkten.

    27

    Unter Hinweis auf das Verfahren zur Anerkennung von Gütezeichen aus anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien gemäß Art. 81 in Verbindung mit Anhang 19 der Vorschrift für Beton äußert das vorlegende Gericht in diesem Zusammenhang Zweifel an der Vereinbarkeit der aufgezählten Voraussetzungen, denen die Zertifizierungsstellen dieser Mitgliedstaaten genügen müssten, damit die von ihnen ausgestellten Gütebescheinigungen in Spanien amtlich anerkannt würden, mit den Art. 34 AEUV und 36 AEUV.

    28

    Vor diesem Hintergrund hat das Tribunal Supremo beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Ist die in Anhang 19 in Verbindung mit Art. 81 des Real Decreto 1247/08 vom 18. Juli 2008 enthaltene erschöpfende Regelung für die Erlangung der amtlichen Anerkennung von Gütezeichen als übermäßig, außer Verhältnis zu dem verfolgten Ziel stehend und als eine nicht gerechtfertigte Einschränkung, die die Anerkennung der Gleichwertigkeit der Bescheinigungen erschwert, und eine Behinderung oder Beschränkung der Vermarktung inländischer oder eingeführter Erzeugnisse, die gegen die Art. 34 AEUV und 36 AEUV verstößt, anzusehen?

    Zur Vorlagefrage

    Zur Zulässigkeit

    29

    Nach Auffassung der Calidad Siderúrgica SL, des Aidico Instituto Tecnológico de la Construcción und der Acerteq ist die Vorlagefrage unzulässig.

    30

    Zum einen ersuche das vorlegende Gericht den Gerichtshof in Wirklichkeit darum, unter Auslegung des nationalen Rechts in der Sache über den Rechtsstreit zu entscheiden. Der Gerichtshof müsse sich daher für unzuständig erklären.

    31

    Zum anderen sei die Frage hypothetisch und fiktiv formuliert, da das vorlegende Gericht nicht angegeben habe, welche der in der streitigen nationalen Regelung vorgesehenen Anforderungen unverhältnismäßig in Bezug auf das mit dieser Regelung verfolgte Ziel seien.

    32

    Zunächst ist zu beachten, dass das Verfahren nach Art. 267 AEUV auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht. Es ist allein Sache des nationalen Gerichts, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und für die zu erlassende gerichtliche Entscheidung die Verantwortung zu tragen hat, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über die ihm vorgelegte Frage zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betrifft (vgl. Urteile vom 5. Oktober 2006, Nádasdi und Németh, C-290/05 und C-333/05, Slg. 2006, I-10115, Randnr. 28, und vom 16. Dezember 2008, Michaniki, C-213/07, Slg. 2008, I-9999, Randnr. 32).

    33

    Es ist allerdings nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens die Vereinbarkeit innerstaatlicher Rechtsnormen mit dem Unionsrecht zu beurteilen oder nationale Rechtsvorschriften auszulegen (vgl. u. a. Urteile vom 9. September 2003, Jaeger, C-151/02, Slg. 2003, I-8389, Randnr. 43, vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C-380/05, Slg. 2008, I-349, Randnr. 49; Beschlüsse vom 17. September 2009, Investitionsbank Sachsen-Anhalt, C-404/08 und C-409/08, Randnr. 25, sowie vom 13. Januar 2010, Calestani und Lunardi, C-292/09 und C-293/09, Randnr. 15).

    34

    Der Gerichtshof hat jedoch wiederholt entschieden, dass er befugt ist, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache über die Frage der Vereinbarkeit zu befinden (vgl. u. a. Urteile vom 15. Dezember 1993, Hünermund u. a., C-292/92, Slg. 1993, I-6787, Randnr. 8, Centro Europa 7, Randnr. 50, sowie Beschluss Calestani und Lunardi, Randnr. 16).

    35

    Im vorliegenden Fall zielt die Vorlagefrage ausdrücklich auf die Auslegung der Art. 34 AEUV und 36 AEUV ab, da das vorlegende Gericht die Vereinbarkeit der streitigen nationalen Rechtsvorschriften mit diesen Artikeln bezweifelt.

    36

    Zwar trifft es zu, dass das vorlegende Gericht nicht angegeben hat, welche der in den streitigen nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Anforderungen an die Zertifizierungsstellen über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgehen könnten, doch ist festzustellen, dass sich die Zweifel dieses Gerichts darauf beziehen, dass die vorgesehenen Anforderungen so umfassend sind, und nicht auf eine spezielle Anforderung.

    37

    In eben diesem Rahmen ist daher dem vorlegenden Gericht eine zweckdienliche Antwort zu geben.

    Zur Beantwortung der Vorlagefrage

    Vorbemerkungen

    38

    Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Hauptzweck der Richtlinie 89/106 darin besteht, Handelshemmnisse zu beseitigen, indem die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Bauprodukte innerhalb der Union frei vermarktet werden können. Zu diesem Zweck werden in dieser Richtlinie die wesentlichen Anforderungen genannt, denen die Bauprodukte genügen müssen, und die mit harmonisierten Normen und nationalen Umsetzungsnormen, mit europäischen technischen Zulassungen und mit auf Unionsebene anerkannten nationalen technischen Spezifikationen umgesetzt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2008, Kommission/Belgien, C-227/06, Randnr. 31).

    39

    Es ist unstreitig, dass es sich bei Armierungsstahl für Beton um ein „Bauprodukt“ im Sinne der Richtlinie 89/106 handelt, das weder Gegenstand einer harmonisierten Norm noch einer europäischen technischen Zulassung noch einer auf Unionsebene anerkannten nationalen technischen Spezifikation im Sinne von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie ist.

    40

    Für ein Bauprodukt, das nicht unter Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 89/106 fällt, bestimmt Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie, dass die Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet das Inverkehrbringen gestatten dürfen, wenn dieses Produkt nationalen Vorschriften, die im Einklang mit dem Vertrag stehen, genügt, es sei denn, die europäischen technischen Spezifikationen bestimmen etwas anderes (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Belgien, Randnr. 33).

    41

    Wie aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, gibt es nach der spanischen Regelung zwei Möglichkeiten, die Konformität des Armierungsstahls für Beton mit den industriellen Sicherheits- und Qualitätsstandards Spaniens zu bescheinigen, nämlich durch Prüfungen und Überwachungen bei der Abnahme der Stahllieferungen auf der Baustelle oder durch das Vorweisen eines Gütezeichens, aufgrund dessen vermutet wird, dass der Hersteller des Stahls höhere technische Spezifikationen erfüllt hat.

    42

    Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die die Beurteilung des vorlegenden Gerichts bestätigen, haben vorgetragen, dass der erstgenannte Weg eine Erhöhung der Kosten für die Überwachung nachsich ziehe; die spanische Regierung hat zumindest angegeben, dass die Überwachungen in diesem Zusammenhang zunähmen und dass die damit verbundenen Kosten von den Endverwendern getragen würden.

    43

    Unter diesen Umständen kommt in Spanien dem zweiten Weg, auf dem die Konformität des Armierungsstahls bescheinigt werden kann, eine ganz besondere Bedeutung zu, da für die Endverwender wirtschaftliche Anreize bestehen, Armierungsstahl zu verwenden, der mit einem Gütezeichen zertifiziert ist.

    44

    Art. 81 der Vorschrift für Beton sieht hierzu ein Verfahren zur Anerkennung von Gütezeichen vor, die von Stellen anderer Mitgliedstaaten als des Königreichs Spanien dem in diesen Staaten hergestellten Armierungsstahl zuerkannt werden. Dieser Artikel bestimmt, dass ein von einem Mitgliedstaat zuerkanntes Gütezeichen für seine amtliche Anerkennung die in Anhang 19 dieser Vorschrift festgelegten Bedingungen erfüllen muss.

    45

    Dieser Anhang enthält zum einen die materiellen Voraussetzungen, denen der Armierungsstahl zu genügen hat, und zum anderen Verfahrens- und Formerfordernisse in Bezug auf die Zuerkennung des Gütezeichens.

    46

    Insbesondere legt Art. 4 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton die Anforderungen fest, denen die Zertifizierungsstellen aus anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien genügen müssen, um die amtliche Anerkennung der von ihnen zuerkannten Gütezeichen in Spanien zu erlangen.

    47

    In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass gemäß Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 89/106, der für Bauprodukte gilt, deren technische Spezifikationen nicht harmonisiert worden sind, der Bestimmungsmitgliedstaat die Produkte, die bei den im Mitgliedstaat des Herstellers durchgeführten Versuchen und Überwachungen durch eine zugelassene Stelle für ordnungsgemäß befunden sind, als konform mit den geltenden nationalen Vorschriften betrachtet, wenn diese Versuche und Überwachungen nach den im Bestimmungsmitgliedstaat geltenden oder als gleichwertig anerkannten Verfahren durchgeführt worden sind.

    48

    In Anhang IV der Richtlinie sind insoweit die notwendigen Mindestvoraussetzungen festgelegt, die von den Zertifizierungs-, Überwachungs- und Prüfstellen erfüllt werden müssen, um zugelassen zu werden.

    49

    Es ist festzustellen, dass die in Art. 4 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton festgelegten Anforderungen für die Zertifizierungsstellen über diese Mindestvoraussetzungen hinausgehen.

    50

    Ein Mitgliedstaat darf aber das Inverkehrbringen eines nicht von harmonisierten oder auf Unionsebene anerkannten technischen Spezifikationen erfassten Produkts in seinem Gebiet nur solchen nationalen Vorschriften unterwerfen, die im Einklang mit den Verpflichtungen aus dem Vertrag, insbesondere dem in den Art. 34 AEUV und 36 AEUV aufgestellten Grundsatz des freien Warenverkehrs, stehen (vgl. Urteil Kommission/Belgien, Randnr. 34).

    51

    Es ist daher zu prüfen, ob, wie die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens geltend machen, die umfassende Geltung dieser Anforderungen für Zertifizierungsstellen eines anderen Mitgliedstaats als dem Königreich Spanien eine Behinderung des freien Warenverkehrs darstellt.

    Zum Vorliegen einer Behinderung des freien Warenverkehrs

    52

    Nach ständiger Rechtsprechung ist jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern, als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne des Art. 34 AEUV anzusehen (vgl. u. a. Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, und vom 2. Dezember 2010, Ker-Optika, C-108/09, Slg. 2010, I-12213, Randnr. 47).

    53

    Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung spiegelt Art. 34 AEUV die Verpflichtung wider, sowohl die Grundsätze der Nichtdiskriminierung und der gegenseitigen Anerkennung von Erzeugnissen, die in anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurden, einzuhalten als auch Erzeugnissen aus der Union freien Zugang zu den nationalen Märkten zu gewährleisten (vgl. Urteile vom 10. Februar 2009, Kommission/Italien, C-110/05, Slg. 2009, I-519, Randnr. 34, sowie Ker-Optika, Randnr. 48).

    54

    Im vorliegenden Fall müssen nach Art. 4 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton die Stellen anderer Mitgliedstaaten als des Königreichs Spanien, die Gütezertifikate für Armierungsstahl ausstellen, sämtliche dort festgelegten Bedingungen erfüllen, damit diese Zertifikate in Spanien amtlich anerkannt werden.

    55

    Die Auferlegung all dieser Anforderungen kann zu einer Ablehnung des Antrags auf Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien zuerkannten Gütezertifikate führen, wenn die zuerkennende Stelle diesen Anforderungen nicht genügt; dies gilt umso mehr, als Art. 4 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton weiter gehende Bedingungen festlegt als die in Anhang IV der Richtlinie 89/106 vorgesehenen Mindeststandards, denen die nach dieser Richtlinie zugelassenen Zertifizierungsstellen genügen müssen.

    56

    Die streitigen Anforderungen sind daher geeignet, den Zugang von in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien hergestelltem und zertifiziertem Armierungsstahl zum spanischen Markt zu beschränken, da sie von der Zertifizierungsstelle des Herstellerstaats nicht unbedingt erfüllt werden.

    57

    Da die im Königreich Spanien ansässigen Wirtschaftsteilnehmer davon abgeschreckt werden, in einem anderen Mitgliedstaat hergestellten Armierungsstahl einzuführen, ist die streitige nationale Regelung, obwohl die Anforderungen des Art. 4 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton in gleicher Weise für die Zertifizierungsstellen anderer Mitgliedstaaten als des Königreichs Spanien wie für die spanischen Zertifizierungsstellen gelten, als eine Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung im Sinne von Art. 34 AEUV anzusehen.

    Zur Rechtfertigung der Beschränkung des freien Warenverkehrs

    58

    Eine Beschränkung des freien Warenverkehrs kann durch die in Art. 36 AEUV aufgezählten Gründe des Allgemeininteresses oder durch zwingende Erfordernisse gerechtfertigt sein. In beiden Fällen muss die innerstaatliche Maßnahme geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. Urteil Ker-Optika, Randnr. 57).

    59

    Im vorliegenden Fall macht die spanische Regierung geltend, die streitige innerstaatliche Regelung sei insoweit durch das Ziel des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt, als sie darauf abziele, die Sicherheit der Nutzer von Kunstwerken und Gebäuden zu garantieren.

    60

    Nach ständiger Rechtsprechung ist es in Ermangelung von Harmonisierungsvorschriften Sache der Mitgliedstaaten, darüber zu befinden, welches Schutzniveau sie für Gesundheit und Leben der Menschen gewährleisten wollen und ob es erforderlich ist, die betreffenden Produkte bei ihrer Verwendung zu überwachen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Juni 1996, Brandsma, C-293/94, Slg. 1996, I-3159, Randnr. 11, und vom 10. November 2005, Kommission/Portugal, C-432/03, Slg. 2005, I-9665, Randnr. 44).

    61

    In diesem Zusammenhang ist auf die in der mündlichen Verhandlung zutage getretenen Divergenzen zwischen der von bestimmten Beteiligten mündlich vertretenen Auffassung vom System der Gütezeichen auf der einen Seite und dem Wortlaut der fraglichen nationalen Bestimmungen sowie den schriftlichen Erklärungen einiger dieser Beteiligten auf der anderen Seite hinzuweisen.

    62

    So bestimmt Art. 2 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton, dass „der Hersteller eines Produkts, der für ein Verfahren Verantwortliche oder der ausführende Bauunternehmer sich [zusätzlich und freiwillig] für den Besitz eines Gütezeichens entscheiden [kann], das ein über das durch diese Vorschrift festgelegte Minimum hinausgehendes Qualitätsniveau verbürgt. … [I]n diesem Anhang [werden] die Bedingungen festgelegt, anhand deren sich unterscheiden lässt, wann diese Gütezeichen ein gegenüber dem verordnungsrechtlich vorgeschriebenen Minimum zusätzliches Garantieniveau mit sich bringen und daher Gegenstand einer amtlichen Anerkennung durch die zuständigen Verwaltungen sein können.“ Die spanische Regierung und Acerteq haben in ihren schriftlichen Erklärungen geltend gemacht, mit den amtlich anerkannten Gütezeichen könne belegt werden, dass das zertifizierte Produkt ein über das von der Vorschrift für Beton allgemein verlangte Garantieniveau hinausgehendes oder sehr weit hinausgehendes Garantieniveau biete.

    63

    Sollte das vorlegende Gericht diese Auffassung vom System der Gütezeichen in Spanien zugrunde legen, folgte hieraus, dass mit den in Spanien amtlich anerkannten Gütezeichen bescheinigt werden solle, dass das zertifizierte Produkt Anforderungen genügt, die über die Mindeststandards hinausgehen, die in der Vorschrift für Beton zur Gewährleistung der industriellen Sicherheit vorgeschrieben sind.

    64

    Unter derartigen Umständen gingen die Anforderungen, die in Anhang 19 der Vorschrift für Beton für die Stellen, die Gütezeichen vergeben, sowie für die Verfahren zur amtlichen Anerkennung solcher Zeichen in Spanien vorgesehen sind, über das hinaus, was erforderlich ist, um die Konformität des Armierungsstahls mit den Mindeststandards zur Sicherstellung des Schutzes für Leben und Gesundheit der Menschen zu bescheinigen. Daher könnte ein solches Ziel die Beschränkung des freien Warenverkehrs, die sich aus der streitigen nationalen Regelung ergibt, nicht rechtfertigen.

    65

    Bestimmte Beteiligte haben demgegenüber in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, das spanische System der Gütezeichen ermögliche es, dass zugunsten des zertifizierten Produkts eine Vermutung der Konformität mit den durch die Vorschrift für Beton aufgestellten Mindeststandards gelte.

    66

    Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, welche dieser beiden Auslegungen des nationalen Rechts maßgebend ist. Sollte es der Auslegung zuneigen, die von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof vertreten wurde, wäre sodann zu unterscheiden zwischen den in den anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien von zugelassenen Stellen im Sinne der Richtlinie 89/106 ausgestellten Qualitätsbescheinigungen einerseits und den von anderen Stellen ausgestellten Bescheinigungen andererseits.

    67

    In dem letztgenannten Beispielsfall wäre es in jeder Hinsicht zulässig, wenn sich ein Mitgliedstaat mit Rücksicht auf das Ziel, Gesundheit und Leben der Menschen zu gewährleisten, Gewissheit darüber verschaffen würde, dass die Stelle, die eine Qualitätsbescheinigung ausgestellt hat, den Anforderungen an ihre Überwachungstätigkeit, wie sie in Anhang 19 der Vorschrift für Beton vorgesehen sind, genügt.

    68

    Zu den in anderen Mitgliedstaaten als dem Königreich Spanien durch zugelassene Stellen im Sinne der Richtlinie 89/106 ausgestellten Gütebescheinigungen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Mechanismen der Anerkennung der Gleichwertigkeit dieser Bescheinigungen ein aktives Verhalten der nationalen Stelle erfordern, die mit einem Antrag auf Anerkennung befasst ist. Zu einem solchen aktiven Verhalten ist im Übrigen gegebenenfalls auch die eine solche Bescheinigung zuerkennende Stelle verpflichtet, und es obliegt insoweit den Mitgliedstaaten, sich zu vergewissern, dass die zuständigen zugelassenen Stellen zu dem Zweck miteinander zusammenarbeiten, die Verfahren zu erleichtern, die den Zugang zum nationalen Markt des Einfuhrmitgliedstaats regeln (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Portugal, Randnr. 47).

    69

    Art. 16 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 89/106 hebt im Übrigen die Bedeutung einer solchen Zusammenarbeit hervor.

    70

    Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass aufgrund einer solchen Zusammenarbeit sowie des in Randnr. 53 des vorliegenden Urteils angesprochenen Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung bestimmte in Art. 4 des Anhangs 19 der Vorschrift für Beton festgelegten Anforderungen über das hinausgehen könnten, was für die Einhaltung der in der Vorschrift für Beton vorgesehenen Mindeststandards, die den Schutz von Leben und Gesundheit der Menschen gewährleisten, erforderlich ist; dies zu beurteilen ist Sache des vorlegenden Gerichts im Ausgangsverfahren.

    71

    Auf die vorgelegte Frage ist daher zu antworten, dass die Art. 34 AEUV und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass die in Art. 81 der Vorschrift für Beton in Verbindung mit Anhang 19 dieser Vorschrift festgelegten Anforderungen für die amtliche Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien ausgestellten Bescheinigungen über das Qualitätsniveau von Armierungsstahl für Beton eine Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellen. Eine solche Beschränkung kann durch das Ziel des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sein, sofern die festgelegten Anforderungen nicht höher sind als die für die Verwendung von Armierungsstahl für Beton in Spanien verlangten Mindeststandards. In diesem Fall ist es, falls die Stelle, die das Gütezertifikat ausstellt, das einer amtlichen Anerkennung in Spanien bedarf, die Eigenschaft einer zugelassenen Stelle im Sinne der Richtlinie 89/106 aufweist, Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, welche dieser Anforderungen über das hinausgehen, was zur Verwirklichung des Ziels, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, erforderlich ist.

    Kosten

    72

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Die Art. 34 AEUV und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass die in Art. 81 der durch das Real Decreto 1247/2008 vom 18. Juli 2008 gebilligten Vorschrift für Konstruktionsbeton (EHE-08) in Verbindung mit Anhang 19 dieser Vorschrift festgelegen Anforderungen für die amtliche Anerkennung der in einem anderen Mitgliedstaat als dem Königreich Spanien ausgestellten Bescheinigungen über das Qualitätsniveau von Armierungsstahl für Beton eine Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellen. Eine solche Beschränkung kann durch das Ziel des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sein, sofern die festgelegten Anforderungen nicht höher sind als die für die Verwendung von Armierungsstahl für Beton in Spanien verlangten Mindeststandards. In diesem Fall ist es, falls die Stelle, die das Gütezertifikat ausstellt, das einer amtlichen Anerkennung in Spanien bedarf, die Eigenschaft einer zugelassenen Stelle im Sinne der Richtlinie 89/106/EWG des Rates vom 21. Dezember 1988 zur Angleichung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über Bauprodukte in der durch die Richtlinie 93/68/EWG des Rates vom 22. Juli 1993 geänderten Fassung aufweist, Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, welche dieser Anforderungen über das hinausgehen, was zur Verwirklichung des Ziels, die Gesundheit und das Leben von Menschen zu schützen, erforderlich ist.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

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