EUR-Lex Der Zugang zum EU-Recht

Zurück zur EUR-Lex-Startseite

Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62010CJ0463

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 13. Oktober 2011.
Deutsche Post AG und Bundesrepublik Deutschland gegen Europäische Kommission.
Rechtsmittel - Staatliche Beihilfen - Verordnung (EG) Nr. 659/1999 - Art. 10 Abs. 3 - Entscheidung, mit der eine Auskunftserteilung angeordnet wird - Anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV.
Verbundene Rechtssachen C-463/10 P und C-475/10 P.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2011:656

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In den verbundenen Rechtssachen C‑463/10 P und C‑475/10 P

betreffend zwei Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 24. und 27. September 2010,

Deutsche Post AG mit Sitz in Bonn (Deutschland), Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte J. Sedemund und T. Lübbig,

Bundesrepublik Deutschland , vertreten durch T. Henze, J. Möller und N. Graf Vitzthum als Bevollmächtigte,

Rechtsmittelführerinnen,

andere Verfahrensbeteiligte:

Europäische Kommission , vertreten durch B. Martenczuk und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts (Berichterstatter), des Richters J. Malenovský, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und D. Šváby,

Generalanwalt: Y. Bot,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 2011,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2011

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Mit ihren Rechtsmitteln beantragen die Deutsche Post AG (im Folgenden: Deutsche Post) und die Bundesrepublik Deutschland die Aufhebung der Beschlüsse des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juli 2010, Deutsche Post/Kommission (T‑570/08) und Deutschland/Kommission (T‑571/08) (im Folgenden zusammen: angefochtene Beschlüsse), mit denen das Gericht ihre Klagen auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2008, mit der der Bundesrepublik Deutschland gegenüber im Verfahren über die staatliche Beihilfe an die Deutsche Post die Erteilung von Auskünften angeordnet wurde (im Folgenden: streitige Handlung), als unzulässig abgewiesen hat.

Rechtlicher Rahmen

2. Art. 2 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [108 AEUV] (ABl. L 83, S. 1) verpflichtet einen Mitgliedstaat, der ein Vorhaben zur Gewährung einer neuen Beihilfe bei der Europäischen Kommission anmeldet, in seiner Anmeldung „alle sachdienlichen Auskünfte [zu übermitteln], damit diese eine Entscheidung nach den Artikeln 4 und 7 erlassen kann“.

3. Art. 5 der Verordnung Nr. 659/1999 bestimmt:

„(1) Vertritt die Kommission die Auffassung, dass die von dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegten Informationen über eine Maßnahme, die nach Artikel 2 angemeldet wurde, unvollständig sind, so fordert sie alle sachdienlichen ergänzenden Auskünfte an. …

(2) Wird eine von dem betreffenden Mitgliedstaat verlangte Auskunft innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so übermittelt die Kommission ein Erinnerungsschreiben, in dem sie eine zusätzliche Frist für die Auskunftserteilung festsetzt.

(3) Die Anmeldung gilt als zurückgezogen, wenn die angeforderten Auskünfte nicht innerhalb der festgesetzten Frist vorgelegt werden …“

4. Art. 10 der Verordnung Nr. 659/1999 sieht vor:

„(1) Befindet sich die Kommission im Besitz von Informationen gleich welcher Herkunft über angebliche rechtswidrige Beihilfen, so prüft sie diese Informationen unverzüglich.

(2) Gegebenenfalls verlangt die Kommission von dem betreffenden Mitgliedstaat Auskünfte. In diesem Fall gelten Artikel 2 Absatz 2 und Artikel 5 Absätze 1 und 2 entsprechend.

(3) Werden von dem betreffenden Mitgliedstaat trotz eines Erinnerungsschreibens nach Artikel 5 Absatz 2 die verlangten Auskünfte innerhalb der von der Kommission festgesetzten Frist nicht oder nicht vollständig erteilt, so fordert die Kommission die Auskünfte durch Entscheidung an (nachstehend ‚Anordnung zur Auskunftserteilung‘ genannt). Die Entscheidung bezeichnet die angeforderten Auskünfte und legt eine angemessene Frist zur Erteilung dieser Auskünfte fest.“

5. Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 lautet:

„Nach Prüfung einer etwaigen rechtswidrigen Beihilfe ergeht eine Entscheidung nach Artikel 4 Absätze 2, 3 oder 4. Bei Entscheidungen zur Eröffnung eines förmlichen Prüfverfahrens wird das Verfahren durch eine Entscheidung nach Artikel 7 abgeschlossen. Bei Nichtbefolgung der Anordnung zur Auskunftserteilung wird die Entscheidung auf der Grundlage der verfügbaren Informationen erlassen.“

6. Nach Art. 18 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des Vertrags niedergelegten Wettbewerbsregeln (ABl. 2003, L 1, S. 1) „[weist] die Kommission[, wenn sie] durch Entscheidung … Unternehmen und Unternehmensvereinigungen zur Erteilung von Auskünften verpflichtet, … auf das Recht hin, vor dem Gerichtshof gegen die Entscheidung Klage zu erheben“.

Vorgeschichte des Rechtsstreits

7. Am 12. September 2007 leitete die Kommission das förmliche Prüfverfahren im Sinne von Art. 88 Abs. 2 EG bezüglich der staatlichen Beihilfe an die Deutsche Post AG (C 36/07 [ex NN 25/07]) ein. Eine Zusammenfassung dieser Entscheidung wurde im Amtsblatt der Europäischen Union (C 245, S. 21) veröffentlicht.

8. Am 17. Juli 2008 übermittelte die Kommission der Bundesrepublik Deutschland ein Auskunftsersuchen, das einen Fragebogen zu den Erträgen und Kosten der Deutschen Post für den Zeitraum 1989 bis 2007 enthielt. Mit Erinnerungsschreiben vom 12. und 21. August 2008 forderte die Kommission sie erneut auf, ihr die erbetenen Auskünfte zu übermitteln.

9. In ihren Antwortschreiben vom 5. August, 14. August und 29. September 2008 bestätigte die Bundesrepublik Deutschland, dass sie die Übermittlung der Daten zu den Kosten und Erlösen der Deutschen Post für die Zeit nach 1995 ablehne. Sie erklärte insbesondere, dass sich die Prüfung durch die Kommission auf den Zeitraum 1989 bis 1994 beschränken müsse und dass die Beantwortung des Fragebogens einen unverhältnismäßigen Zeit- und Arbeitsaufwand erfordere.

10. Mit der streitigen Handlung forderte die Kommission die Bundesrepublik Deutschland gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 auf, innerhalb von 20 Tagen alle für die Beantwortung dieses Fragebogens erforderlichen Informationen zu übermitteln. Sollten die deutschen Behörden die erbetenen Auskünfte trotz dieser Anordnung nicht fristgerecht erteilen, werde die Kommission ihre Entscheidung gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 659/1999 auf der Grundlage der verfügbaren Informationen erlassen.

Verfahren vor dem Gericht und angefochtene Beschlüsse

11. Mit Klageschriften, die am 22. Dezember 2008 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhoben die Deutsche Post (Rechtssache T‑570/08) und die Bundesrepublik Deutschland (Rechtssache T‑571/08) jeweils eine Klage auf Nichtigerklärung der streitigen Handlung.

12. Mit besonderen Schriftsätzen, die am 19. März 2009 bei der Kanzlei des Gerichts eingingen, erhob die Kommission in jeder Rechtssache eine Einrede der Unzulässigkeit gemäß Art. 114 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichts. Das Gericht hat dieser Einrede stattgegeben und festgestellt, dass die streitige Handlung keine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV sei.

13. Das Gericht erläutert in den Randnrn. 24 bis 26 des Beschlusses Deutsche Post/Kommission und 22 bis 25 des Beschlusses Deutschland/Kommission zum einen, dass anhand des Inhalts und nicht der Form einer Handlung festzustellen sei, ob sie eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV sei, und zum anderen, dass eine Zwischenmaßnahme, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung diene und keine Rechtsfolgen hervorbringe, nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne. Das Gericht verweist dazu u. a auf die Urteile des Gerichtshofs vom 11. November 1981, IBM/Kommission (60/81, Slg. 1981, 2639, Randnrn. 9 und 10), sowie vom 17. Juli 2008, Athinaïki Techniki/Kommission (C‑521/06 P, Slg. 2008, I‑5829, Randnr. 46).

14. Zu den Rechtsfolgen der streitigen Handlung führt das Gericht in den Randnrn. 29 und 30 des Beschlusses Deutsche Post/Kommission sowie 28 und 29 des Beschlusses Deutschland/Kommission aus, dass keine Sanktion vorgesehen sei, falls der Mitgliedstaat einer Anordnung zur Auskunftserteilung nicht nachkomme. Eine solche Anordnung bezwecke die Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs.

15. In den Randnrn. 31 und 32 des Beschlusses Deutsche Post/Kommission sowie 30 und 31 des Beschlusses Deutschland/Kommission führt das Gericht aus, dass die streitige Handlung sich zwischen der Eröffnung des förmlichen Prüfverfahrens und der endgültigen Entscheidung in das Verwaltungsverfahren der Prüfung der fraglichen Beihilfemaßnahme einfüge. Sie präjudiziere nicht die endgültige Entscheidung, da die Kommission in diesem Stadium noch zu dem Ergebnis gelangen könne, dass eine Beihilfe nicht vorliege, dass die fragliche Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar sei oder dass sie mit diesem unvereinbar sei. Die streitige Handlung stelle demnach eine Zwischenmaßnahme dar, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung der Kommission diene.

16. Zum Vorbringen der Deutschen Post und der Bundesrepublik Deutschland, nach der Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer Klage gegen die Entscheidung über die Einleitung des förmlichen Prüfverfahrens nach Art. 88 Abs. 2 EG (vgl. Urteil vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission, C‑400/99, Slg. 2001, I‑7303) stehe die Vorläufigkeit einer Handlung ihrer Anfechtbarkeit nicht zwangsläufig entgegen, stellt das Gericht in den Randnrn. 36 des Beschlusses Deutsche Post/Kommission und 35 des Beschlusses Deutschland/Kommission fest, dass die Wirkungen einer solchen Eröffnungsentscheidung und die der streitigen Handlung nicht vergleichbar seien.

17. Was die von der Deutschen Post und der Bundesrepublik Deutschland behauptete Verschlechterung ihrer prozessualen Situation im Fall der Nichtbeachtung der streitigen Handlung betrifft, führt das Gericht in Randnr. 42 der angefochtenen Beschlüsse aus, dass es die Weigerung der deutschen Behörden, der Kommission die in der streitigen Handlung genannten Auskünfte zu erteilen, und nicht die streitige Handlung als solche sei, die den Betroffenen die Möglichkeit nehme, sich auf die Lückenhaftigkeit der Tatsachengrundlage der endgültigen Entscheidung zu berufen. Hielten die deutschen Behörden die von der Kommission erbetenen Auskünfte nicht für erforderlich, um den Sachverhalt zu ermitteln, oder die erbetenen Nachforschungen gemessen am erwarteten Ergebnis für zu aufwendig, könnten sie sich dafür entscheiden, die an sie ergangene Anordnung zu ignorieren.

18. Das Gericht kommt in den Randnrn. 46 des Beschlusses Deutsche Post/Kommission und 45 des Beschlusses Deutschland/Kommission zu dem Ergebnis, dass die streitige Handlung keine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV sei.

Anträge der Beteiligten und Verfahren vor dem Gerichtshof

Rechtssache Deutsche Post/Kommission (C‑463/10 P)

19. Die Deutsche Post beantragt,

– den Beschluss Deutsche Post/Kommission aufzuheben;

– die streitige Handlung für nichtig zu erklären;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

20. Die Kommission beantragt,

– das Rechtsmittel zurückzuweisen;

– der Deutschen Post die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Rechtssache Deutschland/Kommission (C‑475/10 P)

21. Die Bundesrepublik Deutschland beantragt,

– den Beschluss Deutschland/Kommission aufzuheben;

– der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

22. Die Kommission beantragt,

– das Rechtsmittel zurückzuweisen;

– der Bundesrepublik Deutschland die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

23. Mit Beschluss vom 15. Dezember 2010 hat der Präsident des Gerichtshofs die Rechtssachen C‑463/10 P und C‑475/10 P zu gemeinsamem mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden.

Zu den Rechtsmitteln

24. Zur Stützung ihrer Rechtsmittel tragen die Deutsche Post und die Bundesrepublik Deutschland vor, dass das Gericht in den angefochtenen Beschlüssen verschiedene Rechtsfehler bei der Auslegung des Begriffs der anfechtbaren Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV begangen habe. Sie machen insoweit fünf Rechtsmittelgründe geltend. Mit dem ersten rügen sie einen Verstoß gegen Art. 288 AEUV, mit dem zweiten eine Missachtung der Rechtsprechung, wonach vorbereitende Handlungen im Bereich der staatlichen Beihilfen anfechtbare Handlungen sein könnten, mit dem dritten eine Verkennung der Rechtswirkungen einer Anordnung zur Auskunftserteilung, mit dem vierten einen Verstoß gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes und mit dem fünften eine Verletzung der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten nach den Art. 107 AEUV und 108 AEUV.

25. Da die ersten vier Rechtsmittelgründe eng miteinander verbunden sind, sind sie zusammen zu prüfen.

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

26. Die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Post machen geltend, Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 ermächtige die Kommission ausdrücklich zum Erlass einer förmlichen Entscheidung. Nach Art. 288 AEUV sei eine solche verbindlich und damit ihrem Wesen nach eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV. Das Gericht habe in den Randnrn. 26 des Beschlusses Deutsche Post/Kommission und 25 des Beschlusses Deutschland/Kommission einen Rechtsfehler begangen, indem es die Form der streitigen Handlung in keiner Weise berücksichtigt habe.

27. Nach Auffassung der Bundesrepublik Deutschland entscheidet der Umstand, dass die streitige Handlung eine Zwischenmaßnahme im Verfahren der Prüfung einer staatlichen Beihilfe sei, nicht bereits darüber, ob es sich um eine anfechtbare Handlung handle. Der Interessenlage der Beteiligten sei nämlich mit der Anfechtbarkeit der endgültigen Entscheidung nicht Genüge getan.

28. Weiter tragen die Rechtsmittelführerinnen vor, dass eine Anordnung zur Auskunftserteilung nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 unabhängig von der Form der streitigen Handlung und entgegen der Feststellung des Gerichts in den Randnrn. 46 des Beschlusses Deutsche Post/Kommission und 45 des Beschlusses Deutschland/Kommission verbindliche Rechtswirkungen erzeuge, die sich unmittelbar auf den betroffenen Mitgliedstaat und die betroffenen Unternehmen auswirkten. Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland schließt eine solche Entscheidung das Verwaltungsverfahren im Bereich staatlicher Beihilfen insoweit ab, als sie, falls der betroffene Mitgliedstaat die Anordnung nicht befolge, der Kommission gestatte, nach Aktenlage zu entscheiden. Im Übrigen könne es gegen den Mitgliedstaat, der die Verpflichtung aus Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 in Verbindung mit den Art. 288 AEUV und 4 Abs. 3 EUV nicht erfülle, zu einem Vertragsverletzungsverfahren nach Art. 258 AEUV kommen.

29. Die Kommission entgegnet, dass nach ständiger Rechtsprechung nur Maßnahmen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugten, die die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigten, Handlungen oder Entscheidungen seien, gegen die die Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV gegeben sei (vgl. u. a. Urteile IBM/Kommission, Randnr. 9, vom 5. Oktober 1999, Niederlande/Kommission, C‑308/95, Slg. 1999, I‑6513, Randnr. 26, vom 6. April 2000, Spanien/Kommission, C‑443/97, Slg. 2000, I‑2415, Randnr. 27, vom 22. Juni 2000, Niederlande/Kommission, C‑147/96, Slg. 2000, I‑4723, Randnr. 25, sowie vom 12. September 2006, Reynolds Tobacco u. a./Kommission, C‑131/03 P, Slg. 2006, I‑7795, Randnr. 54). Eine Entscheidung im Sinne von Art. 288 AEUV erzeuge nicht zwangsläufig derartige Wirkungen. Nicht die Form der fraglichen Handlung oder Entscheidung, sondern deren Wesen sei dafür ausschlaggebend, ob es sich um eine anfechtbare Handlung handle. Eine Anfechtungsklage gegen eine Entscheidung im Sinne von Art. 288 AEUV oder gegen eine Handlung, die eine andere Form habe, sei also nur möglich, wenn diese Entscheidung oder Handlung Wirkungen gegenüber Dritten entfalte.

30. Das Gericht habe zu Recht entschieden, dass die streitige Handlung keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeuge, die die Interessen der Rechtsmittelführerinnen beeinträchtigten.

31. Die Kommission erläutert in diesem Zusammenhang, dass ihr die Mitgliedstaaten in einem Verfahren im Bereich staatlicher Beihilfen nach Art. 4 Abs. 3 EUV alle Informationen übermitteln müssten, die sie benötige, um das Vorliegen einer Beihilfe und deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt zu beurteilen. Die Verpflichtung des Mitgliedstaats, ihr die angeforderten Informationen zur Verfügung zu stellen, ergebe sich also aus Art. 4 Abs. 3 EUV und nicht erst aus der Anordnung zur Auskunftserteilung.

32. Sinn und Zweck der Anordnung zur Auskunftserteilung sei die Beachtung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs im Verwaltungsverfahren. Der Mitgliedstaat erhalte nach Auskunftsersuchen und Erinnerung gemäß Art. 10 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 eine letzte Chance, die angeforderten Informationen zu übermitteln, bevor die Kommission nach Aktenlage entscheide.

33. Die Kommission weist darauf hin, dass sie im Bereich des Beihilferechts – anders als etwa im Kartellrecht – vor Annahme einer endgültigen Entscheidung über keinerlei investigative Kompetenzen verfüge. Deshalb könne sie ohne die loyale Zusammenarbeit des Mitgliedstaats den Sachverhalt nicht aufklären. Es sei nicht etwa die Anordnung auf Auskunftserteilung, sondern die Weigerung des Mitgliedstaats, der Anordnung nachzukommen, die es der Kommission erlaube, nach Aktenlage zu entscheiden. Außerdem entfalte der Umstand, dass die Kommission sich für hinreichend unterrichtet halte und aufhöre, nach Informationen zu suchen, als solcher keine Rechtswirkung. Derartige Wirkungen habe vielmehr die juristische Beurteilung des Sachverhalts, die sie in der endgültigen Entscheidung vorzunehmen habe. Folglich sei die Auskunftsanordnung eine bloße Vorbereitungshandlung, die sich nicht auf die Rechtsstellung des betroffenen Mitgliedstaats auswirke.

34. Die Kommission ergänzt, dass die Rechtsmittelführerinnen aufgrund der Möglichkeit, Nichtigkeitsklage gegen die endgültige Entscheidung über die Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Binnenmarkt zu erheben, einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz genössen. Die den vorbereitenden Handlungen etwa anhaftenden rechtlichen Mängel könnten nämlich im Rahmen der Klage gegen die endgültige Handlung, deren Vorbereitung diese Handlungen dienten, geltend gemacht werden (Urteil IBM/Kommission, Randnr. 12).

35. Schließlich betont die Kommission, dass an die Nichtbeachtung der Anordnung zur Auskunftserteilung keine Sanktion geknüpft sei. Durch die Nichtbefolgung der Anordnung erkläre der Mitgliedstaat konkludent, dass die der Kommission vorliegenden Informationen vollständig seien und die Kommission auf ihrer Grundlage entscheiden könne. Die bloße Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen den Mitgliedstaat sei weder eine Sanktion noch geeignet, die Interessen des Mitgliedstaats zu beeinträchtigen. Da die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 EUV alle Informationen übermitteln müssten, die die Kommission benötige, um das Vorliegen einer Beihilfe und deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt beurteilen zu können, könne ein Vertragsverletzungsverfahren auch ohne eine Anordnung zur Auskunftserteilung eingeleitet werden. Außerdem würden die Interessen des Mitgliedstaats erst dann beeinträchtigt, wenn die Kommission tatsächlich entscheide, den Mitgliedstaat wegen Vertragsverletzung zu verklagen.

Würdigung durch den Gerichtshof

36. Nach ständiger Rechtsprechung zu Nichtigkeitsklagen von Mitgliedstaaten oder Organen sind anfechtbare Handlungen im Sinne von Art. 263 AEUV unabhängig von ihrer Form alle von den Organen erlassenen Bestimmungen, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen sollen (vgl. u. a. Urteile vom 31. März 1971, Kommission/Rat, „AETR“, 22/70, Slg. 1971, 263, Randnr. 42, vom 2. März 1994, Parlament/Rat, C‑316/91, Slg. 1994, I‑625, Randnr. 8, Spanien/Kommission, Randnr. 27, vom 24. November 2005, Italien/Kommission, C‑138/03, C‑324/03 und C‑431/03, Slg. 2005, I‑10043, Randnr. 32, vom 1. Dezember 2005, Italien/Kommission, C‑301/03, Slg. 2005, I‑10217, Randnr. 19, und vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, C‑370/07, Slg. 2009, I‑8917, Randnr. 42). Ein Mitgliedstaat, wie die Rechtsmittelführerin in der Rechtssache C‑475/10 P, kann nach der Rechtsprechung Nichtigkeitsklage gegen eine verbindliche Rechtswirkungen erzeugende Handlung erheben, ohne dass er ein Rechtsschutzinteresse dartun muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Rat, 45/86, Slg. 1987, 1493, Randnr. 3, und vom 1. Oktober 2009, Kommission/Rat, Randnr. 16).

37. Zu Nichtigkeitsklagen, die von natürlichen oder juristischen Personen gegen Handlungen der Organe erhoben werden, hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Nichtigkeitsklage nur dann gegeben ist, wenn die verbindlichen Rechtswirkungen dieser Handlung die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen (vgl. u. a. Urteile IBM/Kommission, Randnr. 9, Athinaïki Techniki/Kommission, Randnr. 29, und vom 18. November 2010, NDSHT/Kommission, C‑322/09 P, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 45).

38. Zu betonen ist allerdings, dass die in der vorstehenden Randnummer angeführte Rechtsprechung zu Klagen entwickelt wurde, die natürliche oder juristische Personen beim Unionsrichter gegen an sie gerichtete Handlungen erhoben haben. Wenn eine Nichtigkeitsklage wie in der dem Beschluss Deutsche Post/Kommission zugrunde liegenden Rechtssache von einer nicht privilegierten Klägerin gegen eine nicht an sie gerichtete Handlung erhoben wird, überschneidet sich das Erfordernis, dass die verbindlichen Rechtswirkungen der angefochtenen Maßnahme die Interessen des Klägers durch eine qualifizierte Änderung seiner Rechtsstellung beeinträchtigen, mit den Voraussetzungen nach Art. 263 Abs. 4 AEUV.

39. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass das Gericht der von der Kommission erhobenen Einrede der Unzulässigkeit in den angefochtenen Beschlüssen mit der Feststellung stattgegeben hat, dass die streitige Handlung keine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV sei.

40. Um zu beurteilen, ob das Gericht mit der in diesen Beschlüssen getroffenen Feststellung, dass eine Anordnung zur Auskunftserteilung nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne, einen Rechtsfehler begangen hat, ist daher anhand der in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob eine solche Anordnung eine Handlung darstellt, die verbindliche Rechtswirkungen erzeugen soll.

41. Dabei ist zu beachten, dass Art. 10 der Verordnung Nr. 659/1999 ein aus zwei Abschnitten bestehendes Verfahren vorsieht, dass es der Kommission ermöglichen soll, vom betreffenden Mitgliedstaat die notwendigen Informationen über eine angeblich rechtswidrige Beihilfe zu erlangen, damit sie die Natur der Maßnahme und ihre Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt beurteilen kann.

42. In Bezug auf den ersten Abschnitt sieht Art. 10 Abs. 2 der Verordnung Nr. 659/1999 vor, dass die Kommission vom betreffenden Mitgliedstaat Auskünfte über die angeblich rechtswidrige Beihilfe verlangen kann.

43. In einem zweiten Abschnitt fordert die Kommission, wenn der Mitgliedstaat die verlangten Auskünfte trotz eines Erinnerungsschreibens innerhalb der von ihr festgesetzten Frist nicht erteilt, nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 die Auskünfte durch Entscheidung an. Der zweite Verfahrensabschnitt ist somit durch den Erlass einer Entscheidung im Sinne von Art. 288 AEUV durch die Kommission gekennzeichnet, was diese auch nicht in Abrede stellt.

44. Nach Art. 288 AEUV sind „Beschlüsse … in allen ihren Teilen verbindlich“. Mit der Festlegung, dass eine Anordnung zur Auskunftserteilung in der Form einer Entscheidung ergeht, wollte der Unionsgesetzgeber einer solchen Handlung zwingenden Charakter geben.

45. Demnach soll eine nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 getroffene Entscheidung verbindliche Rechtswirkungen im Sinne der in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung erzeugen und stellt damit eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV dar.

46. Diese Feststellung wird gestützt durch die Rechtsprechung zu den Entscheidungen über die Anforderung von Auskünften nach Art. 11 der Verordnung Nr. 17 des Rates vom 6. Februar 1962, Erste Durchführungsverordnung zu den Artikeln [81 EG] und [82 EG] (ABl. 1962, Nr. 13, S. 204), der wie Art. 10 der Verordnung Nr. 659/1999 ein aus zwei Abschnitten bestehendes Verfahren vorsah, dessen zweiter Abschnitt den Erlass einer Entscheidung durch die Kommission umfasste, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein konnte (vgl. Urteile vom 26. Juni 1980, National Panasonic/Kommission, 136/79, Slg. 1980, 2033, und vom 18. Oktober 1989, Orkem/Kommission, 374/87, Slg. 1989, 3283). Genauso ist Art. 18 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1/2003 eindeutig zu entnehmen, dass eine Anforderung von Auskünften in Form einer Entscheidung eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV darstellt.

47. Die vom Gericht in den angefochtenen Beschlüssen angeführte Rechtsprechung, wonach anhand des Inhalts und nicht der Form einer Handlung festzustellen sei, ob diese zwingenden Charakter habe, ändert nichts an dieser Feststellung.

48. Im Übrigen ist entgegen dem Vorbringen der Kommission der Umstand, dass die Verordnung Nr. 659/1999 keine Sanktion für den Fall der Nichtbefolgung der Auskunftsanordnung durch den Mitgliedstaat vorsieht, für die Beurteilung der Frage, ob eine Handlung Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein kann, nicht maßgeblich.

49. Mit seiner Feststellung in den Randnrn. 31, 32 und 46 des Beschlusses Deutsche Post/Kommission sowie 30, 31 und 45 des Beschlusses Deutschland/Kommission, dass die streitige Handlung wegen ihres Vorbereitungscharakters keine anfechtbare Handlung im Sinne der Rechtsprechung sei, hat das Gericht ebenfalls einen Rechtsfehler begangen.

50. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass Zwischenmaßnahmen, die der Vorbereitung der endgültigen Entscheidung dienen, zwar grundsätzlich keine Handlungen sind, die Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können (vgl. Urteile IBM/Kommission, Randnr. 10, Athinaïki Techniki/Kommission, Randnr. 42, und vom 26. Januar 2010, Internationaler Hilfsfonds/Kommission, C‑362/08 P, Slg. 2010, I‑669, Randnr. 52). Bei diesen Zwischenmaßnahmen handelt es sich jedoch in erster Linie um Handlungen, die eine vorläufige Meinung des Organs zum Ausdruck bringen (vgl. in diesem Sinne Urteile IBM/Kommission, Randnr. 20, vom 14. März 1990, Nashua Corporation u. a./Kommission und Rat, C‑133/87 und C‑150/87, Slg. 1990, I‑719, Randnrn. 8 bis 10, vom 18. März 1997, Guérin automobiles/Kommission, C‑282/95 P, Slg. 1997, I‑1503, Randnr. 34, und vom 22. Juni 2000, Niederlande/Kommission, C‑147/96, Slg. 2000, I‑4723, Randnr. 35).

51. Eine Nichtigkeitsklage gegen Handlungen, die eine vorläufige Meinung der Kommission zum Ausdruck bringen, könnte nämlich den Unionsrichter zur Entscheidung über Fragen zwingen, zu denen das betreffende Organ sich noch nicht hat äußern können; sie würde damit der Erörterung der sachlichen Probleme vorgreifen und die verschiedenen Phasen des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens durcheinanderbringen. Die Zulassung einer solchen Klage wäre daher mit der im Vertrag vorgesehenen Zuständigkeitsverteilung zwischen Kommission und Unionsrichter und dem Klagesystem des Vertrags sowie mit den Erfordernissen einer geordneten Rechtspflege und eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Verwaltungsverfahrens der Kommission unvereinbar (vgl. Urteil IBM/Kommission, Randnr. 20).

52. Im vorliegenden Fall birgt jedoch eine Nichtigkeitsklage gegen die streitige Handlung, mit der die Kommission die deutschen Behörden zur Erteilung von Auskünften über die Erträge und Kosten der Deutschen Post im Zeitraum 1998 bis 2007 aufgefordert hat, nicht die Gefahr, dass die verschiedenen Phasen des Verwaltungs- und des gerichtlichen Verfahrens durcheinandergebracht werden (Urteil IBM/Kommission, Randnr. 20). Eine solche Nichtigkeitsklage dürfte nämlich den Unionsrichter nicht dazu zwingen, über das Bestehen einer staatlichen Beihilfe oder über deren Vereinbarkeit mit dem Binnenmarkt zu entscheiden.

53. Ferner kann eine Zwischenmaßnahme nach der Rechtsprechung auch dann nicht Gegenstand einer Klage sein, wenn feststeht, dass die Rechtswidrigkeit dieser Handlung im Rahmen einer Klage gegen die endgültige Entscheidung, deren Vorbereitung sie dient, geltend gemacht werden kann. Unter derartigen Umständen bietet die Klage gegen die das Verfahren abschließende Entscheidung einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz (vgl. Urteile IBM/Kommission, Randnr. 12, vom 24. Juni 1986, AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission, 53/85, Slg. 1986, 1965, Randnr. 19, sowie vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission, Randnr. 63).

54. Ist die letztgenannte Voraussetzung jedoch nicht erfüllt, so erzeugt die Zwischenmaßnahme – unabhängig davon, ob sie eine vorläufige Meinung des betreffenden Organs zum Ausdruck bringt – eigenständige Rechtswirkungen und muss daher Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein können (vgl. Urteile AKZO Chemie und AKZO Chemie UK/Kommission, Randnr. 20, vom 28. November 1991, BEUC/Kommission, C‑170/89, Slg. 1991, I‑5709, Randnrn. 9 bis 11, vom 16. Juni 1994, SFEI u. a./Kommission, C‑39/93 P, Slg. 1994, I‑2681, Randnr. 28, vom 9. Oktober 2001, Italien/Kommission, Randnrn. 57 bis 68, und Athinaïki Techniki/Kommission, Randnr. 54).

55. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass eine nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 erteilte Anordnung zur Auskunftserteilung eigenständige Rechtswirkungen erzeugt.

56. Eine Klage gegen die Entscheidung, mit der das Verfahren bezüglich der angeblichen staatlichen Beihilfe an die Deutsche Post abgeschlossen wird, ist nämlich nicht geeignet, den Rechtsmittelführerinnen einen ausreichenden gerichtlichen Rechtsschutz zu bieten.

57. Zum einen könnten nämlich, falls die Anordnung, wie von den Rechtsmittelführerinnen in den vorliegenden Fällen vorgebracht, insoweit unverhältnismäßig ist, als die verlangten Auskünfte für die Beurteilung der staatlichen Maßnahme anhand der Art. 107 AEUV und 108 AEUV nicht relevant wären, die Rechtsmängel der Zwischenmaßnahme nicht die Rechtmäßigkeit der endgültigen Entscheidung der Kommission berühren, da diese Entscheidung nicht auf die in Antwort auf die Anordnung erhaltenen Auskünfte gestützt sein wird.

58. Zum anderen erlässt die Kommission, wenn sie nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 von einem Mitgliedstaat die verlangten Auskünfte anfordert, eine Entscheidung im Sinne von Art. 288 AEUV. Folglich stellt die Weigerung des betreffenden Mitgliedstaats, eine solche Anordnung zu befolgen, einen Verstoß gegen eine Verpflichtung aus den Verträgen im Sinne von Art. 258 AEUV dar.

59. In einem Vertragsverletzungsverfahren kann aber ein Mitgliedstaat, an den eine Entscheidung wie eine Anordnung zur Auskunftserteilung gerichtet ist, die Nichtdurchführung dieser Entscheidung nicht mit ihrer angeblichen Rechtswidrigkeit rechtfertigen. Die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung ist vielmehr in einem anderen Verfahren, nämlich dem einer Nichtigkeitsklage nach Art. 263 AEUV, in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. März 2001, Kommission/Frankreich, C‑261/99, Slg. 2001, I‑2537, Randnr. 18, und vom 14. Februar 2008, Kommission/Griechenland, C‑419/06, Randnr. 52).

60. Die Wirkungen der möglichen Rechtswidrigkeit der Zwischenmaßnahme können daher nicht durch eine Klage gegen die endgültige Entscheidung beseitigt werden. Die Verletzung der Verpflichtungen aus Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 durch einen Mitgliedstaat, der einer Anordnung zur Auskunftserteilung nicht nachkommt, kann nämlich unabhängig vom Ausgang eines etwaigen Verfahrens wegen einer Nichtigkeitsklage gegen die endgültige Entscheidung festgestellt werden.

61. Schließlich ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, dass die Möglichkeit der Erhebung einer Nichtigkeitsklage gegen eine Entscheidung nach Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 dazu führen würde, dass ein Mitgliedstaat, der sich weigere, auf ein Auskunftsersuchen zu einer angemeldeten oder nicht angemeldeten Beihilfe zu antworten, einen umfassenderen gerichtlichen Rechtsschutz genösse, wenn es um eine nicht angemeldete Beihilfe gehe.

62. Zu beachten ist insoweit, dass nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999, wenn der betreffende Mitgliedstaat nach Eingang eines Erinnerungsschreibens nicht die in einem Auskunftsersuchen der Kommission zu einer angemeldeten Beihilfe verlangten Auskünfte erteilt, die Anmeldung als zurückgezogen gilt. Die Rückziehung der Anmeldung hat unter diesen Umständen zur Folge, dass diese Beihilfe als nicht angemeldete Beihilfe anzusehen ist, so dass die Weigerung des betreffenden Mitgliedstaats, die verlangten Auskünfte zu erteilen, sowohl im Fall einer zunächst angemeldeten Beihilfe als auch im Fall einer niemals angemeldeten Beihilfe zu einer anfechtbaren Handlung, nämlich einer „Entscheidung“ im Sinne von Art. 10 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999, führt.

63. Mit der Feststellung, dass die streitige Handlung nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne, hat das Gericht somit Rechtsfehler begangen. Daher ist den Rechtsmittelgründen 1 bis 4 stattzugeben, ohne dass der fünfte Rechtsmittelgrund geprüft werden müsste.

64. In der Rechts sache C‑463/10 P regt die Kommission jedoch an, dass der Gerichtshof, falls er entscheiden sollte, dass die streitige Handlung eine anfechtbare Handlung im Sinne von Art. 263 AEUV ist, die Begründung des Beschlusses Deutsche Post/Kommission ersetzt und feststellt, dass die Klage der Deutschen Post deshalb unzulässig ist, weil dieses Unternehmen keine Klagebefugnis nach Art. 263 Abs. 4 AEUV hat. Im Rahmen ihrer in dieser Rechtssache erhobenen Einrede der Unzulässigkeit hatte die Kommission nämlich geltend gemacht, dass die streitige Handlung die Deutsche Post weder unmittelbar noch individuell betreffe.

65. Nach Art. 263 Abs. 4 AEUV kann eine natürliche oder juristische Person nur dann eine Klage gegen eine an eine andere Person gerichtete Entscheidung erheben, wenn diese Entscheidung sie unmittelbar und individuell betrifft.

66. Was erstens die Frage angeht, ob die Deutsche Post durch die an die Bundesrepublik Deutschland gerichtete streitige Handlung unmittelbar betroffen ist, liegt diese Voraussetzung nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn zwei Kriterien kumulativ erfüllt sind, nämlich erstens, dass die beanstandete Maßnahme sich auf die Rechtsstellung der betreffenden Person unmittelbar auswirkt, und zweitens, dass sie ihren Adressaten, die mit ihrer Durchführung betraut sind, keinerlei Ermessensspielraum lässt, ihre Umsetzung vielmehr rein automatisch erfolgt und sich allein aus der Unionsregelung ohne Anwendung anderer Durchführungsvorschriften ergibt (vgl. Urteil vom 10. September 2009, Kommission/Ente per le Ville Vesuviane und Ente per le Ville Vesuviane/Kommission, C‑445/07 P und C‑455/07 P, Slg. 2009, I‑7993, Randnr. 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

67. Nach Ansicht der Kommission ist diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt, weil mit der streitigen Handlung von der Bundesrepublik Deutschland lediglich die Übermittlung bestimmter Informationen verlangt werde. Diese Anordnung führe somit nicht zum Erlass einer nationalen Maßnahme, die rein automatisch erfolge und sich allein aus der Unionsregelung ergebe. Vielmehr liege es an der Bundesrepublik Deutschland, ob sie sich an die Deutsche Post wende oder wie sie dieses Unternehmen dazu veranlasse, ihr die Informationen zuzuleiten.

68. Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass die streitige Handlung die Deutsche Post im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV unmittelbar beeinträchtigt.

69. Zum einen wird nämlich die Deutsche Post als Begünstigte der Maßnahme, auf die sich die in der streitigen Handlung genannten Informationen beziehen, und als diejenige, die über diese Informationen verfügt, gezwungen sein, der Auskunftsanordnung Folge zu leisten.

70. Zum anderen ergibt sich aus der streitigen Handlung selbst, dass die verlangten Informationen abschließend und erschöpfend sind, ohne dass der Bundesrepublik Deutschland insoweit ein Ermessensspielraum gelassen würde.

71. Was die Frage angeht, ob die Deutsche Post durch die angefochtene Handlung individuell betroffen ist, können nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs andere Personen als die Adressaten einer Entscheidung nur dann individuell betroffen sein, wenn diese Entscheidung sie wegen bestimmter persönlicher Eigenschaften oder besonderer, sie aus dem Kreis aller übrigen Personen heraushebender Umstände berührt und sie dadurch in ähnlicher Weise individualisiert wie den Adressaten einer solchen Entscheidung (vgl. u. a. Urteil vom 22. November 2007, Sniace/Kommission, C‑260/05 P, Slg. 2007, I‑10005, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

72. Nach Auffassung der Kommission betrifft die streitige Handlung die Deutsche Post nicht individuell, da sie weder an diese gerichtet sei noch Verpflichtungen für sie begründe.

73. Hierzu ist festzustellen, dass es für die Beurteilung der Frage, ob die streitige Handlung die Deutsche Post im Sinne von Art. 263 Abs. 4 AEUV individuell betrifft, unbeachtlich ist, dass sie nicht an dieses Unternehmen gerichtet ist.

74. Außerdem bezieht sich die Anordnung zur Auskunftserteilung auf ein Verfahren der Prüfung einer angeblichen staatlichen Beihilfe, die die Deutsche Post erhalten haben soll. Die Informationen, um die es in der streitigen Handlung geht, betreffen somit allein die Deutsche Post. Diese ist daher durch die streitige Handlung individuell betroffen im Sinne der in Randnr. 71 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung.

75. Da die Deutsche Post durch die streitige Handlung unmittelbar und individuell betroffen ist, ist in der Rechtssache C‑463/10 P die von der Kommission vorgeschlagene Ersetzung der Begründung nicht vorzunehmen.

76. Nach alledem ist den Rechtsmitteln stattzugeben, und die angefochtenen Beschlüsse sind aufzuheben.

Zur Rückverweisung der Rechtssachen an das Gericht

77. Nach Art. 61 Abs. 1 seiner Satzung kann der Gerichtshof der Europäischen Union, wenn das Rechtsmittel begründet ist, den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.

78. Der Gerichtshof verfügt über die erforderlichen Angaben, um in beiden Rechtssachen endgültig über die von der Kommission im Verfahren des ersten Rechtszugs erhobene Einrede der Unzulässigkeit zu entscheiden.

79. Aus den in den Randnrn. 36 bis 62 des vorliegenden Urteils genannten Gründen ist die Einrede der Unzulässigkeit, die darauf gestützt wird, dass die streitige Handlung nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsklage sein könne, zurückzuweisen. Soweit die Einrede der Unzulässigkeit in der Rechtssache Deutsche Post/Kommission (T‑570/08) außerdem darauf gestützt ist, dass die streitige Handlung die Rechtsmittelführerin nicht unmittelbar und individuell betreffe, kann ihr aus den in den Randnrn. 65 bis 75 des vorliegenden Urteils genannten Gründen ebenfalls nicht stattgegeben werden.

80. Dagegen ist der Gerichtshof unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht in der Lage, über die Begründetheit der von der Deutschen Post und der Bundesrepublik Deutschland erhobenen Klagen zu entscheiden.

81. Hierzu ist festzustellen, dass sich die Erörterung vor dem Gericht und die von ihm vorgenommene Würdigung ausschließlich auf die Zulässigkeit der Klagen bezogen hat, da das Gericht in beiden Rechtssachen der von der Kommission gemäß Art. 114 § 1 seiner Verfahrensordnung erhobenen Einrede der Unzulässigkeit vorab und ohne Eröffnung des mündlichen Verfahrens stattgegeben hat.

82. Die Rechtssachen sind daher zur Entscheidung über die Anträge der Rechtsmittelführerinnen auf Nichtigerklärung der streitigen Handlung an das Gericht zurückzuverweisen.

Kosten

83. Da die Rechtssachen an das Gericht zurückverwiesen werden, ist die Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1. Die Beschlüsse des Gerichts der Europäischen Union vom 14. Juli 2010, Deutsche Post/Kommission (T‑570/08) und Deutschland/Kommission (T‑571/08), werden aufgehoben.

2. Die von der Europäischen Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union erhobenen Einreden der Unzulässigkeit werden zurückgewiesen.

3. Die Rechtssachen werden zur Entscheidung über die Anträge der Deutschen Post AG (T‑570/08) und der Bundesrepublik Deutschland (T‑571/08) auf Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission vom 30. Oktober 2008, mit der der Bundesrepublik Deutschland gegenüber im Verfahren über die staatliche Beihilfe an die Deutsche Post die Erteilung von Auskünften angeordnet wurde, an das Gericht der Europäischen Union zurückverwiesen.

4. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.

nach oben