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Dokument 62009CJ0552

    Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 24. März 2011.
    Ferrero SpA gegen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM).
    Rechtsmittel - Gemeinschaftsmarke - Verordnung (EG) Nr. 40/94 - Gemeinschaftsbildmarke TiMi KiNDERJOGHURT - Ältere Wortmarke KINDER - Nichtigkeitsverfahren - Art. 52 Abs. 1 Buchst. a - Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 - Beurteilung der Zeichenähnlichkeit - Markenfamilie.
    Rechtssache C-552/09 P.

    Sammlung der Rechtsprechung 2011 I-02063

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2011:177

    Rechtssache C‑552/09 P

    Ferrero SpA

    gegen

    Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM)

    „Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Gemeinschaftsbildmarke TiMi KiNDERJOGHURT – Ältere Wortmarke KINDER – Nichtigkeitsverfahren – Art. 52 Abs. 1 Buchst. a – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 – Beurteilung der Zeichenähnlichkeit – Markenfamilie“

    Leitsätze des Urteils

    1.        Rechtsmittel – Rechtsschutzinteresse – Voraussetzung – Rechtsmittel, das geeignet ist, dem Rechtsmittelführer einen Vorteil zu verschaffen – Nichtigerklärung einer Gemeinschaftsmarke – Verzicht auf die Gemeinschaftsmarke – Verschiedene mögliche Rechtswirkungen

    2.        Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer identischen oder ähnlichen bekannten älteren Marke – Auf nichtähnliche Waren oder Dienstleistungen erweiterter Schutz der bekannten älteren Marke – Voraussetzungen – Zusammenhang zwischen den Marken

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5)

    3.        Rechtsmittel – Gründe – Fehlerhafte Tatsachenwürdigung – Unzulässigkeit – Überprüfung der Tatsachenwürdigung des Gerichts durch den Gerichtshof – Ausschluss außer bei Verfälschung – Rechtsmittelgrund, der auf die Verfälschung der Tatsachen gestützt ist – Notwendigkeit, genau anzugeben, welche Tatsachen verfälscht worden sein sollen, und die Beurteilungsfehler darzulegen, die diese Verfälschung veranlasst haben

    (Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV; Satzung des Gerichtshofs, Art. 58 Abs. 1; Verfahrensordnung des Gerichtshofs, Art. 112 § 1 Abs. 1 Buchst. c)

    4.        Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Ähnlichkeit der betreffenden Marken – Beurteilungskriterien

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

    5.        Gemeinschaftsmarke – Definition und Erwerb der Gemeinschaftsmarke – Relative Eintragungshindernisse – Widerspruch des Inhabers einer für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen eingetragenen identischen oder ähnlichen älteren Marke – Gefahr der Verwechslung mit der älteren Marke – Gefahr einer gedanklichen Verbindung – Ältere Marken, die gemeinsame Merkmale aufweisen, infolge deren sie als Teil ein und derselben „Serienmarke“ oder als „Markenfamilie“ angesehen werden können

    (Verordnung Nr. 40/94 des Rates, Art. 8 Abs. 1 Buchst. b)

    1.        Das Rechtsschutzinteresse ist eine Zulässigkeitsvoraussetzung, die unverändert bis zum Erlass der gerichtlichen Sachentscheidung vorliegen muss. Das Rechtsschutzinteresse besteht, solange das Rechtsmittel der Partei, die es eingelegt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann.

    Eine Partei hat weiterhin Interesse an einem Rechtsmittel gegen ein Urteil, mit dem eine Klage auf Aufhebung einer Entscheidung abgewiesen wurde, mit der ein von dieser Partei eingereichter Antrag auf Nichtigerklärung einer Gemeinschaftsmarke zurückgewiesen wurde, auch wenn der Inhaber dieser Marke auf sie verzichtet hat.

    Der Verzicht kann nämlich nicht als solcher das Rechtsmittel gegenstandslos machen, da die Wirkungen eines Verzichts und die einer Nichtigerklärung nicht die gleichen sind. So gelten die Wirkungen einer für nichtig erklärten Marke nach Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke als von Anfang an nicht eingetreten – mit allen rechtlichen Folgen, die eine solche Nichtigkeit mit sich bringt –, während die Gemeinschaftsmarke, die Gegenstand eines Verzichts ist, ihre Wirkung erst mit der Eintragung dieses Verzichts verliert.

    (vgl. Randnrn. 39-41, 43-44)

    2.        Das Vorliegen einer Ähnlichkeit zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke bildet eine Anwendungsvoraussetzung, die Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 über die Gemeinschaftsmarke gemeinsam ist.

    Diese Voraussetzung einer Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen bedingt sowohl im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung als auch von Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung Gemeinsamkeiten u. a. im Bild, im Klang oder in der Bedeutung.

    Der Ähnlichkeitsgrad, der im Rahmen der einen oder anderen dieser Bestimmungen verlangt wird, ist sicherlich unterschiedlich. Während nämlich der durch Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 eingeführte Schutz voraussetzt, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken ein Grad der Ähnlichkeit festgestellt wird, der so hoch ist, dass für die beteiligten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr zwischen ihnen besteht, ist das Vorliegen einer solchen Gefahr für den durch Art. 8 Abs. 5 der Verordnung gewährten Schutz nicht erforderlich. So können die in Art. 8 Abs. 5 genannten Beeinträchtigungen die Folge eines geringeren Grades der Ähnlichkeit zwischen der älteren und der jüngeren Marke sein, soweit dieser ausreicht, damit die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen diesen Marken sehen, d. h., die beiden gedanklich miteinander verknüpfen.

    Hingegen ergibt sich weder aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung, dass die Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken auf unterschiedliche Art zu beurteilen wäre, je nachdem, ob sie im Hinblick auf die eine oder die andere dieser Bestimmungen vorgenommen wird.

    Das Vorliegen einer gedanklichen Verknüpfung zwischen den einander gegenüberstehenden Marken ist, ebenso wie das Vorliegen von Verwechslungsgefahr, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen, zu denen nicht nur der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, sondern auch der Grad der Unterscheidungskraft und das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke gehören.

    In Bezug auf diesen letzten Umstand kann es bei der Beurteilung einer gedanklichen Verknüpfung zwischen den einander gegenüberstehenden Marken notwendig sein, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke zu berücksichtigen, um zu ermitteln, ob sich diese Bekanntheit über die von dieser Marke angesprochenen Verkehrskreise hinaus erstreckt. Denn es ist möglich, dass die von den Waren oder Dienstleistungen, für die die jüngere Marke eingetragen ist, angesprochenen Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen den einander gegenüberstehenden Marken herstellen, obwohl sie ein ganz anderes Publikum sind als die von den Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, angesprochenen Verkehrskreise.

    Die Bekanntheit und die Unterscheidungskraft der älteren Marke sind daher maßgebliche Faktoren für die Beurteilung nicht der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, sondern des Vorliegens einer gedanklichen Verknüpfung dieser Marken durch die beteiligten Verkehrskreise.

    (vgl. Randnrn. 51-54, 56-58)

    3.        Nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt. Allein das Gericht ist daher für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen und die Beweiswürdigung zuständig. Die Würdigung dieser Tatsachen und Beweismittel ist somit, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterliegen würde.

    Ein Rechtsmittelführer muss nach den Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und 112 § 1 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben, welche Tatsachen das Gericht verfälscht haben soll, und muss die Beurteilungsfehler darlegen, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben.

    (vgl. Randnrn. 73, 78)

    4.        Für die Beurteilung, wie weit die Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken geht, ist der Grad ihrer Ähnlichkeit in Bild, Klang und Bedeutung zu bestimmen sowie ist gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und der Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, zu bewerten, welche Bedeutung diesen einzelnen Elementen beizumessen ist.

    Die Ähnlichkeiten der Zeichen sind in Bild, Klang und Bedeutung umfassend zu beurteilen, wobei die Würdigung einer etwaigen klanglichen Ähnlichkeit nur einer der relevanten Umstände ist.

    (vgl. Randnrn. 85-86)

    5.        Das Vorliegen einer „Markenfamilie“ oder von „Serienmarken“ ist ein Gesichtspunkt, der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen ist. In diesem Fall ergibt sich die Verwechslungsgefahr nämlich daraus, dass der Verbraucher sich hinsichtlich der Herkunft oder des Ursprungs der von der Anmeldemarke erfassten Waren oder Dienstleistungen irren kann und zu Unrecht annimmt, dass die Anmeldemarke zu dieser Familie oder Serie von Marken gehört.

    Dieser Gesichtspunkt ist jedoch im Rahmen der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke nicht maßgeblich.

    Demnach hat das Gericht bloß in dem Fall, dass die einander gegenüberstehenden Marken eine bestimmte Ähnlichkeit aufweisen, im Rahmen einer umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr oder der gedanklichen Verknüpfung dieser Marken das Vorliegen einer „Markenfamilie“ oder von „Serienmarken“ zu berücksichtigen.

    (vgl. Randnrn. 97-99)







    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    24. März 2011(*)

    „Rechtsmittel – Gemeinschaftsmarke – Verordnung (EG) Nr. 40/94 – Gemeinschaftsbildmarke TiMi KiNDERJOGHURT – Ältere Wortmarke KINDER – Nichtigkeitsverfahren – Art. 52 Abs. 1 Buchst. a – Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 – Beurteilung der Zeichenähnlichkeit – Markenfamilie“

    In der Rechtssache C‑552/09 P

    betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 23. Dezember 2009,

    Ferrero SpA mit Sitz in Alba (Italien), Prozessbevollmächtigter: C. Gielen, advocaat,

    Klägerin,

    andere Verfahrensbeteiligte:

    Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM), vertreten durch D. Botis als Bevollmächtigten,

    Beklagter im ersten Rechtszug,

    Tirol Milch reg.Gen.mbH Innsbruck,

    Beteiligte im Verfahren vor der Beschwerdekammer,

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Richters A. Borg Barthet (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter M. Ilešič und E. Levits,

    Generalanwältin: J. Kokott,

    Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2010,

    aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1        Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Ferrero SpA (im Folgenden: Ferrero) die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 14. Oktober 2009, Ferrero/HABM – Tirol Milch (TiMi KiNDERJOGHURT) (T‑140/08, Slg. 2009, II‑3941, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht ihre Klage auf Aufhebung der Entscheidung der Zweiten Beschwerdekammer des Harmonisierungsamts für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle) (HABM) vom 30. Januar 2008 (Sache R 682/2007-2) zu einem Nichtigkeitsverfahren zwischen Ferrero und der Tirol Milch reg.Gen.mbH Innsbruck (im Folgenden: streitige Entscheidung) abgewiesen hat.

     Rechtlicher Rahmen

    2        Die Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. Dezember 1993 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. 1994, L 11, S. 1) ist durch die am 13. April 2009 in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1) aufgehoben worden. Der Rechtsstreit beurteilt sich gleichwohl – unter Berücksichtigung des Zeitpunkts des Sachverhalts – nach der Verordnung Nr. 40/94.

    3        Der siebte Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 40/94 lautete:

    „Zweck des durch die eingetragene Marke gewährten Schutzes ist es, insbesondere die Herkunftsfunktion der Marke zu gewährleisten; dieser Schutz ist absolut im Falle der Identität zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den Waren oder Dienstleistungen. Der Schutz erstreckt sich ebenfalls auf Fälle der Ähnlichkeit von Zeichen und Marke sowie Waren und Dienstleistungen. Der Begriff der Ähnlichkeit ist im Hinblick auf die Verwechslungsgefahr auszulegen. Die Verwechslungsgefahr stellt die spezifische Voraussetzung für den Schutz dar; ob sie vorliegt, hängt von einer Vielzahl von Umständen ab, insbesondere dem Bekanntheitsgrad der Marke auf dem Markt, der gedanklichen Verbindung, die das benutzte oder eingetragene Zeichen zu ihr hervorrufen kann, sowie dem Grad der Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen und zwischen den damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen.“

    4        Art. 8 Abs. 1 dieser Verordnung bestimmte:

    „Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke ist die angemeldete Marke von der Eintragung ausgeschlossen,

    b)      wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit der älteren Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen in dem Gebiet besteht, in dem die ältere Marke Schutz genießt; dabei schließt die Gefahr von Verwechslungen die Gefahr ein, dass die Marke mit der älteren Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.“

    5        Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 sah vor:

    „Auf Widerspruch des Inhabers einer älteren Marke im Sinne des Absatzes 2 ist die angemeldete Marke auch dann von der Eintragung ausgeschlossen, wenn sie mit der älteren Marke identisch ist oder dieser ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen eingetragen werden soll, die nicht denen ähnlich sind, für die die ältere Marke eingetragen ist, wenn es sich im Falle einer älteren Gemeinschaftsmarke um eine in der Gemeinschaft bekannte Marke und im Falle einer älteren nationalen Marke um eine in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannte Marke handelt und die Benutzung der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der älteren Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen würde.“

    6        Art. 49 Abs. 1 und 2 dieser Verordnung bestimmte:

    „(1)      Die Gemeinschaftsmarke kann Gegenstand eines Verzichts für alle oder einen Teil der Waren oder Dienstleistungen sein, für die sie eingetragen ist.

    (2)      Der Verzicht ist vom Markeninhaber dem [HABM] schriftlich zu erklären. Er wird erst wirksam, wenn er eingetragen ist.“

    7        Art. 52 („Relative Nichtigkeitsgründe“) Abs. 1 der Verordnung Nr. 40/94 lautete:

    „Die Gemeinschaftsmarke wird auf Antrag beim [HABM] oder auf Widerklage im Verletzungsverfahren für nichtig erklärt,

    a)      wenn eine in Artikel 8 Absatz 2 genannte ältere Marke besteht und die Voraussetzungen des Artikels 8 Absatz 1 oder Absatz 5 erfüllt sind;

    …“

    8        Art. 54 Abs. 2 der Verordnung sah vor:

    „Die in dieser Verordnung vorgesehenen Wirkungen der Gemeinschaftsmarke gelten in dem Umfang, in dem die Marke für nichtig erklärt worden ist, als von Anfang an nicht eingetreten.“

     Vorgeschichte des Rechtsstreits

    9        Am 8. April 1998 meldete die Tirol Milch reg.Gen.mbH Innsbruck (im Folgenden: Tirol Milch) mit Sitz in Innsbruck (Österreich) beim HABM folgendes Bildzeichen als Gemeinschaftsmarke an:

    Image not found

    10      Die Marke wurde für folgende Waren der Klasse 29 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 (im Folgenden: Abkommen von Nizza) in revidierter und geänderter Fassung angemeldet:

    „Joghurt, Fruchtjoghurt, Joghurtgetränke, Früchte enthaltende Joghurtgetränke; vorwiegend auf Joghurt bzw. auf Joghurtprodukten basierende halbfertige und fertige Speisen; Joghurt-Cremes“.

    11      Am 14. Januar 1999 erhob Ferrero gegen die Anmeldung hinsichtlich aller von dieser erfassten Waren einen Widerspruch, den sie auf ihre seit dem 28. Januar 1965 in Italien eingetragene ältere Wortmarke KINDER (erst Nr. 168843, nach Verlängerung Nr. 684985) für folgende Waren der Klasse 30 des Abkommens von Nizza stützte:

    „Kaffee, Tee, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffeeersatzmittel; Brot, Kekse, Kuchen, Teig für Kuchen und Süßwaren, Eiscreme, Honig, Melassesirup, Hefe und Hefepulver; Salz, Senf; Pfeffer, Essig, Soßen; Gewürze; Speiseeis; Kakao, Kakaoprodukte, nämlich Kakaotrunkpaste, Schokoladenpaste; Teigmäntel, insbesondere Schokoladenmäntel, Schokolade, Pralinen, Schokoladenschmuck für Weihnachtsbäume, mit Alkohol gefüllte Schokoladenprodukte, Konditor‑ und Konfiseriewaren, einschließlich harter und weicher Teigmäntel für Kuchen“.

    12      Mit Entscheidung vom 29. September 2000 wies die Widerspruchsabteilung des HABM den Widerspruch gemäß Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 zurück.

    13      Diese Entscheidung wurde am 3. November 2003 von der Vierten Beschwerdekammer bestätigt.

    14      Die Marke TiMi KiNDERJOGHURT wurde am 20. August 2004 eingetragen und im Blatt für Gemeinschaftsmarken vom 11. Oktober 2004 veröffentlicht.

    15      Am 19. August 2005 reichte Ferrero gegen die Eintragung dieser Gemeinschaftsmarke hinsichtlich aller von dieser erfassten Waren beim HABM einen Antrag auf Nichtigerklärung nach Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 40/94 ein.

    16      Mit Entscheidung vom 14. März 2007 erklärte die Nichtigkeitsabteilung des HABM die Gemeinschaftsmarke TiMi KiNDERJOGHURT nach Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 für nichtig.

    17      Am 4. Mai 2007 legte Tirol Milch gegen die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung nach Art. 59 der Verordnung Nr. 40/94 beim HABM eine Beschwerde ein.

    18      Mit der streitigen Entscheidung hob die Zweite Beschwerdekammer die Entscheidung der Nichtigkeitsabteilung auf und wies den Antrag auf Nichtigerklärung zurück.

    19      Zur Begründung führte die Beschwerdekammer zunächst aus, dass die Nichtigkeitsabteilung, obgleich Entscheidungen über Widersprüche keine Rechtskraft zukomme, an die Feststellungen und die Schlussfolgerungen in der Sache, die in früheren Entscheidungen des HABM enthalten seien, gebunden bleibe, denn dies folge aus der Regel nemo potest venire contra factum proprium, wonach die Verwaltung durch ihre eigenen Handlungen gebunden werde, insbesondere wenn diese den Verfahrensbeteiligten den ordnungsgemäßen Erwerb von Rechten an einer Gemeinschaftsmarke erlaubt hätten. Sodann bestätigte die Beschwerdekammer die in der Entscheidung der Widerspruchsabteilung und in der Entscheidung der Vierten Beschwerdekammer vom 3. November 2003 getroffenen Feststellungen, mit denen die Marken angesichts ihrer erheblichen visuellen und klanglichen Unterschiede als insgesamt verschieden beurteilt worden waren. Die Beschwerdekammer wies daher den Antrag auf Nichtigerklärung zurück, da eine Anwendungsvoraussetzung des Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94, nämlich die Identität oder Ähnlichkeit der Zeichen, nicht erfüllt sei.

     Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

    20      Ferrero beantragte mit Klageschrift, die am 14. April 2008 bei der Kanzlei des Gerichts einging, die Aufhebung der streitigen Entscheidung und die Verurteilung des HABM zur Tragung der Kosten.

    21      Die Klägerin stützte ihre Klage auf zwei Klagegründe, nämlich erstens eine fehlerhafte Anwendung des Grundsatzes der Rechtskraft und zweitens einen Verstoß gegen Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94.

    22      In Bezug auf den ersten Klagegrund hat das Gericht in Randnr. 32 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Beschwerdekammer eine eigenständige und vollständige Prüfung der Streitigkeit in der Sache vorgenommen habe, wobei sie insbesondere die Ähnlichkeit der in Frage stehenden Zeichen geprüft habe, so dass die Beschwerdekammer ungeachtet ihrer Ausführungen in Randnr. 30 der streitigen Entscheidung den Grundsatz der Rechtskraft nicht angewandt habe. Daraus hat das Gericht in Randnr. 33 dieses Urteils geschlossen, dass der erste Klagegrund auf einer fehlerhaften Prämisse beruhe und deshalb zurückzuweisen sei.

    23      Das Gericht hat in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils allerdings darauf hingewiesen, dass die Beschwerdekammer zu Unrecht angenommen habe, dass aufgrund der Regel nemo potest venire contra factum proprium, des Schutzes erworbener Rechte sowie der Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes die Stellen des HABM in einem Nichtigkeitsverfahren an die Feststellungen gebunden seien, die in der das Widerspruchsverfahren abschließenden Entscheidung getroffen worden seien.

    24      Zum zweiten von Ferrero vorgetragenen Klagegrund hat das Gericht in Randnr. 53 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das Vorliegen einer Ähnlichkeit zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke eine Anwendungsvoraussetzung bilde, die Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94, auf die Art. 52 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung verweise, gemeinsam sei, und dass diese Voraussetzung insbesondere Gemeinsamkeiten im Bild, im Klang oder in der Bedeutung erfordere.

    25      In Randnr. 54 des angefochtenen Urteils hat das Gericht dann auf die Rechtsprechung Bezug genommen, wonach für die Erfüllung dieser die Ähnlichkeit betreffenden Voraussetzung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 nicht der Nachweis erforderlich sei, dass für die betroffenen Verkehrskreise zwischen der älteren bekannten Marke und der angegriffenen Marke Verwechslungsgefahr bestehe, sondern es genüge, dass der Grad der Ähnlichkeit zwischen den Marken bewirke, dass die beteiligten Verkehrskreise die Marken gedanklich miteinander verknüpften. Ob eine solche gedankliche Verknüpfung bestehe, sei unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen, und beim Vergleich der Zeichen sei hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken nach Bild, Klang oder Bedeutung auf den von ihnen hervorgerufenen Gesamteindruck abzustellen, wobei insbesondere die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente der Marken zu berücksichtigen seien.

    26      In den Randnrn. 55 bis 59 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch befunden, dass trotz der Präsenz des Elements „kinder“ in beiden in Rede stehenden Zeichen eine Reihe von visuellen und klanglichen Merkmalen ausschließe, dass die Zeichen als ähnlich wahrgenommen würden.

    27      In Randnr. 61 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, was das Vorbringen von Ferrero zur Bekanntheit der älteren Marke und zu der Ähnlichkeit der von den einander gegenüberstehenden Marken erfassten Waren angehe, so könnten diese Umstände für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr zwar berücksichtigt werden, seien aber ohne Einfluss auf die Beurteilung der zwischen den Zeichen bestehenden Ähnlichkeit. Außerdem hat es in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils ausgeführt, das Fehlen einer Ähnlichkeit zwischen den streitigen Zeichen sei so ausgeprägt, dass die Bekanntheit der Marke KINDER unabhängig davon, ob sie unstreitig sei oder nicht, diese fehlende Ähnlichkeit nicht in Frage zu stellen vermöge.

    28      Das Gericht hat in Randnr. 63 des angefochtenen Urteils befunden, das Vorliegen einer Markenfamilie oder ‑serie sei nicht relevant im Rahmen der Beurteilung, ob die Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 gemeinsame Anwendungsvoraussetzung, nämlich das Bestehen von Ähnlichkeit zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke, erfüllt sei. In Randnr. 64 hat es ferner festgestellt, selbst wenn man annähme, dass das Vorliegen einer Markenfamilie oder -serie für die Beurteilung des Bestehens einer solchen Ähnlichkeit ein maßgeblicher Faktor sei, sei die Gefahr, dass die Verbraucher im vorliegenden Fall tatsächlich annehmen könnten, dass die angegriffene Marke Teil dieser Markenfamilie oder -serie sei, wegen des Gewichts der Unähnlichkeiten, die zwischen der angegriffenen Marke und den in Randnr. 5 der Klageschrift aufgeführten Zeichen – die alle den Bestandteil „kinder“ sowie ein Zusatzelement und/oder Bildelemente enthielten – bestehe, sehr gering oder sogar inexistent.

    29      Zum Vorbringen, die Beschwerdekammer habe verkannt, dass im Hinblick auf Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 bei der Prüfung des Ähnlichkeitsgrads nicht ermittelt werden müsse, ob Verwechslungsgefahr bestehe, hat das Gericht in Randnr. 67 des angefochtenen Urteils die Auffassung vertreten, die Erwägungen der Beschwerdekammer belegten das Fehlen einer Ähnlichkeit unabhängig davon, ob der Ähnlichkeitsgrad eine Verwechslungsgefahr hervorrufen könne.

    30      Schließlich hat das Gericht in Randnr. 68 des angefochtenen Urteils befunden, der Beschwerdekammer sei nicht dadurch ein Fehler unterlaufen, dass sie eine „zergliedernde Betrachtung“ der angegriffenen Marke vorgenommen habe. Denn im Rahmen der Beurteilung des Ähnlichkeitsgrads sei der von der Kombination der Markenbestandteile hervorgerufene Gesamteindruck zu berücksichtigen, was jedoch nicht damit unvereinbar sei, diese Bestandteile nacheinander zu prüfen. Im vorliegenden Fall habe die Beschwerdekammer zunächst festgestellt, dass die Unterschiede zwischen den Zeichen ihren einzigen ähnlichen Aspekt ausglichen, und sodann hervorgehoben, dass die Zeichen, jeweils als Ganzes miteinander verglichen, einen unterschiedlichen Gesamteindruck hervorriefen, so dass diese „zergliedernde Betrachtung“ nicht auf Kosten einer Berücksichtigung des Gesamteindrucks, den die Kombination der die streitigen Marken bildenden Bestandteile hervorrufe, vorgenommen worden sei.

    31      Das Gericht hat daher den von Ferrero geltend gemachten zweiten Klagegrund als unbegründet zurückgewiesen und die Klage dementsprechend abgewiesen.

     Anträge der Beteiligten

    32      Mit ihrem Rechtsmittel beantragt Ferrero,

    –        das angefochtene Urteil aufzuheben;

    –        ihrem Antrag auf Aufhebung der streitigen Entscheidung stattzugeben oder, hilfsweise, die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen;

    –        dem HABM die Ferrero im ersten Rechtszug und im Rechtsmittelverfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen.

    33      Das HABM beantragt,

    –        den Verzicht von Tirol Milch auf die angegriffene Gemeinschaftsmarke zur Kenntnis zu nehmen und, falls die Rechtsmittelführerin einer Beendigung des Verfahrens zustimmt oder nicht nachweisen kann, dass sie ein rechtliches Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens hat, festzustellen, dass das Rechtsmittel gegenstandslos geworden ist, der Rechtsstreit erledigt ist und jede Partei ihre eigenen Kosten trägt;

    –        falls der Gerichtshof feststellen sollte, dass die Rechtsmittelführerin ein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens hat, dem HABM das Vorbringen neuer Argumente und Rechtsmittelgründe zu gestatten;

    –        hilfsweise, das Rechtsmittel unmittelbar in vollem Umfang entweder als unzulässig oder als offensichtlich unbegründet zurückzuweisen und der Rechtsmittelführerin die Kosten aufzuerlegen.

     Zum Rechtsmittel

     Zum Rechtsschutzinteresse der Rechtsmittelführerin

     Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    34      In seiner Klagebeantwortung weist das HABM darauf hin, dass Tirol Milch ihm mit Schreiben vom 15. Februar 2010 mitgeteilt habe, dass sie nach Art. 49 der Verordnung Nr. 40/94 auf die angegriffene Gemeinschaftsmarke insgesamt verzichte.

    35      Mit Schreiben vom 15. März 2010 bestätigte das HABM Tirol Milch, dass ihr Verzicht angenommen worden sei und die eingetragene Marke im Gemeinschaftsmarkenregister gestrichen worden sei. Das HABM informierte Ferrero über diese Streichung mit Schreiben vom nächsten Tag.

    36      Unter diesen Umständen hat die Rechtsmittelführerin nach Auffassung des HABM nunmehr kein Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Urteils mehr, so dass das vorliegende Rechtsmittel erledigt sei und das Verfahren für gegenstandslos zu erklären sei.

    37      In der mündlichen Verhandlung hat Ferrero jedoch geltend gemacht, die streitige Entscheidung und das angefochtene Urteil hätten für sie nachteilige rechtliche Wirkungen erzeugt.

    38      Ferrero trägt ferner vor, sie habe trotz des Verzichts von Tirol Milch auf die angefochtene Marke weiterhin ein Interesse an der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der streitigen Entscheidung, da die Nichtigerklärung im Gegensatz zum Verzicht Wirkungen ab dem Zeitpunkt entfalte, zu dem die Eintragung dieser Marke beantragt worden sei.

     Würdigung durch den Gerichtshof

    39      Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das Rechtsschutzinteresse eine Zulässigkeitsvoraussetzung ist, die unverändert bis zum Erlass der gerichtlichen Sachentscheidung vorliegen muss. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs besteht das Rechtsschutzinteresse, solange das Rechtsmittel der Partei, die es eingelegt hat, im Ergebnis einen Vorteil verschaffen kann (Urteil vom 14. September 2010, Akzo Nobel Chemicals und Akcros Chemicals/Kommission, C‑550/07 P, Slg. 2010, I‑0000, Randnrn. 22 und 23).

    40      Im vorliegenden Fall ist erstens festzustellen, dass das Gericht mit dem angefochtenen Urteil die Klage von Ferrero auf Aufhebung der streitigen Entscheidung abgewiesen hat, mit der die Beschwerdekammer des HABM den Antrag auf Nichtigerklärung, den Ferrero gegen die Eintragung der Gemeinschaftsmarke TiMi KiNDERJOGHURT eingereicht hatte, zurückgewiesen hat.

    41      Wenn aber der von Ferrero geltend gemachte Rechtsmittelgrund im vorliegenden Fall begründet wäre, könnte er zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, gegebenenfalls sogar der streitigen Entscheidung, und folglich zur Aufhebung der Entscheidung vom 20. August 2004 über die Eintragung dieser Marke führen.

    42      Zweitens kann der Verzicht von Tirol Milch auf die Gemeinschaftsmarke TiMi KiNDERJOGHURT entgegen dem Vorbringen des HABM nicht als solcher das von Ferrero erhobene Rechtsmittel gegenstandslos machen.

    43      Ferrero hat nämlich weiterhin Interesse an einem Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil, da – wie sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat – die Wirkungen eines Verzichts und die einer Nichtigerklärung nicht die gleichen sind. So gelten die Wirkungen einer für nichtig erklärten Marke nach Art. 54 Abs. 2 der Verordnung Nr. 40/94 als von Anfang an nicht eingetreten – mit allen rechtlichen Folgen, die eine solche Nichtigkeit mit sich bringt –, während die Gemeinschaftsmarke, die Gegenstand eines Verzichts ist, ihre Wirkung erst mit der Eintragung dieses Verzichts verliert.

    44      Folglich verfügt Ferrero über ein Rechtsschutzinteresse, da das vorliegende Rechtsmittel ihr einen Vorteil verschaffen kann.

     Zur Begründetheit

    45      Ferrero macht als einzigen Rechtsmittelgrund einen Verstoß gegen Art. 8 der Verordnung Nr. 40/94 geltend. Dieser Rechtsmittelgrund besteht aus fünf Teilen:

    –        erstens, Verstoß gegen die Systematik des Art. 8 der Verordnung Nr. 40/94;

    –        zweitens, unterbliebene angemessene Berücksichtigung anderer Merkmale als der Ähnlichkeit, insbesondere der Bekanntheit;

    –        drittens, Aufstellen fehlerhafter und unbegründeter Beweisregeln;

    –        viertens, Nichtberücksichtigung des Umstands, dass die älteren Marken teilweise Wortmarken seien, während die beanstandete Marke eine Bildmarke sei;

    –        fünftens, unterbliebene angemessene Berücksichtigung des Vorliegens einer Markenfamilie.

     Zum ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes

    –       Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    46      Mit dem ersten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes wirft Ferrero dem Gericht vor, gegen die Systematik des Art. 8 der Verordnung Nr. 40/94 verstoßen zu haben, indem es eine einzige tatsachenbezogene Ähnlichkeitsprüfung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 vorgenommen habe, obwohl diese beiden Bestimmungen jeweils ganz unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe vorsähen.

    47      Nach Ansicht von Ferrero ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Ähnlichkeit im Rahmen dieser beiden Bestimmungen jeweils in Abhängigkeit von einer Reihe anderer Merkmale, die entsprechend der betreffenden Bestimmung variierten, beurteilt werden müsse.

    48      Insbesondere aus dem Urteil vom 27. November 2008, Intel Corporation (C‑252/07, Slg. 2008, I‑8823), gehe hervor, dass im Hinblick auf Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 für die Beurteilung der Ähnlichkeit die Wertschätzung und die unterscheidungskräftigen und dominierenden Elemente des fraglichen Zeichens berücksichtigt werden müssten.

    49      Hingegen sei im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung die Berücksichtigung der Wertschätzung und der Unterscheidungskraft für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblich.

    50      Das HABM macht geltend, der erste Teil des Rechtsmittelgrundes sei offensichtlich unbegründet. Der Gerichtshof habe bereits entschieden, dass im Hinblick auf die beiden in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils genannten Bestimmungen die Ähnlichkeit im Licht der Gemeinsamkeiten der Zeichen im Bild, im Klang oder in der Bedeutung beurteilt werden müsse (Urteil vom 23. Oktober 2003, Adidas-Salomon und Adidas Benelux, C‑408/01, Slg. 2003, I‑12537, Randnr. 28). Wenn diese Prüfung ergebe, dass die Zeichen insgesamt nicht ähnlich seien, gelte diese Feststellung sowohl im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b als auch von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94.

    –       Würdigung durch den Gerichtshof

    51      Zunächst ist darauf hinzuweisen – wie es das Gericht in Randnr. 53 des angefochtenen Urteils getan hat –, dass das Vorliegen einer Ähnlichkeit zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke eine Anwendungsvoraussetzung bildet, die Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 gemeinsam ist.

    52      Diese Voraussetzung einer Ähnlichkeit zwischen der Marke und dem Zeichen bedingt sowohl im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 als auch von Art. 8 Abs. 5 dieser Verordnung Gemeinsamkeiten u. a. im Bild, im Klang oder in der Bedeutung (vgl. in diesem Sinne Urteil Adidas-Salomon und Adidas Benelux, Randnr. 28).

    53      Der Ähnlichkeitsgrad, der im Rahmen der einen oder anderen dieser Bestimmungen verlangt wird, ist sicherlich unterschiedlich. Während nämlich der durch Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 eingeführte Schutz voraussetzt, dass zwischen den einander gegenüberstehenden Marken ein Grad der Ähnlichkeit festgestellt wird, der so hoch ist, dass für die beteiligten Verkehrskreise eine Verwechslungsgefahr zwischen ihnen besteht, ist das Vorliegen einer solchen Gefahr für den durch Art. 8 Abs. 5 der Verordnung gewährten Schutz nicht erforderlich. So können die in Art. 8 Abs. 5 genannten Beeinträchtigungen die Folge eines geringeren Grades der Ähnlichkeit zwischen der älteren und der jüngeren Marke sein, soweit dieser ausreicht, damit die beteiligten Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen diesen Marken sehen, d. h., die beiden gedanklich miteinander verknüpfen (vgl. in diesem Sinne Urteile Adidas-Salomon und Adidas Benelux, Randnrn. 27, 29 und 31, sowie Intel Corporation, Randnrn. 57, 58 und 66).

    54      Hingegen ergibt sich weder aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen noch aus der Rechtsprechung, dass die Ähnlichkeit zwischen den einander gegenüberstehenden Marken auf unterschiedliche Art zu beurteilen wäre, je nachdem, ob sie im Hinblick auf die eine oder die andere dieser Bestimmungen vorgenommen wird.

    55      Zu dem auf das Urteil Intel Corporation gestützten Vorbringen von Ferrero ist festzustellen, dass es auf einem Fehlverständnis dieses Urteils beruht.

    56      Der Gerichtshof hat in diesem Urteil seine Rechtsprechung bestätigt, wonach das Vorliegen einer gedanklichen Verknüpfung zwischen den einander gegenüberstehenden Marken, ebenso wie das Vorliegen von Verwechslungsgefahr, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen ist, zu denen nicht nur der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, sondern auch der Grad der Unterscheidungskraft und das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke gehören (vgl. Urteil Intel Corporation, Randnrn. 41 und 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    57      In Bezug auf diesen letzten Umstand hat der Gerichtshof festgestellt, dass es bei der Beurteilung einer gedanklichen Verknüpfung zwischen den einander gegenüberstehenden Marken notwendig sein kann, das Ausmaß der Bekanntheit der älteren Marke zu berücksichtigen, um zu ermitteln, ob sich diese Bekanntheit über die von dieser Marke angesprochenen Verkehrskreise hinaus erstreckt. Denn es ist möglich, dass die von den Waren oder Dienstleistungen, für die die jüngere Marke eingetragen ist, angesprochenen Verkehrskreise einen Zusammenhang zwischen den einander gegenüberstehenden Marken herstellen, obwohl sie ein ganz anderes Publikum sind als die von den Waren oder Dienstleistungen, für die die ältere Marke eingetragen ist, angesprochenen Verkehrskreise (vgl. Urteil Intel Corporation, Randnrn. 52 und 53).

    58      Folglich ergibt sich aus dem Urteil Intel Corporation – entgegen dem Vorbringen von Ferrero – klar die Feststellung des Gerichtshofs, dass die Bekanntheit und die Unterscheidungskraft der älteren Marke maßgebliche Faktoren für die Beurteilung nicht der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken, sondern des Vorliegens einer gedanklichen Verknüpfung dieser Marken durch die beteiligten Verkehrskreise sind.

    59      Der erste Teil des Rechtsmittelgrundes ist daher als unbegründet zurückzuweisen.

     Zum zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes

    –       Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    60      Mit dem zweiten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes trägt Ferrero vor, das Gericht habe in den Randnrn. 55 bis 59 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen, indem es die Verwechslungsgefahr im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken beurteilt habe und es abgelehnt habe, die anderen anwendbaren Faktoren, die eine mögliche schwache Ähnlichkeit der Zeichen ausgleichen könnten, und insbesondere die Bekanntheit der älteren Marke auf dem betreffenden Markt zu prüfen.

    61      Außerdem sei die Feststellung des Gerichts in Randnr. 62 des angefochtenen Urteils, wonach „das … Fehlen einer Ähnlichkeit zwischen den Zeichen so ausgeprägt ist, dass die Bekanntheit der Marke KINDER unabhängig davon, ob sie unstreitig ist oder nicht, diese fehlende Ähnlichkeit nicht in Frage zu stellen vermag“, fehlerhaft, da die Bekanntheit einer Marke eine unmittelbare Auswirkung auf das Ausmaß ihres Schutzes in Bezug auf die Ähnlichkeit habe. Eine Marke, die sehr bekannt sei, habe zwangsläufig auch sehr große Unterscheidungskraft erworben. Folglich müssten wesentliche Unterschiede vorliegen, um eine jüngere Marke von einer bekannten älteren Marke zu unterscheiden. Es stelle einen Rechtsfehler dar, einen Vergleich zwischen zwei Marken vorzunehmen, ohne ihre jeweilige Bekanntheit zu berücksichtigen.

    62      Weiter trägt Ferrero vor, falls Randnr. 62 des angefochtenen Urteils in dem Sinne verstanden werden müsse, dass sowohl Art. 8 Abs. 1 Buchst. b als auch Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 das Vorliegen eines Mindestgrads an Ähnlichkeit voraussetzten und dass, falls dieser Mindestgrad nicht erreicht werde, er nicht durch eine überwältigende Bekanntheit ausgeglichen werden könne, diese Schlussfolgerung auch deshalb verworfen werden müsse, weil sie in Art. 8 keine rechtliche Grundlage finde. Die im Hinblick auf diese beiden Bestimmungen von einander abhängende Natur der Ähnlichkeit und der Bekanntheit setze im Gegenteil voraus, dass selbst ein Mindestgrad der Ähnlichkeit durch die Bekanntheit ausgeglichen werden könne und somit eine gedankliche Verknüpfung im Sinne von Art. 8 Abs. 5 oder sogar eine Verwechslungsgefahr im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b hervorrufe.

    63      Nach Ansicht des HABM ist dieser zweite Teil des Rechtsmittelgrundes offensichtlich unbegründet. Nach der Rechtsprechung könne die mögliche Bekanntheit von älteren Marken nämlich nicht zur Anwendung dieser Bestimmungen führen, wenn die fraglichen Zeichen verschieden seien, da eine der Voraussetzungen dieser Bestimmungen nicht erfüllt sei. Das gelte sowohl für Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94, wonach die Ähnlichkeit der Zeichen und der Waren eine unverzichtbare Voraussetzung für die Anwendung der Bestimmung sei, als auch für Art. 8 Abs. 5 der Verordnung, wonach die Ähnlichkeit von Zeichen eine der eigenständigen und kumulativen Voraussetzungen sei, die erfüllt sein müssten.

    –       Würdigung durch den Gerichtshof

    64      Wie in Randnr. 56 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist das Vorliegen einer gedanklichen Verknüpfung zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke im Sinne von Art. 8 Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 ebenso wie das Vorliegen von Verwechslungsgefahr nach Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falles umfassend zu beurteilen, unter denen insbesondere der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken und der mit den Marken versehenen Waren sowie das Ausmaß der Bekanntheit und der Grad der der älteren Marke innewohnenden oder von ihr durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft genannt werden können.

    65      Diese umfassende Beurteilung impliziert zwar eine gewisse Wechselbeziehung zwischen den berücksichtigten Faktoren, so dass ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch eine große Unterscheidungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Mai 2009, Waterford Wedgwood/Assembled Investments [Proprietary] und HABM, C‑398/07 P, Randnr. 33), jedoch reichen die Bekanntheit oder die Wertschätzung der älteren Marke sowie die Identität oder die Ähnlichkeit der betroffenen Waren oder Dienstleistungen bei Fehlen irgendeiner Ähnlichkeit zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke nicht aus, um eine Verwechslungsgefahr zwischen den einander gegenüberstehenden Marken und das Vorliegen einer gedanklichen Verknüpfung dieser Marken durch die beteiligten Verkehrskreise anzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. September 2010, Calvin Klein Trademark Trust/HABM, C‑254/09 P, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    66      Wie nämlich aus Randnr. 51 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist die Identität oder Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94. Folglich sind diese Bestimmungen offensichtlich unanwendbar, wenn das Gericht jede Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Marken verneint (vgl. in diesem Sinne Urteil Calvin Klein Trademark Trust/HABM, Randnr. 68). Allein in dem Fall, dass die einander gegenüberstehenden Marken eine bestimmte, wenn auch geringe, Ähnlichkeit aufweisen, hat das Gericht eine umfassende Beurteilung vorzunehmen, um zu bestimmen, ob trotz des geringen Ähnlichkeitsgrads der einander gegenüberstehenden Marken aufgrund des Vorliegens anderer maßgeblicher Faktoren wie der Bekanntheit oder der Wertschätzung der älteren Marke Verwechslungsgefahr oder eine gedankliche Verknüpfung dieser Marken durch die beteiligten Verkehrskreise vorliegt.

    67      In den Randnrn. 55 bis 59 des angefochtenen Urteils hat das Gericht jedoch erwogen, dass eine Reihe von visuellen und klanglichen Merkmalen der fraglichen Zeichen ausschließe, dass diese als ähnlich wahrgenommen würden.

    68      Unter diesen Umständen ist das Gericht in den Randnrn. 61 und 62 des angefochtenen Urteils zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Bekanntheit der älteren Marke und die Ähnlichkeit der von den streitigen Marken erfassten Waren zwar für die Beurteilung einer Verwechslungsgefahr berücksichtigt werden können, aber ohne Einfluss auf die Beurteilung der zwischen den fraglichen Zeichen bestehenden Ähnlichkeit sind, so dass sie die festgestellte fehlende Ähnlichkeit nicht in Frage zu stellen vermögen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Dezember 2008, Gateway/HABM, C‑57/08 P, Randnrn. 55 bis 57).

    69      Demnach ist der zweite Teil des Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen.

    Zum dritten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes

    –       Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    70      Mit dem dritten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes rügt Ferrero, das Gericht habe in den Randnrn. 56 bis 58 des angefochtenen Urteils einen Rechtsfehler begangen oder den ihm vorgetragenen Sachverhalt verfälscht, indem es bei der Prüfung der Ähnlichkeit der fraglichen Zeichen fehlerhafte, unbegründete und unangemessene Beweisregeln angewandt habe.

    71      Diese Regeln bestünden darin, dass, erstens, jedes Element seine eigenständige, spezifische Existenz verliere, wenn Elemente eine Einheit bildeten. Zweitens bilde, wenn ein Bildzeichen aus der Darstellung zweier Elemente bestehe und eines über dem anderen angeordnet sei, das oberste Element den Mittelpunkt des Zeichens, da die zentrale Platzierung eine kleinere Schrift und die weniger gute Lesbarkeit aufgrund des Hintergrundes, auf dem das Element zentral platziert worden sei, ausgleichen könne. Wenn, drittens, ein Zeichen aus zwei Elementen bestehe, sei das erste dieser Elemente der zentrale Punkt des Zeichens. Viertens sei das zentrale Element ein zu vernachlässigender Bestandteil, wenn ein Zeichen aus drei Elementen bestehe.

    72      Das HABM macht geltend, der dritte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes sei offensichtlich unzulässig, da er keine Rechtsfrage aufwerfe und sich darauf beschränke, unter Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union die Tatsachenwürdigungen des Gerichts in Frage zu stellen.

    –       Würdigung durch den Gerichtshof

    73      Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV und Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs das Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt ist. Allein das Gericht ist daher für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen und die Beweiswürdigung zuständig. Die Würdigung dieser Tatsachen und Beweismittel ist somit, vorbehaltlich ihrer Verfälschung, keine Rechtsfrage, die als solche der Kontrolle des Gerichtshofs im Rahmen eines Rechtsmittels unterläge (vgl. u. a. Urteile Calvin Klein Trademark Trust/HABM, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 13. Januar 2011, Media-Saturn-Holding/HABM, C‑92/10 P, Slg. 2011, I‑0000, Randnr. 27).

    74      Hingegen können die im ersten Rechtszug geprüften Rechtsfragen im Rechtsmittelverfahren erneut aufgeworfen werden, wenn ein Rechtsmittelführer die Auslegung oder Anwendung des Unionsrechts durch das Gericht beanstandet (vgl. u. a. Urteil vom 17. Juli 2008, L & D/HABM, C‑488/06 P, Slg. 2008, I‑5725, Randnr. 43).

    75      Mit dem dritten Teil ihres einzigen Rechtsmittelgrundes wirft Ferrero dem Gericht jedoch vor, für die Beurteilung der Ähnlichkeit implizite Beweisregeln eingeführt zu haben, die in der Verordnung Nr. 40/94 nicht vorgesehen seien. Damit möchte sie gerade die Feststellung erreichen, dass das Gericht im angefochtenen Urteil Rechtsfehler begangen hat.

    76      Demnach ist dieser Teil für zulässig zu erklären.

    77      Jedoch geht dieser Teil des Rechtsmittelgrundes in tatsächlicher Hinsicht fehl. Denn das Gericht hat für die in Randnr. 59 des angefochtenen Urteils getroffene Schlussfolgerung, der Beschwerdekammer sei mit der Feststellung, dass die fraglichen Zeichen nicht ähnlich seien, kein Fehler unterlaufen, eine konkrete Beurteilung der visuellen und klanglichen Merkmale dieser Zeichen vorgenommen, dabei aber – anders als von Ferrero vorgetragen – keine Beweisregeln eingeführt, die eine allgemeine Tragweite haben.

    78      Soweit Ferrero darüber hinaus eine Verfälschung der dem Gericht zur Beurteilung vorgetragenen Tatsachen behauptet, ist darauf hinzuweisen, dass ein Rechtsmittelführer nach den Art. 256 Abs. 1 Unterabs. 2 AEUV, 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs und 112 § 1 Abs. 1 Buchst. c der Verfahrensordnung des Gerichtshofs genau angeben muss, welche Tatsachen das Gericht verfälscht haben soll, und die Beurteilungsfehler darlegen muss, die das Gericht seines Erachtens zu dieser Verfälschung veranlasst haben (vgl. u. a. Urteil vom 7. Januar 2004, Aalborg Portland u. a./Kommission, C‑204/00 P, C‑205/00 P, C‑211/00 P, C‑213/00 P, C‑217/00 P und C‑219/00 P, Slg. 2004, I‑123, Randnr. 50).

    79      Indessen ist festzustellen, dass Ferrero nichts zur Untermauerung dieser Behauptung vorträgt.

    80      Der dritte Teil des Rechtsmittelgrundes ist somit als unbegründet zurückzuweisen.

     Zum vierten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes

    –       Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    81      Mit dem vierten Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes trägt Ferrero vor, nach der Rechtsprechung könne die Ähnlichkeit im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 visuell, klanglich oder begrifflich sein, und diese Aspekte der Ähnlichkeit seien umfassend zu prüfen. In den Randnrn. 56 bis 58 des angefochtenen Urteils habe das Gericht jedoch hauptsächlich eine Beurteilung in visueller und in gewissem Maße in klanglicher Hinsicht vorgenommen, wobei der Schwerpunkt in großem Maße auf Fragen der grafischen Darstellung, wie die Position und die Schriftgröße der drei von der angegriffenen Marke umfassten Elemente sowie deren Hintergrund, gelegt worden sei.

    82      Dabei habe das Gericht nicht berücksichtigt, dass die älteren Marken, insbesondere die spanischen, die französischen und italienischen Marken mit dem Element „KINDER“, Wortmarken seien, deren Schutzumfang nicht durch Fragen der grafischen Darstellung, wie der Position der Bestandteile, der Schriftgröße oder des Hintergrundes, auf dem diese Elemente dargestellt würden, beeinflusst werde.

    83      Das HABM macht geltend, der vierte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes sei offensichtlich unzulässig, da er keine Rechtsfrage aufwerfe und sich darauf beschränke, die Tatsachenwürdigungen des Gerichts in Frage zu stellen.

    –       Würdigung durch den Gerichtshof

    84      Zunächst ist das Vorbringen des HABM zur Unzulässigkeit des vierten Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes zu verwerfen. Denn entgegen seinem Vorbringen betrifft dieser Teil eine Rechtsfrage, indem die Verkennung der Tragweite von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 5 der Verordnung Nr. 40/94 gerügt wird, da im Rahmen der Beurteilung der Ähnlichkeit der fraglichen Zeichen der Umstand hätte berücksichtigt werden müssen, dass die ältere Marke eine Wortmarke ist.

    85      In der Sache ist daran zu erinnern, dass für die Beurteilung, wie weit die Ähnlichkeit zwischen den betreffenden Marken geht, der Grad ihrer Ähnlichkeit in Bild, Klang und Bedeutung zu bestimmen ist sowie gegebenenfalls unter Berücksichtigung der Art der betreffenden Waren oder Dienstleistungen und der Bedingungen, unter denen sie vertrieben werden, zu bewerten ist, welche Bedeutung diesen einzelnen Elementen beizumessen ist (Urteil vom 12. Juni 2007, HABM/Shaker, C‑334/05 P, Slg. 2007, I‑4529, Randnr. 36).

    86      Außerdem sind die Ähnlichkeiten der Zeichen in Bild, Klang und Bedeutung umfassend zu beurteilen, wobei die Würdigung einer etwaigen klanglichen Ähnlichkeit nur einer der relevanten Umstände ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2006, Mülhens/HABM, C‑206/04 P, Slg. 2006, I‑2717, Randnr. 21).

    87      Das Gericht hat daher in den Randnrn. 56 bis 58 des angefochtenen Urteils zu Recht den durch die beiden fraglichen Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck hinsichtlich ihrer etwaigen Ähnlichkeiten in Bild und Klang geprüft.

    88      Der vierte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes ist folglich als unbegründet zurückzuweisen.

    89      Im Übrigen ist dieser Teil des Rechtsmittelgrundes, soweit er auf eine neue Tatsachenwürdigung abzielt, nach der in Randnr. 73 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung unzulässig, da Ferrero keine Verfälschung der dem Gericht unterbreiteten Tatsachen oder Beweise gerügt hat.

     Zum fünften Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes

    –       Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

    90      Mit dem fünften Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes macht Ferrero geltend, das Gericht habe im vorliegenden Fall das Vorliegen einer Markenfamilie rechtsfehlerhaft nicht angemessen berücksichtigt, weil es im Rahmen der Beurteilung der Ähnlichkeit nicht maßgeblich sei.

    91      Dadurch habe das Gericht die Rechtsprechung fehlerhaft ausgelegt, da es gerade an der Ähnlichkeit zwischen der angegriffenen Marke und der Markenfamilie oder genauer an dem ihnen gemeinsamen Element liege, falls das Vorliegen einer Markenfamilie im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 die Verwechslungsgefahr erhöhe, indem es den Verbraucher zu der Annahme führe, dass die angegriffene Marke Teil dieser Familie sei (Urteil vom 13. September 2007, Il Ponte Finanziaria/HABM, C‑234/06 P, Slg. 2007, I‑7333, Randnr. 63).

    92      Außerdem erhöhe das bloße Vorliegen einer Markenfamilie die Gefahr, dass die Marke eines Dritten, die das gemeinsame Element der Markenfamilie enthalte, vom angesprochenen Verbraucher automatisch als diesem gemeinsamen Element ähnlich wahrgenommen werde.

    93      Diese Regel gelte voll und ganz in der Situation, in der die angegriffene Marke das Element „KINDER“ enthalte, das sehr bekannt sei, da diese Marke mit einer Familie von 36 Marken verglichen werde, die alle das gleiche Element – einzeln oder mit anderen kombiniert – enthielten.

    94      Das HABM macht geltend, der fünfte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes sei zugleich unzulässig und offensichtlich unbegründet. Zum einen setze die Infragestellung der Feststellung des Gerichts, dass Ferrero sich nicht auf das Vorliegen einer „Familie“ von ähnlichen Marken berufen könne, eine neue Tatsachenwürdigung voraus, die im Rahmen eines Rechtsmittels nicht vorgenommen werden könne. Zum anderen sei das etwaige Vorliegen einer Markenfamilie nur im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 maßgeblich, da sie eine besondere Form der mittelbaren Verwechslung verursachen könne, indem das Publikum veranlasst werde, zu glauben, dass die jüngere Marke eine zusätzliche Marke sei, die den Marken dieser Familie hinzugefügt worden sei. Hingegen sei dieses Argument in Bezug auf Art. 8 Abs. 5 der Verordnung rechtlich nicht begründet, da die Verwechslung als solche nicht maßgeblich sei. Ebenso genüge das Fehlen einer Ähnlichkeit zwischen den Serienmarken und dem angegriffenen Zeichen, um die Möglichkeit einer Verwechslungsgefahr und eines ungerechtfertigten Nachteils oder Vorteils mit Gewissheit auszuschließen.

    –       Würdigung durch den Gerichtshof

    95      Zunächst ist das Vorbringen des HABM zur Unzulässigkeit des fünften Teils des einzigen Rechtsmittelgrundes zurückzuweisen. Denn aus dem Vorbringen von Ferrero ergibt sich, dass sie rügt, das Gericht habe mit seiner Annahme, das Vorliegen einer Markenfamilie sei im Rahmen der Beurteilung der Ähnlichkeit nicht maßgeblich, die Tragweite von Art. 8 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 40/94 verkannt.

    96      Ein solches Vorbringen betrifft demnach eine Rechtsfrage und ist folglich für zulässig zu erklären.

    97      Zur Begründetheit ist darauf hinzuweisen, dass das Vorliegen einer „Markenfamilie“ oder von „Serienmarken“ ein Gesichtspunkt ist, der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr zu berücksichtigen ist. In diesem Fall ergibt sich die Verwechslungsgefahr nämlich daraus, dass der Verbraucher sich hinsichtlich der Herkunft oder des Ursprungs der von der Anmeldemarke erfassten Waren oder Dienstleistungen irren kann und zu Unrecht annimmt, dass die Anmeldemarke zu dieser Familie oder Serie von Marken gehört (Urteil Il Ponte Finanziaria/HABM, Randnr. 63).

    98      Wie jedoch aus Randnr. 52 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist dieser Gesichtspunkt im Rahmen der Beurteilung der Ähnlichkeit zwischen der älteren Marke und der angegriffenen Marke nicht maßgeblich.

    99      Demnach hat das Gericht, wie sich aus Randnr. 66 des vorliegenden Urteils ergibt, bloß in dem Fall, dass die einander gegenüberstehenden Marken eine bestimmte Ähnlichkeit aufweisen, im Rahmen einer umfassenden Beurteilung der Verwechslungsgefahr oder der gedanklichen Verknüpfung dieser Marken das Vorliegen einer „Markenfamilie“ oder von „Serienmarken“ zu berücksichtigen.

    100    Da das Gericht aber in den Randnrn. 55 bis 59 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, dass eine Reihe von visuellen und klanglichen Merkmalen der fraglichen Zeichen ausschließe, dass diese als ähnlich wahrgenommen würden, konnte es in den Randnrn. 63 bis 66 dieses Urteils, ohne einen Rechtsfehler zu begehen, erwägen, dass diese Feststellung durch das Vorliegen einer „Markenfamilie“ oder von „Serienmarken“ nicht in Frage gestellt wird.

    101    Folglich ist der fünfte Teil des einzigen Rechtsmittelgrundes als unbegründet zurückzuweisen und damit dieser Rechtsmittelgrund insgesamt zurückzuweisen.

    102    Nach alledem ist das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen.

     Kosten

    103    Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der gemäß Art. 118 der Verfahrensordnung auf das Rechtsmittelverfahren entsprechende Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das HABM die Verurteilung der Rechtsmittelführerin beantragt hat und diese mit ihrem Rechtsmittelgrund unterlegen ist, sind ihr die Kosten aufzuerlegen.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

    1.      Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

    2.      Die Ferrero SpA trägt die Kosten.

    Unterschriften


    * Verfahrenssprache: Englisch.

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