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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62008CJ0406

    Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 28. Januar 2010.
    Uniplex (UK) Ltd gegen NHS Business Services Authority.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court of Justice (England & Wales), Queen's Bench Division - Vereinigtes Königreich.
    Richtlinie 89/665/EWG - Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge - Frist für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens - Zeitpunkt des Fristbeginns.
    Rechtssache C-406/08.

    Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-00817

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2010:45

    Rechtssache C-406/08

    Uniplex (UK) Ltd

    gegen

    NHS Business Services Authority

    (Vorabentscheidungsersuchen des High Court of Justice [England & Wales], Queen’s Bench Division)

    „Richtlinie 89/665/EWG – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge – Frist für den Nachprüfungsantrag – Zeitpunkt des Fristbeginns“

    Leitsätze des Urteils

    1.        Rechtsangleichung – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge – Richtlinie 89/665 – Rechtsbehelfsfristen

    (Richtlinie 89/665 des Rates, Art. 1 Abs. 1)

    2.        Rechtsangleichung – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge – Richtlinie 89/665 – Rechtsbehelfsfristen

    (Richtlinie 89/665 des Rates, Art. 1 Abs.1)

    3.        Rechtsangleichung – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge – Richtlinie 89/665 – Rechtsbehelfsfristen

    (Richtlinie 89/665 des Rates, Art. 1 Abs.1)

    1.        Nach den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung ist für den Beginn der Frist für die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder zur Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Antragsteller von dem Verstoß Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    Das in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 gesetzte Ziel, das Bestehen wirksamer Nachprüfungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge sicherzustellen, kann nämlich nur dann erreicht werden, wenn die Fristen, die für die Einleitung der Nachprüfung vorgeschrieben sind, erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der Antragsteller von dem geltend gemachten Verstoß gegen die genannten Vorschriften Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    Der Umstand, dass ein Bewerber oder Bieter erfährt, dass seine Bewerbung oder sein Angebot zurückgewiesen worden ist, versetzt ihn aber nicht in die Lage, wirksam mit einem Nachprüfungsantrag dagegen vorzugehen. Ein betroffener Bewerber oder Bieter kann sich erst dann darüber klar werden, ob etwa ein Verstoß gegen die anwendbaren Vorschriften vorliegt und die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens angebracht ist, nachdem er von den Gründen in Kenntnis gesetzt worden ist, aus denen seine Bewerbung oder sein Angebot in dem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags abgelehnt wurde.

    (vgl. Randnrn. 30-32, 35 und Tenor)

    2.        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung steht einer nationalen Bestimmung entgegen, auf deren Grundlage ein nationales Gericht einen Nachprüfungsantrag, der auf die Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder auf die Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften gerichtet ist, in Anwendung des nach Ermessen beurteilten Kriteriums der Unverzüglichkeit der Verfahrenseinleitung wegen Fristversäumnis zurückweisen kann.

    Insoweit enthält eine nationale Bestimmung, nach der die Einleitung eines Verfahrens nur zulässig ist, wenn „das Verfahren unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten … eingeleitet wird“, eine Unsicherheit. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass die nationalen Gerichte auf der Grundlage einer solchen Bestimmung einen Nachprüfungsantrag bereits vor Ablauf der Dreimonatsfrist wegen Fristversäumnis zurückweisen können, wenn sie der Ansicht sind, dass der Antrag nicht „unverzüglich“ im Sinne dieser Bestimmung gestellt worden sei. Eine Ausschlussfrist, deren Länge in das freie Ermessen des zuständigen Richters gestellt ist, ist in ihrer Dauer nicht vorhersehbar. Somit stellt eine nationale Bestimmung, die eine solche Frist vorsieht, nicht die wirksame Umsetzung der Richtlinie 89/665 sicher.

    (vgl. Randnrn. 41-43 und Tenor)

    3.        Damit den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung genügt ist, muss ein mit einem Nachprüfungsantrag im Sinne dieser Bestimmung befasstes nationales Gericht die innerstaatlichen Bestimmungen über die Frist für die Verfahrenseinleitung so weit wie möglich so auslegen, dass sichergestellt ist, dass diese Frist erst ab dem Zeitpunkt läuft, zu dem der Antragsteller von dem Verstoß gegen die Vorschriften, die auf die Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags anwendbar sind, Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    Sind die innerstaatlichen Bestimmungen einer solchen Auslegung nicht zugänglich, ist das nationale Gericht gehalten, gegebenenfalls unter Gebrauch seines Ermessens die Frist für die Verfahrenseinleitung so zu verlängern, dass für den Antragsteller eine Frist sichergestellt ist, die derjenigen entspricht, über die er verfügt hätte, wenn die von der anwendbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehene Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen hätte, zu dem er von dem Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    Können die innerstaatlichen Bestimmungen über die Fristen für die Verfahrenseinleitung nicht im Einklang mit der Richtlinie 89/665 ausgelegt werden, muss das nationale Gericht sie jedenfalls unangewendet lassen, damit das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang Anwendung findet und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, geschützt werden.

    (vgl. Randnrn. 47-50 und Tenor)








    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

    28. Januar 2010(*)

    „Richtlinie 89/665/EWG – Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge – Frist für den Nachprüfungsantrag – Zeitpunkt des Fristbeginns“

    In der Rechtssache C‑406/08

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division (Vereinigtes Königreich), mit Entscheidung vom 30. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 18. September 2008, in dem Verfahren

    Uniplex (UK) Ltd

    gegen

    NHS Business Services Authority

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,

    Generalanwältin: J. Kokott,

    Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. September 2009,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    –        der Uniplex (UK) Ltd, vertreten durch M. Sheridan, Barrister, und A. Stanic, Solicitor,

    –        der NHS Business Services Authority, vertreten durch R. Williams, Barrister,

    –        der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch I. Rao als Bevollmächtigte im Beistand von K. Smith, Barrister,

    –        der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und J. Möller als Bevollmächtigte,

    –        von Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von A. Collins, SC,

    –        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. White und M. Konstantinidis als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 29. Oktober 2009

    folgendes

    Urteil

    1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge (ABl. L 395, S. 33) in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 (ABl. L 209, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 89/665) hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem die Frist für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge zu laufen beginnt.

    2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Uniplex (UK) Ltd (im Folgenden: Uniplex) und der NHS Business Services Authority (im Folgenden: NHS) betreffend den Abschluss einer Rahmenvereinbarung.

     Rechtlicher Rahmen

     Gemeinschaftsrecht

    3        Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 lautet:

    „(1)      Die Mitgliedstaaten ergreifen die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass hinsichtlich der in den Anwendungsbereich der Richtlinien 71/305/EWG [des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge (ABl. L 185, S. 5)], 77/62/EWG [des Rates vom 21. Dezember 1976 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. 1977, L 13, S. 1)] und 92/50/EWG fallenden Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und vor allem möglichst rasch nach Maßgabe der nachstehenden Artikel, insbesondere von Artikel 2 Absatz 7, auf Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die einzelstaatlichen Vorschriften, die dieses Recht umsetzen, nachgeprüft werden können.“

    4        Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 bestimmt:

    „(1)      Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass für die in Artikel 1 genannten Nachprüfungsverfahren die erforderlichen Befugnisse vorgesehen werden,

    a)      damit so schnell wie möglich im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufige Maßnahmen ergriffen werden können, um den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen oder weitere Schädigungen der betroffenen Interessen zu verhindern; dazu gehören Maßnahmen, um das Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags auszusetzen oder die Aussetzung zu veranlassen oder Maßnahmen der Durchführung jeder sonstigen Entscheidung der öffentlichen Auftraggeber;

    b)      damit die Aufhebung rechtswidriger Entscheidungen, einschließlich der Streichung diskriminierender technischer, wirtschaftlicher oder finanzieller Spezifikationen in den Ausschreibungsdokumenten, den Verdingungsunterlagen oder in jedem sonstigen sich auf das betreffende Vergabeverfahren beziehenden Dokument vorgenommen oder veranlasst werden kann;

    c)      damit denjenigen, die durch den Rechtsverstoß geschädigt worden sind, Schadensersatz zuerkannt werden kann.“

    5        Art.  41 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) sieht vor:

    „(1)      Der öffentliche Auftraggeber teilt den Bewerbern und Bietern schnellstmöglich, auf Antrag auch schriftlich, seine Entscheidungen über den Abschluss einer Rahmenvereinbarung, die Zuschlagserteilung oder die Zulassung zur Teilnahme an einem dynamischen Beschaffungssystem mit, einschließlich der Gründe, aus denen beschlossen wurde, auf den Abschluss einer Rahmenvereinbarung oder die Vergabe eines Auftrags, für den eine Ausschreibung stattgefunden hat, zu verzichten und das Verfahren erneut einzuleiten bzw. kein dynamisches Beschaffungssystem einzurichten.

    (2)      Auf Verlangen der betroffenen Partei unterrichtet der öffentliche Auftraggeber unverzüglich

    –        jeden nicht erfolgreichen Bewerber über die Gründe für die Ablehnung seiner Bewerbung,

    –        jeden nicht berücksichtigten Bieter über die Gründe für die Ablehnung seines Angebots; dazu gehört in den Fällen des Artikels 23 Absätze 4 und 5 eine Unterrichtung über die Gründe für seine Entscheidung, dass keine Gleichwertigkeit vorliegt oder dass die Bauarbeiten, Lieferungen oder Dienstleistungen nicht den Leistungs- oder Funktionsanforderungen entsprechen,

    –        jeden Bieter, der ein ordnungsgemäßes Angebot eingereicht hat, über die Merkmale und Vorteile des ausgewählten Angebots sowie über den Namen des Zuschlagsempfängers oder der Parteien der Rahmenvereinbarung.

    Der Beantwortungszeitraum darf eine Frist von 15 Tagen ab Eingang der schriftlichen Anfrage auf keinen Fall überschreiten.“

     Nationales Recht

    6        Regulation 47(7)(b) der zur Umsetzung der Richtlinie 89/665 in innerstaatliches Recht erlassenen Verordnung über die öffentlichen Aufträge von 2006 (Public Contracts Regulations 2006; im Folgenden: PCR 2006) bestimmt:

    „Die Einleitung eines Verfahrens nach diesem Artikel ist nur zulässig, wenn

    b)      das Verfahren unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach dem ersten Eintreten eines Grundes für die Einleitung des Verfahrens eingeleitet wird, es sei denn, der [High] Court hält eine Verlängerung der Frist für die Einleitung des Verfahrens für gerechtfertigt.“

     Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

    7        Uniplex, eine Gesellschaft mit Sitz im Vereinigten Königreich, ist dort Alleinvertriebshändlerin von Hämostatika, die von der Gelita Medical BV, einer Gesellschaft mit Sitz in den Niederlanden, hergestellt werden.

    8        NHS gehört zum National Health Service, dem öffentlichen Gesundheitsdienst im Vereinigten Königreich, der den Staat zum Träger und Betreiber hat. Sie ist öffentlicher Auftraggeber im Sinne der Richtlinie 2004/18.

    9        Am 26. März 2007 schrieb NHS den Abschluss einer Rahmenvereinbarung über die Lieferung von Hämostatika im nicht offenen Vergabeverfahren aus. Eine Vergabebekanntmachung wurde am 28. März 2007 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

    10      Am 13. Juni 2007 sandte NHS eine Aufforderung zur Angebotsabgabe an fünf der Lieferanten, die sich an dieser Rahmenvereinbarung interessiert gezeigt hatten, darunter auch Uniplex. Die Angebote mussten bis zum 19. Juli 2007 abgegeben werden.

    11      In den an die Bieter gesandten Ausschreibungsunterlagen waren die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung wie folgt aufgeführt: Preis und andere Rentabilitätsfaktoren, 30 %, Qualität und klinische Eignung, 30 %, Produktunterstützung und Schulung, 20 %, Lieferstandards und ‑fähigkeit, 10 %, Produktsortiment und ‑entwicklung, 5 %, Umweltverträglichkeit und Nachhaltigkeit, 5 %.

    12      Uniplex gab ihr Angebot am 18. Juli 2007 ab.

    13      Am 22. November 2007 sandte NHS ein Schreiben an Uniplex, in dem sie ihre Entscheidung mitteilte, eine Rahmenvereinbarung mit drei Bietern zu schließen. Uniplex wurde davon unterrichtet, dass mit ihr keine Rahmenvereinbarung geschlossen werde, da sie von den fünf Bietern, die zur Abgabe von Angeboten aufgefordert worden seien und solche abgegeben hätten, die geringste Punktzahl erreicht habe. In dem Schreiben wurde an die Zuschlagskriterien und ihre Gewichtung erinnert, und es wurden die Namen der erfolgreichen Bieter, die Spanne der Bewertungsergebnisse für die berücksichtigten Angebote sowie das Bewertungsergebnis für das Angebot von Uniplex mitgeteilt.

    14      Danach erstreckte sich die Spanne der Bewertungsergebnisse für die berücksichtigten Angebote von 905,5 bis 971,5, während das Bewertungsergebnis von Uniplex bei 568 lag.

    15      Mit dem Schreiben vom 22. November 2007 wurde Uniplex auch über ihr Recht, die Entscheidung über den Abschluss der fraglichen Rahmenvereinbarung anzufechten, über die obligatorische Stillhaltefrist von 10 Tagen zwischen der Bekanntmachung dieser Entscheidung und dem Abschluss der Vereinbarung sowie über ihren Anspruch auf weitere Auskunft belehrt.

    16      Mit E-Mail vom 23. November 2007 bat Uniplex um weitere Auskunft.

    17      Mit Schreiben vom 13. Dezember 2007 machte NHS nähere Angaben dazu, wie sie die Zuschlagskriterien im Hinblick auf die Merkmale und relativen Vorzüge der berücksichtigten Angebote im Vergleich zum Angebot von Uniplex bewertet habe.

    18      In dem Schreiben hieß es u. a., dass zum einen Uniplex beim Kriterium Preis und andere Rentabilitätsfaktoren ein Ergebnis von Null erzielt habe, weil sie ihre Katalogpreise vorgelegt habe. Alle anderen Bieter hätten niedrigere Preise als ihre Katalogpreise angeboten. Zum anderen hätten beim Kriterium Lieferstandards und ‑fähigkeit alle noch nicht auf dem Markt für Hämostatika im Vereinigten Königreich tätigen Bieter für das Unterkriterium betreffend einen Kundenstamm im Vereinigten Königreich die Bewertung Null erhalten.

    19      Am 28. Januar 2008 sandte Uniplex ein Mahnschreiben an NHS, mit dem sie mehrere Verstöße gegen die PCR 2006 geltend machte. Darin vertrat sie die Ansicht, die Frist für die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens habe erst am 13. Dezember 2007 zu laufen begonnen. Sie forderte NHS zur Stellungnahme bis zum 13. Februar 2008 auf, fügte aber hinzu, dass diese, falls sie von einem anderen Fristbeginn ausgehe, bis spätestens zum 6. Februar 2008 antworten müsse.

    20      Mit Schreiben vom 11. Februar 2008 teilte NHS Uniplex mit, dass sich die Sachlage geändert habe. Es sei festgestellt worden, dass das Angebot der Assut (UK) Ltd den Voraussetzungen nicht entsprochen habe, und die B. Braun UK Ltd, die bei der Bewertung der Angebote den vierten Platz erreicht habe, sei anstelle der Assut (UK) Ltd in die Rahmenvereinbarung einbezogen worden.

    21      Auf das Mahnschreiben von Uniplex antwortete NHS mit Schreiben vom 13. Februar 2008, worin sie die verschiedenen Behauptungen von Uniplex zurückwies. Sie wies darin auch vorab darauf hin, dass die Ereignisse, die der Rüge von Uniplex zugrunde lägen, nicht nach dem 22. November 2007 eingetreten seien, dem Datum, an dem Uniplex die Entscheidung, sie nicht in die Rahmenvereinbarung einzubeziehen, mitgeteilt worden sei. Dieses Datum sei der Zeitpunkt, zu dem die Frist für die Verfahrenseinleitung im Sinne von Regulation 47(7)(b) der PCR 2006 zu laufen begonnen habe.

    22      Uniplex antwortete mit Schreiben vom 26. Februar 2008. Darin hielt sie an ihrer Auffassung fest, dass die Frist für die Verfahrenseinleitung nach den PCR 2006 erst am 13. Dezember 2007 zu laufen begonnen habe.

    23      Am 12. März 2008 erhob Uniplex Klage beim High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division, mit der sie u. a. die Feststellung, dass NHS gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge verstoßen habe, sowie Schadensersatz aus diesem Grund begehrt.

    24      Der High Court of Justice (England & Wales), Queen’s Bench Division, hat beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Wenn ein Wirtschaftsteilnehmer in einem innerstaatlichen Gerichtsverfahren die Vergabeentscheidung eines öffentlichen Auftraggebers für eine Rahmenvereinbarung im Anschluss an ein öffentliches Ausschreibungsverfahren anficht, in dem der Wirtschaftsteilnehmer Bieter war und das nach Maßgabe der Richtlinie 2004/18/EG (und den nationalen Umsetzungsvorschriften) durchzuführen war, und in dem Gerichtsverfahren die Feststellung eines beim Ausschreibungsverfahren und bei der Vergabe aufgetretenen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge sowie Schadensersatz beantragt,

    1.      ist dann eine innerstaatliche Vorschrift wie Regulation 47(7)(b) der PCR 2006, wonach das Gerichtsverfahren unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten nach dem ersten Eintreten eines Grundes für die Einleitung des Verfahrens einzuleiten ist, es sei denn, das Gericht hält eine Verlängerung der Frist für gerechtfertigt, angesichts der Art. 1 und 2 der Richtlinie 89/665/EWG, des gemeinschaftsrechtlichen Äquivalenzgrundsatzes, des gemeinschaftsrechtlichen Gebots des effektiven Rechtsschutzes und/oder des Effektivitätsgrundsatzes sowie unter Berücksichtigung aller sonstigen einschlägigen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts dahin auszulegen, dass sie dem Bieter ein individuelles und unbedingtes Recht gegen den öffentlichen Auftraggeber in der Weise verleiht, dass die Frist für die Einleitung eines Verfahrens zur Anfechtung der Ausschreibung und der Vergabeentscheidung von dem Zeitpunkt an zu laufen beginnt, zu dem der Bieter von dem Verstoß des Vergabeverfahrens und der Vergabeentscheidung gegen die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen, oder aber von dem Zeitpunkt an, zu dem der Verstoß gegen die einschlägigen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge erfolgt ist; und

    2.      in welcher Weise hat ein nationales Gericht bei beiden Alternativen dann (i) eine Vorschrift anzuwenden, wonach das Gerichtsverfahren unverzüglich einzuleiten ist, und (ii) ein Ermessen zur Verlängerung der innerstaatlich festgelegten Frist für die Einleitung des Verfahrens auszuüben?

     Zu den Vorlagefragen

     Zur ersten Frage

    25      Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob nach den Anforderungen des Art. 1 der Richtlinie 89/665 für den Beginn der Frist für die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder zur Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften auf den Zeitpunkt des Verstoßes gegen die Vorschriften abzustellen ist oder auf den Zeitpunkt, zu dem der Antragsteller von dem Verstoß Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    26      Die Richtlinie 89/665 soll sicherstellen, dass bei Verstößen gegen das Gemeinschaftsrecht im Bereich des öffentlichen Auftragswesens oder gegen die nationalen Vorschriften, die in Umsetzung dieses Rechts ergangen sind, Möglichkeiten einer wirksamen Nachprüfung bestehen, um die tatsächliche Anwendung der Richtlinien über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge zu gewährleisten. Sie enthält jedoch keine Bestimmungen, die sich speziell auf die Fristregelung für die von ihr vorgesehenen Nachprüfungsverfahren beziehen. Die Regelung dieser Fristen ist daher Sache der internen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten (Urteil vom 12. Dezember 2002, Universale-Bau u. a., C‑470/99, Slg. 2002, I‑11617, Randnr. 71).

    27      Die Modalitäten gerichtlicher Verfahren zum Schutz der Rechte, die das Gemeinschaftsrecht den durch Entscheidungen der öffentlichen Auftraggeber geschädigten Bewerbern und Bietern einräumt, dürfen die praktische Wirksamkeit der Richtlinie 89/665 nicht beeinträchtigen (Urteil Universale-Bau u. a., Randnr. 72).

    28      Unter diesem Blickwinkel ist zu prüfen, ob im Hinblick auf die Zielsetzung dieser Richtlinie eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht die Rechte beeinträchtigt, die dem Einzelnen vom Gemeinschaftsrecht verliehen sind (Urteil Universale-Bau u. a., Randnr. 73).

    29      Insoweit ist zu beachten, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 sicherstellen müssen, dass rechtswidrige Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und möglichst rasch nachgeprüft werden können (Urteil Universale-Bau u. a., Randnr. 74).

    30      Der Umstand, dass ein Bewerber oder Bieter erfährt, dass seine Bewerbung oder sein Angebot zurückgewiesen worden ist, versetzt ihn aber nicht in die Lage, wirksam mit einem Nachprüfungsantrag dagegen vorzugehen. Solche Informationen genügen für einen Bewerber oder Bieter nicht, um gegebenenfalls einen anfechtbaren Rechtsverstoß erkennen zu können.

    31      Ein betroffener Bewerber oder Bieter kann sich erst dann darüber klar werden, ob etwa ein Verstoß gegen die anwendbaren Vorschriften vorliegt und die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens angebracht ist, nachdem er von den Gründen in Kenntnis gesetzt worden ist, aus denen seine Bewerbung oder sein Angebot in dem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags abgelehnt wurde.

    32      Daraus folgt, dass das in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 gesetzte Ziel, das Bestehen wirksamer Nachprüfungsmöglichkeiten bei Verstößen gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge sicherzustellen, nur dann erreicht werden kann, wenn die Fristen, die für die Einleitung der Nachprüfung vorgeschrieben sind, erst ab dem Zeitpunkt zu laufen beginnen, zu dem der Antragsteller von dem geltend gemachten Verstoß gegen die genannten Vorschriften Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil Universale-Bau u. a., Randnr. 78).

    33      Bestätigung findet dies darin, dass nach Art. 41 Abs. 1 und 2 der zu der für den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens maßgeblichen Zeit geltenden Richtlinie 2004/18 die öffentlichen Auftraggeber den abgelehnten Bewerbern und Bietern die Gründe für die sie betreffende Entscheidung mitteilen müssen. Solche Bestimmungen stehen in einem logischen Zusammenhang mit einer Ausschlussfristregelung, nach der Fristbeginn der Zeitpunkt ist, zu dem der Antragsteller von dem geltend gemachten Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    34      Weiteren Rückhalt findet dieses Ergebnis in den Änderungen, die die Richtlinie 89/665 durch die Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007 zur Änderung der Richtlinien 89/665/EWG und 92/13/EWG des Rates im Hinblick auf die Verbesserung der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren bezüglich der Vergabe öffentlicher Aufträge (ABl. L 335, S. 31) erfahren hat, obschon die Umsetzungsfrist für diese Richtlinie erst ablief, nachdem sich der Sachverhalt des Ausgangsverfahrens zugetragen hatte. Art. 2c der Richtlinie 89/665, der durch die Richtlinie 2007/66 eingefügt wurde, sieht nämlich vor, dass der Mitteilung der Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers an jeden Bewerber oder Bieter eine Zusammenfassung der einschlägigen Gründe beigefügt wird und dass die Fristen für die Beantragung einer Nachprüfung erst nach einer bestimmten Anzahl von Tagen nach dieser Mitteilung ablaufen.

    35      Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass nach den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 für den Beginn der Frist für die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder zur Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Antragsteller von dem Verstoß Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

     Zur zweiten Frage

    36      Die zweite Frage umfasst zwei Teile. Der erste betrifft die Auslegung der Richtlinie 89/665 in Bezug auf eine vom nationalen Recht aufgestellte Obliegenheit, das Verfahren unverzüglich einzuleiten. Der zweite stellt auf die Folgen ab, die sich aus dieser Richtlinie für ein Ermessen ergeben, das dem nationalen Richter im Hinblick auf die Verlängerung der Fristen für die Verfahrenseinleitung eingeräumt ist.

     Zum ersten Teil der zweiten Frage

    37      Mit dem ersten Teil der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 89/665 dahin auszulegen ist, dass sie einer Bestimmung wie Regulation 47(7)(b) der PCR 2006 entgegensteht, nach der ein Verfahren unverzüglich eingeleitet werden muss.

    38      Wie vorstehend in Randnr. 29 dargelegt, müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 sicherstellen, dass die Entscheidungen der Vergabebehörden wirksam und möglichst rasch überprüft werden können. Zur Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels einer zügigen Behandlung steht es den Mitgliedstaaten frei, Fristen für die Verfahrenseinleitung vorzuschreiben, mit denen sie die Wirtschaftsteilnehmer zwingen, Vorbereitungsmaßnahmen oder Zwischenentscheidungen, die in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ergangen sind, innerhalb einer kurzen Frist anzufechten (vgl. in diesem Sinne Urteile Universale-Bau u. a., Randnrn. 75 bis 79, vom 12. Februar 2004, Grossmann Air Service, C‑230/02, Slg. 2004, I‑1829, Randnrn. 30 und 36 bis 39, und vom 11. Oktober 2007, Lämmerzahl, C‑241/06, Slg. 2007, I‑8415, Randnrn. 50 und 51).

    39      Das mit der Richtlinie 89/665 verfolgte Ziel der zügigen Behandlung muss im nationalen Recht unter Beachtung der Erfordernisse der Rechtssicherheit verwirklicht werden. Zu diesem Zweck müssen die Mitgliedstaaten eine Fristenregelung schaffen, die hinreichend genau, klar und vorhersehbar ist, damit der Einzelne seine Rechte und Pflichten kennen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 30. Mai 1991, Kommission/Deutschland, C‑361/88, Slg. 1991, I‑2567, Randnr. 24, und vom 7. November 1996, Kommission/Luxemburg, C‑221/94, Slg. 1996, I‑5669, Randnr. 22).

    40      Außerdem dürfen die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung des mit der Richtlinie 89/665 angestrebten Ziels der zügigen Behandlung den Effektivitätsgrundsatz nicht außer Acht lassen, der dem in Art. 1 Abs. 1 dieser Richtlinie ausdrücklich erwähnten Ziel der Wirksamkeit der Nachprüfungsverfahren zugrunde liegt und nach dem die Anwendungsmodalitäten der nationalen Ausschlussfristen die Ausübung der Rechte, die den Betroffenen vom Gemeinschaftsrecht verliehen sind, nicht unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen.

    41      Eine nationale Bestimmung wie Regulation 47(7)(b) der PCR 2006, nach der die Einleitung eines Verfahrens nur zulässig ist, wenn „das Verfahren unverzüglich, spätestens jedoch innerhalb von drei Monaten … eingeleitet wird“, enthält eine Unsicherheit. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass die nationalen Gerichte auf der Grundlage einer solchen Bestimmung einen Nachprüfungsantrag bereits vor Ablauf der Dreimonatsfrist wegen Fristversäumnis zurückweisen können, wenn sie der Ansicht sind, dass der Antrag nicht „unverzüglich“ im Sinne dieser Bestimmung gestellt worden sei.

    42      Wie die Generalanwältin in Nr. 69 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, ist eine Ausschlussfrist, deren Länge in das freie Ermessen des zuständigen Richters gestellt ist, in ihrer Dauer nicht vorhersehbar. Somit stellt eine nationale Bestimmung, die eine solche Frist vorsieht, nicht die wirksame Umsetzung der Richtlinie 89/665 sicher.

    43      Nach alledem ist auf den ersten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, auf deren Grundlage ein nationales Gericht einen Nachprüfungsantrag, der auf die Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder auf die Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften gerichtet ist, in Anwendung des nach Ermessen beurteilten Kriteriums der Unverzüglichkeit der Verfahrenseinleitung wegen Fristversäumnis zurückweisen kann.

     Zum zweiten Teil der zweiten Frage

    44      Mit dem zweiten Teil der zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche Folgen sich aus der Richtlinie 89/665 für ein Ermessen ergeben, das dem nationalen Richter im Hinblick auf die Verlängerung der Fristen für die Verfahrenseinleitung eingeräumt ist.

    45      Innerstaatliche Bestimmungen zur Umsetzung einer Richtlinie müssen von den nationalen Gerichten so weit wie möglich anhand des Wortlauts und des Zwecks der fraglichen Richtlinie ausgelegt werden, um das in dieser festgelegte Ergebnis zu erreichen (vgl. Urteile vom 10. April 1984, Von Colson und Kamann, 14/83, Slg. 1984, 1891, Randnr. 26, und vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a., C‑397/01 bis C‑403/01, Slg. 2004, I‑8835, Randnr. 113).

    46      Im vorliegenden Fall ist es Aufgabe des nationalen Gerichts, die innerstaatlichen Bestimmungen über die Ausschlussfrist so weit wie möglich im Einklang mit dem Ziel der Richtlinie 89/665 auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 27. Februar 2003, Santex, C‑327/00, Slg. 2003, I‑1877, Randnr. 63, und Lämmerzahl, Randnr. 62).

    47      Um den in der Antwort auf die erste Frage enthaltenen Anforderungen zu genügen, muss das mit der Sache befasste nationale Gericht die innerstaatlichen Bestimmungen über die Frist für die Verfahrenseinleitung so weit wie möglich so auslegen, dass sichergestellt ist, dass diese Frist erst ab dem Zeitpunkt läuft, zu dem der Antragsteller von dem Verstoß gegen die Vorschriften, die auf die Vergabe des betreffenden öffentlichen Auftrags anwendbar sind, Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    48      Sollten die betreffenden innerstaatlichen Bestimmungen einer solchen Auslegung nicht zugänglich sein, ist das nationale Gericht gehalten, unter Gebrauch seines Ermessens die Frist für die Verfahrenseinleitung so zu verlängern, dass für den Antragsteller eine Frist sichergestellt ist, die derjenigen entspricht, über die er verfügt hätte, wenn die von der anwendbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehene Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen hätte, zu dem er von dem Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    49      Können die innerstaatlichen Bestimmungen über die Fristen für die Verfahrenseinleitung nicht im Einklang mit der Richtlinie 89/665 ausgelegt werden, muss das nationale Gericht sie jedenfalls unangewendet lassen, damit das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang Anwendung findet und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, geschützt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Santex, Randnr. 64, und Lämmerzahl, Randnr. 63).

    50      Somit ist auf den zweiten Teil der zweiten Frage zu antworten, dass die Richtlinie 89/665 dem nationalen Gericht gebietet, unter Gebrauch seines Ermessens die Frist für die Verfahrenseinleitung so zu verlängern, dass für den Antragsteller eine Frist sichergestellt ist, die derjenigen entspricht, über die er verfügt hätte, wenn die von der anwendbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehene Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen hätte, zu dem er von dem Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Sollten die innerstaatlichen Bestimmungen über die Fristen für die Verfahrenseinleitung nicht im Einklang mit der Richtlinie 89/665 ausgelegt werden können, muss das nationale Gericht sie unangewendet lassen, damit das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang Anwendung findet und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, geschützt werden.

     Kosten

    51      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

    1.      Nach den Anforderungen des Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665/EWG des Rates vom 21. Dezember 1989 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Anwendung der Nachprüfungsverfahren im Rahmen der Vergabe öffentlicher Liefer- und Bauaufträge in der durch die Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 geänderten Fassung ist für den Beginn der Frist für die Einleitung eines Verfahrens zur Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder zur Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der Antragsteller von dem Verstoß Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen.

    2.      Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung steht einer nationalen Bestimmung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegen, auf deren Grundlage ein nationales Gericht einen Nachprüfungsantrag, der auf die Feststellung eines Verstoßes gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge oder auf die Erlangung von Schadensersatz wegen Verstoßes gegen diese Vorschriften gerichtet ist, in Anwendung des nach Ermessen beurteilten Kriteriums der Unverzüglichkeit der Verfahrenseinleitung wegen Fristversäumnis zurückweisen kann.

    3.      Die Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung gebietet dem nationalen Gericht, unter Inanspruchnahme seines Ermessens die Frist für die Verfahrenseinleitung so zu verlängern, dass für den Antragsteller eine Frist sichergestellt ist, die derjenigen entspricht, über die er verfügt hätte, wenn die von der anwendbaren innerstaatlichen Regelung vorgesehene Frist zu dem Zeitpunkt zu laufen begonnen hätte, zu dem er von dem Verstoß gegen die Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen müssen. Sollten die innerstaatlichen Bestimmungen über die Fristen für die Verfahrenseinleitung nicht im Einklang mit der Richtlinie 89/665 in der durch die Richtlinie 92/50 geänderten Fassung ausgelegt werden können, muss das nationale Gericht sie unangewendet lassen, damit das Gemeinschaftsrecht in vollem Umfang Anwendung findet und die Rechte, die es dem Einzelnen verleiht, geschützt werden.

    Unterschriften


    * Verfahrenssprache: Englisch.

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