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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62008CJ0384

    Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 11. März 2010.
    Attanasio Group Srl gegen Comune di Carbognano.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Tribunale amministrativo regionale del Lazio - Italien.
    Art. 43 EG und 48 EG - Regionale Regelung, in der verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorgeschrieben sind - Zuständigkeit des Gerichtshofs und Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens - Niederlassungsfreiheit - Beschränkung.
    Rechtssache C-384/08.

    Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-02055

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2010:133

    Rechtssache C-384/08

    Attanasio Group Srl

    gegen

    Comune di Carbognano

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale amministrativo regionale del Lazio)

    „Art. 43 EG und 48 EG – Regionale Regelung, in der verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorgeschrieben sind – Zuständigkeit des Gerichtshofs und Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens – Niederlassungsfreiheit – Beschränkung“

    Leitsätze des Urteils

    1.        Vorabentscheidungsverfahren – Zuständigkeit des Gerichtshofs – Frage bezüglich eines Rechtsstreits, der nicht über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweist

    (Art. 267 AEUV)

    2.        Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Bestimmungen des Vertrags – Geltungsbereich

    (Art. 43 EG, 48 EG, 49 EG und 56 EG)

    3.        Freizügigkeit – Niederlassungsfreiheit – Beschränkungen

    (Art. 43 EG und 48 EG)

    1.        Weist im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens der Rechtsstreit, der beim nationalen Gericht anhängig ist, unter keinem Gesichtspunkt über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinaus, kann der Gerichtshof dafür zuständig sein, dem nationalen Gericht eine Antwort zu geben, wenn sich in Bezug auf eine Regelung, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreibt, nicht ausschließen lässt, dass Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten als dem betreffenden Mitgliedstaat ansässig sind, Interesse daran hatten oder hätten, in diesem letzteren Mitgliedstaat Kraftstoffe zu vertreiben.

    (vgl. Randnrn. 22-24)

    2.        Eine nationale Regelung, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreibt, ist allein im Licht der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit zu prüfen. Da nämlich die Errichtung von Straßentankstellenanlagen durch juristische Personen im Sinne des Art. 48 EG zwangsläufig deren Zugang zum Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats zum Zweck einer stabilen und kontinuierlichen Teilnahme am Wirtschaftsleben dieses Mitgliedstaats insbesondere durch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften voraussetzt, sind die Bestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr, die nur Anwendung finden können, wenn diejenigen über die Niederlassungsfreiheit nicht anwendbar sind, nicht einschlägig. Falls diese Regelung ferner Auswirkungen auf den freien Kapitalverkehr haben sollte, wären solche Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten daher keine eigenständige Prüfung der Regelung im Hinblick auf Art. 56 EG.

    (vgl. Randnrn. 39-41)

    3.        Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG ist dahin auszulegen, dass eine innerstaatliche Regelung, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreibt und nur für die Errichtung neuer Anlagen gilt, eine Beschränkung der vom EG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit darstellt. Diese Beschränkung erscheint nicht als durch Ziele der Straßenverkehrssicherheit, des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie der Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes gerechtfertigt, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

    Eine solche Regelung, die nur auf neue Anlagen anwendbar ist und nicht auf bereits vor Inkrafttreten der Regelung bestehende Anlagen, macht nämlich den Zugang zur Tätigkeit des Kraftstoffvertriebs von bestimmten Voraussetzungen abhängig. Da sie die Marktteilnehmer begünstigt, die bereits im Inland ansässig sind, ist sie geeignet, Marktteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten vom Zugang zum nationalen Markt abzuschrecken oder ihren Marktzugang sogar zu verhindern, und stellt eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 43 EG dar.

    Diese Beschränkung scheint – vorbehaltlich der vom nationalen Gericht vorzunehmenden Prüfung – nicht durch Ziele der Straßenverkehrssicherheit, des Gesundheits- oder Umweltschutzes gerechtfertigt werden zu können, weil sie dem Anliegen, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen, wohl tatsächlich nicht gerecht wird und daher nicht als geeignet erscheint, die Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten, ohne über das hinauszugehen, was zu ihrer Erreichung erforderlich ist.

    Was die Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes anbelangt, können rein wirtschaftliche Motive keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses darstellen, die eine Beschränkung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnten. Zudem ist, selbst wenn man annähme, dass dieses Ziel als eines des Verbraucherschutzes einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses und kein rein wirtschaftliches Motiv darstellte, schwerlich ersichtlich, inwiefern diese Regelung geeignet sein kann, die Verbraucher zu schützen oder ihnen Vorteile zu verschaffen. Eine solche Regelung scheint vielmehr, indem sie den Marktzugang neuer Wirtschaftsteilnehmer behindert, eher die Position der bereits im Inland ansässigen Wirtschaftsteilnehmer zu stärken, ohne dass die Verbraucher echte Vorteile davon hätten. Jedenfalls scheint diese Regelung über das hinauszugehen, was zur Erreichung eines etwaigen Ziels des Verbraucherschutzes erforderlich ist, worüber das nationale Gericht zu befinden hat.

    (vgl. Randnrn. 45, 51-52, 55-57 und Tenor)







    URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

    11. März 2010(*)

    „Art. 43 EG und 48 EG – Regionale Regelung, in der verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorgeschrieben sind – Zuständigkeit des Gerichtshofs und Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens – Niederlassungsfreiheit – Beschränkung“

    In der Rechtssache C‑384/08

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunale amministrativo regionale del Lazio (Italien) mit Entscheidung vom 3. Juli 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 27. August 2008, in dem Verfahren

    Attanasio Group Srl

    gegen

    Comune di Carbognano,

    Beteiligte:

    Felgas Petroli Srl, 

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

    Generalanwalt: J. Mazák,

    Kanzler: R. Grass,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    –        der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,

    –        der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,

    –        der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch E. Traversa und C. Cattabriga als Bevollmächtigte,

    aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

    folgendes

    Urteil

    1        Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG, 48 EG, 49 EG und 56 EG sowie der „im [EG-]Vertrag verankerten Grundsätze eines wirtschaftlichen Wettbewerbs und des Verbots der rechtlichen Diskriminierung“.

    2        Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Attanasio Group Srl (im Folgenden: Attanasio) und der Comune di Carbognano (Gemeinde Carbognano) wegen der Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Tankstellenanlage an einen Dritten, die Felgas Petroli Srl (im Folgenden: Felgas Petroli).

     Nationale Rechtsvorschriften

    3        Das Kraftstoffvertriebssystem wurde in Italien mit dem Decreto legislativo Nr. 32 vom 11. Februar 1998 zur Rationalisierung des Kraftstoffvertriebssystems gemäß Art. 4 Abs. 4 Buchst. c des Gesetzes Nr. 59 vom 15. März 1997 (GURI Nr. 53 vom 5. März 1998, S. 4) mit späteren Änderungen und Ergänzungen (im Folgenden: Decreto legislativo Nr. 32/1998) reformiert.

    4        Nach Art. 2 des Decreto legislativo Nr. 32 erfordern die Errichtung und der Betrieb von Tankstellenanlagen eine behördliche Genehmigung. Diese wird von der Gemeinde erteilt, auf deren Gebiet diese Tätigkeiten ausgeübt werden, sofern festgestellt wurde, dass die Anlagen mit den Bestimmungen des Flächennutzungsplans, mit Steuervorschriften und Vorschriften zum Gesundheits- und Umweltschutz sowie zur Straßenverkehrssicherheit, mit Bestimmungen zum Schutz von Denkmälern und Kunstwerken sowie mit den Ausrichtungsprogrammen der italienischen Regionen vereinbar sind.

    5        Art. 19 des Gesetzes Nr. 57 vom 5. März 2001 mit Bestimmungen über die Öffnung und Regulierung der Märkte (GURI Nr. 66 vom 20. März 2001, S. 4, im Folgenden: Gesetz Nr. 57/2001) schreibt die Verabschiedung eines nationalen Plans vor, der die Qualität und Effizienz des Dienstes, das Einfrieren der Verkaufspreise und die Rationalisierung des Kraftstoffvertriebssystems sicherstellen soll und Leitlinien zur Modernisierung dieses Systems enthält (im Folgenden: nationaler Plan). Gemäß diesem Plan, der mit dem Ministerialdekret vom 31. Oktober 2001 zur Genehmigung des nationalen Plans mit Leitlinien zur Modernisierung des Kraftstoffvertriebssystems (GURI Nr. 279 vom 30. November 2001, S. 37, im Folgenden: Ministerialdekret vom 31. Oktober 2001) verabschiedet wurde, erstellen die Regionen im Rahmen der ihnen verliehenen Planungsbefugnisse Regionalpläne, in denen sie u. a. Kriterien für die Eröffnung neuer Verkaufsstellen festlegen. Nach den schriftlichen Erklärungen der Kommission der Europäischen Gemeinschaften gehörten zum Zeitpunkt der dem Ausgangsverfahren zugrunde liegenden Ereignisse zu diesen Kriterien verbindliche Mindestabstände zwischen den Anlagen.

    6        In diesem Zusammenhang erließ die Regione Lazio (Region Latium) das Regionalgesetz Nr. 8/2001 (Bollettino Ufficiale della Regione Lazio vom 10. April 2001). Nach Art. 13 dieses Gesetzes müssen die Gemeinden bei der Ausübung der ihnen übertragenen Befugnisse zur Festlegung der Kriterien, Erfordernisse und Merkmale von Zonen, in denen Tankstellenanlagen errichtet werden dürfen, und zum Erlass der auf diese Anlagen anwendbaren Vorschriften, verschiedene Kriterien beachten, zu denen zur Zeit der Ereignisse des Ausgangsverfahrens auch die Einhaltung von Mindestabständen zwischen mehreren Anlagen gehörte. Für Anlagen an Provinzstraßen schreibt Art. 13 des Gesetzes einen Mindestabstand von drei Kilometern vor.

    7        Kurze Zeit nach dem Erlass der Vorlageentscheidung und noch vor ihrem Eingang beim Gerichtshof erließ der italienische Gesetzgeber das Gesetz Nr. 133 vom 6. August 2008, mit dem das Decreto legislativo Nr. 112 vom 25. Juni 2008 mit dringenden Bestimmungen zur wirtschaftlichen Entwicklung, Vereinfachung, Wettbewerbsfähigkeit, Stabilisierung der öffentlichen Finanzen und zum Steuerausgleich (GURI Nr. 195 vom 21. August 2008, Supplemento ordinario, im Folgenden: Gesetz Nr. 133/2008) Gesetzeskraft erlangte. Dieses Gesetz sieht in Art. 83a Abs. 17 vor:

    „Um die uneingeschränkte Einhaltung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts zum Schutz des Wettbewerbs zu gewährleisten und das reibungslose und einheitliche Funktionieren des Marktes sicherzustellen, dürfen die Errichtung und der Betrieb einer Tankstellenanlage weder von der Schließung bereits bestehender Anlagen noch von der Erfüllung von Auflagen mit wirtschaftlicher Zielsetzung betreffend einen Numerus clausus, Mindestabstände zwischen Anlagen sowie zwischen Anlagen und Geschäftsbetrieben oder Mindestbetriebsflächen, oder von Auflagen, die das eventuelle Anbieten von ergänzenden Tätigkeiten oder Diensten in derselben Anlage oder Zone Beschränkungen oder Verpflichtungen unterwerfen, abhängig gemacht werden.“

    8        Nach Art. 83a Abs. 18 des Gesetzes Nr. 133/2008 normiert „Abs. 17 … allgemeine Grundsätze im Bereich des Schutzes des Wettbewerbs und der wesentlichen Leistungen im Sinne des Art. 117 der Verfassung“.

    9        In Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 des Gesetzes Nr. 131 vom 5. Juni 2003 mit Bestimmungen zur Anpassung des Rechts der Republik an das verfassungsergänzende Gesetz Nr. 3 vom 18. Oktober 2001 (GURI Nr. 132 vom 10. Juni 2003, S. 5) heißt es:

    „Die regionalen gesetzlichen Bestimmungen auf Gebieten der ausschließlichen Gesetzgebungszuständigkeit des Staates, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des vorliegenden Gesetzes anwendbar waren, gelten bis zum Inkrafttreten von nationalen Vorschriften auf diesen Gebieten fort …“

     Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

    10      Attanasio, die ihren Sitz in Viterbo (Italien) hat, stellte bei der Comune di Caprarola einen Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung einer Tankstellenanlage für Treib- und Schmierstoffe sowie Flüssiggas an der Provinzstraße „Massarella“. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens stellte sich heraus, dass die Comune di Carbognano zwischenzeitlich an Felgas Petroli die Genehmigung für die Errichtung einer Tankstelle nicht weit entfernt von der Stelle erteilt hatte, die Gegenstand des Antrags von Attanasio war.

    11      Damit war es nach Art. 13 des Regionalgesetzes Nr. 8/2001 der Comune di Caprarola aufgrund der Erteilung der Baugenehmigung an Felgas Petroli durch die Comune di Carbognano nicht mehr möglich, dem Antrag von Attanasio stattzugeben.

    12      Laut der Vorlageentscheidung klagte in der Folge Attanasio beim vorlegenden Gericht gegen die Erteilung der Genehmigung an Felgas Petroli und beantragte eine einstweilige Anordnung, mit der die Wirkungen dieser Genehmigung ausgesetzt werden sollten.

    13      Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, dass die einschlägige Regelung, nämlich insbesondere Art. 13 des Regionalgesetzes Nr. 8/2001, aber auch das Decreto legislativo Nr. 32/1998, das Gesetz Nr. 57/2001 und das Ministerialdekret vom 31. Oktober 2001, „geeignet [sei], die Bestimmungen des Vertrags zu verletzen, die die Wahrung der Grundsätze des Wettbewerbs, der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs regeln“.

    14      Nach Auffassung des vorlegenden Gerichts müssten die nationalen und regionalen Bestimmungen, die der Errichtung der Anlage von Attanasio entgegenstünden, unangewandt bleiben, wenn ihre Unvereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht festgestellt würde. Dann wäre dem vorlegenden Gericht zufolge die Klage im Ausgangsverfahren mangels Klageinteresse von Attanasio für unzulässig zu erklären.

    15      Unter diesen Umständen hat das Tribunale amministrativo regionale del Lazio das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Sind die regionalen und nationalen italienischen Bestimmungen, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorsehen, insbesondere Art. 13 des Regionalgesetzes Nr. 8/2001, der auf den diesem Tribunale vorliegenden Sachverhalt anwendbar und für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich ist, und die nationalen Referenzbestimmungen (Decreto legislativo Nr. 32/1998, Gesetz Nr. 57/2001 und Ministerialdekret vom 31. Oktober 2001), soweit diese in der staatlichen Gesetzgebung die Festlegung von Mindestabständen zwischen Straßentankstellenanlagen durch den erwähnten Art. 13 zulassen oder zumindest nicht verhindern, mit dem Gemeinschaftsrecht, insbesondere mit den Art. 43 EG, 48 EG, 49 EG und 56 EG sowie den im Vertrag verankerten gemeinschaftlichen Grundsätzen des wirtschaftlichen Wettbewerbs und der Nichtdiskriminierung, vereinbar?

     Zur Vorlagefrage

     Vorbemerkungen

    16      In Anbetracht des Wortlauts der Vorlagefrage ist vorab darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Rahmen von Art. 267 AEUV weder zur Auslegung innerstaatlicher Rechts- oder Verwaltungsvorschriften noch zu Äußerungen über deren Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht befugt ist (vgl. u. a. Urteile vom 18. November 1999, Teckal, C‑107/98, Slg. 1999, I–8121, Randnr. 33, vom 4. März 2004, Barsotti u. a., C‑19/01, C‑50/01 und C‑84/01, Slg. 2004, I‑2005, Randnr. 30, und vom 23. März 2006, Enirisorse, C‑237/04, Slg. 2006, I‑2843, Randnr. 24 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    17      Der Gerichtshof hat jedoch wiederholt entschieden, dass er befugt ist, dem vorlegenden Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die es diesem ermöglichen, für die Entscheidung der bei ihm anhängigen Rechtssache über die Frage der Vereinbarkeit zu befinden (vgl. u. a. Urteile vom 2. Juli 1987, Lefèvre, 188/86, Slg. 1987, 2963, Randnr. 6, vom 15. Dezember 1993, Hünermund u. a., C‑292/92, Slg. 1993, I‑6787, Randnr. 8, und Enirisorse, Randnr. 24).

    18      Damit obliegt es dem Gerichtshof, im Fall ungenau formulierter oder den Rahmen seiner Befugnisse nach Art. 267 AEUV überschreitender Fragen aus dem gesamten vom nationalen Gericht vorgelegten Material, insbesondere der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die angesichts des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 29. November 1978, Redmond, 83/78, Slg. 1978, 2347, Randnr. 26, vom 17. Juni 1997, Codiesel, C‑105/96, Slg. 1997, I‑3465, Randnr. 13, und vom 26. Mai 2005, António Jorge, C‑536/03, Slg. 2005, I‑4463, Randnr. 16).

    19      In der vorliegenden Rechtssache hat der Gerichtshof daher seine Prüfung auf die Bestimmungen des Unionsrechts zu beschränken und dieses in einer für das vorlegende Gericht sachdienlichen Weise auszulegen; diesem obliegt es, die Vereinbarkeit der nationalen Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht zu beurteilen (vgl. entsprechend u. a. Urteil vom 31. Januar 2008, Centro Europa 7, C‑380/05, Slg. 2008, I‑349, Randnr. 51). Dementsprechend hat der Gerichtshof die ihm vorgelegte Frage umzuformulieren (vgl. entsprechend u. a. Urteil vom 23. März 2006, FCE Bank, C‑210/04, Slg. 2006, I‑2803, Randnr. 21).

    20      Soweit die Vorlagefrage auf die Auslegung der vom vorlegenden Gericht als solche bezeichneten „gemeinschaftlichen Grundsätze des wirtschaftlichen Wettbewerbs und der Nichtdiskriminierung“ gerichtet ist, ist sie mit Blick auf die in Randnr. 18 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung dahin zu verstehen, dass sie die Auslegung der Wettbewerbsregeln im Dritten Teil Titel VI Kapitel 1 des Vertrags, in dem sich die Art. 81 EG bis 89 EG finden, und des Art. 12 EG betrifft, der unbeschadet besonderer Bestimmungen des Vertrags in seinem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verbietet.

    21      Unter diesen Umständen ist die Vorlagefrage dahin zu verstehen, dass mit ihr um Klärung ersucht wird, ob das Unionsrecht, insbesondere die Art. 12 EG, 43 EG, 48 EG, 49 EG und 56 EG sowie die Art. 81 EG bis 89 EG, dahin auszulegen ist, dass es Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts wie den im Ausgangsverfahren fraglichen, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreiben, entgegensteht.

     Zur Zuständigkeit des Gerichtshofs und zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

    22      Zunächst ist zu beachten, dass der Ausgangsrechtsstreit ausweislich der dem Gerichtshof vorgelegten Akten, wie im Übrigen das vorlegende Gericht auch selbst ausführt, unter keinem Gesichtspunkt über die Grenzen eines einzigen Mitgliedstaats hinausweist. Daher ist zunächst zu prüfen, ob der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache dafür zuständig ist, sich zu den in der Vorlagefrage genannten Vertragsbestimmungen (Art. 43 EG, 48 EG, 49 EG und 56 EG) zu äußern (vgl. entsprechend Urteil Centro Europa 7, Randnr. 64).

    23      Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die nach ihrem Wortlaut unterschiedslos auf italienische Staatsangehörige und Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten anwendbar ist, kann nämlich im Allgemeinen nur dann Bestimmungen über die vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten betreffen, wenn sie auf Sachlagen anwendbar ist, die eine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen (vgl. Urteile vom 5. Dezember 2000, Guimont, C‑448/98, Slg. 2000, I‑10663, Randnr. 16, vom 11. September 2003, Anomar u. a., C‑6/01, Slg. I‑8621, Randnr. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung, und Centro Europa 7, Randnr. 65).

    24      Jedoch lässt sich im vorliegenden Fall keineswegs ausschließen, dass Unternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten als der Italienischen Republik ansässig sind, Interesse daran hatten oder hätten, in Italien Kraftstoffe zu vertreiben.

    25      Im Übrigen ist es grundsätzlich allein Sache der nationalen Gerichte, unter Berücksichtigung des jeweiligen Sachverhalts sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass ihres Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen (Urteil Guimont, Randnr. 22). Der Gerichtshof kann das Ersuchen eines nationalen Gerichts nur zurückweisen, wenn offensichtlich kein Zusammenhang zwischen der erbetenen Auslegung des Unionsrechts und der Realität oder dem Gegenstand des Ausgangsverfahrens besteht (Urteile vom 6. Juni 2000, Angonese, C‑281/98, Slg. 2000, I‑4139, Randnr. 18, und Anomar u. a., Randnr. 40).

    26      In ihren schriftlichen Erklärungen hat die italienische Regierung geltend gemacht, dass Art. 13 des Regionalgesetzes Nr. 8/2001 aufgrund des Erlasses von Art. 83a Abs. 17 des Gesetzes Nr. 133/2008 nicht mehr anwendbar sei, weil er gegen diese Bestimmung verstoße, die in der italienischen Rechtsordnung einen höheren Rang habe. Daher müsse dieser Art. 13 im Verwaltungsverfahren über den Antrag von Attanasio unangewandt bleiben.

    27      Unter diesen Umständen konnte es – wie in der Vorlageentscheidung unter der Annahme, dass Art. 13 des Regionalgesetzes Nr. 8/2001 mit dem Unionsrecht unvereinbar sei, geäußert (siehe Randnr. 14 des vorliegenden Urteils) – den Anschein haben, dass Attanasio im Ausgangsverfahren das Klageinteresse fehlte.

    28      Daher hat der Gerichtshof gemäß Art. 104 § 5 seiner Verfahrensordnung am 17. September 2009 das vorlegende Gericht um Klarstellung gebeten, ob in Anbetracht namentlich der Ausführungen in der Vorlageentscheidung über eine eventuell fehlende Klagebefugnis von Attanasio im Ausgangsverfahren die Änderungen der einschlägigen italienischen Rechtsvorschriften durch Art. 83a Abs. 17 und 18 des Gesetzes Nr. 133/2008 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 2 Unterabs. 2 des Gesetzes Nr. 131 vom 5. Juni 2003 Auswirkungen auf das Interesse an einer Vorabentscheidung in der vorliegenden Rechtssache haben. Hierzu ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die dem Gerichtshof übertragene Aufgabe bei Vorabentscheidungsersuchen darin besteht, zur Rechtspflege in den Mitgliedstaaten beizutragen, nicht aber darin, Gutachten zu allgemeinen oder hypothetischen Fragen abzugeben (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 3. Februar 1983, Robards, 149/82, Slg. 1983, 171, Randnr. 19, vom 9. Februar 1995, Leclerc-Siplec, C‑412/93, Slg. 1995, I‑179, Randnr. 12, und vom 16. Juli 2009, Zuid-Chemie, C‑189/08, Slg. 2009, I–0000, Randnr. 36).

    29      Mit Beschluss vom 3. Dezember 2009, der am 22. Januar 2010 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat das vorlegende Gericht bestätigt, dass die genannten Änderungen prinzipiell zur Folge hätten, dass u. a. Art. 13 des Regionalgesetzes Nr. 8/2001 nicht mehr angewandt werden könne. Das vorlegende Gericht hat dennoch sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalten. Zur Begründung führt es aus, dass das Gesetz Nr. 133/2008 erst ab seinem Inkrafttreten Wirkungen entfalten solle. Außerdem könnten aus der für Attanasio bestehenden bloßen Möglichkeit, gemäß der geänderten italienischen Regelung einen erneuten Antrag auf eine Baugenehmigung zu stellen, Hindernisse erwachsen, die noch nicht absehbar seien und den Schutz des im Ausgangsverfahren geltend gemachten materiellen Anspruchs ungewiss werden ließen.

    30      Unter diesen Umständen ist nicht offensichtlich, dass das vorlegende Gericht die von ihm erbetene Auslegung des Unionsrechts für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits nicht benötigt.

    31      Damit ist die Vorlagefrage zulässig, soweit sie die Art. 43 EG, 48 EG, 49 EG und 56 EG betrifft, die, indem sie auf den Gebieten der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs und des freien Kapitalverkehrs besondere Diskriminierungsverbote vorsehen, speziell für diese Gebiete Ausdruck des in Art. 12 EG ausgesprochenen allgemeinen Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit sind.

    32      Soweit die Vorlagefrage, wie sie in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils umformuliert worden ist, hingegen auf eine Auslegung der Art. 81 EG bis 89 EG zielt, ist darauf hinzuweisen, dass die Notwendigkeit, zu einer dem nationalen Gericht dienlichen Auslegung des Unionsrechts zu gelangen, es erforderlich macht, dass dieses Gericht den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in dem sich seine Fragen stellen, darlegt oder zumindest die tatsächlichen Annahmen erläutert, auf denen diese Fragen beruhen (vgl. Urteil Centro Europa 7, Randnr. 57 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieses Erfordernis gilt ganz besonders im Bereich des Wettbewerbs, der durch komplexe tatsächliche und rechtliche Verhältnisse gekennzeichnet ist (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 26. Januar 1993, Telemarsicabruzzo u. a., C‑320/90 bis C‑322/90, Slg. 1993, I‑393, Randnr. 7, vom 23. November 2006, Asnef-Equifax und Administración del Estado, C‑238/05, Slg. 2006, I‑11125, Randnr. 23, und vom 13. Dezember 2007, United Pan-Europe Communications Belgium u. a., C‑250/06, Slg. 2007, I‑11135, Randnr. 20).

    33      Im vorliegenden Fall aber erläutert die Vorlageentscheidung nicht den tatsächlichen und rechtlichen Hintergrund, der dem Gerichtshof eine Feststellung der Bedingungen ermöglichen würde, unter denen staatliche Maßnahmen wie die im Ausgangsverfahren fraglichen unter die wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des Vertrags fallen könnten. Insbesondere findet sich in der Vorlageentscheidung weder ein Hinweis zu den konkreten Wettbewerbsregeln, um deren Auslegung das vorlegende Gericht ersucht, noch eine Erklärung, welchen Zusammenhang es zwischen diesen Regeln und dem Ausgangsverfahren oder dessen Streitgegenstand sieht.

    34      Unter diesen Umständen ist die Vorlagefrage, soweit sie dahin aufgefasst werden kann, dass sie auf eine Auslegung der Art. 81 EG bis 89 EG zielt, für unzulässig zu erklären.

    35      Daher ist die Vorlagefrage, wie sie in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils umformuliert worden ist, nur anhand der Art. 12 EG, 43 EG, 48 EG, 49 EG und 56 EG zu prüfen.

     Zur Beantwortung der Vorlagefrage

    36      Die Errichtung von Straßentankstellenanlagen fällt unter den Begriff der „Niederlassung“ im Sinne des Vertrags. Dieser Begriff ist sehr weit gefasst und impliziert die Möglichkeit für einen Unionsangehörigen, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 21. Juni 1974, Reyners, 2/74, Slg. 1974, 631, Randnr. 21, vom 30. November 1995, Gebhard, C‑55/94, Slg. 1995, I‑4165, Randnr. 25, und vom 11. Oktober 2007, ELISA, C‑451/05, Slg. 2007, I‑8251, Randnr. 63).

    37      Es ist darauf hinzuweisen, dass Art. 12 EG als eigenständige Grundlage nur auf unionsrechtlich geregelte Fallgestaltungen angewandt werden kann, für die der Vertrag keine besonderen Diskriminierungsverbote vorsieht. Im Bereich des Niederlassungsrechts ist das allgemeine Diskriminierungsverbot aber durch Art. 43 EG umgesetzt worden (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 29. Februar 1996, Skanavi und Chryssanthakopoulos, C‑193/94, Slg. 1996, I‑929, Randnrn. 20 und 21, vom 13. April 2000, Baars, C‑251/98, Slg. 2000, I‑2787, Randnrn. 23 und 24, und vom 17. Januar 2008, Lammers & Van Cleeff, C‑105/07, Slg. 2008, I‑173, Randnr. 14).

    38      Daher besteht im vorliegenden Fall kein Anlass, Art. 12 EG auszulegen.

    39      Zudem sind nach Art. 50 Abs. 1 EG die Bestimmungen des Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr nur anzuwenden, wenn diejenigen über das Niederlassungsrecht nicht anwendbar sind, so dass Art. 49 EG im vorliegenden Fall ebenfalls nicht einschlägig ist. Die Errichtung von Straßentankstellenanlagen durch juristische Personen im Sinne des Art. 48 EG setzt nämlich zwangsläufig deren Zugang zum Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats zum Zweck einer stabilen und kontinuierlichen Teilnahme am Wirtschaftsleben dieses Mitgliedstaats insbesondere durch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften voraus (vgl. entsprechend Urteile Gebhard, Randnr. 22 bis 26, und vom 29. April 2004, Kommission/Portugal, C‑171/02, Slg. 2004, I‑5645, Randnrn. 24 und 25).

    40      Falls die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung ferner Auswirkungen auf den freien Kapitalverkehr haben sollte, wären solche Auswirkungen nach der Rechtsprechung die unvermeidliche Konsequenz einer eventuellen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten daher keine eigenständige Prüfung der Regelung im Hinblick auf Art. 56 EG (vgl. entsprechend Urteile vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C‑196/04, Slg. 2006, I‑7995, Randnr. 33, vom 18. Juli 2007, Oy AA, C‑231/05, Slg. 2007, I‑6373, Randnr. 24, und vom 26. Juni 2008, Burda, C‑284/06, Slg. 2008, I‑4571, Randnr. 74).

    41      Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Vorlagefrage, wie sie in Randnr. 21 des vorliegenden Urteils umformuliert worden ist, allein im Licht der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit zu beantworten ist.

    42      Mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 43 EG den Unionsangehörigen zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Mitgliedstaat der Ansässigkeit für dessen eigene Angehörige festgelegten umfasst, ist gemäß Art. 48 EG für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Europäischen Union haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. u. a. Urteile vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN, C‑307/97, Slg. 1999, I‑6161, Randnr. 35, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, Randnr. 41, und vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C‑524/04, Slg. 2007, I‑2107, Randnr. 36).

    43      Nach ständiger Rechtsprechung steht Art. 43 EG jeder nationalen Regelung entgegen, die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der vom Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit durch die Unionsangehörigen zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 31. März 1993, Kraus, C‑19/92, Slg. 1993, I‑1663, Randnr. 32, Gebhard, Randnr. 37, vom 5. Oktober 2004, CaixaBank France, C‑442/02, Slg. 2004, I‑8961, Randnr. 11, und vom 10. März 2009, Hartlauer, C‑169/07, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    44      Insbesondere hat der Gerichtshof entschieden, dass solche Behinderungen entstehen können, wenn ein Unternehmen aufgrund nationaler Vorschriften davon abgehalten werden könnte, untergeordnete Einheiten – wie etwa Betriebsstätten – in anderen Mitgliedstaaten zu gründen und seine Tätigkeiten über diese Einheiten auszuüben (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer, C‑446/03, Slg. 2005, I‑10837, Randnrn. 32 und 33, vom 23. Februar 2006, Keller Holding, C‑471/04, Slg. 2006, I‑2107, Randnr. 35, und vom 23. Februar 2008, Deutsche Shell, C‑293/06, Slg. 2008, I‑1129, Randnr. 29).

    45      Deshalb stellt eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die die Eröffnung neuer Straßentankstellenanlagen von der Einhaltung von Mindestabständen zu gleichartigen Anlagen abhängig macht, eine Beschränkung im Sinne des Art. 43 EG dar. Eine solche Regelung, die nur auf neue Anlagen anwendbar ist und nicht auf bereits vor Inkrafttreten der Regelung bestehende Anlagen, macht nämlich den Zugang zur Tätigkeit des Kraftstoffvertriebs von bestimmten Voraussetzungen abhängig und ist, da sie die Marktteilnehmer begünstigt, die bereits in Italien ansässig sind, geeignet, Marktteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten vom Zugang zum italienischen Markt abzuschrecken oder ihren Marktzugang sogar zu verhindern (vgl. auch entsprechend Urteile CaixaBank France, Randnrn. 11 bis 14, und vom 28. April 2009, Kommission/Italien, C‑518/06, Slg. 2009, I–0000, Randnrn. 62 bis 64 und 70 bis 71).

    46      Unter diesen Umständen ist zu prüfen, inwieweit die im Ausgangsverfahren fragliche Beschränkung aus einem der in Art. 46 EG genannten Gründe zulässig oder gemäß der Rechtsprechung des Gerichtshofs durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.

    47      Das vorlegende Gericht hat als Ziele, die für die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung in Betracht kommen, die Straßenverkehrssicherheit, den Gesundheits- und Umweltschutz sowie die Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes genannt.

    48      In ihren schriftlichen Erklärungen hat die italienische Regierung nichts zur Rechtfertigung dieser Regelung vorgebracht, sondern sich, wie aus Randnr. 26 des vorliegenden Urteils ersichtlich, auf das Vorbringen beschränkt, dass die Regelung nicht mehr anwendbar sei.

    49      Art. 46 Abs. 1 EG erlaubt u. a. Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung gerechtfertigt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Hartlauer, Randnr. 46).

    50      Zudem hat die Rechtsprechung des Gerichtshofs eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses herausgestellt, die Beschränkungen der vom Vertrag garantierten Grundfreiheiten rechtfertigen können. Zu diesen vom Gerichtshof bereits anerkannten Gründen gehören die Straßenverkehrssicherheit (vgl. u. a. Urteile vom 5. Oktober 1994, van Schaik, C‑55/93, Slg. 1994, I‑4837, Randnr. 19, und vom 15. März 2007, Kommission/Finnland, C‑54/05, Slg. 2007, I‑2473, Randnr. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung), der Umweltschutz (vgl. u. a. Urteile vom 20. September 1988, Kommission/Dänemark, 302/86, Slg. 1988, 4607, Randnr. 9, und vom 14. Dezember 2004, Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz, C‑309/02, Slg. 2004, I‑11763, Randnr. 75) und der Verbraucherschutz (vgl. u. a. Urteile vom 4. Dezember 1986, Kommission/Frankreich, 220/83, Slg. 1986, 3663, Randnr. 20, CaixaBank France, Randnr. 21, und vom 29. November 2007, Kommission/Österreich, C‑393/05, Slg. 2007, I‑10195, Randnr. 52 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    51      Jedoch setzt die Rechtfertigung einer Beschränkung der durch den Vertrag verbürgten Grundfreiheiten, abgesehen vom Bestehen eines legitimen Ziels im Hinblick auf das Unionsrecht, voraus, dass die in Frage stehende Maßnahme geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. November 2002, Oteiza Olazabal, C‑100/01, Slg. 2002, I‑10981, Randnr. 43, vom 16. Oktober 2008, Renneberg, C‑527/06, Slg. 2008, I‑7735, Randnr. 81, vom 11. Juni 2009, X und Passenheim-van Schoot, C‑155/08 und C‑157/08, Slg. 2009, I–0000, Randnr. 47, und vom 17. November 2009, Presidente del Consiglio dei Ministri, C‑169/08, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 42). Außerdem ist eine nationale Regelung nur dann geeignet, die Erreichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (vgl. u. a. Urteile Hartlauer, Randnr. 55, und Presidente del Consiglio dei Ministri, Randnr. 42).

    52      Was als Erstes die Ziele der Straßenverkehrssicherheit sowie des Gesundheits- und Umweltschutzes betrifft, so genügt vorbehaltlich der gegebenenfalls vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfung die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung nicht den in der vorstehenden Randnummer dargelegten Anforderungen.

    53      Wie das vorlegende Gericht nämlich selbst hervorgehoben hat, gilt diese Regelung nur für die Errichtung neuer Anlagen. Sie ist also nicht auf bereits bestehende Anlagen anwendbar; andernfalls müssten diese, um die vorgeschriebenen Mindestabstände einzuhalten, schrittweise verlegt werden. Dieser Umstand stellt, worauf das nationale Gericht hingewiesen hat, die Kohärenz der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung in Bezug auf die genannten Ziele in Frage.

    54      Selbst wenn man annähme, dass die Regeln über verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen geeignet sind, die Ziele der Straßenverkehrssicherheit sowie des Gesundheits- und Umweltschutzes zu erreichen, folgt zudem aus den eigenen Feststellungen des vorlegenden Gerichts, dass diese Ziele in angemessenerer Weise erreicht werden könnten, indem im Rahmen der Prüfungsschritte, die von den Gemeinden im Fall eines Antrags auf Eröffnung einer neuen Tankstellenanlage ohnehin vorzunehmen sind, auf die konkrete Situation jeder einzelnen geplanten Anlage abgestellt würde. Wie sich aus Randnr. 4 des vorliegenden Urteils ergibt, betreffen diese Prüfungsschritte u. a. die Vereinbarkeit der Anlage mit den Bestimmungen des Flächennutzungsplans und den Vorschriften über den Gesundheits- und Umweltschutz sowie die Straßenverkehrssicherheit. Unter diesen Umständen geht, wie das vorlegende Gericht selbst ausgeführt hat, die Einführung von Mindestabständen über das hinaus, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist.

    55      Was als Zweites das in der Vorlageentscheidung genannte Ziel der „Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes“ anbelangt, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass rein wirtschaftliche Motive keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses darstellen können, die eine Beschränkung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit rechtfertigen könnten (vgl. Urteil vom 17. März 2005, Kranemann, C‑109/04, Slg. 2005, I‑2421, Randnr. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    56      Zum anderen ist, selbst wenn man annähme, dass dieses Ziel als eines des Verbraucherschutzes einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses und kein rein wirtschaftliches Motiv darstellte, schwerlich ersichtlich, inwiefern eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche geeignet sein kann, die Verbraucher zu schützen oder ihnen Vorteile zu verschaffen. Wie das vorlegende Gericht im Wesentlichen ausgeführt hat, scheint eine solche Regelung vielmehr, indem sie den Marktzugang neuer Wirtschaftsteilnehmer behindert, eher die Position der bereits in Italien ansässigen Wirtschaftsteilnehmer zu stärken, ohne dass die Verbraucher echte Vorteile davon hätten. Jedenfalls scheint diese Regelung über das hinauszugehen, was zur Erreichung eines etwaigen Ziels des Verbraucherschutzes erforderlich ist, worüber erforderlichenfalls das vorlegende Gericht zu befinden hat.

    57      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG dahin auszulegen ist, dass eine innerstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreibt, eine Beschränkung der vom Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit darstellt. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erscheint diese Beschränkung nicht als durch Ziele der Straßenverkehrssicherheit, des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie der Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes gerechtfertigt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

     Kosten

    58      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

    Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG ist dahin auszulegen, dass eine innerstaatliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die verbindliche Mindestabstände zwischen Straßentankstellenanlagen vorschreibt, eine Beschränkung der vom EG-Vertrag gewährleisteten Niederlassungsfreiheit darstellt. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens erscheint diese Beschränkung nicht als durch Ziele der Straßenverkehrssicherheit, des Gesundheits- und Umweltschutzes sowie der Rationalisierung des den Benutzern geleisteten Dienstes gerechtfertigt, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

    Unterschriften


    * Verfahrenssprache: Italienisch.

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