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Dokument 62008CJ0221
Judgment of the Court (Third Chamber) of 4 March 2010.#European Commission v Ireland.#Failure of a Member State to fulfil obligations - Directive 95/59/EC - Taxes other than turnover taxes which affect the consumption of manufactured tobacco - Article 9(1) - Free determination, by manufacturers and importers, of the maximum retail selling prices of their products - National legislation imposing a minimum retail selling price for cigarettes - Justification - Protection of public health - World Health Organisation Framework Convention on Tobacco Control.#Case C-221/08.
Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 4. März 2010.
Europäische Kommission gegen Irland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 95/59/EG - Andere Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer - Art. 9 Abs. 1 - Freie Bestimmung der Kleinverkaufshöchstpreise ihrer Erzeugnisse durch Hersteller und Einführer - Nationale Regelung, die einen Kleinverkaufsmindestpreis für Zigaretten vorschreibt - Rechtfertigung - Schutz der öffentlichen Gesundheit - Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums.
Rechtssache C-221/08.
Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 4. März 2010.
Europäische Kommission gegen Irland.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Richtlinie 95/59/EG - Andere Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer - Art. 9 Abs. 1 - Freie Bestimmung der Kleinverkaufshöchstpreise ihrer Erzeugnisse durch Hersteller und Einführer - Nationale Regelung, die einen Kleinverkaufsmindestpreis für Zigaretten vorschreibt - Rechtfertigung - Schutz der öffentlichen Gesundheit - Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums.
Rechtssache C-221/08.
Sammlung der Rechtsprechung 2010 I-01669
ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2010:113
Rechtssache C-221/08
Europäische Kommission
gegen
Irland
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 95/59/EG – Andere Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer – Art. 9 Abs. 1 – Freie Bestimmung der Kleinverkaufshöchstpreise ihrer Erzeugnisse durch Hersteller und Einführer – Nationale Regelung, die einen Kleinverkaufsmindestpreis für Zigaretten vorschreibt – Rechtfertigung – Schutz der öffentlichen Gesundheit – Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums“
Leitsätze des Urteils
1. Steuerliche Vorschriften – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Andere Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer
(Richtlinie 95/59 des Rates in der durch die Richtlinie 2002/10 geänderten Fassung, Art. 9 Abs. 1)
2. Mitgliedstaaten – Verpflichtungen – Der Kommission übertragene Überwachungsaufgabe – Pflicht der Mitgliedstaaten
(Art. 10 EG und 226 EG)
1. Ein Mitgliedstaat, der Kleinverkaufsmindestpreise für Zigaretten vorschreibt, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer in der durch die Richtlinie 2002/10 geänderten Fassung, da sich mit dieser Regelung nicht unter allen Umständen ausschließen lässt, dass der vorgeschriebene Mindestpreis den Wettbewerbsvorteil beeinträchtigt, der sich für bestimmte Hersteller oder Einführer von Tabakwaren aus niedrigeren Gestehungskosten ergeben könnte. Eine solche Regelung, die ferner den Mindestpreis in Relation zum Durchschnittspreis für die einzelnen Zigarettenkategorien am Markt bestimmt, ist nämlich geeignet, eine Aufhebung der Unterschiede zwischen den Preisen der konkurrierenden Erzeugnisse und eine Ausrichtung dieser Preise am teuersten Erzeugnis zu bewirken. Die Regelung beeinträchtigt daher die in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/59 garantierte Freiheit der Hersteller und der Einführer, ihren Kleinverkaufshöchstpreis zu bestimmen.
Das Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums hat keine Auswirkungen auf die Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59, da es den Vertragsparteien keine konkrete Verpflichtung hinsichtlich der Preispolitik für Tabakerzeugnisse auferlegt, sondern nur Möglichkeiten beschreibt, die Eindämmung des Tabakkonsums betreffende nationale Gesundheitsziele zu berücksichtigen. Denn Art. 6 Abs. 2 dieses Übereinkommens sieht lediglich vor, dass die Vertragsparteien Maßnahmen beschließen oder aufrechterhalten, zu denen die „Umsetzung einer Steuer‑ und gegebenenfalls einer Preispolitik für Tabakerzeugnisse“ gehören kann.
Die Mitgliedstaaten können sich nicht auf Art. 30 EG berufen, um einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 mit dem Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen zu rechtfertigen. Art. 30 EG kann nämlich nicht dahin verstanden werden, dass er andere als die in den Art. 28 EG und 29 EG genannten Maßnahmen der mengenmäßigen Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkung und Maßnahmen gleicher Wirkung zuließe.
Gleichwohl hindert die Richtlinie 95/59 die Mitgliedstaaten nicht daran, die Eindämmung des Tabakkonsums, die dem Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht, weiterzuverfolgen.
(vgl. Randnrn. 45-46, 50-51, 57, Tenor 1)
2. Ein Mitgliedstaat, der nicht die Auskünfte erteilt, die erforderlich sind, damit die Europäische Kommission ihre Aufgabe, die Einhaltung der Richtlinie 95/59 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer in der durch die Richtlinie 2002/10 geänderten Fassung zu kontrollieren, erfüllen kann, verstößt gegen seine Verpflichtungen aus Art. 10 EG.
(vgl. Randnr. 62, Tenor 2)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
4. März 2010(*)
„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 95/59/EG – Andere Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer – Art. 9 Abs. 1 – Freie Bestimmung der Kleinverkaufshöchstpreise ihrer Erzeugnisse durch Hersteller und Einführer – Nationale Regelung, die einen Kleinverkaufsmindestpreis für Zigaretten vorschreibt – Rechtfertigung – Schutz der öffentlichen Gesundheit – Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums“
In der Rechtssache C‑221/08
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 22. Mai 2008,
Europäische Kommission, vertreten durch R. Lyal und W. Mölls als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Irland, vertreten durch D. O’Hagan als Bevollmächtigter im Beistand von G. Hogan, SC, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Beklagter,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Zweiten Kammer J. N. Cunha Rodrigues in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer, der Richterin P. Lindh sowie der Richter A. Rosas, U. Lõhmus und A. Arabadjiev (Berichterstatter),
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2009,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. Oktober 2009
folgendes
Urteil
1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen,
– dass Irland dadurch gegen seine Pflichten aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. L 291, S. 40) in der durch die Richtlinie 2002/10/EG des Rates vom 12. Februar 2002 (ABl. L 46, S. 26) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 95/59) verstoßen hat, dass es Kleinverkaufsmindest‑ und ‑höchstpreise für Zigaretten vorschreibt;
– dass Irland dadurch gegen seine Pflichten aus Art. 10 EG verstoßen hat, dass es die Auskünfte nicht erteilt hat, die erforderlich sind, damit die Kommission ihre Aufgabe, die Einhaltung der Richtlinie 95/59 zu kontrollieren, erfüllen kann.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
2 Die Erwägungsgründe 2, 3 und 7 der Richtlinie 95/59 lauten:
„(2) Ziel des [EG-]Vertrags ist es, eine Wirtschaftsunion mit gesundem Wettbewerb und binnenmarktähnlichen Verhältnissen zu schaffen. Im Bereich der Tabakwaren setzt dies voraus, dass die in den Mitgliedstaaten auf die Erzeugnisse dieses Sektors erhobenen Verbrauchsteuern die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälschen und den freien Verkehr dieser Erzeugnisse im Gemeinsamen Markt nicht behindern.
(3) Die Harmonisierung der Strukturen der Verbrauchsteuern muss insbesondere dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren durch die Folgen der Besteuerung nicht verfälscht wird und dass es zur Öffnung der nationalen Märkte der Mitgliedstaaten kommt.
…
(7) Die Erfordernisse des freien Wettbewerbs bedingen eine freie Preisbildung für alle Gruppen von Tabakwaren.“
3 Art. 2 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„Als Tabakwaren gelten:
a) Zigaretten,
b) Zigarren und Zigarillos,
c) Rauchtabak:
– Feinschnitttabak für selbstgedrehte Zigaretten,
– anderer Rauchtabak
entsprechend den Definitionen in den Artikeln 3 bis 7.“
4 Art. 8 der Richtlinie 95/59 sieht vor:
„(1) In der Gemeinschaft hergestellte Zigaretten und aus Drittländern eingeführte Zigaretten unterliegen in jedem Mitgliedstaat einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis einschließlich Zölle berechneten proportionalen Verbrauchsteuer sowie einer nach Erzeugniseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer.
(2) Der Satz der proportionalen Verbrauchsteuer und der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer müssen für alle Zigaretten gleich sein.
…“
5 Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 bestimmt:
„Als Hersteller gilt jede in der Gemeinschaft niedergelassene natürliche oder juristische Person, die Tabak zu für den Kleinverkauf bestimmten Tabakwaren verarbeitet.
Die Hersteller bzw. ihre Vertreter oder Beauftragten in der Gemeinschaft sowie die Einführer aus Drittländern bestimmen frei für jedes ihrer Erzeugnisse und für jeden Mitgliedstaat, in dem diese Erzeugnisse in den Verkehr gebracht werden sollen, den Kleinverkaufshöchstpreis.
Unterabsatz 2 steht jedoch der Anwendung einzelstaatlicher Rechtsvorschriften über die Preisüberwachung oder die Einhaltung der vorgeschriebenen Preise nicht entgegen, sofern diese Vorschriften mit der Gemeinschaftsregelung vereinbar sind.“
6 Art. 16 dieser Richtlinie sieht vor:
„(1) Der Betrag der spezifischen Verbrauchsteuer auf Zigaretten wird unter Bezugnahme auf Zigaretten der Preisklasse festgelegt, die nach den am 1. Januar jedes Jahres – beginnend am 1. Januar 1978 – vorliegenden Angaben am meisten gefragt ist.
(2) Der spezifische Teilbetrag der Verbrauchsteuer darf weder niedriger als 5 v. H. noch höher als 55 v. H. des Betrags der Gesamtsteuerlast sein, die sich aus der proportionalen Verbrauchsteuer, der spezifischen Verbrauchsteuer und der Umsatzsteuer auf diesen Zigaretten zusammensetzt.
…
(5) Die Mitgliedstaaten können auf Zigaretten, die zu einem Preis verkauft werden, der unter dem Kleinverkaufspreis von Zigaretten der gängigsten Preisklasse liegt, eine Mindestverbrauchsteuer erheben, sofern diese den Betrag der Verbrauchsteuer auf Zigaretten der gängigsten Preisklasse nicht übersteigt.“
7 Die Richtlinie 92/79/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten (ABl. L 316, S. 8) in der durch die Richtlinie 2003/117/EG des Rates vom 5. Dezember 2003 (ABl. L 333, S. 49) geänderten Fassung legt die Mindestsätze und ‑beträge der globalen Verbrauchsteuer auf Zigaretten fest.
8 Mit Beschluss 2004/513/EG des Rates vom 2. Juni 2004 (ABl. L 213, S. 8) wurde das am 21. Mai 2003 in Genf unterzeichnete Rahmenübereinkommen der Weltgesundheitsorganisation zur Eindämmung des Tabakkonsums (im Folgenden: WHO-Übereinkommen) im Namen der Gemeinschaft genehmigt. Art. 6 dieses Übereinkommens („Preisbezogene und steuerliche Maßnahmen zur Verminderung der Nachfrage nach Tabak“) lautet:
„(1) Die Vertragsparteien erkennen an, dass preisbezogene und steuerliche Maßnahmen ein wirksames und wichtiges Mittel zur Verminderung des Tabakkonsums in verschiedenen Bevölkerungsgruppen, insbesondere bei jungen Menschen, sind.
(2) Unbeschadet der souveränen Rechte der Vertragsparteien hinsichtlich der Bestimmung und Festlegung ihrer Steuerpolitik soll jede Vertragspartei ihre nationalen Gesundheitsziele betreffend die Eindämmung des Tabakgebrauchs berücksichtigen und Maßnahmen beschließen oder gegebenenfalls aufrechterhalten; hierzu kann Folgendes gehören:
a) die Umsetzung einer Steuer- und gegebenenfalls einer Preispolitik für Tabakerzeugnisse, um zur Erreichung der Gesundheitsziele beizutragen, die auf eine Verminderung des Tabakkonsums abzielen …
…“
Nationales Recht
9 Nach Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 27/1978 über Tabakerzeugnisse (Kontrolle von Werbung, Sponsoring und Absatzförderung) von 1978 (Tobacco Products [Control of Advertising, Sponsorship and Sales Promotion] Act 1978, No 27/1978) kann der Gesundheitsminister Verordnungen zur Kontrolle und zur Regelung der Tabakwerbung, des Sponsorings und sonstiger Tätigkeiten, die den Absatz von Tabakerzeugnissen fördern sollen oder können, erlassen.
10 Nach Art. 2 Abs. 2 Ziff. i dieses Gesetzes können diese Verordnungen ein „Verbot des Verkaufs von Tabakerzeugnissen zu Preisen, die so weit unter denjenigen liegen, zu denen Tabakerzeugnisse ähnlicher Art zum betreffenden Zeitpunkt verkauft werden, dass der Verkauf zu diesen niedrigeren Preisen nach Ansicht des Ministers [für Gesundheit] eine Form der Absatzförderung darstellt“, vorsehen.
11 Die Verordnung über Tabakerzeugnisse (Kontrolle von Werbung, Sponsoring und Absatzförderung) von 1991 (Tobacco Products [Control of Advertising, Sponsorship and Sales Promotion] Regulations 1991, S. I. No 326/1991, im Folgenden: Verordnung von 1991) ergänzte und ersetzte die Verordnung (Kontrolle von Werbung, Sponsoring und Absatzförderung) (Nr. 2) von 1986 (Tobacco Products [Control of Advertising, Sponsorship and Sales Promotion] Regulations [No 2] Regulations 1986, S. I. No 107/1986, im Folgenden: Verordnung von 1986). Art. 16 der Verordnung von 1991, der Art. 18 der Verordnung von 1986 entspricht, sieht vor:
„(1) Ein Tabakerzeugnis einer bestimmten Marke darf im Einzelhandel nicht zu einem niedrigeren Preis als demjenigen verkauft werden, der sonst für diese Marke verlangt wird.
(2) Ein Tabakerzeugnis einer bestimmten Marke darf im Einzelhandel nicht zu einem niedrigeren Preis als demjenigen zum Verkauf angeboten werden, der sonst für diese Marke verlangt wird, indem ein Bon oder ein ähnliches Dokument verteilt wird.
(3) Im Zusammenhang mit dem Verkauf oder Kauf von Tabakerzeugnissen im Einzelhandel dürfen keine Gutscheine, Rabattmarken, Bons, Prämien, Jetons oder Geschenke (einschließlich Geschenke von Tabakwaren) angeboten werden.“
12 Art. 17 der Verordnung von 1991, der Art. 19 der Verordnung von 1986 entspricht, bestimmt:
„(1) Ein Tabakerzeugnis darf im Einzelhandel nicht zu einem Preis verkauft werden, bezüglich dessen der Minister [für Gesundheit] in Ausübung der ihm durch Art. 2 Abs. 2 Buchst. a des Gesetzes [über Tabakerzeugnisse von 1978] übertragenen Befugnisse die Auffassung vertritt, dass der Verkauf dieses Erzeugnisses zu diesem Preis eine Form der Absatzförderung darstellt.
(2) Die Stellungnahme des Ministers nach Abs. 1 wird dem Betroffenen schriftlich mitgeteilt.“
13 Der Gesundheitsminister erließ 1986 einen Erlass zur Erläuterung der Verordnung von 1986 (Memorandum of Clarification). Dort heißt es in Satz 1 der Nr. 2 zu Art. 19 der Verordnung von 1986:
„Der gewogene Durchschnittspreis aller Zigaretten einer Kategorie, die von den Mitgliedern des Irish Tobacco Manufacturers Advisory Council (Beratender Ausschuss der irischen Tabakhersteller) verkauft werden, wird auf der Grundlage des Nettoabsatzvolumens ab Lager für jede Marke für das vorangegangene Jahr bis zum 31. Dezember und des empfohlenen Einzelhandelspreises ermittelt, der zum Zeitpunkt der Bestimmung des gewogenen Durchschnittspreises jeder Kategorie gilt.“
14 Satz 1 der Nr. 3 dieses Teils des Erlasses lautet: „Eine Form der Absatzförderung liegt vor, wenn der empfohlene Einzelhandelspreis einer Zigarettenmarke mehr als 3 % unter dem gewogenen Durchschnittspreis ihrer Kategorie liegt.“
Vorverfahren
15 Da die Kommission der Auffassung war, dass die irischen Rechtsvorschriften über den Verkauf von Tabakerzeugnissen mit Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 unvereinbar seien, richtete sie am 23. Oktober 2001 ein Aufforderungsschreiben an Irland.
16 Am 27. Juli 2002 ersuchte die Kommission Irland außerdem um Auskünfte zu den geltenden irischen Rechtsvorschriften.
17 Da die Antwort Irlands auf das Aufforderungsschreiben vom 4. September 2002 ihres Erachtens nicht die angeforderten Auskünfte enthielt, übermittelte die Kommission diesem Mitgliedstaat am 1. Oktober 2002 ein erneutes Auskunftsersuchen, das unbeantwortet blieb.
18 Die Kommission richtete daraufhin am 17. Oktober 2003 ein Aufforderungsschreiben und am 9. Juli 2004 eine mit Gründen versehene Stellungnahme an Irland, in denen sie feststellte, dass Irland dadurch, dass es nicht die angeforderten Auskünfte erteilt habe, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 10 EG verstoßen habe. In der mit Gründen versehenen Stellungnahme wurde Irland aufgefordert, die zur Erfüllung dieser Verpflichtungen erforderlichen Maßnahmen binnen zwei Monaten nach Empfang dieser Stellungnahme zu ergreifen.
19 Am 10. Dezember 2004 übersandte der irische Minister für Gesundheit und Kinder dem Direktor für Steuern und die Zollunion bei der Kommission, Herrn Medghoul, ein Schreiben, das eine knappe Darstellung der kürzlich auf dem Gebiet der öffentlichen Gesundheit und des Tabaks erlassenen irischen Rechtsvorschriften und einen Hinweis enthielt, dass diese wegen einer Klage vor den irischen Gerichten noch nicht in Kraft getreten seien. Bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 15. Dezember 2006 (vgl. Randnr. 21 des vorliegenden Urteils) gesetzten Frist waren diese Rechtsvorschriften noch immer nicht in Kraft getreten.
20 Auf Ersuchen der Kommission fand am 10. Februar 2005 ein Treffen mit den irischen Behörden statt.
21 Am 10. April 2006 übersandte die Kommission Irland ein Aufforderungsschreiben und am 15. Dezember 2006 eine neue mit Gründen versehene Stellungnahme, in denen sie geltend machte, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 verstoßen habe, dass es ein System von Kleinverkaufsmindest‑ und ‑höchstpreisen für Zigaretten geschaffen habe. In der mit Gründen versehenen Stellungnahme wurde Irland aufgefordert, binnen zwei Monaten nach ihrem Erhalt die Maßnahmen zu ergreifen, die erforderlich seien, um ihr nachzukommen.
22 Irland antwortete auf diese Stellungnahme mit Schreiben vom 15. Januar 2007, in dem es ausführte, dass die fragliche nationale Regelung zum Schutz der öffentlichen Gesundheit erforderlich sei.
23 Die Kommission erließ daraufhin am 29. Juni 2007 eine ergänzende mit Gründen versehene Stellungnahme. Da sie die Lage in Anbetracht der Antworten von Irland auf ihre mit Gründen versehenen Stellungnahmen weiterhin als unbefriedigend erachtete, hat sie die vorliegende Klage erhoben.
Zur Klage
Zu den Rügen eines Verstoßes gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
24 Auf der Grundlage der ihr vorliegenden Informationen, insbesondere der sich aus dem Protokoll des Treffens vom 10. Februar 2005 ergebenden, trägt die Kommission vor, dass gemäß den fraglichen irischen Rechtsvorschriften und in Anbetracht der Praxis der irischen Behörden für den Kleinverkauf von Zigaretten zum einen Mindestpreise festgesetzt würden, weil es verboten sei, einen Preis zu verlangen, der mehr als 3 % unter dem gewogenen Durchschnittspreis für Zigaretten der maßgeblichen Kategorie liege, und zum anderen Höchstpreise, weil es verboten sei, diesen gewogenen Durchschnittspreis um mehr als 3 % zu überschreiten. Dieses System führe zu einer Beschränkung der Freiheit der Hersteller und der Einführer, die Kleinverkaufshöchstpreise ihrer Erzeugnisse zu bestimmen, und verstoße daher gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59. Wie die anderen vergleichbaren nationalen Regelungen, die vom Gerichtshof geprüft worden seien, verhindere dieses System den Verkauf von Zigaretten zu einem niedrigeren Preis als dem vom betreffenden Mitgliedstaat festgelegten. Diese Schlussfolgerung werde durch Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 3 der Richtlinie 95/59 nicht in Frage gestellt.
25 Dieses System von Mindest- und Höchstpreisen sei auch nicht durch das in Art. 30 EG vorgesehene Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt. Denn es gehe insbesondere aus dem Urteil vom 17. April 2007, AGM.-COS.MET (C‑470/03, Slg. 2007, I‑2749), hervor, dass eine Frage, die Gegenstand einer Harmonisierung gewesen sei, nicht anhand der Bestimmungen des Primärrechts, die Ausnahmen von den Grundfreiheiten vorsähen, geprüft werden könne.
26 Jedenfalls könnten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Kleinverkaufspreise der Tabakerzeugnisse so hoch seien, wie die Eindämmung des Tabakkonsums es erfordere, indem sie eine allgemeine Erhöhung des Niveaus der Besteuerung dieser Erzeugnisse vorsähen oder aber eine spezifische Erhöhung durch Gewichtung der verschiedenen Bestandteile der Verbrauchsteuer und Festsetzung einer Mindestverbrauchsteuer. Die Richtlinien über die Besteuerung von Zigaretten überließen es den Mitgliedstaaten, diese Besteuerung ihren jeweiligen Prioritäten entsprechend anzupassen.
27 Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 sei auch mit dem WHO-Übereinkommen vereinbar. Zum einen verpflichte dieses Übereinkommen die Vertragsparteien nicht zur Anwendung von Mindestpreisen. Zum anderen gewähre es den Mitgliedstaaten kein Recht gegenüber der Gemeinschaft, zwischen dem Einsatz von Steuerpolitik und dem Einsatz von Preispolitik zu wählen, da dieser Gesichtspunkt zur internen Funktionsweise der Gemeinschaft gehöre.
28 Was die Empfehlung 2003/54/EG des Rates vom 2. Dezember 2002 zur Prävention des Rauchens und für Maßnahmen zur gezielteren Eindämmung des Tabakkonsums (ABl. 2003, L 22, S. 31) betreffe, die Irland dafür anführe, dass diese Empfehlung „geeignete Preismaßnahmen für Tabakprodukte …, um vom Tabakkonsum abzuschrecken“, erwähne, so seien die Ausführungen in dieser Empfehlung nicht verbindlich und ließen sich jedenfalls nicht als eine Ermutigung zu einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 auslegen.
29 Darüber hinaus seien Erwägungen im Zusammenhang mit der öffentlichen Gesundheit der Harmonisierung der Verbrauchsteuern auf Tabakerzeugnisse nicht völlig fremd.
30 Irland trägt vor, dass weder die fragliche nationale Regelung noch der Erläuterungserlass von 1986 ein Verbot vorsähen, den gewogenen Durchschnittspreis für die einzelnen Zigarettenkategorien um mehr als 3 % zu überschreiten. Es würden daher keine Höchstpreise vorgeschrieben. Irland räumt ein, dass das Protokoll des Treffens vom 10. Februar 2005 insoweit nicht die Wirklichkeit widerspiegele.
31 Darüber hinaus macht Irland geltend, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59, der vorsehe, dass die Hersteller und die Einführer von Tabakwaren die Kleinverkaufshöchstpreise ihrer Erzeugnisse frei bestimmten, Mindestpreise nicht erwähne und daher die Vorgabe von solchen Mindestpreisen nicht verbiete. Die Vorgabe eines Mindestpreises hindere die Hersteller und die Einführer nur in einem technischen und ganz künstlichen Sinne daran, Höchstpreise festzusetzen. Außerdem ziele das irische System anders als die anderen nationalen Systeme, die der Gerichtshof geprüft habe, nur auf die Eindämmung des Verkaufs von billigen Tabakerzeugnissen ab.
32 Die von der Kommission für ihr Vorbringen, dass Art. 30 EG im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht werden könne, angeführte Rechtsprechung sei auf die vorliegende Rechtssache nicht übertragbar. Im Urteil vom 19. Oktober 2000, Kommission/Griechenland (C‑216/98, Slg. 2000, I‑8921), habe der Gerichtshof anerkannt, dass Art. 30 EG, insbesondere das Ziel des Schutzes des Lebens und der Gesundheit von Menschen, grundsätzlich die Festsetzung von Kleinverkaufsmindestpreisen für Tabakerzeugnisse rechtfertigen könne. Die Mitgliedstaaten verfügten aber über einen weiten Ermessensspielraum hinsichtlich der Erforderlichkeit und der Angemessenheit von Maßnahmen zum Schutz der öffentlichen Gesundheit. Die fragliche irische Regelung erfülle insoweit das Kriterium der Verhältnismäßigkeit. Sie beruhe auf einer legitimen Wahl zwischen der Festsetzung von Mindestpreisen und der Erhöhung des Steuerdrucks.
33 Steuerliche Maßnahmen reichten für sich genommen als Mittel nicht aus, um das Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu erreichen, das darin bestehe, den Verkauf von Billigzigaretten auszuschließen. Die Wirkung dieser Maßnahmen sei ungewiss, weil die Hersteller die Entscheidung treffen könnten, die Erhöhung der Verbrauchsteuern aufzufangen. Außerdem könne Irland nicht wirksam mit einer Mindestverbrauchsteuer gegen den Verkauf von Billigzigaretten vorgehen, ohne den Steuerdruck auf alle Zigaretten, der in Irland ohnehin bereits sehr hoch sei, allgemein zu erhöhen. Überdies bringe die Anhebung der Verbrauchsteuern eine erhöhte Schmuggelgefahr mit sich.
34 Die Verhältnismäßigkeit der irischen Mindestpreisregelung im Hinblick auf dieses Ziel werde durch Nr. 7 der Empfehlung 2003/54 und Art. 6 Abs. 2 Buchst. a des WHO-Übereinkommens bestätigt. Zu der Empfehlung trägt Irland vor, dass Empfehlungen zwar keine verbindlichen Maßnahmen seien, aber doch berücksichtigt werden könnten, wenn sie Aufschluss über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts geben könnten. Das WHO-Übereinkommen schreibe zwar nicht vor, ein Mindestpreissystem anzuwenden, verpflichte die Parteien aber, den Kleinverkaufspreis von Tabakerzeugnissen entweder durch steuerliche Maßnahmen oder durch Preispolitik, je nachdem, was am besten geeignet ist, zu regeln. Irland habe im Rahmen seines Ermessens die Auffassung vertreten, dass die Preispolitik eine geeignete Ergänzung seiner Steuerpolitik darstelle.
35 Schließlich macht Irland geltend, dass der Richtlinie 95/59 ein Wettbewerbsziel zugrunde liege und Erwägungen des Gesundheitsschutzes nicht berücksichtigt würden. Insoweit habe die Kommission kürzlich selbst Änderungen dieser Richtlinie vorgeschlagen (Richtlinienvorschlag KOM[2008] 459 endg.), die überwiegend auf eine Verringerung des Tabakkonsums gerichtet seien. Sie habe auch anerkannt, dass die bestehende Gemeinschaftsregelung erhebliche Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten nicht habe verhindern können und dass diese Unterschiede zu Schmuggel und zu erheblichen grenzüberschreitenden Einkäufen geführt hätten, die Wettbewerbsverzerrungen auf dem Tabakmarkt und Einbußen bei den Haushaltsmitteln der Mitgliedstaaten, die relativ hohe Verbrauchsteuern anwendeten, bewirkten und darüber hinaus die gesundheitspolitischen Ziele unterliefen.
Würdigung durch den Gerichtshof
36 Wie sich aus dem dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 95/59 ergibt, steht diese im Zusammenhang mit einer Politik der Harmonisierung der Strukturen der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren mit dem Ziel, eine Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren zu verhindern und damit die Öffnung der nationalen Märkte der Mitgliedstaaten zu erreichen.
37 Zu diesem Zweck bestimmt Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 95/59, dass in der Gemeinschaft hergestellte Zigaretten und aus Drittländern eingeführte Zigaretten in jedem Mitgliedstaat einer nach dem Kleinverkaufshöchstpreis einschließlich Zöllen berechneten proportionalen Verbrauchsteuer sowie einer nach Erzeugniseinheit berechneten spezifischen Verbrauchsteuer unterliegen (Urteil Kommission/Griechenland, Randnr. 19).
38 Ferner geht aus dem siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 95/59 hervor, dass die Erfordernisse des freien Wettbewerbs eine freie Preisbildung für alle Gruppen von Tabakwaren bedingen.
39 Insoweit sieht Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie vor, dass die Hersteller bzw. ihre Vertreter oder Beauftragten in der Gemeinschaft sowie die Einführer aus Drittländern für jedes ihrer Erzeugnisse den Kleinverkaufshöchstpreis frei bestimmen, um sicherzustellen, dass zwischen ihnen tatsächlich Wettbewerb herrscht (Urteil Kommission/Griechenland, Randnr. 20). Mit dieser Bestimmung soll sichergestellt werden, dass die Ermittlung der Bemessungsgrundlage der proportionalen Verbrauchsteuer auf Tabakwaren, d. h. der Kleinverkaufshöchstpreis dieser Erzeugnisse, in allen Mitgliedstaaten denselben Regeln unterliegt. Damit soll auch, wie die Generalanwältin in Nr. 40 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Freiheit der genannten Wirtschaftsteilnehmer erhalten bleiben, die es ihnen ermöglicht, aus etwaigen niedrigeren Gestehungspreisen tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen.
40 Die Vorgabe eines Kleinverkaufsmindestpreises durch den Staat hat nun aber zur Folge, dass der von den Herstellern und Einführern bestimmte Kleinverkaufshöchstpreis jedenfalls nicht unter diesem verbindlichen Mindestpreis liegen kann. Eine Regelung, die einen solchen Mindestpreis vorschreibt, ist daher geeignet, die Wettbewerbsverhältnisse zu beeinträchtigen, indem bestimmte Hersteller oder Einführer daran gehindert werden, niedrigere Gestehungskosten auszunutzen, um günstigere Kleinverkaufspreise anzubieten.
41 Ein System von Kleinverkaufsmindestpreisen für Tabakwaren kann daher nicht als mit Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 vereinbar angesehen werden, wenn seine Ausgestaltung es nicht unter allen Umständen ausschließt, dass der Wettbewerbsvorteil, der sich für bestimmte Hersteller oder Einführer solcher Erzeugnisse aus niedrigeren Gestehungskosten ergeben könnte, beeinträchtigt wird und es dadurch zu einer Wettbewerbsverzerrung kommt (vgl. Urteile vom 4. März 2010, Kommission/Frankreich, C‑197/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 38, und Kommission/Österreich, C‑198/08, Slg. 2010, I‑0000, Randnr. 30).
42 Die fragliche nationale Regelung ist anhand dieser Grundsätze zu prüfen.
43 Diese Regelung schreibt den auf dem irischen Markt tätigen Herstellern und Einführern einen Kleinverkaufsmindestpreis für Zigaretten vor, der 97 % des gewichteten Durchschnittspreises für die einzelnen Zigarettenkategorien auf diesem Markt entspricht.
44 Dagegen hat die Kommission nicht nachgewiesen, dass diese Regelung den Herstellern und den Einführern einen Kleinverkaufshöchstpreis für Zigaretten vorschreibt.
45 Es ist jedoch festzustellen, dass sich mit dieser Regelung nicht unter allen Umständen ausschließen lässt, dass die vorgeschriebenen Mindestpreise den Wettbewerbsvorteil beeinträchtigen, der sich für bestimmte Hersteller oder Einführer von Tabakwaren aus niedrigeren Gestehungskosten ergeben könnte. Vielmehr ist, wie die Kommission – von Irland unbestritten – in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, eine solche Regelung, die ferner den Mindestpreis in Relation zum Durchschnittspreis am Markt bestimmt, geeignet, eine Aufhebung der Unterschiede zwischen den Preisen der konkurrierenden Erzeugnisse und eine Ausrichtung dieser Preise am teuersten Erzeugnis zu bewirken. Die Regelung beeinträchtigt daher die in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 95/59 garantierte Freiheit der Hersteller und der Einführer, ihren Kleinverkaufshöchstpreis zu bestimmen.
46 Das WHO-Übereinkommen legt den Vertragsparteien, wie die Generalanwältin in den Nrn. 50 und 51 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, keine konkrete Verpflichtung hinsichtlich der Preispolitik für Tabakerzeugnisse auf, sondern beschreibt nur Möglichkeiten, die Eindämmung des Tabakkonsums betreffende nationale Gesundheitsziele zu berücksichtigen. Denn Art. 6 Abs. 2 dieses Übereinkommens sieht lediglich vor, dass die Vertragsparteien Maßnahmen beschließen oder aufrechterhalten, zu denen die „Umsetzung einer Steuer‑ und gegebenenfalls einer Preispolitik für Tabakerzeugnisse“ gehören kann.
47 Auch aus der Empfehlung 2003/54, die im Übrigen nicht verbindlich ist, lassen sich keine konkreten Anhaltspunkte hinsichtlich des Rückgriffs auf Mindestpreissysteme entnehmen. Denn die Passage, auf die sich Irland beruft, bringt lediglich den Gedanken zum Ausdruck, dass hohe Preise von Tabakerzeugnissen zu einer Verringerung des Tabakkonsums führen.
48 Die Richtlinie 95/59 steht jedenfalls, wie sich aus Randnr. 41 des vorliegenden Urteils ergibt, einer Preispolitik dann nicht entgegen, wenn diese nicht den Zielen der Richtlinie zuwiderläuft, insbesondere dem Ziel, eine Verfälschung des Wettbewerbs zwischen den einer gleichen Gruppe angehörenden Kategorien von Tabakwaren auszuschließen.
49 Irland macht auch geltend, dass die fragliche Mindestpreisregelung durch das in Art. 30 EG vorgesehene Ziel des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Menschen gerechtfertigt sei. Die Anhebung der Steuern könne keine hinreichend hohen Preise der Tabakwaren garantieren, weil sie von den Herstellern und den Einführern unter Verzicht auf einen Teil ihrer Gewinnmarge oder sogar unter Inkaufnahme von Verlusten aufgefangen werden könne.
50 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Art. 30 EG nicht dahin verstanden werden kann, dass er andere als die in den Art. 28 EG und 29 EG genannten Maßnahmen der mengenmäßigen Einfuhr- und Ausfuhrbeschränkung und Maßnahmen gleicher Wirkung zuließe (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2002, Kommission/Frankreich, C‑302/00, Slg. 2002, I‑2055, Randnr. 33). Im vorliegenden Fall hat die Kommission aber keine Verletzung dieser letztgenannten Vorschriften geltend gemacht.
51 Gleichwohl hindert die Richtlinie 95/59 Irland nicht daran, die Eindämmung des Tabakkonsums, die dem Ziel des Schutzes der öffentlichen Gesundheit entspricht, weiterzuverfolgen.
52 Auch lässt sich nicht sagen, dass dieses Ziel im Rahmen dieser Richtlinie nicht berücksichtigt worden sei.
53 Wie nämlich im siebten Erwägungsgrund der Richtlinie 2002/10 – mit der die Richtlinie 95/59 zuletzt geändert wurde, wobei Art. 9 allerdings seine ursprüngliche Fassung behielt – erwähnt, verlangt der EG-Vertrag, insbesondere Art. 152 Abs. 1 Unterabs. 1 EG, dass bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken und ‑maßnahmen ein hohes Gesundheitsschutzniveau sichergestellt wird.
54 In diesem Erwägungsgrund heißt es auch, dass die Höhe der Steuern ein wichtiger Faktor für den Preis von Tabakwaren ist und dass dieser wiederum Auswirkungen auf die Rauchgewohnheiten der Verbraucher hat. Außerdem hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Steuervorschriften bei Tabakwaren ein wichtiges und wirksames Instrument zur Bekämpfung des Konsums dieser Waren und damit zum Schutz der öffentlichen Gesundheit darstellen (Urteil vom 5. Oktober 2006, Valeško, C‑140/05, Slg. 2006, I‑10025, Randnr. 58) und dass das Ziel, sicherzustellen, dass für diese Waren hohe Preise festgesetzt werden, in angemessener Weise durch eine erhöhte Besteuerung der Tabakwaren verfolgt werden kann, da sich die Verbrauchsteuererhöhungen früher oder später in einer Erhöhung der Kleinverkaufspreise niederschlagen müssen, ohne dass dies den Grundsatz der freien Preisfestsetzung antasten würde (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Griechenland, Randnr. 31).
55 Darüber hinaus steht es den Mitgliedstaaten, wenn sie definitiv ausschließen möchten, dass die Hersteller oder die Einführer – auch vorübergehend – die Auswirkung der Steuern auf den Kleinverkaufspreis von Tabakwaren dadurch auffangen, dass sie diese nicht kostendeckend verkaufen, insbesondere frei, den Verkauf von Tabakwaren zu einem Preis, der unter der Summe der Gestehungskosten und der Gesamtheit der Abgaben liegt, zu verbieten, dabei aber den Herstellern und Einführern gleichzeitig zu ermöglichen, aus etwaigen niedrigeren Gestehungskosten tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil zu ziehen (vgl. Urteile vom 4. März 2010, Kommission/Frankreich, Randnr. 53, und Kommission/Österreich, Randnr. 43).
56 Nach alledem ist der Klage der Kommission insoweit stattzugeben, als gerügt wird, dass in Irland Kleinverkaufsmindestpreise für Zigaretten vorgeschrieben werden; die Klage ist insoweit abzuweisen, als gerügt wird, dass in diesem Mitgliedstaat Kleinverkaufshöchstpreise für Zigaretten vorgeschrieben werden.
57 Demnach ist festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59 verstoßen hat, dass es Kleinverkaufsmindestpreise für Zigaretten vorschreibt.
Zur Rüge eines Verstoßes gegen Art. 10 EG
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
58 Die Kommission macht geltend, die Mitgliedstaaten seien nach Art. 10 EG verpflichtet, ihr die Erfüllung ihrer Aufgabe insbesondere dadurch zu erleichtern, dass sie den im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren gestellten Auskunftsverlangen nachkämen. Irland habe dadurch gegen seine Verpflichtungen aus dieser Vorschrift verstoßen, dass es trotz der Ersuchen der Kommission vom 27. Juli und 1. Oktober 2002 keine Auskunft über die irischen Rechtsvorschriften erteilt habe. Seine Antwort vom 4. September 2002 auf das Aufforderungsschreiben vom 23. Oktober 2001 habe nämlich nicht die erbetenen Auskünfte enthalten. Darüber hinaus habe Irland weder das Aufforderungsschreiben vom 17. Oktober 2003 noch die mit Gründen versehene Stellungnahme vom 9. Juli 2004 beantwortet. Schließlich sei Irland mit seinem Schreiben vom 10. Dezember 2004 seinen Zusammenarbeitspflichten nicht nachgekommen, weil dieses Schreiben mehr als zwei Jahre nach den Auskunftsverlangen datiere, die an Irland gerichtet worden seien.
59 Irland trägt vor, das Ministerium für Gesundheit und Kinder habe am 30. Mai 2002 eine Kopie der vom Auskunftsverlangen der Kommission erfassten Texte an Herrn Medghoul übermittelt. Am 4. September 2002 habe es sowohl das Aufforderungsschreiben vom 23. Oktober 2001 als auch das Auskunftsverlangen der Kommission beantwortet. Schließlich hätten die irischen Behörden mit Schreiben vom 10. Dezember 2004 die kürzlich erlassenen nationalen Rechtsvorschriften vorgelegt. Die Kommission habe somit volle Kenntnis von den irischen Rechtsvorschriften gehabt. Irland bestreitet daher, gegen seine Verpflichtungen aus Art. 10 EG verstoßen zu haben.
Würdigung durch den Gerichtshof
60 Nach Art. 10 EG müssen die Mitgliedstaaten nach Treu und Glauben an den Untersuchungen der Kommission im Rahmen von Art. 226 EG mitwirken und ihr alle zu diesem Zweck angeforderten Auskünfte erteilen (vgl. Urteil vom 13. Juli 2004, Kommission/Italien, C‑82/03, Slg. 2004, I‑6635, Randnr. 15 und die dort angeführte Rechtsprechung).
61 Bei Ablauf der Frist, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme vom 9. Juli 2004, mit der ein Verstoß gegen Art. 10 EG gerügt wurde, gesetzt war, hatte Irland die angeforderten Auskünfte noch immer nicht erteilt, obwohl es wiederholt dazu aufgefordert worden war. Aus den Akten geht nämlich hervor, dass die irischen Behörden die nationalen Rechtsvorschriften im Bereich Gesundheit und Tabak in ihrer jüngsten Ausgestaltung erst im Schreiben vom 10. Dezember 2004 kurz dargestellt haben.
62 Demnach ist festzustellen, dass Irland dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 10 EG verstoßen hat, dass es nicht die Auskünfte erteilt hat, die erforderlich sind, damit die Kommission ihre Aufgabe, die Einhaltung der Richtlinie 95/59 zu kontrollieren, erfüllen kann.
Kosten
63 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Art. 69 § 3 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Da die Klage der Kommission jedoch trotz der Teilabweisung im Wesentlichen begründet ist, sind die Kosten dem Antrag der Kommission gemäß Irland aufzuerlegen.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Irland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer in der durch die Richtlinie 2002/10/EG des Rates vom 12. Februar 2002 geänderten Fassung verstoßen, dass es Kleinverkaufsmindestpreise für Zigaretten vorschreibt.
2. Irland hat dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Art. 10 EG verstoßen, dass es nicht die Auskünfte erteilt hat, die erforderlich sind, damit die Kommission ihre Aufgabe, die Einhaltung der Richtlinie 95/59 in der durch die Richtlinie 2002/10 geänderten Fassung zu kontrollieren, erfüllen kann.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Irland trägt die Kosten.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Englisch.