Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.
Dokument 62007CJ0295
Judgment of the Court (First Chamber) of 11 December 2008. # Commission of the European Communities v Département du Loiret and Scott SA. # Appeal - State aid - Preferential price of a plot of land - Commission decision - Recovery of aid incompatible with the common market - Present-day value of the aid - Compound interest rate - No statement of reasons - Complete annulment - Lawfulness. # Case C-295/07 P.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 11. Dezember 2008.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Département du Loiret und Scott SA.
Rechtsmittel - Staatliche Beihilfen - Vorzugspreis für ein Grundstück - Entscheidung der Kommission - Rückforderung einer mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe - Aktualisierter Wert der Beihilfe - Zinseszinssatz - Fehlen einer Begründung - Vollständige Nichtigerklärung - Zulässigkeit.
Rechtssache C-295/07 P.
Urteil des Gerichtshofes (Erste Kammer) vom 11. Dezember 2008.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Département du Loiret und Scott SA.
Rechtsmittel - Staatliche Beihilfen - Vorzugspreis für ein Grundstück - Entscheidung der Kommission - Rückforderung einer mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe - Aktualisierter Wert der Beihilfe - Zinseszinssatz - Fehlen einer Begründung - Vollständige Nichtigerklärung - Zulässigkeit.
Rechtssache C-295/07 P.
Sammlung der Rechtsprechung 2008 I-09363
ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2008:707
Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor
In der Rechtssache C‑295/07 P
betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs, eingelegt am 20. Juni 2007,
Kommission der Europäischen Gemeinschaften , vertreten durch J. Flett als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Rechtsmittelführerin,
andere Verfahrensbeteiligte:
Département du Loiret , vertreten durch A. Carnelutti, avocat,
Klägerin im ersten Rechtszug,
Scott SA mit Sitz in Saint-Cloud (Frankreich), Prozessbevollmächtigte: J. Lever, QC, J. Gardner und G. Peretz, Barristers, beauftragt durch R. Griffith und M. Papadakis, Solicitors,
Streithelferin im ersten Rechtszug,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann (Berichterstatter) sowie der Richter M. Ilešič, A. Tizzano, A. Borg Barthet und J.‑J. Kasel,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: R. Grass,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Juni 2008
folgendes
Urteil
1. Mit ihrem Rechtsmittel beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Aufhebung des Urteils des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 29. März 2007, Département du Loiret/Kommission (T‑369/00, Slg. 2007, II‑851, im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem dieses die Entscheidung 2002/14/EG der Kommission vom 12. Juli 2000 betreffend die von Frankreich zugunsten von Scott Paper SA/Kimberly-Clark gewährte staatliche Beihilfe (ABl. 2002, L 12, S. 1, im Folgenden: streitige Entscheidung) für nichtig erklärt hat, soweit diese Entscheidung die Beihilfe betrifft, die in Form des in ihrem Art. 1 genannten Vorzugspreises für ein Grundstück gewährt wurde.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung (EG) Nr. 659/1999
2. Die Verordnung (EG) Nr. 659/1999 des Rates vom 22. März 1999 über besondere Vorschriften für die Anwendung von Artikel [88] des EG‑Vertrags (ABl. L 83, S. 1) sieht in Art. 14 mit der Überschrift „Rückforderung von Beihilfen“ Folgendes vor:
„(1) In Negativentscheidungen hinsichtlich rechtswidriger Beihilfen entscheidet die Kommission, dass der betreffende Mitgliedstaat alle notwendigen Maßnahmen ergreift, um die Beihilfe vom Empfänger zurückzufordern (nachstehend ‚Rückforderungsentscheidung‘ genannt). Die Kommission verlangt nicht die Rückforderung der Beihilfe, wenn dies gegen einen allgemeinen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen würde.
(2) Die aufgrund einer Rückforderungsentscheidung zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen, die nach einem von der Kommission festgelegten angemessenen Satz berechnet werden. Die Zinsen sind von dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zu ihrer tatsächlichen Rückzahlung zahlbar.
(3) Unbeschadet einer Entscheidung des Gerichtshofs … nach Artikel [242] des Vertrags erfolgt die Rückforderung unverzüglich und nach den Verfahren des betreffenden Mitgliedstaats, sofern hierdurch die sofortige und tatsächliche Vollstreckung der Kommissionsentscheidung ermöglicht wird. Zu diesem Zweck unternehmen die betreffenden Mitgliedstaaten im Fall eines Verfahrens vor nationalen Gerichten unbeschadet des Gemeinschaftsrechts alle in ihren jeweiligen Rechtsordnungen verfügbaren erforderlichen Schritte einschließlich vorläufiger Maßnahmen.“
Die Mitteilung über die bei der Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen anzuwendenden Zinssätze
3. In ihrer Mitteilung 2003/C 110/08 vom 8. Mai 2003 über die bei der Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen anzuwendenden Zinssätze (ABl. C 110, S. 21, im Folgenden: Mitteilung von 2003) führt die Kommission aus:
„…
[Es] stellte sich die Frage, ob der Zinssatz nach der Zins- oder der Zinseszinsformel zu berechnen ist … Die Kommission erachtet es daher für dringend notwendig, diesen Punkt … zu klären.
…
Trotz der Unterschiedlichkeit der konkreten Fälle liegt die Wirkung einer rechtswidrigen Beihilfe … darin, dem Begünstigten Mittel zu ähnlichen Bedingungen wie ein mittelfristiges zinsfreies Darlehen zur Verfügung zu stellen. Infolgedessen erscheint die Anwendung der Zinseszinsmethode notwendig, um sicherzustellen, dass die mit der Beihilfe verbundenen finanziellen Vorteile vollständig neutralisiert werden.
Dem entsprechend teilt die Kommission den Mitgliedstaaten und sonstigen Betroffenen mit, dass sie in künftigen Entscheidungen zur Anordnung der Rückforderung rechtswidrig gewährter Beihilfen den Referenzzinssatz für die Berechnung des Nettosubventionsäquivalents regionaler Beihilfen nach der Zinseszinsformel anwenden wird. Im Einklang mit der marktüblichen Praxis sollte die Zinseszinsberechnung auf Jahresbasis erfolgen. Analog erwartet die Kommission von den Mitgliedstaaten, dass sie beim Vollzug ausstehender Rückforderungsentscheidungen den Zinseszins berechne[n], es sei denn, damit würde gegen einen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts verstoßen.“
Verordnung (EG) Nr. 794/2004
4. Die Verordnung (EG) Nr. 794/2004 der Kommission vom 21. April 2004 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 659/1999 (ABl. L 140, S. 1) sieht in Art. 11 mit der Überschrift „Anwendung des Zinssatzes“ Folgendes vor:
„(1) Anzuwenden ist der zu dem Zeitpunkt, ab dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger das erste Mal zur Verfügung gestellt wurde, geltende Zinssatz.
(2) Der Zinssatz wird bis zur Rückzahlung der Beihilfe nach der Zinseszinsformel berechnet. Für die im Vorjahr aufgelaufenen Zinsen sind in jedem folgenden Jahr Zinsen fällig.
(3) Der in Absatz 1 genannte Zinssatz gilt während des gesamten Rückforderungszeitraums bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung. Liegen zwischen dem Zeitpunkt, an dem die rechtswidrige Beihilfe dem Empfänger zum ersten Mal zur Verfügung gestellt wurde und dem Zeitpunkt der Rückzahlung der Beihilfe jedoch über 5 Jahre, so ist der Zinssatz alle 5 Jahre neu zu berechnen, wobei der zum Zeitpunkt der Neuberechnung geltende Satz zugrunde zu legen ist.“
5. Nach Art. 13 Abs. 5 dieser Verordnung findet ihr Art. 11 bei allen Rückforderungsentscheidungen Anwendung, die nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bekannt gegeben wurden.
Vorgeschichte des Rechtsstreits und streitige Entscheidung
6. Die Vorgeschichte des Rechtsstreits, wie sie in den Randnrn. 1 bis 8 des angefochtenen Urteils ausgeführt wird, kann wie folgt zusammengefasst werden.
7. Am 31. August 1987 schlossen die Stadt Orléans, das Département du Loiret (Frankreich) und die Scott SA (im Folgenden: Scott) eine Vereinbarung u. a. über den Verkauf eines Grundstücks an Scott zur Errichtung eines Werks. Diese Vereinbarung sah vor, dass sich das Département du Loiret und die Stadt Orléans bis zu einem Betrag von 80 Millionen FRF (12,2 Mio. Euro) an den Arbeiten für die Erschließung des Standorts zugunsten von Scott beteiligten sollten.
8. Im Januar 1996 wurde Scott von der Gesellschaft Kimberley-Clark Corp. übernommen, die im Januar 1998 die Schließung des Werks ankündigte. Die Vermögenswerte des Werks, d. h. das Grundstück und die Papierfabrik, wurden im Juni 1998 von der Gesellschaft Procter & Gamble übernommen.
9. Nachdem bei der Kommission im Anschluss an einen im November 1996 veröffentlichten Bericht der französischen Cour des comptes eine Beschwerde über die fragliche Beihilfe eingegangen war, unterrichtete sie nach einem Schriftwechsel mit den französischen Behörden von Januar 1997 bis April 1998 diese Behörden mit Schreiben vom 10. Juli 1998 von ihrer Entscheidung vom 20. Mai 1998, das Verfahren nach Art. 93 Abs. 3 EG-Vertrag (jetzt Art. 88 Abs. 2 EG) zu eröffnen.
10. Die streitige Entscheidung wird im angefochtenen Urteil mit folgendem Wortlaut wiedergegeben:
„10 Die [streitige] Entscheidung sieht in ihrer geänderten Fassung vor:
‚Artikel 1
Die staatliche Beihilfe in Form des Vorzugspreises für ein Grundstück und eines Vorzugstarifs für die Abwasserentsorgung, die Frankreich zugunsten von Scott gewährt hat und die sich bei dem Vorzugspreis für das Grundstück auf 39,58 Mio. FRF (6,03 Mio. EUR) beläuft bzw. einen aktualisierten Wert von 80,77 Mio. FRF (12,3 Mio. EUR) erreicht …, ist mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar.
Artikel 2
(1) Frankreich ergreift alle erforderlichen Maßnahmen, um von dem Begünstigten die im Artikel 1 genannte und ihm bereits rechtswidrig zur Verfügung gestellte Beihilfe zurückzufordern.
(2) Die Rückforderung erfolgt unverzüglich nach nationalem Verfahrensrecht, soweit die Verfahren die sofortige Durchführung dieser Entscheidung tatsächlich ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen, die von dem Zeitpunkt an, ab dem sie dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zum Zeitpunkt ihrer Rückzahlung erhoben werden. Die Zinsen werden auf der Grundlage des Bezugssatzes berechnet, der für die Berechnung des Nettosubventionsäquivalents von Beihilfen mit regionaler Zielsetzung gilt.‘
11 Zur Festsetzung der Zinsen führte die Kommission aus (Erwägungsgrund 239 der [streitigen] Entscheidung):
‚Demzufolge haben die französischen Behörden zur Wiederherstellung der Wirtschaftsbedingungen, die das Unternehmen hätte bewältigen müssen, wenn die mit dem Gemeinsamen Markt nicht zu vereinbarenden Beihilfen ihm nicht gewährt worden wären, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die sich aus den Beihilfen ergebenden Vorteile zu beseitigen und die Beihilfen vom Empfänger zurückzufordern.
…‘
12 Somit ist in dem von der Kommission berechneten aktualisierten Wert der zurückzufordernden Beihilfe, nämlich 80,77 Mio. FRF (siehe oben, Randnr. 10), die Anwendung eines bestimmten Zinssatzes ab dem Zeitpunkt der Gewährung der rechtswidrigen Beihilfe bis zum Erlass der [streitigen] Entscheidung berücksichtigt. Dieser Zinssatz entspricht dem von der Kommission zur Bemessung des Beihilfeelements bei staatlicher Subventionierung in Frankreich angewandten Bezugssatz, der ‚seit dem 1. Januar 2000 … 5,7 %‘ beträgt (Erwägungsgründe 172 und 239 der [streitigen] Entscheidung).“
Verfahren im ersten Rechtszug und angefochtenes Urteil
11. Das Département du Loiret erhob mit Klageschrift, die am 4. Dezember 2000 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, Klage gegen die streitige Entscheidung und beantragte, die Entscheidung für nichtig zu erklären, soweit mit ihr die in Form des Vorzugspreises für ein Grundstück gewährte Beihilfe für rechtswidrig erklärt und die Rückzahlung eines Betrags von 39,58 Mio. FRF (6,03 Mio. Euro) oder eines aktualisierten Werts von 80,77 Mio. FRF (12,3 Mio. Euro) angeordnet wird.
12. Scott, die ebenfalls eine Klage auf teilweise Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung beim Gericht eingereicht hatte (Scott/Kommission, T‑366/00), wurde in diesem Verfahren als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Département du Loiret zugelassen.
13. Die Kommission beantragte, die Klage des Département du Loiret als unbegründet abzuweisen.
14. Das Gericht hat mit dem angefochtenen Urteil entschieden, dass die streitige Entscheidung in Bezug auf die Kapitalisierung der Zinsen nicht hinreichend begründet sei. Daher gab es dem fünften Teil des zweiten Klagegrundes statt und erklärte diese Entscheidung für nichtig, soweit sie die Beihilfe betrifft, die in Form des in ihrem Art. 1 genannten Vorzugspreises für ein Grundstück gewährt wurde, ohne die übrigen zur Stützung des Klagebegehrens geltend gemachten Klagegründe und Argumente zu prüfen.
15. Zur Anwendung der Zinseszinsformel hat das Gericht zunächst in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils festgestellt, in der streitigen Entscheidung werde nicht deutlich gemacht, dass in ihr ein Zinseszinssatz angewandt werde. Erst, wenn der Leser den Anfangswert der Beihilfe und deren aktualisierten Wert, wie sie in der Entscheidung angegeben seien, rechnerisch nachvollziehe, könne er ableiten, dass ein Zinseszinssatz angewandt worden sei. Aus welchen Gründen Zinseszinsen und keine einfachen Zinsen berechnet worden seien, werde nicht angegeben.
16. Sodann hat das Gericht in Randnr. 43 des angefochtenen Urteils den Schluss gezogen, dass in der Berechnung von Zinseszinsen im vorliegenden Fall erstmals eine neue und folgenschwere Politik der Kommission zum Ausdruck gekommen sei, die von ihr in keiner Weise erläutert worden sei. Die Kommission hätte in der angefochtenen Entscheidung angeben müssen, dass sie beschlossen habe, die Zinsen zu kapitalisieren, und ihren Ansatz begründen müssen.
17. Nach Randnr. 44 des angefochtenen Urteils bestand eine gesteigerte Verpflichtung zu einer Begründung, da die Berechnung von Zinseszinsen in Anbetracht der Zeit, die zwischen dem Verkauf des Grundstücks und dem Erlass der streitigen Entscheidung vergangen sei, nämlich dreizehn Jahre, erhebliche finanzielle Auswirkungen auf die Höhe der zurückzufordernden Beihilfe gehabt habe.
18. In Randnr. 45 des angefochtenen Urteils hat das Gericht festgestellt, dass die streitige Entscheidung auch in Bezug auf die Höhe des angewandten Zinssatzes unzureichend begründet sei.
19. Zu dem Vorbringen der Kommission, die Anwendung eines Zinseszinssatzes zur Aktualisierung des ursprünglichen Werts der Subvention sei durch das Erfordernis gerechtfertigt, mit der Beseitigung des Vorteils, der dem Begünstigten zugute gekommen sei, wieder einen wirksamen Wettbewerb herzustellen, hat das Gericht in Randnr. 49 des angefochtenen Urteils ausgeführt, dass eine solche Rechtfertigung voraussetze, dass der Begünstigte zu dem betreffenden Zeitpunkt immer noch einen solchen Vorteil besitze und dass die streitige Beihilfe ihrer Form nach der Gewährung eines zinslosen Darlehens über einen Betrag gleichkomme, der dem Wert der ursprünglichen Subvention entspreche. In der streitigen Entscheidung fehle indes jegliche Erläuterung zu diesem Punkt.
20. Hierzu hat das Gericht in Randnr. 50 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass es angesichts der Form der Scott 1987 gewährten Beihilfe, nämlich der Übertragung eines erschlossenen Grundstücks zu einem Vorzugspreis, überhaupt nicht klar sei, ob die Aktualisierung des geschätzten Werts der ursprünglichen Subvention durch Anwendung eines Zinseszinssatzes von 5,7 % im fraglichen Zeitraum zu einer Zahl führe, die dem Wert des Vorteils entspreche, den der Beihilfeempfänger als Eigentümer der Sache im Jahr 2000 genossen habe.
21. Nach Randnr. 51 des angefochtenen Urteils steht darüber hinaus fest, dass Grundstück und Werk 1998 an Procter & Gamble verkauft worden seien. Der von den französischen Behörden angegebene Preis – die Kommission habe nicht bestritten, dass dieser Verkauf zu normalen Marktbedingungen erfolgt sei, und sei bei ihrer Prüfung in der streitigen Entscheidung davon ausgegangen, dass das Grundstück zu diesem Preis verkauft worden sei – liege nicht nur unter dem Wert, den die Kommission für 1987 ermittelt habe, sondern auch unter dem von Scott gezahlten Preis.
22. In Randnr. 52 des angefochtenen Urteils hat das Gericht die Auffassung vertreten, dass es ihm unter diesen Umständen und mangels jeglicher Begründung in der angefochtenen Entscheidung für eine Verbindung zwischen dem angeblichen Vorteil, den Scott im Jahr 2000 besessen habe, und dem Betrag von 80,77 Mio. FRF unmöglich sei, seine gerichtliche Kontrolle hinsichtlich der Frage auszuüben, ob die Anwendung eines Zinseszinssatzes zu einem aktualisierten Wert führe, der dem zu beseitigenden Vorteil entspreche.
23. Schließlich hat das Gericht in Randnr. 53 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass sich in der streitigen Entscheidung ein offensichtlicher Widerspruch finde, da in der Entscheidung ohne irgendeine Begründung hierfür bis zu ihrem Erlass Zinseszinsen berechnet würden und von da an bis zur Rückforderung der Beihilfe einfache Zinsen, weil insoweit nach Art. 2 der Entscheidung die Rückf orderung nach nationalem Recht erfolge, was zur Folge habe, dass zur Berechnung der Zinsen für den Zeitraum vom Erlass der streitigen Entscheidung bis zur Rückforderung der Beihilfe ein einfacher Zinssatz verwendet werde.
Verfahren vor dem Gerichtshof und Anträge der Verfahrensbeteiligten
24. Die Kommission hat mit Rechtsmittelschrift, die am 20. Juli 2007 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, ein Rechtsmittel gegen das angefochtene Urteil eingelegt.
25. Sie beantragt, festzustellen, dass das Rechtsmittel begründet ist, und infolgedessen das angefochtene Urteil in vollem Umfang aufzuheben. Außerdem beantragt sie aufgrund der Entscheidungsreife des Rechtsstreits, diesen abschließend zu entscheiden und die streitige Entscheidung in Bezug auf die Anwendung eines Zinssatzes nach der Zinseszinsformel als hinreichend begründet anzusehen. Hilfsweise beantragt sie für diejenigen Fragen, bezüglich deren der Gerichtshof meint, dass der Rechtsstreit nicht entscheidungsreif ist, die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückzuverweisen.
26. Folglich beantragt die Kommission weiter, dem Département du Loiret seine Kosten und die ihr entstandenen Kosten in den Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht aufzuerlegen und Scott ihre eigenen Kosten in den Verfahren vor dem Gerichtshof und dem Gericht aufzuerlegen.
27. Das Département du Loiret beantragt, das Rechtsmittel insgesamt zurückzuweisen und der Kommission die Kosten dieses Rechtszugs aufzuerlegen.
28. Scott beantragt, das Rechtsmittel der Kommission zurückzuweisen und dieser aufzugeben, ihr, Scott, die für die Verteidigung ihrer Interessen in diesem Rechtszug entstandenen Kosten zu erstatten.
Zum Rechtsmittel
29. Zur Begründung ihres Rechtsmittels führt die Kommission acht Gründe an, die sich auf die folgenden Argumente stützen:
– Eine Entscheidung sei hinreichend begründet, wenn eine einfache mathematische Berechnung die Feststellung erlaube, welche Berechnungsmethode verwendet worden sei;
– die Anwendung eines Zinseszinssatzes sei aufgrund des Ziels, wieder die vorherige Lage herzustellen, in den Gründen der streitigen Entscheidung zwangsläufig stillschweigend enthalten;
– rechtswidrige Beweislastumkehr: dem Département du Loiret obliege es, die behauptete Änderung der Praxis nachzuweisen; die Kommission brauche nicht nachzuweisen, dass eine solche Änderung nicht eingetreten sei;
– die Kommission sei rechtlich nicht zu dem Nachweis verpflichtet, dass der Beihilfeempfänger zum Zeitpunkt der Anordnung der Rückzahlung einen Vorteil besitze;
– das Urteil stütze sich auf Spekulationen und nicht auf Beweise und kehre die Beweislast in Bezug auf den behaupteten Preis für den Verkauf der Vermögenswerte des Werks an Procter & Gamble um;
– ein Verkaufspreis, der elf Jahre nach der Gewährung der Beihilfe angeblich gezahlt worden sei, sei für die Berechnung der Höhe der zurückzufordernden Beihilfe nicht relevant;
– entsprechend der Verpflichtung der Kommission, den Vollzug der abschließenden Entscheidungen im Bereich der staatlichen Beihilfen sicherzustellen, unterliege die Frage, ob für die Rückforderung ein einfacher Zinssatz oder der Zinseszinssatz gelte, sofern die abschließende Entscheidung hierzu schweige, dem Gemeinschaftsrecht und nicht dem nationalen Recht;
– die Frage des Zinssatzes könne von der der Hauptforderung getrennt werden: Es gebe jedenfalls keine rechtliche Grundlage dafür, die streitige Entscheidung für nichtig zu erklären, wenn sie es nur insoweit sei, als sie einen Zinssatz anwende, der höher als der einfache Zinssatz sei.
Zum ersten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
30. Die Kommission ist der Auffassung, dass eine Entscheidung hinreichend begründet sei, wenn eine einfache mathematische Berechnung die Feststellung erlaube, welche Berechnungsmethode verwendet worden sei (im vorliegenden Fall Anwendung der Zinseszinsformel). Alle erforderlichen Angaben seien in der streitigen Entscheidung enthalten, und die Formel sei jedermann bekannt. Das Gericht könne daher die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung insbesondere nicht auf den in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils angeführten Umstand stützen, dass der Leser erst, wenn er die Berechnung rechnerisch nachvollziehe, ableiten könne, dass ein Zinseszinssatz angewandt worden sei.
31. Nach Auffassung des Département du Loiret geht dieser Rechtsmittelgrund ins Leere, da die mit ihm beanstandete Feststellung des Gerichts nicht zur Begründung des Gerichts gehöre, sondern die Beschreibung einer Situation als Ersatz für das Fehlen einer Angabe oder Erklärung in der streitigen Entscheidung bezüglich der zugrunde gelegten Aktualisierungsmethode sei. Tatsächlich habe das Gericht diese Entscheidung für nichtig erklärt, weil sie keinerlei Begründung für die Anwendung dieser Methode enthalten habe, für die es zu jenem Zeitpunkt keinen Präzedenzfall in der Praxis der Kommission gegeben habe.
32. Scott ist ebenfalls der Auffassung, dass es sich nur um eine Tatsachenfeststellung handele, auf die das Gericht die Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung nicht gestützt habe.
Würdigung durch den Gerichtshof
33. Zwar hat das Gericht seine Feststellung in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils, dass in der streitigen Entscheidung nicht deutlich gemacht werde, dass sie einen Zinseszinssatz anwende, und der Leser erst, wenn er den Betrag rechnerisch nachvollziehe, ableiten könne, dass ein Zinseszinssatz angewandt worden sei, im Rahmen seiner Prüfung getroffen, ob die Kommission ihre Entscheidung über die Aktualisierung des Werts der Beihilfe durch die Anwendung von Zinseszinsen hinreichend begründet hat.
34. Wird dieser Abschnitt aber in seinem Kontext gelesen, insbesondere in Verbindung mit den Randnrn. 37 bis 43 des angefochtenen Urteils, so wird deutlich, dass diese Feststellung nur den Charakter einer Vorbemerkung hat und nicht die Grundlage für die Schlussfolgerung des Gerichts in Randnr. 54 des angefochtenen Urteils ist, dass die streitige Entscheidung nicht hinreichend begründet sei. Diese Schlussfolgerung beruht vielmehr auf der gleichfalls in Randnr. 36 des angefochtenen Urteils getroffenen Feststellung, dass die Kommission hätte angeben müssen, aus welchen Gründen sie einen Zinseszinssatz anstelle eines einfachen Zinssatzes anwendet.
35. Der erste Rechtsmittelgrund ist daher zurückzuweisen, weil er ins Leere geht.
Zum zweiten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
36. Unter erneuter Bezugnahme auf Randnr. 36 des angefochtenen Urteils vertritt die Kommission die Auffassung, dass angesichts der erklärten Ziele, den Vorteil zu beseitigen und wieder die vorherige Lage herzustellen, die Anwendung eines Zinseszinssatzes jedenfalls zwangsläufig stillschweigend in der Begründung der streitigen Entscheidung enthalten sei. Die Inflation sei eine moderne ökonomische Erscheinung und drücke sich in jährlichen Zinseszinsen aus. Folglich werde der aktuelle Geldwert nicht zutreffend gemessen und der Vorteil werde nicht beseitigt, wenn nicht ein Zinseszinssatz angewandt werde. Diese Auffassung werde auch durch das Urteil des Gerichts vom 8. Juni 1995, Siemens/Kommission (T‑459/93, Slg. 1995, II‑1675, Randnrn. 96 bis 98) bestätigt.
37. Das Département du Loiret meint erstens, dass angesichts des damals geltenden rechtlichen Rahmens, der Stellungnahmen und der Praxis der Kommission ein Zinseszinssatz zum damaligen Zeitpunkt nicht stillschweigend habe angewandt werden können.
38. Es weist insbesondere darauf hin, dass die Kommission in ihrem Schreiben SG(91) D/4577 vom 4. März 1991 (Mitteilung an die Mitgliedstaaten über die Modalitäten für die Notifizierung von Beihilfen sowie über das Vorgehen im Fall von Beihilfen, die unter Verletzung von Artikel [88] Abs. 3 [EG] gewährt wurden) an die Mitgliedstaaten als Methode der Zinsberechnung ausdrücklich die Berechnungsmethode bezeichnet habe, die im nationalen Recht des Staates, an den sich die Negativentscheidung richte, vorgesehen sei. Am Ende von Nr. 2 Abschnitt 4 dieses Schreibens habe die Kommission nämlich ausgeführt, dass „[die gewährten Beihilfen] gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zurückzuzahlen [sind]; [zuzüglich sind] für die vom Staat gewährten Darlehen … Verzugszinsen zu zahlen“.
39. Dieses Schreiben, dessen Referenzfunktion vom Gerichtshof im Urteil vom 24. September 2002, Falck und Acciaierie di Bolzano/Kommission (C‑74/00 P und C‑75/00 P, Slg. 2002, I‑7869, Randnrn. 164 und 165), anerkannt worden sei, habe hinsichtlich der Verzinsung zum Ausdruck gebracht, welches Recht die Kommission insoweit bis zum Erlass der Verordnung Nr. 794/2004 für anwendbar gehalten habe. Die Mitteilung von 2003 habe das Schreiben nur in Bezug auf die Aktualisierungsmethode geändert.
40. Während des fraglichen Zeitraums seien viele Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsvorschriften davon ausgegangen − und gingen immer noch davon aus −, dass die Zeit durch Anwendung des Normalzinssatzes wertmäßig abgegolten sei.
41. Zweitens könne, wie sich aus dem Urteil des Gerichtshofs vom 26. November 1975, Groupement des fabricants de papiers peints de Belgique u. a./Kommission (73/74, Slg. 1975, 1491), ergebe, die streitige Entscheidung jedenfalls nicht stillschweigend begründet sein, da sie merklich weiter gehe als die früheren Entscheidungen.
42. Scott macht geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund keine Erwiderung auf die Argumente des Gerichts für die Begründung der Nichtigerklärung der streitigen Entscheidung sei und außerdem in Widerspruch zu der gesetzgeberischen Entwicklung und der Praxis der Kommission zu dem betreffenden Zeitpunkt stehe.
Würdigung durch den Gerichtshof
43. Zunächst ist festzustellen, dass das Gericht in Randnr. 35 des angefochtenen Urteils zutreffend die ständige Rechtsprechung wiedergegeben hat, wonach die nach Art. 253 EG vorgeschriebene Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts angepasst sein und die Überlegungen des Gemeinschaftsorgans, das den Rechtsakt erlassen hat, so klar und eindeutig zum Ausdruck bringen muss, dass die Betroffenen ihr die Gründe für die erlassene Maßnahme entnehmen können und das zuständige Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann. Das Begründungserfordernis ist nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Inhalt des Rechtsakts, der Art der angeführten Gründe und nach dem Interesse zu beurteilen, das die Adressaten oder andere durch den Rechtsakt unmittelbar und individuell betroffene Personen an Erläuterungen haben können. In der Begründung brauchen nicht alle tatsächlich oder rechtlich einschlägigen Gesichtspunkte genannt zu werden, da die Frage, ob die Begründung eines Rechtsakts den Erfordernissen des Art. 253 EG genügt, nicht nur anhand seines Wortlauts zu beurteilen ist, sondern auch anhand seines Kontexts sowie sämtlicher Rechtsvorschriften auf dem betreffenden Gebiet (vgl. u. a. Urteile vom 2. April 1998, Kommission/Sytraval und Brink’s France, C‑367/95 P, Slg. 1998, I‑1719, Randnr. 63, und vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America, C‑413/06 P, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 166).
44. Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung auch, dass eine Entscheidung der Kommission, die sich in eine ständige Entscheidungspraxis einfügt, summarisch, insbesondere unter Bezugnahme auf diese Praxis, begründet sein kann; geht sie jedoch über die früheren Entscheidungen merklich hinaus, hat die Kommission ihre Erwägungen explizit darzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteile Groupement des fabricants de papiers peints de Belgique u. a./Kommission, Randnr. 31, sowie vom 30. September 2003, Deutschland/Kommission, C‑301/96, Slg. 2003, I‑9919, Randnrn. 88 und 92).
45. Wie der Generalanwalt in Nr. 38 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, gilt diese Verpflichtung erst recht im Fall einer angeblich stillschweigenden Begründung.
46. Es steht fest, dass sich zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung weder aus einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs oder des Gerichts ergab, dass die Zinsen, die eine zurückzufordernde Beihilfe umfassen muss, auf der Grundlage des Zinseszinssatzes zu berechnen sind. Wie das Gericht in Randnr. 40 des angefochtenen Urteils festgestellt hat, hat die Kommission in ihrer Mitteilung von 2003 vielmehr ausdrücklich eingeräumt, dass sich die Frage gestellt habe, ob Zinseszinsen oder einfache Zinsen zu berechnen seien, und hat es für dringend notwendig erachtet, diesen Punkt zu klären. Sie hat daher den Mitgliedstaaten und den sonstigen Betroffenen mitgeteilt, dass sie in künftigen Entscheidungen über die Anordnung der Rückforderung rechtswidriger Beihilfen einen Zinseszinssatz anwenden werde.
47. Darüber hinaus hat die Kommission in ihrer Antwort vom 11. September 2006 auf ein Schreiben des Gerichts vom 27. Juli 2006 eingeräumt, dass in ihren der streitigen Entscheidung vorangegangenen abschließenden Negativentscheidungen nicht festgelegt worden sei, dass die Zinseszinsformel angewandt werden müsse.
48. Im Übrigen hat die Kommission nach den Feststellungen des Gerichts in Randnr. 42 des angefochtenen Urteils keine einzige Entscheidung vor der streitigen nennen können, in der tatsächlich Zinseszinsen berechnet worden sind. Vor dem Gerichtshof hat die Kommission ohne nähere Erläuterung lediglich erklärt, dass sie dem Gericht bereits Beispiele von Fällen staatlicher Beihilfen mitgeteilt habe, in denen sie einen Zinseszinssatz angewandt habe.
49. Das Gericht hat daher in Randnr. 43 des angefochtenen Urteils zu Recht festgestellt, dass in der Berechnung von Zinseszinsen im vorliegenden Fall erstmals eine neue und folgenschwere Politik der Kommission zum Ausdruck gekommen sei, die von ihr hätte gerechtfertigt werden müssen.
50. Auch wenn in der streitigen Entscheidung festgestellt wurde, dass die sich aus der Beihilfe ergebenden Vorteile beseitigt werden müssten, um wieder die frühere Situation herzustellen, kann daher entgegen dem Vorbringen der Kommission nicht davon ausgegangen werden, dass die Anwendung eines Zinseszinssatzes in der Begründung der streitigen Entscheidung zwangsläufig stillschweigend enthalten war.
51. Daher ist der zweite Rechtsmittelgrund als unbegründet zurückzuweisen.
Zum dritten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
52. Die Kommission macht unter Bezugnahme auf Randnr. 42 des angefochtenen Urteils geltend, dass dieses Urteil die Beweislast in den Verfahren über staatliche Beihilfen und den Verfahren vor dem Gericht zu Unrecht umkehre. Das Département du Loiret habe keinen Nachweis zur Stützung seiner Behauptung beigebracht, dass die Kommission ihre Praxis geändert habe. Jedenfalls sei diese Behauptung von der Kommission insbesondere in ihrer Antwort vom 11. September 2006 auf eine Frage des Gerichts zurückgewiesen worden.
53. Das Département du Loiret ist der Auffassung, dass diese Rüge sach‑ und rechtsirrig sei. Es habe vor dem Gericht den Nichtigkeitsgrund wegen fehlender Begründung unter Berücksichtigung der früheren Praxis hinreichend dargetan; es sei Sache der Kommission gewesen, die naturgemäß ihre eigene Praxis am besten kenne, Ausführungen zu berichtigen, die ihrer Meinung nach unrichtig seien.
54. Scott weist ebenfalls darauf hin, dass das Département du Loiret und sie dem Gericht detailliert dargelegt hätten, dass ihren Nachforschungen zufolge die Kommission einen Zinseszinssatz vor der streitigen Entscheidung noch nie angewandt habe. Der Versuch, sich insoweit auf eine Umkehr der Beweislast zu berufen, gehe völlig fehl.
Würdigung durch den Gerichtshof
55. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Frage, wie die Entscheidungspraxis der Kommission vor der streitigen Entscheidung gewesen sei, grundsätzlich eine Tatsachenfrage ist, die der Gerichtshof im Rahmen eines Rechtsmittels nicht entscheiden kann, da allein das Gericht für die Feststellung und Beurteilung der relevanten Tatsachen sowie die Beweiswürdigung zuständig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juni 2005, Dansk Rørindustri u. a./Kommission, C‑189/02 P, C‑202/02 P, C‑205/02 P bis C‑208/02 P und C‑213/02 P, Slg. 2005, I‑5425, Randnrn. 177 und 180).
56. Dagegen ist der Gerichtshof befugt, zu überprüfen, ob die Vorschriften, die für die Beweislast und das Beweisverfahren gelten, eingehalten worden sind (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. Dezember 1998, Baustahlgewebe/Kommission, C‑185/95 P, Slg. 1998. I‑8417, Randnr. 24, sowie Bertelsmann und Sony Corporation of America, Randnr. 29).
57. Es ist jedoch sogleich daran zu erinnern, dass eine unzureichende Begründung, die gegen Art. 253 EG verstößt, eine Verletzung wesentlicher Formvorschriften im Sinne des Art. 230 EG darstellt und überdies eine Einwendung ist, die der Gemeinschaftsrichter von Amts wegen prüfen kann und muss (Urteile vom 20. Februar 1997, Kommission/Daffix, C‑166/95 P, Slg. 1997, I‑983, Randnr. 24, und Bertelsmann und Sony Corporation of America, Randnr. 174).
58. Das Gericht konnte daher im Rahmen seiner Prüfung, ob die streitige Entscheidung in Bezug auf die Zinsberechnung hinreichend begründet war, die Frage untersuchen, wie die Entscheidungspraxis der Kommission vor der streitigen Entscheidung war, konnte diesem Organ hierzu Fragen stellen und aus der Antwort die gebotenen Schlussfolgerungen ziehen.
59. Dem dritten Rechtsmittelgrund kann folglich nicht stattgegeben werden.
Zum vierten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
60. Unter Bezugnahme auf die Randnrn. 50 und 52 des angefochtenen Urteils macht die Kommission geltend, dass darin zu Unrecht die Schlussfolgerung gezogen werde, sie sei rechtlich zu dem Nachweis verpflichtet gewesen, dass der Beihilfeempfänger zum Zeitpunkt der Anordnung der Rückforderung der Beihilfe einen Vorteil aus ihr ziehe. Diese Betrachtung beruhe auf einem Irrtum über den wesentlichen Gegenstand und den Zweck der Regelung über staatliche Beihilfen, die sich tatsächlich auf den Wettbewerb unter den Mitgliedstaaten und nicht auf den zwischen Unternehmen beziehe. Die Kommission stelle nur für den Zeitpunkt der Gewährung der Beihilfe fest, ob die Voraussetzungen nach Art. 87 Abs. 1 EG erfüllt seien. Sie sei zu einer nochmaligen Prüfung, ob diese Voraussetzungen zum Zeitpunkt des Erlasses einer Rückzahlungsanordnung erfüllt seien, weder verpflichtet noch befugt.
61. Nach Auffassung des Département du Loiret ist dieses Vorbringen nicht begründet, da es dem angefochtenen Urteil eine Tragweite verleihe, die es nicht habe. Das Gericht habe nämlich keineswegs die Prüfung, ob Scott zum Zeitpunkt der Negativentscheidung noch immer einen Vorteil besitze, zu einer neuen Voraussetzung für die Rückforderung machen wollen. Es meine lediglich, dass eine solche Entscheidung es ihm ermögliche, sich zu vergewissern, ob die für diesen Zeitpunkt geltend gemachte Höhe dieses Vorteils sich mit den vorgebrachten Argumenten und den gewählten ökonomischen Parametern rechtfertigen lasse.
62. Scott macht geltend, dass sich das angefochtene Urteil in diesem Punkt auf eine Kritik an dem Fehlen jeglicher Begründung für die Anwendung des Zinseszinssatzes in der streitigen Entscheidung beschränke.
Würdigung durch den Gerichtshof
63. Wie sich aus den Randnrn. 48 bis 52 des angefochtenen Urteils ergibt, wollte das Gericht nicht einen allgemeinen Grundsatz aufstellen, dem zufolge die Kommission die Rückforderung einer Beihilfe nur anordnen kann, wenn sie nachweist, dass der Beihilfeempfänger zum Zeitpunkt der Rückzahlungsanordnung noch immer einen Vorteil aus dieser Beihilfe zieht. Die Ausführungen des Gerichts zu der Frage, ob der Beihilfeempfänger zu diesem Zeitpunkt noch einen Vorteil aus der Beihilfe zieht, gehören eindeutig zu dem Teil der Untersuchung, in dem geprüft worden ist, ob die Anwendung eines Zinseszinssatzes durch das Erfordernis gerechtfertigt ist, den dem Beihilfeempfänger zugeflossenen Vorteil zu beseitigen.
64. Dieser Rechtsmittelgrund ist daher unbegründet, soweit er auf einem Fehlverständnis des angefochtenen Urteils beruht. Er greift im Übrigen auch nicht durch, da die Feststellung des Gerichts in Randnr. 43 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission in keiner Weise erläutert habe, warum sie erstmals Zinseszinsen berechne, für sich allein bereits die Schlussfolgerung in Randnr. 54 des angefochtenen Urteils trägt, dass die streitige Entscheidung nicht hinreichend begründet sei.
Zum fünften Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
65. Unter Berufung auf Randnr. 51 des angefochtenen Urteils meint die Kommission, dass dieses Urteil sich rechtswidrig auf Spekulationen und nicht auf Beweise hinsichtlich des 1998 angeblich gezahlten Preises für die Veräußerung der Vermögenswerte des Werkes an Procter & Gamble stütze. Unter Hinweis auf die sowohl vor ihr als auch vor dem Gericht geltenden Vorschriften über die Beweislast führt die Kommission aus, dass der streitigen Entscheidung zufolge jedenfalls kein Nachweis für einen solchen Veräußerungspreis erbracht worden sei.
66. Das Département du Loiret macht geltend, dass dieser Rechtsmittelgrund eine ergänzende Randnummer betreffe, in der ein Umstand unter anderen dargestellt werde, und die Tatsachenwürdigung durch das Gericht in Frage stellen wolle. Er sei deshalb unzulässig.
67. Scott macht geltend, dass in der beanstandeten Randnummer des angefochtenen Urteils lediglich die tatsächliche Situation vor dem Gericht beschrieben werde, so dass die Kommission deren Inhalt nicht in Frage stellen könne. Außerdem könne diese Randnummer aus dem Urteil entfernt werden, ohne dass das angefochtene Urteil insoweit kritisiert werden könnte.
Würdigung durch den Gerichtshof
68. Der fünfte Rechtsmittelgrund betrifft eine Passage des angefochtenen Urteils, in der das Gericht im Rahmen seiner Prüfung, ob die Anwendung eines Zinseszinssatzes durch das Erfordernis gerechtfertigt war, den dem Beihilfeempfänger zugeflossenen Vorteil zu beseitigen, seine Zweifel in Bezug auf den Wert des Vorteils zum Ausdruck bringen wollte, den Scott zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung besaß.
69. Er geht daher ebenso wie der vierte Rechtsmittelgrund ins Leere, da die Feststellung des Gerichts in Randnr. 43 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission in keiner Weise erläutert habe, warum sie erstmals einen Zinseszinssatz angewandt habe, für sich allein bereits die Schlussfolgerung in Randnr. 54 des angefochtenen Urteils trägt, dass die streitige Entscheidung nicht hinreichend begründet sei.
Zum sechsten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
70. Unter Bezugnahme auf die Randnrn. 51 und 52 des angefochtenen Urteils macht die Kommission geltend, dass das Urteil den Preis, der 1998, d. h. elf Jahre nach der Gewährung der Beihilfe, für die Veräußerung der Vermögenswerte des Werkes an Procter & Gamble angeblich gezahlt worden sei, zu Unrecht als für die Berechnung der Höhe der zurückzufordernden staatlichen Beihilfe relevant ansehe.
71. Es bestehe kein Zweifel, dass Scott eine erhebliche staatliche Beihilfe erhalten habe. Es gebe mehrere Gründe, die eine Verringerung des Wertes des Vermögens erklären könnten. Der Wert einer rechtswidrigen und mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbaren Beihilfe werde für den Zeitpunkt ihrer Gewährung berechnet, und das Ziel, wieder die frühere Lage herzustellen, schließe zwangsläufig die Erhebung von Zinseszinsen ein, unabhängig davon, was der Beihilfeempfänger in der Zwischenzeit mit der Beihilfe gemacht habe.
72. Nach Auffassung des Département du Loiret ist dieser Rechtsmittelgrund unzulässig, weil er sich gegen eine Tatsachenwürdigung des Gerichts richte. Zudem enthielten die Randnrn. 50 und 51 des angefochtenen Urteils eine ergänzende Begründung; etwaige gegen sie vorgebrachte Rügen gingen daher ins Leere. Scott bringt die gleichen Argumente vor wie im Rahmen des fünften Rechtsmittelgrundes.
Würdigung durch den Gerichtshof
73. Wie der fünfte Rechtsmittelgrund bezieht sich auch der sechste Rechtsmittelgrund auf eine Passage des angefochtenen Urteils, mit der das Gericht im Rahmen seiner Prüfung, ob die Anwendung eines Zinseszinssatzes durch das Erfordernis gerechtfertigt war, den dem Beihilfeempfänger zugeflossenen Vorteil zu beseitigen, seine Zweifel in Bezug auf den Wert des Vorteils zum Ausdruck bringen wollte, den Scott zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung besaß.
74. Er geht deshalb ebenfalls ins Leere, da die Feststellung des Gerichts in Randnr. 43 des angefochtenen Urteils, dass die Kommission in keiner Weise erläutert habe, warum sie erstmals einen Zinseszinssatz angewandt habe, für sich allein bereits die Schlussfolgerung in Randnr. 54 des angefochtenen Urteils trägt, dass die streitige Entscheidung nicht hinreichend begründet sei.
Zum siebten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
75. Unter Bezugnahme auf Randnr. 53 des angefochtenen Urteils meint die Kommission, dass das Urteil zu Unrecht davon ausgehe, dass in den „nationalen Verfahren“ zu klären sei, ob der Zinssatz für die Rückforderung ein einfacher oder ein Zinseszinssatz sei, sofern eine abschließende Entscheidung im Bereich staatlicher Beihilfen hierzu schweige.
76. Die Notwendigkeit, einen Zinseszinssatz anzuwenden, sei ganz wie der Zinssatz selbst eine materiell-rechtliche und keine verfahrensrechtliche Frage. Es handele sich um eine wesentliche Frage des Gemeinschaftsrechts, denn Ziel sei es, den Vorteil in seiner Gesamtheit zu beseitigen und wieder die vorherige Lage herzustellen. Daher müsse die Entwicklung des Geldwerts korrekt berechnet werden.
77. Wenn die Anwendung eines Zinseszinssatzes eine verfahrensrechtliche Frage wäre, wäre die Verordnung Nr. 794/2004 per definitionem rechtswidrig, da sie in die Bereiche übergriffe, die nach Art. 14 Abs. 3 der Verordnung Nr. 659/1999 in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fielen.
78. Das Département du Loiret meint, dass dieser Rechtsmittelgrund keinen Erfolg haben könne. Auch wenn die Methode der Aktualisierung einer für rechtswidrig erklärten staatlichen Beihilfe eine materiell-rechtliche Frage sei, die dem Gemeinschaftsrecht unterliege, so habe dieses doch damals auf das nationale Recht verwiesen, sofern die abschließende Entscheidung hierzu schweige.
79. Scott meint, dass die streitige Entscheidung unter Berücksichtigung der Rechtslage, wie sie insbesondere der Randnr. 88 des Urteils Siemens/Kommission zu entnehmen sei, und der seinerzeitigen Praxis vernünftigerweise nicht dahin ausgelegt werden könne, dass sie die französischen Behörden angewiesen habe, über die Vorschriften des nationalen Rechts hinauszugehen und zur Aktualisierung der Höhe der Rückforderung zwischen dem Zeitpunkt der fraglichen Entscheidung und dem Zeitpunkt der tatsächlichen Rückzahlung eine Zinseszinsberechnung durchzuführen.
Würdigung durch den Gerichtshof
80. Art. 2 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der streitigen Entscheidung bestimmt:
„Die Rückforderung [der fraglichen Beihilfe] erfolgt unverzüglich nach nationalem Verfahrensrecht, soweit die Verfahren die sofortige Durchführung dieser Entscheidung tatsächlich ermöglichen. Die zurückzufordernde Beihilfe umfasst Zinsen, die von dem Zeitpunkt an, ab dem sie dem Empfänger zur Verfügung stand, bis zum Zeitpunkt ihrer Rückzahlung erhoben werden.“
81. Dieser Wortlaut ist unter Berücksichtigung des Stands des Gemeinschaftsrechts und der Praxis der Kommission in Bezug auf die Aktualisierung des zurückzufordernden Beihilfebetrags, wie sie sich zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung darstellten, zu verstehen.
82. Wie in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils festgestellt wurde, ergab sich zum Zeitpunkt des Erlasses der streitigen Entscheidung weder aus einer Bestimmung des Gemeinschaftsrechts noch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs oder des Gerichts, ob die Zinsen, die eine zurückzufordernde Beihilfe umfassen muss, auf der Grundlage des Normalzinssatzes oder des Zinseszinssatzes zu berechnen sind.
83. Zwar ist die Methode der Aktualisierung einer staatlichen Beihilfe eine materiell-rechtliche und keine verfahrensrechtliche Frage, doch heißt es, wie das Département du Loiret zutreffend ausgeführt hat, im Schreiben SG(91) D/4577 der Kommission vom 4. März 1991 an die Mitgliedstaaten, dass im Rahmen der abschließenden Entscheidung, mit der die Kommission die Unvereinbarkeit einer Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt feststellt, „die bereits unrechtmäßig gewährten Beihilfen gemäß den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften zurückzuzahlen [sind]; [zuzüglich sind] für die vom Staat gewährten Darlehen … vom Zeitpunkt der unrechtmäßigen Gewährung der Beihilfen an Verzugszinsen zu zahlen“.
84. Dieses Schreiben verknüpfte mithin die Frage der Erhebung von Zinsen mit den Modalitäten des Verfahrens der Rückforderung und verwies insoweit auf das nationale Recht. Erst mit ihrer Mitteilung zu überholten Dokumenten über staatliche Beihilfen (ABl. 2004, C 115, S. 1) informierte die Kommission die Mitgliedstaaten und interessierte Dritte, dass sie nicht mehr beabsichtige, sich auf dieses Schreiben zu stützen, das sie im Übrigen wie die anderen von dieser Mitteilung erfassten Texte als „[Text] über Verfahrensfragen im Bereich staatlicher Beihilfen“ qualifizierte.
85. Da die streitige Entscheidung keinen ausdrücklichen Hinweis enthält, dass die zurückzufordernde Beihilfe auf der Grundlage eines Zinseszinssatzes zu aktualisieren ist, und zudem das französische Recht unbestritten die Anwendung eines einfachen Zinssatzes vorsieht, hat das Gericht Art. 2 Abs. 2 der streitigen Entscheidung zu Recht dahin ausgelegt, dass diese Bestimmung zur Folge hatte, dass die Zinsen für den Zeitraum vom Erlass der streitigen Entscheidung bis zur Rückforderung der Beihilfe nach der Zinsformel zu berechnen waren, so dass die streitige Entscheidung aus diesem Grund offensichtlich widersprüchlich war.
86. Folglich ist auch der siebte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.
Zum achten Rechtsmittelgrund
Vorbringen der Verfahrensbeteiligten
87. Die Kommission macht geltend, das angefochtene Urteil sei unverhältnismäßig, da es die streitige Entscheidung insgesamt (soweit sie das Grundstück und das Werk betreffe) auf der Grundlage von Schlussfolgerungen für nichtig erkläre, die nur die Begründung für die Anwendung der Zinseszinsformel beträfen. Die Frage der Zinsen hätte von der Frage der Hauptforderung getrennt werden können und müssen, und die Frage der Zinseszinsen hätte von der Frage der einfachen Verzinsung getrennt werden können und müssen. Der ursprüngliche, in der streitigen Entscheidung festgestellte Betrag der Beihilfe und die Anwendung der Zinsformel seien im angefochtenen Urteil nicht beanstandet worden.
88. Der achte Rechtsmittelgrund verändere den Streitgegenstand nicht. Die in Art. 58 Abs. 1 Satz 2 der Satzung des Gerichtshofs aufgezählten Rechtsmittelgründe bezögen sich per definitionem auf Fragen, die in einem Urteil des Gerichts auftreten oder aufgegriffen werden könnten. In der vorliegenden Rechtssache verstoße das angefochtene Urteil selbst gegen das Gemeinschaftsrecht.
89. Es sei äußerst ungerecht und unvereinbar mit dem Erfordernis eines effektiven Rechtsschutzes, dass ein Urteil (das in der vorliegenden Rechtssache gegen die Kommission ergangen sei) trotz eines Rechtsirrtums aufrechterhalten werde, ohne dass eine erneute Prüfung im Rechtsmittelverfahren möglich sei. Diese Schlussfolgerung ergebe sich aus Art. 113 § 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der an die Grundregel erinnere, dass ein Antrag auf vollständige oder teilweise Aufhebung einer Entscheidung des Gerichts per definitionem Fragen betreffe, die Gegenstand eines Rechtsmittels sein könnten.
90. Außerdem sei der achte Rechtsmittelgrund nicht mit den vom Gericht festgestellten Nichtigkeitsgründen selbst, sondern vielmehr mit deren Folgen verbunden. Es sei nicht Sache des Beklagten vor Gericht, für einen Kläger oder das Gericht von sich aus zu prüfen, welche verschiedenen Folgen es haben könne, wenn die gegnerische Partei obsiege. Dies würde den Beklagten dazu verpflichten, umfassende Hilfserwägungen auf der Grundlage von Vermutungen anzustellen, welche Entscheidung das Gerichts treffen könnte oder nicht.
91. Das Département du Loiret und Scott sind der Auffassung, dass dieser Rechtsmittelgrund unzulässig sei, da er den Streitgegenstand erweitere und einen neuen Antrag darstelle, denn die Kommission habe zu keinem Zeitpunkt das Gericht um eine Beschränkung auf eine teilweise Nichtigerklärung gebeten, obwohl die Methode der Aktualisierung ausdrücklich gerügt worden sei.
92. Im Übrigen führe die Trennung zwischen dem Normalzinssatz und dem Zinseszinssatz, die der Gerichtshof im Rahmen dieses Rechtsmittelgrundes erwägen solle, um das angefochtene Urteil abzuändern, zu einer wesentlichen Änderung der streitigen Entscheidung selbst, obwohl das Gericht im Bereich staatlicher Beihilfen keine Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung habe. Die Methode der Zinsberechnung sei eine Komponente, die integraler Bestandteil der Berechnung des endgültigen Beihilfebetrags sei. Die Begründung für ihre Anwendung sei ebenso wichtig wie die für die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Beihilfe und für die Berechnung ihrer Höhe vor der Aktualisierung. Ihre letztlich bestehende Untrennbarkeit verbiete eine teilweise Nichtigerklärung.
Würdigung durch den Gerichtshof
– Zur Zulässigkeit des achten Rechtsmittelgrundes
93. Nach Art. 58 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs ist das beim Gerichtshof eingelegte Rechtsmittel auf Rechtsfragen beschränkt; es kann u. a. auf eine Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch das Gericht gestützt werden.
94. Art. 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs sieht zudem vor, dass das Rechtsmittel den vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand nicht verändern kann.
95. Nach ständiger Rechtsprechung sind die Befugnisse des Gerichtshofs grundsätzlich auf die Beurteilung der rechtlichen Entscheidung über das im ersten Rechtszug erörterte Vorbringen beschränkt (Urteile vom 1. Juni 1994, Kommission/Brazzelli Lualdi u. a., C‑136/92 P, Slg. 1994, I‑1981, Randnr. 59, sowie vom 1. Februar 2007, Sison/Rat, C‑266/05 P, Slg. 2007, I‑1233, Randnr. 95).
96. Mit diesem Rechtsmittelgrund will die Kommission nicht die rechtliche Entscheidung des Gerichts als solche über ein vor ihm erörtertes Vorbringen beanstanden. Sie beanstandet vielmehr die Folgerungen, die das Gericht aus seiner Feststellung abgeleitet hat, dass der fünfte Teil des zweiten vom Département du Loiret geltend gemachten Klagegrundes durchgreife, wonach die Kommission ihre Entscheidung, den Wert der Beihilfe durch die Festsetzung von Zinseszinsen zu aktualisieren, nicht hinreichend begründet habe. Nach Auffassung der Kommission hat das Gericht nämlich zu Unrecht, weil unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auf der Grundlage allein dieser Feststellung die streitige Entscheidung insgesamt für nichtig erklärt, soweit sie die Beihilfe betrifft, die in Form des Vorzugspreises für das fragliche Grundstück gewährt wurde.
97. Wenn der Gerichtshof befugt ist, die rechtliche Entscheidung über das vor dem Gericht erörterte Vorbringen zu beurteilen, muss er, soll das Rechtsmittelverfahren nicht zu einem erheblichen Teil seinen Sinn einbüßen, auch befugt sein, die rechtlichen Folgerungen zu beurteilen, die das Gericht aus einer solchen Entscheidung ableitet, die ebenfalls eine Rechtsfrage darstellen.
98. In diesem Zusammenhang ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass die konkreten Folgerungen, die das Gericht gegebenenfalls in seinem Urteil aus der Feststellung der Begründetheit eines Klagegrundes ableiten kann, von den Parteien während des Verfahrens vor dem Gericht nicht unbedingt vorhergesehen werden können.
99. Somit kann ein Rechtsmittelgrund, der sich gegen eine rechtliche Folgerung richtet, die das Gericht aus seiner rechtlichen Entscheidung über ein vor ihm verhandeltes Vorbringen gezogen hat, nicht als „[Veränderung des] vor dem Gericht verhandelten Streitgegenstand[s]“ im Sinne von Art. 113 § 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs angesehen werden.
100. Außerdem stellt der achte Klagegrund entgegen dem Vorbringen des Département du Loiret und von Scott auch keinen neuen, gemäß Art. 113 § 1 zweiter Gedankenstrich der Verfahrensordnung unzulässigen Antrag dar.
101. Wie der Generalanwalt nämlich in Nr. 93 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, umfasst der vor dem Gericht gestellte Antrag der Kommission auf Abweisung der Klage des Département zu Loiret auch den engeren Antrag nur auf eine – eventuelle – Teilabweisung.
102. Folglich ist die vom Département du Loiret und von Scott gegen den achten Rechtsmittelgrund erhobene Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen.
– Zur Begründetheit des achten Rechtsmittelgrundes
103. Gemäß Art. 231 Abs. 1 EG und Art. 224 Abs. 6 EG erklärt das Gericht, wenn die Klage begründet ist, die angefochtene Handlung für nichtig.
104. Insoweit ist festzustellen, dass allein die Tatsache, dass das Gericht einen von der klagenden Partei zur Stützung ihrer Nichtigkeitsklage geltend gemachten Klagegrund für begründet hält, ihm nicht erlaubt, den angefochtenen Rechtsakt ohne weiteres insgesamt für nichtig zu erklären. Eine vollständige Nichtigerklärung kann nämlich nicht erfolgen, wenn der betreffende Klagegrund, der nur einen spezifischen Aspekt des angefochtenen Rechtsakts betrifft, ganz offensichtlich allein eine teilweise Nichtigerklärung rechtfertigen kann.
105. Andererseits ist nach ständiger Rechtsprechung die teilweise Nichtigerklärung eines Gemeinschaftsrechtsakts nur möglich, soweit sich die Teile, deren Nichtigerklärung beantragt wird, vom Rest des Rechtsakts trennen lassen (Urteil vom 24. Mai 2005, Frankreich/Parlament und Rat, C‑244/03, Slg. 2005, I‑4021, Randnr. 12 und die dort angeführte Rechtsprechung).
106. Dieses Erfordernis der Abtrennbarkeit ist nicht erfüllt ist, wenn die teilweise Nichtigerklärung eines Rechtsakts zur Folge hätte, dass der Wesensgehalt dieses Aktes verändert würde (Urteil Frankreich/Parlament und Rat, Randnr. 13).
107. Im vorliegenden Fall beeinflusst die Frage, ob der ursprüngliche Betrag der Beihilfe durch die Anwendung eines Normalzinssatzes oder eines Zinseszinssatzes zu aktualisieren ist, unbestreitbar nicht die in der streitigen Entscheidung getroffene Feststellung, dass die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar und zurückzufordern ist.
108. Insbesondere unterscheidet der verfügende Teil der streitigen Entscheidung selbst in Art. 1 zwischen dem ursprünglichen Betrag der fraglichen Beihilfe und dem aktualisierten Betrag. Der streitigen Entscheidung oder dem angefochtenen Urteil lässt sich nichts entnehmen, was dagegen spräche, die Frage der Zinsen als vom ursprünglichen Betrag der Beihilfe abtrennbar anzusehen.
109. Dagegen kann entgegen dem Vorbringen der Kommission dem Gericht nicht vorgeworfen werden, dass es die Frage des Zinseszinssatzes nicht von der des Normalzinssatzes getrennt hat. Zum einen hätte das Gericht nämlich nicht die durch Anwendung eines Zinseszinssatzes vorgenommene Aktualisierung des ursprünglichen Beihilfebetrags durch eine Aktualisierung unter Anwendung eines Normalzinssatzes ersetzen können, ohne das Wesen der streitigen Entscheidung zu verändern. Zum anderen hat das Gericht in den Randnrn. 45 bis 47 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass die Begründung der streitigen Entscheidung auch in Bezug auf die Verwendung eines Zinssatzes von 5,7 % für einen Zeitraum von dreizehn Jahren unzureichend sei.
110. Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass dem achten Rechtsmittelgrund stattzugeben ist, soweit mit ihm gerügt wird, dass das Gericht die Frage der Zinsen nicht von der der Hauptforderung getrennt und die streitige Entscheidung insgesamt, soweit sie das Grundstück und das Werk betrifft, auf der Grundlage von Feststellungen für nichtig erklärt hat, die nur die Begründung der Aktualisierung des ursprünglichen Beihilfebetrags betreffen.
Zur Zurückverweisung der Rechtssache an das Gericht
111. Nach Art. 61 Abs. 1 seiner Satzung hebt der Gerichtshof, wenn das Rechtsmittel begründet ist, die Entscheidung des Gerichts auf. Er kann sodann den Rechtsstreit selbst endgültig entscheiden, wenn dieser zur Entscheidung reif ist, oder die Sache zur Entscheidung an das Gericht zurückverweisen.
112. Da das Gericht lediglich den fünften Teil des zweiten vom Département du Loiret zur Begründung seiner Klage vorgetragenen Klagegrundes geprüft hat, hält der Gerichtshof den vorliegenden Rechtsstreit nicht für entscheidungsreif. Deshalb ist die Sache an das Gericht zurückzuverweisen.
113. Da die Sache an das Gericht zurückverwiesen wird, ist die Entscheidung über die Kosten des vorliegenden Rechtsmittelverfahrens vorzubehalten.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Erste Kammer) für Recht erkannt und entschieden:
1. Das Urteil des Gerichts erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften vom 29. März 2007, Département du Loiret/Kommission (T‑369/00), wird aufgehoben.
2. Die Rechtssache wird an das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften zurückverwiesen.
3. Die Kostenentscheidung bleibt vorbehalten.