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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62004CJ0347

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 29. März 2007.
Rewe Zentralfinanz eG gegen Finanzamt Köln-Mitte.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Köln - Deutschland.
Niederlassungsfreiheit - Körperschaftsteuer - Sofortiger Ausgleich von Verlusten der Muttergesellschaften - Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften.
Rechtssache C-347/04.

Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-02647

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2007:194

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In der Rechtssache C‑347/04

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 15. Juli 2004, beim Gerichtshof eingegangen am 13. August 2004, in dem Verfahren

Rewe Zentralfinanz eG als Gesamtrechtsnachfolgerin der ITS Reisen GmbH

gegen

Finanzamt Köln-Mitte

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters J. Klučka, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. Makarczyk und L. Bay Larsen (Berichterstatter),

Generalanwalt: M. Poiares Maduro,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. März 2006,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Rewe Zentralfinanz eG, vertreten durch Rechtsanwalt M. Lausterer,

– des Finanzamts Köln-Mitte, vertreten durch B. Redmann als Bevollmächtigten,

– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und U. Forsthoff als Bevollmächtigte,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und D. Triantafyllou als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 31. Mai 2006

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG), 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG), 67 bis 73 EG-Vertrag (durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben), 73b bis 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG bis 58 EG), 73e EG-Vertrag (durch den Vertrag von Amsterdam aufgehoben) sowie der Art. 73f und 73g EG-Vertrag (jetzt Art. 59 EG und 60 EG).

2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der in Deutschland niedergelassenen Rewe Zentralfinanz eG (im Folgenden: Rewe) als Gesamtrechtsnachfolgerin der ITS Reisen GmbH (im Folgenden: ITS) und dem Finanzamt Köln-Mitte wegen der Nichtberücksichtigung von Verlusten aus Teilwertabschreibungen auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften als abzugsfähige Betriebsausgaben bei der Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns in den Steuerjahren 1993 und 1994.

Nationales Recht

3. Nach dem im Ausgangsverfahren anwendbaren § 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1991 (im Folgenden: KStG 1991) sind gebietsansässige Gesellschaften mit ihren weltweit erwirtschafteten Einkünften in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig. Hierzu gehören auch die Einkünfte, die von Zweigniederlassungen oder Agenturen erzielt werden, über die die gebietsansässigen Gesellschaften ihre Aktivitäten außerhalb Deutschlands abwickeln. Hingegen wird eine gebietsansässige Gesellschaft für die Einkünfte ihrer Tochtergesellschaften nicht im Zeitpunkt der Erzielung der Einkünfte besteuert.

4. Gemäß § 8 Abs. 1 KStG 1991 bestimmt sich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes 1990 (im Folgenden: EStG 1990) und des KStG 1991, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist.

5. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG 1990 stellen Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert von Beteiligungen abzugsfähige Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung dar. Als Teilwert wird nach § 6 EStG 1990 der Betrag angesehen, den ein Erwerber des ganzen Betriebs im Rahmen des Gesamtkaufpreises für das einzelne Wirtschaftsgut umsetzen würde. Während der Abnutzung unterliegende Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens im Wege der Gewinnermittlung grundsätzlich mit ihren Anschaffungs‑ oder Herstellungskosten, vermindert um die Absetzung für Abnutzung, in der Bilanz aufgeführt werden, kann der Steuerpflichtige auch den niedrigeren Teilwert ansetzen (Teilwertabschreibung), wenn z. B. der tatsächliche Wert des Wirtschaftsguts unter den Wert der durch die Absetzung für Abnutzung geminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten gesunken ist.

6. Nach § 2 Abs. 3 EStG 1990 ist als Summe der Einkünfte eines Jahres bei einem Steuerpflichtigen der Saldo der positiven und negativen Einkünfte zu bilden. Verbleiben danach Verluste, so sind sie im Wege des Verlustrücktrags und Verlustvortrags im Rahmen des § 10d EStG 1990 in anderen Jahren bei der Ermittlung des steuerlichen Einkommens abziehbar.

7. Nach den Bestimmungen des EStG 1990 in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl. 1992 I S. 297) wurde im entscheidungserheblichen Zeitpunkt der steuerliche Verlustausgleich bei Teilwertabschreibungen auf den Beteiligungswert an einer Kapitalgesellschaft unterschiedlich danach behandelt, ob er eine in Deutschland oder eine im Ausland ansässige Kapitalgesellschaft betraf.

8. Bei einer Beteiligung an einer in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaft konnten nach § 2 Abs. 3 EStG 1990 negative Einkünfte – einschließlich der Verluste aus Teilwertabschreibungen – eines Veranlagungszeitraums mit allen vom Steuerpflichtigen erzielten positiven Einkünften ausgeglichen werden.

9. Nach § 2a („Negative ausländische Einkünfte“) Abs. 1 und 2 EStG 1990 konnten bestimmte negative Einkünfte aus ausländischen Quellen nur eingeschränkt steuerlich berücksichtigt werden:

„(1) Negative Einkünfte

2. aus einer in einem ausländischen Staat belegenen gewerblichen Betriebsstätte,

3. a) aus dem Ansatz des niedrigeren Teilwerts eines zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteils an einer Körperschaft, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat (ausländische Körperschaft), …

dürfen nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat … ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d abgezogen werden. Den negativen Einkünften sind Gewinnminderungen gleichgestellt. Soweit die negativen Einkünfte nicht nach Satz 1 ausgeglichen werden können, mindern sie die positiven Einkünfte der jeweils selben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat … erzielt. …

(2) Absatz 1 Nr. 2 ist nicht anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die negativen Einkünfte aus einer gewerblichen Betriebsstätte im Ausland stammen, die ausschließlich oder fast ausschließlich … die Bewirkung gewerblicher Leistungen zum Gegenstand hat, soweit diese nicht in der Errichtung oder dem Betrieb von Anlagen, die dem Fremdenverkehr dienen, oder in der Vermietung oder der Verpachtung von Wirtschaftsgütern … bestehen; das unmittelbare Halten einer Beteiligung von mindestens einem Viertel am Nennkapital einer Kapitalgesellschaft, die ausschließlich oder fast ausschließlich die vorgenannten Tätigkeiten zum Gegenstand hat, sowie die mit dem Halten der Beteiligung in Zusammenhang stehende Finanzierung gilt als Bewirkung gewerblicher Leistungen, wenn die Kapitalgesellschaft weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland hat. Absatz 1 Nr. 3 und 4 ist nicht anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die in Satz 1 genannten Voraussetzungen bei der Körperschaft entweder seit ihrer Gründung oder während der letzten fünf Jahre vor und in dem Veranlagungszeitraum vorgelegen haben, in dem die negativen Einkünfte bezogen werden.

…“

10. Aus § 2a EStG 1990 folgt, dass ein Ausgleich negativer Einkünfte aus einer Teilwertabschreibung nur möglich ist, wenn die Gesellschaft im Ausland Einkünfte im Sinne von § 2a Abs. 2 (sogenannte „aktive“ Einkünfte) erzielt oder selbst eine Beteiligung von mindestens 25 % an einer anderen ausländischen Kapitalgesellschaft hält, die ihrerseits aktive Einkünfte im Sinne von § 2a Abs. 2 EStG 1990 erzielt. Die Ausübung von Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr im Ausland schließt den Verlustausgleich von vornherein aus.

11. Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils waren erstmals im Steuerjahr 1994 nach § 8b Abs. 2 KStG 1991 in der Fassung des Standortsicherungsgesetzes vom 13. September 1993 (BGBl. 1993 I S. 1569) steuerbefreit.

12. Schließlich wurde § 8b Abs. 3 KStG 1991 durch das Steuersenkungsgesetz vom 23. Oktober 2000 (BGBl. 2000 I S. 1433) geändert. In seiner geänderten Fassung bestimmt er, dass Gewinnminderungen, die durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts eines Anteils entstehen, unabhängig davon unberücksichtigt bleiben, ob diese Beteiligung an einer in Deutschland oder einer im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft besteht.

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13. Mit Vertrag vom 6. März 1995 wurde ITS, eine zum Konzern Kaufhof Holding AG gehörende Gesellschaft, deren Geschäftsgegenstand Tätigkeiten im Zusammenhang mit dem Fremdenverkehr umfasste, von diesem Konzern an Rewe verkauft. Mit Verschmelzungsvertrag vom 3. November 1995 wurde Rewe Gesamtrechtsnachfolgerin von ITS.

14. 1989 hatte ITS in den Niederlanden eine Tochtergesellschaft gegründet, die Kaufhof-Tourism Holdings BV (im Folgenden: KTH), deren gesamte Anteile sie hielt. Ebenfalls in den Niederlanden gründete KTH eine Beteiligungsgesellschaft, die International Tourism Investment Holdings BV, deren Anteile sie zu 100 % hielt. Letztere erwarb außerdem u. a. 100 % der Anteile an der im Vereinigten Königreich niedergelassenen German Tourist Facilities Ltd und 36 % der Anteile an der in Spanien niedergelassenen Travelplan SA.

15. ITS nahm in ihren Jahresabschlüssen 1993 und 1994 Teilwertabschreibungen auf den Beteiligungswert an ihrer niederländischen Tochtergesellschaft KTH und Wertberichtigungen auf Forderungen gegenüber den beiden im Vereinigten Königreich und in Spanien niedergelassenen Tochtergesellschaften ihrer Enkelgesellschaft vor. Die außerordentlichen Aufwendungen beliefen sich für die Steuerjahre 1993 und 1994 insgesamt auf mehr als 46 Millionen DM.

16. Das Finanzamt Köln-Mitte, das der Ansicht war, § 2a EStG 1990 stehe der Berücksichtigung der Aufwendungen für die Beteiligung an KTH entgegen, weigerte sich jedoch, diese Aufwendungen zu steuerlichen Zwecken als Betriebsausgaben zuzulassen und sie für die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens von Rewe in den Steuerjahren 1993 und 1994 als negative Einkünfte anzuerkennen. Es erließ daher geänderte Bescheide u. a. über die von Rewe in jenen Steuerjahren geschuldete Körperschaftsteuer.

17. Da Rewe meinte, dass sie Anspruch auf die steuerliche Berücksichtigung der gesamten Aufwendungen für die Beteiligungsgesellschaften in den Niederlanden, Großbritannien und Spanien habe, erhob sie mit diesem Ziel Klage beim Finanzgericht Köln und machte geltend, dass die Anwendung des § 2a EStG 1990 eine gemeinschaftsrechtswidrige Diskriminierung darstelle.

18. Nach Ansicht des Finanzgerichts Köln konnten nach dem im entscheidungserheblichen Zeitraum anwendbaren Recht Abschreibungen auf den Beteiligungswert an einer in Deutschland niedergelassenen Tochtergesellschaft für die Ermittlung des steuerbaren Gewinns der Muttergesellschaft grundsätzlich uneingeschränkt als deren Betriebsausgaben berücksichtigt werden, Abschreibungen auf den Beteiligungswert an einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft aber nur in bestimmten Fällen, nämlich dann, wenn die negativen Einkünfte aus diesen Beteiligungen mit positiven Einkünften aus diesem anderen Mitgliedstaat ausgeglichen worden oder die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands des § 2a Abs. 2 EStG 1990 erfüllt gewesen seien. Das Finanzgericht Köln hält es daher für wahrscheinlich, dass eine solche nach § 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Abs. 2 bestehende unterschiedliche Behandlung gemeinschaftswidrig sei, und sieht sich nicht in der Lage, festzustellen, dass Gründe vorliegen, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.

19. Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Köln dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind Art. 52 in Verbindung mit Art. 58 und die Art. 67 bis 73 sowie 73b ff. EG-Vertrag dahin gehend auszulegen, dass sie einer Regelung entgegenstehen, die – wie die im Ausgangsverfahren streitige Regelung in § 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a und Abs. 2 EStG – den sofortigen steuerlichen Ausgleich von Verlusten aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an Tochtergesellschaften im EG-Ausland dann beschränkt, wenn diese passive Tätigkeiten im Sinne der nationalen Vorschrift ausüben und/oder wenn die Tochtergesellschaften aktive Tätigkeiten im Sinne der nationalen Vorschrift nur durch eigene Enkelgesellschaften realisieren, während Abschreibungen auf Beteiligungswerte an inländischen Tochtergesellschaften ohne diese Beschränkungen möglich sind?

Zur Vorlagefrage

20. Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens die Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die für eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft die Möglichkeiten einschränkt, Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften steuerlich auszugleichen.

Zur Auslegung der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit

21. Nach gefestigter Rechtsprechung fallen die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, doch müssen diese ihre Befugnisse unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben (vgl. u. a. Urteile vom 8. März 2001, Metallgesellschaft u. a., C‑397/98 und C‑410/98, Slg. 2001, I‑1727, Randnr. 37, vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer, C‑446/03, Slg. 2005, I‑10837, Randnr. 29, vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C‑196/04, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 40, und vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, C‑524/04, Slg. 2007, I‑0000, Randnr. 25).

22. In den sachlichen Geltungsbereich der Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit fallen nach ständiger Rechtsprechung nationale Vorschriften, die Anwendung finden, wenn ein Angehöriger des betreffenden Mitgliedstaats am Kapital einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat eine Beteiligung hält, die es ihm ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. April 2000, Baars, C‑251/98, Slg. 2000, I‑2787, Randnr. 22, vom 21. November 2002, X und Y, C‑436/00, Slg. 2002, I‑10829, Randnr. 37, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, Randnr. 31, und Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Randnr. 27).

23. Das ist der Fall, wenn wie im Ausgangsverfahren eine gebietsansässige Gesellschaft wie ITS eine 100%ige Beteiligung am Kapital einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft hält. Denn der Umstand, dass ein Steuerpflichtiger eine 100%ige Beteiligung am Kapital einer Gesellschaft hält, die ihren Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat, bewirkt zweifellos, dass auf diesen Steuerpflichtigen die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit Anwendung finden (Urteil Baars, Randnr. 21).

24. Daher ist zu prüfen, ob die Art. 52 und 58 des Vertrags der Anwendung einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen.

25. Mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 52 des Vertrags den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Recht des Niederlassungsstaats für dessen eigene Angehörigen festgelegten umfasst, ist gemäß Art. 58 des Vertrags für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (vgl. u. a. Urteile vom 21. September 1999, Saint-Gobain ZN, C‑307/97, Slg. 1999, I‑6161, Randnr. 35, Marks & Spencer, Randnr. 30, sowie vom 23. Februar 2006, Keller Holding, C‑471/04, Slg. 2006, I‑2107, Randnr. 29).

26. Auch wenn die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmemitgliedstaat sichern sollen, verbieten sie es doch ebenfalls, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung eines seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindert (Urteile vom 16. Juli 1998, ICI, C‑264/96, Slg. 1998, I‑4695, Randnr. 21, sowie Marks & Spencer, Randnr. 31).

27. Nach der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung fließen die Vermögensverluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in Deutschland ansässigen Tochtergesellschaften sofort und ohne Einschränkung in die Ermittlung des steuerpflichtigen Gewinns von in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaften ein.

28. Wie sich aus § 2a Abs. 1 und 2 EStG 1990 ergibt, sind hingegen gleichartige Verluste aus der Beteiligung an einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Tochtergesellschaft für die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaft nur unter bestimmten, an ihre Einkünfte oder die Ausübung „aktiver“ Tätigkeiten durch ihre Tochtergesellschaft anknüpfenden Voraussetzungen abzugsfähig.

29. Zwar könnten die Verluste einer in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft aus der Beteiligung an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften in Deutschland berücksichtigt werden, wenn die Tochtergesellschaften später positive Einkünfte erzielten. Doch selbst wenn ausreichende positive Einkünfte festgestellt worden sind, bleibt es dabei, dass eine solche Muttergesellschaft im Gegensatz zu einer Muttergesellschaft mit in Deutschland niedergelassenen Tochtergesellschaften nicht in den Genuss einer sofortigen Berücksichtigung ihrer Verluste kommen kann, so dass ihr ein Liquiditätsvorteil vorenthalten wird (vgl. in diesem Sinne Urteil Marks & Spencer, Randnr. 32).

30. Daher ist die steuerliche Situation einer in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft, die wie Rewe eine Tochter- und eine Enkelgesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat hat, ungünstiger, als wenn die Tochter- und die Enkelgesellschaft in Deutschland niedergelassen wären.

31. Durch eine solche unterschiedliche Behandlung entsteht der in Deutschland niedergelassenen Muttergesellschaft mit einer Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat ein Steuernachteil. Wegen dieses Unterschieds könnte eine Muttergesellschaft davon abgehalten werden, ihre Tätigkeiten über in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Tochter- oder Enkelgesellschaften auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. September 2003, Bosal, C‑168/01, Slg. 2003, I‑9409, Randnr. 27).

32. Die deutsche Regierung trägt indessen vor, dass eine solche unterschiedliche Behandlung keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstelle, da die Situation einer in Deutschland niedergelassenen Tochtergesellschaft nicht mit der einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Tochtergesellschaft vergleichbar sei. Bei Tochtergesellschaften handele es sich um gegenüber der Muttergesellschaft eigenständige Rechtspersönlichkeiten, die in dem Staat steuerpflichtig seien, in dem sie niedergelassen seien. Es liege nahe, dass die niederländische Tochtergesellschaft KTH im Rahmen ihrer Erklärung über die in den Niederlanden zu versteuernden Gewinne Verluste geltend gemacht habe. Die Bundesrepublik Deutschland als Niederlassungsstaat der Muttergesellschaft sei nicht verpflichtet, den selbständigen ausländischen Tochtergesellschaften einen Rechtszustand zu gewährleisten, der demjenigen vergleichbar wäre, wie er der gebietsansässigen Muttergesellschaft zur Verfügung stehe.

33. Hierzu ist mit dem Generalanwalt (Nr. 21 der Schlussanträge) festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren fragliche unterschiedliche steuerliche Behandlung nicht die Situation der Tochtergesellschaften betrifft, je nachdem, ob sie in Deutschland niedergelassen sind oder nicht, sondern die Situation der in Deutschland ansässigen Muttergesellschaften, je nachdem, ob sie über in anderen Mitgliedstaaten niedergelassene Tochtergesellschaften verfügen oder nicht.

34. Solche gebietsansässigen Muttergesellschaften befinden sich hinsichtlich ihrer Verluste aus Abschreibungen auf Beteiligungswerte an Tochtergesellschaften unabhängig davon, ob es sich um Beteiligungen an in Deutschland oder in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften handelt, in einer vergleichbaren Situation. Denn in beiden Fällen sind einerseits die Verluste, deren Abzug begehrt wird, solche der Muttergesellschaften, und andererseits werden die Gewinne der Tochtergesellschaften nicht bei den Muttergesellschaften besteuert, gleichviel, ob sie von in Deutschland oder von in anderen Mitgliedstaaten steuerpflichtigen Tochtergesellschaften stammen.

35. Daher spiegelt eine Begrenzung der Möglichkeit für eine gebietsansässige Muttergesellschaft, solche Verluste auszugleichen, die nur für die Verluste aus Abschreibungen auf Beteiligungswerte im Ausland gilt, keinen objektiven Unterschied in der Situation von Muttergesellschaften wider, je nachdem, ob ihre Tochtergesellschaften ihren Sitz in Deutschland oder in anderen Mitgliedstaaten haben.

36. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die aus der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung resultierende unterschiedliche steuerliche Behandlung und die nachteilige steuerliche Situation, die sich daraus für die in Deutschland ansässigen Muttergesellschaften mit einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Tochtergesellschaft ergibt, die Ausübung der Niederlassungsfreiheit durch die Muttergesellschaften dadurch beeinträchtigen können, dass sie sie davon abhalten, eine Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat zu gründen, zu erwerben oder zu behalten. Sie stellen deshalb eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Sinne der Art. 52 und 58 des Vertrags dar.

37. Eine solche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit kann nur zulässig sein, wenn mit ihr ein berechtigtes und mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und wenn sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem solchen Fall muss aber außerdem ihre Anwendung zur Erreichung des damit verfolgten Zieles geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist (vgl. u. a. Urteile Marks & Spencer, Randnr. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, Randnr. 47).

38. Nach Ansicht der deutschen Regierung ist es jedenfalls gerechtfertigt, die Möglichkeiten für eine in Deutschland ansässige Muttergesellschaft, ihre Verluste aus Abschreibungen auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften steuerlich auszugleichen, einzuschränken, indem die steuerliche Berücksichtigung der ausländischen Verluste allein an positive Einkünfte der jeweils selben Art aus demselben Staat geknüpft werde. Hierzu trägt die deutsche Regierung mehrere Argumente vor, die sich, wie der Generalanwalt in Nr. 24 seiner Schlussanträge festgestellt hat, im Wesentlichen zu den folgenden Rechtfertigungsgründen zusammenfassen lassen.

39. Die deutsche Regierung führt, erstens, unter Hinweis u. a. auf das Urteil Marks & Spencer, in dem der Gerichtshof den Grundsatz der Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten berücksichtigt habe, einen ersten Rechtfertigungsgrund an, den sie auf eine Regel der Symmetrie zwischen dem Recht, die Gewinne einer Gesellschaft zu besteuern, und der Pflicht, die Verluste dieser Gesellschaft zu berücksichtigen, stützt. Die deutschen Steuerbehörden dürften nicht die mit der Tätigkeit einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Tochtergesellschaft verbundenen Verluste im Rahmen der steuerlichen Behandlung der in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft berücksichtigen müssen, da sie nicht berechtigt seien, die Gewinne dieser Tochtergesellschaft zu besteuern.

40. Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden.

41. Wie der Generalanwalt in Nr. 32 seiner Schlussanträge festgestellt hat, ist die Bedeutung, die dem berechtigten Erfordernis der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten beizumessen ist, zu präzisieren. Insbesondere hat der Gerichtshof im Urteil Marks & Spencer diesen Rechtfertigungsgrund nur in Verbindung mit zwei weiteren Rechtfertigungsgründen, der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung und der Steuerfluchtgefahr, zugelassen (vgl. in diesem Sinne Urteil Marks & Spencer, Randnrn. 43 und 51).

42. Zwar gibt es Verhaltensweisen, die geeignet sind, das Recht der Mitgliedstaaten, ihre Besteuerungszuständigkeit in Bezug auf die in ihrem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten auszuüben, zu gefährden und so die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen (vgl. Urteil Marks & Spencer, Randnr. 46), und die eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen können (vgl. Urteil Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, Randnrn. 55 und 56). Der Gerichtshof hat demgemäß entschieden, dass, würde den Gesellschaften die Möglichkeit eingeräumt, für die Berücksichtigung ihrer Verluste im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung oder aber in einem anderen Mitgliedstaat zu optieren, dadurch die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten erheblich beeinträchtigt würde, da die Besteuerungsgrundlage im ersten Staat um die übertragenen Verluste erweitert und im zweiten Staat entsprechend verringert würde.

43. Jedoch kann eine unterschiedliche steuerliche Behandlung der gebietsansässigen Muttergesellschaften, je nachdem, ob sie Tochtergesellschaften im Ausland haben oder nicht, nicht allein damit gerechtfertigt werden, dass sie sich dafür entschieden haben, wirtschaftliche Tätigkeiten in einem anderen Mitgliedstaat auszuüben, in dem der betroffene Staat seine Besteuerungszuständigkeit nicht ausüben kann. Als solches kann also ein auf die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gestütztes Argument nicht rechtfertigen, dass ein Mitgliedstaat einer gebietsansässigen Muttergesellschaft systematisch einen Steuervorteil mit der Begründung verweigert, dass diese eine grenzüberschreitende wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet habe, die dem Mitgliedstaat nicht unmittelbar Steuereinnahmen verschaffen könne.

44. Außerdem können die Verluste einer Muttergesellschaft aus Abschreibungen auf Beteiligungswerte an in Deutschland niedergelassenen Tochtergesellschaften mit ihren positiven Einkünften ausgeglichen werden, auch wenn ihre Tochtergesellschaften in dem betreffenden Steuerjahr keinen steuerpflichtigen Gewinn erzielt haben.

45. Die deutsche Regierung macht, zweitens, geltend, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung erforderlich sei, um zu verhindern, dass Muttergesellschaften mehrfach Steuervorteile in Form der doppelten Berücksichtigung von im Ausland erlittenen Verlusten in Anspruch nehmen könnten.

46. Dieses Vorbringen ist im Rahmen des Ausgangsverfahrens unerheblich.

47. Zwar müssen nämlich die Mitgliedstaaten eine doppelte Verlustberücksichtigung verhindern können (vgl. Urteil Marks & Spencer, Randnr. 47), doch sind die im Ausgangsverfahren fraglichen Verluste, wie der Generalanwalt in den Nrn. 37 und 38 seiner Schlussanträge festgestellt hat, nicht vergleichbar mit Verlusten, die Tochtergesellschaften im Ausland erlitten haben und deren Übertragung die gebietsansässige Muttergesellschaft beantragt, um ihren steuerpflichtigen Gewinn zu verringern, wie dies in der Rechtssache Marks & Spencer der Fall war.

48. Die im Ausgangsverfahren fraglichen Verluste sind der Muttergesellschaft aufgrund der Wertminderung ihrer Beteiligungen an ausländischen Tochtergesellschaften entstanden. Diese Verluste aus Abschreibungen auf den niedrigeren Teilwert von Beteiligungen werden nur bei der Muttergesellschaft berücksichtigt und erfahren eine gegenüber der Behandlung von Verlusten, die die Tochtergesellschaften selbst erlitten haben, getrennte steuerliche Behandlung. Eine solche getrennte Berücksichtigung der von den Tochtergesellschaften selbst erlittenen Verluste und der Verluste der Muttergesellschaft kann keinesfalls als doppelte Berücksichtigung derselben Verluste qualifiziert werden.

49. Wie u. a. die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der mündlichen Verhandlung betont hat, ist zudem eine in Deutschland niedergelassene Muttergesellschaft mit Tochtergesellschaften in Deutschland berechtigt, die Teilwertabschreibung auf Beteiligungswerte an ihren gebietsansässigen Tochtergesellschaften von ihrem steuerpflichtigen Gewinn abzuziehen, ohne dass die Tochtergesellschaften gehindert wären, ihre eigenen Verluste im Rahmen ihrer eigenen steuerlichen Veranlagung in Deutschland zu nutzen.

50. Die deutsche Regierung trägt, drittens, vor, mit der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung solle eine besondere Art der Steuerumgehung bekämpft werden, die darin bestehe, dass in Deutschland ansässige Muttergesellschaften, die u. a. im Bereich des Fremdenverkehrs tätig seien, typischerweise verlustträchtige Tätigkeiten in andere Mitgliedstaaten verlagerten, indem sie dort Tochtergesellschaften gründeten, nur um ihre in Deutschland steuerbaren Gewinne zu verringern. In der mündlichen Verhandlung hat die deutsche Regierung ergänzend ausgeführt, dass der Gerichtshof seine Rechtsprechung zu dieser Frage lockern müsse, weil das Erfordernis, dass die Regelung speziell bezwecken müsse, rein künstliche Konstruktionen zu bekämpfen, zu eng erscheine. Es sei unumgänglich, den Mitgliedstaaten grundsätzlich zu gestatten, allgemeine Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerumgehung zu erlassen sowie abstrakte und generelle Regelungen zu treffen, die sich an typischen Fallgestaltungen orientierten.

51. Hierzu genügt der Hinweis, dass der Umstand allein, dass die Steuerbehörden eines Mitgliedstaats Fälle erheblicher und anhaltender Verluste ausländischer Tochtergesellschaften von in diesem Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaften in einem bestimmten Wirtschaftszweig wie dem Fremdenverkehr festgestellt haben, nicht ausreichen kann, um das Vorliegen rein künstlicher Konstruktionen zu beweisen, die darauf gerichtet sind, Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften zu generieren (zu dem Erfordernis, dass die Regelung speziell bezwecken muss, rein künstliche Konstruktionen zu bekämpfen, vgl. Urteile ICI, Randnr. 26, Marks & Spencer, Randnr. 57, sowie Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, Randnr. 51).

52. Im vorliegenden Fall kann eine Bestimmung wie § 2a Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a EStG 1990, die allgemein jeden Ansatz von niedrigeren Teilwerten einer Beteiligung erfasst, wenn die Tochtergesellschaften einer in Deutschland niedergelassenen Muttergesellschaft, aus welchen Gründen auch immer, in anderen Mitgliedstaaten niedergelassen sind, nicht – ohne über das hinauszugehen, was zur Erreichung des mit ihr angeblich verfolgten Ziels erforderlich ist – als durch die Gefahr der Steuerumgehung gerechtfertigt angesehen werden. Denn eine solche Bestimmung bezweckt nicht speziell, rein künstliche Konstruktionen, die auf eine Umgehung des deutschen Steuerrechts gerichtet sind, von einem Steuervorteil auszuschließen, sondern erfasst allgemein jede Situation, in der die Tochtergesellschaften, aus welchen Gründen auch immer, außerhalb Deutschlands niedergelassen sind. Die Niederlassung einer Gesellschaft außerhalb dieses Mitgliedstaats impliziert aber als solche nicht das Vorliegen einer Steuerumgehung, da die betreffende Gesellschaft auf jeden Fall dem Steuerrecht des Niederlassungsstaats unterliegt.

53. Auch § 2a Abs. 2 EStG 1990 geht über das hinaus, was zur Bekämpfung missbräuchlicher Konstruktionen erforderlich ist, indem er von den in ihm aufgelisteten „aktiven“ Tätigkeiten u. a. die Errichtung oder den Betrieb von Anlagen, die dem Fremdenverkehr dienen, ausnimmt. Die Bekämpfung der Steuerumgehung kann nicht rechtfertigen, dass die negativen Einkünfte aus einer gewerblichen Betriebsstätte im Ausland, die die Bewirkung gewerblicher Leistungen zum Gegenstand hat, generell unbeschränkt mit positiven Einkünften ausgeglichen werden können, während bei Betriebsstätten, die eine Tätigkeit auf dem Gebiet des Fremdenverkehrs ausüben, der Ausgleich mit positiven Einkünften von verschiedenen Voraussetzungen abhängig gemacht wird.

54. Viertens kann sich die deutsche Regierung zur Rechtfertigung der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung auch nicht auf die Notwendigkeit berufen, die Wirksamkeit steuerlicher Kontrollen von Auslandssachverhalten zu erleichtern.

55. Die Wirksamkeit der Steuerkontrollen ist nämlich zwar ein Gesichtspunkt, der einen Mitgliedstaat dazu berechtigt, Maßnahmen zu ergreifen, die die klare und eindeutige Feststellung der Höhe der in diesem Staat aufgrund von Beteiligungen am Kapital ausländischer Tochtergesellschaften abzugsfähigen Aufwendungen ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 15. Mai 1997, Futura Participations und Singer, C‑250/95, Slg. 1997, I‑2471, Randnr. 31, und vom 28. Oktober 1999, Vestergaard, C‑55/98, Slg. 1999, I‑7641, Randnr. 23), sie kann jedoch nicht rechtfertigen, dass der Mitgliedstaat diesen Abzug von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig machen kann, je nachdem, ob die Beteiligungen im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Tochtergesellschaften betreffen.

56. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern (ABl. L 336, S. 15) ein Mitgliedstaat die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats um alle Auskünfte ersuchen kann, die er für die ordnungsgemäße Bemessung der Körperschaftsteuer benötigt.

57. Zum Vorbringen der deutschen Regierung, die Kontrolle von Auslandssachverhalten bleibe selbst bei einer Zusammenarbeit mit den Behörden eines anderen Mitgliedstaats oft sehr schwierig, genügt zudem die Feststellung, dass die betroffenen Steuerbehörden die Möglichkeit haben, von der Muttergesellschaft selbst alle Belege zu verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erscheinen, ob der verlangte Abzug von Verlusten aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften zu gewähren ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Vestergaard, Randnr. 26).

58. Diese Möglichkeit sollte in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens besonders zweckdienlich sein, in der es um eine Muttergesellschaft geht, die in der Lage sein müsste, alle erforderlichen Unterlagen direkt von ihrer Tochtergesellschaft zu verlangen. Zudem können eventuelle Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften ohnehin keine Behinderung der Niederlassungsfreiheit rechtfertigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 4. März 2004, Kommission/Frankreich, C‑334/02, Slg. 2004, I‑2229, Randnr. 29, und vom 7. September 2004, Manninen, C‑319/02, Slg. 2004, I‑7477, Randnr. 54).

59. Fünftens macht die deutsche Regierung zur Rechtfertigung des steuerlichen Nachteils, den im vorliegenden Fall die Muttergesellschaften erleiden, die in Deutschland niedergelassen sind und Beteiligungen an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften halten, geltend, dass die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung objektiv durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu gewährleisten. Im Wesentlichen können dieser Rechtfertigung zwei von der deutschen Regierung angeführte Argumente zugeordnet werden, zum einen die Notwendigkeit, die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu wahren, zum anderen die Beachtung des Territorialitätsgrundsatzes.

60. Zur Notwendigkeit, die Kohärenz des deutschen Steuersystems zu wahren, trägt die deutsche Regierung erstens vor, dass u. a. nach einem Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Königreich der Niederlande – dem Staat, in dem KTH, die Tochtergesellschaft von Rewe, niedergelassen ist – die von den in diesem Staat niedergelassenen Tochtergesellschaften ausgeschütteten Dividenden in Deutschland von der Steuer befreit seien. Daher sei es kohärent, in Deutschland ansässigen Muttergesellschaften keine Vorteile wegen der Verluste ihrer Tochtergesellschaften zu gewähren.

61. Dem Vorbringen der deutschen Regierung zur Notwendigkeit, die Kohärenz des nationalen Steuersystems zu wahren, ist nicht zu folgen, da Verluste wie die im Ausgangsverfahren fraglichen auch in Deutschland berücksichtigt werden, wenn eine ausländische Tochtergesellschaft eine „aktive“ Tätigkeit im Sinne von § 2a Abs. 2 EStG 1990 ausübt, obwohl in diesem Fall die von ihr ausgeschütteten Dividenden ebenso in Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen freigestellt werden können.

62. Zur Notwendigkeit, die Kohärenz des mit der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung errichteten nationalen Steuersystems zu wahren, ist zudem darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in den Randnrn. 28 bzw. 21 der Urteile vom 28. Januar 1992, Bachmann (C‑204/90, Slg. 1992, I‑249) und Kommission/Belgien (C‑300/90, Slg. 1992, I‑305), anerkannt hat, dass die Notwendigkeit, die Kohärenz einer Steuerregelung zu wahren, eine Beschränkung der Ausübung der vom Vertrag gewährleisteten Grundfreiheiten rechtfertigen kann. Ein auf diesen Rechtfertigungsgrund gestütztes Argument kann aber nur Erfolg haben, wenn ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem betreffenden steuerlichen Vorteil und dessen Ausgleich durch eine bestimmte steuerliche Belastung nachgewiesen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Keller Holding, Randnr. 40, und Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Randnr. 68).

63. Die Prüfung der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung ergibt, dass die in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Muttergesellschaften, die Beteiligungen an in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Tochtergesellschaften halten, in den Genuss sowohl des sofortigen Ausgleichs der Verluste aus Teilwertabschreibungen auf Beteiligungswerte an diesen Tochtergesellschaften als auch der Steuerbefreiung der Dividenden kommen. Hingegen ist, selbst wenn die Dividenden, die eine in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtige Muttergesellschaft von ihrer in den Niederlanden niedergelassenen Tochtergesellschaft erhält, in Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens ebenfalls steuerbefreit sind, der Ausgleich der Verluste aus Teilwertabschreibungen auf den Beteiligungswert an dieser Tochtergesellschaft Einschränkungen unterworfen.

64. Die deutsche Regierung hat keine Verbindung zwischen dem sofortigen Ausgleich der Verluste der gebietsansässigen Muttergesellschaft aus Teilwertabschreibungen auf Beteiligungswerte an Tochtergesellschaften und der Steuerbefreiung der von diesen Tochtergesellschaften erhaltenen Dividenden nachgewiesen. Daher ist dem Vorbringen, die Notwendigkeit, die Kohärenz des Steuersystems zu wahren, rechtfertige es, den in Deutschland niedergelassenen Muttergesellschaften keine Vorteile wegen der Verluste ihrer ausländischen Tochtergesellschaften zu gewähren, weil die von diesen Tochtergesellschaften ausgeschütteten Dividenden in Deutschland aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen steuerbefreit seien, nicht zu folgen.

65. Die deutsche Regierung trägt zweitens vor, dass die steuerliche Kohärenz der im Ausgangsverfahren fraglichen Regelung durch die Steuerfreiheit der Gewinne aus der Anteilsveräußerung nach § 8b Abs. 2 KStG 1991 in der Fassung des Standortsicherungsgesetzes sichergestellt worden sei.

66. Zunächst ist mit dem vorlegenden Gericht darauf hinzuweisen, dass diese Steuerbefreiung erstmals im Steuerjahr 1994 anzuwenden war, so dass sie das erste Streitjahr des Ausgangsverfahrens nicht erfasste.

67. Sodann ist festzustellen, dass im Rahmen der Ermittlung des steuerpflichtigen Einkommens der gebietsansässigen Muttergesellschaften, die Beteiligungen an Tochtergesellschaften im Ausland halten, das Verbot, Verluste wie die im Ausgangsverfahren fraglichen auszugleichen, unmittelbare Wirkungen erzeugt. Daher stellt die Tatsache, dass es später möglich wäre, für die bei einer Veräußerung erzielten Gewinne eine Steuerbefreiung zu erhalten, wenn ein Gewinn in ausreichender Höhe erzielt wird, keine Erwägung der steuerlichen Kohärenz dar, mit der die Weigerung, einen sofortigen Ausgleich der Verluste vorzunehmen, die eine Muttergesellschaft mit Anteilen an Tochtergesellschaften im Ausland erlitten hat, gerechtfertigt werden kann.

68. Schließlich vermag auch das Territorialitätsprinzip, wie es der Gerichtshof in Randnr. 22 des Urteils Futura Participations und Singer anerkannt hat, die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung nicht zu rechtfertigen.

69. Mit diesem Prinzip steht es zwar im Einklang, dass der Niederlassungsmitgliedstaat der Muttergesellschaft die gebietsansässigen Gesellschaften für ihren gesamten weltweit erwirtschafteten Gewinn, die gebietsfremden Tochtergesellschaften jedoch nur für den Gewinn aus ihrer inländischen Tätigkeit besteuern kann (vgl. in diesem Sinne Urteil Marks & Spencer, Randnr. 39). Dieses Prinzip allein rechtfertigt indessen nicht, dass der Niederlassungsstaat der Muttergesellschaft einen Vorteil verweigern kann, weil er den Gewinn ihrer gebietsfremden Tochtergesellschaften nicht besteuert (vgl. in diesem Sinne Urteil Marks & Spencer, Randnr. 40). Wie der Generalanwalt in Nr. 49 seiner Schlussanträge festgestellt hat, hat dieses Prinzip die Funktion, bei der Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen, dass die Grenzen der Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten für die Besteuerung berücksichtigt werden. Im Ausgangsverfahren hat aber die Gewährung des von Rewe begehrten Vorteils nicht zur Folge, dass die Ausübung einer konkurrierenden Besteuerungszuständigkeit in Frage gestellt wird. Sie betrifft die in Deutschland ansässigen Muttergesellschaften, die dort aus diesem Grund unbeschränkt steuerpflichtig sind. Daher kann die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung nicht als eine Umsetzung des Territorialitätsprinzips angesehen werden.

70. Nach alledem ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, unter denen eine Muttergesellschaft eine Beteiligung an einer gebietsfremden Tochtergesellschaft hält, die es ihr ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser ausländischen Tochtergesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, die Art. 52 und 58 des Vertrags einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehen, die für eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft die Möglichkeiten einschränkt, Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften steuerlich auszugleichen.

Zur Auslegung der Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr

71. Da die Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit somit einer Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, erübrigt sich eine Prüfung, ob die Gemeinschaftsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr dieser Regelung ebenfalls entgegenstehen (vgl. in diesem Sinne Urteil Keller Holding, Randnr. 51).

Kosten

72. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, unter denen eine Muttergesellschaft eine Beteiligung an einer gebietsfremden Tochtergesellschaft hält, die es ihr ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen dieser ausländischen Tochtergesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen, stehen die Art. 52 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Art. 43 EG) und 58 EG-Vertrag (jetzt Art. 48 EG) einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, die für eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft die Möglichkeiten einschränkt, Verluste aus der Abschreibung auf Beteiligungswerte an in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Tochtergesellschaften steuerlich auszugleichen.

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