Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.
Dokument 62004CJ0494
Judgment of the Court (Third Chamber) of 15 June 2006.#Heintz van Landewijck SARL v Staatssecretaris van Financiën.#Reference for a preliminary ruling: Hoge Raad der Nederlanden - Netherlands.#Tax provisions - Harmonisation of laws - Directive 92/12/EEC - Excise duty - Tax stamps - Sixth VAT Directive - Articles 2 and 27 - Disappearance of excise stamps.#Case C-494/04.
Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 15. Juni 2006.
Heintz van Landewijck SARL gegen Staatssecretaris van Financiën.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande.
Steuerrecht - Harmonisierung - Richtlinie 92/12/EWG - Verbrauchsteuer - Steuerzeichen - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Artikel 2 und 27 - Verschwinden von Steuerbanderolen.
Rechtssache C-494/04.
Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 15. Juni 2006.
Heintz van Landewijck SARL gegen Staatssecretaris van Financiën.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Hoge Raad der Nederlanden - Niederlande.
Steuerrecht - Harmonisierung - Richtlinie 92/12/EWG - Verbrauchsteuer - Steuerzeichen - Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Artikel 2 und 27 - Verschwinden von Steuerbanderolen.
Rechtssache C-494/04.
Sammlung der Rechtsprechung 2006 I-05381
ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2006:407
Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor
In der Rechtssache C‑494/04
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG,
eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 26. November 2004, beim Gerichtshof eingegangen am gleichen Tag, in dem Verfahren
Heintz van Landewijck SARL
gegen
Staatssecretaris van Financiën
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J.‑P. Puissochet (Berichterstatter), S. von Bahr, U. Lõhmus und A. Ó Caoimh,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der Heintz van Landewijck SARL, vertreten durch A. E. van der Voort Maarschalk und R. Meijer, advocaten,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. M. Wissels als Bevollmächtigte,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch K. Gross und A. Weimar als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 16. Februar 2006
folgendes
Urteil
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren (ABl. L 76, S. 1, im Folgenden: Verbrauchsteuerrichtlinie) sowie der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie), insbesondere von Artikel 27 Absätze 1 und 5.
2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Heintz van Landewijck SARL (im Folgenden: Landewijck) und dem Staatssecretaris van Financiën (im Folgenden: Staatssecretaris). Die Landewijck verlangt von diesem Erstattung der Beträge, die sie für Verbrauchsteuerzeichen entrichtet hat, die vor ihrer Anbringung auf den Tabakerzeugnissen, für die sie bestimmt waren, verschwunden sind.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3. Artikel 6 der Verbrauchsteuerrichtlinie, die nach ihrem Artikel 3 Absatz 1 auf Tabakwaren Anwendung findet, bestimmt:
„(1) Die Verbrauchsteuer entsteht mit der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr oder mit der Feststellung von Fehlmengen gemäß Artikel 14 Absatz 3.
Als Überführung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren in den steuerrechtlich freien Verkehr gelten
a) jede – auch unrechtmäßige – Entnahme der Ware aus dem Verfahren der Steueraussetzung;
b) jede – auch unrechtmäßige – Herstellung dieser Erzeugnisse außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung;
c) jede – auch unrechtmäßige – Einfuhr dieser Waren, sofern sie nicht einem Verfahren der Steueraussetzung unterstellt worden sind.
(2) Die Voraussetzungen für das Entstehen des Steueranspruchs und der maßgebende Verbrauchsteuersatz richten sich nach den Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Entstehens des Steueranspruchs in dem Mitgliedstaat gelten, in dem die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr stattfindet oder die Fehlmengen festgestellt werden. Die Verbrauchsteuer wird nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Bestimmungen erhoben und eingezogen, wobei die Mitgliedstaaten auf im Inland hergestellte Waren und auf Waren mit Herkunft aus anderen Mitgliedstaaten dieselben Bestimmungen für die Erhebung und die Einziehung anwenden.“
4. Artikel 14 Absatz 1 der Verbrauchsteuerrichtlinie bestimmt:
„Der zugelassene Lagerinhaber wird für Verluste von der Steuer befreit, die während des Verfahrens der Steueraussetzung durch Untergang oder infolge höherer Gewalt entstanden und von den Behörden des jeweiligen Mitgliedstaats festgestellt worden sind. Während des Verfahrens der Steueraussetzung wird er ebenfalls für den Schwund von der Steuer befreit, der während der Herstellung und Verarbeitung sowie der Lagerung und der Beförderung aus Gründen, die sich aus der Eigenart der Waren ergeben, eintritt. Jeder Mitgliedstaat legt die Bedingungen fest, unter denen diese Steuerbefreiungen gewährt werden. Diese Steuerbefreiungen für Verluste gelten für die in Artikel 16 genannten Wirtschaftsbeteiligten bei der Beförderung von Waren im Verfahren der Steueraussetzung.“
5. Artikel 21 Absatz 1 der Verbrauchsteuerrichtlinie bestimmt:
„Unbeschadet des Artikels 6 Absatz 1 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Waren, die in ihrem Hoheitsgebiet in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt werden sollen, mit Steuerzeichen oder mit zu steuerlichen Zwecken verwendeten nationalen Erkennungszeichen versehen werden.“
6. Nach Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe d der Verbrauchsteuerrichtlinie kann „für verbrauchsteuerpflichtige Waren, die in einem Mitgliedstaat in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt worden sind und daher mit dem Steuerzeichen oder dem Erkennungszeichen dieses Mitgliedstaats versehen sind, … die Verbrauchsteuer, die den Steuerbehörden des Mitgliedstaats geschuldet wird, der diese Steuer- bzw. Erkennungszeichen ausgestellt hat, erstatte[t] werden, sofern die Vernichtung dieser Zeichen von den Steuerbehörden des Mitgliedstaats, der sie erteilt hat, festgestellt worden ist“.
7. Artikel 10 der Richtlinie 95/59/EG des Rates vom 27. November 1995 über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer (ABl. L 291, S. 40, im Folgenden: Richtlinie über Tabakwaren) lautet:
„(1) Spätestens in der Endstufe werden die Modalitäten der Erhebung der Verbrauchsteuer harmonisiert. In den vorhergehenden Stufen wird die Verbrauchsteuer grundsätzlich mittels Steuerzeichen entrichtet. Die Mitgliedstaaten haben, falls sie die Verbrauchsteuer mittels Steuerzeichen erheben, diese Zeichen den Herstellern und Händlern der anderen Mitgliedstaaten zur Verfügung zu stellen. Falls die Mitgliedstaaten die Verbrauchsteuer auf anderem Wege erheben, haben sie darauf zu achten, dass hieraus weder verwaltungsmäßige noch technische Hemmnisse für den Handel zwischen den Mitgliedstaaten entstehen.
(2) Für die Importeure und die Hersteller von Tabakwaren gelten die in Absatz 1 genannten Modalitäten für die Erhebung und Zahlung der Verbrauchsteuer.“
8. Artikel 2 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;
2. die Einfuhr von Gegenständen.“
9. Artikel 5 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.“
10. Artikel 10 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie gilt als
a) Steuertatbestand: der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden;
b) Steueranspruch: der Anspruch, den der Fiskus nach dem Gesetz gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt ab auf die Zahlung der Steuer geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann.
(2) Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird. …
…“
11. Nach Artikel 11 Teil A Absatz 1 Buchstabe a der Sechsten Richtlinie ist die Besteuerungsgrundlage bei Lieferungen von Gegenständen alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer für diese Umsätze vom Abnehmer, Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll. Artikel 11 Teil C Absatz 1 bestimmt:
„Im Falle der Annullierung, der Rückgängigmachung, der Auflösung, der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung oder des Preisnachlasses nach der Bewirkung des Umsatzes wird die Besteuerungsgrundlage unter von den Mitgliedstaaten festgelegten Bedingungen entsprechend vermindert.
…“
12. Artikel 27 – Vereinfachungsmaßnahmen – der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen zu verhüten. Die Maßnahmen zur Vereinfachung der Steuererhebung dürfen den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen.
(2) Der Mitgliedstaat, der die in Absatz 1 bezeichneten Maßnahmen einführen möchte, befasst die Kommission damit und übermittelt ihr alle zur Beurteilung zweckdienlichen Angaben.
…
(5) Die Mitgliedstaaten, die am 1. Januar 1977 Sondermaßnahmen von der Art der in Absatz 1 genannten angewandt haben, können sie aufrechterhalten, sofern sie diese der Kommission vor dem 1. Januar 1978 mitteilen und unter der Bedingung, dass diese Sondermaßnahmen – sofern es sich um Maßnahmen zur Erleichterung der Steuererhebung handelt – dem in Absatz 1 festgelegten Kriterium entsprechen.“
13. Durch Artikel 1 der Neunten Richtlinie 78/583/EWG des Rates vom 26. Juni 1978 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern (ABl. L 194, S. 16, im Folgenden: Neunte Richtlinie) wurden bestimmte Mitgliedstaaten ermächtigt, die Sechste Richtlinie spätestens am 1. Januar 1979 zur Anwendung zu bringen.
Die niederländische Regelung
14. Artikel 1 der Wet op de accijns vom 31. Oktober 1991 (Stb. 1991, Nr. 561; im Folgenden: Verbrauchsteuergesetz) bestimmt:
„1. Unter der Bezeichnung Verbrauchsteuer wird eine Abgabe erhoben auf:
…
f. Tabakerzeugnisse.
2. Die Verbrauchsteuer wird geschuldet bei der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr und bei der Einfuhr der Waren im Sinne von Absatz 1.“
15. Artikel 71 Absatz 1 des Verbrauchsteuergesetzes bestimmt:
„1. Gemäß den durch Verordnung festzulegenden Voraussetzungen und Beschränkungen wird auf Antrag die Verbrauchsteuer für Waren erstattet, die
a. verloren gegangen sind;
b. unter behördlicher Aufsicht vernichtet worden sind;
c. in ein Drittland verbracht oder einem gemeinschaftlichen Zollverfahren mit Bestimmungsort in einem Drittland unterworfen worden sind;
d. in ein für verbrauchsteuerpflichtige Waren der fraglichen Art eingerichtetes Steuerlager gebracht worden sind;
…“
16. Artikel 73 Absatz 1 des Verbrauchsteuergesetzes bestimmt:
„Tabakerzeugnisse müssen bei der Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr und bei der Einfuhr mit dem für das betreffende Tabakerzeugnis vorgeschriebenen Verbrauchsteuerzeichen versehen sein.“
17. Nach Artikel 75 Absatz 1 des Verbrauchsteuergesetzes können Verbrauchsteuerzeichen beim Inspecteur der belastingen (im Folgenden: Inspecteur) angefordert werden insbesondere vom Inhaber der Genehmigung für ein Steuerlager für Tabakerzeugnisse sowie von demjenigen, der außerhalb des Hoheitsgebiets der Niederlande Verbrauchsteuerzeichen auf Tabakerzeugnissen anbringt.
18. Artikel 76 des Verbrauchsteuergesetzes bestimmt:
„1. Der Betrag der Verbrauchsteuer, den die Verbrauchsteuerzeichen ausweislich der ihnen aufgedruckten Angaben repräsentieren, ist im Zeitpunkt ihrer Anforderung zu entrichten.
2. Abweichend von Absatz 1 kann die Zahlung, sofern eine Sicherheit gestellt wird, noch spätestens am letzten Tag des zweiten Monats nach dem Monat, in dem die Verbrauchsteuerzeichen angefordert wurden, erfolgen, sofern sie dazu bestimmt sind, auf Verpackungen von Zigaretten oder Rohtabak angebracht zu werden, oder aber spätestens am letzten Tag des dritten Monats nach dem Monat, in dem die Verbrauchsteuerzeichen angefordert wurden, sofern sie dazu bestimmt sind, auf Verpackungen für Zigarren angebracht zu werden oder Zigarren einzeln zu versiegeln.
…“
19. Artikel 77 Absatz 1 des Verbrauchsteuergesetzes bestimmt:
„Vom Betrag der Verbrauchsteuer, der auf der Grundlage einer Erklärung für einen bestimmten Zeitraum zu entrichten ist, wird der Betrag abgezogen, der für die Anforderung von Verbrauchsteuerzeichen, die auf Tabakerzeugnissen angebracht worden sind, für die in diesem Zeitraum angezeigt wurde, dass sie das Steuerlager verlassen haben, gezahlt worden ist oder noch geschuldet wird.“
20. Artikel 79 Absatz 3 des Verbrauchsteuergesetzes lautet:
„Der Minister erlässt unter Beachtung der dafür vorgesehenen Voraussetzungen und Beschränkungen Vorschriften über die Verrechnung oder Erstattung des für die Anforderung von Verbrauchsteuerzeichen gezahlten oder noch geschuldeten Betrags, falls die Steuerzeichen
a. von demjenigen, der sie angefordert hat, zurückgesandt worden sind;
b. ohne auf Tabakerzeugnissen, die in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt oder eingeführt worden sind, angebracht gewesen zu sein, infolge höherer Gewalt oder Unfalls verloren gegangen sind;
c. unter behördlicher Aufsicht vernichtet worden sind.“
21. Die Durchführung dieser Bestimmung ist in Artikel 52 der Uitvoering sregeling accijns (im Folgenden: Verbrauchsteuer-Durchführungsverordnung) geregelt.
22. Nach diesem Artikel 52 wird der durch die Verbrauchsteuerzeichen, die infolge höherer Gewalt oder Unfalls verloren gegangen sind, repräsentierte Betrag der Verbrauchsteuer auf Antrag desjenigen, der sie angefordert hat, unter der Voraussetzung erstattet, dass die Erstattung binnen eines Monats nach dem Zeitpunkt des Verlustes beantragt und der Verlust dem Inspecteur unverzüglich unter Angabe von Zeitpunkt, Ort und Grund des Verlustes angezeigt worden ist. Nach Artikel 79 Absatz 6 der Verbrauchsteuer-Durchführungsverordnung wird für verloren gegangene Steuerzeichen Erstattung nur geleistet, „soweit der Betrag der Verbrauchsteuer sicher nachgewiesen werden kann“.
23. Schließlich sieht Artikel 28 der Wet op de omzetbelasting vom 28. Juni 1968 (Stb. 1968, Nr. 329, im Folgenden: Umsatzsteuergesetz) für die Erhebung der Mehrwertsteuer auf Tabakerzeugnisse ähnliche Modalitäten vor, wie sie für die Erhebung der Verbrauchsteuer gelten. Er bestimmt, dass der Satz der Mehrwertsteuer für diese Erzeugnisse 19/119 des für die Berechnung der Verbrauchsteuer herangezogenen Einzelhandelspreises beträgt und dass diese Mehrwertsteuer ohne Abzüge zu entrichten ist.
24. Nach Auffassung der niederländischen Regierung weicht die spezifische Regelung dieses Artikels 28 vom gemeinsamen Mehrwertsteuersystem ab. Sie diene zum einen dazu, die Erhebung der Mehrwertsteuer zu vereinfachen, denn sie werde, entsprechend dem System für Verbrauchsteuern, nur auf einer einzigen Stufe der Handelskette bei Tabakerzeugnissen erhoben, nämlich wenn diese das Steuerlager verließen oder bei ihrer Einfuhr; zum anderen diene sie der Betrugsbekämpfung, da der Einzelhandel in das Verfahren zur Erhebung der Steuer nicht einbezogen sei.
25. Diese Regelung bestand bereits am 1. Januar 1977. Die niederländische Regierung teilte sie der Kommission gemäß Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie am 12. Juni 1979 mit.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
26. Die Landewijck betreibt in Luxemburg einen Großhandel für Tabakwaren, für den sie eine Genehmigung für ein Steuerlager besitzt.
27. Am 6. Oktober 1998 stellte sie gemäß Artikel 75 des Verbrauchsteuergesetzes beim Belastingdienst/Douane Amsterdam zwei Anträge auf Bezug von Verbrauchsteuerzeichen für Tabakwaren. Sie beauftragte die Firma Securicor Omega mit der Abholung dieser Steuerzeichen.
28. Am 9. Oktober 1998 verbuchte der Inspecteur die von der Landewijck für die beiden Anträge geschuldeten Beträge, und zwar 177 809,10 NLG (140 575 NLG Verbrauchsteuer und 37 234,10 NLG Mehrwertsteuer) und 2 711 474,60 NLG (2 202 857,50 NLG Verbrauchsteuer und 508 617,10 NLG Mehrwertsteuer).
29. Am 12. Oktober 1998 holte das Kurierunternehmen Smit Koerier die bestellten Steuerzeichen im Namen der Securicor Omega bei der PTT Post Filatelie, nunmehr Geldnet Services BV, ab.
30. Aus dem am 17. Dezember 1998 von einem Sachverständigen im Auftrag des luxemburgischen Versicherungsunternehmens Le Foyer erstellten Protokoll geht hervor, dass die Smit Koerier am 13. Oktober 1998 um 19.40 Uhr drei Pakete Steuerzeichen bei einer Niederlassung der Securicor Omega in Utrecht (Niederlande) abgeliefert hatte und dass die Securicor Omega am 14. Oktober 1998 um 10 Uhr festgestellt hatte, dass diese Pakete verschwunden waren.
31. Mit Schreiben vom 23. November 1998 teilte die Landewijck dem Inspecteur mit, dass die an die Smit Koerier übergebenen Steuerzeichen bei ihr nicht eingegangen seien, dass sie daher nicht verwendet werden könnten und dass die Securicor Omega jede Verantwortung für ihr Verschwinden von sich weise. Sie forderte den Inspecteur in diesem Schreiben außerdem auf, „diese besonderen Umstände vor der Fälligkeit der Zahlung, d. h. dem 31. Januar 1999, zu berücksichtigen“.
32. Der Inspecteur behandelte dieses Schreiben als gemäß Artikel 79 Absatz 3 des Verbrauchsteuergesetzes in Verbindung mit Artikel 52 der Verbrauchsteuer-Durchführungsverordnung gestellten Antrag auf Verrechnung oder Erstattung des von der Landewijck für die streitigen Steuerzeichen entrichteten Betrages. Er lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 30. Januar 2001 ab.
33. Den Einspruch der Landewijck gegen diesen Bescheid wies der Inspecteur ebenfalls zurück.
34. Ihre beim Gerechtshof Amsterdam gegen diesen zurückweisenden Bescheid erhobene Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Der Gerechtshof stellte fest, dass die Klägerin nicht hinreichend sicher nachgewiesen habe, dass die Steuerzeichen nicht mehr existierten oder dass das Risiko ihrer Verwendung vernachlässigbar sei, so dass sie nicht als verloren im Sinne von Artikel 79 Absatz 3 Buchstabe b des Verbrauchsteuergesetzes angesehen werden könnten. Außerdem entschied der Gerechtshof gemäß Artikel 28 des Umsatzsteuergesetzes, wonach die Mehrwertsteuer auf Tabakerzeugnisse nach den für die Erhebung der Verbrauchsteuer geltenden Regeln erhoben wird, dass der Antrag auf Erstattung der Mehrwertsteuer aus eben den Gründen scheitern müsse, die für die Verweigerung der Erstattung der Verbrauchsteuer angeführt worden seien.
35. Die Landewijck legte beim Hoge Raad der Nederlanden Kassationsbeschwerde ein. Dieser ist der Auffassung, dass der Gerechtshof Artikel 79 Absatz 3 Buchstabe b des Verbrauchsteuergesetzes richtig angewandt habe, fragt sich jedoch, ob die Weigerung, der Klägerin in der vorliegenden Rechtssache Erstattung oder Verrechnung zu gewähren, mit bestimmten Vorschriften der Verbrauchsteuerrichtlinie, insbesondere den Artikeln 6 Absätze 1, 14 und 22, vereinbar ist.
36. Im Übrigen hat der Hoge Raad Zweifel hinsichtlich der Anwendbarkeit von Artikel 28 Umsatzsteuergesetz. Die Landewijck habe nämlich vorgetragen, dass die nach diesem Artikel eingeführte spezifische Regelung der Erhebung der Mehrwertsteuer der Kommission nicht binnen der Frist des Artikels 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie mitgeteilt worden und daher nicht mit dieser vereinbar sei.
37. Der Hoge Raad fragt sich in diesem Zusammenhang, insbesondere im Hinblick auf das Urteil vom 27. Oktober 1992 in der Rechtssache C‑74/91 (Kommission/Deutschland, Slg. 1992, I‑5437), ob die verspätete Mitteilung dieser Regelung an die Kommission am 12. Juni 1979 dieselben Folgen haben muss wie der Fall, in dem überhaupt keine Mitteilung erfolgt ist, nämlich die Unanwendbarkeit dieser Regelung gegenüber demjenigen, der sich auf diesen Mangel beruft. Selbst wenn die verspätete Mitteilung nicht zur Unanwendbarkeit der fraglichen Regelung führen sollte, sei zu prüfen, ob die Regelung mit Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie vereinbar sei.
38. Unter diesen Umständen hat der Hoge Raad das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist die Verbrauchsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass sie die Mitgliedstaaten zum Erlass einer gesetzlichen Regelung verpflichtet, wonach sie die bei der Anforderung von Verbrauchsteuerzeichen entrichteten oder geschuldeten Verbrauchsteuerbeträge erstatten oder verrechnen müssen, falls der Anfordernde (Inhaber der Genehmigung für ein Steuerlager) Steuerzeichen, die vor ihrer Anbringung auf den verbrauchsteuerpflichtigen Waren verschwunden sind, weder verwendet hat noch wird verwenden können und Dritte die Steuerzeichen weder auf gesetzlich zulässige Weise verwenden konnten noch werden verwenden können, auch wenn nicht ausgeschlossen ist, dass Dritte die Steuerzeichen durch Anbringung auf unrechtmäßig in Verkehr gebrachten Tabakerzeugnissen verwendet haben oder verwenden werden?
2. a) Ist die Sechste Richtlinie, insbesondere Artikel 27 Absätze 1 und 5, dahin auszulegen, dass der Umstand, dass die niederländische Regierung der Kommission zu einem späteren als dem in Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie in der Fassung der Neunten Richtlinie vorgesehenen Zeitpunkt mitgeteilt hat, dass sie die Sonderform der Steuererhebung bei Tabakerzeugnissen beizubehalten wünschte, zur Folge hat, dass dann, wenn sich ein Einzelner, nachdem die Mitteilung nachträglich erfolgt ist, auf die Fristüberschreitung beruft, diese Sonderform der Steuererhebung auch nach dem Zeitpunkt der Mitteilung unangewendet bleiben muss?
b) Ist, falls Frage 2 a verneint wird, die Sechste Richtlinie, insbesondere Artikel 27 Absätze 1 und 5, dahin auszulegen, dass die Sonderform der Steuererhebung bei Tabakerzeugnissen im Sinne des Artikels 28 des Verbrauchsteuergesetzes unangewendet bleiben muss, weil sie mit den Anforderungen der genannten Bestimmungen der Richtlinie unvereinbar ist?
c) Ist, falls Frage 2 b verneint wird, die Sechste Richtlinie, insbesondere Artikel 27 Absätze 1 und 5, dahin auszulegen, dass die Nichterstattung der Umsatzsteuer unter den in Frage 1 bezeichneten Umständen gegen die Richtlinie verstößt?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
39. Nach Artikel 21 Absatz 1 der Verbrauchsteuerrichtlinie können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Waren, die in ihrem Hoheitsgebiet in den steuerrechtlich freien Verkehr übergeführt werden sollen, mit Steuerzeichen versehen werden. Entsprechend sieht Artikel 10 Absatz 1 der Richtlinie über Tabakwaren vor, dass die Verbrauchsteuer in den der Stufe der Harmonisierung der Erhebungsmodalitäten für die Verbrauchsteuer vorhergehenden Stufen grundsätzlich mittels Steuerzeichen entrichtet wird.
40. Artikel 22 Absatz 2 Buchstabe d der Verbrauchsteuerrichtlinie sieht zudem vor, dass die Verbrauchsteuer in dem besonderen Fall, dass die Vernichtung der Steuerzeichen von den Steuerbehörden des Mitgliedstaats, der sie erteilt hat, festgestellt worden ist, von den Steuerbehörden dieses Mitgliedstaats erstattet werden kann.
41. Dagegen enthält die Verbrauchsteuerrichtlinie keine Bestimmung für den Fall des Verschwindens von Steuerzeichen. Diese Richtlinie ist daher so zu verstehen, dass es den Mitgliedstaaten überlassen ist, die Folgen eines solchen Verschwindens zu regeln. Die Richtlinie kann daher nicht dahin ausgelegt werden, dass sie die Mitgliedstaaten am Erlass einer nationalen Regelung hindert, nach der im Fall des Verschwindens von Steuerzeichen das finanzielle Risiko ihres Verlustes dem Erwerber zugewiesen wird.
42. Eine solche nationale Regelung kann auch nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden.
43. Eine nationale Regelung, nach der ein Erwerber von Verbrauchsteuerzeichen lediglich ihren Verlust geltend zu machen braucht, um die Erstattung des für sie gezahlten Betrages zu erlangen, könnte nämlich Missbräuchen und Steuerhinterziehung Vorschub leisten. Die Verhinderung von Missbräuchen und Steuerhinterziehungen ist jedoch gerade eines der vom Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziele.
44. Folglich trägt eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die im Fall des Verschwindens von Steuerzeichen das finanzielle Risiko ihres Verlustes dem Erwerber zuweist, zur Erreichung des Zieles der Verhinderung des Missbrauchs der Zeichen zu betrügerischen Zwecken bei. Zudem geht eine solche nationale Regelung nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist, da sie im Übrigen eine etwaige Erstattung oder Verrechnung in anderen Fällen, wie bei Verlust der Steuerzeichen infolge Unfalls oder höherer Gewalt, nicht ausschließt.
45. In diesem Zusammenhang hat das Argument, dass unter den besonderen Umständen des Ausgangsverfahrens das Risiko eines Missbrauchs der verschwundenen Zeichen sehr gering sei, keinen Einfluss auf die dem vorlegenden Gericht zu gebende Antwort, da dieses Risiko jedenfalls besteht.
46. Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass weder die Verbrauchsteuerrichtlinie noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit die Mitgliedstaaten am Erlass einer Regelung hindern, wonach unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens der entrichtete Verbrauchsteuerbetrag nicht zu erstatten ist und somit das finanzielle Risiko des Verlustes von Steuerzeichen dem Erwerber zugewiesen wird.
Zur Frage 2 a
47. Mit dieser Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob der Umstand, dass ein Mitgliedstaat der Kommission seinen Wunsch, die Sonderform der Erhebung der Steuer auf Tabakwaren beizubehalten, nach Ablauf der in Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen und durch die Neunte Richtlinie verlängerten Frist mitgeteilt hat, zur Folge hat, dass diese Form der Steuererhebung auch nach dem Zeitpunkt dieser Mitteilung unangewendet bleiben muss.
48. Der Gerichtshof hat zwar bereits entschieden, dass eine von der Sechsten Richtlinie abweichende Sondermaßnahme, die unter Verstoß gegen die den Mitgliedstaaten durch Artikel 27 Absatz 2 auferlegte Mitteilungspflicht erlassen wurde, einem Steuerpflichtigen nicht entgegengehalten werden kann (vgl. u. a. Urteile vom 13. Februar 1985 in der Rechtssache 5/84, Direct Cosmetics, Slg. 1985, 617, Randnr. 37, und vom 11. Juli 1991 in der Rechtssache C‑97/90, Lennartz, Slg. 1991, I‑3795, Randnr. 33). Ohne Mitteilung kann nämlich eine solche Maßnahme nicht Gegenstand einer Ermächtigung durch den Rat gemäß Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie sein.
49. In der vorliegenden Rechtssache handelt es sich jedoch nicht um eine neue Sondermaßnahme, die dem Rat zur Erteilung der Ermächtigung vorzulegen ist, sondern um eine Sondermaßnahme, die bereits am 1. Januar 1977 bestand und die der Mitgliedstaat gemäß Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie trotz ihres Inkrafttretens beizubehalten wünschte. Entsprechend teilte die niederländische Regierung der Kommission am 12. Juni 1979 ihren Wunsch mit, die Regelung des Artikels 28 Umsatzsteuergesetz beizubehalten. Überdies sah die Kommission in ihrem Ersten Bericht an den Rat vom 14. September 1983 über das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, vorgelegt gemäß Artikel 34 der Sechsten Richtlinie (KOM[83] 426 endg.), in dieser Regelung keinen Verstoß gegen das in Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie aufgestellte Kriterium, dass die Maßnahmen den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen dürfen.
50. Eine verspätete Mitteilung der abweichenden Maßnahme kann aber nicht die gleichen Folgen haben wie das Unterlassen jeder Mitteilung. Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie knüpft nämlich an die Nichteinhaltung der Mitteilungsfrist keine Sanktion. Zudem dient die vorgesehene Mitteilung nicht zur Einholung einer Erlaubnis der Kommission, sondern soll dieser lediglich ermöglichen, von der betreffenden Maßnahme Kenntnis zu nehmen und sie zu beurteilen. Unter diesen Umständen kann die Nichteinhaltung der Mitteilungsfrist nicht als wesentlicher Verfahrensverstoß angesehen werden, der geeignet wäre, zur Unanwendbarkeit der verspätet mitgeteilten abweichenden Maßnahme zu führen.
51. Folglich ist auf die Frage 2 a zu antworten, dass Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass die Nichteinhaltung der Mitteilungsfrist keinen wesentlichen Verfahrensverstoß darstellt, der geeignet wäre, zur Unanwendbarkeit der verspätet mitgeteilten abweichenden Maßnahme zu führen.
Zur Frage 2 b
52. Mit der Frage 2 b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Sonderform der Mehrwertsteuererhebung mittels Steuerzeichen, wie sie die im Ausgangsverfahren anwendbaren niederländischen Rechtsvorschriften vorsehen, mit den Anforderungen des Artikels 27 Absätze 1 und 5 der Sechsten Richtlinie vereinbar ist und nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Steuererhebung zu vereinfachen sowie Steuerhinterziehungen und Steuerumgehungen zu verhüten.
53. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, sind die in Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie geregelten nationalen Sondermaßnahmen, die zulässig sind, „um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder ‑umgehungen zu verhüten“, eng auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 324/82, Kommission/Belgien, Slg. 1984, 1861, Randnr. 29). Sie dürfen von der in Artikel 11 der Richtlinie geregelten Besteuerungsgrundlage für die Mehrwertsteuer nur insoweit abweichen, als dies für die Erreichung dieses Zieles unbedingt erforderlich ist (Urteil vom 29. Mai 1997 in der Rechtssache C‑63/96, Skripalle, Slg. 1997, I‑2847, Randnr. 24). Überdies müssen sie zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten konkreten Zieles erforderlich und geeignet sein und dürfen die Ziele und Grundsätze der Sechsten Richtlinie nicht mehr als erforderlich beeinträchtigen (Urteil vom 19. September 2000 in den verbundenen Rechtssachen C‑177/99 und C‑181/99, Ampafrance und Sanofi, Slg. 2000, I‑7013, Randnr. 60).
54. Im vorliegenden Fall hat die Sonderregelung, die die Erhebung der Mehrwertsteuer mittels Steuerzeichen gestattet, den Zweck und die Wirkung, die Steuererhebung zu vereinfachen, die kraft dieser Sonderregelung nur auf einer einzigen Stufe der Handelskette erfolgt.
55. Im Übrigen knüpft diese Regelung den fälligen Mehrwertsteuerbetrag, wie es Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie verlangt, an den Preis des Erzeugnisses im Stadium des Endverbrauchs.
56. Zwar kann es unter bestimmten Umständen, wie beim Verlust der Erzeugnisse, ihrem Nichtverkauf oder ihrem unrechtmäßigen Verkauf zu einem anderen als dem auf den Steuerzeichen angegebenen Einzelhandelspreis, dazu kommen, dass der Hersteller einen höheren Mehrwertsteuerbetrag zu entrichten hat als den, der normalerweise nach dem gemeinschaftlichen System der Mehrwertsteuererhebung anfiele.
57. Jedoch genügt die bloße Möglichkeit, dass solche Umstände eintreten, nicht für die Annahme, dass die Sonderregelung der Erhebung der Mehrwertsteuer mittels Steuerzeichen nicht den in Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie festgelegten Kriterien entspricht. Dieser Artikel steht nämlich nur solchen Maßnahmen entgegen, die den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer in nicht unerheblichem Maße beeinflussen.
58. Die Fälle, in denen die Regelung der Steuererhebung mittels Steuerzeichen zu einer Änderung der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer führen kann, sind nicht so geartet, dass die Annahme berechtigt erschiene, dass diese Regelung den Betrag der im Stadium des Endverbrauchs fälligen Steuer in nicht unerheblichem Maße beeinflussen könnte. Eine solche Regelung verstößt daher nicht gegen die in Artikel 27 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie festgelegten Kriterien.
59. Sie geht aus denselben Gründen nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um die Erhebung der Mehrwertsteuer zu vereinfachen.
60. Folglich ist dem vorlegenden Gericht zu antworten, dass Artikel 27 Absätze 1 und 5 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass eine Sonderregelung der Erhebung der Mehrwertsteuer mittels Steuerzeichen wie die des Artikels 28 des niederländischen Umsatzsteuergesetzes mit den in diesen Richtlinienbestimmungen vorgesehenen Anforderungen vereinbar ist und nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Erhebung der Mehrwertsteuer zu vereinfachen.
Zur Frage 2 c
61. Mit dieser letzten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Sechste Richtlinie, insbesondere ihr Artikel 27 Absätze 1 und 5, dahin auszulegen ist, dass die Nichterstattung der Mehrwertsteuer unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits mit dieser Richtlinie unvereinbar ist.
62. Wie oben in Randnummer 44 ausgeführt, trägt eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die im Fall des Verschwindens von Steuerzeichen das finanzielle Risiko ihres Verlustes dem Erwerber zuweist, zur Erreichung des Zieles der Verhinderung des Missbrauchs der Zeichen zu betrügerischen Zwecken bei. Zudem geht eine solche nationale Regelung nicht über das hinaus, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist, da sie im Übrigen eine etwaige Erstattung oder Verrechnung in anderen Fällen, wie bei Verlust der Steuerzeichen infolge Unfalls oder höherer Gewalt, nicht ausschließt.
63. Zudem bilden die Steuerzeichen streng genommen nicht die Steuerschuld des Erwerbers, sondern besitzen als solche einen eigenen Wert. Es ist daher gerechtfertigt, dass ihr Erwerber gegen ihr Verschwinden Vorkehrungen treffen muss und gegebenenfalls das finanzielle Risiko ihres Verschwindens trägt, selbst wenn dies in bestimmten Fällen dazu führen kann, dass die Mehrwertsteuer für dieselben Erzeugnisse doppelt erhoben wird.
64. Schließlich lässt sich, entgegen dem Vortrag der Kommission und der Landewijck, die Antwort auf die vorliegende Frage nicht aus der vom Gerichtshof im Urteil vom 14. Juli 2005 in der Rechtssache C‑435/03 (British American Tobacco und Newman Shipping, Slg. 2005, I‑7077) getroffenen Entscheidung ableiten. In diesem Urteil hat der Gerichtshof u. a. entschieden, dass zum einen der Diebstahl von Waren keine Lieferung von Gegenständen gegen Entgelt im Sinne von Artikel 2 der Sechsten Richtlinie darstellt und daher nicht als solcher der Mehrwertsteuer unterliegen kann und dass zum anderen der Umstand, dass Waren einer Verbrauchsteuer unterliegen, hierauf keinen Einfluss hat.
65. Das Verschwinden von Steuerzeichen hat jedoch anders als der Diebstahl von Waren keinen Einfluss auf die Besteuerungsgrundlage. Die Tabakwaren, für die die Steuerzeichen erworben wurden, können immer noch in den Verkehr gebracht werden, und die Mehrwert- und Verbrauchsteuerschuld kann immer noch entstehen. Außerdem ist es, wie bereits dargelegt, gerechtfertigt, den Erwerber von Steuerzeichen anzuhalten, gegen das Risiko ihres Verschwindens Vorkehrungen zu treffen, während es wahrscheinlich nicht erforderlich ist, einen Eigentümer von Waren zu deren Überwachung und zu Vorkehrungen gegen das Diebstahlsrisiko anzuhalten.
66. Folglich ist das Vorbringen der Kommission und der Landewijck, aus dem Urteil British American Tobacco und Newmann Shipping ergebe sich a fortiori, dass im Fall eines Verlustes von Steuerzeichen ein Anspruch auf Erstattung oder Verrechnung der gezahlten Mehrwertsteuerbeträge bestehe, unbegründet.
67. Daher ist auf die letzte Frage zu antworten, dass das Fehlen einer Verpflichtung zur Erstattung der für den Erwerb von Verbrauchsteuerzeichen gezahlten, der Mehrwertsteuer entsprechenden Beträge unter Umständen wie denen des Ausgangsrechtsstreits nicht mit der Sechsten Richtlinie, insbesondere deren Artikel 27 Absätze 1 und 5, unvereinbar ist.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Weder die Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren noch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hindern die Mitgliedstaaten am Erlass einer Regelung, wonach in dem Fall, dass Verbrauchsteuerzeichen vor ihrer Anbringung auf den Tabakerzeugnissen verschwunden sind, sofern dieses Verschwinden nicht auf höhere Gewalt oder Unfall zurückzuführen ist und nicht nachgewiesen ist, dass die Steuerzeichen vernichtet oder endgültig unbrauchbar gemacht worden sind, der entrichtete Verbrauchsteuerbetrag nicht zu erstatten ist und somit das finanzielle Risiko des Verlustes von Steuerzeichen dem Erwerber zugewiesen wird.
2. Artikel 27 Absatz 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass die Nichteinhaltung der Mitteilungsfrist keinen wesentlichen Verfahrensverstoß darstellt, der zur Unanwendbarkeit der verspätet mitgeteilten abweichenden Maßnahme führen kann.
3. Artikel 27 Absätze 1 und 5 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass eine Sonderregelung der Erhebung der Mehrwertsteuer mittels Steuerzeichen wie die des Artikels 28 der Wet op de omzetbelasting vom 28. Juni 1968 mit den in diesen Richtlinienbestimmungen vorgesehenen Anforderungen vereinbar ist und nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um die Erhebung der Mehrwertsteuer zu vereinfachen.
4. Das Fehlen einer Verpflichtung zur Erstattung der für den Erwerb von Verbrauchsteuerzeichen gezahlten, der Mehrwertsteuer entsprechenden Beträge in dem Fall, dass diese Steuerzeichen vor ihrer Anbringung auf den Tabakerzeugnissen verschwunden sind, sofern dieses Verschwinden nicht auf höhere Gewalt oder Unfall zurückzuführen ist und nicht nachgewiesen ist, dass die Steuerzeichen vernichtet oder endgültig unbrauchbar gemacht worden sind, ist nicht mit der Sechsten Richtlinie 77/388, insbesondere deren Artikel 27 Absätze 1 und 5, unvereinbar.