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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62001CC0278

Schlussanträge des Generalanwalts Mischo vom 12. Juni 2003.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Königreich Spanien.
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats - Urteil des Gerichtshofes, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wurde - Nichtdurchführung - Artikel 228 EG - Finanzielle Sanktionen - Zwangsgeld - Qualität der Badegewässer - Richtlinie 76/160/EWG.
Rechtssache C-278/01.

Sammlung der Rechtsprechung 2003 I-14141

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2003:342

Conclusions

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS
JEAN MISCHO
vom 12. Juni 2003(1)



Rechtssache C-278/01



Kommission der Europäischen Gemeinschaften
gegen
Königreich Spanien


„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Urteil des Gerichtshofes, mit dem eine Vertragsverletzung festgestellt wurde – Nichtdurchführung – Artikel 228 EG – Finanzielle Sanktionen – Zwangsgeld – Qualität der Badegewässer – Richtlinie 76/160/EWG“






1. Das heikle und in der jetzigen vorsommerlichen Jahreszeit besonders aktuelle Thema der Sauberkeit der Badegewässer ist für den Gerichtshof alles andere als neu. Erstmals geht es aber vorliegend um die Umsetzung eines Urteils aus diesem Bereich.

I ─ Gemeinschaftsrecht

2. Die Richtlinie 76/160/EWG des Rates vom 8. Dezember 1975 über die Qualität der Badegewässer (im Folgenden: Richtlinie) (2) dient gemäß ihrer ersten Begründungserwägung dem Ziel, die Umwelt und die Volksgesundheit durch eine Reduzierung der Verunreinigung der Badegewässer zu schützen und diese Gewässer vor weiterer Qualitätsminderung zu bewahren.

3. Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, die auf Badegewässer anwendbaren chemisch-physikalischen und mikrobiologischen Werte für die in ihrem Anhang aufgeführten Parameter festzulegen, wobei die festgelegten Werte nicht weniger streng sein dürfen als die in Spalte I des Anhangs angegebenen Werte (Artikel 2 und 3 der Richtlinie).

4. Gemäß Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie muss die Qualität der Badegewässer binnen zehn Jahren nach Bekanntgabe der Richtlinie den nach Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Werten entsprechen.

5. Da Artikel 395 der Akte über die Bedingungen des Beitritts des Königreichs Spanien und der Portugiesischen Republik und die Anpassungen der Verträge (3) hinsichtlich des Geltungsbereichs der Richtlinie keinerlei Privilegierung zugunsten des Königreichs Spanien vorsieht, musste die Qualität der spanischen Badegewässer ab 1. Januar 1986 den durch die Richtlinie festgelegten Werten entsprechen.

II ─ Das Urteil Kommission/Spanien

6. In seinem Urteil vom 12. Februar 1998 (4) hat der Gerichtshof festgestellt, dass das Königreich Spanien dadurch gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 4 der Richtlinie verstoßen hat, dass es nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Qualität der Binnenbadegewässer im spanischen Hoheitsgebiet den gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht.

III ─ Schriftliches Vorbringen und Anträge der Parteien

7. In ihrer Klageschrift macht die Kommission geltend, dass die Qualität der Binnenbadegewässer im spanischen Hoheitsgebiet immer noch nicht die in der Richtlinie festgelegten Vorgaben erfülle. Sie legt hierzu folgende Aufstellung vor:
Jahr Anzahl der Bade- gebiete C(I) (%) NF (%) NC (%) NB (%)
1998 215 73 0,9 25,6 0,5
1999 213 76,5 0,5 13,1 9,9
2000 202 79,2 1 14,9 5

C(I): Prozentualer Anteil der Badegebiete, in denen ausreichende Proben genommen wurden und in denen die verbindlichen Grenzwerte eingehalten wurden.

NF: Prozentualer Anteil der Badegebiete ohne ausreichende Probenahmen. NC: Prozentualer Anteil der Badegebiete, in denen keine Proben genommen wurden (oder für die keine Werte bekannt sind) oder in denen die verbindlichen Grenzwerte nicht eingehalten wurden. NB: Prozentualer Anteil der Badegebiete, in denen das Baden ganzjährig untersagt ist.

8. Die Kommission weist ferner darauf hin, dass die spanische Regierung die Anzahl der Binnenbadegebiete im Laufe der Jahre reduziert habe.

9. Der von der spanischen Regierung beschlossene Aktionsplan sehe eine Anzahl in Durchführung begriffener und geplanter Maßnahmen sowie einen Zeitplan vor, dem zufolge die vorgesehenen Umsetzungsmaßnahmen bis Ende 2003 abgeschlossen sein sollten.

10. Aufgrund dieser Ausgangspunkte gelangt die Kommission zu dem Schluss, dass der Beklagte es unterlassen habe, die zur Durchführung des oben genannten Urteils notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

11. Die Kommission verweist auf Artikel 228 Absatz 2 Unterabsatz 2 Satz 2 EG, wonach sie die Höhe des von dem betreffenden Mitgliedstaat zu zahlenden Pauschalbetrags oder Zwangsgeldes festlege, die sie den Umständen nach für angemessen halte. Unter Anwendung der von ihr in ihren Stellungnahmen 96/C242/07 vom 21. August 1996 und 97/C63/02 vom 28. Februar 1997 über die Anwendung von Artikel 171 EG-Vertrag [nunmehr Artikel 228 EG] (5) und über das Verfahren für die Berechnung des Zwangsgeldes nach Artikel 171 EG (6) dargelegten Berechnungsmethoden schlägt die Kommission als Sanktion für die Nichterfüllung des oben genannten Urteils Kommission/Spanien die Verhängung eines tageweisen Zwangsgeldes in Höhe von 45 600 Euro vor, zu zahlen ab Erlass des Urteils in der vorliegenden Rechtssache bis zu dem Tag, an dem das oben genannte Urteil vollzogen ist.

12. Der genannte Betrag ergibt sich aus der Multiplikation eines Pauschalgrundbetrags von 500 Euro mit dem Koeffizienten 4 (auf einer Skala von 1 bis 20) für die Schwere des Verstoßes, mit dem Koeffizienten 2 (auf einer Skala von 1 bis 3) für die Dauer des Verstoßes und eines Koeffizienten 11,4 (hergeleitet aus dem Bruttoinlandsprodukt des betreffenden Mitgliedstaats und der Gewichtung seiner Stimmen im Rat), mit dem die Finanzkraft des betreffenden Mitgliedstaats erfasst werden soll.

13. Die spanische Regierung vertritt in erster Linie die Auffassung, dass die Klage abzuweisen sei, da die Kommission noch länger warten müsse, bevor sie die Feststellung der unterlassenen Durchführung des oben genannten Urteils Kommission/Spanien beantragen könne. Hilfsweise macht sie geltend, dass die Verhängung eines tageweisen Zwangsgeldes unangemessen sei. Höchst hilfsweise beanstandet sie die vorgeschlagene Höhe des Zwangsgeldes.

14. Die Kommission beantragt,

festzustellen, dass das Königreich Spanien dadurch, dass es entgegen der ihm aus Artikel 4 der Richtlinie erwachsenden Verpflichtungen nicht die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um sicherzustellen, dass die Qualität der Binnenbadegewässer im spanischen Hoheitsgebiet den gemäß Artikel 3 der Richtlinie festgelegten Grenzwerten entspricht, das oben genannte Urteil Kommission/Spanien nicht durchgeführt und damit gegen seine Verpflichtungen aus Artikel 228 EG verstoßen hat;

dem Königreich Spanien aufzugeben, an sie auf das Konto „Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaft“ ein tägliches Zwangsgeld in Höhe von 45 600 Euro für die Nichtergreifung der zur Erfüllung des oben genannten Urteils Kommission/Spanien notwendigen Maßnahmen beginnend ab Erlass des Urteils in der vorliegenden Sache bis zu dem Tag, an dem das oben genannte Urteil Kommission/Spanien durchgeführt ist, zu zahlen;

dem Königreich Spanien die Kosten aufzuerlegen.

15. Das Königreich Spanien beantragt,

die Klage insgesamt abzuweisen;

hilfsweise, kein tägliches Zwangsgeld zu verhängen;

höchst hilfsweise, das tägliche Zwangsgeld auf maximal 11 400 Euro zu begrenzen;

der Kommission auf jeden Fall die Kosten aufzuerlegen.

IV ─ Beurteilung

A ─
Zur unterlassenen Durchführung des Urteils aus dem Jahre 1998

16. Das Königreich Spanien tritt zu seiner Verteidigung in erster Linie dem Vorbringen der Kommission entgegen, es sei festzustellen, dass das Urteil aus dem Jahre 1998 nicht durchgeführt worden sei oder, anders gesagt, dass der Beklagte seine Verpflichtungen aus der Richtlinie nicht erfüllt habe.

17. Hierzu ist Folgendes hervorzuheben. Zunächst gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass sich aus der Richtlinie für die Mitgliedstaaten eine Erfolgspflicht ergibt (7) . Diese haben dafür Sorge zu tragen, dass sämtliche Badegebiete die im Anhang der Richtlinie genannten Vorgaben erfüllen, und sie können sich dieser Verpflichtung nicht mit Hinweis auf praktische Schwierigkeiten entziehen.

18. Sodann ist darauf hinzuweisen, dass maßgeblich für die Feststellung, ob ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen erfüllt oder nicht, der Termin ist, zu dem die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission gesetzte Frist abläuft. In Artikel 228 Absatz 2 EG ist nämlich ausdrücklich bestimmt, dass die Kommission den Gerichtshof anrufen kann, wenn „der betreffende Mitgliedstaat die Maßnahmen, die sich aus dem Urteil des Gerichtshofes ergeben, nicht innerhalb der von der Kommission gesetzten Frist getroffen [hat]“. Dieser Hinweis ist hier deshalb angebracht, weil zahlreiche Argumente der Parteien in diesem Verfahren erst die Zeit nach Ablauf dieser Frist betreffen.

19. Zwar sind diese Argumente ─ wie wir sehen werden ─ im Zusammenhang mit der möglichen Festlegung eines Zwangsgeldes von Bedeutung. Für die zuvor notwendige Feststellung, dass Spanien dem genannten Urteil Kommission/Spanien nicht nachgekommen ist, sind sie hingegen untauglich.

20. Um dies von vornherein klarzustellen: Die spanische Regierung bestreitet nicht, dass sie die Verpflichtungen aus der Richtlinie innerhalb der maßgeblichen Fristen nicht erfüllt hat. Sie räumt mithin ein, dem Urteil Kommission/Spanien nicht in der ihr hierfür von der Kommission gesetzten Frist nachgekommen zu sein.

21. Eine andere Argumentation des Beklagten wäre auch kaum denkbar. Wie sich nämlich aus den von der Kommission vorgelegten Zahlen eindeutig ergibt, erfüllten in der Badesaison 2000 etwa 20 % der streitigen Badegebiete nicht die von der Richtlinie vorgegebenen Kriterien. Die in der Stellungnahme der Kommission vom 27. Juli 2000 gesetzte zweimonatige Frist endete aber noch im September desselben Jahres.

22. Zwar wendet sich der Beklagte vehement gegen den Teil der Argumentation der Kommission, der die Badegebiete mit Badeverbot und die als solche nicht mehr ausgewiesenen Badegebiete betrifft. Der Beklagte macht geltend, dass diese Badegebiete nicht ─ wie dies die Kommission tue ─ als Badegebiete gewertet werden dürften, die den Voraussetzungen der Richtlinie nicht entsprechen. Zugleich räumt er aber ein, dass auch bei Berücksichtigung dieses Einwands die Prozentzahl der Übereinstimmung mit der Richtlinie im fraglichen Zeitraum deutlich unter 100 % bleibt; nur bei Erreichen dieses Wertes wäre er aber der Richtlinie und damit dem Urteil Kommission/Spanien nachgekommen.

23. In diesem Stadium der Untersuchung braucht daher nicht mehr die Frage geprüft zu werden, welche Auswirkungen die Badeverbote oder die Rücknahme der Ausweisung als Badegebiete auf die Erfüllung der im Anhang der Richtlinie genannten Kriterien haben, eine Frage übrigens, die ich in einigen ihrer Aspekte an anderer Stelle bereits untersucht habe (8) .

24. Steht damit umgekehrt bereits fest, dass die Kommission die unterlassene Durchführung des Urteils Kommission/Spanien nachgewiesen hat? Eine derartige Schlussfolgerung würde der Argumentation des Beklagten nicht gerecht. Dieser macht nämlich im Wesentlichen geltend, dass ihm die Kommission nicht genügend Zeit eingeräumt habe, um seinen Verpflichtungen nachzukommen. Der Gerichtshof könne daher keine Verletzung dieser Verpflichtungen feststellen.

25. Bevor wir uns der Frage der Begründetheit dieses Einwands zuwenden, gilt es, über dessen grundsätzliche Zulässigkeit zu entscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung (9) , die der Beklagte im Übrigen selbst anführt, steht nämlich der Kommission bei der Entscheidung über die Einleitung einer Vertragsverletzungsklage und ihres Zeitpunkts ein weiter Ermessensspielraum zu.

26. Nach Ansicht des Beklagten weist jedoch das Verfahren wegen unterlassener Durchführung eines Urteils in dieser Hinsicht einige Besonderheiten auf. Und tatsächlich enthält der Vertrag und insbesondere Artikel 228 EG, auf den derartige Klageverfahren gestützt werden, keine Frist, innerhalb deren das Urteil des Gerichtshofes durchgeführt sein muss.

27. Nach Auffassung des Beklagten ergibt sich insoweit aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes, dass der Mitgliedstaat über eine angemessene Frist zur Erfüllung des Urteils verfügen müsse, was hier nicht der Fall gewesen sei.

28. Ich teile die Ansicht des Beklagten. Denn es besteht ein Unterschied zwischen einer Klage wegen unterbliebener Durchführung eines Urteils, in dem die Verletzung einer Richtlinie festgestellt wurde, und einer Klage wegen Verletzung der Richtlinie selbst. Im Regelfall enthält nämlich die Richtlinie selbst eine Frist, bis zu deren Ablauf der Mitgliedstaat der Richtlinie nachgekommen sein muss.

29. In einem entsprechenden Klageverfahren hat der Gerichtshof nur den Fristablauf und die Nichtumsetzung von sich aus der Richtlinie ergebenden Verpflichtungen festzustellen. Außer in Fällen höherer Gewalt wird der Mitgliedstaat mit dem Einwand einer zu kurz bemessenen Frist nicht gehört.

30. Hiermit nicht zu vergleichen ist der vorliegende Fall, in dem die unterlassene Durchführung eines Urteils durch einen Mitgliedstaat geltend gemacht wird. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass der Vertrag hierzu keine Fristbestimmung enthält. Demgegenüber hatte der Gerichtshof bereits Gelegenheit, sich zu dieser grundlegenden Frage im Zusammenhang mit Klagen wegen der Nichtbefolgung eines Urteils zu äußern.

31. Nach dieser Rechtsprechung (10) verlangt das Interesse an einer sofortigen und einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts, dass die Durchführung sofort in Angriff genommen und innerhalb kürzestmöglicher Frist abgeschlossen wird. Die Verwendung des Begriffes „kürzestmögliche Frist“ verweist darauf, dass zumindest hinsichtlich des Wirksamwerdens der ergriffenen Maßnahmen eine gewisse Zeit verstreichen kann, bevor die Nichtdurchführung des Urteils zweifelsfrei feststeht.

32. Die Tatsache, dass die Rechtsprechung von kürzestmöglicher Frist spricht, ist dabei lediglich Ausdruck des Grundsatzes, dass niemand zu Unmöglichem verpflichtet ist, und gibt meines Erachtens dem Beklagten darin Recht, dass in jedem Einzelfall zu überprüfen ist, ob der Mitgliedstaat überhaupt über einen angemessenen Zeitraum zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofes verfügte.

33. Aus derselben Rechtsprechung ergibt sich, dass eine Klage der Kommission abzuweisen wäre, mit der die fehlende Durchführung eines Urteils des Gerichtshofes nach Ablauf einer derart kurz bemessenen Frist festgestellt werden sollte, dass dem Mitgliedstaat zur Ergreifung der für die Durchführung des Urteils notwendigen Maßnahmen kein angemessener zeitlicher Spielraum zur Verfügung gestanden hätte.

34. Beide Parteien nehmen hinsichtlich der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien, nämlich der sofortigen Inangriffnahme der Durchführung durch den Mitgliedstaat und dem Ergreifen von Maßnahmen, die schnellstmöglich zum Ziel führen, vollkommen entgegengesetzte Standpunkte ein.

35. Die Kommission hält das Handeln des Beklagten auf beiden Ebenen für eindeutig unzureichend. So hätten die Antworten der spanischen Regierung in den ersten Monaten nach Erlass des Urteils Kommission/Spanien entgegen den Darlegungen des Beklagten bei weitem keine Gesamtbilanz und Detailplanung der zu ergreifenden Maßnahmen, geschweige denn Angaben über deren finanzielles Volumen, enthalten. Vielmehr seien die Antworten an die Kommission für bestimmte Landesteile unvollständig oder überholt gewesen. Keinesfalls hätten sie einen Detailplan der geplanten Maßnahmen enthalten.

36. Ergibt sich hieraus aber bereits, dass die spanischen Stellen die Durchführung des Urteils Kommission/Spanien nicht sofort in Angriff genommen haben?

37. Dieses erste Argument der Klägerin überzeugt nicht. Die Tatsache, dass die ersten Angaben an die Kommission unvollständig waren, belegt an sich noch nicht die Untätigkeit der spanischen Behörden. Vielmehr kann die Lückenhaftigkeit auch darauf zurückzuführen sein, dass die spanischen Behörden, obwohl sie bereits mit der Durchführung des Urteils Kommission/Spanien begonnen hatten, noch nicht in der Lage waren, die jüngsten Erhebungen von allen dafür zuständigen regionalen und lokalen Stellen abzurufen.

38. Die Kommission hebt ferner hervor, dass den spanischen Behörden nach Zugang der mit Gründen versehenen Stellungnahme im Juli 2000 ein Zeitraum von zwei Monaten genügt habe, um einen Gesamtplan mit detaillierter Auflistung aller zu ergreifenden Maßnahmen vorzulegen. Die Kürze dieses Zeitraums belege, dass die spanischen Behörden weitaus schneller mit der Durchführung hätten beginnen können, als sie es tatsächlich getan hätten; tatsächlich hätten sie den Zugang der mit Gründen versehene Stellungnahme abgewartet, um mit der Durchführung des Urteils zu beginnen.

39. Auch diese Annahme ist nicht tragfähig. Die Tatsache, dass die spanischen Stellen im Juli 2000 in der Lage waren, der Kommission innerhalb von zwei Monaten einen detaillierten Plan vorzulegen, bedeutet noch nicht, dass sie hierzu bereits im Jahre 1998 befähigt gewesen und somit zwischen Erlass des Urteils und dem Zugang der mit Gründen versehenen Stellungnahme hinsichtlich der Durchführung untätig geblieben wären. Wie sich aus den Akten ergibt, beruht der vorgelegte Detailplan auf Erhebungen im Zeitraum von 1998 bis 2000. Es ist daher nicht erwiesen, dass die spanischen Stellen aufgrund der ihnen seinerzeit in den Monaten nach Erlass des Urteils zur Verfügung stehenden Daten einen derartigen Plan hätten erstellen können. Dies gilt umso mehr, als das Urteil Kommission/Spanien kurz vor Beginn der Badesaison und damit vor einem neuen Zeitraum für Probenahmen erging, deren Ergebnisse die spanischen Stellen möglicherweise noch abwarten wollten.

40. Darüber hinaus ergibt sich aus den von der Kommission selbst vorgelegten Zahlen, dass es zwischen 1998 und 1999 zu einer ─ wenn auch geringfügigen ─ Verbesserung der Qualität der streitigen Badegewässer gekommen ist, da der Prozentsatz der Übereinstimmung in diesem Zeitraum von 73 % auf 76,5 % angestiegen ist. Hierbei handelt es sich um den Zeitraum unmittelbar nach Erlass des Urteils durch den Gerichtshof. Die genannten Zahlen sprechen somit eher gegen die Annahme einer Untätigkeit der spanischen Behörden in diesem Zeitraum.

41. Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Kommission keinen Nachweis dafür erbringt, dass die spanischen Behörden die Durchführung des Urteils nicht unmittelbar nach dessen Erlass in Angriff genommen hätten. Nach ständiger Rechtsprechung obliegt der Kommission aber die Beweislast hierfür (11) .

42. Die Verpflichtungen eines Mitgliedstaats beschränken sich indessen nicht darauf, die Durchführung des betreffenden Urteils sofort in Angriff zu nehmen. Wie wir gesehen haben, wird von ihm auch verlangt, die Durchführung so schnell wie möglich zum Abschluss zu bringen. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte, so die Kommission, nicht nachgekommen.

43. Sie verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass selbst zum gegenwärtigen Zeitpunkt die in der Richtlinie vorgesehenen Grenzwerte nicht eingehalten würden. Das Jahr 2005 oder gegebenenfalls das Jahr 2003, das von der spanischen Regierung in ihrer Verteidigungsschrift als zeitlicher Rahmen für die Durchführung des Urteils Kommission/Spanien angegeben werde, könne nicht als „kürzestmögliche Frist“ im Sinne der Rechtsprechung angesehen werden.

44. Die Säumnis der spanischen Behörden beruht nach Ansicht der Kommission auf zwei Ursachen. Die erste, dass nämlich die spanischen Behörden mit der Durchführung des Urteils erst nach Zugang der mit Gründen versehenen Stellungnahme, also mehr als zwei Jahre nach Erlass des Urteils, begonnen haben sollen, habe ich bereits erwähnt. Die zweite Ursache bestehe darin, dass die spanischen Stellen es unterlassen hätten, sofort die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um frühestmöglich den Abschluss der für die Behebung der Vertragsverletzung notwendigen Arbeiten zu erreichen. Beleg hierfür sei die Tatsache, dass für die entsprechenden Ausschreibungen das normale Verfahren gewählt worden und sie nicht für dringlich erklärt worden seien; letzteres sei erstmals im Januar 2001, also drei Jahre nach Erlass des Urteils und im Übrigen auch nur für bestimmte Ausschreibungen erfolgt.

45. Zu letzterem Punkt erklärt die spanische Regierung, dass das Europäische Ausschreibungsrecht es nicht gestattet habe, die entsprechenden Ausschreibungen für dringlich zu erklären. Eine Erklärung dafür, warum die von der Kommission angeführten Verfahren, die unstreitig schließlich doch für dringlich erklärt wurden, nicht früher diesen Status erhielten, gibt die spanische Regierung nicht.

46. Es ist im Übrigen unbestreitbar, dass bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist in einer Reihe von Badegebieten die Grenzwerte nicht eingehalten wurden. Deren genaue Anzahl bildet einen Streitpunkt zwischen den Parteien, weil ihre Zählung von der Behandlung der Badeverbote abhängt. Wie wir aber bereits gesehen haben, kann dieser Streit im jetzigen Stadium der Untersuchung dahinstehen, weil die erreichten Prozentanteile ohnehin unzureichend sind.

47. Diese Erwägung allein könnte ausreichen, um die fehlende Durchführung festzustellen, da der Mitgliedstaat, der das Urteil nicht innerhalb der durch die mit Gründen versehene Stellungnahme gesetzten Frist umgesetzt hat, eben aufgrund dessen nicht schnellstmöglich gehandelt hat. Der Beklagte meint demgegenüber, dass diese Schlussfolgerung wegen der Besonderheiten des vorliegenden Falles unzulässig sei. Die mit der Durchführung des Urteils in Spanien verbundenen Schwierigkeiten seien so erheblich gewesen, dass auch die ─ im Sinne der Rechtsprechung ─ kürzestmögliche Durchführung bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist nicht hätte abgeschlossen sein können. Dementsprechend folge aus der Tatsache, dass das Urteil bei Ablauf der Frist noch nicht durchgeführt gewesen sei, nicht notwendig, dass seine Durchführung nicht trotzdem frühestmöglich erfolgt sei.

48. Dieser Einwand wirkt zunächst ─ zumal im tatsächlichen Kontext dieser Angelegenheit ─ formalistisch. Unstreitig werden nämlich die Grenzwerte der Richtlinie auch derzeit noch nicht eingehalten, so dass das Urteil immer noch auf seine Umsetzung wartet. Selbst wenn also die Kommission tatsächlich, wie dies indirekt die spanische Regierung verlangt, noch länger zugewartet hätte, wäre dies ohne Einfluss auf das Ergebnis geblieben. Es mag daher übermäßig formalistisch erscheinen, die Klage mit der Begründung abzuweisen, dass die fehlende Durchführung, die mit zunehmendem Zeitablauf immer mehr zur Tatsache wird, sich im Zeitpunkt des Fristablaufs noch nicht zweifelsfrei abzeichnete.

49. Der Vorwurf des Formalismus widerlegt sich indessen selbst, da die weitere tatsächliche Entwicklung für die zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt zu treffenden Feststellungen unbeachtlich ist. Letztere sind sowohl nach ständiger Rechtsprechung (12) als auch nach der Formulierung von Artikel 228 Absatz 4 EG unzweifelhaft im Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist zu treffen.

50. Dieses Ergebnis entspricht im Übrigen auch dem elementaren Grundsatz der Rechtssicherheit. Der zugrunde liegende Sachverhalt muss zu einem bestimmten Zeitpunkt vor Beginn des Verfahrens vor dem Gerichtshof feststehen, das nicht eine fortlaufende Entwicklung zum Gegenstand haben kann, da andernfalls das Ergebnis des Rechtsstreits von der Verfahrensdauer abhängig wäre.

51. Eben dies wäre aber das Ergebnis der von der Kommission vorgetragenen Argumentation, wonach der Beklagte zur Erfüllung seiner Verpflichtungen nicht nur den Zeitraum von 1998 bis 2000 zur Verfügung gehabt hätte, sondern auch die Zeit danach bis zum Erlass des Urteils Kommission/Spanien. Diese Argumentation ist daher zurückzuweisen, so dass festzustellen ist, dass der Beklagte zur Durchführung des Urteils Kommission/Spanien aufgrund des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist im September 2000 etwa über einen Zeitraum von zwei Jahren und sieben Monaten verfügte.

52. Die von der Kommission in der mündlichen Verhandlung angeführte Rechtsprechung (13) des Gerichtshofes in Fällen, in der dieser Umstände nach Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist berücksichtigt hat, führt nicht zu einem anderen Ergebnis. In jenen Rechtssachen hat der Gerichtshof festgestellt, dass nachträglich eingetretene Umstände von derselben Art waren wie die, die in der mit Gründen versehenen Stellungnahme erwähnt waren und damit demselben Verhalten zugrunde lagen. Es handelte sich daher lediglich darum, die nach Ablauf der Frist eingetretenen Umstände solchen gleichzustellen, die vor Ablauf der Frist tatsächlich nachgewiesen waren.

53. Die Kommission verfährt demgegenüber genau umgekehrt, indem sie sich zum Nachweis eines vor Ablauf der Frist eingetretenen Verstoßes auf nach Ablauf der Frist eingetretene Umstände beruft, die aber gerade schon bei Fristablauf hätten vorliegen müssen.

54. Die Kommission beruft sich ferner darauf, dass auch der zwölfjährige Zeitraum zwischen Ablauf der ursprünglichen Umsetzungsfrist und dem Erlass des durchzuführenden Urteils in die Beurteilung mit einzubeziehen sei, wogegen sich wiederum der Beklagte verwahrt. Unbestreitbar ist der genannte Zeitraum sogar noch länger als der ursprünglich den Mitgliedstaaten zugestandene Umsetzungszeitraum, so dass das Königreich Spanien selbst dann über mehr als ausreichend Zeit verfügt hätte, wenn es mit der Umsetzung erst nach seinem Beitritt begonnen hätte.

55. Die Verpflichtung zur Durchführung des Urteils und die zur Umsetzung der Richtlinie beinhalten zwar, worauf die Kommission im Übrigen ausdrücklich hinweist, in der Sache dasselbe. Vollkommen identisch sind beide Verpflichtungen, insbesondere hinsichtlich der jeweiligen Ausführungsfristen, indessen nicht. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie wird durch die selbst bestimmt und ist seit langer Zeit abgelaufen.

56. Hingegen beginnt die Frist zur Durchführung des Urteils des Gerichtshofes erst mit dessen Bekanntgabe, und der Ablauf der Frist setzt einen angemessenen Zeitablauf im Sinne der oben genannten Rechtsprechung voraus. Die Angemessenheit der Frist hängt von der Art der Maßnahmen ab, die der Mitgliedstaat im Zeitpunkt des Erlasses des Urteils noch auszuführen hat, und variiert dementsprechend je nach den Umständen des Einzelfalls.

57. Es mag paradox erscheinen, hier noch von einer Frist zugunsten des Mitgliedstaats zu sprechen, nachdem das Urteil, mit dem die Vertragsverletzung festgestellt wurde, bereits mehrere Jahre zurückliegt und seinerseits erst zwölf Jahre nach Ablauf der in der Richtlinie bestimmten Umsetzungsfrist ergangen ist. Dennoch folgt aus der zitierten Rechtsprechung zur fehlenden Durchführung eines Urteils unbestreitbar, d. h. meiner Auffassung nach zwingend, dass mit Urteilserlass eine neue Frist zu laufen beginnt, deren Dauer sich anhand der von derselben Rechtsprechung entwickelten Kriterien bestimmt.

58. Der Beklagte trägt eine Reihe von Argumenten zur Stützung seiner Behauptung vor, dass die Kommission eine längere Frist hätte einräumen müssen.

59. So habe schon die Richtlinie selbst eine ungewöhnlich lange Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten vorgesehen, woraus ersichtlich sei, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber sich der Schwierigkeit der Einhaltung der durch die Richtlinie gesetzten Kriterien bewusst gewesen sei und hierfür eine auf lange Sicht ausgerichtete Tätigkeit vorausgesetzt habe.

60. Der Beklagte verweist sodann auf Besonderheiten in seinem Land, wo die Umsetzung der Richtlinie mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden sei. Die spanischen Badegebiete zeichneten sich durch eine sehr langsame Fließgeschwindigkeit der betreffenden Flüsse und einen hohen Anteil stehender Gewässer mit geringer Wassertiefe aus. Die Aufnahmefähigkeit und der Wasseraustausch derartiger Gewässer sei derart unzureichend, dass nicht nur die geringste Verunreinigung, verursacht etwa durch die bloße Anwesenheit eines Badenden, zur Überschreitung der festgelegten Grenzwerte führe, sondern auch eine dauerhafte Bewältigung dieser stets wiederkehrenden Überschreitungen erheblich erschwert werde. Diese vielfach anzutreffende Situation habe sich durch die Trockenheit der letzten Jahre noch verschärft.

61. Die Kommission bestreitet diese Darstellung unter Hinweis auf die ihrer Auffassung nach vergleichbare Situation in Mitgliedstaaten wie der Hellenischen Republik oder der Italienischen Republik. Dem entgegnet der Beklagte, ohne dass die Kommission dem widerspricht, dass die genannten Mitgliedstaaten wesentlich weniger Badegebiete (14) im Vergleich zu Spanien ausgewiesen hätten (15) und dass die dortigen Badegebiete nur zum Teil den üblichen Verhältnissen, wie sie im Königreich Spanien anzutreffen seien, vergleichbar seien.

62. Keinerlei Widerspruch erfährt der Beklagte auch, wenn er hinsichtlich der Erfolgspflichten zwischen verschiedenen Arten von Richtlinien unterscheidet. In vielen Fällen bestehe die Verpflichtung des Mitgliedstaats darin, Gesetze oder Verordnungen zu erlassen, was prompt erledigt werden könne. In anderen Fällen ─ so auch im vorliegenden ─ bestehe die Erfolgspflicht darin, die physische Realität eines ganzen Landes, dessen schnellster Wasserlauf, so die Beklagte, in einem anderen Mitgliedstaat erst an der Mündung als solcher wahrgenommen würde, zu verändern und zu kontrollieren.

63. Zu Recht weist der Beklagte auf diese Besonderheiten des vorliegenden Falles hin. Erinnern wir uns, dass es hier nach der angeführten Rechtsprechung um die Frage geht, ob dem Mitgliedstaat eine angemessene Frist für die Umsetzung seiner Verpflichtungen zur Verfügung stand, eine Frage, die nur anhand der konkreten Umstände im Zeitpunkt des Ablaufs der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist beantwortet werden kann.

64. Hier ist der Vergleich mit andern Vertragsverletzungsverfahren wegen fehlender Durchführung eines Urteils instruktiv, auch wenn sich hieraus rechtliche Konsequenzen selbstverständlich nicht ergeben. In Fällen, in denen es nur um gesetzgeberische Anpassungen geht, liegt der Zeitraum bis zur Anrufung des Gerichtshofes durch die Kommission zwischen zwei (16) und 20 (17) Jahren. In einem Fall (18) , der mit dem vorliegenden Fall besser vergleichbar ist, weil er ebenfalls ein Tätigwerden gegen Umweltverschmutzung betrifft, hat die Kommission mehr als fünf Jahre nach Erlass des Urteils gewartet, bevor sie Klage wegen unterlassener Durchführung erhob, obwohl das sich damals stellende Problem ─ die Behandlung von Abfall in einem bestimmten Gebiet Kretas ─ viel punktueller erscheinen mag als dasjenige, dem sich die spanischen Behörden vorliegend gegenüber sehen.

65. Dasselbe gilt für einen anderen Fall (19) , den die Kommission in der mündlichen Verhandlung angeführt hat und der das Vereinigte Königreich betraf, gegen das ebenfalls ein Verfahren wegen unterlassener Durchführung eines Urteils des Gerichtshofes unter Beantragung eines Zwangsgeldes angestrengt worden war. Es fällt auf, dass die Kommission in diesem Fall einen Zeitraum von sechseinhalb Jahren vor Übermittlung einer mit Gründen versehenen Stellungnahme verstreichen ließ. Auch dort betraf das Problem nur ein bestimmtes Gebiet und konnte demzufolge als beherrschbarer angesehen werden als das im vorliegenden Fall.

66. Wie dem auch sei, es gibt noch andere Hinweise auf die besonderen Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Richtlinie, zu denen ich mich bereits in meinen Schlussanträgen in der genannten Rechtssache Kommission/Dänemark geäußert habe und die im Übrigen auch durch die Zahl der diese Richtlinie betreffenden Vertragsverletzungsverfahren belegt werden (20) .

67. Besonders aufschlussreich sind in dieser Hinsicht nämlich die Berichte der Kommission selbst, auf die sich der Beklagte beruft. Wie sich aus Anhang 1 des Berichts der Kommission über die Qualität der Badegewässer in der Badesaison 2000 ergibt, erklärt die Kommission die Tatsache, dass auch nach Ablauf von über 20 Jahren seit Erlass der Richtlinie in bestimmten Badegebieten die verbindlichen Vorgaben der Richtlinie seit mehreren Jahren nicht mehr erfüllt würden, mit den besonderen Schwierigkeiten, die von unspezifischen und geringfügigeren Verschmutzungsquellen ausgingen, die schwer zu identifizieren und zu eliminieren seien. Die Kommission weist sogar darauf hin, dass in der Mehrzahl der Fälle mehrere Badejahre vergehen müssten, ehe die tatsächliche Ursache festgestellt oder der Verschmutzungskreislauf nachvollzogen werden könne. In bestimmten Fällen sei eine Lösung nur auf der Grundlage langfristiger Programme zur Verbesserung der landwirtschaftlichen Praxis möglich.

68. Wie sich aus diesen Darlegungen eindeutig ergibt, ist daher auch nach Auffassung der Kommission in bestimmten Fällen objektiv eine weitaus längere Frist als die dem Beklagten eingeräumten zwei Jahre notwendig, um der Richtlinie nachzukommen. Keines der von der Kommission angeführten Argumente erlaubt den Schluss, dass ein derartiger Fall hier nicht vorliegt. Die Kommission macht nicht geltend, dass die vor Erlass des Urteils Kommission/Spanien durchgeführten Arbeiten ausreichend gewesen wären, um Probleme der geschilderten Art dauerhaft zu vermeiden, und dass die darüber hinaus verbleibenden Arbeiten daher kurzfristig hätten abgeschlossen werden können. Ebenso wenig trägt die Kommission vor, dass der Beklagte hier nicht mit unspezifischen Verschmutzungsquellen und Einträgen aus landwirtschaftlichen Flächen konfrontiert wäre. Vielmehr bestreitet sie den dahin gehenden ausdrücklichen Vortrag des Beklagten nicht.

69. Aufgrund dessen ist festzustellen, dass die Argumente der Kommission nicht geeignet sind, zu belegen, dass dem Mitgliedstaat hier ein angemessener Zeitraum zur Durchführung des Urteils Kommission/Spanien zur Verfügung stand. Die Kommission bleibt damit den Nachweis schuldig, dass bereits bei Ablauf der in der mit Gründen versehenen Stellungnahme gesetzten Frist die fehlende Erfüllung der Verpflichtungen des Beklagten feststand.

70. Selbstverständlich sollte eine solche Situation die Ausnahme bleiben. Sie ist an die besonderen Gegebenheiten des Einzelfalls gebunden, der die zum einen durch die Besonderheiten der Umsetzung der Richtlinie und zum anderen durch eine ─ unter den gegebenen Umständen muss man schon sagen ─ Eilfertigkeit der Kommission gekennzeichnet ist, die unter anderen Voraussetzungen durchaus hätte lobenswert sein können.

71. Somit ergibt sich, dass die Klage der Kommission abzuweisen ist, da die behauptete Vertragsverletzung nicht nachgewiesen ist. Die unterschiedlichen Positionen der Parteien zur Frage der Berechnung und Höhe des Zwangsgeldes sollen daher nur aus Gründen der Vollständigkeit erörtert werden.

B ─
Zur Berechnung und zur Höhe des Zwangsgeldes

72. Der Beklagte macht hierzu in erster Linie geltend, dass die Verhängung eines täglichen Zwangsgeldes den besonderen Umständen des vorliegenden Falles nicht angemessen sei. Zweck eines Zwangsgeldes sei es nicht, den Mitgliedstaat zu bestrafen, sondern ihn dazu anzuhalten, seine Verpflichtungen prompt zu erfüllen. Vorliegend müsse der Mitgliedstaat Problemursachen erforschen, was erledigt sei, Aktionspläne entwickeln, was ebenfalls bereits geschehen sei, diese Pläne ausführen und deren Ergebnis am Ende einer jeden Badesaison bewerten.

73. Die hierfür benötigte Zeit könne der Mitgliedstaat verkürzen, so dass die Verhängung eines Zwangsgeldes zweckwidrig sei, da auch hierdurch Unmögliches ─ das gewünschte Ergebnis frühzeitiger zu erreichen ─ nicht durchführbar werde.

74. Ein vom Gerichtshof verhängtes Zwangsgeld würde zwangsläufig während der gesamten bis zum Ende der ersten Badesaison (die in Spanien vom 15. April bis zum 23. Oktober dauere) vergehenden Monate anfallen, nach deren Ablauf die Einhaltung der Richtliniengrenzwerte erst überprüft werden könne. Dasselbe gelte während eines weiteren Jahres, bis man am Ende der darauf folgenden Badesaison die entsprechenden Prozentsätze ermitteln könne.

75. Nach Auffassung der Kommission kommt es für die Verhängung des Zwangsgeldes nicht darauf an, ob die unmittelbare Durchführung überhaupt möglich sei oder nicht, da seit Entstehung der einzuhaltenden Verpflichtung, nämlich des Urteils des Gerichtshofes, dessen Durchführung verlangt werde, bereits mehrere Jahre vergangen seien.

76. Entscheidend für die Verhängung eines Zwangsgeldes sei allein, ob der Verstoß andauere oder nicht. Wenn dies wie vorliegend der Fall sei, sei die Verhängung eines Zwangsgeldes das angemessenste Mittel, um auf ein Ende des Verstoßes hinzuwirken. Dies gelte umso mehr, als das Königreich Spanien, um der Richtlinie nachzukommen, bestimmte konkrete Maßnahmen erlassen müsste wie solche zur Kontrolle unspezifischer Verschmutzungsquellen und illegaler Einleitungen sowie die Errichtung von Abwasserkläranlagen, die das ganze Jahr über durchzuführen seien.

77. Ich erkenne durchaus an, dass für die Verhängung eines Zwangsgeldes alleine die Frage entscheidend ist, ob der Verstoß andauert oder nicht. Ist dies der Fall, so ist die Verhängung eines Zwangsgeldes angemessen, da hierdurch der Mitgliedstaat zu schnellstmöglicher Durchführung angehalten werden soll. Wird der Verstoß hingegen abgestellt, bevor der Gerichtshof seine Entscheidung verkündet, so besteht naturgemäß kein Anlass mehr, die Durchführung zu erzwingen, so dass ein Zwangsgeld in diesem Fall nicht mehr verhängt werden kann.

78. Hier ergibt sich aus den zuletzt von den Parteien mitgeteilten Daten, dass die durch die Richtlinie festgesetzten Grenzwerte immer noch nicht in allen spanischen Binnenbadegewässern eingehalten werden. Damit besteht der Verstoß fort und ebenso die Notwendigkeit, die schnellstmögliche Durchführung durch den Mitgliedstaat zu erzwingen. Zwar ermöglicht auch die Verhängung des Zwangsgeldes angesichts der vielen von dem Mitgliedstaat selbst, den regionalen oder den lokalen Behörden noch durchzuführenden Arbeiten keine schnellere Durchführung des Urteils. Zumindest schreckt das verhängte Zwangsgeld aber die nationalen Behörden davon ab, in ihren Bemühungen nachzulassen und andere Vorhaben vorzuziehen, wodurch die Durchführung des Urteils des Gerichtshofes zusätzlich verzögert würde.

79. Der Beklagte macht ferner geltend, dass die Verhängung eines in Tagessätzen bemessenen Zwangsgeldes hier unangemessen erscheine, da die Überprüfung der Einhaltung der Richtlinienwerte jährlich auf der Grundlage entsprechender Messungen zum Ende der jeweiligen Badesaison erfolge. Das tägliche Zwangsgeld falle daher von vornherein über einen längeren Zeitraum an.

80. Diesen Einwand des Beklagten verstehe ich dahin gehend, dass die Verhängung des Zwangsgeldes deshalb unangemessen sein soll, weil es in Tagessätzen erhoben wird, die Feststellung der Einhaltung der Richtlinie aber jährlich erfolgt, so dass das Zwangsgeld auch für Zeiträume entrichtet werden müsste, in denen die Richtlinienwerte zwar eingehalten würden, dies aber erst sehr viel später festgestellt werde. Damit leiste der Mitgliedstaat das Zwangsgeld auch für Zeiträume, in denen der Verstoß bereits nicht mehr vorgelegen habe.

81. Einzuräumen ist, dass die Richtlinie selbst von einer jährlichen Feststellung des Zustands der Badegewässer ausgeht (21) . Diese Periodizität ergibt sich zwingend aus der Richtlinie, so dass vor dieser Feststellung kein Mitgliedstaat davon ausgehen kann, dass er der Richtlinie bereits nachgekommen sei und das Zwangsgeld deshalb nicht mehr zu zahlen habe.

82. Dennoch verdient das Argument der spanischen Regierung meines Erachtens eine eingehende Prüfung. So könnte sich durchaus die Frage nach der Angemessenheit des Zwangsgeldes aufgrund seiner konstanten Höhe in Fällen wie dem vorliegenden stellen, in denen die Verpflichtungen des Mitgliedstaats notwendig schrittweise umgesetzt werden. Das Zwangsgeld wird nämlich auf der Grundlage der tatsächlichen Verhältnisse im Mitgliedstaat im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtshofes festgesetzt und vermindert sich in der Folgezeit mit fortschreitender Durchführung der Richtlinie nicht mehr.

83. Die Kommission hat dem in der mündlichen Verhandlung entgegengehalten, dass diese Schwierigkeiten überwindbar seien. Der Mitgliedstaat könne bei der Kommission auf der Grundlage entsprechender Nachweise die Herabsetzung des Zwangsgeldes wegen zwischenzeitlich eingetretener Fortschritte bei der Durchführung seiner Verpflichtungen beantragen. Lehne die Kommission dies ab oder werde das Zwangsgeld nach Ansicht des Mitgliedstaats immer noch zu hoch festgesetzt, so könne dagegen Untätigkeits- oder Anfechtungsklage vor dem Gerichtshof erhoben werden.

84. Diese Argumentation überzeugt nicht. Denn es ist zumindest zweifelhaft, ob die Parteien tatsächlich in dieser Art und Weise über die Höhe des vom Gerichtshof festgelegten Zwangsgeldes verfügen dürfen.

85. In Fällen, in denen die Umsetzungsmaßnahme des Mitgliedstaats im Erlass von Gesetzen oder Verordnungen besteht, könnte man sogar fragen, ob die Feststellung der Angemessenheit der Maßnahme und die damit einhergehende Aufhebung des Zwangsgeldes nicht eine Entscheidung des Gerichtshofes erfordert, da dieser auch den Verstoß festgestellt und das Zwangsgeld verhängt hat. Meines Erachtens wäre dies aber ein unverhältnismäßiger Formalismus.

86. Jedenfalls ist daran zu erinnern, dass der Gerichtshof in der bereits zitierten Rechtssache Kommission/Griechenland entschieden hat, dass die Höhe des Zwangsgeldes „den Umständen angepasst“ sein muss. Wie wir gesehen haben, werden diese Umstände vorliegend dadurch bestimmt, dass einerseits die Feststellung der Übereinstimmung mit der Richtlinie jährlich erfolgt, während das beantragte Zwangsgeld nach Tagessätzen bemessen sein soll, und dass andererseits die Umsetzung der Verpflichtungen des Mitgliedstaats notwendig schrittweise erfolgt, die Höhe des Zwangsgeldes aber unveränderlich ist.

87. Diese Umstände des Falls haben erhebliche praktische Auswirkungen. Selbst wenn zum Ende einer bestimmten Badesaison festgestellt werden sollte, dass die spanischen Badegewässer den Anforderungen der Richtlinie fast entsprechen, würde das von der Kommission vorgeschlagene Zwangsgeld unvermindert für alle Tage bis zum Zeitpunkt der nächsten jährlichen Feststellung fällig.

88. Der Beklagte wäre also dazu verurteilt, weiterhin ein nach Tagessätzen bemessenes Zwangsgeld zu zahlen, obwohl einerseits die tatsächliche Anzahl der nichtkonformen Badegebiete in keinem Verhältnis zur Höhe des festgesetzten Zwangsgeldes mehr stünde und andererseits die Anzahl der noch betroffenen Badegebiete in unserem Beispiel so gering wäre, dass Übereinstimmung mit der Richtlinie, wenn auch nur de facto und nicht de iure, kurze Zeit später, in jedem Falle aber deutlich vor der nächsten jährlichen Feststellung erreicht sein könnte.

89. Es erscheint daher schwer vorstellbar, dass es noch „den Umständen angepasst“ ist, wenn die zur vollständigen Übereinstimmmung fehlende Konformität zweier oder dreier Badegebiete gegenüber insgesamt mehr als 200 Badegebieten (22) dazu führen sollte, täglich für den Zeitraum eines Jahres oder sogar noch länger einen erheblichen Betrag weiterzahlen zu müssen, der dem zu einem früheren Zeitpunkt festgesetzten Betrag entspricht, als die Anzahl der nichtkonformen Badegebiete noch mehr als das Zehnfache betrug.

90. Nach alledem sollte der Gerichtshof meines Erachtens den Beklagten nicht zu einem Zwangsgeld, wie es die Kommission vorschlägt, verurteilen. Es obliegt daher dem Gerichtshof darüber zu entscheiden, nach welchen anderen Parametern gegebenenfalls ein Zwangsgeld für den Fall zu bestimmen wäre, dass tatsächlich ─ wie bereits ausgeführt ─ ein Verstoß festgestellt würde und dieser fortdauerte.

91. Wie der Gerichtshof in der bereits zitierten Rechtssache Kommission/Griechenland entschieden hat, ist er insoweit nicht an die Vorschläge der Kommission gebunden (23) . Er ist demzufolge befugt, das Zwangsgeld nach von den Vorschlägen der Kommission abweichenden Kriterien festzulegen, was er in dem vorgenannten Urteil auch bereits praktiziert hat, indem er ein Zwangsgeld unterhalb des von der Kommission beantragten Betrages festgelegt hat.

92. Die Berechnungsmethoden für das Zwangsgeld sollten gegenüber der vorgeschlagenen Berechnungsmethode die von mir beschriebenen Nachteile vermeiden.

93. Demgemäß sollte meines Erachtens der Gerichtshof dem Beklagten die jährliche Zahlung eines Betrages, der auf der Grundlage der Anzahl der noch nicht die Werte der Richtlinie erfüllenden Badegebiete berechnet wird, auferlegen. Nimmt man, ebenso wie in der Rechtssache Kommission/Griechenland, als nützlichen Bezugspunkt den Vorschlag der Kommission, so zeigt sich, dass diese einen Tagessatz in Höhe von 45 600 Euro bei einem Prozentsatz von etwa 20 % nichtrichtlinienkonformer Badegebiete als angemessen angesehen hat.

94. Dieser Ausgangspunkt ermöglicht es, den Betrag zu errechnen, der billigerweise dem Wert eines Prozentpunktes nichtkonformer Badegebiete entspricht. Auf der Grundlage von 20 Prozentpunkten, die einem Tagessatz von 45 600 Euro entsprechen, lässt sich der entsprechende Jahresbetrag für einen Prozentpunkt realistisch berechnen.

95. Anhand dieser Methode gelangt man zu einem Betrag in Höhe von 562 500 Euro pro Jahr. Ich schlage daher hilfsweise vor, es als „den Umständen angepasst“ anzusehen, das Königreich Spanien zur Zahlung einer Summe von 562 500 Euro pro Jahr für jeden Prozentpunkt der festgestellten Nichtkonformität der registrierten Badegebiete zu verurteilen.

96. Die Zahlung wäre fällig nach Feststellung der Qualität der betreffenden Badegewässer zum Ende der Badesaison, die auf die Verkündung des vom Gerichtshof zu erlassenden Urteils folgt, und gegebenenfalls zum Ende der jeweils darauf folgenden Badesaison.

97. Ein konkretes Beispiel mag diesen Zahlungsmechanismus verdeutlichen. Für den Fall, dass der Gerichtshof seine Entscheidung im Jahre 2003 fällt, ist die jährliche Feststellung zum Ende der Badesaison 2004 maßgeblich. Wird festgestellt, dass zu diesem Zeitpunkt 90 % der Badegebiete die vorgesehenen Werte erfüllen, umgekehrt also 10 % der Badegebiete die Werte nicht erfüllen, betrüge der durch den Beklagten zu zahlende Betrag zehn mal 562 500 Euro. Erfüllen am Ende der Badesaison 2005 95 % der Badegebiete die Werte, 5 % hingegen nicht, betrüge der geschuldete Betrag nur noch fünf mal 562 500 Euro. Bei vollständiger Erfüllung der Richtlinie betrüge der Betrag schließlich null.

98. Das genannte Beispiel zeigt deutlich, dass der vorgeschlagene Mechanismus den Mitgliedstaat für seine Anstrengungen unmittelbar nach Feststellung des eingetretenen Ergebnisses belohnt, was dem Sinn und Zweck eines Zwangsgeldes entspricht, einen positiven Anreiz für den Mitgliedstaat zu einer möglichst kurzfristigen Umsetzung zu setzen.

99. Wir kommen nunmehr zur Höhe des von der Kommission berechneten Zwangsgeldes, die der Beklagte nochmals hilfsweise bestreitet.

100. Hinsichtlich des Koeffizienten für die Dauer des Verstoßes weist die Kommission darauf hin, dass seit dem Erlass des Urteils Kommission/Spanien mehr als drei Jahre vergangen sind und schlägt auf einer Skala von 1 bis 3 den Faktor 2 vor. Der Beklagte verweist darauf, dass zwischen Urteilsverkündung und Klageerhebung nur drei Badejahre gelegen hätten, so dass der Faktor 2 nicht angewandt werden könne. Die Kommission wiederum macht geltend, dass bei Zugrundelegung des Minimalfaktors 1 kein Unterschied mehr zwischen den Fällen, in denen die Berechnung des Zwangsgeldes durch die Kommission ein Jahr nach Urteilsverkündung erfolge, und dem vorliegenden bestünde, in dem zwischen der Urteilsverkündung und der Entscheidung der Kommission über die Einreichung der Klage ein Zeitraum von drei Jahren und drei Monaten vergangen sei.

101. Ich teile den Standpunkt der Klägerin. Hält man den dem Beklagten zur Verfügung stehenden Zeitraum nicht für unzureichend, ist dessen Kürze für die tatsächliche Dauer des Verstoßes unmaßgeblich. Dessen Intensität bestimmt der Gerichtshof vielmehr anhand des seit Urteilsverkündung vergangenen Zeitraums und aufgrund der Feststellung, dass der Verstoß andauert. Vorliegend beträgt der entsprechende Zeitraum gegenwärtig mehr als fünf Jahre, und Spanien ist der Richtlinie immer noch nachgekommen; ein Koeffizient 2 auf einer Skala von 1 bis 3 ist daher nicht zu beanstanden.

102. Was die Schwere des Verstoßes anbelangt, schlägt die Kommission einen Faktor 4 auf einer Skala von 1 bis 20 vor. Sie rechtfertigt dies mit der Bedeutung der fraglichen gemeinschaftsrechtlichen Regelung, die den Schutz der menschlichen Gesundheit bezwecke, und mit dem langen Zeitraum, der seit Ablauf der Umsetzungsfrist der Richtlinie vergangen ist. Umgekehrt berücksichtigt sie den erreichten Grad der Umsetzung und darüber hinaus die in den Jahren 1999 und 2000 festgestellten leichten Verbesserungen.

103. Der Beklagte erklärt demgegenüber, dass die Kommission die Tatsache unberücksichtigt gelassen habe, dass annähernd 4/5 der Badegebiete die Normen erfüllten. Nicht der Zeitraum seit Ablauf der Umsetzungsfrist, sondern der Zeitraum seit Verkündung des Urteils sei maßgeblich. Schließlich habe die Kommission auch die Tatsache vernachlässigt, dass der Beklagte aufgrund des Beitrittsdatums zur Gemeinschaft im Gegensatz zu anderen Mitgliedstaaten nicht über einen Zeitraum von zehn Jahren zur Umsetzung der Richtlinie verfügt habe.

104. Wie sich indessen aus dem Wortlaut der Klageschrift eindeutig ergibt, hat die Kommission den Stand der Umsetzung, der nach ihren Angaben von 54,5 % im Jahre 1992 auf 79,2 % im Jahre 2000 angestiegen ist, sehr wohl berücksichtigt. Hinsichtlich der Zugrundelegung des in der Richtlinie festgelegten Umsetzungszeitpunktes teile ich ebenfalls die Auffassung der Kommission. Zwar darf dieser Zeitpunkt bei der Beurteilung der Dauer des im vorliegenden Verfahren streitigen Verstoßes nicht herangezogen werden, da der Verstoß in der fehlenden Durchführung des Urteils des Gerichtshofes besteht, die entsprechende Verpflichtung also erst mit Erlass des Urteils entstanden sein kann. Der genannte Zeitraum ist demgegenüber also zwar nicht für die Dauer, wohl aber für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes heranzuziehen. Wie die Kommission zutreffend ausführt, stellt es objektiv einen schwereren Verstoß dar, die Richtlinie während eines längeren Zeitraums nicht umgesetzt zu haben, als wenn dies nur während eines kürzeren Zeitraums der Fall gewesen wäre.

105. Was schließlich das Argument des Beklagten anbelangt, ihm sei für die Umsetzung der Richtlinie keine zusätzliche Umsetzungsfrist eingeräumt worden, ist die Erwiderung der Kommission, dass es dem Beklagten nach dem Beispiel der Portugiesischen Republik freigestanden hätte, eine solche Verlängerung zu beantragen, nicht befriedigend. Denn wenn das Königreich Spanien auch eine entsprechende Verlängerung hätte beantragen können, ist es doch fraglich, ob sie ihm zugestanden worden wäre.

106. Dennoch gehe ich auf der Grundlage der übrigen Argumente der Kommission, insbesondere der Bedeutung der streitigen Regelungen für den Schutz der menschlichen Gesundheit ─ ein Kriterium, das der Gerichtshof übrigens seinerseits in dem zitierten Urteil Kommission/Griechenland (24) herangezogen hat ─ davon aus, dass der Faktor 4 der Schwere des Verstoßes angemessen ist.

107. Bevor ich zu meinen Anträgen komme, soll noch kurz auf den von den Parteien mit ─ man kann nur sagen ─ Erbitterung geführten Streit über die Frage der Streichung einer Vielzahl von Badegebieten aus der entsprechenden Liste eingegangen werden. Die Kommission macht geltend, dass die von ihr jährlich ermittelten Zahlen zur erzielten Übereinstimmung mit der Richtlinie nach unten zu korrigieren seien, um dem Umstand der unberechtigten Streichung von Badegebieten von der entsprechenden Liste Rechnung zu tragen. Einige dieser gestrichenen Badegebiete erfüllten nicht die im Anhang der Richtlinie aufgestellten Kriterien.

108. Der Beklagte verwahrt sich ausdrücklich gegen diese Bewertung.

109. Wie bereits gesehen, ist die Beantwortung dieser Frage ohne Bedeutung für die Feststellung des Verstoßes. Sie ist auch für die Frage der Höhe des Zwangsgeldes ohne Bedeutung, da die Kommission selbst vorträgt, diese auf der Grundlage ihrer Jahresberichte, die keine Angaben zu den gestrichenen Gebieten enthalten, ermittelt zu haben.

110. Man kann indessen die Frage aufwerfen, inwieweit dieser Streitpunkt die Erfüllung der Verpflichtungen des Mitgliedstaats berührt. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn der erreichte Stand der Übereinstimmung der Badegebiete mit der Richtlinie durch die Kommission deshalb in Frage gestellt würde, weil das entsprechende Ergebnis nach ihrer Auffassung nur durch die unberechtigte Streichung von Badegebieten erzielt worden wäre.

111. Hierzu sei Folgendes gesagt.

112. Unbestritten ist, dass ein Mitgliedstaat berechtigt ist, Badegebiete von der Liste, mit denen er sie ausweist, zu streichen. Dies wird auch von der Kommission nicht bestritten. Tatsächlich kann es nicht sein, dass die Richtlinie den Gebrauch der Binnengewässer durch die Mitgliedstaaten ein für allemal festschreibt.

113. Der Streit betrifft vielmehr die Bewertung der Folgen der Streichung und die tatsächlichen Umstände, unter denen sie erfolgt.

114. Was die Folgen angeht, sind zwei Varianten zu unterscheiden. Die erste betrifft den Fall, dass der Mitgliedstaat es unterlässt, zeitgleich mit der Streichung das Baden im fraglichen Gebiet zu untersagen. Die Streichung wäre in diesem Fall zu Unrecht erfolgt. Die Maßstäbe der Richtlinie behielten weiter ihre Gültigkeit. Kein Mitgliedstaat könnte Gebiete, in denen weiterhin gebadet wird, diesen Maßstäben entziehen, ohne den Zweck der Richtlinie, nämlich den Schutz der Volksgesundheit, in Frage zu stellen. Auch die Harmonisierung des Binnenmarktes, wie sie in den Begründungserwägungen der Richtlinie ebenfalls genannt wird, wäre beeinträchtigt, da die Wettbewerbsbedingungen zwischen den Badegebieten der einzelnen Mitgliedstaaten verfälscht würden.

115. Dieses Ergebnis wird auch durch das zitierte Urteil Kommission/Belgien bestätigt.

116. In der zweiten Variante unterliegt das gestrichene Badegebiet einem Badeverbot. Wie sich aus Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a der Richtlinie eindeutig ergibt, findet diese nur auf Gewässer Anwendung, in denen das Baden erlaubt ist. Ihre Bestimmungen finden demzufolge auf Gewässer keine Anwendung, die diese Voraussetzung nicht erfüllen.

117. Man könnte einwenden, dass dieses Ergebnis zwar mit dem Gesundheitsschutz, aber nicht unbedingt mit dem Umweltschutz, den die Richtlinie ebenfalls bezweckt, im Einklang steht. Das Ziel des Umweltschutzes muss aber im Kontext des Anwendungsbereichs der Richtlinie gesehen werden: Keinesfalls rechtfertigt es eine Ausdehnung des Geltungsbereichs der Richtlinie über deren ausdrückliche Bestimmungen hinaus. Hierzu genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung eine ihrem Wortlaut nach eindeutige Vorschrift keiner Auslegung zugänglich ist.

118. Was die tatsächlichen Umstände der Streichung anbelangt, so stellt sich hier insbesondere die Frage der Beweislast. Hierzu genügt der Hinweis, dass nach ständiger Rechtsprechung, auf die ich bereits verwiesen habe, der Kommission die Beweislast für den Nachweis des von ihr behaupteten Verstoßes obliegt.

119. Vorliegend bedeutet dies, dass die Kommission nachweisen muss, dass eine oder mehrere Badegebiete von der offiziellen Liste gestrichen wurden, ohne dass dort das Baden untersagt wurde.

V ─ Ergebnis

120. Aus den dargelegten Gründen schlage ich dem Gerichtshof vor,

die Klage der Kommission abzuweisen;

die Kommission zur Tragung der Kosten zu verurteilen.


1
Originalsprache: Französisch.


2
ABl. 1976, L 31, S.1.


3
ABl. 1985, L 302, S. 23.


4
Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache C-92/96 (Slg. 1998, I-505).


5
ABl. C 242, S. 6.


6
ABl. C 63, S. 2.


7
Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 8. Juni 1999 in der Rechtssache C-198/97 (Kommission/Deutschland, Slg. 1999, I-3257).


8
Siehe hierzu meine Schlussanträge vom 30. Januar 2003 in der Rechtssache C-226/01 (Kommission/Dänemark, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht).


9
Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 18. Juni 1998 in der Rechtssache C-35/96 (Kommission/Italien, Slg. 1998, I-3851).


10
Siehe Urteil des Gerichtshofes vom 4. Juli 2000 in der Rechtssache C-387/97 (Kommission/Griechenland, Slg. 2000, I-5047, Randnr. 82 mit weiteren Nachweisen).


11
Siehe z. B. Urteil Kommission/Griechenland, zitiert in Fußnote 10, Randnr. 73.


12
Siehe z. B. Urteil des Gerichtshofes vom 31. März 1992 in der Rechtssache C-362/90 (Kommission/Italien, Slg. 1992, I-2353, Randnr. 10).


13
Urteile des Gerichtshofes vom 22. März 1983 in der Rechtssache 42/82 (Kommission/Frankreich, Slg. 1982, 1013) und vom 4. Februar 1988 in der Rechtssache 113/86 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 607).


14
Nach spanischen Angaben hat Griechenland insgesamt fünf Gebiete ausgewiesen, und nur 46 italienische Gebiete seien mit den spanischen vergleichbar.


15
1998 hatte Spanien 215 Gebiete ausgewiesen.


16
Urteil des Gerichtshofes vom 6. November 1985 in der Rechtssache 131/84 (Kommission/Italien, Slg. 1985, 3531).


17
Urteil vom 7. März 1996 in der Rechtssache C-334/94 (Kommission/Frankreich, Slg. 1996, I-1307).


18
Urteil Kommission/Griechenland, zitiert in Fußnote 10.


19
Rechtssache C-85/01, Kommission/Vereinigtes Königreich.


20
Urteile des Gerichtshofes vom 14. Juli 1993 in der Rechtssache C-56/90 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 1993, I-4109), Kommission/Spanien, zitiert in Fußnote 4, Kommission/Deutschland, zitiert in Fußnote 7, vom 25. Mai 2000 in der Rechtssache C-307/98 (Kommission/Belgien, Slg. 2000, I-3933), vom 15. März 2001 in der Rechtssache 147/00 (Kommission/Frankreich, Slg. 2001, I-2387), vom 14. Juni 2001 in der Rechtssache C-368/00 (Kommission/Schweden, Slg. 2001, I-4605), vom 13. November 2001 in der Rechtssache C-427/00 (Kommission/Vereinigtes Königreich, Slg. 2001, I-8583) und vom 30. Januar 2003, Kommission/Dänemark, zitiert in Fußnote 8).


21
Siehe Artikel 13 der Richtlinie in der durch Artikel 3 der Richtlinie 91/692/EWG des Rates vom 23. Dezember 1991 zur Vereinheitlichung und zweckmäßigen Gestaltung der Berichte über die Durchführung bestimmter Umweltschutzrichtlinien geänderten Fassung (ABl. L 377, S. 48).


22
Wie bereits erwähnt, hatte Spanien 1998 insgesamt 215 Badegebiete ausgewiesen.


23
Siehe Randnr. 89.


24
Siehe Randnr. 94.
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