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Dokument 61998CC0190

    Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 16. September 1999.
    Volker Graf gegen Filzmoser Maschinenbau GmbH.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Linz - Österreich.
    Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Abfertigung (Kündigungsabfindung) - Verweigerung bei Kündigung des Arbeitsvertrags durch einen Arbeitnehmer, der eine unselbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben will.
    Rechtssache C-190/98.

    Sammlung der Rechtsprechung 2000 I-00493

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:1999:423

    61998C0190

    Schlussanträge des Generalanwalts Fennelly vom 16/09/1999. - Volker Graf gegen Filzmoser Maschinenbau GmbH. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Oberlandesgericht Linz - Österreich. - Freizügigkeit der Arbeitnehmer - Abfertigung (Kündigungsabfindung) - Verweigerung bei Kündigung des Arbeitsvertrags durch einen Arbeitnehmer, der eine unselbständige Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat ausüben will. - Rechtssache C-190/98.

    Sammlung der Rechtsprechung 2000 Seite I-00493


    Schlußanträge des Generalanwalts


    I - Einleitung

    1 Die vorliegende Rechtssache gibt dem Gerichtshof Gelegenheit, die Tragweite seines Urteils in der Rechtssache Bosman(1) über die Anwendung des Artikels 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) auf solche Beschränkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern, die keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstellen, weiter zu präzisieren. Sie wirft die Frage auf, ob der Umstand, daß ein Arbeitnehmer, der freiwillig kündigt, um eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen, seinen gesetzlichen Anspruch auf die bei erzwungener Kündigung, Entlassung oder Eintritt in den Ruhestand vom Arbeitgeber geschuldete Abfertigung verliert, eine derartige Beschränkung darstellen kann, wenn der Betrag dieser Abfertigung von der Dauer der ununterbrochenen Beschäftigung des Arbeitnehmers bei seinem früheren Arbeitgeber abhängt. Für eine Beantwortung dieser Frage müssen einige grundlegende, mit der Definition der verbotenen nichtdiskriminierenden Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer zusammenhängende Punkte geklärt werden, insbesondere, ob die beschränkenden Wirkungen in gewisser Weise von der Ausübung der Freizügigkeit abhängen; ob die Beschränkung den Zugang zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit beeinträchtigen muß oder sich auch aus der Regelung ihrer Ausübung ergeben kann; ob die Beschränkung Arbeitnehmer an der Ausübung ihrer Rechte hindern muß oder ob es ausreicht, daß sie sie davon abhält oder dabei behindert; ob die beschränkenden Wirkungen ein gewisses Maß an Schwere oder Intensität haben müssen; ob die hindernden oder abschreckenden Wirkungen direkt sein müssen oder ob sie auch indirekt sein können, und ob diese belastenden Wirkungen mit Sicherheit vorliegen müssen oder ob die Möglichkeit ihres Eintritts ausreicht. Bei dem Versuch, diese Punkte zu klären, muß insbesondere die umfassendere Frage im Auge behalten werden, ob die spätere Rechtsprechung des Gerichtshofes zum freien Warenverkehr einschließlich des Urteils in der Rechtssache Keck und Mithouard(2), durch die er den Geltungsbereich einiger seiner früheren Entscheidungen eingeschränkt hat, einen nützlichen Hinweis geben kann.

    II - Sachverhalt und rechtlicher Rahmen

    Das österreichische Recht

    2 Die einschlägigen Bestimmungen des § 23 des österreichischen Angestelltengesetzes (AngG) über die Abfertigung lauten wie folgt:

    $1. Hat das Dienstverhältnis ununterbrochen drei Jahre gedauert, so gebührt dem Angestellten bei Auflösung des Dienstverhältnisses eine Abfertigung. Diese beträgt das Zweifache des dem Angestellten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Entgeltes und erhöht sich nach fünf Dienstjahren auf das Dreifache, nach zehn Dienstjahren auf das Vierfache, nach fünfzehn Dienstjahren auf das Sechsfache, nach zwanzig Dienstjahren auf das Neunfache und nach fünfundzwanzig Dienstjahren auf das Zwölffache des monatlichen Entgeltes ...

    ...

    ...

    7. Der Anspruch auf Abfertigung besteht ... nicht, wenn der Angestellte kündigt, wenn er ohne wichtigen Grund vorzeitig austritt oder wenn ihn ein Verschulden an der vorzeitigen Entlassung trifft.

    ...`

    3 § 23a AngG bestimmt, daß der Anspruch auf Abfertigung auch dann besteht, wenn das Dienstverhältnis mindestens zehn Jahre ununterbrochen gedauert hat und wegen Erreichen des Rentenalters (bei Männern 65 Jahre und bei Frauen 60 Jahre), wegen Inanspruchnahme einer vorzeitigen Alterspension oder wegen Arbeitsunfähigkeit oder geminderter Arbeitsfähigkeit endet. Abfindungszahlungen nach den §§ 23 und 23a AngG werden steuerlich begünstigt, so daß die Beträge, die die Berechtigten beziehen, das normale Nettogehalt für die Anzahl der Monate, auf deren Grundlage die Abfertigung berechnet wird, erheblich übersteigen.

    4 § 26 AngG bestimmt, unter welchen Umständen die vorzeitige Beendigung des Dienstverhältnisses durch den Angestellten nicht auf die soeben beschriebene Weise zum Verlust des Abfindungsanspruchs führt. Wie der Gerichtshof in dem früher in dieser Woche ergangenen Urteil in der Rechtssache Gruber ausgeführt hat, beziehen sich alle wichtigen Gründe für die Beendigung entweder auf die Arbeitsbedingungen in dem beschäftigenden Unternehmen oder auf das Verhalten des Arbeitgebers, das die Fortsetzung der Arbeit dort unmöglich macht(3).

    Das nationale Verfahren

    5 Der Kläger des Ausgangsverfahrens, Herr Graf (im folgenden: Kläger), ist Deutscher. Er war seit dem 3. August 1992 in Österreich bei der beklagten Filzmoser Maschinenbau GmbH (Beklagte) beschäftigt. Am 29. Februar 1996 kündigte er das Dienstverhältnis zum 30. April 1996. Am 1. Mai 1996 nahm er eine Beschäftigung bei einem Unternehmen in Deutschland auf. Er verlangte Abfertigung in Höhe von zwei Monatsgehältern gemäß § 23 Absatz 1 AngG, was die Beklagte unter Berufung auf § 23 Absatz 7 ablehnte. Der Kläger erhob Klage auf Zahlung des streitigen Betrages beim Landesgericht Wels, das die Klage abwies. Daraufhin legte er Berufung beim Oberlandesgericht Linz (vorlegendes Gericht) ein.

    6 Der Kläger machte vor dem Landesgericht Wels geltend, die Einschränkung des Rechts auf Abfindung durch § 23 Absatz 7 AngG treffe hauptsächlich Wanderarbeitnehmer, die ein bestehendes Dienstverhältnis kündigten, um in einen anderen Mitgliedstaat umzuziehen, und führe somit zu einer mittelbaren Diskriminierung; jedenfalls stelle sie einen unverhältnismäßigen finanziellen Nachteil dar, der zu einer objektiv nicht gerechtfertigten Einschränkung der Mobilität der Arbeitnehmer führe. Die Beklagte trug vor, § 23 Absatz 7 AngG habe keine diskriminierenden Wirkungen, denn mehrheitlich betroffen seien nach wie vor Inländer. Außerdem enthalte diese Bestimmung keine Regelung des Zugangs zum Arbeitsmarkt, sie laufe nicht auf ein Verbot hinaus und hindere niemanden und halte auch niemanden davon ab, eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen. Sie habe vielmehr das zweifache soziale Ziel, Arbeitnehmer vor Entlassung zu schützen und die Betriebstreue der Angestellten zu fördern.

    7 Das Landesgericht Wels entschied, daß § 23 Absatz 7 AngG weder eine Diskriminierung enthalte noch die grenzüberschreitende Mobilität stärker einschränke als die vergleichbare Mobilität innerhalb Österreichs. Der Verlust der Abfertigung im vorliegenden Fall führe nicht zu einer spürbaren nichtdiskriminierenden Einschränkung der Mobilität - er sei nicht vergleichbar mit der Transferentschädigung, um die es in der Rechtssache Bosman gegangen sei und die so hoch festgesetzt gewesen sei, daß kein Arbeitgeber sie bezahlen würde, sondern stelle lediglich einen Faktor dar, der ebenso wie jeder andere Verlust von Leistungen der sozialen Sicherheit im Rahmen der Gesamtabwägung der finanziellen Vorteile, die ein Arbeitnehmer bei der Entscheidung über einen Arbeitsplatzwechsel vornehmen müsse, zu berücksichtigen sei. Darüber hinaus sei eine eventuelle einschränkende Wirkung objektiv gerechtfertigt durch die sozialpolitischen Ziele, Arbeitnehmern, die unerwartet ihren Arbeitsplatz verlören, ein Überbrückungsgeld zu gewähren, und ältere Arbeitnehmer dadurch zu schützen, daß ihre Entlassung mit höheren Kosten verbunden sei.

    8 In der Berufungsinstanz trug der Kläger vor, der Gerichtshof habe im Urteil Bosman nicht verlangt, daß eine Beschränkung der Freizügigkeit spürbar sein müsse. Das vorlegende Gericht führte aus, von der Regel seien hauptsächlich Inländer betroffen, so daß nicht von einer mittelbaren Diskriminierung derjenigen Arbeitnehmer gesprochen werden könne, die in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten wollten. Das Gericht hatte Zweifel daran, daß die Verweigerung der Abfertigung in Fällen der Selbstkündigung durch den Arbeitnehmer zur Erreichung der vom Landesgericht genannten sozialpolitischen Ziele erforderlich sei, und bemerkte, zum einen seien die Arbeitnehmer oft weder schuldlos an der Kündigung durch den Arbeitgeber noch durch diese überrascht, und zum anderen hätten sie oft völlig gerechtfertigte Gründe, den Arbeitsplatz freiwillig zu wechseln. Das Gericht war sich auch nicht sicher, welches Kriterium bei der Ermittlung nichtdiskriminierender Beschränkungen der Mobilität der Arbeitnehmer, die in den Geltungsbereich des Vertrages fielen, anzuwenden sei - der Gerichtshof habe im Urteil Bosman festgestellt, daß ein Arbeitnehmer nicht daran gehindert oder davon abgehalten werden dürfe, sein grundlegendes Recht auszuüben, habe aber auch auf sein Urteil in der Rechtssache Kraus(4) verwiesen, wo als Beschränkung jede nationale Regelung angesehen wird, die auch nur "geeignet ist, die Ausübung der [Freizügigkeit] ... zu behindern oder weniger attraktiv zu machen".

    9 Aufgrund dieser Zweifel hat das vorlegende Gericht das bei ihm anhängige Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EG-Vertrag (jetzt Artikel 234 EG) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Steht Artikel 48 EG-Vertrag einer nationalen Regelung entgegen, nach der ein Arbeitnehmer, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaates ist, bei Beendigung seines Dienstverhältnisses nur deshalb keinen Abfertigungsanspruch hat, weil er dieses Dienstverhältnis durch Kündigung selbst aufgelöst hat, um in einem anderen Mitgliedstaat eine unselbständige Tätigkeit auszuüben?

    III - Beim Gerichtshof abgegebene Erklärungen

    10 Der Kläger, die Beklagte, die Italienische Republik und die Kommission haben schriftliche und mündliche Erklärungen abgegeben. Das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Österreich und das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

    IV - Argumente und Prüfung

    A - Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit

    11 Der Kläger hat sein Vorbringen wiederholt, daß § 23 Absatz 7 AngG eine mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit darstelle. Die Beklagte, die Kommission und die Mitgliedstaaten, die Erklärungen abgegeben haben, vertreten alle die gegenteilige Auffassung. Sie bestreiten, daß § 23 Absatz 7 AngG diskriminierende Wirkungen habe, denn er sei unterschiedslos anwendbar und treffe hauptsächlich Arbeitnehmer, die ihren Dienstvertrag kündigten, ohne Österreich zu verlassen. Außerdem haben mehrere von ihnen darauf hingewiesen, daß das vorlegende Gericht in seinem Vorlagebeschluß ausdrücklich festgestellt habe, daß die fragliche Bestimmung nicht mittelbar diskriminierend sei.

    12 Es ist selbstverständlich, daß § 23 Absatz 7 AngG keine unmittelbare Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthält. Tatsächlich hat das vorlegende Gericht keine Ausführungen zur Frage der mittelbaren Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit gemacht, sondern nur bemerkt, daß das Angestelltengesetz Personen, die sich in andere Länder begeben, um dort zu arbeiten, nicht besonders benachteilige(5). Es gibt allerdings keinen Hinweis darauf, daß § 23 Absatz 7 AngG in der Praxis hauptsächlich Personen trifft, die nicht die österreichische Staatsangehörigkeit besitzen. Deshalb wende ich mich jetzt der Frage zu, ob diese Bestimmung gleichwohl eine nichtdiskriminierende Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellt.

    B - Nichtdiskriminierende Beschränkungen - Argumente

    13 Der Kläger hat hilfsweise vorgetragen, daß die vorliegende Rechtssache mit der Rechtssache Bosman vergleichbar sei, da es unerheblich sei, ob ein Arbeitnehmer durch den Wechsel des Arbeitgebers einen finanziellen Verlust erleide oder, wie in jenem Fall, ob der neue Arbeitgeber verpflichtet sei, zu zahlen, um den Arbeitnehmer einstellen zu können. Somit stelle auch § 23 Absatz 7 AngG eine nichtdiskriminierende Beschränkung der Freizügigkeit dar. Der Kläger hat ebenfalls in Zweifel gezogen, daß die angegebenen Ziele des Angestelltengesetzes - Förderung der Betriebstreue der Arbeitnehmer und Erleichterung des Übergangs von einem Arbeitsplatz zu einem anderen im Fall der Entlassung - eine derartige Beschränkung rechtfertigten.

    14 Was die Frage angeht, ob § 23 Absatz 7 AngG eine nichtdiskriminierende Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer enthält, lassen sich die übrigen eingereichten Erklärungen in zwei Gruppen einteilen. Die Beklagte führt aus, Ziel des Artikels 39 EG sei nicht die Deregulierung und die Förderung der Mobilität um ihrer selbst willen, sondern die Beseitigung von Hindernissen für die Freizügigkeit, die sich aus den Binnengrenzen ergäben.(6) So verbiete Artikel 39 EG nur Maßnahmen, die die Aufnahme einer Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat rechtlich oder tatsächlich unmöglich oder extrem schwierig machten.(7) Dazu gehörten zum Beispiel Maßnahmen, die für die Aufnahme in der wirtschaftlichen Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat größere Nachteile vorsähen als für die Aufnahme einer solchen Tätigkeit in dem Bewerbungsstaat(8), sowie unterschiedslos anwendbare Voraussetzungen für den Zugang zu einem Beruf oder zu einer anderen wirtschaftlichen Tätigkeit, die für nichteinheimische Arbeitnehmer schwerer zu erfuellen seien, wenn ihre vorhandenen Qualifikationen und Fähigkeiten nicht berücksichtigt würden(9). Auf der anderen Seite könnten nationale Maßnahmen, deren einschränkende Wirkung auf einen Wechsel des Arbeitsplatzes über die Grenze hinweg völlig neutral sei, da sie bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb des fraglichen Mitgliedstaats die gleichen Wirkungen hätten, nicht als durch Artikel 39 EG verbotene Beschränkungen angesehen werden. Andernfalls wäre der Geltungsbereich dieser Vorschrift viel zu weit und würde nationale Vorschriften über Arbeitsplatzförderung, Rentensysteme und Arbeitnehmerschutz ebenso umfassen wie alle Maßnahmen, die die Beschäftigung in einem bestimmten Mitgliedstaat durch die Gewährung eines hohen Vergütungsniveaus oder der Sicherheit des Arbeitsplatzes attraktiver machten.

    15 Andererseits pflichtet die Kommission (die insoweit von den Mitgliedstaaten, die Erklärungen eingereicht haben, ausdrücklich oder stillschweigend unterstützt wird), dem Vorbringen bei, daß die Urteile Kraus und Bosman sowie das den benachbarten Bereich der Niederlassung betreffende Urteil Gebhard deutlich machten, daß das Verbot nichtdiskriminierender Behinderungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder Selbständigen über Maßnahmen mit besonders belastenden Auswirkungen auf die grenzüberschreitende Mobilität hinausgehe. Sie wendet sich jedoch trotz der weit gefaßten Beschreibung derartiger Beschränkungen in diesen Urteilen(10) gegen eine Ausdehnung des Verbotes des Vertrages auf alle nationalen Vorschriften, die einen Arbeitnehmer davon abhalten könnten, sein Recht auf Freizügigkeit auszuüben. In der Rechtssache Bosman sei es vielmehr um Vorschriften gegangen, die einen Arbeitnehmer ausdrücklich daran gehindert hätten, eine Beschäftigung als Fußballspieler in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen. Die Kommission, Dänemark, Italien und das Vereinigte Königreich fordern den Gerichtshof in verschiedenen Formulierungen auf, dem Rat von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache Bosman zu folgen und im Anschluß an die Rechtssache Keck ausdrücklich zwischen nationalen Vorschriften, die den Zugang zum Arbeitsmarkt regelten, und solchen Vorschriften zu unterscheiden, die lediglich die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit beträfen, wie z. B. den Schutz der Arbeitnehmer, Lohntabellen, Arbeitsbedingungen usw.

    16 Darüber hinaus macht die Kommission geltend, bevor man auch nur an eine Unterscheidung zwischen dem Zugang zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit als Arbeitnehmer und der Ausübung einer solchen Tätigkeit denken könne, müsse feststehen, daß zwischen der angeblich beschränkenden nationalen Vorschrift und dem Entschluß, das Recht auf Freizügigkeit auszuüben, um eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen, ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe. Deutschland äußerte sich in ähnlichem Sinne.

    17 Österreich und das Vereinigte Königreich wählen einen etwas anderen Ausgangspunkt und stellen Kriterien auf, die auf die Schwere oder Intensität einer angeblichen Beschränkung abstellen. Der im vorliegenden Fall in Rede stehende Geldbetrag lasse keinen Vergleich mit der in der Rechtssache Bosman verlangten Transferentschädigung zu. Er sei nicht so sehr als ein tatsächliches Hindernis für einen Arbeitsplatzwechsel, sondern nur als einer von vielen Faktoren anzusehen, die von einem Arbeitnehmer, der einen solchen Schritt vorhabe, in die Waagschale geworfen werden müßten.

    C - Die Bedeutung der Rechtssache Keck

    18 Ich möchte vorab die oben in Nummer 1 aufgeworfene letzte Frage dahin beantworten, daß meines Erachtens die Rechtsprechung des Gerichtshofes zum freien Warenverkehr einschließlich des Urteils Keck nützliche Hinweise für die Anwendung von Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) enthält. Ich möchte vor einer Prüfung der genaueren Fragen betreffend die Mobilität der Arbeitnehmer, um die es im vorliegenden Fall geht, einige Vorbemerkungen über die Fortentwicklung der Rechtsprechung Keck machen, jedoch sogleich hinzufügen, daß Analogien zwischen beiden Bereichen selten vollkommen sind und daß insbesondere die Erwägungen im Urteil Keck nur dann auf den Bereich der Freizügigkeit der Arbeitnehmer übertragen werden können, wenn man sie auf ihre wesentlichen Elemente reduziert und die starreren und formalistischeren Unterscheidungen - zwischen die Produkte betreffenden Vorschriften und bestimmten Verkaufsmodalitäten -, die den Prozeß der Herstellung und des Vertriebs von Waren kennzeichnen, außer Acht läßt. Menschen sind keine Waren, und der Prozeß der Abwanderung zum Zweck der Beschäftigung oder Niederlassung im Ausland einschließlich der Vorbereitung dafür kann nicht so klar in (Massen-) Produktion und Vermarktungsstufen eingeteilt werden. Außerdem ermöglicht die Zweiteilung zwischen Vorschriften, die die Produkte, und solchen, die den Vertrieb betreffen, selbst im Bereich des Warenhandels nicht die vollständige Beschreibung aller denkbaren Beschränkungen.

    19 Die formale Unterscheidung zwischen die Produkte betreffenden Vorschriften und Verkaufsmodalitäten ist weniger bedeutsam als der Grund, der zu dieser Unterscheidung geführt hat: die Ermittlung der Umstände, unter denen verschiedene Arten von Vorschriften dieselbe unerwünschte Wirkung haben, nämlich die, den Zugang zum Markt zu beeinträchtigen. So hat der Gerichtshof nationale Vorschriften über bestimmte Verkaufsmodalitäten wie die in jenem Fall relevanten Vorschriften, durch die der Weiterverkauf zum Verlustpreis verboten wurde, hervorgehoben, denn diese Verfahren waren zwar unterschiedslos anwendbar und berührten den Vertrieb aller Erzeugnisse rechtlich wie tatsächlich in der gleichen Weise, sie waren jedoch nach Auffassung des Gerichtshofes nicht geeignet, den Marktzugang für eingeführte Erzeugnisse zu versperren oder stärker zu behindern als den für inländische Erzeugnisse.(11) Deshalb fielen sie nicht unter das in der Rechtssache Dassonville aufgestellte Kriterium, wonach Artikel 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG) auf alle nationalen Vorschriften anwendbar war, die geeignet waren, den Handel zwischen Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern.(12) Die größte Bedeutung für den vorliegenden Fall hat das Urteil Keck, denn dort hat der Gerichtshof seine vorhergehenden Versuche, ein sehr allgemeines - nämlich das in der Rechtssache Dassonville entwickelte - Kriterium einheitlich auf die Definition von Handelsschranken anzuwenden, einer Neubewertung unterzogen. Die Anwendung dieses Kriteriums hatte dazu geführt, daß nationale Vorschriften, die weder diskriminierend waren noch den Handel besonders beschränkten, wie etwa Ladenschlußregelungen, demselben Verbot und derselben Prüfung einer möglichen Rechtfertigung unterlagen wie nationale Vorschriften, wie z. B. die die Erzeugnisse betreffenden Vorschriften, die allein aufgrund von unterschiedlichen nationalen Regelungen den freien Warenverkehr ernsthaft beschränkten.(13) Der Gerichtshof hat darauf vernünftigerweise damit reagiert, daß er aufgrund seiner Erfahrung und seiner Kenntnis des Marktverhaltens Vermutungen über die wahrscheinlichen Auswirkungen verschiedener Arten von Regelungen auf die Erreichung des Endziels des Artikels 28 EG: Errichtung eines Binnenmarktes, zu dem Erzeugnisse aus den verschiedenen Mitgliedstaaten gleichen und - vorbehaltlich gewisser Einschränkungen im öffentlichen Interesse - freien Zugang haben, aufgestellt hat. Derartige Vermutungen sollten jedoch keinen endgültigen Charakter haben. Es ist legitim, daß der Gerichtshof Vermutungen über die Auswirkungen verschiedener weit gefaßter Kategorien von Vorschriften auf den Markt aufstellt, vorausgesetzt, daß die Richtigkeit der Vermutung in konkreten Fällen anhand des zugrunde liegenden Kriteriums des Marktzugangs geprüft werden kann und die Vermutung als solche nicht automatisch als für die Entscheidung des Falles ausreichend angesehen wird. Ein solches Vorgehen würde die Anwendung einer weiten einheitlichen Definition der Beschränkungen wie der, die in der Rechtssache Dassonville entwickelt wurde, durch die konkrete Beurteilung der Auswirkungen solcher Arten von Vorschriften, die als eher marginal empfunden werden, auf den Markt abmildern und präzisieren und zugleich sowohl den nationalen Gesetzgebern als auch den Wirtschaftsteilnehmern Hinweise auf die wahrscheinliche Beurteilung solcher Regelungen durch die Gerichte geben.

    20 Im vorliegenden Fall erübrigt sich die Prüfung der Stichhaltigkeit der Annahme des Gerichtshofes in der Rechtssache Keck, daß nationale Vorschriften über Verkaufsmodalitäten den Zugang von Importeuren zum Markt nicht beeinträchtigen, wenn keine unmittelbare oder verschleierte Diskriminierung vorliegt. Der Gerichtshof hat nämlich kürzlich die im Urteil Keck aufgestellten formalen Kriterien mit einer relativ geringfügigen Veränderung auf Fälle angewandt, in denen der Zugang zum Markt seiner Meinung nach stark bedroht war. Im Urteil Dior hat der Gerichtshof entschieden, daß nationale Vorschriften, die es den Inhabern von Marken- oder Urheberrechten gestatten, Parallelimporteure daran zu hindern, für den weiteren Vertrieb von Waren zu werben, unter Artikel 28 EG fallen, da ein solches Werbeverbot den Zugang zum Markt "erheblich erschweren" würde.(14) Die nationalen Vorschriften hätten wohl auch dazu benutzt werden können, Werbung für außerhalb des inländischen selektiven Vertriebssystems angebotene Waren zu verhindern; das Urteil enthielt keinen Hinweis auf eine unterschiedliche Behandlung von inländischen und eingeführten Waren. (Der Gerichtshof könnte allerdings die Auffassung vertreten haben, daß derartige Vorschriften faktisch eine größere Wirkung für Importe haben.) In einer anderen Rechtssache hat der Gerichtshof die Auffassung vertreten, daß eine die Werbung betreffende, auf alle Händler anwendbare Vorschrift - das vollständige Verbot von Werbung, die an Kinder gerichtet ist, in der Rechtssache De Agostini - möglicherweise größere Auswirkungen auf Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten hat. Er ist - ohne im geringsten auf die Situation der inländischen Hersteller einzugehen - zu diesem Ergebnis gekommen, weil der betreffende Importeur vorgetragen hatte, daß die Fernsehwerbung für ihn die einzig verfügbare Form der Absatzförderung sei, die es ihm ermögliche, in den fraglichen Markt einzudringen(15). Somit scheint es, daß nationalen Vorschriften faktisch nur deshalb verschiedene Auswirkungen auf den Vertrieb von eingeführten und inländischen Erzeugnissen und damit auf ihren Zugang zum Markt zugeschrieben werden können, weil neue (eingeführte) Erzeugnisse einen größeren Werbeaufwand erfordern als (inländische) auf dem Markt bereits bekannte Erzeugnisse. Dieses Ergebnis ähnelt dem, das sich aus einer unmittelbaren Anwendung des von Generalanwalt Jacobs in der Rechtssache Leclerc-Siplec(16) vorgeschlagenen Kriteriums der wesentlichen Auswirkungen auf den Zugang zum Markt ergeben würde. Des weiteren hat der Gerichtshof in der Rechtssache Alpine Investments die Auffassung vertreten, daß die Grundsätze des Urteils Keck nicht analog auf eine nichtdiskriminierende nationale Vorschrift angewandt werden konnten, die den Wirtschaftsteilnehmern ein schnelles und direktes (aber nicht zwingend das einzige) Mittel der Werbung und der Kontaktaufnahme mit potentiellen Kunden in anderen Mitgliedstaaten - cold calling - nahm, da es den Zugang zum Dienstleistungsmarkt unmittelbar berührte.(17)

    D - Diskriminierung aus Gründen der Zu- und Abwanderung

    21 Ich wende mich nun direkt der Auslegung des in Artikel 39 EG aufgestellten Verbots von Behinderungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und seiner möglichen Anwendung auf § 23 Absatz 7 AngG zu. Artikel 39 Absatz 2 EG verbietet ausdrücklich die Diskriminierung von Arbeitnehmern aus Gründen der Staatsangehörigkeit, ohne daß er die genauen Auswirkungen einer derartigen Diskriminierung auf deren Zugang zum Arbeitsmarkt zu bestimmen braucht. Da es im vorliegenden Fall jedoch um eine angebliche Schranke geht, vor der ein Gemeinschaftsbürger steht, der einen Mitgliedstaat verlassen will, um woanders in der Gemeinschaft zu arbeiten, ist nicht nur die ständige Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Verbot offener oder verschleierter Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit(18) zu beachten, sondern auch das, was als seine Rechtsprechung zum Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Zu- und Abwanderung bezeichnet werden könnte.(19) Nach dieser Rechtsprechung umfaßt die in Artikel 39 EG verankerte Garantie der Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft auch das Verbot nationaler Maßnahmen, die nicht nach der Staatsangehörigkeit unterscheiden, sondern danach, ob eine Person eine ununterbrochene wirtschaftliche Tätigkeit in ihrem Herkunftsland ausübt oder aber entweder in ein anderes Land umzieht, um dort als abhängig Beschäftigter oder Selbständiger zu arbeiten, oder zugleich in mehreren Ländern arbeitet, und durch diese Unterscheidung diejenigen benachteiligen, die auf diese Weise ihr Recht auf Freizügigkeit ausüben. Beispiele für eine unmittelbare Diskriminierung dieser Art bilden die nationalen Vorschriften, um die es in den Rechtssachen Kommission/Frankreich(20), Stanton(21), Wolf(22), Masgio(23), Daily Mail(24), Ramrath(25), ICI(26) und Terhoeve(27) geht. Diese Kategorie wird normalerweise bei Maßnahmen, die ein Aufnahmestaat auf Wanderarbeitnehmer anwendet, wegen der Vermutung, daß hauptsächlich ausländische Arbeitnehmer davon betroffen sind, mit der der verschleierten Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zusammenfallen.(28) Im Fall einer Ungleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern durch den Herkunftsstaat besteht keine derartige Vermutung, so daß die beiden Kategorien deutlicher voneinander unterschieden werden können.

    22 § 23 Absatz 7 AngG fällt nicht unter diese Kategorie von Vorschriften. Seine Anwendung hängt keineswegs von der Ausübung der sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Freizügigkeit oder von irgendeinem anderen grenzüberschreitenden Faktor ab: Die Zahlung der Abfertigung wird unabhängig von dem zukünftigen Wohnort des Arbeitnehmers, der freiwillig ohne schwerwiegende Gründe seinen Vertrag beendet, verweigert und unabhängig von den späteren Umzügen eines von seinem Arbeitgeber entlassenen Arbeitnehmers gewährt. Auch spricht nichts dafür, daß das vorlegende Gericht zu Unrecht angenommen hat, daß die Regelung zumeist Inländer treffe, so daß ihre Anwendung nicht einmal zu einer verschleierten Diskriminierung aus Gründen der späteren Abwanderung führe, d. h. einer diskriminierenden Unterscheidung zwischen Arbeitnehmern, die auswanderten, und solchen, die es vorzögen, nach der freiwilligen oder nichtfreiwilligen Beendigung ihres Arbeitsvertrags in Österreich zu bleiben.

    23 Es ist gleichwohl nützlich, für die nachfolgende Erörterung festzuhalten, daß der Gerichtshof es wie im Fall der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit auch hier abgelehnt hat, irgendein Kriterium aufzustellen, das auf den materiellen Konsequenzen einer Ungleichbehandlung von Wanderarbeitnehmern und von natürlichen und juristischen Personen, die das Niederlassungsrecht ausüben, und solchen, die in ihrem Herkunftsmitgliedstaat bleiben, abstellt. Im Fall eines Verbotes wie dem, das in der Rechtssache Daily Mail geltend gemacht wurde, sind die Konsequenzen ziemlich klar(29), aber in anderen Fällen hat der Gerichtshof es unterlassen, die wahrscheinlichen Auswirkungen - falls es zu solchen kommen sollte - der fraglichen Benachteiligung auf die Planung des potentiellen Wanderarbeitnehmers zu prüfen: Die Ungleichbehandlung reichte aus, eine Vermutung dafür zu begründen, daß die nationale Vorschrift den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats tatsächlich "davon abhalten"(30) oder dabei "behindern"(31) konnte, seine ihm durch das Gemeinschaftsrecht verliehenen Rechte auszuüben.

    E - Andere Arten von nichtdiskriminierenden Beschränkungen

    24 In der Rechtsprechung des Gerichtshofes lassen sich drei andere weitgefaßte Arten von Beschränkungen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder Selbständigen identifizieren. Ich möchte diese als neutrale Beschränkungen bezeichnen, da die fraglichen Vorschriften unterschiedslos anwendbar waren, nicht ausdrücklich Unterschiede aufgrund der Ausübung der Freizügigkeit geschaffen haben und vom Gerichtshof als neutral in ihren Wirkungen im Hinblick auf die Staatsangehörigkeit der betroffenen Personen angesehen wurden. Es handelt sich um (1) nationale Vorschriften, durch die ein Wirtschaftsteilnehmer - typischerweise ein Angehöriger eines freien Berufes - auf einen einzigen Niederlassungsort beschränkt wird(32); (2) nationale Vorschriften über Qualifikationen für Posten oder Berufstätigkeiten(33) sowie Vorschriften über die Anerkennung von Qualifikationen, die nicht förmlich für eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit verlangt werden(34), und (3) nationale Vorschriften, die eine Schranke für Arbeitnehmer errichten, die eine neue Beschäftigung aufnehmen wollen, indem sie von dem potentiellen Arbeitgeber verlangen, daß er eine Entschädigung in Höhe von mehreren Jahresgehältern an den früheren Arbeitgeber des Arbeitnehmers zahlt, und zwar selbst dann, wenn der zwischen diesen geschlossene Beschäftigungsvertrag bereits beendet ist.(35)

    25 Im Hinblick auf die erste Art von Beschränkungen ist der Gerichtshof bei der Prüfung derartiger Vorschriften im Bereich der Niederlassung davon ausgegangen, daß sie keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit enthielten(36), und hat die Auffassung vertreten, daß sie gleichwohl die Niederlassungsfreiheit beschränken, da sich diese nicht auf das Recht beschränkt, nur eine Niederlassung innerhalb der Gemeinschaft zu gründen, sondern ausdrücklich auch die Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten umfaßt.(37) Die nationalen Vorschriften konnten deshalb als direkte Verweigerung der Freizügigkeit verurteilt werden, weil sie ein förmliches Verbot der einzig möglichen Art der Ausübung dieser Freiheit enthielten. Unter diesen Umständen wurde die Tatsache, daß die Niederlassungsfreiheit innerhalb des betreffenden Mitgliedstaats in ähnlicher Weise beschränkt war, offensichtlich als unerheblich angesehen.(38)

    26 Es wäre möglich, die zweite Art von einschränkenden nationalen Vorschriften, nämlich die, die Qualifikationen betreffen, als eine Art verschleierter Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit oder der Zu- und Abwanderung anzusehen, da es bei Wanderarbeitnehmern sehr viel weniger wahrscheinlich ist als bei inländischen Wirtschaftsteilnehmern, daß sie Qualifikationen besitzen, die genau und ohne die Notwendigkeit einer Prüfung den aufgestellten Kriterien entsprechen. Dies würde auch der Rechtsprechung zur Berücksichtigung einer früheren Arbeitserfahrung entsprechen. Der Gerichtshof hat jedoch ausgeführt, daß derartige Vorschriften auch dann Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und der Freizügigkeit der Arbeitnehmer darstellen, wenn keine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit vorliegt.(39) Dies läßt sich vergleichen mit der Anwendung unterschiedslos anwendbarer nationaler, die Erzeugnisse betreffender Vorschriften im Bereich der Waren oder zweifacher Prüfungen der Vereinbarkeit mit allgemeinen, die Gesundheit und die Sicherheit betreffenden Produktnormen, die in beiden Fällen den Zugang eingeführter Waren zum Markt einem doppelten Regelungssystem unterwerfen(40) und deshalb nach dem Urteil Keck definitiv unter Artikel 28 EG fallen.(41)

    27 Die dritte, in der Rechtssache Bosman vorliegende Art der Beschränkung kann insofern mit der in der Rechtssache Klopp verglichen werden, als sie direkt eine Etappe der Ausübung der Freizügigkeit, nämlich den Wechsel oder die Aufnahme einer Beschäftigung, betrifft. Darüber hinaus handelt es sich dabei im Fall der Freizügigkeit der Arbeitnehmer um eine wesentliche Etappe und nicht, wie in der Rechtssache Klopp, nur um eine mögliche Art und Weise der Ausübung der betreffenden durch den Vertrag gewährleisteten Rechte.

    28 Das gemeinsame Merkmal dieser drei Arten von nichtdisrkriminierenden Beschränkungen der Freizügigkeit besteht darin, daß es sich bei ihnen um formale Beschränkungen des Zugangs zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einem Mitgliedstaat handelt. Die Voraussetzungen sind in Gesetzen oder Verordnungen festgelegt, deren Nichtbefolgung ein absolutes Hindernis für die Aufnahme der fraglichen Beschäftigung bildet.(42) Insofern sind nur die Rechtssachen Choquet und Kraus außergewöhnlich, da sie sich auf Vorschriften beziehen, die je nach den Umständen eher Behinderungen als absolute Schranken für den Zugang zu bestimmten wirtschaftlichen Tätigkeiten bilden könnten. In der Rechtssache Kraus machten nicht die in Rede stehenden deutschen Vorschriften über die Genehmigung der Führung akademischer Grade selbst den Zugang zu jedweder Tätigkeit von einer solchen Genehmigung abhängig; der Gerichtshof hat jedoch ausgeführt, daß der Besitz eines aufgrund eines Postgraduiertenstudiums erworbenen akademischen Grades eine Zugangsvoraussetzung für bestimmte Berufe darstellen(43) und in anderen Fällen den Zugang zu einem Beruf, mindestens aber die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit erleichtern könnte.(44) In der Rechtssache Choquet hat der Gerichtshof festgestellt, daß die Bestimmungen über die Anerkennung der Fahrerlaubnis sowohl mittelbaren als auch unmittelbaren Einfluß auf die Ausübung der die Freizügigkeit betreffenden Rechte haben, und insbesondere, daß der Besitz einer ordnungsgemäß vom Aufnahmeland anerkannten Fahrerlaubnis für die tatsächliche Ausübung einer großen Anzahl von unselbständigen und selbständigen Erwerbstätigkeiten von Belang sein kann.(45)

    F - Ein allgemeines Kriterium?

    29 In einer Reihe kürzlich entschiedener Fälle hat der Gerichtshof nichtdiskriminierende Beschränkungen mit Worten definiert, die an die erinnern, die in bezug auf Vorschriften verwandt worden sind, die entweder Personen aus Gründen ihrer Staatsangehörigkeit diskriminieren oder auf eine Ungleichbehandlung wegen der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit hinauslaufen. In der Rechtssache Kraus hat der Gerichtshof ausgeführt, daß "die Artikel 48 und 52 jeder nationalen Regelung über die Voraussetzungen für die Führung eines in einem anderen Mitgliedstaat erworbenen ergänzenden akademischen Grades entgegen[stehen], die zwar ohne Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit anwendbar ist, die aber geeignet ist, die Ausübung der durch den EWG-Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten durch die Gemeinschaftsangehörigen ... zu behindern oder weniger attraktiv zu machen".(46) In der Rechtssache Gebhard machte der Gerichtshof die Anwendung "nationale[r] Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, von Voraussetzungen der Nichtdiskriminierung und der verhältnismäßigen Verfolgung von im Allgemeininteresse liegenden Zielen abhängig.(47) Schließlich hat der Gerichtshof im Urteil Bosman folgendes Kriterium aufgestellt:

    "Bestimmungen, die einen Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats daran hindern oder davon abhalten, sein Herkunftsland zu verlassen, um von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen, stellen daher Beeinträchtigungen dieser Freiheit dar, auch wenn sie unabhängig von der Staatsangehörigkeit der betroffenen Arbeitnehmer Anwendung finden".(48)

    Der Gerichtshof hat hinzugefügt, daß Artikel 39 EG auch die Anwendung von nationalen Vorschriften beschränkt, die die Freizügigkeit der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats beeinträchtigen, die in einem anderen Mitgliedstaat eine Erwerbstätigkeit ausüben wollen.(49)

    30 Der vorliegende Fall betrifft im wesentlichen die Reichweite dieser weit gefaßten Definitionen neutraler Beschränkungen der Freizügigkeit. Wie ich oben dargelegt habe, führen nationale Vorschriften, die Personen offen oder verschleiert aus Gründen der Staatsangehörigkeit diskriminieren oder zwischen ihnen danach unterscheiden, ob sie derartige Rechte bereits ausgeübt haben, automatisch zu einer Beeinträchtigung der Ausübung dieser Rechte, selbst wenn die wahrscheinliche Beeinträchtigung gegenüber den bleibenden Vorzügen der Zu- und Abwanderung im Einzelfall geringfügig ist. Ebenso offensichtlich ist meines Erachtens die Beeinträchtigung der Ausübung von sich aus dem Vertrag ergebenden Rechten in Fällen, in denen der Zugang zum Arbeitsmarkt durch neutrale formale Voraussetzungen versperrt wird, die im Widerspruch zu den ausdrücklichen Garantien des Vertrages hinsichtlich der Art und Weise der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit stehen (wie im Fall Klopp), die faktisch Wanderarbeitnehmern Doppelanforderungen oder mühselige Anerkennungsverfahren auferlegen (wie in den die Qualifikationen betreffenden Fällen) oder die die Zahlung einer Entschädigung für die Ausübung eines sich aus dem Vertrag ergebenden Rechts vorschreiben (wie im Fall Bosman). Man kann feststellen, daß solche Vorschriften die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit beeinträchtigen, den Betroffenen daran hindern oder davon abhalten oder diese Ausübung weniger attraktiv machen. Diese Formulierung sollte jedoch nicht fälschlich als allgemein anwendbares Kriterium angesehen werden. Die Aufstellung von Voraussetzungen für den Zugang zum Markt oder die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit reicht als solche für die Feststellung des Vorliegens einer Beschränkung aus, selbst wenn die Voraussetzung relativ leicht erfuellt werden kann (dies ist ein Punkt, auf den es bei der Prüfung ankommt, ob die Beschränkung gerechtfertigt ist). Dasselbe kann, allgemein gesagt, wahrscheinlich auch von formalen Voraussetzungen gesagt werden, die solche Aspekte betreffen, die mit einem erfolgreichen Zugang zum Markt eng zusammenhängen, wie etwa diejenigen, die die Anerkennung einer Qualifikation regeln, die für die Ausübung zahlreicher beruflicher Tätigkeiten erforderlich oder nützlich ist.(50)

    G - Die Grenzen eines allgemeinen Kriteriums

    31 Es wäre möglich, die oben aus den Urteilen Kraus, Gebhard und Bosman entnommenen weit formulierten Kriterien so zu verstehen, daß sie sich nur auf die Arten von formalen Voraussetzungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt beziehen, um die es in diesen und den anderen oben in den Nummern 24 bis 28 erörterten Fällen ging. Der Gerichtshof hat allerdings nicht ausdrücklich auf eine solche Beschränkung des Anwendungsbereichs der in diesen Rechtssachen aufgestellten Kriterien hingewiesen. Wenn jedoch vorgeschlagen würde, neutrale nationale Vorschriften als Beschränkungen der Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit anzusehen, die diese Ausübung nur dadurch verhindern, Betroffene davon abhalten, die Ausübung beeinträchtigen oder weniger attraktiv machen, daß sie materielle Schranken errichten, indem sie z. B. für den fraglichen Markt kommerzielle Voraussetzungen oder Regelungen aufstellen, die weniger günstig sind als in anderen Mitgliedstaaten, oder indem sie Vergünstigungen bieten, die verloren gehen, wenn ein Arbeitnehmer seinen Arbeitsplatz wechselt, so könnten diese Kriterien nicht in der gleichen Weise angewandt werden wie im Fall einer formalen Voraussetzung. Man kann nicht in allen Fällen, in denen eine offensichtlich belastende nationale Regelung der wirtschaftlichen Tätigkeit oder der Verlust einer Vergünstigung im Fall des Wechsels der wirtschaftlichen Tätigkeit gegeben ist, automatisch die Vermutung aufstellen, daß die Ausübung der Freizügigkeit von Arbeitnehmern oder Selbständigen beeinträchtigt ist. Diese Auffassung würde einer Anwendung des Dassonville-Kriteriums in seiner weitest möglichen Auslegung auf die Freizügigkeit gleichkommen. Wenn eine angebliche Behinderung der Freizügigkeit nicht Folge einer formalen Voraussetzung für die Beteiligung am Markt ist, sondern vielmehr angeblich auf irgendeiner neutralen materiellen Schranke oder einem abschreckenden Faktor beruht, die sich aus nationalen Vorschriften ergeben, so muß die Beeinträchtigung der Ausübung von sich aus dem Gemeinschaftsrecht ergebenden Rechten bewiesen werden.

    32 Meines Erachtens wäre, wenn man die Möglichkeit, solche nationalen Vorschriften als Beschränkungen der Freizügigkeit anzusehen, bejahen wollte, das geeignete Kriterium dasjenige, das der Gerichtshof bereits in den Rechtssachen Bosman und Alpine Investments angewandt hat, um die analoge Anwendung der in der Rechtssache Keck für nationale Bestimmungen über Verkaufsmodalitäten für Waren angewandten Grundsätze auf bestimmte innerstaatliche Vorschriften im Bereich der Freizügigkeit abzulehnen, nämlich das von der Kommission im vorliegenden Fall vorgeschlagene Kriterium einer unmittelbaren Auswirkung auf den Zugang des betroffenen Arbeitnehmers oder Selbständigen zu dem fraglichen Markt(51). Obwohl der Gerichtshof noch keine Gelegenheit gehabt hat, in einem dieser beiden Fälle zu entscheiden, ob die Erfuellung dieses Kriteriums in allen Fällen für das Vorliegen einer verbotenen neutralen Behinderung der Freizügigkeit notwendig ist, erscheint mir dies notwendig, wenn der Vertrag nicht dafür ausgenutzt werden soll, jedwede nationale Vorschrift anzufechten, deren Wirkung ganz einfach darin besteht, die Handelsfreiheit zu beschränken.(52) Somit könnten neutrale nationale Regelungen nur dann als materielle Schranken für den Zugang zum Markt angesehen werden, wenn feststuende, daß sie tatsächliche Auswirkungen auf Marktbeteiligte hätten, die einem Ausschluß vom Markt gleichkämen. Ebenso wie bei Vorschriften über Verkaufsmodalitäten im Fall von Waren besteht keine Vermutung dafür, daß neutrale nationale Handelsregelungen oder Vorschriften über Lohntabellen, sozialen Schutz und andere die Arbeitnehmer berührende Bereiche eine solche Wirkung haben. Im Normalfall muß der Wanderarbeitnehmer den einzelstaatlichen Arbeitsmarkt so nehmen, wie er ist. Dasselbe gilt für neutrale nationale Vorschriften, von denen behauptet wird, daß sie die Entscheidung des Arbeitnehmers, ob er einen Mitgliedstaat verlassen soll, um eine wirtschaftliche Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen, beeinflussen. Dies hat besondere Bedeutung für solche möglichen Ausreisebeschränkungen, denn die Anzahl der formalen Beschränkungen der Aufgabe eines Arbeitsplatzes ist wahrscheinlich gegenüber denjenigen, die für die Aufnahme einer Beschäftigung gelten, extrem gering. Wenn der Gerichtshof grundsätzlich entscheiden würde, daß solche materiellen abschreckenden Regelungen in bestimmten Fällen Beschränkungen der Freizügigkeit darstellen können, müßte von den Betroffenen verlangt werden, daß sie diese Vermutung dadurch widerlegen, daß sie dartun, daß eine bestimmte Vorschrift unter allen Umständen eine so belastende und abschreckende Wirkung für den Zugang zum Markt hat, daß sie einer direkten Verweigerung dieses Zugangs gleichkommt. Dieser Auffassung liegt natürlich die stillschweigende Annahme zugrunde, daß das Vorliegen der angeblichen materiellen Verweigerung des Zugangs zum Markt durch die Darlegung der Situation des konkreten Beschwerdeführers dargetan werden muß.

    33 Das von mir befürwortete Ergebnis entspricht meines Erachtens dem, zu dem Generalanwalt Lenz in der Rechtssache Bosman gekommen ist, wo er zwischen nationalen Vorschriften über den Zugang zum Markt und Vorschriften, die lediglich die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit regeln, unterschieden hat.(53) Generalanwalt Alber hat in der Rechtssache Lehtonen(54) eine andere Auffassung vertreten als Generalanwalt Lenz. Er hat unter Hinweis auf das Urteil Keck ausgeführt, daß Vorschriften über die Ausübung eines Berufs eher die Erzeugnisse betreffenden Vorschriften entsprächen als Vorschriften über Verkaufsmodalitäten, da sie die Bürger direkt berührten, die somit jedes Mal, wenn sie von einem Mitgliedstaat in einen anderen umzögen, verschiedene Vorschriften berücksichtigen und neue Fertigkeiten erwerben müßten. Mir scheint allerdings, daß die offensichtliche Meinungsverschiedenheit zum Teil auf einem unterschiedlichen Verständnis dessen beruht, was unter "Vorschriften über die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit" zu verstehen ist. Ich habe oben aufgrund der Rechtsprechung, insbesondere der die Qualifikationen betreffenden Entscheidungen, ausgeführt, daß nationale Vorschriften, die von den Wirtschaftsteilnehmern bestimmte Fertigkeiten verlangen und somit dazu führen, daß Arbeitnehmer einer zweifachen Regelung unterworfen werden, eher als formale Zugangsbeschränkungen oder zumindest, wie in den Rechtssachen Kraus und Choquet, als in so engem Zusammenhang mit dem Zugang zum Markt stehend anzusehen sind, daß sie einer ähnlichen Regelung unterliegen müssen.

    H - Der vorliegende Fall

    34 Der Gerichtshof braucht jedoch meines Erachtens im vorliegenden Fall nicht darüber zu entscheiden, ob solche neutralen, materiellen, die Arbeitnehmer von der Ausübung ihres Rechts auf Freizügigkeit abhaltenden oder sie daran hindernden Maßnahmen grundsätzlich Beschränkungen dieser Freizügigkeit darstellen, die (vorbehaltlich einer eventuellen Rechtfertigung) durch Artikel 39 EG verboten sind. § 23 Absatz 7 AngG erfuellt eindeutig nicht die soeben dargelegte notwendige Voraussetzung für die Anwendung dieses Verbots, denn seine Auswirkungen auf den Entschluß, ein Beschäftigungsverhältnis zu beenden, sind, auch wenn sie direkt sind, nicht geeignet, den Zugang zu oder, wie im vorliegenden Fall, den Weggang von einem nationalen Arbeitsmarkt zu beschränken. Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, daß es sich hier, im Verhältnis zu Fällen wie der Rechtssache Bosman, um geringfügige Geldbeträge handelt. Unter anderen Umständen kann eine Vorschrift, die einem Arbeitnehmer das Äquivalent von fast drei Nettomonatsgehältern abspricht, eine bedeutende Auswirkung auf seine Planung haben. Ich komme zu diesem Ergebnis, weil nicht behauptet werden kann, daß das Angestelltengesetz dem Kläger diesen Betrag wirklich abspricht. Es sieht eine Abfertigung für den Fall vor, daß ein bestimmtes Ereignis, wie etwa grundlose Kündigung durch den Arbeitgeber, eintritt. Die potentielle Vergünstigung einer nach den Jahren der Betriebszugehörigkeit berechneten Abfertigung bei tatsächlicher oder angenommener Entlassung wird dem Kläger, der seinen Vertrag gekündigt hat, um in einem anderen Mitgliedstaat zu arbeiten, ebenso verweigert wie die Anwendung der österreichischen Vorschriften über den Ersatz von Schäden aus Industrieunfällen, weil er seine Beschäftigung dort aufgegeben hat, bevor ein solcher Unfall geschah. Der Umstand, daß der Betrag der potentiellen Abfertigung im erstgenannten Fall von seinem Gehalt und der Dauer seiner Betriebszugehörigkeit abhängt, wodurch die belohnt werden, die in einem einzigen Unternehmen bleiben, ändert nichts an der Tatsache, daß zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der Firma kein derartiger Abfertigungsanspruch entstanden war. Die Wirkung des Verlusts eines nur potentiellen und ungewissen Anspruchs ist meines Erachtens viel zu unbedeutend, abgelegen und ungewiß, als daß sie eine Beschränkung der Freizügigkeit darstellen könnte.(55)

    35 An dieser meiner Schlußfolgerung ändert es nichts, daß ein Arbeitnehmer nach seinem Ausscheiden nach zehn Jahren Beschäftigung bei einem einzigen Arbeitgeber eine Abfertigung erhalten kann, die nach seinem Gehalt und den Jahren seiner Betriebszugehörigkeit berechnet wird. Ein solcher Anspruch stand dem Kläger des Ausgangsverfahrens, der weniger als vier Jahre bei der Beklagten gearbeitet hatte, noch lange nicht zu. Selbst der potentielle Erwerb dieses bedingten Anspruchs unterlag noch einer anderen, davon zu unterscheidenden Bedingung, nämlich daß der Kläger einen weiteren Zeitraum von mehr als sechs Jahren bei demselben österreichischen Arbeitgeber bleiben würde. Unter den Umständen des vorliegenden Falles erübrigen sich Ausführungen darüber, wie die Anwendung des § 23a AngG die Planung eines Arbeitnehmers, der diese Voraussetzungen erfuellt, beeinflussen mag.

    36 Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, daß der Umstand, daß § 23a AngG dem Kläger einen Abfertigungsanspruch anläßlich der freiwilligen Beendigung seines Arbeitsvertrags verweigert, keine Beschränkung der Ausübung seines Rechts auf Freizügigkeit als Arbeitnehmer darstellt. Folglich brauchen die Argumente betreffend die eventuelle Rechtfertigung einer solchen Beschränkung im vorliegenden Fall aus Gründen der Sozial- oder Beschäftigungspolitik oder des öffentlichen Interesses an der Betriebstreue der Arbeitnehmer nicht geprüft zu werden.

    V - Ergebnis

    37 Aufgrund der vorangegangenen Prüfung empfehle ich dem Gerichtshof, die vom Oberlandesgericht Linz vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

    Eine nationale Vorschrift, die einem Arbeitnehmer, der sein Beschäftigungsverhältnis freiwillig beendet, eine Vergünstigung verweigert, die er erhalten hätte, wenn er entlassen worden wäre oder seine Beschäftigung aus schwerwiegenden Gründen beendet hätte, bildet keine nach Artikel 48 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 39 EG) verbotene Beschränkung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer, wenn die Anwendung dieser nationalen Vorschrift keineswegs davon abhängt, daß der Arbeitnehmer tatsächlich sein Recht auf Freizügigkeit ausübt, um eine Beschäftigung in einem anderen Mitgliedstaat aufzunehmen.

    (1) - Rechtssache C-415/93 (Bosman u. a., Slg. 1995, I-4921, im folgenden: Urteil Bosman).

    (2) - Verbundene Rechtssachen C-267/91 und C-268/91 (Slg. 1993, I-6097; im folgenden: Urteil Keck).

    (3) - Rechtssache C-249/97 (Gruber, Slg. 1999, I-0000, Randnr. 32).

    (4) - Rechtssache C-19/92 (Kraus, Slg. 1993, I-1663, im folgenden: Urteil Kraus).

    (5) - S. und Nr. 22.

    (6) - Vgl. die Schlußanträge des Generalanwalts Tesauro in der Rechtssache C-292/92 (Hünermund, Slg. 1993, I-6787, im folgenden: Urteil Hünermund) zu den Zielen des Artikels 30 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 28 EG).

    (7) - Bosman, Randnr. 96; für den Bereich der Niederlassung vgl. Rechtssache 107/83 (Klopp, Slg. 1984, 2971, im folgenden: Urteil Klopp) sowie Rechtssache 96/85 (Kommission/Frankreich, Slg. 1986, 1475).

    (8) - Rechtssache C-10/90 (Masgio, Slg. 1991, I-1119); Rechtssache 143/87 (Stanton, Slg. 1988, 3877); Rechtssache C-53/95 (Kemmler, Slg. 1996, I-703) und Rechtssache C-272/94 (Guiot, Slg. 1996, I-905).

    (9) - Rechtssache 222/86 (Heylens, Slg. 1987, 4096); Rechtssache C-340/89 (Vlassopoulou, Slg. 1991, I-2357) und Rechtssache 16/78 (Choquet, Slg. 1978, 2293).

    (10) - Vgl. z. B. Bosman, Randnr. 96; Rechtssache C-55/94 (Gebhard, Slg. 1995, I-4165, im folgenden: Urteil Gebhard).

    (11) - Urteil Keck, Randnrn. 16 und 17.

    (12) - Rechtssache 8/74 (Dassonville, Slg. 1974, 837, Randnr. 5, im folgenden: Urteil Dassonville).

    (13) - Rechtssache 120/78 (Rewe [Cassis de Dijon], Slg. 1979, 649); vgl. ferner z. B. die verbundenen Rechtssachen 60/84 und 61/84 (Cinéthèque, Slg. 1985, 2605, Randnrn. 21 und 22).

    (14) - Rechtssache C-337/95 (Parfums Christian Dior, Slg. 1997, I-6013, Randnr. 51, im folgenden: Urteil Dior). Vorschriften über die Werbung werden als Vorschriften über Verkaufsmodalitäten angesehen: vgl. Hünermund, a. a. O.

    (15) - Verbundene Rechtssachen C-34/95, C-35/95 und C-36/95 (De Agostini und TV-Shop, Slg. 1997, I-3843, Randnrn. 42 bis 44, im folgenden: Urteil De Agostini).

    (16) - Rechtssache C-412/93 (Leclerc-Siplec, Slg. 1995, I-179, Randnrn. 50 bis 54, im folgenden: Urteil Leclerc-Siplec).

    (17) - Rechtssache C-384/93 (Slg. 1995, I-1141, Randnrn. 28 und 33 bis 38). Außerdem ergibt sich aus dem Urteil, daß der Gerichtshof den Umstand, daß das Verbot von dem Mitgliedstaat ausging, aus dem der Leistungserbringer stammte, im Zusammenhang mit dieser Frage für unerheblich hielt: vgl. die Randnrn. 29 bis 31.

    (18) - Vgl. z. B. Rechtssache C-204/90 (Bachmann, Slg. 1992, I-249); Rechtssache C-419/92 (Scholz, Slg. 1994, I-505); Rechtssache C-15/96 (Schöning-Kougebetopoulou, Slg. 1998, I-47) und Rechtssache C-350/96 (Clean Car Autoservice, Slg. 1998, I-2521).

    (19) - Bei der Erörterung der Rechtsprechung folge ich der nunmehr allgemeinen Praxis, die bei der Behandlung der die Artikel 48 und 52 EG-Vertrag betreffenden Entscheidungen davon ausgeht, daß diese weitgehend die gleiche Reichweite und die gleiche Wirkung haben - vgl. z. B. Rechtssache C-106/91 (Ramrath, Slg. 1992, I-3351, Randnr. 17, im folgenden: Urteil Ramrath); Urteil Kraus, a. a. O.; Urteil Bosman, Randnr. 97; vgl. auch die Schlußanträge von Generalanwalt Lenz in der Rechtssache Bosman, Nr. 165.

    (20) - Rechtssache 96/85, Randnr. 12.

    (21) - A. a. O.

    (22) - A. a. O.

    (23) - A. a. O.

    (24) - Rechtssache 81/87 (The Queen/Treasury and Commissioners of Inland Revenue, ex parte Daily Mail and General Trust PLC, Slg. 1988, 5483, insbesondere Randnr. 16, im folgenden: Urteil Daily Mail). In jenem Fall ging es um das Erfordernis der Zustimmung der Steuerbehörden des Vereinigten Königreichs zur Verlegung des steuerlichen Sitzes einer Gesellschaft, die ihren steuerlichen Sitz im Vereinigten Königreich hatte, aus dem Vereinigten Königreich dadurch, daß sie den Sitz ihrer Geschäftsleitung in einen anderen Mitgliedstaat verlegte, aber gleichwohl versuchte, ihre Rechtspersönlichkeit und ihren Status als Gesellschaft des Vereinigten Königreichs aufrechtzuerhalten. Der Gerichtshof kam zu dem Ergebnis, daß die nationalen Vorschriften, um die es ging, keine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellten, da die Verknüpfung zwischen dem satzungsmäßigen Sitz der Gesellschaft und dem Mittelpunkt ihrer Geschäftsleitung nach wie vor nationalem Recht unterlag (Randnrn. 23 und 24).

    (25) - A. a. O.

    (26) - Rechtssache C-264/96 (ICI, Slg. 1998, I-4695, im folgenden: Urteil ICI).

    (27) - Rechtssache C-18/95 (Terhoeve, Slg. 1999, I-0000, im folgenden: Urteil Terhoeve). Als Beispiel für ein ungelöstes Problem dieser Art vgl. jedoch Rechtssache 368/87 (Hartmann Troiani, Slg 1989, 1333).

    (28) - Die beiden Kategorien könnten nur dann unterschieden werden, wenn dargetan würde, daß es sich bei der Mehrheit der Wanderarbeitnehmer in einem Land tatsächlich um zurückgekehrte Emigranten mit der Staatsangehörigkeit dieses Mitgliedstaats handelt, wie dies z. B. derzeit für Irland gelten mag.

    (29) - Siehe oben, Fußnote 24.

    (30) - Urteil Masgio, Randnr. 18; Urteil Terhoeve, Randnrn. 39 und 40.

    (31) - Urteil Daily Mail, Randnr. 16; Urteil ICI, Randnr. 21.

    (32) - Urteil Klopp, a. a. O.; Rechtssache 96/85 (Kommission/Frankreich, Randnrn. 13 und 14), und Rechtssache C-351/90 (Kommission/Luxemburg, Slg. 1992, I-3945, Randnrn. 19 ff.).

    (33) - Rechtssache 71/76 (Thieffry, Slg. 1977, 765, im folgenden: Urteil Thieffry); Urteil Heylenz, a. a. O.; Rechtssache C-379/87 (Groener, Slg. 1989, 3967, im folgenden: Urteil Groener); Vlassopoulou, a. a. O.; Gebhard, a. a. O., und Rechtssache C-234/97 (Fernández de Bobadilla, Slg. 1999, I-0000).

    (34) - Urteil Kraus, a. a. O.; Urteil Choquet, a. a. O. Man könnte auch die Rechtssachen hinzufügen, die die mangelnde Anerkennung von Arbeitserfahrung in anderen Mitgliedstaaten für die Beförderung oder andere Zwecke betreffen, wie z. B. Scholz, a. a. O., und Schöning-Kougebetopoulou, a. a. O.; der Gerichtshof hat diese jedoch als Fälle verschleierter Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit angesehen.

    (35) - Bosman, a. a. O.; vgl. auch die Schlußanträge von Generalanwalt Cosmas vom 18. Mai 1999 in den verbundenen Rechtssachen C-51/96 und C-191/97 (Deliège), in der das Urteil noch nicht ergangen ist; hinsichtlich eines anderen formalen nichtdiskriminierenden Hindernisses beim Wechsel des Arbeitsplatzes vgl. die Schlußanträge von Generalanwalt Alber vom 22. Juni 1999 in der Rechtssache C-176/96 (Lethonen and Castors Canada Dry Namur-Braine), in der das Urteil noch nicht ergangen ist.

    (36) - Klopp, a. a. O., Randnr. 14.

    (37) - Klopp, a. a. O., Randnr. 19.

    (38) - Obwohl Artikel 39 EG insofern nicht so deutlich ist wie Artikel 43 EG, vermute ich, daß eine nationale Vorschrift, die Arbeitnehmer auf einen einzigen Arbeitsplatz beschränkt und es ihnen nicht gestattet, zusätzlich Teilzeitarbeit in diesem Staat oder woanders zu verrichten, unter diesen Artikel fallen würde.

    (39) - Vgl. am deutlichsten Vlassopoulou, Randnr. 15; dies ergibt sich e contrario auch aus Groener, Randnr. 19, wo gefordert wird, daß derartige Vorschriften verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sein müssen; vgl. das ähnliche Ergebnis in Kraus, Randnr. 32, und Gebhard, Randnr. 37. Vgl. die Ausführungen von Generalanwalt Mayras in der Rechtssache Thieffry, a. a. O., S. 790, und von Generalanwalt Van Gerven in der Rechtssache Kraus. Das auf die verschleierte Diskriminierung gestützte Argument liegt offenkundig näher in Fällen, in denen die tatsächliche Herkunft der Qualifikationen die Frage ihrer Anerkennung direkt determinierte wie in den Rechtssachen Thieffry, Choquet und Kraus.

    (40) - Dies ist der akzeptierte Grund für die Anwendung von Artikel 28 EG auf derartige Vorschriften, nicht dagegen das Argument, daß eingeführte Erzeugnisse durch alle nationalen die Erzeugnisse betreffenden Vorschriften mittelbar diskriminiert würden, da es der Natur der Sache nach weniger wahrscheinlich sei, daß sie diesen entsprächen. Siehe z. B. Rechtssache C-470/93 (Mars, Slg. 1995, I-1923, Randnr. 13, im folgenden: Urteil Mars).

    (41) - Der Gerichtshof hat in Choquet, Randnr. 8, auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Wiederholung bereits vorgenommener Prüfungen zu vermeiden; dies war ein beständiges Thema der die Qualifikationen betreffenden Rechtsprechung seit dem Urteil Heylens; vgl. kürzlich Urteil Fernández de Bobadilla, Randnrn. 32 bis 34.

    (42) - Vgl. das Urteil Bosman, Randnrn. 94 bis 103, die im folgenden noch erörtert werden. Zur Nützlichkeit einer Unterscheidung zwischen Beschränkungen des Zugangs zu einer wirtschaftlichen Tätigkeit und Beschränkungen ihrer Ausübung, die Generalanwalt Lenz in der Rechtssache Bosman vorgeschlagen hat, siehe unten. Vorschriften wie die, um die es in der Rechtssache Klopp ging, bilden außerdem Schranken für den Wegzug, d. h. die Niederlassung einer Person, die bereits in einem Mitgliedstaat, der diese Vorschriften anwendet, ansässig ist, an einen anderen Ort.

    (43) - Randnr. 20.

    (44) - Randnr. 23; vgl. auch die Randnrn. 18, 19, 21 und 22.

    (45) - Randnr. 4.

    (46) - Randnr. 32 (Hervorhebungen von mir).

    (47) - Randnr. 37 (Hervorhebung von mir).

    (48) - Randnr. 96 (Hervorhebung von mir). Der Gerichtshof nahm Bezug auf das Urteil Masgio, Randnrn. 18 und 19. In jenem Fall ging es um nationale Vorschriften, die tatsächlich zwischen denen, die ihr Recht auf Freizügigkeit ausgeübt hatten, und denen, die dies nicht getan hatten, unterschieden.

    (49) - Bosman, Randnr. 97. Der Gerichtshof zitierte das Urteil Daily Mail, Randnr. 16.

    (50) - Vgl. Choquet, a. a. O., und Kraus, a. a. O.. Vgl. auch die vorstehende Erörterung der Urteile Dior und De Agostini.

    (51) - Vgl. Bosman, Randnr. 103, und Alpine Investments, Randnr. 38.

    (52) - Vgl. Keck, Randnr. 14. Generalanwalt Cosmas hat in seinen Schlußanträgen in der Rechtssache Deliège, Nrn. 65 und 66, dieselbe Auffassung hinsichtlich der Notwendigkeit des Kriteriums des Zugangs zum Markt vertreten.

    (53) - A.a.O., Nrn. 205, 206 und 210 der Schlußanträge.

    (54) - A.a.O., Nr. 48 der Schlußanträge.

    (55) - Vgl. z. B. Rechtssache C-379/92 (Peralta, Slg. 1994, I-3453, Randnr. 24); Rechtssache C-69/88 (Krantz, Slg. 1990, I-583, Randnr. 11); Rechtssache C-93/92 (CMC Motorradcenter, Slg. 1993, I-5009, Randnr. 12); Rechtssache C-67/97 (Bluhme, 1998, I-0000, Randnr. 22); Rechtssache C-412/97 (EG/Italo Fenocchio, Slg. 1999, I-0000, Randnr. 11). Vgl. auch die Ausführungen von Generalanwalt Jacobs in den Nrn. 57 und 58 seiner Schlußanträge in der Rechtssache Alpine Investments, a. a. O., und meine Ausführungen in Nr. 19 meiner Schlußanträge in der Rechtssache Bluhme.

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