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Dokument 61996CC0360

    Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola vom 19. Februar 1998.
    Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden gegen BFI Holding BV.
    Ersuchen um Vorabentscheidung: Gerechtshof Arnhem - Niederlande.
    Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Begriff des öffentlichen Auftraggebers - Einrichtung des öffentlichen Rechts.
    Rechtssache C-360/96.

    Sammlung der Rechtsprechung 1998 I-06821

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:1998:71

    61996C0360

    Schlussanträge des Generalanwalts La Pergola vom 19. Februar 1998. - Gemeente Arnhem und Gemeente Rheden gegen BFI Holding BV. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Gerechtshof Arnhem - Niederlande. - Öffentliche Dienstleistungsaufträge - Begriff des öffentlichen Auftraggebers - Einrichtung des öffentlichen Rechts. - Rechtssache C-360/96.

    Sammlung der Rechtsprechung 1998 Seite I-06821


    Schlußanträge des Generalanwalts


    I - Einleitung

    1 Die dem Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache vorgelegten Vorabentscheidungsfragen sollen den Begriff der öffentlich-rechtlichen Einrichtung im Sinne der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (nachstehend: Richtlinie)(1) erhellen und insbesondere die genaue Bedeutung des Ausdrucks "Einrichtung - die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfuellen, die nicht gewerblicher Art sind", ermitteln.

    II - Sachverhalt

    2 Die beiden im Ausgangsverfahren klagenden Gemeinden erteilten im Juli 1994 einem neuen Unternehmen, der Ara Holding BV (nachstehend: ARA), das sie speziell gegründet hatten, um die Aufgaben der Abholung und Beseitigung von Hausmüll (nachstehend: Abfall) wahrzunehmen, den Auftrag zur Durchführung dieser Maßnahmen. Diese Aufgaben wurden zuvor von den entsprechenden Stellen dieser Gemeinden erledigt. Die beiden Gemeinden beschlossen, die betreffenden Tätigkeiten auszugliedern und sie der ARA zu übertragen, da der Umfang der Dienstleistung und die Kosten ihrer Erbringung auch unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit die Vereinheitlichung der Erfuellung dieser Aufgaben und deren Übertragung an ein anderes, zu diesem Zweck gegründetes Unternehmen nahelegten(2).

    3 Im Vorschlag des Gemeindevorstands Arnheim vom 25. Mai 1994 hieß es in Punkt 10: "Die an der NV ARA beteiligten Gemeinden übertragen dieser die notwendigen Konzessionen für alle in irgendeinem Zusammenhang mit den gesetzlichen Verpflichtungen der Gemeinden im Bereich der Abfallbeseitigung und der Stadtreinigung stehenden Aufgaben. Zu diesen Aufgaben gehören die Abfuhr sämtlicher Abfälle und alle mit dieser Abfuhr zusammenhängenden Tätigkeiten, die Säuberung der öffentlichen Strassen und der Marktplätze, das Ausbringen von Streumitteln gegen Glatteis, die Unkrautbeseitigung bei gepflasterten Flächen, die Kanalreinigung und die Desinfektion. Bei der Erteilung dieser Konzessionen ist die Gemeinde Arnheim nicht verpflichtet, sich an die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts über die Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge für diese Tätigkeiten zu halten. Die Richtlinie über die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge findet mithin keine Anwendung. Zwischen der Gemeinde Arnheim und der ARA BV wird ein $Rahmenvertrag` geschlossen, aufgrund dessen sich beide Parteien $grundsätzlich` eine Verlängerung der Konzession zusichern werden."

    4 Nach Darstellung des vorlegenden Gerichts beschloß der Gemeinderat von Arnheim auf der Grundlage dieses Vorschlags am 6. Juni 1994 die Gründung der ARA Holding NV und die Übertragung im allgemeinen Interesse "der Konzessionen und Pflichten im Zusammenhang mit einem Teil der gesetzlichen Aufgaben bei der Abfallbeseitigung und der Stadtreinigung ..., die in einer Vereinbarung zwischen der Gemeinde und der ARA NV festzulegen sind", auf diese Gesellschaft. Der Gemeinderat Rheden fasste am 28. Juni 1994 einen ähnlichen Beschluß, der allerdings nicht die Konzession für die Stadtreinigung betraf.

    5 Am 4. Juli 1994 änderte die Gemeinde Arnheim Artikel 2 ihrer kommunalen Abfallverordnung wie folgt:

    "Der für die Abfuhr der Abfälle im Sinne des Gesetzes und dieser Verordnung zuständige Abfuhrdienst war das Amt Milieu en Openbare Werken. Ab 1. Juli 1994 übernimmt die NV ARA, der neue unabhängige kommunale Reinigungsdienst, die Müllabfuhr."

    6 In der Zwischenzeit war am 1. Juli 1994 die ARA gegründet worden, deren Satzung in Artikel 2 als Gesellschaftszweck die Übernahme folgender Tätigkeiten festlegt:

    "a) die Vornahme aller Handlungen auf wirtschaftlichem Gebiet, die darauf gerichtet sind, Abfälle - wie z. B. Hausmüll, Industriemüll und die verschiedenen Sorten dieses Mülls - auf effiziente, wirksame und umweltverträgliche Weise abzuholen (und wenn möglich wiederzuverwerten), sowie die Ausübung von Tätigkeiten auf dem Gebiet der Reinigung von Strassen und Kanälen, der Ungezieferbekämpfung und der Desinfektion;

    b) die (Mit-)Gründung von, die Zusammenarbeit mit, die Beteiligung an, die (Mit-)Leitung von und die Beaufsichtigung von sowie die Übernahme und Finanzierung von anderen Unternehmen, deren Tätigkeiten irgendeinen Bezug zu den unter a) beschriebenen Tätigkeiten haben;

    c) die Vornahme aller Handlungen auf wirtschaftlichem Gebiet, die mit den oben genannten Tätigkeiten zusammenhängen oder ihnen förderlich sein können (sofern dadurch im Allgemeininteresse liegende Aufgaben erfuellt werden)."

    7 Am 21. Oktober 1994 schloß die Gemeinde Arnheim mit ARA eine Rahmenvereinbarung über die zu erbringenden Dienstleistungen. Anschließend traf die Gemeinde Rheden mit ARA eine Vereinbarung gleichen Inhalts.

    Diese Vereinbarungen sehen in Artikel 8 (Entgelt für Dienste) folgende Regelung vor:

    "Rheden/Arnheim zahlen der ARA für die von ihr geleisteten Dienste Vergütungen, die noch zu bestimmen sind.

    Die in Absatz 1 genannten Vergütungen werden durch Hinzufügung eines entsprechenden Absatzes zu den Spezifikationen und Qualitätsnormen für die verschiedenen Tätigkeiten, die in den Vorverträgen enthalten sind, bestimmt.

    Die effektiven Vergütungen für die erbrachten Dienstleistungen werden festgelegt:

    a) entweder aufgrund der zuvor je Maßnahme, je Ergebnis oder je Leistungseinheit vereinbarten Einheitspreise;

    b) oder aufgrund eines zuvor für eine bestimmte Aufgabe vereinbarten Festpreises;

    c) oder aufgrund der Inrechnungstellung der tatsächlich entstandenen Kosten.

    Einmal jährlich legt die ARA im voraus unter Berücksichtigung des Zyklus der jährlichen Gemeindeprojekte vor:

    - im Fall des Artikels 8 Absatz 3 Buchstabe a: ein Kostenangebot je Maßnahme, Ergebnis oder Dienstleistungseinheit nach Maßgabe der Spezifikationen und Qualitätsnormen für die verschiedenen Tätigkeiten;

    - im Fall des Artikels 8 Absatz 3 Buchstabe b: ein Preisangebot für die bestimmte Aufgabe im Einzelfall;

    - im Fall des Artikels 8 Absatz 3 Buchstabe c: eine Schätzung der voraussichtlichen Kosten.

    Der Betrag der Vergütung, der nach den in Absatz 2 genannten Finanzbestimmungen zu entrichten ist, wird jedes Jahr nachträglich im Einvernehmen mit den für den Haushalt zuständigen Stellen festgelegt. Wird eine Einigung nicht erzielt, so erstellt ein Sachverständiger, der von der für die betreffende Tätigkeit am besten geeignete Einrichtung des Sektors bestimmt wird, ein bindendes Gutachten über den effektiven Vergütungsbetrag."

    8 Die Vergütung für die von ARA erbrachten Dienste wird letztlich, wie die Gemeinden im Laufe des Verfahrens klargestellt haben, nach folgenden Modalitäten ermittelt:

    "1. ARA informiert die Gemeindebehörden allgemein über die Entwicklung des Sektors Abfallbeseitigung und die voraussehbaren Folgen für Kosten und Einnahmen;

    2. die Gemeindebehörden stellen einen Haushaltsplan auf;

    3. die Gemeinden leisten aufgrund dieser Haushaltspläne vierteljährliche Vorauszahlungen an ARA;

    4. ARA legt den Gemeinden monatliche Abrechnungen über Kosten und Einnahmen vor;

    5. am Ende jedes Haushaltsjahres wird eine Abgabenabrechnung erstellt, in der die als Vorauszahlungen geleisteten Beträge sowie Kosten und Einnahmen des Dienstes in Ansatz gebracht werden."

    9 Der von den Gemeinden für ARA erstellte Unternehmensplan sieht, wie sich aus den Erklärungen der Gemeinden ergibt, weiter vor, daß das Entgelt für ARA "die Kosten decken und Gebührensätzen entsprechen [muß], die für die Bürger und für die Unternehmen annehmbar sind".

    10 Die BFI Holding BV (nachstehend: BFI) ist ein Privatunternehmen, das auf dem Gebiet der Abfuhr und der Beseitigung von Haushalts- und gewerblichen Abfällen tätig ist. BFI erhob gegen die Vergabe der Dienstleistungen der Abfuhr und Beseitigung der Abfälle durch die Gemeinden Klage bei der Rechtbank Arnheim. Sie vertrat dort die Auffassung, daß die Richtlinie auf das Verhältnis der Gemeinden zu ARA anwendbar sei und daß folglich die Gemeinden nicht das in der Richtlinie vorgesehene Vergabeverfahren eingehalten hätten.

    Die Gemeinden traten in erster Instanz diesem Standpunkt von BFI entgegen und machten geltend, ihr Verhältnis zu ARA betreffe eine Konzessionserteilung, so daß die Richtlinie keine Anwendung finden könne. Hilfsweise brachten sie vor, daß auf jeden Fall die Ausnahme des Artikels 6 der Richtlinie Anwendung finden müsse.

    11 Die Rechtbank wies mit Urteil vom 18. Juni 1995 die Auffassung der Gemeinden zurück, es habe sich im streitigen Fall um Konzessionen gehandelt, die nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen. Demgemäß behandelte das Gericht das betreffende Rechtsverhältnis als Vergabe von Dienstleistungen. Ausserdem finde im vorliegenden Fall die Ausnahme des Artikels 6 der Richtlinie keine Anwendung.

    Die Gemeinden legten gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung beim Gerechtshof Arnheim ein und machten geltend, die Ausnahme des Artikels 6 der Richtlinie müsse im vorliegenden Fall Anwendung finden.

    Das Berufungsgericht hielt, um den Rechtsstreit entscheiden zu können, die Feststellung für erforderlich, ob ARA eine Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne der Richtlinie sei und folglich die Auffassung der Gemeinden zutreffe, daß Artikel 6 der Richtlinie sie von der Einhaltung des in der Richtlinie vorgesehenen Vergabeverfahrens freistelle, da die Durchführung der streitigen Dienstleistung ARA als "Einrichtung des öffentlichen Rechts" übertragen worden sei.

    12 Um besser beurteilen zu können, ob ARA die Voraussetzungen für ihre Anerkennung als Einrichtung des öffentlichen Rechts erfuelle, und damit den Rechtsstreit entscheiden zu können, hat der Gerechtshof Arnheim dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    1. Ist Artikel 1 Buchstabe b erster Gedankenstrich der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (im folgenden: Richtlinie), wo es heisst, daß "als Einrichtung des öffentlichen Rechts ... jede Einrichtung [gilt], die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfuellen, die nicht gewerblicher Art sind", im Rahmen der Auslegung von Artikel 6 dahin auszulegen,

    i) daß zu unterscheiden ist zwischen im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben auf der einen und Aufgaben gewerblicher Art auf der anderen Seite,

    oder

    ii) daß zu unterscheiden ist zwischen im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind, auf der einen und im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, die gewerblicher Art sind, auf der anderen Seite?

    2. Falls die erste Frage dahin beantwortet werden sollte, daß die dort unter i) genannte Unterscheidung zu treffen ist:

    a) Ist der Begriff der "im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben" dann so zu verstehen, daß von einer Erfuellung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben keine Rede sein kann, wenn Privatunternehmen derartige Aufgaben erfuellen?

    b) Falls Frage 2 a) bejaht wird: Ist der Begriff der "Aufgaben gewerblicher Art" dann so zu verstehen, daß eine Erfuellung von Aufgaben gewerblicher Art immer dann vorliegt, wen Privatunternehmen derartige Aufgaben erfuellen?

    3. Falls die erste Frage dahin beantwortet werden sollte, daß die dort unter ii) genannte Unterscheidung zu treffen ist: Sind die Begriffe der "im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind" bzw. der "im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, die gewerblicher Art sind" dann so zu verstehen, daß sich der Unterschied zwischen diesen Begriffen danach bestimmt, ob (konkurrierende) Privatunternehmen derartige Aufgaben erfuellen oder nicht?

    4. Ist das Erfordernis, daß die Einrichtung "zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfuellen, die nicht gewerblicher Art sind", dahin auszulegen, daß von einem "besonderen Zweck" nur dann die Rede ist, wenn die Einrichtung ausschließlich diese Aufgabe erfuellt?

    5. Falls Frage 4 verneint wird: Muß eine Einrichtung fast ausschließlich, in erheblichem Masse, in überwiegendem Masse oder in irgendeinem anderen Masse im Allgemeininteresse liegende Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind, erfuellen, um (weiterhin) dem Erfordernis zu genügen, daß die Einrichtung zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, diese Aufgaben zu erfuellen?

    6. Macht es für die Beantwortung der Fragen 1 bis 5 einen Unterschied, ob die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben, die nicht gewerblicher Art sind, sich aus einem formellen Gesetz, Verordnungen, Verwaltungsakten oder dergleichen ergeben?

    7. Macht es für die Beantwortung der Frage 4 einen Unterschied, ob die gewerblichen Tätigkeiten einer separaten juristischen Person zugeordnet sind, die zu einer Gruppe/einem Konzern gehören, die/der auch Tätigkeiten ausübt, die auf die Erfuellung von im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben gerichtet sind?

    III - Das maßgebliche Gemeinschaftsrecht

    13 In der achten Begründungserwägung der Richtlinie heisst es:

    "Die Erbringung von Dienstleistungen fällt nur insoweit unter diese Richtlinie, wie sie aufgrund von Aufträgen erfolgt. Andere Grundlagen für die Dienstleistung, wie Gesetz oder Verordnungen oder Arbeitsverträge, werden nicht erfasst."

    14 Artikel 1 der Richtlinie bestimmt:

    "Im Sinne dieser Richtlinie

    a) gelten als $ffentliche Dienstleistungsaufträge` die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge ...

    ...

    b) gelten als $ffentliche Auftraggeber` (im folgenden $Auftraggeber` genannt) der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.

    Als $Einrichtung des öffentlichen Rechts` gilt jede Einrichtung,

    - die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfuellen, die nicht gewerblicher Art sind, und

    - die Rechtspersönlichkeit besitzt und

    - die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind.

    Die Verzeichnisse der Einrichtungen des öffentlichen Rechts und der Kategorien solcher Einrichtungen, die die in Unterabsatz 2 dieses Buchstabens genannten Kriterien erfuellen, sind in Anhang I der Richtlinie 71/305/EWG enthalten. Diese Verzeichnisse sind so vollständig wie möglich und können nach dem Verfahren gemäß Artikel 30b der Richtlinie 71/305/EWG revidiert werden."

    15 Artikel 6 der Richtlinie lautet:

    "Diese Richtlinie gilt nicht für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen, die an eine Stelle vergeben werden, die ihrerseits ein Auftraggeber im Sinne des Artikels 1 Buchstabe b) ist, aufgrund eines ausschließlichen Rechts derselben, das diese gemäß veröffentlichter, mit dem Vertrag übereinstimmender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften innehat."

    16 Artikel 8 der Richtlinie lautet:

    "Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben."

    17 Artikel 9 der Richtlinie bestimmt:

    "Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IB sind, werden gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben."

    18 Artikel 10 der Richtlinie wiederum lautet :

    "Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA und des Anhangs IB sind, werden nach den Vorschriften der Abschnitte III bis VI vergeben, wenn der Wert der Dienstleistungen des Anhangs IA grösser ist als derjenige der Dienstleistungen des Anhangs IB. Ist dies nicht der Fall, so werden sie gemäß den Artikeln 14 und 16 vergeben."

    19 In Anhang IA (Dienstleistungen im Sinne von Artikel 8) heisst es in Kategorie 16:

    "Titel: Abfall- und Abwasserbeseitigung; sanitäre und ähnliche Dienstleistungen. CPC-Referenz-Nr.: 94."

    20 In Anhang IB (Dienstleistungen im Sinne von Artikel 9) heisst es in Kategorie 27:

    "Titel: Sonstige Dienstleistungen. CPC-Referenz-Nr.: -."

    IV - Prüfung der Vorlagefragen

    A - Der sachliche Anwendungsbereich der Richtlinie

    a) Der Begriff der Dienstleistung

    21 Die erste Fragestellung, die im Zusammenhang des vorliegenden Rechtsstreits zur Untersuchung ansteht, betrifft den Begriff "Dienstleistung" im Sinne der Richtlinie. Es muß nämlich vorab geprüft werden, ob die Dienstleistungen, die im Rahmen des streitbefangenen Rechtsverhältnisses erbracht werden, zu denen gehören, für die die Richtlinie die Anwendung der Verfahren zur Eröffnung des Wettbewerbs vorschreibt.

    In dieser Hinsicht braucht kaum daran erinnert zu werden, daß Artikel 8 der Richtlinie die Einhaltung aller Verfahrensvorschriften der Richtlinie in bezug auf die in Anhang IA aufgeführten Dienstleistungen vorschreibt, während Artikel 9 sich im wesentlichen auf die Bestimmung beschränkt, daß Aufträge, deren Gegenstand Dienstleistungen des Anhangs IA sind, unter Beachtung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung und der in der Richtlinie vorgesehenen technischen Spezifikationen vergeben werden(3). Die Richtlinie regelt letztlich die Veröffentlichung der Ausschreibungen und die bei der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge zu beachtenden anderen Verfahrensfragen nur im Zusammenhang mit Dienstleistungen des Anhangs IA(4).

    Anhang IA wiederum nennt unter den Kategorien der von ihm erfassten Dienstleistungen in Nummer 16 Tätigkeiten der "Abfall- und Abwasserbeseitigung, sanitäre und ähnliche Dienstleistungen". Wegen des konkreten Inhalts dieser Dienstleistungen verweist Anhang IA auf die Referenznummer der CPC (Central Product Classification, zentrale Warennomenklatur der Vereinten Nationen), die neben der entsprechenden Kategorie von Dienstleistungen aufgeführt wird. Der Grund, der den Gemeinschaftsgesetzgeber bewogen hat, eine solche Methode der Identifikation der Dienstleistungen, die unter die Regelung der Richtlinie fallen, zu wählen, wird im einzelnen in der siebten Begründungserwägung der Richtlinie dargelegt. Bei der Erarbeitung der Richtlinie wurde nämlich festgelegt, daß "[d]er Dienstleistungsbereich ... sich für die Anwendung von Vergabevorschriften und zur Beobachtung am besten durch eine Unterteilung in Kategorien in Anlehnung an bestimmte Positionen einer gemeinsamen Nomenklatur beschreiben [lässt]. Die Anhänge IA und IB dieser Richtlinie enthalten Bezugnahmen auf die CPC-Nomenklatur der Vereinten Nationen."

    22 Die Lehre hat bereits Gelegenheit gehabt, das unterschiedliche Feld von Grenzen und Problemen zu erörtern, die eine solche Verweisung auf eine Rechtsquelle ausserhalb der Gemeinschaft in rechtlicher Hinsicht mit sich bringt(5). Ich möchte an dieser Stelle darauf aufmerksam machen, daß die CPC nicht in allen Gemeinschaftssprachen verfügbar ist. Dies trägt sicher nicht dazu bei, den Bürgern der Mitgliedstaaten sprachlich die gleiche Ausgangsposition zu verschaffen, und stellt für die Verwaltungen und nationalen Einrichtungen, die die betreffende Richtlinie anzuwenden haben und eine andere Sprache verwenden als die, in der die CPC abgefasst ist, eine offenbare Schwierigkeit dar.

    23 Die Liste der Dienstleistungen in Anhang IA stellt nach Meinung der Lehre(6) eine erschöpfende und abschließende Aufzählung der Dienstleistungen dar, bei denen die Richtlinie ohne Einschränkung einzuhalten ist. Anhang IB enthält nämlich eine Auflistung von Dienstleistungen, die ebenfalls mit der gleichen Technik der Verweisung auf die Kategorien der CPC arbeitet, aber mit dem allgemeinen Auffangbegriff "Sonstige Dienstleistungen" endet. Dieser Umstand führt daher zu der Feststellung, daß zum einen die Verweisung auf die CPC wörtlich zu verstehen ist und daß zum anderen die in Anhang IA aufgeführten Kategorien von Dienstleistungen nicht extensiv ausgelegt werden können.

    Zunächst ist daher zu prüfen, ob die betreffende Dienstleistung zu den in Anhang IA aufgeführten gehört(7). Sollte dies nicht zutreffen, gehört diese Dienstleistung notwendig zu denen, die in der Richtlinie nach den Modalitäten für die in Anhang IB aufgeführten Dienstleistungen geregelt sind.

    24 Die Sprachregelung in Nummer 16 des Anhangs IA bezueglich der im vorliegenden Verfahren streitigen Dienstleistungen macht nämlich die Klärung eines weiteren Aspekts notwendig: Die Dienstleistungen der Abfallabfuhr, die einen nicht geringen Teil der Dienste ausmachen, die ARA von den Gemeinden anvertraut wurden, scheinen prima facie nicht zu denen zu gehören, die nach dem in Nummer 16 der Auflistung verwendeten Ausdruck der Abfallbeseitigung gewidmet sind. In Nummer 94 der CPC, die neben der erwähnten Kategorie angeführt ist, sind nach dem von der Kommission dem Gerichtshof vorgelegten Text in der Untergliederung "94020 Refuse disposal services" folgende Dienstleistungen aufgeführt: "Collection service of garbage, trash, rubbish und waste, whether from households or from industrial and commercial establishments, transport services und disposal services by incenerators or by other means. Waste reduction services are also included."

    Demgemäß gehören die Dienstleistungen der Abfallabfuhr und -entsorgung offensichtlich zu den in Anhang IA der Richtlinie aufgeführten und unterliegen daher in vollem Umfang der Anwendung ihrer Vorschriften.

    b) Der Begriff des Dienstleistungsauftrags

    25 Ein weiterer Aspekt, der im Zusammenhang mit dem sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie der Untersuchung bedarf, ist die Rechtsnatur des Verhältnisses zwischen den Gemeinden und ARA.

    Die Richtlinie stellt insoweit in der achten Begründungserwägung(8) klar, daß in ihr nur die Erbringung von Dienstleistungen aufgrund von Aufträgen geregelt ist. Andere Formen der Dienstleistungserbringung nämlich, die auf Rechtsbeziehungen anderer Art aufbauen, "werden nicht erfasst". Ausserdem wissen wir aufgrund der Regelung des Artikels 1 Buchstabe a, daß als Dienstleistungsaufträge im Sinne der Richtlinie "die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge" gelten.

    26 In diesem Zusammenhang soll weiter daran erinnert werden, daß der Ausschluß, der in der bereits erwähnten achten Begründungserwägung erwähnt wird, seine Rechtfertigung in der Entstehungsgeschichte der Richtlinie findet. Diese sollte in der ursprünglich von der Kommission vorgeschlagenen Fassung(9) Dienstleistungen sowohl aufgrund von Aufträgen als auch aufgrund von Konzessionen regeln. Der Rat hat später im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens die Konzessionen dem Anwendungsbereich der Richtlinie entzogen(10), die damit in der in Kraft getretenen Fassung nur die Dienstleistungsaufträge betrifft.

    Die Unterscheidung zwischen Dienstleistungsaufträgen und -konzessionen ist nun einer communis opinio zufolge(11) und angesichts des Fehlens einer normativen Definition im Gemeinschaftsrecht(12) von einem Komplex von Kriterien abhängig. Erster Anhaltspunkt ist der Empfänger der erbrachten Dienstleistung. Bei Aufträgen gilt als Empfänger der Dienstleistung die auftragerteilende Einrichtung, während bei der Konzession Empfänger der Dienstleistung ein Dritter ist, der ausserhalb der Vertragsbeziehung steht, normalerweise die Allgemeinheit, die die Leistung erhält und für die erhaltene Dienstleistung ein Entgelt entrichtet. Eine Dienstleistungskonzession erfordert nach Gemeinschaftsrecht weiter, daß die betreffende Dienstleistung im allgemeinen Interesse liegt in dem Sinne, daß die Erbringung der betreffenden Leistung institutionell einer öffentlichen Einrichtung obliegt. Der Umstand, daß die Leistung von einem Dritten erbracht wird, bewirkt daher, daß bei den Pflichten, die dem Konzessionsgeber auferlegt sind, um die Erbringung der Dienstleistung an die Allgemeinheit sicherzustellen, an dessen Stelle der Konzessionsempfänger tritt. Ein anderer Gesichtspunkt, der die Konzession charakterisiert, ist der des Entgelts, das insgesamt oder zum Teil der gleichen Dienstleistung entnommen wird, die der Konzessionsnehmer zugunsten der Empfänger bewirkt. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Konzession für Dienstleistungen im Gemeinschaftsbereich hängt mit dem zuerst erwähnten Anhaltspunkt zusammen, der Aspekt nämlich, daß der Konzessionsnehmer das wirtschaftliche Risiko, das sich aus der Erbringung und der Bewirtschaftung der Dienstleistungen ergibt, die Gegenstand der Konzession waren, selbst übernimmt.

    Diese Kriterien, die zum Teil von der Rechtsfigur der Bau- und Verwaltungskonzession im Rahmen der Richtlinie über die Koordination der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge(13) abgeleitet wurden, sind im übrigen in der Rechtsprechung des Gerichtshofes in seinem Urteil vom 26. April 1994 in der Rechtssache C-272/91(14) übernommen worden.

    27 Die bemerkenswerte Unvollständigkeit der söben erwähnten Definition des Auftrags in bezug auf den Rechtsgrund der Vertragspflichten und den Gegenstand der Dienstleistung(15) ermöglicht daher lediglich eine deduktive Festlegung des Gegenstands des Dienstleistungsauftrags als Tätigkeit der Erbringung eines Dienstes gegen Entrichtung eines Entgelts. Umgekehrt ist die Natur der Gegenleistung das Element des Rechtsverhältnisses, das der Gesetzgeber in der in seiner Richtlinie festgelegten Definition deutlich hervorhebt. Diese muß daher auf jeden Fall nach dem vom Gemeinschaftsgesetzgeber verwendeten Ausdruck ("entgeltlich") in einer geldwerten Gegenleistung bestehen, nämlich im Preis.

    28 Prüfen wir daher, ob diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfuellt sind. Die Beziehung zwischen den Gemeinden und ARA ist durch das Vorliegen einer Verpflichtung der Letztgenannten gekennzeichnet, eine bestimmte Dienstleistung zu erbringen. Als erster Punkt, der zu ermitteln ist, hat der zu gelten, wer die Empfänger der von ARA erbrachten Dienste sind. Das vorlegende Gericht erwähnt insoweit die Beschlüsse der Gemeinden, ARA die zuvor von ihnen selbst wahrgenommene Tätigkeit zu übertragen, und die in der Folge zwischen diesen Gemeinden und ARA getroffenen Vereinbarungen. Hieraus ergibt sich, daß die Empfänger der Dienstleistung der Abfallabfuhr und -beseitigung, die zuerst von den Gemeinden und dann von ARA erbracht wurde, unverändert die gleichen geblieben sind. Wie in der Vergangenheit sind es nach wie vor die Einzelpersonen und die Unternehmen, die im Gebiet der Gemeinde ansässig und tätig sind.

    Auch wenn die bisherigen Erwägungen zur Ermittlung der möglichen Empfänger der betreffenden Dienstleistung bei Berücksichtigung der zuvor genannten Kriterien die Prüfung, durch die festgestellt werden soll, ob die Beziehung zwischen den Gemeinden und ARA als Auftrag eingestuft werden kann, keineswegs erschöpfen, lassen sie doch bereits jetzt einige Kennzeichen sichtbar werden, die diese Beziehung von einem echten Dienstleistungsauftrag unterscheiden.

    29 Bezueglich dieser Problemstellung ist hier im übrigen auf die von der französischen Regierung vorgetragene Auffassung hinzuweisen, wonach die untersuchte Beziehung eher als Konzession für eine Dienstleistung einzustufen wäre.

    Wir wissen nun ja bereits, daß, sollte sich diese Auffassung bestätigen, eine Anwendung der Regelung der Richtlinie auf den Abschluß zwischen den Gemeinden und ARA ausgeschlossen wäre. Der Gerichtshof hat den Standpunkt der französischen Regierung bereits zum Anlaß genommen, Fragen an die Beteiligten zu richten, um die Einzelheiten der betreffenden Rechtsbeziehung zu erhellen.

    30 Zu diesem Problemfeld der vorliegenden Rechtssache hat insbesondere auch die Regierung des Vereinigten Königreichs Stellung genommen und dabei in Abrede gestellt, daß die Beziehung zwischen den Gemeinden und ARA als Auftrag betrachtet werden könnte. Diese Beziehung wäre ihrer Meinung nach eher auf die Rechtsfigur der Konzession für bestimmte Dienstleistungen zurückzuführen, weil eine Behörde Befugnisse an eine Einrichtung mit eigener Rechtspersönlichkeit delegiere, damit diese die Dienstleistungen erbringen könne, die die Erstgenannte zuvor selbst erbracht habe. Es handele sich mithin um eine von mehreren Möglichkeiten, die Organisation der Verwaltung zu gestalten und zu strukturieren. Folglich fielen die Beziehungen zwischen Konzessionserteiler und Konzessionsempfänger aus dem normalen und für Aufträge typischen Vertragsrahmen heraus und entsprächen ihrer Natur nach eher einer verwaltungsrechtlichen Beziehung.

    31 Es ist in diesem Zusammenhang beiläufig darauf hinzuweisen, daß die Frage der Konzessionsnatur der streitigen Beziehung nach dem, was das vorlegende Gericht dazu ausführt, mit einem Verfahrensaspekt zusammenhängt, der den Stand des bei diesem Gericht anhängigen Verfahrens betrifft. Im Vorlagebeschluß wird nämlich dargelegt, daß die Frage der Feststellung der Konzessionsnatur der betreffenden Beziehung beim erstinstanzlichen Gericht eine negative Antwort erfahren habe. Diese Frage ist im übrigen in der Berufung nicht angesprochen worden, so daß der hier erörterte Punkt vom vorlegenden Gericht nicht abgeändert werden könnte, selbst wenn etwa der Gerichtshof anders entscheiden sollte als das erstinstanzliche Gericht in seinem Urteil.

    Dieser Standpunkt, den BFI vertritt und die Kommission sich teilweise zu eigen gemacht hat(16), würde zum anderen in der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofes eine Stütze finden, nämlich im Urteil Van Schijndel und Van Veen(17). Bei dieser Gelegenheit hat der Gerichtshof nämlich festgestellt, daß "das Gemeinschaftsrecht es den nationalen Gerichten nicht gebietet, von Amts wegen die Frage eines Verstosses gegen Gemeinschaftsvorschriften aufzugreifen, wenn sie durch die Prüfung dieser Frage die ihnen grundsätzlich gebotene Passivität aufgeben müssten, indem sie die Grenzen des Rechtsstreits zwischen den Parteien überschreiten und sich auf andere Tatsachen und Umstände stützen, als sie die Prozesspartei, die ein Interesse an der Anwendung hat, ihrem Begehren zugrunde gelegt hat".

    Die prozessuale Situation, in der sich das vorlegende Gericht befindet, würde sich letztlich nach Auffassung von BFI, falls der Gerichtshof die betreffende Beziehung als Konzessionierung betrachten sollte, dahin auswirken, daß dieses Gericht den Ausspruch des Gerichtshofes für seine Entscheidung nicht mehr sinnvoll nutzbar machen könnte. Jede mögliche Änderung des nicht angefochtenen Teils des Urteils, in dem festgestellt werde, daß die betreffende Beziehung keine Konzessionierung darstelle, sei nämlich ausgeschlossen, da dieser Teil bereits in Rechtskraft erwachsen sei.

    32 Diese Auffassung der Beklagten überzeugt mich indessen nicht. Der Gerichtshof hat nämlich die Gemeinschaftsvorschriften vollständig auszulegen, sie in ihren normativen Zusammenhang einzuordnen und zu dem Sachverhalt in Beziehung zu setzen, auf den sie sich beziehen oder auf den sie anwendbar sein sollen. Eine vom relevanten Kontext absehende Auslegung könnte, abgesehen von der Schwierigkeit, die eine solche abstrakte Betrachtungsweise hervorrufen würde, auch das Gericht, das sie erfragt, vom rechten Weg abbringen, weil sie möglicherweise den zu entscheidenden konkreten Fall nicht gebührend berücksichtigen würde. Diese meine Betrachtungsweise wird durch eine nunmehr schon reiche Rechtsprechung des Gerichtshofes bestärkt, mit der Vorabentscheidungsersuchen nationaler Gerichte als unzulässig behandelt wurden, wenn eine erschöpfende Darstellung des nationalen tatsächlichen und rechtlichen Rahmens fehlte(18). Sicherlich ist die Beachtung der nationalen Verfahrensregeln eine in mancher Beziehung unüberwindbare Grenze, die das nationale Gericht wie übrigens auch der Gemeinschaftsrichter einzuhalten hat. Dieser Aspekt ist rechtlich vom Gerichtshof in seinem Urteil Van Schijndel und Van Veen voll anerkannt und akzeptiert worden. Das besagt allerdings nicht, daß sich der Gerichtshof davon befreit habe, das Rechtsverhältnis zuvor einzuordnen, auf das dann die Vorschriften, um deren Auslegung es geht, anzuwenden sind. Diese hermeneutische Leistung ist im übrigen meines Erachtens unabhängig davon zu erbringen, daß der Gerichtshof in der Folge die Bestimmungen, um die es in dem Rechtsstreit geht, als im gegebenen Fall unerheblich betrachtet. Falls nämlich dem vorlegenden Gericht ein Beurteilungsfehler unterlaufen sein sollte, der nicht mehr durch ein Rechtsmittel beseitigt werden könnte, würde die Aufgabe des Gerichtshofes gerade darin bestehen, die Grenzen der Auslegung der betreffenden Rechtsnorm festzulegen und gegebenenfalls festzustellen, daß das vom vorlegenden Gericht erwähnte Problem aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht mit der streitbefangenen Sache nichts zu tun hat(19).

    33 Mir scheint indessen, daß im vorliegenden Rechtsstreit die Lage ganz anders ist als die, die bisher erörtert wurde. Das von der Beklagten aufgeworfene Problem stellt sich ganz anders. Das erstinstanzliche Gericht hat nämlich, wie ich die Dinge sehe, das Problem der Natur der streitbefangenen Beziehung ganz zutreffend gelöst, als es ihr die Natur einer Konzession für Dienstleistungen absprach. Zu dieser Schlußfolgerung komme auch ich, obwohl auch die Gemeinden und ARA in ihren Beschlüssen, in der Gesellschaftssatzung und in den zur Gestaltung dieser Beziehung abgeschlossenen Vereinbarungen diesen Ausdruck verwendet haben.

    Der Kernpunkt nämlich, der im vorliegenden Fall fehlt, um die uns hier beschäftigende Beziehung auf den Nenner einer Konzession bringen zu können, ist die Übernahme des Risikos, das mit der Verwaltung der Dienstleistung verbunden ist. Den Prozessakten ist insoweit ganz eindeutig zu entnehmen, daß das Entgelt für die von ARA erbrachte Dienstleistung nicht "abstrakt festgesetzt"(20) ist. In der bereits erwähnten Dokumentation war nämlich die Zahlung eines Entgelts vorgesehen, dessen konkrete Festlegung allerdings nicht von Faktoren in Verbindung mit vorher festgelegten Indizes wie z. B. den Einheitskosten jeder Maßnahme abhängt, noch wurde diese Leistung in pauschaler Weise bestimmt, so daß in beiden bisher dargestellten Fallgestaltungen die wirtschaftliche Verantwortung für die Betriebsführung die Einrichtung getroffen hätte, die die Dienstleistung erbringt. Der Ausgleich für die Tätigkeit von ARA ist vielmehr die unmittelbare Folge der tatsächlichen Gesamtkosten, die die letztgenannte Einrichtung zu tragen hat, um die von ihr zu erbringende Dienstleistung sicherzustellen. Dieser Ausgleich wird, wie sich den dem Gerichtshof zur Prüfung vorgelegten Unterlagen entnehmen lässt, aufgrund periodischer Abrechnungen vollzogen, die ausschließlich die mit der Bewirtschaftung der Dienste verbundenen Gesamtausgaben und -einnahmen belegen und damit die Gemeinden in die Lage versetzen sollen, einen ausgeglichenen Jahresabschluß von ARA zu vollziehen. Die von der Allgemeinheit für die erhaltene Dienstleistung gezahlten Gebühren stellen ebensowenig einen Bezugspunkt für die Ermittlung eines Ertragskriteriums für die Wirtschaftsführung von ARA dar; sie werden je nach Notwendigkeit angepasst, um ein Gleichgewicht zwischen Kosten und Einnahmen darstellen zu können, wobei ausserdem dem nicht unwichtigen Erfordernis Rechnung zu tragen ist, daß die erbrachte Dienstleistung keine übertriebene Belastung für die Empfänger darstellen darf.

    Die bisherigen Ergebnisse lassen es meines Erachtens nicht zu, im vorliegenden Fall von einer Konzession für Dienstleistungen im Sinne des Gemeinschaftsrechts auszugehen. Dies führt nun andererseits nicht automatisch dazu, daß die streitige Beziehung deshalb als Dienstleistungsauftrag zu qualifizieren wäre.

    34 Die Definition dieser Rechtsfigur in der Richtlinie stellt, wie bereits erwähnt, auf die Entgeltlichkeit der Leistung ab. Um diese Beziehung daher als Auftrag qualifizieren zu können, muß die Gegenleistung, die der Auftragnehmer beanspruchen kann, im vorhinein und abstrakt festgelegt worden sein. Der Gerichtshof hat, wie wir sahen, dieses den Auftrag kennzeichnende Merkmal im Urteil Lottomatica klar herausgestellt(21).

    Im vorliegenden Fall ist, wie ich bereits sagte, das Entgelt für die Dienstleistungen - nach der Ausdrucksweise des Gerichtshofes - nicht von den Gemeinden "abstrakt festgesetzt"(22) worden, weil diese nämlich, wie ich ausgeführt habe, die eigenen finanziellen Beiträge gegenüber ARA je nach den Erfordernissen regeln, die sich allmählich während deren Tätigkeit zeigen. Im vorliegenden Fall fehlt es daher an einem vorherbestimmten oder -bestimmbaren "Preis", auf den man sich beziehen könnte. Bei der Vergütung, die ARA erhält, fehlt es ausserdem an jedem wie immer gearteten Gewinnelement. Wir haben es daher mit einer Vergütung für die betreffende Dienstleistung zu tun, die ausschließlich auf die Wirtschaftlichkeit der Betriebsführung abstellt und der jegliches Risikölement abgeht. Genau diese Merkmale bewirken aber, daß die Tätigkeit von ARA nach der Art, in der sie vergütet wird, nicht zu den gewerblichen Tätigkeiten gerechnet werden kann und daß sie folglich auch nicht unter wirklichen Wettbewerbsbedingungen entfaltet wird.

    35 Das ist aber nicht alles. Betrachtet man das Finanzschema, auf dem die Beziehung zwischen den Gemeinden und ARA aufbaut, so ist Kernelement der Beziehung zwischen den Gemeinden und ARA wirtschaftlich gesehen der Haushalt der Gemeinden selbst. Das wirtschaftliche Überleben von ARA hängt im wesentlichen nicht so sehr vom Umfang der durchgeführten Maßnahmen der Abfallabfuhr und -beseitigung oder von der Effizienz ab, mit der sie diese Dienstleistungen erbringt, sondern ausschließlich von der Bereitschaft der Gemeinden, ARA durch Zuweisung von Haushaltsmitteln und die Festsetzung der Gebührensätze für die Dienstleistungen auf annehmbarem Niveau angemessene Finanzmittel zukommen zu lassen. Die Maßgaben, die in der Vereinbarung für die Vergütung von ARA festgelegt sind, beruhen letztlich auf einer "Potestativbedingung", wonach die Gemeinden unanfechtbar nicht nur über das Ob, sondern auch über das Wieviel der Mittelübertragung an ARA beschließen und auf diese Weise wirklich über Leben oder Tod dieser Einrichtung entscheiden können.

    36 Soweit es dann um die Verbindung zwischen den Gemeinden und ARA geht, ist darauf hinzuweisen, daß die zwischen ihnen bestehende Beziehung auf der Notwendigkeit beruht, die jeweiligen Gemeindedienste für Abfallabfuhr und -beseitigung zu begründen, um damit einer Nachfrage begegnen zu können, die in Zukunft nach Umfang und Qualität von den bereits bestehenden Strukturen der beiden Gemeinden, jede für sich genommen, nicht mehr vernünftig befriedigt werden konnte.

    Die Gründung von ARA und die Übertragung der bisher von den Gemeinden erfuellten Aufgaben auf sie gehen daher auf die Absicht zurück, die betreffenden Dienste zusammenzulegen, statt diese einer dritten Einrichtung zu übertragen und sie damit der Gemeindezuständigkeit zu entziehen. Die von den Gemeinden beschlossene Lösung, die entsprechenden Dienste zu vereinigen und sie der von ihnen gemeinsam geschaffenen Einrichtung zu übertragen, spiegelt sich zum anderen auch in der entsprechend gestalteten Gesellschaftsstruktur wider: Die beiden in dieser Sache klagenden Gemeinden sind nämlich die beiden einzigen Gesellschafter von ARA. ARA selbst ist, obwohl sie in Form einer Kapitalgesellschaft gegründet wurde, meines Erachtens nicht einmal wesentlich aus der Organisationsstruktur der Gemeinden herausgenommen. Ihre Rechtsnatur lässt sich dem Begriff des Organs der öffentlichen Verwaltung(23), wenn auch nur in weitem Sinne und mittelbar(24), zuordnen. Die früheren Überlegungen zu den Merkmalen und Modalitäten der Vergütung von ARA und der völligen Abhängigkeit dieser Einrichtung vom Willen der Gemeinden nicht nur bezueglich ihrer wirtschaftlichen Grundlagen, sondern auch bezueglich der Zusammensetzung ihrer Leitungsorgane (die Mehrheit der Mitglieder des Aufsichtsrats wird von den Gemeinden ernannt) bestätigen diesen Standpunkt ohne weiteres.

    37 Das Problem der Freiheit, über die eine Behörde bei der Organisation ihrer eigenen Struktur verfügt, um diese den Bedürfnissen der Allgemeinheit besser anzupassen, scheint mir nun kein Punkt mehr zu sein, bei dem länger zu verweilen wäre. Die Wahl eines Organisationsmodells durch eine öffentliche Verwaltung erlaubt indessen nicht die Anwendung von Vorschriften, mit denen ein anderer und genau festgelegter Sachverhalt, nämlich die Erbringung einer Dienstleistung durch einen Privaten an eine Behörde gegen Entgelt, geregelt werden soll. Den Beweis hierfür liefert die Richtlinie selbst. Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat nämlich nicht nur ausgeschlossen, daß Formen der Verwaltungsorganisation wie die vorliegenden oder andere ihr ähnliche oder vergleichbare wie die Konzessionen in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallen, sondern hat sich noch weiter vorgewagt und auch wirkliche Dienstleistungsverträge von der Verpflichtung zur Einhaltung der in der Richtlinie vorgeschriebenen Verfahren freigestellt, wenn sie nämlich zwischen zwei auftraggebenden Verwaltungen abgeschlossen wurden.

    38 Im vorliegenden Fall liegt daher meines Erachtens die "Drittstellung" und damit die wesenhafte Eigenständigkeit der Einrichtung ARA gegenüber den beiden Gemeinden nicht vor. Wir haben es hier mit einer Form zwischenorganschaftlicher Delegation zu tun, die den Verwaltungsbereich der Gemeinden nicht verlässt, die mit der Übertragung der betreffenden Tätigkeiten auf ARA keineswegs die Aufgaben, die sie selbst bis dahin in diesem Bereich wahrgenommen hatten, privatisieren wollten. Die Beziehung zwischen den Gemeinden und ARA kann daher meines Erachtens letztlich nicht als ein Auftrag im Sinne der Richtlinie angesehen werden.

    B - Der persönliche Anwendungsbereich der Richtlinie

    39 Die bisherigen Erkenntnisse führen ohne weiteres zur Unanwendbarkeit der Richtlinie auf die Beziehungen zwischen den Gemeinden und ARA. Um jedoch den dem Gerichtshof vorliegenden Fall vollständig zu behandeln, werde ich ferner noch prüfen, ob ARA zu den Rechtssubjekten gehört, die zur Einhaltung der Richtlinie verpflichtet sind.

    Im Licht der bisherigen Ausführungen stellt sich diese Frage hier insbesondere, um unter den in der Richtlinie genannten Kategorien der öffentlichen Auftraggeber die zutreffende Kategorie zu bestimmen, zu der die betreffende Einrichtung gehört.

    40 Die französische Regierung hat die Auffassung vertreten, daß ARA keine öffentliche Einrichtung, sondern lediglich ein Verband zwischen Gemeinden im Sinne des Artikels 1 Buchstabe b der Richtlinie sei. Diese These beruht auf dem bereits erläuterten Umstand, daß die Gemeinden die einzigen Gesellschafter von ARA sind.

    Die Auffassung der französischen Regierung sollte gebührende Beachtung finden. In dieser Hinsicht ist insbesondere zu prüfen, ob bei der Definition des "öffentlichen Auftraggebers" in Artikel 1 der Richtlinie den beiden Ausdrücken "Einrichtung des öffentlichen Rechts" und "Verband" unterschiedliche und gegensätzliche Begriffe entsprechen oder ob möglicherweise die Richtlinie mit ein und derselben Definition Einheiten berücksichtigen will, die zugleich zu der einen und zu der anderen Kategorie gehören.

    Die Antwort auf diese Frage hat meines Erachtens zu lauten, daß eine Überschneidung der erwähnten Kategorien ausgeschlossen werden muß. Der Gemeinschaftsgesetzgeber wollte nämlich der Regelung für Dienstleistungsaufträge auch die öffentlichen Zusammenschlüsse unterstellen, die zur Entstehung einer Einheit führen, die, obzwar ohne eigene Rechtspersönlichkeit, mit Fug und Recht zu den Formen der Kooperation und Organisation der öffentlichen Gewaltträger gehören und für die von dieser Richtlinie verfolgten Ziele relevant sind. Ich denke hier z. B. an Verbandsformen wie etwa Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften oder ähnliche Arten von Gruppierungen, die zwar keine Rechtspersönlichkeit aufweisen, jedoch Aufgaben öffentlicher Natur erfuellen und für die der Gemeinschaftsgesetzgeber in Anlehnung an ein rein funktionales Kriterium die Einbeziehung in die Regelung der Richtlinie vorgesehen hat. Zu ergänzen bleibt hier, daß solche Einheiten meines Erachtens nur dann in die erwähnte Kategorie gehören, wenn sie nicht nach Gewinn streben.

    41 Folgt man diesem Denkansatz, so erfuellt die Kategorie der Verbände mithin eine Auffangfunktion. Sie betrifft lediglich alle diejenigen Formen öffentlicher Kooperation, die, wie ich sagte, zur Entstehung von Einheiten ohne Rechtspersönlichkeit führen, die jedoch weder Gebietskörperschaften sind noch in anderer Weise dem Begriff der Einrichtung des öffentlichen Rechts zugeordnet werden können.

    Die Schlußfolgerung, zu der ich bisher gelangt bin, setzt sodann voraus, daß der Gemeinschaftsgesetzgeber dem Begriff des öffentlichen Auftraggebers ein recht weites Verständnis geben und mit ihm alle möglichen Formen der Ausübung öffentlicher Gewalt erfassen wollte. Andererseits möchte ich ausschließen, daß er unnütze und abwegige begriffliche Überlagerungen verwendet hat, die überdies Anlaß für Auslegungsschwierigkeiten bei der Einstufung der zur Einhaltung der Richtlinie verpflichteten Einheiten wären.

    Diese meine Auffassung wird übrigens durch das Urteil in der Rechtssache C-31/87 (Beentjes)(25) nachhaltig bestärkt, in dem der Gerichtshof für die Anwendung der Richtlinie über Bauaufträge anerkannt hat, daß eine Einrichtung ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die aber in vielfacher Hinsicht von der öffentlichen Hand abhängt, "als dem Staat zugehörig ... anzusehen [ist], auch wenn sie formell kein Bestandteil desselben ist". Allerdings ist darauf hinzuweisen, daß die auszulegende Gemeinschaftsvorschrift in dieser Rechtssache Artikel 1 der Richtlinie 71/305/EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge(26) war. Es ging mithin um die gemeinschaftsrechtliche Definition der Normen der "öffentlichen Auftraggeber" durch diese Richtlinie, zu denen allerdings zu jener Zeit die "Verbände" noch nicht gehörten, da sie erst später bei den Neufassungen der Dienstleistungsrichtlinien aufgenommen wurden. Im übrigen bin ich der Meinung, daß der Gerichtshof seinerzeit eine Regelungslücke schließen wollte, indem er zu denen, die die Richtlinie zu beachten haben, auch die Einrichtungen zählte, die, um mit Generalanwalt Darmon zu sprechen, "ausserhalb der klassischen Strukturen der Verwaltung [des Staates und der Gebietskörperschaften] stehen, aber - ohne mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet zu sein - Aufgaben erfuellen, für die normalerweise der Staat oder die Gebietskörperschaften zuständig sind". Der Gemeinschaftsgesetzgeber hat bei der Novellierung und Überarbeitung des Begriffes des öffentlichen Auftraggebers zum einen besonders die Rechtsfigur der Verbände und zum andern die der Einrichtungen des öffentlichen Rechts eingeführt. Damit hat er ausdrücklich sowohl die Stellen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die häufig Modelle des Zusammenschlusses unterschiedlicher Art zwischen öffentlichen Stellen darstellen, deren Merkmale und Rechtsnatur a priori schwer festzulegen sind, als auch die Einrichtungen öffentlichen Rechts, die im Gegensatz hierzu aufgrund spezifischer Regelung Rechtspersönlichkeit haben, dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinien unterstellt. Daß ARA eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, kann daher nur bedeuten, daß diese Einrichtung nicht der Kategorie der "Verbände" zugerechnet werden kann.

    42 Was sodann das Problem des Begriffes der "im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nicht gewerblicher Art" betrifft, glaube ich nicht, daß die Antwort an das vorlegende Gericht von den Besonderheiten absehen kann, die für jede spezifische Situation kennzeichnend sind. Der Gerichtshof kann daher meines Erachtens an dieser Stelle keine allgemeinen Auslegungshinweise für die betreffende Vorschrift geben, die den konkreten Fall ausser acht lassen. Wir haben es hier mit einer Vorschrift zu tun, die sich für allgemeine und abstrakte Deutungen schlecht eignet, gerade weil der Gemeinschaftsgesetzgeber dieser Bestimmung diesen ausgesprochen funktionalen Charakter geben wollte, von dem wir sprachen. Der hermeneutische Kanon ist vom Gerichtshof zunächst im Urteil Beentjes(27) und dann im Urteil in der Rechtssache C-44/96 (Mannesmann Anlagenbau)(28) dargelegt, anerkannt und angewandt worden. Das ist ein Kriterium, das für mich auch an dieser Stelle maßgebend sein muß.

    43 Dieser Begriff ist indessen gewiß auch im Licht der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes zu verstehen(29), die grosses Gewicht auf das Fehlen eines Risikos gelegt hat, das für die Durchführung der Tätigkeit der betreffenden Einrichtung kennzeichnend sein muß, wenn diese zum Kreis der öffentlichen Einrichtungen gehören soll, die die Richtlinie berücksichtigt. Möglicherweise handelt es sich hier um eine Auslegung, die den gewerblichen Charakter der Tätigkeit und nicht so sehr das allgemeine Interesse betont, das die zu befriedigenden Bedürfnisse kennzeichnet. Das ist nämlich eine andere Kategorie, die sich von einem Mitgliedstaat zum anderen und je nach dem historischen Augenblick der Betrachtung beträchtlich unterscheidet. Die Bedürfnisse allgemeinen Interesses nehmen sodann, wenn sie erst einmal festgelegt sind, gewerblichen Charakter in strenger Abhängigkeit vom Typ der Organisation an, die sich der Staat gegeben hat. Die gewerbliche Bedeutung des gleichen Bedürfnisses verändert sich nämlich insbesondere z. B. infolge der mehr oder weniger grossen Betonung, die das Phänomen der Privatisierung der öffentlichen Dienste, die diese Bedürfnisse befriedigen sollen, im nationalen Bereich erfahren hat. Die Richtlinie hat gleichwohl eindeutige Kategorien für die gesamte Gemeinschaft zugrunde legen wollen. Man braucht hier nur darauf hinzuweisen, daß diese Richtlinie lediglich die verschiedenen geltenden Vorschriften über Dienstleistungsaufträge im nationalen Bereich nicht etwa harmonisieren, sondern bloß koordinieren will. Ich gehe somit nicht davon aus, daß die Richtlinie mit der erwähnten Definition tatsächlich eine gemeinschaftsrechtliche Kategorie geschaffen hat. Sie verweist hier einfach auf das, was die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten insoweit bestimmen.

    44 In diesem Rahmen die Bedürfnisse zu definieren, die für die Richtlinie maßgebend sind, ist nun ein recht mühevolles, wenn nicht unmögliches Beginnen. Der Auslegende kann daher lediglich versuchen, in der Verknüpfung, die die Befriedigung der Bedürfnisse mit der Struktur des (natürlich weit verstandenen) Staates verbindet, und vor allem in dessen wirtschaftlicher Abhängigkeit das einzige Kriterium allgemeiner Art zu finden, das in dem uns interessierenden Bereich angewandt zu werden verdient.

    Ein offensichtliches Symptom der Abhängigkeit des staatlichen Bereichs zeigt sich indessen gerade im Fehlen eines Risikos bei der Tätigkeit, die die betreffende Einrichtung wahrzunehmen hat. Bringt indessen die Tätigkeit einer solchen Einrichtung eine (wenn auch nur entfernte) Möglichkeit eines Gewinns mit sich, oder gründet sich die entsprechende Betriebsführung auf Kriterien der Wirtschaftlichkeit und der finanziellen Autonomie, so befinden wir uns, wie ich die Dinge sehe, mit Sicherheit ausserhalb des so festgelegten Rahmens, und es besteht mithin kein Grund mehr, die betreffende Einrichtung zu den von der Richtlinie ins Auge gefassten zu zählen. Ich brauche kaum darauf hinzuweisen, daß dieses Verständnis der fraglichen Vorschriften ausserdem völlig mit der Rechtsprechung des Gerichtshofes zu den öffentlichen Unternehmen(30) und der maßgebenden Gemeinschaftsgesetzgebung(31) übereinstimmt.

    Meines Erachtens umfasst daher der Begriff der Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne der Richtlinie die Einrichtungen, die allgemeine Bedürfnisse "ausserhalb der Regeln einer normalen Geschäftsführung"(32) befriedigen, falls nur die nach der betreffenden Definition erforderlichen übrigen Voraussetzungen ebenfalls erfuellt sind.

    45 Die Frage, ob ARA dem Begriff der Einrichtung des öffentlichen Rechts zugeordnet werden kann, scheint daher bei Berücksichtigung der bisherigen Ausführungen geklärt zu sein. Es besteht nämlich kein Zweifel daran, daß die Zwecke, für die eine solche Einrichtung geschaffen wurde(33) und die sie institutionell verfolgt, aber auch die Modalitäten, mit der diese verwirklicht werden, zu denen gehören, die nach den Worten der Richtlinie darauf abzielen, "im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfuellen, die nicht gewerblicher Art sind".

    46 Sodann sollte in limine litis nicht unerwähnt bleiben, daß es im vorliegenden Fall unerheblich ist, daß ARA, wie der Vorlagebeschluß zu verstehen gibt, unmittelbar oder über eine in ihrem Alleinbesitz befindliche Gesellschaft neben der Erfuellung der Aufgaben, die ihr von den Gemeinden übertragen wurden, ähnliche Dienstleistungen gegen entsprechende Vergütung auch für Dritte erbringt. Diese Tätigkeiten, die, wie es den Anschein hat, einen nebensächlichen Teil des Aufgabenkomplexes von ARA darstellen und wirtschaftlich gesehen keinen entscheidenden Einfluß auf deren Finanzstruktur haben, können aber meines Erachtens das Ergebnis nicht beeinflussen, zu dem ich vorher gelangt bin. Zu diesem Punkt hat sich übrigens auch der Gerichtshof kürzlich im Urteil Mannesmann Anlagenbau(34) geäussert und anerkannt, daß die Wahrnehmung anderer Tätigkeiten neben der Haupttätigkeit, die den institutionellen Zweck der Einrichtung ausmacht, für sich allein die Natur der betreffenden Einrichtung im Hinblick auf die Anwendung der Dienstleistungsrichtlinien nicht zu ändern vermag. Die Existenz von ARA hängt wirtschaftlich und finanziell nämlich, wie wir bereits sahen, von den Haushaltsbeiträgen der Gemeinden ab. Damit ist völlig ausgeschlossen, daß irgendeine andere von ihr ausgeuebte Tätigkeit tatsächlich ausgesprochen gewerblichen Modalitäten folgen könnte. Der Finanzbeitrag der Gemeinden denaturiert das Kriterium, das jeder gewerblichen Beziehung zugrunde liegt, nämlich die Bemühung um das beste und wirksamste Verhältnis zwischen Kosten und Entgelt. Der Umstand, daß die Einrichtung auf jeden Fall über den Beitrag der Gemeinden zu einem Haushaltsausgleich gelangt und mithin jedes Risikölement fehlt, schließt es aus, solche Tätigkeiten als unter wirklichen Wettbewerbsbedingungen erbracht anzusehen.

    Der von ARA sichergestellte Dienst entspricht in der Tat einem unleugbaren Bedürfnis der Allgemeinheit: Abfallabfuhr und -beseitigung. Diese Aufgabe wird ohne Streben nach Gewinn ausserhalb der Muster erbracht, die ein Marktdenken voraussetzt. Demnach sind beide Voraussetzungen erfuellt, die der Gemeinschaftsgesetzgeber im ersten Teil der Definition der Einrichtung des öffentlichen Rechts festgelegt hat, nämlich die spezielle Ausrichtung auf die Erfuellung im Allgemeininteresse liegender Aufgaben und deren fehlende Gewerblichkeit.

    V - Ergebnis

    47 Demgemäß schlage ich dem Gerichtshof vor, die ihm vom Gerechtshof Arnheim vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

    1. Die Beziehung zwischen zwei Gemeinden und einer von ihnen geschaffenen Einrichtung, der diese Gemeinden Abfallabfuhr und -beseitigung im Gebiet der Gemeinden übertragen haben und die auch über Haushaltsbeiträge der Gemeinden vergütet wird, die dieser Einrichtung auf jeden Fall die finanzielle Grundlage ihrer Tätigkeit sichern, stellt keinen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge dar.

    2. Eine Einrichtung der vorstehend beschriebenen Art stellt zugleich eine Einrichtung des öffentlichen Rechts im Sinne der Richtlinie 92/50 dar.

    (1) - ABl. L 209, S. 1.

    (2) - Die Entscheidung, die eigenen Stadtreinigungsdienste zusammenzulegen und sie einer speziell geschaffenen Einrichtung zu übertragen, war ferner auf eine Studie zurückzuführen, die die Gemeinden einem Sachverständigen in Auftrag gegeben hatten. Dieser hat Vorschläge formuliert, die dann von den Gemeinden gebilligt und durchgeführt wurden.

    (3) - Die Pflicht zur nachträglichen Veröffentlichung einer Bekanntmachung über die Ergebnisse des Vergabeverfahrens, auf die in Artikel 9 in Verbindung mit Artikel 16 verwiesen wird, besteht allerdings nicht bei Dienstleistungen des Anhangs IB, da in diesem Fall die Erfuellung der Pflicht freigestellt ist. Vgl. Flamme und Flamme, "Les marchés publics de services et la coordination de leurs procédures de passation", Revü du Marché commun et de l'Union européenne, 1993, S. 150; Greco, "Gli appalti pubblici di servizi", Rivista Italiana di Diritto Pubblico Comunitario, 1995, S. 1285; La Marca, "Gli appalti pubblici di servizi e l'attività bancaria", Rivista di diritto europeo, 1996, S. 13; Mensi, "L'ouverture à la concurrence des marchés publics de services", Revü du Marché Unique Européen, 1993, S. 59.

    (4) - In diesem Punkt ist sich die Lehre einig. Vgl. Flamme und Flamme, a. a. O.; La Marca, a. a. O.

    (5) - Vgl. La Marca, a. a. O., insbesondere S. 42.

    (6) - Vgl. La Marca, a. a. O., S. 28; Flamme und Flamme, a. a. O., S. 152.

    (7) - Oder ob die Dienstleistung völlig aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie nach Maßgabe ihres Artikels 1 herausfällt.

    (8) - Vgl. Nr. 13 dieser Schlussanträge.

    (9) - ABl. 1991, C 23, S. 1.

    (10) - Vgl. die Begründung im Gemeinsamen Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlaß der Richtlinie, Dok. 4444/92 ADD1 vom 25. Februar 1992.

    (11) - Vgl. hierzu Flamme und Flamme, a. a. O.; Greco, a. a. O.

    (12) - Die öffentliche Dienstleistungskonzession war im Richtlinienvorschlag der Kommission wie folgt definiert: "... ein Vertrag anderer Art als eine öffentliche Baukonzession im Sinne des Artikels 1 Buchstabe d) der Richtlinie 71/305/EWG, der zwischen einem Auftraggeber und einer anderen Stelle geschlossen wird, und aufgrund dessen der Auftraggeber die Ausführung einer Tätigkeit zugunsten der Öffentlichkeit, die seiner Verantwortung untersteht, einer anderen Stelle seiner Wahl überträgt, die die Tätigkeit gegen das Recht zur Nutzung dieser Tätigkeit oder gegen dieses Recht zuzueglich der Zahlung eines Preises ausführt."

    (13) - Richtlinie 89/440/EWG des Rates vom 18. Juli 1989 (ABl. L 210, S. 1).

    (14) - Kommission/Italien, "Lottomatica" (Slg. 1994, I-1409, Randnrn. 22 bis 25 und 32).

    (15) - Vgl. insoweit die Bemerkungen von Flamme und Flamme, a. a. O., und La Marca, a. a. O.

    (16) - Die Kommission stützt ihre Meinung allerdings darauf, daß die Parteien einverständlich das betreffende Geschäft nicht als eine Konzession betrachten.

    (17) - Urteil vom 14. Dezember 1995 in den verbundenen Rechtssachen C-430/93 und C-431/93 (Slg. 1995, I-4705).

    (18) - Vgl. hierzu die Mitteilung des Gerichtshofes "Hinweise zur Vorlage von Vorabentscheidungsersuchen durch die innerstaatlichen Gerichte" vom Oktober 1996 und die dort angeführte Rechtsprechung. Vgl. für eine knappe Kommentierung dieser Mitteilung Manzella, "Giudice nazionale e diritto comunitario", Giornale di diritto amministrativo, 1996, S. 1084; Condinanzi, "$Istruzioni per l'uso` dell'art. 177: la nota informativa della Corte di Giustizia sulla proposizione delle domande di pronuncia pregiudiziale da parte dei giudici nazionali", Il Diritto dell'Unione Europea, 1996, S. 883.

    (19) - Vgl. z. B. Urteil vom 16. Dezember 1997 in der Rechtssache C-104/96 (Rabobank, Slg. 1997, I-7211).

    (20) - Urteil Lottomatica (zitiert in Fußnote 14, Randnr. 25).

    (21) - Randnr. 25 des Urteils (zitiert in Fußnote 14).

    (22) - Urteil Lottomatica (zitiert in Fußnote 14).

    (23) - Vgl. zu diesem Begriff Greco (zitiert in Fußnote 3); ders., "Appalti di lavori affidati da SpA in mano pubblica: un revirement giurisprudenziale non privo di qualche paradosso", Rivista Italiana di Diritto Pubblico Comunitario, 1995, S. 1062.

    (24) - Vgl. hierzu Greco (zitiert in Fußnote 3); Righi, "La nozione di organismo di diritto pubblico nella disciplina comunitaria degli appalti: società in mano pubblica e appalti di servizi", Rivista Italiana di Diritto Pubblico Comunitario, 1996, S. 347.

    (25) - Urteil vom 20. September 1988 in der Rechtssache 31/87 (Slg. 1988, 4635).

    (26) - ABl. L 185, S. 5.

    (27) - Zitiert in Fußnote 25.

    (28) - Urteil vom 15. Januar 1998 (Slg. 1998, I-73).

    (29) - Urteile Beentjes, Lottomatica, Mannesmann, a. a. O.

    (30) - Urteil vom 16. Juni 1987 in der Rechtssache 118/85 (Kommission/Italien, Slg. 1987, 2599) und zuletzt Urteil vom 18. März 1997 in der Rechtssache C-343/95 (Diego Calì, Slg. 1997, I-1547).

    (31) - Richtlinie 80/723/EWG der Kommission vom 25. Juni 1980 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen (ABl. L 195, S. 35).

    (32) - Urteil vom 16. Juni 1987 (zitiert in Fußnote 30).

    (33) - Der in der Definition der Richtlinie verwendete Ausdruck "zu dem besonderen Zweck gegründet" ist natürlich dynamisch zu verstehen. Die ursprünglich im Gründungsakt der Einrichtung angegebenen Zielsetzungen müssen nämlich zur aktuellen Situation und den Zwecken in Beziehung gesetzt werden, die sie konkret verfolgt, so z. B. den im Gesellschaftszweck angegebenen bei Einrichtungen, die die Form einer Gesellschaft angenommen haben.

    (34) - Zitiert in Fußnote 28. Der Gerichtshof hat in dieser Rechtssache entschieden, daß die von der österreichischen Einrichtung neben ihrer Haupttätigkeit ausgeuebte Tätigkeit gleichwohl in den Anwendungsbereich der Richtlinie für öffentliche Bauaufträge fällt. Der Gerichtshof hat hierbei unterschieden zwischen den institutionellen Tätigkeiten, die die im Allgemeininteresse liegenden Aufgaben nichtgewerblicher Art erfuellen sollen, und solchen, die diese Merkmale nicht aufweisen. Die vom Gerichtshof angewandte Lösung, die ich im Ergebnis für im wesentlichen zutreffend halte, bedarf allerdings einer Klarstellung. Ich möchte nämlich insoweit darauf hinweisen, daß nach meinem Dafürhalten unmöglich zwischen nichtgewerblichen Tätigkeiten und solchen, bei denen Gewerblichkeit anzunehmen ist, unterschieden werden kann, wenn die betreffende Einrichtung zu denen gehört, die öffentliche Auftraggeber im Sinne der Richtlinie für Bau- und Dienstleistungsaufträge sind. Das Fehlen eines Risikos, das für das Tätigwerden der betreffenden Einrichtung kennzeichnend ist, stellt sicher, daß jede ihrer Tätigkeiten, auch wenn sie theoretisch wirtschaftlicher Nutzung offensteht, sich letztlich in finanzieller Hinsicht nicht von der institutionellen Tätigkeit abheben lässt, die damit die übrigen überlagert und deren Gewerblichkeit beseitigt.

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