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Dokument 61990CJ0269

Urteil des Gerichtshofes vom 21. November 1991.
Technische Universität München gegen Hauptzollamt München-Mitte.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Bundesfinanzhof - Deutschland.
Gemeinsamer Zolltarif - Zollbefreiung für wissenschaftliche Geräte - Wissenschaftliche Gleichwertigkeit.
Rechtssache C-269/90.

Sammlung der Rechtsprechung 1991 I-05469

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:1991:438

SITZUNGSBERICHT

in der Rechtssache C-269/90 ( *1 )

I — Rechtlicher Rahmen

1.

Im Ausgangsrechtsstreit geht es um die Gewährung einer Zollbefreiung für ein in die Gemeinschaft eingeführtes wissenschaftliches Gerät gemäß Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 1798/75 des Rates vom 10. Juli 1975 über die von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs befreite Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters (ABl. L 184, S. 1) in der seit dem 1. Januar 1980 aufgrund der Verordnung (EWG) Nr. 1027/79 des Rates vom 8. Mai 1979 (ABl. L 134, S. 1) und der Verordnung (EWG) Nr. 2784/79 der Kommission vom 12. Dezember 1979 zur Festlegung der Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 1798/75 (ABl. L 318, S. 32) geltenden Fassung.

2.

Diese Verordnungen sollen die Anwendung des unter der Schirmherrschaft der Unesco ausgearbeiteten Abkommens von Florenz, ergänzt durch das mit Beschluß 79/505/EWG des Rates vom 8. Mai 1979 (ABl. L 134, S. 13) seitens der Gemeinschaft genehmigte Protokoll von Nairobi, durch die Gemeinschaft sicherstellen.

3.

In der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1798/75 heißt es: „Zur Erleichterung des freien Austausche von Ideen sowie zur Erleichterung der kulturellen Betätigung und der wissenschaftlichen Forschung in der Gemeinschaft sollten Gegenstände erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters im Rahmen des Möglichen von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs befreit werden ...“

4.

Die Zollbefreiung wird nur unter der in Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1798/75 festgelegten Voraussetzung gewährt, daß „zur Zeit keine Instrumente, Apparate und Geräte von gleichem wissenschaftlichen Wert in der Gemeinschaft hergestellt werden“.

5.

Zur Erlangung der Zollbefreiung nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1798/75 hat die Bestimmungsanstalt oder -einrichtung gemäß Artikel 6 der Verordnung Nr. 2784/79 einen Antrag bei der zuständigen Behörde zu stellen, der u. a. folgendes enthalten muß: die genaue Handelsbezeichnung des Instruments, Apparats oder Geräts und seinen Verwendungszweck sowie Name und Anschrift der Firmen in der Gemeinschaft, bei denen wegen Lieferung eines Instruments, Apparats oder Geräts gleichen wissenschaftlichen Wertes angefragt wurde, das Ergebnis dieser Anfragen und gegebenenfalls eine Begründung, weshalb die in der Gemeinschaft verfügbaren Instrumente, Apparate oder Geräte zur Durchführung der beabsichtigten spezifischen Forschungsvorhaben nicht geeignet sind.

6.

Nach Artikel 7 der Verordnung Nr. 2784/79 entscheidet die zuständige innerstaatliche Behörde unmittelbar über den Antrag, wenn sie aufgrund der ihr vorliegenden Angaben gegebenenfalls nach Anhörung der in Betracht kommenden Wirtschaftskreise beurteilen kann, ob gegenwärtig Instrumente, Apparate oder Geräte von gleichem wissenschaftlichem Wert in der Gemeinschaft hergestellt werden. Ist dies nicht der Fall, so übersendet sie den Antrag der Kommission, die die Mitgliedstaaten konsultiert und bei ablehnender Stellungnahme den Fall einer Sachverständigengruppe vorlegt. Ergibt die Prüfung durch die Sachverständigengruppe, daß gleichwertige Apparate in der Gemeinschaft hergestellt werden, so trifft die Kommission eine Entscheidung des Inhalts, daß die Voraussetzungen für die zollfreie Einfuhr des betreffenden Apparats nicht vorliegen. Andernfalls trifft sie eine Entscheidung, mit der festgestellt wird, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind. Die Entscheidung der Kommission wird allen Mitgliedstaaten binnen zwei Wochen bekanntgegeben.

II — Sachverhalt und Ausgangsverfahren

1.

Die Technische Universität München (Klägerin des Ausgangsverfahrens) ließ zwischen dem 1. Juni 1979 und dem 23. März 1981 ein von der Firma Japan Elektron Optics Laboratory Ltd in Tokio hergestelltes Raster -Elektronenmikroskop Modell JSM-35 C nebst Zubehör zum freien Verkehr abfertigen. Das Gerät war für Forschungsaufgaben der Fachbereiche Chemie, Biologie und Geowissenschaften der Technischen Universität München bestimmt und sollte bei der Untersuchung elektrochemischer Prozesse, geologischer, mineralogischer und lebensmittelchemischer Probleme, von Kunststoffen, photochemischen Emulsionen und biologischen Systemen verwendet werden.

2.

Das Hauptzollamt München-Mitte (Beklagter des Ausgangsverfahrens) stellte das Gerät und das Zubehör zunächst vom Zoll frei. Mit Bescheiden vom 14. und 15. April sowie 22. Juni 1982 forderte das Hauptzollamt dann Zölle in Höhe von 31110,20 DM und darauf entfallende anteilige Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 3746,50 DM nach. Zur Begründung berief es sich im wesentlichen auf die Entscheidung 82/86/EWG der Kommission vom 23. Dezember 1981 (ABl. 1982 L 41, S. 53), die ein ähnliches Gerät betraf.

3.

Im Einspruchsverfahren schaltete das Hauptzollamt gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2784/79 der Kommission vom 12. Dezember 1979 die Kommission ein. Diese erließ am 5. Juli 1983 die Entscheidung 83/348/EWG (ABl. L 188, S. 22), nach der das Elektronenmikroskop nicht unter Zollbefreiung eingeführt werden kann, da in der Gemeinschaft Geräte von gleichem wissenschaftlichen Wert, die zu den gleichen Zwecken verwendet werden könnten, hergestellt würden, insbesondere das Gerät PSEM 500 X der Firma Philips Nederland BV. Den Einsprüchen der Klägerin wurde in der Folge nicht stattgegeben.

4.

Die Technische Universität erhob daraufhin Klage zum Finanzgericht München. Zur Begründung führte sie im wesentlichen an, daß die bei den Forschungsaufgaben des Laboratoriums für Strukturchemie sich ergebenden Problemstellungen nur mit dem japanischen Gerät lösbar seien. Das Philips-Gerät sei wegen seiner geringeren Auflösung und Tiefenschärfe sowie wegen des viel kürzeren Arbeitsabstandes hierfür nicht geeignet. Dies wurde durch einen vom Finanzgericht bestellten Gutachter bestätigt.

5.

In seinem Urteil vom 28. Oktober 1987 entschied das Finanzgericht, das japanische Gerät besitze wissenschaftlichen Charakter im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung Nr. 1798/75 des Rates. Zur Zeit der Bestellung des Geräts durch die Klägerin sei in der Gemeinschaft kein Gerät von gleichem wissenschaftlichem Wert hergestellt worden (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung). Das in der Kommissionsentscheidung 83/348 genannte Philips-Gerät könne für die wissenschaftlichen Zwecke der Klägerin insbesondere wegen seiner schlechten Auflösung nicht die gleichen Dienste leisten wie das eingeführte Gerät. Das Finanzgericht stützte sich insoweit auf ein Sachverständigengutachten des Labors für Elektronenmikroskopie der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen vom 19. Mai 1987.

6.

Das Finanzgericht war der Auffassung, der Zollfreiheit des eingeführten Elektronenmikroskops könne die Entscheidung 83/348 der Kommission nicht entgegengehalten werden. Diese Entscheidung sei ungültig, da sie auf einem offensichtlichen Irrtum der Kommission bei der Beurteilung der tatsächlichen Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1798/75 beruhe.

7.

Das Hauptzollamt legte gegen das Urteil des Finanzgerichts Revision zum Bundesfinanzhof ein. Nach dessen Auffassung stellt sich im vorliegenden Fall die Frage nach der Gültigkeit der Kommissionsentscheidung 83/348.

8.

Der Bundesfinanzhof führt aus, nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung Nr. 1798/75 dürfe die zuständige nationale Zollbehörde Zollbefreiung für ein importiertes wissenschaftliches Gerät nur gewähren, sofern zur Zeit der Bestellung kein Gerät von gleichem wissenschaftlichem Wert in der Gemeinschaft hergestellt worden sei. Habe die Behörde wie im vorliegenden Fall keine entsprechende Entscheidung treffen können, so müsse sie nach Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung Nr. 2784/79 die Kommission einschalten. Treffe die Kommission wie hier gemäß Artikel 7 Absatz 6 der Verordnung eine negative Entscheidung, so sei die nationale Zollbehörde an sie gebunden, d. h. gehindert, für das Gerät Zollfreiheit zu gewähren.

9.

Für den Fall, daß der Gerichtshof zur Auffassung gelangen sollte, die Entscheidung 83/348 der Kommission sei deswegen nicht ungültig, weil weder ein offensichtlicher Beurteilungsfehler noch ein Ermessensmißbrauch vorliege, bittet ihn der Bundesfinanzhof, seine bisherige Rechtsprechung in diesem Bereich zu überprüfen.

10.

Der Bundesfinanzhof legt dar, der Gerichtshof habe bisher in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß er im Rahmen einer solchen Prüfung nur über eine begrenzte Kontrollbefugnis verfüge; er könne also in Anbetracht des technischen Charakters der Prüfung der Frage, ob eine Gleichwertigkeit zwischen verschiedenen Geräten vorliege, den Inhalt einer entsprechenden Kommissionsentscheidung nur im Falle eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers oder eines Ermessensmißbrauchs beanstanden (vgl. zuletzt das Urteil des Gerichtshofes vom 15. März 1989 in der Rechtssache 303/87, Universität Stuttgart, Slg. 1989, 705). Der Bundesfinanzhof habe Zweifel, ob dieser Auffassung gefolgt werden könne.

11.

Die Entscheidung der zuständigen nationalen Zollbehörden über die Gewährung einer Zollbefreiung nach der Verordnung Nr. 1798/75 sei eine Rechtsentscheidung, bei der es keinen Ermessensspielraum gebe. Seien die Voraussetzungen der genannten Vorschrift erfüllt, so habe die Zollbehörde die Waren zollfrei zu lassen. Obwohl der Tatbestand des Artikels 3 Absatz 1 dieser Verordnung einige unbestimmte Rechtsbegriffe enthalte, stehe der Zollbehörde auch kein der gerichtlichen Kontrolle entzogener Beurteilungsspielraum zu.

12.

Auch die Feststellung der Tatsachengrundlage und die Anwendung der Begriffe des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1798/75 auf die im Einzelfall festgestellten Tatsachen durch die Zollbehörde unterlägen der gerichtlichen Nachprüfung. Daran ändere der Umstand nichts, daß die Prüfung durch die Zollbehörde einen weitgehend technischen Charakter habe. Auch beispielsweise die Entscheidungen über die Einreihung einer Ware in die Kombinierte Nomenklatur seien oft von gleicher technischer Natur, ohne daß die Auffassung vertreten werden könnte, die Gerichte dürften die entsprechende Verwaltungsentscheidung nur auf offensichtliche Fehler hin überprüfen.

13.

Eine Entscheidung der Kommission nach Artikel 7 Absatz 6 der Verordnung Nr. 2784/79 müsse in gleichem Umfang gerichtlich nachprüfbar sein wie eine Entscheidung der nationalen Zollbehörde. Sie sei rechtlich unrichtig und daher für ungültig zu erklären, wenn ihre Nachprüfung ergebe, daß sie auf einer unzutreffenden Auslegung des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung Nr. 1798/75 beruhe oder der Kommission Fehler bei der Feststellung der Tatsachengrundlage oder der Anwendung der Begriffe der genannten Vorschrift auf die festgestellten Tatsachen unterlaufen seien. Auch wenn die der Kommission unterlaufenen Beurteilungsfehler nicht offensichtlich sein sollten, müsse die Entscheidung als rechtswidrig und ungültig angesehen werden.

14.

Ob die Kommissionsentscheidung in diesem Sinne rechtmäßig sei, unterliege nach Auffassung des Bundesfinanzhofs der uneingeschränkten Nachprüfung durch den Gerichtshof. Eine nur eingeschränkte Nachprüfung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes würde bedeuten, daß eine rechtlich unrichtige, den Marktbürger belastende Kommissionsentscheidung Bestand behielte, nur weil die der Kommission unterlaufenen Fehler nicht offensichtlich seien. Je schwieriger die zu entscheidenden technischen Fragen seien, desto unangreifbarer wäre die entsprechende Kommissionsentscheidung. Es sei daher fraglich, ob eine solche Verkürzung des Rechtsschutzes des Marktbürgers mit dem im Gemeinschaftsrecht verankerten Grundsatz der Gewährung effektiven Rechtsschutzes vereinbar wäre.

15.

Der Bundesfinanzhof fragt den Gerichtshof daher, ob die Entscheidung 83/348 der Kommission vom 5. Juli 1983 gültig ist.

16.

Der Vorlagebeschluß vom 17. Juli 1990 ist am 6. September 1990 in das Register der Kanzlei des Gerichtshofes eingetragen worden.

17.

Gemäß Artikel 20 des Prokolls über die Satzung des Gerichtshofes der EWG haben die Technische Universität München, vertreten durch Herrn Wachinger, und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch ihren Rechtsberater J. Sack als Bevollmächtigten, schriftliche Erklärungen eingereicht.

18.

Der Gerichtshof hat auf Bericht des Berichterstatters nach Anhörung des Generalanwalts beschlossen, die mündliche Verhandlung ohne vorherige Beweisaufnahme zu eröffnen. Er hat jedoch die Kommission ersucht, den Antrag der Klägerin auf Zollabfertigung zusammen mit den entsprechenden Unterlagen sowie die Protokolle der Sitzungen der Sachverständigengruppe in dieser Angelegenheit vorzulegen. Er hat auch mehrere Fragen nach der Funktionsweise dieser Gruppe gestellt. Diesen Aufforderungen ist innerhalb der festgesetzten Frist nachgekommen worden.

III — Beim Gerichtshof eingereichte schriftliche Erklärungen

1.

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens trägt vor, das Philips-Gerät sei aufgrund seiner technischen Merkmale nicht zur Durchführung der Forschungsaufgaben des Laboratoriums für Strukturchemie geeignet; die sich hier ergebenden besonderen Problemstellungen könnten zufriedenstellend nur mit dem japanischen Gerät gelöst werden. Die Entscheidung 83/348 der Kommission sei daher ungültig, da sie auf einem offensichtlichen Beurteilungsfehler beruhe.

2.

Die Kommission macht geltend, wenn man die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofes zu Fragen der Zollbefreiung von wissenschaftlichen Apparaten und Instrumenten überblicke, so werde man nicht feststellen können, daß der Gerichtshof den Betroffenen nicht wirksamen Rechtsschutz gewährt hätte, denn in zahlreichen Fällen seien Entscheidungen der Kommission vom Gerichtshof aufgehoben worden.

Die Natur und die Komplexität einer Rechtssache könnten dazu führen, daß der Richter seine Kontrollfunktionen auf solche Umstände beschränke, die er für wesentlich halte und die er glaube, am sachgerechtesten in angemessener Frist bewältigen zu können. Solche Selbstbeschränkungen richterlicher Tätigkeit seien in allen Rechtssystemen der Mitgliedstaaten üblich und würden hauptsächlich bei technischen Sachverhalten oder sehr komplexen Einzelfallsituationen eingehalten.

Bei der Behandlung technischer Sachfragen könne der Wunsch, eine in jeder Hinsicht vollständige Aufklärung aller erheblichen Umstände zu erreichen, einen derartigen zeitlichen und sachlichen Aufwand erfordern, daß eine bedenkliche Verzögerung der Entscheidungsfindung eintrete. Es obliege dem Gerichtshof, in eigener Verantwortung den ihm angemessen erscheinenden Maßstab für die Beurteilung derartiger Fälle zu entwickeln. Es stehe den nationalen Gerichten vor einer Vorlage an den Gerichtshof frei, alle ihnen nötig erscheinenden Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung in den bei ihnen anhängigen Verfahren durchzuführen. Die Kommission halte es für ausgeschlossen, daß der Gerichtshof die Ergebnisse dieser Sachaufklärung bei seiner Entscheidungsfindung im Einzelfall nicht angemessen berücksichtigen werde.

Zur Gültigkeit der Entscheidung 83/348 führt die Kommission aus, die Gleichwertigkeit werde ermittelt, indem auf die wesentlichen technischen Merkmale abgestellt werde, um festzustellen, ob das in der Gemeinschaft hergestellte Gerät sich zu denselben wissenschaftlichen Zwecken eigne und ob es in vergleichbarer Weise gebraucht werden könne wie das eingeführte Gerät. Dabei sei besonders auf die Eigenschaften abzustellen, auf die sich der Einführende berufen habe, um fehlende Gleichwertigkeit geltend zu machen.

Die Kommission habe nach diesen Maßstäben eine Überprüfung der Gleichwertigkeit tatsächlich vorgenommen und sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß die in Rede stehenden Geräte gleichwertig seien.

Soweit die Klägerin geltend mache, ihre Forschungsvorhaben könnten wegen ihres spezifischen Charakters nur mit dem japanischen Gerät durchgeführt werden, da nur dieses über bestimmte technische Vorrichtungen verfüge, sei zu bemerken, daß der Kommission und den Sachverständigen der Mitgliedstaaten im wesentlichen bekannt gewesen sei, daß das japanische Mikroskop über ein höheres Auflösungsvermögen (mehr als 100 Angström) verfüge, einen größeren Arbeitsabstand (39 mm im Vergleich zu 9 mm) erlaube und mit einer Cryo-Einrichtung samt Kühlfalle ausgestattet sei, mit deren Hilfe sich Proben auch bei sehr tiefen Temperaturen (-150°) untersuchen ließen. In den Beratungen der Sachverständigen seien diese Gesichtspunkte anhand der von der niederländischen Zollverwaltung eingebrachten Unterlagen und Angaben der Firma Philips eingehend erörtert worden.

Aus den Unterlagen der niederländischen Delegation gehe insbesondere hervor, daß Philips in der Lage gewesen sei, ein Elektronenmikroskop der gewünschten Art mit Röntgenspektrometer und Cryo-Einrichtung zu liefern. In den Unterlagen würden die Eigenschaften des japanischen Geräts, auf die die Klägerin abgehoben habe, mit den Eigenschaften des Philips-Geräts verglichen (Auflösungsvermögen, Arbeitstemperatur, Kühlfalle). Das Philips-Gerät sei hinsichtlich des Auflösungsvermögens (ausgedrückt in Angström) gleich leistungsfähig und könne in Kältekammern gleicher Temperatur (-170 bzw. -180°) arbeiten. Bei dem Philips-Gerät sei im übrigen eine Kühlfalle nicht erforderlich, weil eine höhere Vakuumspezifikation als bei dem japanischen Gerät erreicht werde, so daß der Arbeitsabstand bei dem Philips-Gerät geringer als bei dem japanischen sein könne.

Das vom Finanzgericht München eingeholte Gutachten enthalte demgegenüber keinerlei neue Gesichtspunkte. Die ersten eineinhalb Seiten brächten lediglich eine Aufstellung der für die Forschungsvorhaben im einzelnen erforderlichen technischen Ausrüstung sowie einige Allgemeinplätze über das bei der Beschaffung übliche Verfahren. Auf der verbleibenden folgenden Seite würden als einziges Vergleichskriterium, von dem sich der Sachverständige habe leiten lassen, Aufnahmen von Testuntersuchungen mit beiden Instrumenten herangezogen, die sich in den Akten befunden hätten. Da die Bilder des japanischen Geräts eine größere Schärfe aufwiesen als die Bilder des Philips-Geräts, komme der Sachverständige zu dem Schluß, eine wissenschaftliche Gleichwertigkeit sei nicht gegeben, das japanische Gerät sei höherwertig. Die Ausführungen hierzu nähmen insgesamt nicht mehr als einen Absatz des Gutachtens ein.

Die Frage eines Leistungsvergleichs auf der Grundlage von Fotos sei bereits in der Stellungnahme der niederländischen Behörden zu dem Antrag auf Zollbefreiung behandelt worden. Dabei sei insbesondere darauf hingewiesen worden, daß ein derartiger Vergleich zahlreichen Vorbehalten begegne und zumindest genaue Vorgaben hinsichtlich der jeweiligen Aufnahmen eingehalten werden müßten. Aus dem Gutachten ergebe sich jedoch eindeutig, daß der Sachverständige selbst überhaupt nicht nachgeprüft habe, ob solche einheitlichen Vorgaben bestanden hätten und auch tatsächlich eingehalten worden seien.

Der Wert des im Rahmen des nationalen Verfahrens erstellten Gutachtens sei also gering, da allein auf die Aufnahmen abgestellt werde, ohne daß zuvor geprüft worden wäre, ob sie unter Umständen zustande gekommen seien, die Neutralität gewährleisteten. Dieses Gutachten reiche keinesfalls aus, die Entscheidung der Kommission für ungültig zu erklären.

In einer im Rahmen des vorliegenden Verfahrens eingeholten Stellungnahme der Firma Philips zu dem Gutachten, auf das sich die Klägerin berufe, werde im einzelnen ausgeführt, weshalb das Philips-Gerät als gleichwertig anzusehen sei. Unter anderem werde in dieser Stellungnahme auf das Auflösungsvermögen bis zu 40 Angström, den Rückstreuelektronendetektor, das vertikale Röntgenspektrometer und das Cryo-System mit Luftschleuse hingewiesen. Philips lege dar, welche Bedenken bestünden, einfach fotografische Aufnahmen für einen Leistungsvergleich heranzuziehen. Es werde auch klargestellt, unter welchen Bedingungen ein solcher Leistungsvergleich gegebenenfalls möglich sei. Im vorliegenden Fall seien diese Bedingungen von dem Gutachter nicht beachtet worden. Außerdem enthalte das Gutachten einige offenbare Unrichtigkeiten hinsichtlich des Auflösungsvermögens des Philips-Geräts. Es bestünden also die allergrößten Bedenken, auf der Grundlage dieses Gutachtens den Fall abschließend zu entscheiden.

Der Gerichtshof könne die Entscheidung der Kommission, soweit sie mit der Stellungnahme der technischen Sachverständigen übereinstimme, nur aufheben, wenn ein offensichtlicher Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliege oder ein Ermessensmißbrauch zu beanstanden sei. Die Kommission habe alle technischen Angaben der Klägerin mit den von der niederländischen Zollverwaltung vorgelegten und überprüften Unterlagen der Firma Philips in Beratung mit den technischen Sachverständigen aller Mitgliedstaaten eingehend gewürdigt und keine wesentliche Tatsache oder Rechtsfrage übersehen. Das vom Finanzgericht eingeholte Gutachten habe zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen. Wegen seiner einseitigen Bezugnahme auf ein unzureichendes Kriterium vermöge es die Entscheidung der Kommission ohnehin nicht zu beeinträchtigen. Die Kommission habe ihre Entscheidung nicht auf wirtschaftliche Betrachtungen, sondern allein auf die objektiven technischen Merkmale der beiden Geräte gestützt.

Sollte der Gerichtshof seine Rechtsprechung ändern wollen, so wäre es nach Auffassung der Kommission nötig, eine neutrale Stelle mit einem neuen technischen Gutachten zu betrauen. Denn allein nach der Aktenlage könne der Fall dann nicht entschieden werden. Es spreche aber für die bisherige Rechtsprechung, daß die Einholung aufwendiger Gutachten in keinem Verhältnis zu dem Zoll für das eingeführte Gerät stehe.

IV — Antworten auf die Fragen des Gerichtshofes

1.

Die Kommission hat dem Gerichtshof die Arbeitsunterlagen allgemeiner Art, Instruktionen und Vermerke vorgelegt, in denen die Modalitäten festgelegt sind, nach denen die Sitzungen des Sachverständigenausschusses bezüglich der Anträge auf Zollbefreiung für wissenschaftliche Geräte abgehalten werden.

Aus diesen Angaben geht hervor, daß die Arbeiten des Sachverständigenausschusses auf der „Geschäftsordnung“ dieses Ausschusses vom 17. September 1975 sowie auf Ausarbeitungen der Kommission in Form von Erläuterungen, Auslegungshilfen und anderen Hinweisen zur Anwendung der Verordnungen Nr. 1798/75 und Nr. 3195/75 beruhen.

In der Geschäftsordnung sind die Modalitäten festgelegt, nach denen die Vertreter der Mitgliedstaaten, aus denen der Ausschuß besteht, ihre Entscheidungen treffen.

Nach Artikel 6 der Geschäftsordnung kann jeder Mitgliedstaat von höchstens fünf Beamten vertreten werden; der Vertreter eines Mitgliedstaats kann gegebenenfalls die Vertretung nur eines anderen Mitgliedstaats wahrnehmen. Artikel 6 der Geschäftsordnung bestimmt weiter, daß für die Beschlußfähigkeit des Ausschusses dieselbe Stimmenzahl erforderlich ist wie für Stellungnahmen.

Nach Artikel 10 der Geschäftsordnung sind die Arbeiten des Ausschusses vertraulich.

Zum Ablauf dieser Arbeiten führt die Kommission aus, eine Entscheidung werde normalerweise nicht in bloß einer Sitzung getroffen, sondern ein Antrag werde stets mindestens in zwei Sitzungen behandelt, um ausreichende Zeit zu Nachforschungen zu geben. în allen Fällen werde ein größtmögliches Einvernehmen der technischen Sachverständigen gesucht.

Im vorliegenden Fall habe es sich um die Bestätigung einer bereits früher getroffenen Entscheidung gehandelt; deshalb sei der Fall nur in einer Sitzung behandelt worden.

2.

Auf die Frage, ob allgemeine Entscheidungen darüber getroffen wurden, wie der Sachverständigenausschuß die Gleichwertigkeit eines wissenschaftlichen Geräts festzustellen hat, hat die Kommission erklärt, die Voraussetzungen für Feststellung der Gleichwertigkeit seien in Artikel 3 Absatz 3 dritter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 1798/75 selbst festgelegt. Die Kommission habe ergänzend dazu einige Erläuterungen angefertigt.

Die Kommission betont, daß sie bei der Gleichwertigkeitsprüfung keine vergleichenden Warentests durchführe. Wertungen über die Qualität der Apparate wären ein Verfahrensmißbrauch. Man könne sich nur an die „Papierform“, d. h. die Leistungsfähigkeit der Apparate nach den Beschreibungen ihrer Hersteller, halten.

3.

Auf die Frage, ob im Zweifelsfall die Gleichwertigkeit eines importierten wissenschaftlichen Geräts anerkannt oder verneint wird, hat die Kommission geantwortet, wenn es trotz aller intensiven Nachforschungen nicht gelungen sei, die Zweifel zu beheben, werde die Gleichwertigkeit nicht anerkannt und die Zollbefreiung gewährt.

4.

In bezug auf die Fähigkeiten, die man aufweisen muß, um zum Mitglied des Sachverständigenausschusses ernannt zu werden, hat die Kommission erklärt, es gebe keinerlei förmliche Festlegungen in dieser Hinsicht. Die Auswahl erfolge nach dem Ermessen der Mitgliedstaaten. Es sei jedoch zu bemerken, daß selbst höchstes technisches Sachwissen auf einem Gebiet nicht zu einer Entscheidung auf einem anderen Gebiet befähige. Entscheidend sei deshalb nicht die Person eines Ausschußmitglieds, sondern die Aufklärungsarbeit, die sie mit Hilfe der ihrer Regierung insgesamt zur Verfügung stehenden wissenshaftlichen Hilfsdienste leiste. Tatsächlich würden von den Mitgliedstaaten hauptsächlich Beamte der Ministerien für Wissenschaft, Industrie, Handel oder Finanzen entsandt. Die Kommission lasse sich stets von ihrer Forschungsstelle in Ispra beraten.

5.

Zu der Frage, inwieweit derjenige, der die Zollbefreiung beantragt, die Möglichkeit hat, im Rahmen des Verfahrens vor dem Sachverständigenausschuß seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen, hat die Kommission auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes verwiesen, die ein Recht des Antragstellers auf Anhörung durch den Sachverständigenausschuß verneine.

Das Verfahren sei nämlich als ein solches zwischen Kommission und Mitgliedstaaten ausgestaltet. Da jedoch der Mitgliedstaat, der den Fall der Kommission vorgetragen habe, sich notwendigerweise die Argumente des Antragstellers zu eigen mache — sonst würde er den Fall nicht an die Kommission herantragen — und der Antragsteller in Kontakt mit diesem Mitgliedstaat stehe, könnten auf diese Weise sämtliche wesentlichen Argumente des Antragstellers in das Verfahren einbezogen werden. Vertagungen des Ausschusses erfolgten häufig, um dem Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, dem Antragsteller Kenntnis von der Sachlage nach der Ausschußberatung zu geben. Im übrigen gebe es nach Kenntnis der Kommission einen Anspruch von Verfassungsrang auf Gehör nur vor den Gerichten, nicht aber im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens.

6.

Die Kommission hat erklärt, es entziehe sich ihrer Kenntnis, ob die Technische Universität München die Möglichkeit gehabt habe, zu den Angaben Stellung zu nehmen, die in dem den Erklärungen der Kommission beigefügten Dokument mit dem Titel „Application for the duty-free importation of JSM-35 C electron microscope into Federal Republic of Germany — File N° 283-3618“ enthalten seien.

Es sei aber zu bemerken, daß dieses Dokument selbst eine Entgegnung auf die Argumente der Antragstellerin enthalte und daß die Antragstellerin bereits gewußt habe, welcher Apparat in der Gleichwertigkeitsprüfung eine Rolle gespielt habe. Die geltende Regelung sei im übrigen nicht als kontradiktorisches Verfahren ausgestaltet.

M. Diez de Velasco

Berichterstatter


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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URTEIL DES GERICHTSHOFES

vom 21. November 1991 ( *1 )

In der Rechtssache C-269/90

betreffend ein dem Gerichtshof gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag vom Bundesfinanzhof in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Hauptzollamt München-Mitte

gegen

Technische Universität München

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Gültigkeit der Entscheidung 83/348/EWG der Kommission vom 5. Juli 1983, mit der festgestellt wird, daß das Gerät „JEOL — Scanning Electron Microscope, model JSM-35 C“ nicht unter Befreiung von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs eingeführt werden kann (ABl. L 188, S. 22),

erläßt

DER GERICHTSHOF

unter Mitwirkung des Präsidenten O. Due, der Kammerpräsidenten Sir Gordon Slynn, R. Joliét, F. A. Schockweiler und F. Grévisse, der Richter G. F. Mancini, C. N. Kakouris, J. C. Moitinho de Almeida, G. C. Rodríguez Iglesias, M. Diez de Velasco und M. Zuleeg,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: H. A. Rühi, Hauptverwaltungsrat

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der Technischen Universität München, vertreten durch Herrn Wachinger, Leitender Regierungsdirektor,

der Kommission, vertreten durch ihren Rechtsberater J. Sack als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Kommission in der Sitzung vom 11. Juni 1991,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. Juli 1991,

folgendes

Urteil

1

Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluß vom 17. Juli 1990, beim Gerichtshof eingegangen am 6. September 1990, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag eine Frage nach der Gültigkeit der Entscheidung 83/348/EWG der Kommission vom 5. Juli 1983, mit der festgestellt wird, daß das Gerät „JEOL — Scanning Electron Microscope, model JSM-35 C“ nicht unter Befreiung von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs eingeführt werden kann (ABl. L 188, S. 22), zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Technischen Universität München und dem Hauptzollamt München-Mitte.

3

In dem Rechtsstreit geht es um die Gewährung einer Zollbefreiung für ein in die Gemeinschaft eingeführtes wissenschaftliches Gerät gemäß Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EWG) Nr. 1798/75 des Rates vom 10. Juli 1975 über die von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs befreite Einfuhr von Gegenständen erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters (ABl. L 184, S. 1) in der seit dem 1. Januar 1980 geltenden Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 1027/79 des Rates vom 8. Mai 1979 (ABl. L 134, S. 1).

4

Die Technische Universität ließ zwischen dem 1. Juni 1979 und dem 23. März 1981 ein von der Firma Japan Elektron Optics Laboratory Ltd in Tokio hergestelltes Raster-Elektronenmikroskop Modell JSM-35 C zum freien Verkehr abfertigen. Das Gerät war für Forschungsaufgaben ihrer Fachbereiche Chemie, Biologie und Geowissenschaften bestimmt und sollte bei der Untersuchung elektrochemischer Prozesse, geologischer, mineralogischer und lebensmittelchemischer Probleme sowie bei der Erforschung von Kunststoffen, photochemischen Emulsionen und biologischen Systemen verwendet werden.

5

Das Hauptzollamt stellte das Gerät zunächst vom Zoll frei. Mit Bescheiden vom 14. und 15. April sowie 22. Juni 1982 forderte es dann jedoch Zölle in Höhe von 31110 DM und Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von 3746 DM nach.

6

Auf den von der Technischen Universität eingelegten Einspruch schaltete das Hauptzollamt gemäß Artikel 7 Absatz 2 der Verordnung (EWG) Nr. 2784/79 der Kommission vom 12. Dezember 1979 zur Festlegung der Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 1798/75 (ABl. L 318, S. 32) die Kommission ein.

7

Die Kommission erließ am 5. Juli 1983 die Entscheidung 83/348, nach der das fragliche Elektronenmikroskop nicht unter Zollbefreiung eingeführt werden kann, da in der Gemeinschaft Geräte von gleichem wissenschaftlichem Wert, die zu den gleichen Zwecken verwendet werden könnten, hergestellt würden, insbesondere das Gerät PSEM 500 X der Firma Philips Nederland BV.

8

Aufgrund dieser Entscheidung der Kommission lehnte das Hauptzollamt den Antrag auf Zollbefreiung ab. Daraufhin erhob die Technische Universität Klage.

9

Der mit dem Rechtsstreit in letzter Instanz befaßte Bundesfinanzhof ist der Auffassung, im vorliegenden Fall stelle sich die Frage nach der Gültigkeit der Kommissionsentscheidung 83/348. Der Gerichtshof habe bisher stets entschieden, daß er im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten über Fragen der zollfreien Einfuhr wissenschaftlicher Geräte nur über eine begrenzte Kontrollbefugnis verfüge. Nach dieser Rechtsprechung könne der Gerichtshof also in Anbetracht des technischen Charakters der Fragen, die sich in diesem Bereich stellten, eine Kommissionsentscheidung nur im Falle eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers oder eines Ermessensmißbrauchs für ungültig erklären. Der Bundesfinanzhof habe Zweifel, ob diese Auffassung aufrechterhalten werden könne.

10

Die Feststellung der Tatsachengrundlage und die Anwendung der rechtlichen Kriterien für die Gewährung der Zollbefreiung könnten einer gerichtlichen Nachprüfung nicht entzogen sein. An diesem Gebot des Rechtsschutzes ändere der Umstand nichts, daß die Prüfung der Gleichwertigkeit wissenschaftlicher Geräte durch die zuständigen Zollbehörden einen weitgehend technischen Charakter habe.

11

Der Bundesfinanzhof fragt den Gerichtshof daher, ob die Entscheidung 83/348 der Kommission vom 5. Juli 1983 gültig ist.

12

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des rechtlichen Rahmens des Ausgangsrechtsstreits, des Verfahrensablaufs sowie der vor dem Gerichtshof abgegebenen schriftlichen und mündlichen Erklärungen wird auf den Sitzungsbericht verwiesen. Der Akteninhalt ist im folgenden nur insoweit wiedergegeben, als die Begründung des Urteils dies erfordert.

13

Es ist darauf hinzuweisen, daß die Kommission in einem Verwaltungsverfahren, das komplexe technische Beurteilungen zum Gegenstand hat, über einen Beurteilungsspielraum verfügt, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.

14

Soweit jedoch die Organe der Gemeinschaft über einen solchen Beurteilungsspielraum verfügen, kommt eine um so größere Bedeutung der Beachtung der Garantien zu, die die Gemeinschaftsrechtsordnung in Verwaltungsverfahren gewährt. Zu diesen Garantien gehören insbesondere die Verpflichtung des zuständigen Organs, sorgfältig und unparteiisch alle relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalles zu untersuchen, das Recht des Betroffenen, seinen Standpunkt zu Gehör zu bringen, und das Recht auf eine ausreichende Begründung der Entscheidung. Nur so kann der Gerichtshof überprüfen, ob die für die Wahrnehmung des Beurteilungsspielraums maßgeblichen sachlichen und rechtlichen Umstände vorgelegen haben.

15

Es ist somit zu prüfen, ob die streitige Entscheidung unter Wahrung der vorerwähnten Grundsätze ergangen ist.

16

Zum ersten Punkt ist zu bemerken, daß durch die Verordnung (EWG) Nr. 1798/75 das Abkommen von Florenz vom 22. November 1950 (vgl. ABl. 1979, L 134, S. 14) in der Gemeinschaft durchgeführt worden ist, in dem sich die Vertragsstaaten verpflichten, keine Zölle oder sonstigen Abgaben bei der Einfuhr von wissenschaftlichen Geräten, die zu Unterrichtszwecken oder zur Forschung bestimmt sind, zu erheben, mit dem Vorbehalt, daß keine Geräte von gleichem wissenschaftlichem Wert im Einfuhrland hergestellt werden.

17

Wie sich aus der ersten Begründungserwägung der Verordnung Nr. 1798/75 ergibt, sollten Gegenstände erzieherischen, wissenschaftlichen oder kulturellen Charakters im Rahmen des Möglichen von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs befreit werden, um den freien Austausch von Ideen sowie die kulturelle Betätigung und die wissenschaftliche Forschung in der Gemeinschaft zu erleichtern.

18

Nach Anikei 3 Absatz 1 dieser Verordnung wird für wissenschaftliche Instrumente, Apparate und Geräte, die ausschließlich zu nichtkommerziellen Zwecken eingeführt werden, die Befreiung von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs gewährt, sofern gegenwärtig keine Instrumente, Apparate und Geräte von gleichem wissenschaftlichem Wert in der Gemeinschaft hergestellt werden.

19

Die Gewährung der Zollbefreiung für ein in die Gemeinschaft eingeführtes wissenschaftliches Gerät kann also nur dann mit der Begründung, es gebe in der Gemeinschaft ein Gerät von gleichem wissenschaftlichem Wert, verweigert werden, wenn die Ermittlungen der mit der Anwendung der Verordnung Nr. 1798/75 betrauten Behörden diese letztere Tatsache mit Gewißheit ergeben haben.

20

Im Rahmen des durch die Verordnung Nr. 2784/79 vorgesehenen Verfahrens konsultiert die Kommission die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls eine Sachverständigengruppe. Ergibt die Prüfung durch diese Gruppe, daß ein gleichwertiges Gerät in der Gemeinschaft hergestellt wird, so trifft die Kommission eine Entscheidung des Inhalts, daß die Voraussetzungen für eine zollfreie Einfuhr des betreffenden Geräts nicht erfüllt sind.

21

Die Kommission hat eingeräumt, daß sie den Empfehlungen der Sachverständigengruppe immer gefolgt sei, da sie keine anderen Informationsquellen über die betreffenden Geräte besitze.

22

Unter diesen Umständen kann die Sachverständigengruppe nur dann ihrer Aufgabe gerecht werden, wenn sie aus Personen zusammengesetzt ist, die über den notwendigen technischen Sachverstand in den verschiedenen Bereichen verfügen, in denen die wissenschaftlichen Geräte jeweils eingesetzt werden, oder wenn die Mitglieder dieser Gruppe von Personen beraten werden, die diesen Sachverstand besitzen. Weder das Protokoll über die Sitzung der Sachverständigengruppe noch die Erörterungen vor dem Gerichtshof haben jedoch ergeben, daß die Mitglieder dieser Gruppe selbst über den notwendigen Sachverstand in der Chemie, der Biologie und den Geowissenschaften verfügen oder den Rat von Sachverständigen auf diesen Gebieten eingeholt hätten, um sich zu den technischen Problemen äußern zu können, die sich bei der Prüfung der Gleichwertigkeit der in Rede stehenden wissenschaftlichen Geräte stellen. Die Kommission hat deshalb gegen ihre Verpflichtung zu sorgfältiger und unparteiischer Prüfung aller relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalles verstoßen.

23

Zweitens ist festzustellen, daß die Verordnung Nr. 2784/79 dem Betroffenen, der ein wissenschaftliches Gerät einführt, nicht die Möglichkeit gibt, vor der Sachverständigengruppe seinen Standpunkt darzulegen oder zu den der Gruppe vorliegenden Informationen Stellung zu nehmen oder sich zu der von der Gruppe ausgesprochenen Empfehlung zu äußern.

24

Gerade die Einfuhranstalt kennt jedoch die technischen Merkmale am besten, über die das wissenschaftliche Gerät im Hinblick auf die damit vorgesehenen Arbeiten verfügen muß. Der Vergleich zwischen dem eingeführten Gerät und den in der Gemeinschaft hergestellten Geräten muß daher unter Berücksichtigung der Angaben erfolgen, die der Betroffene zu den beabsichtigten Forschungsvorhaben und zur geplanten Verwendung des Geräts macht.

25

Dem Recht auf Anhörung in einem solchen Verwaltungsverfahren ist also nur genügt, wenn der Betroffene die Gelegenheit erhält, in dem Verfahren vor der Kommission selbst Stellung zu nehmen und sich zur Relevanz der Sachumstände sowie gegebenenfalls zu den Unterlagen in sachdienlicher Weise zu äußern, auf die das Gemeinschaftsorgan zurückgreift. Dieses Erfordernis ist bei Erlaß der streitigen Entscheidung nicht beachtet worden.

26

Drittens und letztens ergibt sich in bezug auf die nach Artikel 190 EWG-Vertrag vorgeschriebene Begründung aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes (vgl. insbesondere das Urteil vom 26. Juni 1986 in der Rechtssache 205/85, Nicolet Instrument, Slg. 1986, 2049), daß diese Begründung die Überlegungen der Gemeinschaftsbehörde, die den angefochtenen Rechtsakt erlassen hat, so klar und unzweideutig wiedergeben muß, daß es dem Betroffenen möglich ist, zur Wahrnehmung seiner Rechte die tragenden Gründe für die Maßnahme kennenzulernen, und daß der Gerichtshof seine Kontrolle ausüben kann.

27

Zum vorliegenden Fall ist insoweit festzustellen, daß die Entscheidung der Kommission keine ausreichende Darstellung der wissenschaftlichen Gründe enthält, die die Feststellung tragen könnten, daß das in der Gemeinschaft hergestellte Gerät dem eingeführten Gerät gleichwertig ist. In der streitigen Entscheidung wird nämlich nur der Wortlaut einer der früheren Entscheidungen der Kommission — der Entscheidung 82/86/EWG vom 23. Dezember 1981 (ABl. 1982, L 41, S. 53) — wiederholt. Es ist dem Betroffenen somit nicht möglich, nachzuprüfen, ob die Entscheidung auf einem Beurteilungsfehler beruht. Die Entscheidung genügt daher nicht den Erfordernissen des Artikels 190 EWG-Vertrag.

28

Nach alledem ist die streitige Entscheidung nach einem Verwaltungsverfahren ergangen, in dem die Verpflichtung des zuständigen Organs zu sorgfältiger und unparteiischer Prüfung aller relevanten Gesichtspunkte des Einzelfalles, das Recht auf Anhörung und die Verpflichtung zu einer ausreichenden Begründung der getroffenen Entscheidung verletzt wurden.

29

Dem vorlegenden Gericht ist somit zu antworten, daß die Entscheidung 83/348 der Kommission vom 5. Juli 1983, mit der festgestellt wird, daß das Gerät „JEOL — Scanning Electron Microscope, model JSM-35 C“ nicht unter Befreiung von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs eingeführt werden kann, ungültig ist.

Kosten

30

Die Auslagen der Kommission, die Erklärungen vor dem Gerichtshof abgegeben hat, sind nicht erstattungsfähig. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts.

 

Aus diesen Gründen

hat

DER GERICHTSHOF

auf die ihm vom Bundesfinanzhof mit Beschluß vom 17. Juli 1990 vorgelegte Frage für Recht erkannt:

 

Die Entscheidung 83/348/EWG der Kommission vom 5. Juli 1983, mit der festgestellt wird, daß das Gerät „JEOL — Scanning Electron Microscope, model JSM-35 C“ nicht unter Befreiung von den Zöllen des Gemeinsamen Zolltarifs eingeführt werden kann, ist ungültig.

 

Due

Slynn

Joliét

Schockweiler

Grévisse

Mancini

Kakouris

Moitinho de Almeida

Rodríguez Iglesias

Diez de Velasco

Zuleeg

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 21. November 1991.

Der Kanzler

J.-G. Giraud

Der Präsident

O. Due


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

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