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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 61987CC0301

    Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 4. Oktober 1989.
    Französische Republik gegen Kommission der Europäischen Gemeinschaften.
    Staatliche Beihilfen - Vorherige Meldung - Kapitalhilfen, zinsverbilligte Darlehen und Ermäßigung der Soziallasten.
    Rechtssache C-301/87.

    Sammlung der Rechtsprechung 1990 I-00307

    ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:1989:357

    61987C0301

    Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 4. Oktober 1989. - FRANZOESISCHE REPUBLIK GEGEN KOMMISSION DER EUROPAEISCHEN GEMEINSCHAFTEN. - STAATLICHE BEIHILFEN - VORHERIGE BEKANNTGABE - KAPITALHILFEN, GEWAEHRUNG VON ZINSVERBILLIGTEN DARLEHEN UND ERMAESSIGUNG DER SOZIALLASTEN. - RECHTSSACHE 301/87.

    Sammlung der Rechtsprechung 1990 Seite I-00307
    Schwedische Sonderausgabe Seite 00303
    Finnische Sonderausgabe Seite 00319


    Schlußanträge des Generalanwalts


    ++++

    Herr Präsident,

    meine Herren Richter!

    1 . In der vorliegenden Rechtssache begehrt die Französische Republik die Nichtigerklärung der Entscheidung 87/585/EWG der Kommission vom 15 . Juli 1987 ( ABl . L 352, S . 42 ). Die Kommission stellte in dieser Entscheidung fest, die französische Regierung habe durch Gewährung von Finanzhilfen an die Compagnie Boussac Saint Frères gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag verstossen, die Beihilfen seien mit Artikel 92 EWG-Vertrag unvereinbar und ein Teil dieser Beihilfen sei zurückzufordern . Das Vereinigte Königreich ist dem Verfahren als Streithelfer der beklagten Kommission beigetreten .

    Vorgeschichte

    2 . Der Textilsektor in der Europäischen Gemeinschaft ist ein anfälliger und schwieriger Wirtschaftszweig . Er ist aussergewöhnlich zersplittert, denn er weist nicht nur eine sehr grosse Anzahl von kleinen Unternehmen, sondern auch viele unterschiedliche Produkte auf . In den sechziger und siebziger Jahren brachten zunehmender Wettbewerb aus Niedriglohnländern sowie die Öffnung des Textil - und Bekleidungsmarktes die Industrie der Gemeinschaft in erhebliche Schwierigkeiten . Die Kommission weist in der angefochtenen Entscheidung darauf hin, daß zwischen 1975 und 1985 eine Million Arbeitsplätze, die etwa 40 % der Gesamtbeschäftigung in diesem Sektor ausmachten, verlorengingen .

    3 . Die Boussac-Gruppe entstand im wesentlichen vor dem zweiten Weltkrieg und war nach dem Krieg einmal das grösste französische Textilunternehmen . Sie passte sich indessen den vorerwähnten geänderten Bedingungen nicht gut an und musste am 30 . Mai 1978 das gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnen . Mit Hilfe ihrer Tochtergesellschaft Saint-Frères übernahm die Willot-Gruppe Boussac und gründete Boussac Saint-Frères . Trotz der Bemühungen um Umstrukturierung und der Stillegung unrentabler Produktionszweige wurde 1981 über das Vermögen fast aller Unternehmen dieser Gruppe das Vergleichsverfahren eröffnet . Ende 1981 wurde deutlich, daß keine Industrie - oder Finanzgruppe bereit war, für die gesamte Gruppe ein Rettungspaket anzubieten . Ihre Auflösung wurde aus verschiedenen Gründen einschließlich der sozialen Kosten nicht als angemessen betrachtet, und so kamen öffentliche Gelder ins Spiel . Die Firma Arthur D . Little erhielt den Auftrag zur Erstellung einer detaillierten Untersuchung und schlug eine Umorganisation vor . Das IDI ( Institut de développement industriel ) und bevorrechtigte Gläubiger ( Banken ) gaben das Kapital für eine neue Managementgesellschaft zur Leitung der Geschäfte des Unternehmens, das nunmehr Compagnie Boussac Saint-Frères oder CBSF heissen sollte ( ich werde es im folgenden "Boussac" nennen ). Es ist unbestritten, daß dem Unternehmen dann beträchtliche weitere Kapitalbeträge von der Sopari ( Société de participation et de restructuration industrielle ), einer Tochtergesellschaft des IDI, zur Verfügung gestellt wurden . Beide Organisationen sind für die Zwecke dieser Rechtssache als staatliche Gesellschaften behandelt worden .

    Verfahren

    4 . Ich muß die Verfahrensschritte etwas ausführlicher darstellen, da die Einzelheiten für die Beurteilung einiger Verfahrensfragen wesentlich sind, aus denen Frankreich die Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission herleiten will .

    5 . Auf der Grundlage von Informationen, die nicht von den französischen Behörden, sondern aus anderen Quellen stammten, ersuchte die Kommission die französische Regierung mit Fernschreiben vom 12 . Juli 1983 um Auskünfte über Umfang und Form der für Boussac im Sektor Hygienepapier geplanten Finanzhilfen . Da sie keine Antwort erhielt, übermittelte die Kommission am 22 . Februar 1984 ein weiteres Fernschreiben . Am 22 . März 1984 übersandten die französischen Behörden eine kurze Antwort des Inhalts, Boussac plane eine neue Produktionsstätte für seine Tochtergesellschaft Peaudouce in Roanne ( Département Loire ) als Teil des Entwicklungsplans für Boussac, der insgesamt von Sopari finanziert werde, die als Mehrheitsgesellschafter von Boussac bezeichnet wurde . Die Antwort schloß mit der Feststellung, daß für die Investition in Roanne, deren Kosten sich auf etwa 120 Mio FF beliefen, keine besondere öffentliche Finanzhilfe vorgesehen sei .

    6 . Mit einem weiteren Fernschreiben vom 12 . Juli 1984 ersuchte die Kommission um eine Auflistung aller Maßnahmen, die IDI zugunsten von Boussac seit 1981 durchgeführt habe; zu diesem Zeitpunkt habe, wie die Kommission feststellte, der französische Premierminister IDI besondere Anweisungen zur Rettung von Boussac erteilt . Die Kommission erklärte ebenfalls, sie habe erfahren, daß IDI ein zinsverbilligtes Darlehen für Boussac in Höhe von 180 Mio FF beschlossen habe, das als Beihilfe in der Planungsphase gemäß Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag der Kommission zu melden sei . Die Kommission erinnerte die französische Regierung daran, daß eine unter Verstoß gegen den Vertrag gewährte Beihilfe möglicherweise zurückgezahlt werden müsse .

    7 . In einem weiteren, ziemlich lakonischen Schreiben vom 22 . August 1984 teilte die französische Regierung der Kommission mit, IDI habe zum Anfangskapital der neuen Gesellschaft 100,1 Mio FF ( 50,1 %) beigesteuert und diese Beteiligung später auf Sopari übertragen . Sopari habe, so fuhr sie fort, Anfang 1984 Boussac 180 Mio FF zur Verfügung gestellt; eine weitere Zahlung von 200 Mio FF werde gerade vorbereitet . Mit Schreiben vom 3 . Dezember 1984 teilte die Kommission der französischen Regierung mit, daß sie das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag einleiten werde, und forderte die Regierung zur Äusserung auf . Die Kommission wies in ihrem Schreiben darauf hin, daß die Regierung zwar in ihrem Schreiben vom 22 . August 1984 in Beantwortung der drei Fernschreiben der Kommission einige Angaben übermittelt habe, die Kommission indessen die Notifizierung nach Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag noch immer nicht erhalten habe . Am 4 . Februar 1985 antwortete die französische Regierung wiederum sehr kurz, bezog sich auf die vorerwähnten Finanzhilfen von 100,1 Mio FF, 180 Mio FF und 200 Mio FF und erklärte, diese fielen unter Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c EWG-Vertrag .

    8 . Die Kommission ersuchte mit Schreiben vom 14 . März 1985 um weitere Angaben; da sie keine Antwort erhielt, übersandte sie am 14 . Mai 1985 ein Erinnerungschreiben . Am 4 . Juni 1985 übermittelte die französische Regierung weitere Angaben, die mit Schreiben vom 11 . Oktober 1985, 5 . Februar und 19 . Juni 1986 ergänzt wurden . Die weiteren Angaben bestanden weitgehend aus verschiedenen technischen Anmerkungen, mit denen dargestellt werden sollte, daß die Finanzhilfen Teil eines Umstrukturierungs - und Entwicklungsplans für das Unternehmen zur Verringerung der Kapazität und des Personals seien . Am 18 . Oktober 1985, 14 . Mai und 4 . Juli 1986 fanden ferner drei Sitzungen mit Vertretern der Kommission und der französischen Regierung statt; mit Schreiben vom 21 . Juli 1986 wurden der Kommission weitere Angaben übersandt .

    9 . Da die Kommission vermutlich deutlich gemacht hatte, daß sie die Argumente der französischen Regierung nicht für ausreichend hielt, schrieb am 10 . November 1986 der französische Minister für Industrie, Post - und Fernmeldewesen sowie Tourismus an das damalige Kommissionsmitglied für Wettbewerb, Herrn Sutherland, teilte diesem seine Besorgnis darüber mit, daß Berichte in der Presse Hinweise enthielten, daß ein hoher Betrag zurückgefordert werden müsse, und bat ihn, die Angelegenheit zu überdenken . Sutherland antwortete mit Schreiben vom 4 . Dezember, daß er das Vorbringen des Ministers nicht akzeptieren könne und der Kommission eine ablehnende Entscheidung empfehlen werde .

    10 . Am 8 . Dezember 1986 schrieb der damalige französische Premierminister Chirac an den Präsidenten der Kommission, Herrn Delors, und gab zu verstehen, daß es auf beiden Seiten immer noch Mißverständnisse und Meinungsverschiedenheiten bezueglich des genauen Umfangs und des Zwecks der geleisteten Finanzhilfen gebe und daß eine weitere Überprüfung zu einer Lösung der Probleme führen werde . Am 17 . Dezember 1986 entschied die Kommission, die Beihilfe sei nicht mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar, beschloß aber zugleich, mit der französischen Regierung den Betrag der geleisteten Finanzhilfen, den zurückzufordernden Betrag und die Methoden der Rückforderung weiter zu erörtern . Weitere Bemühungen der Kommission einschließlich einer Antwort von Herrn Delors an Herrn Chirac blieben ohne unmittelbare Reaktion .

    11 . Mit Schreiben vom 19 . Februar 1987 ernannte der französische Premierminister einen "Ansprechpartner", Herrn Gadonneix, der gemeinsam mit den Dienststellen der Kommission überprüfen sollte, in welchem Umfang Finanzhilfen für Boussac möglicherweise als gemeinschaftsrechtswidrige Beihilfen anzusehen seien . Am 27 . März und 21 . Mai 1987 wurden der Kommission zwei von Herrn Gadonneix erarbeitete Memoranden übersandt . In dem Begleitschreiben zum ersten Memorandum wies dieser besonders auf drei Punkte hin, die von der Kommission beachtet werden sollten : 1 . Das Ausmaß der Umstrukturierung und der Umfang des Kapazitätsabbaus bei Boussac müssten berücksichtigt werden; 2 . mit der staatlichen Finanzhilfe seien erhebliche Privatinvestitionen einhergegangen; 3 . die Gesellschaft befinde sich in einer fragilen Finanzsituation, die nicht noch weiter destabilisiert werden sollte .

    Die Entscheidung

    12 . Die Kommission ließ sich nicht umstimmen; sie erließ am 15 . Juli 1987 die angefochtene Entscheidung und stellte fest, die streitigen Maßnahmen seien rechtswidrige Beihilfen . Die Entscheidung ist komplex; arbeitet man sich jedoch von dem verfügenden Teil aus zurück durch die Entscheidung, dann stellt man fest, daß sie auf drei Maßnahmen oder Reihen von Maßnahmen konzentriert ist . Erstens gab es da die Kapitalspritzen der Sopari in Höhe von 333,1 Mio FF im Juli 1982, um das Gesellschaftskapital zu erneuern und zu erhöhen, sowie weitere Kapitalspritzen in Höhe von 110 Mio FF im Juni 1984 und von 190 Mio FF im Januar 1985, was insgesamt einen Gesamtbetrag von 633,1 Mio FF ergibt . Zweitens gab es Vorschüsse der Sopari über 36,8 Mio FF im Juni 1984 sowie zinsverbilligte Darlehen in Höhe von insgesamt 295 Mio FF zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen Dezember 1982 und Januar 1985, was einen weiteren Gesamtbetrag von 331,8 Mio FF ergibt . Drittens wurde der Gesellschaft im Juni 1983 ein Betrag von 35 Mio FF im Wege einer Ermässigung der vom Arbeitgeber aufzubringenden Sozialversicherungsbeiträge zur Verfügung gestellt, dies unter Verstoß gegen die frühere Entscheidung 83/245/EWG der Kommission vom 12 . Januar 1983 ( ABl . L 137, S . 24 ), der Frankreich nach dem Urteil des Gerichtshofes in der Rechtssache 52/83 ( Kommission/Französische Republik, Slg . 1983, 3707 ) nicht nachgekommen war . Aus dem so ermittelten Gesamtbetrag von 999,9 Mio FF errechnete die Kommission, daß Boussac ein Nettosubventionsäquivalent von 685,6 Mio FF erhalten habe . Von diesem Gesamtbeihilfebetrag zog die Kommission aus den in Teil X ihrer Entscheidung genannten Gründen die Beträge ab, die Boussac für die Übertragung von Produktionsstätten und Personal an unabhängige Unternehmen, die später die Produktion einstellten, aufgewandt hatte und die sich auf 347,3 Mio FF beliefen . Die verbleibenden 338,56 Mio FF waren von Boussac zurückzuzahlen .

    13 . Unter Berücksichtigung dieser Feststellungen ist Artikel 1 der Entscheidung der Kommission wie folgt abgefasst :

    "Die nach der Übertragung von IDI gewährten Kapitalhilfen von Sopari in Höhe von 633,1 Mio FF, die zinsverbilligten Darlehen von 331,8 Mio FF und die Ermässigungen der Sozialversicherungslasten in Höhe von 35 Mio FF im Rahmen der einschlägigen Beihilferegelung für die Textil - und Bekleidungsindustrie, die der Firma Boussac Saint Frères, einem wichtigen Unternehmen der Textil -, Bekleidungs - und Papierindustrie, im Zeitraum von 1982 bis 1985 gewährt wurden und von denen die französische Regierung die Kommission verspätet mit Fernschreiben vom 22 . März bzw . Schreiben vom 23 . August 1984 sowie im Rahmen des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 2 mit Schreiben vom 4 . Februar, 4 . Juni, 11 . Oktober 1985, 5 . Februar, 19 . Juni und 21 . Juli 1986 und 27 . März sowie 21 . Mai 1987 unterrichtete, sind rechtswidrig, da sie unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag gewährt wurden . Ausserdem sind sie im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ."

    Gemäß Artikel 2 der Entscheidung war von den insgesamt gezahlten 685,86 Mio FF ein Betrag von 338,56 Mio FF "zurückzuzahlen ".

    Die Klagegründe

    14 . In ihrer am 4 . Oktober 1987 beim Gerichtshof eingegangenen Klageschrift beantragt die Französische Republik die Nichtigerklärung dieser Entscheidung . Sie stützt sich auf vier Klagegründe : Erstens wirft sie eine Reihe von Verfahrensfragen auf; zweitens bringt sie vor, die Entscheidung verstosse gegen Artikel 190 EWG-Vertrag, weil sie in mehrfacher Hinsicht unzureichend begründet sei; drittens meint sie, daß die Entscheidung in mehrfacher Hinsicht gegen Artikel 92 EWG-Vertrag verstosse; schließlich macht sie geltend, die Entscheidung verletze den Grundsatz der Verhältnismässigkeit .

    15 . Die Kommission weist mit Unterstützung ihres Streithelfers dieses Vorbringen insgesamt zurück . Ich werde die Klagegründe nacheinander prüfen und dabei in jedem Fall die Reihenfolge berücksichtigen, die die französische Regierung in ihrer Klageschrift gewählt hat .

    I - Verfahrensfragen

    16 . Ich beginne demnach mit den von der französischen Regierung aufgeworfenen Verfahrensfragen .

    Notifizierung

    17 . Die französische Regierung bringt zunächst vor, selbst wenn die Maßnahmen Beihilfen sein sollten, was sie in Abrede stelle, habe sie ihre Verpflichtungen nach Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag erfuellt . Artikel 93 Absatz 3 lautet :

    "Die Kommission wird von jeder beabsichtigten Einführung oder Umgestaltung von Beihilfen so rechtzeitig unterrichtet, daß sie sich dazu äussern kann . Ist sie der Auffassung, daß ein derartiges Vorhaben nach Artikel 92 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist, so leitet sie unverzueglich das in Absatz 2 vorgesehene Verfahren ein . Der betreffende Mitgliedstaat darf die beabsichtigte Maßnahme nicht durchführen, bevor die Kommission eine abschließende Entscheidung erlassen hat ."

    18 . Nach Artikel 93 Absatz 3 muß somit eine geplante Beihilfe vor ihrer Gewährung der Kommission notifiziert werden . Dem Vorbringen der französischen Regierung, sie habe ihre Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 erfuellt, kann nicht gefolgt werden, denn die Kommission ist offenkundig nicht vor Gewährung der Beihilfe unterrichtet worden . Die Beihilfe wurde zwischen 1982 und 1985 gewährt, während der erste Hinweis Frankreichs, daß überhaupt eine Beihilfe geleistet werde, in dem Schreiben vom 22 . März 1984 enthalten war . Dieses Schreiben bezog sich, wie ich erwähnt habe, auf eine Finanzhilfe für Boussacs Tochtergesellschaft Peaudouce, die nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, und enthielt keine Meldung der verschiedenen Maßnahmen, um die es vorliegend geht . Zwar enthielt das Schreiben vom 22 . August 1984 einen ersten Hinweis auf die hier anstehenden Maßnahmen, aber eine ordnungsgemässe Notifizierung erfolgte weder damals noch später . Erst in der der Kommission am 21 . Juli 1986 übersandten Note, d . h . mehr als achtzehn Monate nach Einleitung des Verfahrens gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag durch die Kommission, wurden alle gewährten Beihilfen in einem umfänglichen Memorandum zusammengefasst . Unter diesen Umständen bin ich der Auffassung, daß die Französische Republik ganz offenkundig ihrer Pflicht zur vorherigen Unterrichtung der Kommission von der geplanten Beihilfe nicht nachgekommen ist .

    19 . Soweit die französische Regierung geltend macht, die Kommission dürfe keine formellen Voraussetzungen für eine vorherige Notifizierung festlegen, solche Voraussetzungen könnten nur vom Rat gemäß Artikel 94 EWG-Vertrag festgelegt werden, kann dieses Argument der Regierung nicht weiterhelfen, wenn sie wie vorliegend keinerlei Notifizierung vorgenommen hat . Das Vorbringen der französischen Regierung, die Anleitung zur Form der Notifizierung im Schreiben der Kommission vom 2 . Oktober 1981 habe nur als Hinweis ohne normativen Gehalt zu gelten, trifft daher den Punkt nicht . Auf jeden Fall ist die Verpflichtung zur Notifizierung geplanter Beihilfen von solch offenkundiger Bedeutung für das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes, daß mangels einschlägiger Verordnungen des Rates diese Verpflichtung in bezug auf Inhalt und Form genauestens eingehalten werden muß und daß die Notifizierung insbesondere ganz deutlich machen muß, daß sie darauf gerichtet ist, die Kommission in die Lage zu versetzen, sich gemäß Artikel 93 Absatz 3 zu äussern und notfalls das in Artikel 93 Absatz 2 vorgesehene Verfahren vor Durchführung der geplanten Beihilfe einzuleiten . Ich bin auch mit dem Vereinigten Königreich der Auffassung, daß die Beachtung der Hinweise im Schreiben der Kommission vom 2 . Oktober 1981 zu den Informationen, die die Kommission zur Erfuellung ihrer Aufgaben nach Artikel 93 Absatz 3 für erforderlich hält, bei der Frage berücksichtigt werden muß, ob ein Mitgliedstaat auch unter Berücksichtigung des Artikels 5 EWG-Vertrag seine Pflichten aus dem Vertrag erfuellt hat .

    Säumnis

    20 . Die französische Regierung wirft der Kommission ferner Säumnis vor . Die Kommission habe sich nicht an die vom Gerichtshof in den Rechtssachen 120/73 ( Lorenz/Bundesrepublik Deutschland, Slg . 1973, 1471 ) und 84/82 ( Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg . 1984, 1451 ) aufgestellten Voraussetzungen gehalten . Dort habe der Gerichtshof entschieden, daß die Kommission während der Vorprüfungsphase des Verfahrens nach Artikel 93 Absatz 3 mit der gebotenen Eile handeln und innerhalb einer angemessenen, vom Gerichtshof auf zwei Monate bemessenen Frist Stellung nehmen müsse, nach deren Ablauf der Mitgliedstaat das Vorhaben durchführen könne, wenn er dies der Kommission vorher anzeige . Komme die Kommission nach der Vorprüfung zu dem Schluß, daß die Beihilfe unvereinbar mit dem Gemeinsamen Markt sei, dann müsse sie unverzueglich das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 einleiten . Im vorliegenden Fall sei die Kommission am 22 . März 1984 über die Maßnahmen unterrichtet worden, habe aber das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 erst am 3 . Dezember 1984 eingeleitet . Das Schreiben vom 22 . März 1984 bezog sich jedoch, wie bereits erwähnt, auf Maßnahmen, die nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens sind, und die anschließenden Informationen wurden erteilt, nachdem die streitige Finanzhilfe bereits ausgezahlt worden war . Die französische Regierung kann sich daher nicht auf Grundsätze berufen, die der Gerichtshof in bezug auf ordnungsgemäß vorher notifizierte Beihilfevorhaben aufgestellt hat .

    21 . Frankreich bringt weiterhin vor, die Entscheidung der Kommission sei wegen der Länge des in Anspruch genommenen Zeitraums fehlerhaft; dieser Zeitablauf habe auch das berechtigte Vertrauen begründet, die Kommission werde sich letztendlich der Beihilfe nicht widersetzen . Eine Verzögerung auf seiten der Kommission kann in der Tat ein solches berechtigtes Vertrauen begründen ( vgl . das Urteil vom 24 . November 1987in der Rechtssache 223/85, Rijn-Schelde-Verolme Machinefabrieken en Scheepswerven/Kommission, Slg . 1987, 4617 ). Der Zeitraum im vorliegenden Fall ist zwar wirklich lang, doch sind die Gründe hierfür weitgehend auf das Verhalten der französischen Behörden zurückzuführen . Die Kommission erhielt, wie bereits erwähnt, erst am 22 . August 1984 überhaupt Angaben über die Beteiligung von IDI und Sopari an Boussac . 1985 und den grössten Teil des Jahres 1986 war es schwierig für die Kommission, überhaupt zusammenhängende Angaben von den französischen Behörden zu erhalten, und erst am 21 . Juli 1986 wurde, wie ich vorstehend dargelegt habe, der volle Umfang der gewährten Beihilfen deutlich . Herrn Sutherlands Schreiben an den französischen Industrieminister vom 4 . Dezember 1986 stellt klar, daß er als zuständiges Kommissionsmitglied für Wettbewerb der Kommission in ihrer Sitzung vom 17 . Dezember 1986 eine ablehnende Entscheidung vorschlagen werde . Aus dem vorstehend dargelegten Sachverhalt geht hervor, daß die weitere Verzögerung auf den Druck der französischen Behörden selbst zurückzuführen war; die französische Regierung kann aus meiner Sicht diese Verspätung nicht rügen . Auch als der französische Industrieminister und dann der Premierminister das Bedürfnis nach weiteren Erörterungen und Klarstellungen betonten, stellte der Präsident der Kommission in seinem Schreiben vom 20 . Januar 1987 an den französischen Premierminister klar, daß seitens der Kommission diese Erörterungen auf die Festlegung des genauen Betrags der gewährten Beihilfe und die Methode ihrer Rückforderung beschränkt würden und sich nicht auf die Feststellung bezögen, ob die Beihilfe rechtswidrig war oder nicht . Im Anschluß an zwei weitere Memoranden des französischen "Ansprechpartners" ( die ebenfalls einiges Drängen seitens der Kommission erforderten ) erließ dann die Kommission schließlich ihre Entscheidung vom 15 . Juli 1987 .

    22 . Unter diesen Umständen kann der Kommission aus meiner Sicht während des ersten Teils des fraglichen Zeitraums bis zum Juli 1986 keine Verzögerung zur Last gelegt werden, da es ihr nicht möglich war, vollständige und klare Angaben zu den streitigen Vorgängen zu erhalten; und wenn sie auch nach diesem Zeitpunkt rascher und vielleicht auch energischer auf den Druck hätte reagieren sollen, kann die französische Regierung doch insoweit keine Säumnis rügen, geschweige denn sich auf berechtigte Erwartungen berufen .

    Gewährung rechtlichen Gehörs

    23 . Die französische Regierung macht geltend, die "Rechte der Verteidigung" seien von der Kommission insoweit nicht beachtet worden, als sie die nach dem Verfahren gemäß Artikel 93 Absatz 2 von beteiligten Dritten erhaltenen Stellungnahmen nicht offengelegt habe . Die Kommission hat anscheinend Stellungnahmen von vier Mitgliedstaaten, sechs Verbänden und einem Einzelunternehmen erhalten . Es ist allgemein anerkannt, daß die Gewährung rechtlichen Gehörs ein fundamentaler Grundsatz des Gemeinschaftsrechts ist . In der Rechtssache 259/85 ( Französische Republik/Kommission, Slg . 1987, 4393 ) hat der Gerichtshof im Anschluß an seine früheren Urteile in den Rechtssachen 234/84 und 40/85 ( Königreich Belgien/Kommission, Slg . 1986, 2263 bzw . 2321 ) entschieden, dieser Grundsatz gebiete es, dem betroffenen Mitgliedstaat Gelegenheit zu geben, zu den Äusserungen Stellung zu nehmen, die beteiligte Dritte nach Artikel 93 Absatz 2 abgegeben hätten und auf die die Kommission ihre Entscheidung stützen wolle . Der Gerichtshof hat weiter ausgeführt, die Kommission dürfe solche Äusserungen in ihrer Entscheidung gegen diesen Staat nicht berücksichtigen, soweit dieser keine Gelegenheit gehabt habe, hierzu Stellung zu nehmen . Da der Gerichtshof in der Rechtssache 259/85 ( Französische Republik/Kommission ) auf Äusserungen abstellte, "auf die die Kommission ihre Entscheidung stützen will" ( eine Wendung, die leicht von derjenigen abweicht, wie sie in den beiden söben genannten, von Belgien anhängig gemachten Rechtssachen verwandt wurde ), mag es Raum für unterschiedliche Meinungen über den genauen Inhalt des Grundsatzes und seine Anwendung auf den Sachverhalt geben . In einigen Fällen mag es auch praktische Schwierigkeiten der von der Kommission in der mündlichen Verhandlung angedeuteten Art geben, wenn beteiligte Dritte von der Abgabe von Äusserungen abgehalten werden sollten . Aus meiner Sicht ist es Sache der Kommission, für Schwierigkeiten dieser Art eine Lösung zu finden, weil die Kommission das vorschriftsmässige Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 einschließlich Wahrung der Rechte des betroffenen Mitgliedstaats peinlich genau befolgen muß, wie ja auch die Mitgliedstaaten ihre Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 genauestens erfuellen müssen .

    24 . Vorliegend bin ich der Auffassung, daß die Kommission nicht das vorschriftsmässige Verfahren befolgt hat . Es ist jedoch nicht notwendig, diesen Punkt zu vertiefen, weil dieser Verfahrensfehler hier nicht zur Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission führt . Der Gerichtshof hat in der vorerwähnten Rechtssache 259/85 ( Französische Republik/Kommission ) klargestellt, daß eine solche Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann zu einer Nichtigerklärung führt, wenn das Verfahren ohne diese Verletzung zu einem anderen Ergebnis hätten führen können . Im vorliegenden Fall hat die Kommission in einem späten Stadium des Verfahrens angeboten, die betreffenden Stellungnahmen vorzulegen, und sie auf Ersuchen des Gerichtshofes auch vorgelegt . Dies heilt natürlich die Fehlerhaftigkeit nicht, doch wird beim Lesen dieser Stellungnahmen deutlich, daß sie dem Kenntnisstand der Kommission nichts hinzufügten . Auch hat die französische Regierung, nachdem die Stellungnahmen schließlich vorgelegt worden waren, nicht vorgebracht, daß sie das Ergebnis des Verfahrens hätten beeinflussen können . Eine solche Mutmassung wäre auf jeden Fall angesichts der sehr engen und langwierigen Konsultationen zwischen der Kommission und den französischen Behörden während der letzten Phasen des Verfahrens schwer aufrechtzuerhalten gewesen . Ich bin daher nicht der Auffassung, daß die Entscheidung der Kommission aus diesem Grund für nichtig erklärt werden sollte .

    Auswirkungen der unterlassenen Notifizierung

    25 . Die letzte von der französischen Regierung aufgeworfene Verfahrensfrage betrifft die Wirkungen der unterbliebenen Notifizierung eines Beihilfevorhabens . Es geht hier um den Umfang der Befugnisse der Kommission für den Fall, daß ein Mitgliedstaat es unterlässt, seine Pflicht zur vorherigen Meldung nach Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag zu erfuellen . Die Frage ist in mehreren zur Zeit beim Gerichtshof anhängigen Rechtssachen aufgetreten und kürzlich in den Schlussanträgen von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache 142/87 ( Königreich Belgien/Kommission ) eingehend erörtert worden . Ich möchte meine Prüfung auf die im vorliegenden Fall zu entscheidende Frage beschränken . Sie stellt sich hier in folgender Weise . Im verfügenden Teil ihrer Entscheidung stellte die Kommission fest, daß die betreffenden Finanzhilfen "rechtswidrig (( sind )), da sie unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag gewährt wurden ". Die Kommission stellte weiter sozusagen hilfsweise fest, daß die Maßnahmen auch im Sinne von Artikel 92 mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien . In der Begründung ihrer Entscheidung ( Teil III ) führte die Kommission aus :

    "Demnach mussten die fraglichen Beihilfen der Kommission gemäß Artikel 93 Absatz 3 gemeldet werden . Da die französische Regierung dies unterließ, war es der Kommission nicht möglich, sich zu den Maßnahmen vor ihrer Durchführung zu äussern . Daher waren die Beihilfen von ihrer Gewährung an aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht rechtswidrig . Die dadurch geschaffene Lage wiegt um so schwerer, als die Beihilfen dem Empfänger bereits ausgezahlt worden sind . Wie die französische Regierung bestätigte, wurden 290 Mio FF sogar erst gezahlt, nachdem die Kommission am 21 . November 1984 das förmliche Prüfungsverfahren nach Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag eingeleitet hatte . Alle betreffenden Beihilfen verstossen demnach gegen das Gemeinschaftsrecht . In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, daß - in Anbetracht des zwingenden Charakters der Verfahrensvorschriften nach Artikel 93 Absatz 3, die auch Bedeutung hinsichtlich der öffentlichen Ordnung haben und deren unmittelbare Geltung der Gerichtshof mit Urteil vom 19 . Juni 1973 in der Rechtssache 77/72 anerkannt hat - die Rechtswidrigkeit der hier in Frage stehenden Beihilfen nicht nachträglich geheilt werden kann .

    (( Die Rechtswidrigkeit aller dieser Beihilfen ergibt sich aus der Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften des Artikels 93 Absatz 3 . Zugleich sind diese Beihilfen im Sinne von Artikel 92 EWG-Vertrag mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar .)) ( 1 )

    Ausserdem kann die Kommission im Falle von Beihilfen, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind, die Mitgliedstaaten auffordern, rechtswidrig gewährte Beihilfen von den Empfängern zurückzuverlangen . Diese Möglichkeit hat ihr der Gerichtshof in seinem durch das Urteil vom 24 . Februar 1987 in der Rechtssache 310/85 bestätigten Urteil vom 12 . Juli 1973 in der Rechtssache 70/72 gegeben ."

    26 . In ihrer Klageschrift stellt die französische Regierung die Argumentation der Kommission wie folgt dar . Die Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag mache die betreffenden Maßnahmen "per se" und endgültig rechtswidrig, so daß sie nicht mehr rechtmässig gemacht werden könnten . Die Rechtswidrigkeit aufgrund von Verfahrensmängeln mache jede inhaltliche Überprüfung überfluessig und rechtfertige für sich allein die Anordnung der Rückzahlung .

    27 . Die französische Regierung stellt in Abrede, daß die betreffenden Maßnahmen wegen eines Verfahrensfehlers als rechtswidrig betrachtet werden können . Nach ihrem Dafürhalten ist die Argumentation der Kommission unlogisch : Die Kommission habe zwar erklärt, eine inhaltliche Überprüfung sei nicht erforderlich, weil die Beihilfen "per se" rechtswidrig seien; gleichwohl habe sie aber eine solche Überprüfung vorgenommen . Es verstosse ferner gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes, wenn sich die Kommission im Zusammenhang mit einer Verletzung von Verfahrensvorschriften, die vier oder fünf Jahre zurückliege, auf eine Rechtswidrigkeit "per se" berufe . Aus dem System des Artikels 92 Absätze 2 und 3 sowie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofes folge, daß die Kommission zur inhaltlichen Prüfung verpflichtet sei, bevor sie eine Beihilfe für rechtswidrig erklären könne . In ihrer Erwiderung trägt die französische Regierung ergänzend vor, das Unterbleiben einer solchen Überprüfung könne dazu führen, daß vollkommen ordnungsgemässe Beihilfen lediglich aus formalen Gründen abgelehnt würden .

    28 . Man wird bemerken, daß die Darstellung der Argumentation der Kommission durch die französische Regierung nicht genau mit der in der Entscheidung tatsächlich dargelegten Argumentation übereinstimmt : Insbesondere aus dem letzten Abschnitt des oben wiedergegebenen Auszugs aus der Entscheidung ergibt sich, daß die Kommission als Grundlage für die Rückforderung nicht Artikel 93 Absatz 3, sondern die angebliche Unvereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt heranzieht .

    29 . Die Argumentation der Kommission, wie sie sich aufgrund ihres Vorbringens in dieser Rechtssache darstellt, kommt gleichwohl der Darstellung durch die französische Regierung sehr nahe . In ihrer Klagebeantwortung legt die Kommission dar, die Nichtbeachtung formaler Voraussetzungen sei vom Inhalt klar zu trennen und stelle einen selbständigen Rechtsfehler dar, eine Art Rechtswidrigkeit "per se", die, wie sie auch in der Begründung ihrer Entscheidung ausgeführt habe, nicht nachträglich geheilt werden könne . Hier scheint die Kommission davon auszugehen, daß sie - und daher auch der Gerichtshof - in einem solchen Fall die Vereinbarkeit der Beihilfe nicht prüfen könne . Die Kommission erklärt in der Tat, sie lege Wert darauf, daß der Gerichtshof alle Konsequenzen aus der Verletzung von Verfahrensvorschriften ziehe und von einer inhaltlichen Prüfung Abstand nehme . Ein solcher ( wie die Kommission einräumt ) neuer Ansatz würde nach ihrem Dafürhalten zu erheblichen Einsparungen an Zeit und Arbeit bei dem Verfahren zur Überprüfung von Beihilfen nach Artikel 93 Absatz 2 führen . Er würde auch die Mitgliedstaaten davon abbringen, ihre Pflichten zur Notifizierung zu missachten und "hilfreich bei der Lösung von Problemen im Zusammenhang mit der Rückforderung von Beihilfen sein ".

    30 . Das Vereinigte Königreich tritt in seiner Stellungnahme dieser Auffassung der Kommission entgegen, der zufolge eine Nichtbeachtung der Verfahrensvorschriften nach Artikel 93 Absatz 3 für sich allein die Beihilfen rechtswidrig mache . Sie macht geltend, die Rechtsprechung des Gerichtshofes zur unmittelbaren Wirkung von Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 sei vollkommen mit dem Standpunkt verträglich, daß die unterbliebene Notifizierung einer Beihilfe durch einen Mitgliedstaat die Kommission nicht von der Pflicht des Nachweises entbinde, daß die Beihilfe gemäß Artikel 92 verboten sei . Der Standpunkt, daß eine Beihilfe lediglich wegen des Unterbleibens der Notifizierung rechtswidrig sei, vertrage sich ferner mit Wortlaut und Zielsetzung des Artikels 93 nicht und könne, jedesmal wenn ein Mitgliedstaat die Notifizierung unterlasse, zu seiner Verurteilung führen, unabhängig von der Natur der angeblichen Beihilfe und selbst dann, wenn das Unterbleiben der Notifizierung auf ein harmloses Versehen zurückzuführen sei . Das Vereinigte Königreich legt weiter dar, daß der Gerichtshof diese Frage in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden brauche, weil er wegen des Umfangs und der Art der Zahlungen sogleich feststellen könne, ob sie geeignet seien, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und ob die Kommission über Informationen zur Begründung ihrer Feststellung verfügt habe, daß die Zahlungen mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbare Beihilfen darstellten .

    31 . Der Auffassung des Vereinigten Königreichs, daß der Gerichtshof dieses von der Französischen Republik aufgeworfene Problem nicht zu entscheiden brauche, kann ich nicht folgen, mag sie auch durchaus ihre Vorzuege haben . Die in dieser Rechtssache angefochtene Entscheidung der Kommission war nach Maßgabe ihres Artikels 1 in erster Linie auf eine Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 EWG-Vertrag gestützt . Ist die französische Regierung mit ihrem Vorbringen zu dieser Frage im Recht, dann muß die Entscheidung der Kommission wenigstens insoweit für nichtig erklärt werden . Angesichts der Bedeutung, die der Frage einer Rechtswidrigkeit "per se" und deren Auswirkungen vor dem Gerichtshof, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, beigemessen wurde, muß ich auf jeden Fall hierzu Stellung nehmen .

    32 . Zuvor jedoch möchte ich daran erinnern, daß zwar Artikel 93 auf den ersten Blick die Kommission nicht ermächtigt, das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 einzuleiten, wenn eine Beihilfe nicht gemeldet worden ist, der Gerichtshof jedoch in der Rechtssache 173/73 ( Italien/Kommission, Slg . 1974, 709 ) der Kommission diese Befugnis zugesprochen hat . Der Gerichtshof hat weiter entschieden, daß die Kommission in einem solchen Fall das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 nicht in allen Punkten einzuhalten brauche; insbesondere brauche in diesem Fall keine Frist für die Befolgung der Entscheidung gesetzt zu werden . Der Gerichtshof hat ausgeführt ( Randnr . 14 ), die Auslegung des Artikels 93, wonach eine unter Verstoß gegen das Verbot des Absatzes 3 eingeführte neue Beihilfe nur Gegenstand des im Artikel 93 Absatz 2 vorgesehenen Verfahrens einschließlich der zwingend vorgeschriebenen Fristsetzung sein könne, sei

    "abzulehnen, weil sie dazu führen würde, den Bestimmungen des Absatzes 3 ihre Verbindlichkeit zu nehmen und sogar deren Nichtbefolgung zu fördern ".

    Der Gerichtshof fuhr fort :

    "Nach Geist und System des Artikels 93 muß die Kommission vielmehr, wenn sie feststellt, daß eine Beihilfe unter Verletzung von Absatz 3 eingeführt oder umgestaltet worden ist, und wenn sie insbesondere auch der Auffassung ist, daß die Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt nach Artikel 92 unvereinbar ist, das Recht haben zu entscheiden, daß der betreffende Staat die Beihilfe aufzuheben oder umzugestalten hat, ohne daß sie eine Frist festsetzen müsste, jedoch unbeschadet der Möglichkeit, den Gerichtshof anzurufen, wenn der Staat der Entscheidung nicht mit der gewünschten Eile nachkommt .

    In einem solchen Fall dürfen sich die Aktionsmittel der Kommission nicht in einem Rückgriff auf das umständlichere Verfahren des Artikels 169 erschöpfen ."

    33 . Die in der Rechtssache 173/73 zu entscheidende Frage war die, ob die Kommission überhaupt auf das Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 zurückgreifen konnte und, wenn ja, mit welchen Besonderheiten, falls ihr eine Beihilfe nicht gemeldet worden war . Die vorstehenden Auszuege aus dem Urteil sind aber auch hilfreich bei der Entscheidung unserer Frage, die dahin geht, ob die Feststellung der Rechtswidrigkeit nach Artikel 93 Absatz 2 auf eine Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 gestützt werden kann .

    34 . Augenscheinlich gewährt Artikel 93 Absatz 2 eine solche Befugnis nicht ausdrücklich : Seinem Wortlaut nach ermächtigt er die Kommission, eine Beihilfe wegen Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt, nicht aber wegen Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 zu beanstanden . Die Frage muß indessen, wie der Gerichtshof in der Rechtssache 173/73 ( Italien/Kommission, a . a . O .) dargelegt hat, nach Geist und System des Artikels 93, insbesondere der Absätze 2 und 3, angegangen werden . Artikel 93 Absatz 2 legt ein Verfahren der Vorprüfung von Beihilfevorhaben durch die Kommission fest mit dem Ziel, die Einführung von Beihilfen zu verhindern, die mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar sind . Aus diesem Grund verpflichtet Artikel 93 Absatz 3 die Mitgliedstaaten, neue Beihilfevorhaben der Kommission mitzuteilen und sie nur und erst dann durchzuführen, wenn die Kommission ihr Einverständnis erklärt hat . Mit diesem System und dieser Zielrichtung wäre es unvereinbar, wenn ein Mitgliedstaat die Erfordernisse des Artikels 93 Absatz 3 ausser acht lassen könnte, ohne Sanktionen befürchten zu müssen .

    35 . Es ist darüber hinaus schon jetzt klar, daß die Befugnisse der Kommission nach Artikel 93 Absatz 2 nicht durch den Wortlaut dieses Artikels eingegrenzt werden können . So scheint sich zum Beispiel Artikel 93 Absatz 2, der die Kommission ermächtigt zu entscheiden, daß Beihilfen aufzuheben oder umzugestalten sind, seinen Worten nach nur auf bestehende Beihilfen zu beziehen; die Befugnis der Kommission, auch bei geplanten Beihilfen nach dieser Vorschrift vorzugehen, ist jedoch unbestritten . Auch darf - wie der Gerichtshof in der Rechtssache 173/73 ( Italien/Kommission ) ausdrücklich anerkannt hat - Artikel 93 Absatz 2 bei ohne Notifizierung gewährten Beihilfen nicht wörtlich verstanden werden, weil in einem solchen Fall die Kommission, wie der Gerichtshof in jener Rechtssache entschieden hat, nicht verpflichtet ist, eine Frist zu setzen, innerhalb deren seiner Entscheidung nachzukommen ist . Im übrigen verleiht Artikel 93 Absatz 2 nach seinem Wortlaut der Kommission offensichtlich nicht die Befugnis, die Rückforderung einer Beihilfe anzuordnen, und doch ist diese Befugnis vom Gerichtshof anerkannt worden . Die vorstehenden Erwägungen legen es zumindest nahe, die Befugnisse der Kommission nach Artikel 93 Absatz 2 nicht restriktiv zu betrachten .

    36 . Zurückzuweisen ist auch das Argument, daß die den Mitgliedstaaten in Artikel 93 Absatz 3 auferlegten Pflichten lediglich verfahrensmässiger Art seien und ihnen ein inhaltliches Verbot nicht zu entnehmen sei . Zunächst kann darauf verwiesen werden, daß das Verbot des Artikels 92 Absatz 1 ausdrücklich für alle dort angeführten Beihilfen gilt, "soweit in diesem Vertrag nicht etwas anderes bestimmt ist ". Es ließe sich sogar sagen, daß eine unter Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 gezahlte Beihilfe nicht so wie "in diesem Vertrag bestimmt" gewährt wurde und daher gemäß Artikel 92 Absatz 1 allein deshalb mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar ist .

    37 . Es gibt aber noch weitergehende Erwägungen, die die These bestätigen, daß die Nichterfuellung der Verpflichtungen aus Artikel 93 Absatz 3 durch einen Mitgliedstaat inhaltliche Folgen haben kann . Das ergibt sich meines Erachtens aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofes zur unmittelbaren Wirkung des Artikels 93 Absatz 3 Satz 3, auf die sich, obwohl sie vorliegend nicht unmittelbar von Bedeutung ist, die Kommission mit Recht stützt, auch wenn sie deren Bedeutung nicht klar gemacht hat . In der Rechtssache 120/73 ( Lorenz, a . a . O .) hat der Gerichtshof entschieden ( Randnr . 8 ):

    "Von dieser unmittelbaren Verbotswirkung betroffen ist jede Beihilfemaßnahme, die durchgeführt wird, ohne daß sie angezeigt ist, oder die im Falle der Anzeige während der Vorprüfungsphase oder - falls die Kommission ein förmliches Verfahren einleitet - vor Erlaß der abschließenden Entscheidung durchgeführt wird ."

    Hieraus ergibt sich meiner Meinung nach, daß bei Zuwiderhandlung gegen das Verbot - sei es, daß eine neue Beihilfe ohne vorherige Anzeige oder daß eine angezeigte Beihilfe vor Entscheidung der Kommission durchgeführt wird - die nationalen Gerichte auf Antrag jedes Betroffenen aufgerufen sind, dem Verbot zur Geltung zu verhelfen . Es ist für mich klar, daß die nationalen Gerichte hierbei nicht auf Verfahrensmaßnahmen wie etwa die vorläufige Blockierung der weiteren Durchführung beschränkt sind . Sie haben im Gegenteil festzustellen, daß alle unter Missachtung von Artikel 93 Absatz 3 Satz 3 bereits durchgeführten Maßnahmen rechtswidrig sind, und alle geeigneten Rechtsschutzmöglichkeiten einschließlich der Rückzahlung bereits gezahlter Finanzhilfen auszuschöpfen . Nur so können sie den erforderlichen wirksamen Rechtsschutz gewähren; dieses Erfordernis ist mit dem Begriff eines unmittelbar durchsetzbaren Rechts verbunden .

    38 . Ist den nationalen Gerichten die Feststellung gestattet, daß eine ohne vorherige Meldung durchgeführte Beihilfe wegen der unterlassenen Meldung rechtswidrig ist, dann muß nach meinem Dafürhalten auch der Kommission, die die Hauptverantwortung für die Kontrolle staatlicher Beihilfen trägt, die Entscheidung gestattet sein, daß eine solche Beihilfe nur aus diesem Grunde rechtswidrig ist .

    39 . Die tragende Erwägung bei der Festlegung des Umfangs der Befugnisse der Kommission ist indessen meines Erachtens im Grundsatz der praktischen Wirksamkeit ( effet utile ) zu finden . Dieser Grundsatz verlangt wegen der grundlegenden Bedeutung der Vorschriften des Artikels 93 für die Gewährleistung des ordnungsgemässen Funktionierens des Gemeinsamen Marktes - deren Bedeutung vom Gerichtshof wiederholt unterstrichen worden ist ( vgl . z . B . das Urteil in den verbundenen Rechtssachen 91/83 und 127/83, Heineken Brouwerijen BV/Inspecteur der Vennootschapsbelasting, Slg . 1984, 3435, Randnr . 20 ) - ein extensives Verständnis dieser Befugnisse . In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter der Kommission auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die die ständige Säumnis einiger Mitgliedstaaten bei der Erfuellung ihrer Pflichten aus Artikel 93 Absatz 3 EWG-Vertrag mit sich bringe . Es bedarf keines Nachweises, daß die Kommission in diesen Fällen an der Ausübung der ihr gemäß Artikel 93 Absatz 2 EWG-Vertrag zustehenden Befugnisse gehindert wird . Aus dem blossen Umstand, daß die Mitgliedstaaten nach dem Vertrag gehalten sind, geplante Beihilfen nicht durchzuführen, bevor die Kommission entschieden hat, kann meines Erachtens mit Recht geschlossen werden, daß die Kommission, wenn ein Mitgliedstaat rechtswidrig handelt, mit den weitestgehenden Befugnissen ausgestattet sein muß .

    40 . Es sei daran erinnert, daß der Gerichtshof bei seiner Entscheidung in der Rechtssache 173/73 ( Italien ), der zufolge die Kommission im Verfahren nach Artikel 93 Absatz 2 bei nicht gemeldeten, aber durchgeführten Beihilfen keine Frist zu setzen braucht, auf Wirksamkeitserwägungen abgestellt hat . Eine extensive Auslegung des Vertrages, die für notwendig gehalten wurde, um die Wirksamkeit der Vertragsbestimmungen sicherzustellen, ist auch im Zusammenhang mit den Durchführungsvorschriften für staatliche Beihilfen herangezogen worden, hinsichtlich deren der Gerichtshof anerkannt hat, daß die Kommission in Verfahren nach Artikel 93 oder Artikel 169 eine einstweilige Anordnung gegen einen Mitgliedstaat erwirken kann ( vgl . die Rechtssachen 31/77 R und 53/77 R, Kommission/Vereinigtes Königreich und Vereinigtes Königreich/Kommission, Slg . 1977, 921, sowie die Rechtssache 61/77 R, Kommission/Irland, Slg . 1977, 1411 ). In der Rechtssache 70/72 ( Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg . 1973, 813, Randnr . 20 ) stellte der Gerichtshof ferner fest, daß Artikel 93 Absatz 3 "die Befugnis der Kommission einschließt, im Bedarfsfall unverzueglich einstweilige Maßnahmen anzuordnen ". Ergänzend sei hier bemerkt, daß der Gerichtshof einen ähnlichen Standpunkt bei Verfahren der Kommission zur Durchsetzung der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag eingenommen hat, Bestimmungen also, die in demselben Kapitel des Vertrages mit der Überschrift "Wettbewerbsregeln" stehen wie die staatliche Beihilfen betreffenden Artikel 92 bis 94 ( vgl . etwa die Rechtssache 792/79 R, Camera Care Ltd/Kommission, Slg . 1980, 119 ).

    41 . Obwohl die Kommission vorliegend in ein und derselben Entscheidung ihre Feststellungen zur Rechtswidrigkeit sowohl auf einen Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 als auch auf die Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt gestützt hat, steht es ihr nach meiner Ansicht frei, eine einstweilige Entscheidung zu treffen, sobald sie einen Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 festgestellt hat, wobei ihr die Möglichkeit verbleibt, anschließend die inhaltlichen Fragen der Vereinbarkeit der Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt zu prüfen .

    42 . Aus diesen Gründen ist die Kommission nach meinem Dafürhalten zu einer Entscheidung nach Artikel 93 Absatz 2 befugt, mit der sie feststellt, daß eine ohne Notifizierung durchgeführte Beihilfe schon aus diesem Grunde rechtswidrig ist . Das Argument der französischen Regierung und der Regierung des Vereinigten Königreichs, daß diese Vorgehensweise zur Beanstandung von Beihilfen führen könne, die in Wirklichkeit nicht mit dem Gemeinsamen Markt unvereinbar seien, überzeugt mich nicht : Der Weg zur Vermeidung dieses denkbaren Problems ist genau das in Artikel 93 Absatz 3 vorgesehene Notifizierungsverfahren . Auf jeden Fall kann, wie vorstehend erwähnt, die eigenständige Rechtswidrigkeit einer Beihilfe wegen Missachtung der Erfordernisse des Artikels 93 Absatz 3 bereits vor den nationalen Gerichten ohne Rücksicht darauf geltend gemacht werden, ob die betreffende Beihilfe bei richtiger Auslegung als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar angesehen werden könnte .

    43 . Was die Frage betrifft, ob allein die Feststellung einer Rechtswidrigkeit wegen Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 Grundlage für ein Rückforderungsverlangen sein kann, so scheint eine Entscheidung des Gerichtshofes zu diesem Punkt vorliegend nicht erforderlich zu sein, da die Kommission sich in der angefochtenen Entscheidung nicht auf diese Feststellung als Grundlage für eine Rückforderungsanordnung gestützt hat . Wie bereits ausgeführt, stützt die Entscheidung der Kommission, obwohl deren Vorbringen in diesem Punkt nicht eindeutig ist, die Rückforderungsanordnung nicht auf die "Per-se"-Rechtswidrigkeit der Beihilfe, sondern auf deren Unvereinbarkeit mit dem Gemeinsamen Markt . Sollte es dennoch erforderlich sein, diese Frage zu entscheiden, dann würde ich der Meinung von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache 142/87 ( Belgien ) beipflichten, der zufolge die Kommission die Befugnis hat, die Rückzahlung einer Beihilfe nur wegen Verletzung des Artikels 93 Absatz 3 anzuordnen .

    44 . Eine weitere Frage ist es, ob die Kommission, wenn sie festgestellt hat, daß eine Beihilfe wegen Missachtung der Notifizierungserfordernisse des Artikels 93 Absatz 3 rechtswidrig ist, die Beihilfe auch inhaltlich überprüfen darf oder muß . Ich bin - im Gegensatz zu dem von der Kommission in dieser Rechtssache vertretenen Standpunkt - der Auffassung, daß die Kommission auch die Vereinbarkeit einer nicht gemeldeten Beihilfe prüfen darf . Da es an einer Durchführungsverordnung gemäß Artikel 94 fehlt, ist davon auszugehen, daß der Kommission sowohl umfängliche Befugnisse als auch die grösstmögliche Flexibilität bei deren Ausübung zu Gebote stehen . Die Rechtslage im Hinblick auf Artikel 93 ist eine andere als diejenige gemäß Artikel 85 EWG-Vertrag, wo Durchführungsvorschriften in Gestalt des Artikels 6 der Verordnung Nr . 17 des Rates vom 6 . Februar 1962, erste Durchführungsvorschrift der Artikel 85 und 86 EWG-Vertrag ( ABl . Nr . 13, S . 104 ) es der Kommission ausdrücklich untersagen, eine nicht angemeldete Vereinbarung freizustellen ( vgl . Rechtssache 30/78, Distillers/Kommission, Slg . 1980, 2229 ). Aus meiner Sicht gebietet der Vertrag weder, daß die Kommission in jedem Fall die Vereinbarkeit einer Beihilfe prüft - und dies ist der einzige Punkt, in dem ich nicht mit den Schlussanträgen von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache 142/87 ( Belgien ) übereinstimme -, noch hindert er sie an einer solchen Prüfung, wenn diese angezeigt ist . Bei der Entscheidung, ob sie die Vereinbarkeit einer nicht gemeldeten Beihilfe mit dem Gemeinsamen Markt prüfen soll, darf die Kommission solche Fakten berücksichtigen wie die Art der Unterlassung einer Notifizierung, die Natur der Beihilfe und alle Folgen, die sich möglicherweise bereits aus der unterlassenen Notifizierung ergeben haben, etwa die Frage, ob die Beihilfe zurückgezahlt wurde . Wie Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache 142/87 ( Belgien, Nr . 12 ) hervorhebt, kann es bisweilen im allgemeinen Interesse wichtig sein festzustellen, ob die Beihilfe materiell rechtmässig ist oder nicht . Was den Standpunkt der Kommission betrifft, weder sie selbst noch der Gerichtshof sei befugt, die Vereinbarkeit einer nicht gemeldeten Beihilfe zu prüfen, so versteht es sich vielleicht von selbst, daß dann, wenn sich die Kommission zur Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe entschließt, ihre Entscheidung in diesem Punkt der Überprüfung durch den Gerichtshof unterliegt, selbst wenn die Kommission auch entschieden hat, daß die Beihilfe wegen Verstosses gegen Artikel 93 Absatz 3 rechtswidrig ist .

    45 . Ich fasse zusammen : Die Kommission hat in diesem Fall ihre Entscheidung, wonach die Beihilfen rechtswidrig sind, sowohl auf einen Verstoß gegen Artikel 93 Absatz 3 als auch auf die Unvereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt gestützt . Ich bin der Auffassung, daß sie befugt war, ihre Entscheidung auf beide Gründe zu stützen . Die Kommission hat ihre Rückforderungsanordnung auf den letztgenannten Grund gestützt, wozu sie vollauf berechtigt war . Obwohl Begründung und Argumente der Kommission zum Teil kritikwürdig sind, ist sie nach meinem Dafürhalten in den wesentlichen Punkten erfolgreich . Ich schlage daher vor, den letzten Klagegrund der französischen Regierung betreffend die Verfahrensfragen in dieser Sache zurückzuweisen .

    II - Die Begründung der Entscheidung der Kommission

    46 . Die französische Regierung macht geltend, die Entscheidung der Kommission sei in mehrfacher Hinsicht ungenau oder unzutreffend begründet .

    Marktanteil und Beeinträchtigung des Handels

    47 . Die französische Regierung bringt zunächst vor, die Entscheidung der Kommission enthalte unzutreffende Feststellungen zum Marktanteil des Unternehmens und zum Handel . Die französische Regierung greift insbesondere folgende Feststellung der Kommission in ihrer Entscheidung an : "Von 1982 bis Ende 1984, d . h . in dem Zeitraum, in dem Beihilfen gewährt wurden, erhöhten sich seine Textilausfuhren in andere Mitgliedstaaten um 32 %." Die französische Regierung bezieht sich auch auf die Feststellung der Kommission, die französische Textilindustrie führe rund 40 % ihrer Gesamtproduktion aus, und erklärt, daß sich diese Zahl für Boussac nur auf 16 % belaufe, dessen Anteil am europäischen Markt darüber hinaus weniger als 0,5 % betrage . Aus meiner Sicht betreffen diese Punkte weniger die Stichhaltigkeit der Begründung der Kommission als vielmehr die Bewertung der Auswirkungen der Beihilfen auf Handel und Wettbewerb; diese Frage soll später erörtert werden ( vgl . unten Nrn . 57 bis 63 ).

    Das angebliche Versäumnis der Kommission, darzulegen, wieso die Liquidation des Unternehmens seiner Umstrukturierung vorzuziehen gewesen wäre

    48 . Unter Berufung auf eine Passage des Urteils in der Rechtssache 323/82 ( Intermills/Kommission, Slg . 1984, 3809, 3832, Randnr . 39 ) trägt die französische Regierung vor, es sei seitens der Kommission "... nicht dargetan worden, weshalb das Verhalten der Klägerin auf dem Markt nach der durch die Gewährung der Beihilfen ermöglichten Umstellung ihrer Produktion geeignet gewesen sein sollte, die Handelsbeziehungen so sehr zu verändern, daß der Untergang des Unternehmens seiner Sanierung vorzuziehen gewesen wäre ".

    49 . Diese Passage ist aber aus ihrem Zusammenhang gerissen . Liest man sie im Zusammenhang des ganzen relevanten Teils des Urteils in der Rechtssache Intermills ( Randnr . 34 bis 39 ), dann wird deutlich, daß sie lediglich die besonderen Umstände dieser Rechtssache widerspiegelt und keine weitergehende Bedeutung gewinnen kann . In der Rechtssache Intermills entschied der Gerichtshof, die Kommission habe nicht dargetan, warum eine Beihilfe in Form einer Kapitalbeteiligung an einem Unternehmen den Wettbewerb in einem mit dem gemeinsamen Interesse unvereinbaren Ausmaß beeinträchtigt habe, weil in der angefochtenen Entscheidung der Kommission das Vorliegen einer Umstrukturierungsmaßnahme bejaht, aber nicht dargelegt worden sei, warum die betreffende Beihilfe nicht als Teil dieser Umstrukturierungsmaßnahme gesehen werden könne . Vorliegend hat die Kommission in den Teilen V bis VIII ihrer Entscheidung eingehend ihre Gründe für die Feststellung erläutert, daß eine echte Umstrukturierung von Boussac nicht gegeben sei . Nach meiner Meinung besteht daher keine Parallele zu der Rechtssache Intermills, so daß diese Rüge zurückzuweisen ist .

    Die anderen angeblichen Begründungsmängel

    50 . Ich bin auch nicht der Meinung, daß die Kommission, wie die Klägerin behauptet, sich auf eine mechanische Prüfung der Vereinbarkeit der Beihilfe mit ihren eigenen Leitlinien beschränkt und den Personal - und Kapazitätsabbau bei Boussac nicht berücksichtigt habe . Die Entscheidung zeigt im Gegenteil, daß die Kommission die Anwendung ihrer Leitlinien voll berücksichtigt und das Vorbringen der Klägerin zu dem angeblichen Produktionsrückgang im einzelnen widerlegt hat .

    III - Die inhaltlichen Fragen

    51 . Die nächste Gruppe der von der französischen Regierung erhobenen Rügen betrifft inhaltliche Fragen der Entscheidung .

    Zum Beihilfecharakter der Finanzhilfen

    52 . Die französische Regierung macht hier zunächst geltend, daß die zur Verfügung gestellten Beträge keine Beihilfen im Sinne des Artikels 92 EWG-Vertrag gewesen seien . Sie verweist auf das in der Rechtssache 234/84 ( Königreich Belgien/Kommission, Slg . 1986, 2263 ) vom Gerichtshof festgehaltene Prüfungskriterium :

    "Befindet sich das Gesellschaftskapital im Besitz der öffentlichen Hand, ist insbesondere zu prüfen, ob ein privater Gesellschafter in einer vergleichbaren Lage unter Zugrundelegung der Rentabilitätsaussichten und unabhängig von allen sozialen oder regionalpolitischen Überlegungen oder Erwägungen einer sektorbezogenen Politik eine solche Kapitalhilfe gewährt hätte ...

    Ein privater Anteilseigner (( kann )) vernünftigerweise einem Unternehmen das Kapitel zuführen, das zur Sicherstellung seines Fortbestandes erforderlich ist, wenn es sich in vorübergehenden Schwierigkeiten befindet, aber seine Rentabilität - gegenenfalls nach einer Umstrukturierung - wieder zurückgewinnen kann ."

    53 . Die französische Regierung vertritt die Meinung, daß die Beihilfen für Boussac diesem Kriterium entsprechen . Sie entsprächen auch den von der Kommission selbst in ihrem Dokument über Beteiligungen der öffentlichen Hand (( SG(84 ) D 1839 )) aufgestellten Kriterien insoweit, als davon auszugehen sei, daß sie gezahlt seien "unter Umständen, die für einen privaten Kapitalgeber, der unter normalen marktwirtschaftlichen Bedingungen sein Geld anlegt, annehmbar wären ". In diesem Zusammenhang verweist die französische Regierung auf die Untersuchung der Firma Arthur D . Little, die zum Ergebnis gekommen sei, das Unternehmen sei lebensfähig und könne mit Hilfe einer Umstrukturierung in angemessener Zeit eine normale Rentabilität erreichen . Sie weist ferner darauf hin, daß ein Umstrukturierungsprogramm aufgestellt und regelmässig überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht worden sei . Ergänzend führt die französische Regierung an, daß grössere Finanzhilfen aus dem privaten Sektor gekommen seien, was die Kommission ausser acht gelassen habe . In ihrer Klageschrift führt sie insoweit aus, nach dem Zahlenwerk im Memorandum des "Ansprechpartners" Gadonneix vom 21 . Mai 1987 seien diese sich insgesamt auf 1 401 Mio FF belaufenden Beträge in Form von Kapitalbeteiligungen, Darlehen und kurzfristigen Kreditlinien zur Verfügung gestellt worden, so daß der Beitrag seitens des privaten Sektors tatsächlich höher gewesen sei als die aus öffentlichen Mitteln erhaltenen Zahlungen . Die französische Regierung greift die Entscheidung der Kommission auch deshalb an, weil sie unerwähnt lasse, daß der private Kapitalgeber, der das Unternehmen für einen symbolischen Franc übernommen habe, später nach der Übernahmevereinbarung dem Kapital der Gesellschaft 400 Mio FF zugeführt habe .

    54 . Die französische Regierung weist natürlich zu Recht darauf hin, daß das maßgebende Prüfungskriterium in der Rechtssache 234/84 niedergelegt ist . Es sollte indessen auch bedacht werden, daß der Gerichtshof in jener Rechtssache im Anschluß an die erwähnte Passage weiterhin feststellte, die Kommission sei mit ihrer Annahme im Recht, daß das betreffende Unternehmen sehr wahrscheinlich nicht in der Lage gewesen wäre, die notwendigen Beträge auf den privaten Kapitalmärkten aufzutreiben, u . a . deshalb, weil dieses Unternehmen mehrere Jahre lang erhebliche Verluste erlitten habe und seine Produkte auf einem Markt mit Überkapazität abgesetzt werden müssten . Ähnliche Erwägungen gelten natürlich im vorliegenden Fall .

    55 . Was die Frage der Zahlungen des privaten Sektors und die von der französischen Regierung genannte konkrete Zahl betrifft, so muß eingeräumt werden, daß dieser Punkt in der Entscheidung der Kommission nicht besonders behandelt und in ihrer Klagebeantwortung nicht vollständig geklärt wurde . In der mündlichen Verhandlung wurde darüber gestritten, ob die betreffenden Zahlungen vom privaten Sektor im Hinblick auf die angeblich bestehenden Verbindungen zwischen den französischen Behörden und den Banken geleistet wurden . Entscheidend ist jedoch aus meiner Sicht, daß sich aus ebendiesem von der französischen Regierung herangezogenen Memorandum von Herrn Gadonneix eindeutig ergibt, daß die betreffenden zusätzlichen Finanzhilfen als Teil eines Gesamtpakets zur Rettung von Boussac geleistet wurden . Es ist eine vernünftige, vielleicht sogar unvermeidliche Schlußfolgerung, daß diese Hilfen - denkt man an die schlechte Finanzlage der Gesellschaft und den Zustand des relevanten Marktes - beim Ausbleiben unmittelbarer Finanzhilfen aus öffentlichen Mitteln nicht geleistet worden wären . Obzwar es zufriedenstellender gewesen wäre, wenn die angefochtene Entscheidung auf Art und Umfang der Finanzhilfen des privaten Sektors besonders eingegangen wäre, halte ich doch die wesentliche Schlußfolgerung der Entscheidung für zutreffend, der zufolge Boussac nicht in der Lage gewesen wäre, das zum Überleben notwendige Kapital auf dem freien Markt aufzutreiben, und daß deshalb die Finanzhilfen aus öffentlichen Mitteln als Beihilfen anzusehen seien .

    56 . Die Einlage des privaten Kapitalgebers, der das Unternehmen übernahm, wurde, wie die französische Regierung selbst eingeräumt hat, erst Ende 1985 getätigt, d . h . nach Erbringung der gesamten Finanzhilfe aus öffentlichen Mitteln, die Gegenstand der Entscheidung der Kommission war . Die Einlage des privaten Kapitalgebers ist daher unerheblich für die Frage, ob die Finanzhilfe aus öffentlichen Mitteln als Beihilfe anzusehen ist .

    Zu den Auswirkungen auf Handel und Wettbewerb

    57 . Die französische Regierung bringt weiter vor, daß die Beihilfen für Boussac nicht unter Artikel 92 Absatz 1 fielen, weil sie weder den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen gedroht noch den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt hätten .

    58 . Bezueglich der Auswirkung auf den Wettbewerb macht die französische Regierung geltend, daß die Alternative zur Gewährung der Beihilfen für Boussac noch viel schädlicher für den Wettbewerb gewesen wäre : Hätte man den Untergang der Gesellschaft zugelassen, dann wären ihre Aktiva von Mitbewerbern zu Preisen weit unter Marktwert erworben worden und hätten so zum Fortbestehen des Problems der Überkapazität beigetragen . Im übrigen habe die Kommission ein wettbewerbswidriges Verhalten von Boussac nicht nachgewiesen .

    59 . Mit diesen Argumenten brauche ich mich nicht lange zu befassen . Die Anwendung des Artikels 92 Absatz 1 setzt nur voraus, daß eine Beihilfe den Wettbewerb verfälscht oder zu verfälschen droht; daß ein alternativer Handlungsverlauf, z . B . das notleidende Unternehmen in Liquidation gehen zu lassen, zu grösseren Wettbewerbsverzerrungen hätte führen können als die Gewährung der Beihilfe, ist im Grunde für Artikel 92 Absatz 1 ebenso unerheblich wie das Verhalten des betreffenden Unternehmens .

    60 . Bezueglich der Auswirkung auf den Handel macht die französische Regierung geltend, Boussac habe mit nur 0,3 % einen sehr geringen Anteil am Textilmarkt der Gemeinschaft . Die Kommission habe in ihrer Entscheidung unrichtigerweise festgestellt, die Ausfuhren von Boussac hätten zwischen 1982 und 1984 um 32 % zugenommen; hierbei werde ausser acht gelassen, daß der sehr grosse Umsatz für 1984 auf ein kurzfristiges Anziehen der Leinennachfrage zurückgehe . Die Kommission hätte statt dessen den Zeitraum von 1982 bis 1986 berücksichigen müssen, in dem der Wert von Boussacs Ausfuhren nach anderen EWG-Mitgliedstaaten tatsächlich um 33 % abgenommen habe . Die französische Regierung legt ferner Zahlen vor, aus denen sich nach ihrer Auffassung ergibt, daß in diesem Zeitraum auf dem französischen Inlandsmarkt für mehrere Textilprodukte, wie Boussac sie hergestellt habe, zunehmend Ausfuhren aus anderen EWG-Mitgliedstaaten zu verzeichnen gewesen seien .

    61 . Die Kommission veranschlagt Boussacs Anteil am Markt der Gemeinschaft mit 0,38 %. Auf einem stark zersplitterten Markt, auf dem selbst der grösste Produzent nur einen Anteil von 0,8 % innehabe, sei ein solcher Anteil nicht geringfügig . Im übrigen sei der Anteil von Boussac auf bestimmten Teilmärkten wesentlich grösser .

    62 . Die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien in diesen Fragen sind meiner Auffassung nach nicht von entscheidender Bedeutung . In der Rechtssache 730/79 ( Philip Morris/Kommission, Slg . 1980, 2671 ) hat der Gerichtshof festgestellt ( Randnr . 11 ):

    "Verstärkt eine von einem Mitgliedstaat gewährte Finanzhilfe die Stellung eines Unternehmens gegenüber anderen Wettbewerbern im innergemeinschaftlichen Handel, muß dieser als von der Beihilfe beeinflusst erachtet werden ."

    63 . Vorliegend ist unbestritten, daß Boussac ein bedeutender Produzent der Gemeinschaft ist, der drittgrösste in Frankreich und der fünftgrösste in der Gemeinschaft . Unbestritten ist auch, daß Boussac am internationalen Handel teilnimmt und etwa 16 % seiner Produkte nach anderen Mitgliedstaaten ausführt . Es steht ferner ausser Zweifel, daß die Beihilfen für Boussac sehr umfangreich waren und ihm eine Senkung der Kostenbelastung zu einem Zeitpunkt erlaubt hätten, zu dem alle Textilproduzenten der Gemeinschaft in Schwierigkeiten waren . Unter diesen Umständen durfte die Kommission meines Erachtens entscheiden, daß die Beihilfen den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigten und den Wettbewerb verfälschten oder zu verfälschen drohten . Die auf Artikel 92 Absatz 1 gestützte Rüge würde ich daher zurückweisen .

    Zur Vereinbarkeit der Beihilfen mit dem Gemeinsamen Markt gemäß Artikel 92 Absatz 3

    64 . Artikel 92 Absatz 3 bestimmt :

    "Als mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar können angesehen werden :

    a ) Beihilfen zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung von Gebieten, in denen die Lebenshaltung aussergewöhnlich niedrig ist oder eine erhebliche Unterbeschäftigung herrscht;

    b ) ...

    c ) Beihilfen zur Förderung der Entwicklung gewisser Wirtschaftszweige oder Wirtschaftsgebiete, soweit sie die Handelsbedingungen nicht in einer Weise verändern, die dem gemeinsamen Interesse zuwiderläuft ...

    d ) ..."

    65 . In der angefochtenen Entscheidung stellte die Kommission fest, daß die Beihilfen nicht den Erfordernissen für eine Ausnahme nach Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a oder Buchstabe c genügten . Zu Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe a bemerkte die Kommission, der Umfang der Arbeitslosigkeit sei in den von den Beihilfen betroffenen Gebieten nicht gravierend genug; auf jeden Fall sei die Beihilfe einem Einzelunternehmen ohne Rücksicht auf seinen Standort gewährt worden und könne daher nicht als regionale Beihilfe betrachtet werden . Die französische Regierung vertritt demgegenüber den Standpunkt, daß die Beihilfen in Gebieten gewährt worden seien, in denen der Umfang der Arbeitslosigkeit beträchtlich über dem nationalen oder dem Durchschnitt der Gemeinschaft liege .

    66 . In diesem Punkt hat die Kommission völlig recht . In der Rechtssache 248/84 ( Bundesrepublik Deutschland/Kommission, Slg . 1987, 4013 ) hat der Gerichtshof festgestellt ( Randnr . 19 ):

    "Die Verwendung der Begriffe 'aussergewöhnlich' und 'erheblich' in der Ausnahmevorschrift des Buchstabens a zeigt, daß diese nur Gebiete betrifft, in denen die wirtschaftliche Lage im Vergleich zur gesamten Gemeinschaft äusserst ungünstig ist ."

    Die französische Regierung weist darauf hin, daß in drei der vier von den Beihilfen betroffenen Gebiete, nämlich Nord, Pas-de-Calais und Picardie, die Arbeitslosenquote 1986 jeweils 13,5 %, 14,85 % und 12,53 % betragen habe . Obwohl diese Quoten tatsächlich etwas höher lagen als der Gemeinschaftsdurchschnitt von 11,5 %, kann doch nicht gesagt werden, daß sie im Vergleich zur Gemeinschaft als Ganzem eine "äusserst ungünstige" Lage erkennen ließen .

    67 . Zu Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c führte die Kommission in ihrer Entscheidung aus, die französischen Beihilfen fielen unter die 1971 und 1977 festgelegten Leitlinien der Kommission für Beihilfen an die Textilindustrie der Gemeinschaft sowie unter die besonderen Kriterien für Beihilfen an die französische Textilindustrie, wie sie 1983 als Voraussetzung dafür aufgestellt worden seien, daß die Kommission ihre Einwände gegen die französischen Beihilfen in Form einer Ermässigung der Soziallasten habe fallenlassen . Nach Auffassung der Kommission erfuellten die Beihilfen für Boussac weder die Kriterien der Gemeinschaftsregeln noch die der besonderen französischen Regeln, insbesondere deshalb, weil sie nicht für eine echte Umstrukturierung des Unternehmens gewährt worden seien . Der Begriff der Umstrukturierung wurde von der Kommission in ihrer Klagebeantwortung eingehender umrissen als die grundlegende Neuorganisation eines Unternehmens zur Stärkung oder Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit und mit grundlegenden Veränderungen beim Personal, bei den Mitteln und dem Verfahren der Produktion, der Produktionskapazität und bei anderen Aspekten der Tätigkeiten des Unternehmens . Obwohl die Kommission anerkannte, daß bei Boussac eine Neuorganisation mit insbesondere erheblichem Personalabbau stattgefunden habe, vertrat sie die Auffassung, daß die Veränderungen nicht mehr als eine einfache Modernisierung oder Rationalisierung der Unternehmenstätigkeiten gewesen seien .

    68 . Aus der Sicht der Kommission waren die Beihilfen für Boussac eine Rettungsmaßnahme, die freilich nicht die von der Kommission in ihrem Schreiben an die Mitgliedstaaten vom 24 . Januar 1979 festgelegten Kriterien für die Genehmigung von Rettungsbeihilfen erfuellte . Der Grund hierfür war der, daß die Beihilfen nicht als kurzfristige Überbrückung für ein notleidendes, aber potentiell wettbewerbsfähiges Unternehmen bis zu dem dringenden Erlaß von Umstrukturierungsmaßnahmen gedacht waren, sondern über einen langen Zeitraum hin gewährt wurden, um Boussac künstlich am Leben zu erhalten, ohne daß eine grundlegende Umstrukturierung verlangt worden wäre . Zusätzlich stellte die Kommission fest, daß die Beihilfen auch die negative Voraussetzung des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c nicht erfuellten, weil sie die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise veränderten . In diesem Zusammenhang legte die Kommission dar, das künstliche Überleben von Boussac in dem durch Überkapazität und scharfen Wettbewerb geprägten Markt der Gemeinschaft habe die Wettbewerbsposition anderer Textilproduzenten geschwächt, die die notwendige Neuordnung ihrer Tätigkeiten hätten durchführen müssen, ohne staatliche Beihilfen zu erhalten .

    69 . Die französische Regierung greift zwar die Leitlinien der Kommission nicht an, macht jedoch geltend, daß sie keine normative Geltung hätten und daß die Kommission diese Leitlinien nicht in mechanischer, starrer Weise anwenden dürfe, sondern eine Einzelprüfung der inhaltlichen Berechtigung der Beihilfen durchführen müsse . Auf jeden Fall erfuellten die Beihilfen für Boussac die Kriterien der Leitlinien, so daß die Kommission einen offensichtlichen Fehler begangen habe, als sie die Ausnahmebestimmung nicht herangezogen habe . Insbesondere hätten die Beihilfen zu einer echten Umstrukturierung des Unternehmens beigetragen, wie die erheblichen Verringerungen beim Personal, bei der Produktionskapazität und bei den Produktlinien zeigten . Die Beihilfen dürften nicht ausschließlich als Rettungsmaßnahmen betrachtet werden, weil sie als Teil eines Umstrukturierungsplans für einen in Anbetracht des Umfangs der Neuorganisation kurzen Zeitraum gewährt worden seien .

    70 . Bei der Beurteilung dieser gegensätzlichen Standpunkte soll zunächst darauf hingewiesen werden, daß die Ausnahmevorschrift des Artikels 92 Absatz 3 Buchstabe c als Ausnahme von dem allgemeinen Verbot des Artikels 92 Absatz 1 eng auszulegen und anzuwenden ist . Ausserdem hat der Gerichtshof in der Rechtssache Philip Morris, a . a . O ., zur Anwendung des Artikels 92 Absatz 3 festgestellt :

    "Die Kommission verfügt über ein Ermessen, das sie nach Maßgabe wirtschaftlicher und sozialer Wertungen ausübt, die auf die Gemeinschaft als Ganzes zu beziehen sind ."

    71 . Sowohl das Aufstellen von Leitlinien für die Gewährung von Beihilfen an einzelne Industriesektoren als auch die Bewertung einzelner Beihilfen im Lichte dieser Leitlinien muß als Ausübung eines Ermessens betrachtet werden, mit dem sich der Gerichtshof nur befassen wird, wenn diese Ausübung einen offensichtlichen Irrtum aufweist oder die Grenzen des Ermessensspielraums überschreitet . Der zentrale Streitpunkt zwischen den Parteien im Zusammenhang mit Artikel 92 Absatz 3 Buchstabe c ist die Frage, ob die Beihilfen für Boussac im Rahmen einer echten Umstrukturierung der Gesellschaft geleistet wurden . Diese Frage macht ihrem Wesen nach komplexe wirtschaftliche und soziale Wertungen erforderlich . Es mögen zwar zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten bezueglich der heranzuziehenden Beweisgründe und des Gewichts dieser Beweisgründe bestehen, jedoch hat die französische Regierung meiner Meinung nach nicht nachgewiesen, daß die Kommission den Umfang der Neuorganisation von Boussac offensichtlich falsch eingeschätzt hätte . Auf jeden Fall mutet die genaue Qualifizierung des Grades der Neuorganisation etwas akademisch an . Tatsache ist doch, daß 1980 in der Textilindustrie der Gemeinschaft beträchtliche Überkapazitäten bestanden und alle Textilunternehmen gezwungen waren, ihre Zukunft zu überdenken . 1981 befand sich Boussac Saint Frères mit enormen Schulden in einem Vergleichsverfahren . 1986 hatte die Nachfolgegesellschaft Boussac einen geringen Gewinn erzielt und erwartete für 1987 bessere Ergebnisse . In der Zwischenzeit waren Boussac erhebliche öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt worden . Unter diesen Umständen ist es für die französische Regierung schwer, nachzuweisen, daß diese Beihilfen, auch wenn sie natürlich unter der Bedingung einer Modernisierung der Unternehmensgruppe gewährt wurden, nicht in erster Linie Rettungsbeihilfen waren, und nach meinem Dafürhalten hat sie diesen Nachweis nicht erbracht .

    72 . Zusätzlich würde, wie die Kommission in ihrer Entscheidung festgestellt hat, die Zahlung erheblicher Beihilfebeträge an Boussac dieser Gesellschaft eine Senkung ihrer Kosten ermöglicht und damit ihre Stellung gegenüber ihren Mitbewerbern in der Gemeinschaft verstärkt haben . Da Boussac ein grösserer Textilproduzent war, der einen erheblichen Teil seiner Produktion nach anderen Mitgliedstaaten ausführte, und da der Gemeinschaftsmarkt zur damaligen Zeit durch Überkapazität und scharfen Wettbewerb gekennzeichnet war, hat die Kommission nach meiner Auffassung mit ihrer Feststellung, daß die Beihilfen für Boussac die Handelsbedingungen in einer dem gemeinsamen Interesse zuwiderlaufenden Weise veränderten, ihren Ermessensspielraum eindeutig nicht überschritten .

    73 . Ich möchte hinzufügen, daß der Gerichtshof bei der Überprüfung der Ermessensausübung durch die Kommission lediglich die Informationen berücksichtigen darf, die der Kommission bei Erlaß ihrer angefochtenen Entscheidung zur Verfügung standen . Es liegt daher im Interesse der Mitgliedstaaten, wenn sie sicherstellen, daß die maßgeblichen Informationen der Kommission in dieser Phase zur Verfügung stehen; auf keinen Fall kann einem Mitgliedstaat der Versuch gestattet sein, dem Gerichtshof neues wichtiges Beweismaterial vorzulegen, wie es die französische Regierung in diesem Verfahren getan hat .

    IV - Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit

    74 . Die französische Regierung macht schließlich geltend, die Entscheidung verstosse gegen den allgemeinen Grundsatz der Verhältnismässigkeit . Sie meint, die Entscheidung berücksichtige die Kosten der Umstrukturierung nicht . Im übrigen befinde sich die Entscheidung nicht in Übereinstimmung mit den Zielsetzungen der Rationalisierung des Textilsektors; wäre nämlich die Sanierung von Boussac nicht sichergestellt worden, dann wäre das Unternehmen liquidiert worden, und dies mit schweren Auswirkungen nicht nur für die Gläubiger, sondern auch sozial und regional gesehen sowie für den Textilmarkt allgemein . Die Handlungsweise der französischen Behörden habe eher zu einem Abbau der Überkapazität - anstelle eines die Überkapazität aufrechterhaltenden Ausverkaufs weit unter Marktpreisen - geführt .

    75 . Aus meiner Sicht ist vorliegend ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht festzustellen . Die Frage, ob eine echte Umstrukturierung stattgefunden hat, ist von mir bereits erörtert worden . Bei der Bemessung der staatlichen Beihilfen oder des "Nettosubventionsäquivalents" hat die Kommission die erheblichen Beträge berücksichtigt, die bei der Übertragung der inzwischen geschlossenen Produktionsstätten zu zahlen waren . Im Lichte insbesondere der Darlegungen des Vereinigten Königreichs in der mündlichen Verhandlung hat es eher den Anschein, als habe die Kommission möglicherweise zugunsten der französischen Regierung den wirklichen Betrag des Subventionsäquivalents unterschätzt . Auf jeden Fall kann meiner Meinung nach von einem Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismässigkeit bei einer Entscheidung der uns vorliegenden Art nicht die Rede sein, die lediglich die Rückforderung der unter Verstoß gegen den Vertrag gewährten Beihilfen anordnet, und dies übrigens nach wiederholten Hinweisen der Kommission, daß jede unter Verstoß gegen den Vertrag gezahlte Beihilfe zurückgezahlt werden müsse .

    Kosten

    76 . Da die französische Regierung mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten der Kommission aufzuerlegen . Was die Kosten des Vereinigten Königreichs, des Streithelfers, betrifft, ist anerkannt, daß ein erfolgreicher Streithelfer Ersatz seiner Kosten beanspruchen kann, wenn er einen entsprechenden Antrag stellt . Das Vereinigte Königreich hat beantragt, daß der Gerichtshof der Klägerin die Kosten auferlegen soll . Dieser Antrag kann verständigerweise so ausgelegt werden, daß der Gerichtshof der Klägerin die Kosten des Streithelfers auferlegen möge .

    Ergebnis

    77 . Ich bin infolgedessen der Meinung, daß die Klage abzuweisen ist und der französischen Regierung die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten des Vereinigten Königreichs aufzuerlegen sind .

    (*) Originalsprache : Englisch .

    ( 1 ) Anmerkung des Übersetzers : Diese Passage fehlt in dem im Amtsblatt veröffentlichten deutschen Text .

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