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Document 62011CJ0159

Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 19. Dezember 2012.
Azienda Sanitaria Locale di Lecce und Università del Salento gegen Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a.
Vorabentscheidungsersuchen des Consiglio di Stato (Italien).
Öffentliche Aufträge – Richtlinie 2004/18/EG – Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d – Dienstleistungen – Erforschung und Bewertung der Erdbebenanfälligkeit von Krankenhausanlagen – Vertrag zwischen zwei öffentlichen Einrichtungen, darunter eine Universität – Öffentliche Einrichtung, die als Wirtschaftsteilnehmer angesehen werden kann – Entgeltlicher Vertrag – Gegenleistung, die die getragenen Kosten nicht übersteigt.
Rechtssache C‑159/11.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2012:817

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

19. Dezember 2012 ( *1 )

„Öffentliche Aufträge — Richtlinie 2004/18/EG — Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d — Dienstleistungen — Erforschung und Bewertung der Erdbebenanfälligkeit von Krankenhausanlagen — Vertrag zwischen zwei öffentlichen Einrichtungen, darunter einer Universität — Öffentliche Einrichtung, die als Wirtschaftsteilnehmer angesehen werden kann — Entgeltlicher Vertrag — Gegenleistung, die die getragenen Kosten nicht übersteigt“

In der Rechtssache C-159/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 9. November 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 1. April 2011, in dem Verfahren

Azienda Sanitaria Locale di Lecce,

Università del Salento

gegen

Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce u. a.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, des Vizepräsidenten K. Lenaerts, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, M. Ilešič, L. Bay Larsen und J. Malenovský, der Richter U. Lõhmus, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev, der Richterin C. Toader sowie der Richter J.-J. Kasel, M. Safjan und D. Šváby (Berichterstatter),

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der Azienda Sanitaria Locale di Lecce, vertreten durch M. de Stasio und V. Pappalepore, avvocati,

der Università del Salento, vertreten durch E. Sticchi Damiani und S. Sticchi Damiani, avvocati,

des Consiglio Nazionale degli Ingegneri, vertreten durch P. Quinto, avvocato,

der Associazione delle Organizzazioni di Ingegneri, di Architettura e di Consultazione Tecnico-Economica (OICE) u. a., vertreten durch A. Clarizia und P. Clarizia, avvocati,

des Consiglio Nazionale degli Architetti, Pianificatori, Paesaggisti e Conservatori (CNAPPC), vertreten durch F. Sciaudone, M. Sanino, R. Sciaudone und A. Neri, avvocati,

der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von C. Colelli, avvocato dello Stato,

der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,

der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar und M. Laszuk als Bevollmächtigte,

der schwedischen Regierung, vertreten durch K. Petkovska, S. Johannesson und A. Falk als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch E. Kružiková und C. Zadra als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 23. Mai 2012

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d, Art. 2, Art. 28 sowie Anhang II Teil A Kategorien 8 und 12 der Richtlinie 2004/18/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge (ABl. L 134, S. 114) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1422/2007 der Kommission vom 4. Dezember 2007 (ABl. L 317, S. 34) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2004/18).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Azienda Sanitaria Locale di Lecce (Örtlicher Sanitätsbetrieb Lecce, im Folgenden: ASL) und der Università del Salento (Universität des Salento, im Folgenden: Universität) gegen den Ordine degli Ingegneri della Provincia di Lecce (Ingenieurskammer der Provinz Lecce) u. a. wegen eines Beratungsvertrags zwischen der ASL und der Universität über die Erforschung und Bewertung der Erdbebenanfälligkeit der Krankenhausanlagen der Provinz Lecce.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 2004/18 heißt es:

„Die Vergabe von Aufträgen in den Mitgliedstaaten auf Rechnung des Staates, der Gebietskörperschaften und anderer Einrichtungen des öffentlichen Rechts ist an die Einhaltung der im [EG-]Vertrag niedergelegten Grundsätze gebunden, insbesondere des Grundsatzes des freien Warenverkehrs, des Grundsatzes der Niederlassungsfreiheit und des Grundsatzes der Dienstleistungsfreiheit sowie der davon abgeleiteten Grundsätze wie z. B. des Grundsatzes der Gleichbehandlung, des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung, des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung, des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit und des Grundsatzes der Transparenz. Für öffentliche Aufträge, die einen bestimmten Wert überschreiten, empfiehlt sich indessen die Ausarbeitung von auf diesen Grundsätzen beruhenden Bestimmungen zur gemeinschaftlichen Koordinierung der nationalen Verfahren für die Vergabe solcher Aufträge, um die Wirksamkeit dieser Grundsätze und die Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens für den Wettbewerb zu garantieren. …“

4

Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„…

a)

‚Öffentliche Aufträge‘ sind zwischen einem oder mehreren Wirtschaftsteilnehmern und einem oder mehreren öffentlichen Auftraggebern geschlossene schriftliche entgeltliche Verträge über die Ausführung von Bauleistungen, die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie.

d)

‚Öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ sind öffentliche Aufträge über die Erbringung von Dienstleistungen im Sinne von Anhang II, die keine öffentlichen Bau- oder Lieferaufträge sind.

(8)   Die Begriffe ‚Unternehmer‘, ‚Lieferant‘ und ‚Dienstleistungserbringer‘ bezeichnen natürliche oder juristische Personen, öffentliche Einrichtungen oder Gruppen dieser Personen und/oder Einrichtungen, die auf dem Markt die Ausführung von Bauleistungen, die Errichtung von Bauwerken, die Lieferung von Waren bzw. die Erbringung von Dienstleistungen anbieten.

Der Begriff ‚Wirtschaftsteilnehmer‘ umfasst sowohl Unternehmer als auch Lieferanten und Dienstleistungserbringer. Er dient ausschließlich der Vereinfachung des Textes.

(9)   ‚Öffentliche Auftraggeber‘ sind der Staat, die Gebietskörperschaften, die Einrichtungen des öffentlichen Rechts und die Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen des öffentlichen Rechts bestehen.

…“

5

Nach Art. 2 der genannten Richtlinie behandeln „[d]ie öffentlichen Auftraggeber … alle Wirtschaftsteilnehmer gleich und nichtdiskriminierend und gehen in transparenter Weise vor“.

6

Gemäß Art. 7 Buchst. b der Richtlinie 2004/18 gilt diese Richtlinie u. a. für öffentliche Dienstleistungsaufträge, die von anderen öffentlichen Auftraggebern vergeben werden als den in Anhang IV der Richtlinie genannten zentralen Regierungsbehörden und nicht aufgrund der in diesem Artikel aufgeführten Ausnahmen ausgeschlossen sind und deren geschätzter Wert netto ohne Mehrwertsteuer 206000 Euro erreicht oder überschreitet.

7

Nach Art. 9 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie ist Grundlage für die Berechnung des geschätzten Auftragswertes der Gesamtwert ohne Mehrwertsteuer, der vom öffentlichen Auftraggeber zum Zeitpunkt der Absendung der Bekanntmachung oder gegebenenfalls zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens voraussichtlich zu zahlen ist.

8

Art. 20 der Richtlinie 2004/18 sieht vor, dass Aufträge über Dienstleistungen gemäß Anhang II Teil A dieser Richtlinie nach deren Art. 23 bis 55 vergeben werden, unter denen Art. 28 bestimmt, dass „[die öffentlichen Auftraggeber für] die Vergabe ihrer öffentlichen Aufträge … die einzelstaatlichen Verfahren in einer für die Zwecke dieser Richtlinie angepassten Form an[wenden]“.

9

Anhang II Teil A der Richtlinie 2004/18 enthält u. a. folgende Kategorien von Dienstleistungen:

Kategorie 8: Forschung und Entwicklung, ohne Aufträge über Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen anderer Art als diejenigen, deren Ergebnisse ausschließlich Eigentum des Auftraggebers für seinen Gebrauch bei der Ausübung seiner eigenen Tätigkeit sind, sofern die Dienstleistung vollständig durch den Auftraggeber vergütet wird;

Kategorie 12: Architektur, technische Beratung und Planung, integrierte technische Leistungen, Stadt- und Landschaftsplanung; zugehörige wissenschaftliche und technische Beratung; technische Versuche und Analysen.

Nationales Recht

10

Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 241 vom 7. August 1990 mit neuen Bestimmungen im Bereich des Verwaltungsverfahrens und des Zugangs zu Verwaltungsunterlagen (Legge n. 241 – Nuove norme in materia di procedimento amministrativo e di diritto di accesso ai documenti amministrativi, GURI Nr. 192 vom 18. August 1990, S. 7) sieht vor, dass „[ö]ffentliche Verwaltungen … stets untereinander Vereinbarungen treffen [können], um die Ausübung von im Allgemeininteresse liegenden Tätigkeiten im Wege der Zusammenarbeit zu regeln“.

11

Art. 66 des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 382 vom 11. Juli 1980 zur Neuordnung des universitären Unterrichts betreffend Ausbildung sowie Erprobung organisatorischer und didaktischer Methoden (Decreto del Presidente della Repubblica – Riordinamento della docenza universitaria, relativa fascia di formazione nonché sperimentazione organizzativa e didattica, Supplemento ordinario zur GURI Nr. 209 vom 31. Juli 1980) bestimmt:

„Die Universitäten können unter der Voraussetzung, dass die Durchführung ihrer wissenschaftlichen Lehrtätigkeit dem nicht entgegensteht, durch Verträge und Vereinbarungen zwischen öffentlichen und privaten Einrichtungen festgelegte Forschungs- und Beratungstätigkeiten ausüben. Die Durchführung derartiger Verträge und Vereinbarungen wird in der Regel den Fachbereichen oder, wenn solche nicht gebildet worden sind, den Instituten oder den Universitätskliniken oder einzelnen vollzeitbeschäftigten Lehrkräften übertragen.

Die Erträge aus den Leistungen, die im Rahmen der im vorstehenden Absatz genannten Verträge und Vereinbarungen erbracht werden, werden nach einer vom Verwaltungsrat der Universität genehmigten Regelung auf der Grundlage eines Modells aufgeteilt, das … vom Minister für öffentliches Unterrichtswesen vorgegeben wird.

Das Lehrpersonal und das Nichtlehrpersonal, das an derartigen Leistungen mitwirkt, kann eine Vergütung bis zu einem jährlichen Gesamtbetrag von nicht mehr als 30 % der gesamten Entlohnung erhalten. Auf keinen Fall darf der auf diese Weise an das Personal ausgezahlte Betrag 50 % der gesamten Erträge aus den [genannten] Leistungen übersteigen.

Nach der Regelung in Abs. 2 bestimmen sich der Betrag, der für die von der Universität getragenen Aufwendungen allgemeiner Art zuzuweisen ist, und die Kriterien für die Zuteilung des in Abs. 3 genannten Betrags an das Personal. Mit den verbleibenden Einnahmen werden didaktisches und wissenschaftliches Material erworben und die Aufwendungen für den Betrieb der Fachbereiche, Institute oder Kliniken, die die Verträge und Vereinbarungen durchgeführt haben, bestritten.

Vom Gesamtertrag der einzelnen Leistungen, der nach den in Abs. 2 genannten Modalitäten aufzuteilen ist, werden in jedem Fall vorab die Aufwendungen der Universität für die Erbringung dieser Leistungen abgezogen.

Die Erträge aus den im vorstehenden Absatz genannten Tätigkeiten stellen Einnahmen des Haushalts der Universität dar.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

12

Mit Beschluss vom 7. Oktober 2009 billigte der Generaldirektor der ASL das Lastenheft für die Ausführung eines Auftrags zur Erforschung und Bewertung der Erdbebenanfälligkeit der Krankenhausanlagen der Provinz Lecce anhand der neuesten nationalen Vorschriften auf dem Gebiet der Sicherheit von Bauwerken, insbesondere von sogenannten „strategischen“ Gebäuden (im Folgenden: Lastenheft bzw. Forschungsauftrag) durch die Universität.

13

Nach dem Lastenheft umfasst dieser Forschungsauftrag für jedes betroffene Gebäude die folgenden drei Abschnitte:

Bestimmung des Anlagentyps, der für den Bau verwendeten Materialien und der angewandten Berechnungsmethoden; summarische Prüfung des tatsächlichen Sachstands im Verhältnis zu der verfügbar gemachten Projektdokumentation;

Prüfungen der baulichen Vorschriftsmäßigkeit, summarische Untersuchung der globalen Reaktion des Gebäudes auf Erdbeben, etwaige örtliche Untersuchungen von für die Bestimmung der globalen Reaktion auf Erdbeben bedeutsamen baulichen Bestandteilen oder Subsystemen;

Ausarbeitung der Ergebnisse des zweiten Abschnitts und Erstellung von technischen Merkblättern für die bauliche Beurteilung, insbesondere: Erstellung von Berichten über den festgestellten Bautyp, über die Materialien und über den Erhaltungszustand des Bauwerks, mit besonderer Bezugnahme auf die Gesichtspunkte, die sich in höherem Maß auf die Reaktion des Bauwerks in Bezug auf die Erdbebengefährdung des Standorts des Bauwerks auswirken; Ausarbeitung technischer Merkblätter über die Einstufung der Erdbebenanfälligkeit der Krankenhäuser; Erstellung technischer Berichte über bauliche Bestandteile und Subsysteme, die in Bezug auf die Prüfung der Erdbebenanfälligkeit als kritisch angesehen werden; Abfassung einleitender Anregungen und summarische Beschreibung der durchführbaren Arbeiten zur Anpassung oder Verbesserung im Hinblick auf die Erdbebenanfälligkeit, mit besonderer Bezugnahme auf die Vorzüge und Grenzen der verschiedenen möglichen Technologien aus technischer und wirtschaftlicher Sicht.

14

Der am 22. Oktober 2009 in Verbindung mit dem Forschungsauftrag geschlossene Vertrag sieht u. a. Folgendes vor:

Die Höchstdauer dieses Vertrags wird auf 16 Monate festgelegt;

mit dem Forschungsauftrag wird die Gruppe für Gebäudetechnik betraut, die hochqualifiziertes externes Personal heranziehen kann;

dieser Auftrag wird im Rahmen einer engen Zusammenarbeit zwischen den von der ASL und der Universität eingesetzten Arbeitsgruppen ausgeführt, um die Ziele zu erreichen, die den dritten Abschnitt des Auftrags bilden;

die wissenschaftliche Verantwortung liegt bei zwei Personen, die jeweils von der einen und der anderen Partei benannt werden;

die ASL ist Eigentümerin aller aus der Versuchstätigkeit abgeleiteten Ergebnisse, verpflichtet sich jedoch, die Universität in jeder Veröffentlichung im technisch-wissenschaftlichen Bereich zu zitieren; die Universität ist befugt, diese Ergebnisse mit Genehmigung der ASL für wissenschaftliche Veröffentlichungen oder Mitteilungen zu verwenden;

für die Gesamtleistung gewährt die ASL der Universität einen Betrag von 200000 Euro ohne Mehrwertsteuer, zahlbar in vier Raten; im Fall der vorzeitigen Auflösung des Vertrags hat die Universität jedoch Anspruch auf einen Betrag, der vom Umfang der geleisteten Arbeit abhängt und den getragenen Kosten sowie den Ausgaben für Verpflichtungen entspricht, die sie im Rahmen der Ausführung des Auftrags übernommen hat.

15

Den Akten, die dem Gerichtshof vorliegen, ist zu entnehmen, dass sich dieser Betrag von 200000 Euro wie folgt zusammensetzt:

Erwerb und Nutzung technischer Hilfsmittel: 20000 Euro;

Dienstreisekosten: 10000 Euro;

Personalkosten: 144000 Euro;

allgemeine Kosten: 26000 Euro.

16

Ferner lässt sich den Akten entnehmen, dass die Personalkosten von 143999,58 Euro, gerundet auf 144000 Euro, auf folgenden Posten beruhen:

Aktivierung von drei Forschungsstipendien für die Dauer eines Jahres: 57037,98 Euro;

Kosten eines Assistenzprofessors für 180 Stunden im Jahr 2009 (Stundensatz von 45,81 Euro) und für 641 Stunden im Jahr 2010 (Stundensatz von 48,93 Euro): 39609,93 Euro;

Kosten eines fest angestellten Forschers für 170 Stunden im Jahr 2009 (Stundensatz von 25,91 Euro) und von 573 Stunden im Jahr 2010 (Stundensatz von 32,23 Euro): 22936,95 Euro;

Kosten eines nicht fest angestellten Forschers für 170 Stunden im Jahr 2009 (Stundensatz von 20,50 Euro) und für 584 Stunden im Jahr 2010 (Stundensatz von 26,48 Euro): 18949,32 Euro;

Kosten eines Labortechnikers für 70 Stunden im Jahr 2009 (Stundensatz von 20,48 Euro) und für 190 Stunden im Jahr 2010 (Stundensatz von 21,22 Euro): 5465,40 Euro.

17

Verschiedene Kammern und Berufsverbände sowie Unternehmen erhoben Klagen gegen die Entscheidung über die Billigung des Lastenhefts sowie gegen jeden vorbereitenden, damit zusammenhängenden oder nachfolgenden Rechtsakt beim Tribunale amministrativo regionale per la Puglia (Regionales Verwaltungsgericht für Apulien), wobei sie sich insbesondere auf einen Verstoß gegen das Vergaberecht auf nationaler und auf Unionsebene beriefen. Mit seinem Urteil gab das Gericht diesen Klagen statt, da es sich seiner Ansicht nach bei dem Forschungsauftrag um einen Auftrag für Ingenieursdienstleistungen im Sinne der italienischen Rechtsvorschriften handelte.

18

Im Rahmen der gegen dieses Urteil eingelegten Rechtsmittel machen die ASL und die Universität im Wesentlichen geltend, dass es sich nach italienischem Recht bei dem Beratungsvertrag um eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen in Bezug auf Tätigkeiten im Allgemeininteresse handele. Die entgeltliche Mitwirkung – allerdings gegen eine auf die getragenen Kosten beschränkte Vergütung – der Universität an einem solchen Vertrag falle in den Rahmen ihrer institutionellen Tätigkeiten. Außerdem wird angeführt, dass mit dem Forschungsauftrag Forschungseinrichtungen betraut würden und dass er Forschungstätigkeiten betreffe, die mittels experimenteller Untersuchungen und Analysen auszuführen seien, die ohne irgendeine standardisierte Methodologie und ohne irgendein in der wissenschaftlichen Literatur kodifiziertes oder etabliertes Verfahren durchgeführt werden müssten. Die Rechtmäßigkeit solcher Vereinbarungen über die Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Verwaltungen im Hinblick auf das Unionsrecht ergebe sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs.

19

Das vorlegende Gericht führt aus, dass die in Art. 15 des Gesetzes Nr. 241 vom 7. August 1990 vorgesehenen Vereinbarungen zwischen öffentlichen Verwaltungen dazu dienten, die Tätigkeit verschiedener Verwaltungsapparate, die jeweils ein spezifisches öffentliches Interesse verfolgten, zu koordinieren, und eine Form der Zusammenarbeit zum Zweck einer möglichst effizienten und wirtschaftlichen Verwaltung der öffentlichen Dienste darstellten. Eine solche Vereinbarung könne im Einklang mit den institutionellen Zielen der an ihr Beteiligten geschlossen werden, wenn eine öffentliche Einrichtung beabsichtige, eine andere öffentliche Einrichtung gegen Entgelt mit einer Dienstleistung zu beauftragen, die unter die Aufgaben der Verwaltung falle.

20

Der Consiglio di Stato fragt sich jedoch, ob der Abschluss einer Vereinbarung zwischen öffentlichen Verwaltungen nicht gegen den Grundsatz des freien Wettbewerbs verstößt, wenn eine der betroffenen Verwaltungen als Wirtschaftsteilnehmer angesehen werden kann; diese Eigenschaft werde jeder öffentlichen Einrichtung zuerkannt, die Leistungen auf dem Markt anbiete, wobei es nicht darauf ankomme, ob sie in erster Linie Gewinnerzielung anstrebe, ob sie unternehmerisch strukturiert sei oder ob sie ständig auf dem Markt tätig sei. Das vorlegende Gericht verweist insoweit auf das Urteil des Gerichtshofs vom 23. Dezember 2009, CoNISMa (C-305/08, Slg. 2009, I-12129). Könne die Universität an einem Ausschreibungsverfahren teilnehmen, müssten unter diesem Gesichtspunkt die von ihr mit den öffentlichen Auftraggebern getroffenen Vereinbarungen in den Anwendungsbereich der unionsrechtlichen Vergabevorschriften fallen, wenn sie sich wie im Ausgangsverfahren auf Forschungsleistungen bezögen, die mit den in den in Anhang II Teil A Kategorien 8 und 12 der Richtlinie 2004/18 erwähnten Dienstleistungen nicht unvereinbar schienen.

21

Der Consiglio di Stato hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Stehen die Richtlinie 2004/18 und insbesondere Art. 1 Abs. 2 Buchst. a und d, Art. 2, Art. 28 sowie Anhang II Teil A Kategorien 8 und 12 einer nationalen Regelung entgegen, die den Abschluss von Vereinbarungen in Schriftform zwischen zwei öffentlichen Auftraggebern über die Erforschung und Bewertung der Erdbebenanfälligkeit von Krankenhausanlagen erlaubt, die nach den nationalen Vorschriften über die Sicherheit von Bauwerken und insbesondere von strategischen Gebäuden gegen eine die für die Erbringung der Leistung getragenen Kosten nicht übersteigende Gegenleistung durchzuführen sind, wenn die den Auftrag ausführende Verwaltung die Eigenschaft eines Wirtschaftsteilnehmers besitzen kann?

Zur Vorlagefrage

22

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Richtlinie 2004/18 dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, die es erlaubt, ohne Ausschreibung einen Vertrag zu schließen, mit dem zwei öffentliche Einrichtungen eine Zusammenarbeit wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende vereinbaren.

23

Vorab ist zu bemerken, dass die Anwendung der Richtlinie 2004/18 auf einen öffentlichen Auftrag der Bedingung unterliegt, dass sein geschätzter Wert unter Berücksichtigung des Normalwerts auf dem Markt für die Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen, auf die sich dieser öffentliche Auftrag bezieht, den in ihrem Art. 7 Buchst. b festgelegten Schwellenwert erreicht. Andernfalls gelten die Grundregeln und die allgemeinen Grundsätze des AEU-Vertrags, insbesondere der Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot, sofern an diesem Auftrag insbesondere wegen seiner Bedeutung und des Orts seiner Ausführung ein eindeutiges grenzüberschreitendes Interesse besteht (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 15. Mai 2008, SECAP und Santorso, C-147/06 und C-148/06, Slg. 2008, I-3565, Randnrn. 20, 21 und 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24

Der Umstand, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag gegebenenfalls entweder unter die Richtlinie 2004/18 oder unter die Grundregeln und allgemeinen Grundsätze des AEU-Vertrags fallen kann, hat jedoch keine Auswirkung auf die Beantwortung der Vorlagefrage. Denn die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgeführten Kriterien, anhand deren geprüft wird, ob eine Ausschreibung zwingend ist oder nicht, gelten sowohl für die Auslegung dieser Richtlinie als auch für die Auslegung der betreffenden Grundregeln und allgemeinen Grundsätze des AEU-Vertrags (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. September 2009, Sea, C-573/07, Slg. 2009, I-8127, Randnrn. 35 bis 37).

25

Nachdem dies klargestellt ist, ist festzustellen, dass nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18 ein zwischen einem Wirtschaftsteilnehmer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossener schriftlicher entgeltlicher Vertrag über die Erbringung von in Anhang II Teil A dieser Richtlinie genannten Dienstleistungen ein öffentlicher Auftrag ist.

26

Dabei ist erstens ohne Bedeutung, dass dieser Wirtschaftsteilnehmer selbst ein öffentlicher Auftraggeber ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. November 1999, Teckal, C-107/98, Slg. 1999, I-8121, Randnr. 51). Es ist auch unerheblich, dass die betreffende Einrichtung nicht in erster Linie Gewinnerzielung anstrebt, nicht unternehmerisch strukturiert ist oder nicht ständig auf dem Markt tätig ist (vgl. in diesem Sinne Urteil CoNISMa, Randnrn. 30 und 45).

27

So hat der Gerichtshof in Bezug auf Einrichtungen wie öffentliche universitäre Einrichtungen entschieden, dass diese grundsätzlich an einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags teilnehmen dürfen. Die Mitgliedstaaten können jedoch die Tätigkeiten dieser Einrichtungen regeln und ihnen insbesondere – im Hinblick auf ihre institutionellen und satzungsmäßigen Ziele – gestatten oder verwehren, auf dem Markt tätig zu sein. Wenn und soweit diese Einrichtungen allerdings berechtigt sind, bestimmte Leistungen auf dem Markt anzubieten, kann ihnen die Teilnahme an einer Ausschreibung für die betreffenden Dienstleistungen nicht untersagt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil CoNISMa, Randnrn. 45, 48, 49 und 51). Im vorliegenden Fall hat das vorlegende Gericht angegeben, dass Art. 66 Abs. 1 des Dekrets des Präsidenten der Republik Nr. 382 vom 11. Juli 1980 den öffentlichen Universitäten ausdrücklich gestatte, Forschungs- und Beratungsleistungen an öffentliche oder private Einrichtungen zu erbringen, soweit diese Tätigkeit ihre Lehrtätigkeit nicht beeinträchtige.

28

Zweitens fallen Tätigkeiten wie diejenigen, die Gegenstand des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vertrags sind, ungeachtet der vom vorlegenden Gericht erwähnten Tatsache, dass sie der wissenschaftlichen Forschung zugerechnet werden können, entsprechend ihrer tatsächlichen Natur entweder unter die in Anhang II Teil A Kategorie 8 der Richtlinie 2004/18 genannten Forschungs- und Entwicklungsdienstleistungen oder unter die in Kategorie 12 dieses Anhangs aufgeführten Ingenieursdienstleistungen und die zugehörige wissenschaftliche und technische Beratung.

29

Drittens kann, wie die Generalanwältin in den Nrn. 32 bis 34 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat und wie sich aus dem normalen und gewöhnlichen Sinn des Wortes „entgeltlich“ ergibt, ein Vertrag nicht allein deswegen aus dem Begriff des öffentlichen Auftrags herausfallen, weil die darin vorgesehene Vergütung auf den Ersatz der Kosten beschränkt bleibt, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstehen.

30

Vorbehaltlich der dem vorlegenden Gericht obliegenden Prüfungen hat es den Anschein, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag sämtliche in den Randnrn. 26 bis 29 des vorliegenden Urteils aufgeführten Merkmale aufweist.

31

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs fallen jedoch zwei Arten von Aufträgen, die von öffentlichen Einrichtungen vergeben werden, nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union.

32

Erstens handelt es sich um Verträge zwischen einer öffentlichen Einrichtung und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person, wenn diese Einrichtung über die betreffende Person eine Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und die genannte Person zugleich ihre Tätigkeiten im Wesentlichen für die Einrichtung oder die Einrichtungen ausübt, die ihre Anteile innehat bzw. innehaben (vgl. in diesem Sinne Urteil Teckal, Randnr. 50).

33

Es steht allerdings fest, dass diese Ausnahme in einem Kontext wie dem des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar ist, da aus der Vorlageentscheidung hervorgeht, dass die ASL keine Kontrolle über die Universität ausübt.

34

Zweitens handelt es sich um Verträge, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe vereinbart wird (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Juni 2009, Kommission/Deutschland, C-480/06, Slg. 2009, I-4747, Randnr. 37).

35

In einem solchen Fall sind die unionsrechtlichen Vergabevorschriften nicht anwendbar, sofern solche Verträge ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden, kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt wird als seine Wettbewerber und die darin vereinbarte Zusammenarbeit nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen (vgl. in diesem Sinne Urteil Kommission/Deutschland, Randnrn. 44 und 47).

36

Zwar scheint, wie das vorlegende Gericht festgestellt hat, ein Vertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende einige der in den beiden vorstehenden Randnummern des vorliegenden Urteils erwähnten Kriterien zu erfüllen, doch ist das Vergaberecht der Union nur dann nicht auf ihn anwendbar, wenn er alle diese Kriterien erfüllt.

37

Hierzu scheint aus den Angaben in der Vorlageentscheidung erstens hervorzugehen, dass dieser Vertrag eine Reihe inhaltlicher Aspekte enthält, von denen ein erheblicher, ja überwiegender Teil in Tätigkeiten besteht, die im Allgemeinen von Ingenieuren oder Architekten ausgeübt werden und die, auch wenn sie auf einer wissenschaftlichen Grundlage beruhen, gleichwohl nicht mit wissenschaftlicher Forschung gleichzusetzen sind. Demnach hat es den Anschein, dass, anders als der Gerichtshof in Randnr. 37 des erwähnten Urteils Kommission/Deutschland feststellen konnte, mit der öffentlichen Aufgabe, die Gegenstand der mit diesem Vertrag vereinbarten Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Einrichtungen ist, keine der ASL und der Universität gemeinsam obliegende öffentliche Aufgabe wahrgenommen wird.

38

Zweitens könnte der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag zu einer Bevorzugung privater Unternehmen führen, wenn zu dem hochqualifizierten externen Personal, das die Universität laut Vertrag zur Durchführung bestimmter Leistungen heranziehen darf, private Dienstleistungserbringer zählen.

39

Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, sämtliche insoweit erforderlichen Nachforschungen anzustellen.

40

Daher ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass das Recht der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge einer nationalen Regelung entgegensteht, die es erlaubt, ohne Ausschreibung einen Vertrag zu schließen, mit dem öffentliche Einrichtungen eine Zusammenarbeit vereinbaren, wenn – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – ein solcher Vertrag nicht die Wahrnehmung einer diesen Einrichtungen gemeinsam obliegenden öffentlichen Aufgabe zum Gegenstand hat, nicht nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, oder geeignet ist, einen privaten Dienstleistungserbringer besser zu stellen als seine Wettbewerber.

Kosten

41

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt:

 

Das Recht der Union über die Vergabe öffentlicher Aufträge steht einer nationalen Regelung entgegen, die es erlaubt, ohne Ausschreibung einen Vertrag zu schließen, mit dem öffentliche Einrichtungen eine Zusammenarbeit vereinbaren, wenn – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist – ein solcher Vertrag nicht die Wahrnehmung einer diesen Einrichtungen gemeinsam obliegenden öffentlichen Aufgabe zum Gegenstand hat, nicht nur durch Erfordernisse und Überlegungen bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, oder geeignet ist, einen privaten Dienstleistungserbringer besser zu stellen als seine Wettbewerber.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Italienisch.

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