This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 62008CJ0174
Judgment of the Court (Fourth Chamber) of 29 October 2009.#NCC Construction Danmark A/S v Skatteministeriet.#Reference for a preliminary ruling: Østre Landsret - Denmark.#Sixth VAT Directive - Article 19(2) - Deduction of input tax - Hybrid taxable person - Goods and services used for both taxable and exempt activities - Calculation of the deductible proportion - Definition of ‘incidental real estate transactions’ - Self-supply - Principle of fiscal neutrality.#Case C-174/08.
Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 29. Oktober 2009.
NCC Construction Danmark A/S gegen Skatteministeriet.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Østre Landsret - Dänemark.
Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Art. 19 Abs. 2 - Vorsteuerabzug - Gemischt Steuerpflichtiger - Gegenstände und Dienstleistungen, die zugleich für besteuerte und für steuerfreie Tätigkeiten verwendet werden - Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs - Begriff der Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte - Lieferungen an sich selbst - Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer.
Rechtssache C-174/08.
Urteil des Gerichtshofes (Vierte Kammer) vom 29. Oktober 2009.
NCC Construction Danmark A/S gegen Skatteministeriet.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Østre Landsret - Dänemark.
Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie - Art. 19 Abs. 2 - Vorsteuerabzug - Gemischt Steuerpflichtiger - Gegenstände und Dienstleistungen, die zugleich für besteuerte und für steuerfreie Tätigkeiten verwendet werden - Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs - Begriff der Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte - Lieferungen an sich selbst - Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer.
Rechtssache C-174/08.
Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-10567
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:669
*A9* Østre Landsret, kendelse af 17/04/2008
Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor
In der Rechtssache C‑174/08
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Østre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 17. April 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 28. April 2008, in dem Verfahren
NCC Construction Danmark A/S
gegen
Skatteministeriet
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer K. Lenaerts in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász, G. Arestis und J. Malenovský (Berichterstatter),
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 23. April 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– der NCC Construction Danmark A/S, vertreten durch B. Møll Pederson, advokat,
– der dänischen Regierung, vertreten durch B. Weis Fogh als Bevollmächtigte im Beistand von D. Auken, advokat,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch D. Triantafyllou und S. Schønberg als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 18. Juni 2009
folgendes
Urteil
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) und der Bedeutung des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität der Mehrwertsteuer.
2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der NCC Construction Danmark A/S (im Folgenden: NCC) gegen das Skatteministerium (Ministerium für Steuern), in dem es um das Recht auf teilweisen Abzug der Vorsteuer geht, das NCC für ihre Gemeinkosten beanspruchen kann.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3. Nach Art. 2 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt“.
4. Art. 5 Abs. 7 Buchst. a der Sechsten Richtlinie lautet:
„Die Mitgliedstaaten können einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellen:
a) die Zuordnung eines im Rahmen seines Unternehmens hergestellten, gewonnenen, be- oder verarbeiteten, gekauften oder eingeführten Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen für Zwecke seines Unternehmens, falls ihn der Erwerb eines solchen Gegenstands von einem anderen Steuerpflichtigen nicht zum vollen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigen würde.“
5. Art. 6 Abs. 3 der Sechsten Richtlinie bestimmt:
„Um Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen, können die Mitgliedstaaten vorbehaltlich der Konsultation nach Artikel 29 auch die Durchführung einer Dienstleistung durch einen Steuerpflichtigen für das eigene Unternehmen in den Fällen einer Dienstleistung gegen Entgelt gleichstellen, in denen die Durchführung einer derartigen Dienstleistung durch einen anderen Steuerpflichtigen ihn nicht zum vollen Abzug der Mehrwertsteuer berechtigt hätte.“
6. Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der Sechsten Richtlinie sieht vor, dass, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, der Steuerpflichtige befugt ist, von der von ihm geschuldeten Steuer die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen abzuziehen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert wurden oder geliefert werden bzw. erbracht wurden oder erbracht werden.
7. Aus Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie geht hervor, dass, soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 dieses Artikels ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig ist, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt. Dieser Pro-rata-Satz wird nach Art. 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.
8. Art. 19 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie lautet:
„Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs
(1) Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Art. 17 Abs. 5 Unterabs. 1 ergibt sich aus einem Bruch; dieser enthält:
– im Zähler den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der zum Vorsteuerabzug nach Artikel 17 Absätze 2 und 3 berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer;
– im Nenner den je Jahr ermittelten Gesamtbetrag der im Zähler stehenden sowie der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätze, abzüglich der Mehrwertsteuer …
Der Pro-rata-Satz wird auf Jahresbasis in Prozent festgesetzt und auf einen vollen Prozentsatz aufgerundet.
(2) In Abweichung von Absatz 1 bleibt der Umsatzbetrag bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs außer Ansatz, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet werden. Außer Ansatz bleiben auch die Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte sowie die in Artikel 13 Teil B Buchstabe d) genannten Umsätze, wenn es sich um Hilfsumsätze handelt …“
9. Nach der Übergangsbestimmung in Art. 28 Abs. 3 Buchst. b der Sechsten Richtlinie können die Mitgliedstaaten während der in Abs. 4 dieses Artikels genannten Übergangszeit die in Anhang F aufgeführten Umsätze unter den in den Mitgliedstaaten bestehenden Bedingungen weiterhin befreien. Anhang F enthält in Nr. 16 die Angabe: „Lieferungen der in Artikel 4 Absatz 3 bezeichneten Gebäude und Grundstücke“.
Nationales Recht
10. Das Mehrwertsteuergesetz (momsloven) setzt die Sechste Richtlinie um.
11. In Bezug auf betriebsinterne Leistungen sieht § 6 Abs. 1 dieses Gesetzes vor, dass die Mehrwertsteuer von Steuerpflichtigen zu entrichten ist, die für eigene Rechnung auf eigenem Grund Immobilien zum Verkauf errichten, wenn sie Bauarbeiten ausführen, während § 6 Abs. 2 vorsieht, dass bei Bauten, für die die Steuer nach Abs. 1 entrichtet wird, die Arbeiten, die ausgeführt werden, und die Materialien, die hierbei verwendet werden, entgeltlichen Dienstleistungen und damit besteuerten Dienstleistungen gleichgestellt werden.
12. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 des Mehrwertsteuergesetzes ist die Lieferung von Immobilien von der Mehrwertsteuer befreit.
13. In Bezug auf das Vorsteuerabzugsrecht sieht § 37 des Mehrwertsteuergesetzes vor: „Eingetragene Unternehmen können bei der Berechnung der Steuerschuld Steuern nach diesem Gesetz für den Bezug usw. von Waren und Leistungen durch das Unternehmen, die ausschließlich für Lieferungen des Unternehmens verwendet werden und nicht nach § 13 von der Steuer befreit sind, … die Vorsteuer … abziehen.“
14. In Bezug auf den Erwerb zur gemischten Verwendung bestimmt § 38 des Mehrwertsteuergesetzes: „Bei Waren und Leistungen, die ein eingetragenes Unternehmen sowohl für Zwecke, die ein Recht auf Vorsteuerabzug nach § 37 begründen, als auch für andere Zwecke des Unternehmens verwendet, ist der Vorsteuerabzug für den Teil der Steuer möglich, der auf den Umsatz entfällt, der mit dem eintragungspflichtigen Teil der Tätigkeiten bewirkt worden ist. Bei der Berechnung des Umsatzes bleibt der Umsatzbetrag, der auf die Lieferung von Investitionsgütern entfällt, die vom Steuerpflichtigen in seinem Unternehmen verwendet worden sind, außer Ansatz … Außer Ansatz bleiben auch die Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte …“
Sachverhalt und Vorlagefragen
15. NCC ist ein im Bausektor insbesondere als Hauptunternehmer tätiges Unternehmen. Sie führt Bauarbeiten, insbesondere Planungs-, Beratungs‑ und Handwerksarbeiten, im Sektor des Hoch‑ und Tiefbaus sowohl für Rechnung Dritter als auch für eigene Rechnung durch.
16. Der Verkauf der Immobilien, die sie für eigene Rechnung errichtet hat, stellt nicht die Haupttätigkeit der Klägerin, sondern eine selbständige Tätigkeit dar, die von ihrer Tätigkeit als Mehrwertsteuerpflichtige im Bauwesen abgeleitet ist.
17. Da nach dem dänischen Mehrwertsteuerrecht der Verkauf von für eigene Rechnung erstellten Immobilien von der Mehrwertsteuer befreit ist, war NCC als gemischt Steuerpflichtige verpflichtet, einen Pro‑rata‑Satz für die Bestimmung des Betrags zu errechnen, auf den sich das Recht auf Abzug der Vorsteuer bezog, das sie für die ihren beiden Tätigkeiten gemeinsamen Kosten (Gemeinkosten) beanspruchen konnte.
18. Im Rahmen dieser Berechnung berücksichtigte NCC nicht den Umsatz für den Verkauf von Immobilien, die sie für eigene Rechnung errichtet hatte. Sie vertrat nämlich die Ansicht, dass diese Tätigkeit des Immobilienverkaufs als „Hilfsumsatz im Bereich der Grundstücksgeschäfte“ im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie zu betrachten sei.
19. Nach Änderung ihrer Praxis ab 1. April 2002 waren die dänischen Steuerbehörden der Ansicht, dass die von einem Bauunternehmen betriebene Tätigkeit des Verkaufs von Immobilien nicht „Hilfsumsätzen im Bereich der Grundstücksgeschäfte“ gleichgestellt werden könne. Daraus ergab sich für das Unternehmen, dass die Vorsteuer, mit der seine Gemeinkosten belastet waren, nunmehr nur noch teilweise abziehbar sein würde.
20. NCC, die in den Genuss des gesamten Abzugs der Vorsteuer für ihre Gemeinkosten gelangen wollte, focht den Standpunkt des Skatteministeriet an.
21. Unter diesen Umständen hat das Østre Landsret das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist der Begriff „Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte“ in Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie dahin auszulegen, dass er die Tätigkeiten eines mehrwertsteuerpflichtigen Bauunternehmens in Verbindung mit dem anschließenden Verkauf von Immobilien erfasst, die von dem Unternehmen – als vollständig mehrwertsteuerpflichtige Tätigkeit – für eigene Rechnung zum Zweck des Weiterverkaufs errichtet worden sind?
2. Ist es für die Beantwortung der ersten Frage von Bedeutung, in welchem Umfang für die Verkaufstätigkeit – für sich genommen – Gegenstände oder Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, verwendet werden?
3. Steht es im Einklang mit dem mehrwertsteuerrechtlichen Neutralitätsgrundsatz, dass ein Bauunternehmen, das nach dem geltenden Recht des Mitgliedstaats – das auf Art. 5 Abs. 7 und Art. 6 Abs. 3 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie beruht – für betriebsinterne Lieferungen im Zusammenhang mit der Errichtung von Immobilien für eigene Rechnung zum Zweck des anschließenden Verkaufs mehrwertsteuerpflichtig ist, nur ein Recht auf teilweisen Vorsteuerabzug für die Gemeinkosten des Unternehmens hat, da der anschließende Verkauf der Immobilie nach dem Mehrwertsteuerrecht des Mitgliedstaats auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 3 Buchst. b in Verbindung mit Anhang F Nr. 16 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie von der Steuer befreit ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten und zur zweiten Frage
22. Mit den ersten beiden Fragen, die gemeinsam zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht zum einen wissen, ob Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass im Fall eines Bauunternehmens der von diesem getätigte Verkauf von Immobilien, die es für eigene Rechnung erstellt hat, als „Hilfsumsätze im Beeich der Grundstücksgeschäfte“ im Sinne dieser Bestimmung einzustufen ist, und zum anderen, ob im Rahmen dieser Einstufung konkret bewertet werden muss, in welchem Umfang für diese Tätigkeit – für sich genommen – Gegenstände und Dienstleistungen, die der Mehrwertsteuer unterliegen, verwendet werden.
23. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass bei der Bestimmung der Bedeutung einer Vorschrift des Gemeinschaftsrechts sowohl deren Wortlaut als auch ihr Zusammenhang und ihre Ziele zu berücksichtigen sind (Urteile vom 15. Oktober 1992, Tenuta il Bosco, C‑162/91, Slg. 1992, I‑5279, Randnr. 11, vom 16. Januar 2003, Maierhofer, C‑315/00, Slg. 2003, I‑563, Randnr. 27, und vom 8. Dezember 2005, Jyske Finans, C‑280/04, Slg. 2005, I‑10683, Randnr. 34).
24. Ferner folgt aus den Anforderungen sowohl der einheitlichen Anwendung des Gemeinschaftsrechts als auch des Gleichheitsgrundsatzes, dass die Begriffe einer gemeinschaftsrechtlichen Bestimmung, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Gemeinschaft eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 15. Juli 2004, Harbs, C‑321/02, Slg. 2004, I‑7101, Randnr. 28, und vom 18. Oktober 2007, Österreichischer Rundfunk, C‑195/06, Slg. 2007, I‑8817, Randnr. 24).
25. Hierzu ist festzustellen, dass Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie für die Ermittlung seines Sinnes und seiner Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist und dass sein Wortlaut für sich genommen die Annahme, dass er eine Tätigkeit erfasst, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, nicht mit Sicherheit zulässt.
26. Unter diesen Umständen sind der Kontext und die Ziele dieser Vorschrift zu berücksichtigen.
27. Was zunächst den Kontext angeht, so gehört Art. 19 der Sechsten Richtlinie zu deren Abschnitt XI, der den Vorsteuerabzug behandelt. Durch das Recht auf Vorsteuerabzug nach Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie, das sich auf die Steuer erstreckt, mit der auf der Vorst ufe die Gegenstände oder Dienstleistungen belastet waren, die der Steuerpflichtige für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, soll der Unternehmer vollständig von der im Rahmen seiner gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet somit die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten, sofern diese Tätigkeiten grundsätzlich selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteil vom 8. Februar 2007, Investrand, C‑435/05, Slg. 2007, I‑1315, Randnr. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28. Tätigt der Steuerpflichtige sowohl besteuerte Umsätze, für die ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch steuerfreie Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, so ist nach Art. 17 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der besteuerten Umsätze entfällt. Dieser Pro-rata-Satz wird nach dem in Art. 19 der Richtlinie festgelegten Verfahren berechnet.
29. Art. 19 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie sieht vor, dass sich der Pro‑rata‑Satz des Vorsteuerabzugs aus einem Bruch ergibt, der im Zähler die Umsätze aus den besteuerten Tätigkeiten und im Nenner den Gesamtumsatz enthält, während Art. 19 Abs. 2 bestimmt, dass in Abweichung hiervon u. a. der Umsatzbetrag, der auf Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücks- und Finanzgeschäfte entfällt, außer Ansatz bleibt.
30. Was schließlich den Zweck von Art. 19 Abs. 2 angeht, ergibt sich aus der Begründung zum Vorschlag der Sechsten Richtlinie, den die Kommission der Europäischen Gemeinschaften dem Rat der Europäischen Gemeinschaften am 29. Juni 1973 vorgelegt hat (vgl. Bulletin der Europäischen Gemeinschaften , Beilage 11/73, S. 21), Folgendes: „Die in diesem Absatz genannten Umsatzbeträge sind bei der Berechnung des Pro-rata-Satzes außer Ansatz zu lassen, damit sie nicht dessen eigentliche Bedeutung verfälschen, sofern diese Umsatzbeträge nicht die berufliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen widerspiegeln. Dies trifft zu für die Verkäufe von Investitionsgütern und für Grundstücks- oder Finanzumsätze, die nur als Hilfsumsätze getätigt werden, d. h. die innerhalb des Gesamtumsatzes des Unternehmens nur eine nebensächliche oder zufällige Rolle spielen. Diese Umsätze werden übrigens nur dann ausgeschlossen, wenn sie nicht in den Rahmen der regelmäßig ausgeübten beruflichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen fallen.“
31. Wie aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, die sich auf diesen Zweck stützt, hervorgeht, kann eine wirtschaftliche Tätigkeit nicht als „Hilfstätigkeit“ im Sinne von Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie eingestuft werden, wenn sie die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens darstellt (Urteil vom 11. Juli 1996, Régie dauphinoise, C‑306/94, Slg. 1996, I‑3695, Randnr. 22) oder wenn sie eine umfangreiche Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordert, für die die Mehrwertsteuer zu entrichten ist (Urteil vom 29. April 2004, EDM, C‑77/01, Slg. 2004, I‑4295, Randnr. 76).
32. Im Licht dieser Rechtsprechung hat der Gerichtshof daher die vom vorlegenden Gericht gestellten Fragen zu beantworten.
33. Was die Erfüllung der ersten Voraussetzung angeht, kann die Tätigkeit des Verkaufs von Immobilien, die ein Bauunternehmen für eigene Rechnung errichtet hat, nicht als Hilfstätigkeit im Bereich ihrer steuerbaren gewerblichen Tätigkeit, die in der Errichtung von Immobilien für Rechnung Dritter oder für eigene Rechnung besteht, betrachtet werden. Da diese Tätigkeit nämlich auf derselben Bautätigkeit beruht, stellt sie deren unmittelbare Erweiterung dar. Die allgemeine Organisation ihrer Tätigkeiten bedeutet für NCC, dass sie im Voraus und regelmäßig dauerhaft die Errichtung einer bestimmten, und sei es noch so geringen, Anzahl von Immobilien für eigene Rechnung plant, die sie später selbst zu vermarkten beabsichtigt. Die Tätigkeit des Immobilienverkaufs, die sich anschließt, erweist sich daher nicht als zufällig, sondern beruht notwendigerweise auf dem Willen des Unternehmens, im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit eine Tätigkeit der Vermarktung der Immobilien, die es für eigene Rechnung errichtet hat, zu entwickeln. Sie gehört zum Unternehmensziel des Steuerpflichtigen und erfolgt zu einem geschäftlichen Zweck (vgl. entsprechend Urteil EDM, Randnr. 67).
34. Unter diesen Umständen ist eine Tätigkeit des Verkaufs von Immobilien, wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, als unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit des Unternehmens zu betrachten, ohne dass konkret zu beurteilen wäre, in welchem Umfang diese Verkaufstätigkeit für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordert, für die die Mehrwertsteuer zu entrichten ist.
35. Aufgrund der vorstehenden Erwägungen ist auf die ersten beiden Fragen zu antworten, dass Art. 19 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass im Fall eines Bauunternehmens der von diesem für eigene Rechnung durchgeführte Verkauf von Immobilien nicht als „Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte“ eingestuft werden kann, da diese Tätigkeit die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit dieses Unternehmens darstellt. Daher braucht nicht konkret beurteilt zu werden, in welchem Umfang diese Verkaufstätigkeit für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordert, für die die Mehrwertsteuer zu entrichten ist.
Zur dritten Frage
36. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht vom Gerichtshof wissen, ob es im Einklang mit dem Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer steht, dass ein Bauunternehmen, das für Bauleistungen, die es für eigene Rechnung erbringt (Lieferungen an sich selbst) die Vorsteuer für die Gemeinkosten, die durch die Ausführung dieser Dienstleistungen entstanden sind, nicht vollständig abziehen kann, da der Umsatz aus dem Verkauf der auf diese Weise errichteten Bauwerke von der Mehrwertsteuer befreit ist.
37. NCC macht geltend, zwar sei der Umsatz aus ihrer Tätigkeit des Verkaufs von Immobilien von der Mehrwertsteuer befreit sei, doch sei die Tätigkeit der Errichtung von Immobilien für eigene Rechnung auf der Grundlage des Gestehungspreises für diese Tätigkeit zuzüglich der in diesem Tätigkeitssektor üblichen Gewinnspanne besteuert worden (als Lieferungen an sich selbst und trotz des begriffsnotwendig daraus folgenden Fehlens eines entsprechenden Umsatzes). Daher, so macht NCC geltend, sei sie zwar mehrwertsteuerpflichtig, doch sei ihr die Möglichkeit genommen worden, die Erstattung der Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen (Gemeinkosten), die für die Zwecke eines besteuerten Umsatzes (die Errichtung von Immobilien für eigene Rechnung) verwendet worden seien, zu erhalten. Eine solche Situation stehe nicht im Einklang mit den Erfordernissen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität.
38. Ferner bedeuteten die Einzelheiten der Umsetzung, die das Königreich Dänemark in Bezug auf die in der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiungsbestimmungen gewählt habe, dass sie in Bezug auf das, worauf Bauunternehmen nach der Richtlinie Anspruch hätten, nämlich die vollständige Abziehbarkeit sämtlicher Gemeinkosten, weniger günstig behandelt werde.
39. Eingangs ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität, der sich aus Art. 17 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie ergibt, beinhaltet, dass der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer auf Gegenstände oder Dienstleistungen, die er für die Ausübung seiner besteuerten Tätigkeit erworben hat, vollständig als Vorsteuer geltend machen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 6. März 2008, Nordania Finans und BG Factoring, C‑98/07, Slg. 2008, I‑1281, Randnr. 19).
40. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Grundsatz der steuerlichen Neutralität und insbesondere das Recht auf Vorsteuerabzug als integrierender Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ein grundlegendes Prinzip des durch das Gemeinschaftsrecht eingeführten Mehrwertsteuersystems (vgl. Urteile vom 10. Juli 2008, Sosnowska, C‑25/07, Slg. 2008, I‑5129, Randnrn. 14 und 15 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 23. April 2009, PARAT Automotive Cabrio, C‑74/08, Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 15).
41. In diesem Grundsatz der steuerlichen Neutralität hat der Gemeinschaftsgesetzgeber den Grundsatz der Gleichbehandlung im Mehrwertsteuerbereich zum Ausdruck gebracht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. April 2008, Marks & Spencer, C‑309/06, Slg. 2008, I‑2283, Randnr. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).
42. Während jedoch der letztgenannte Grundsatz wie andere allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts Verfassungsrang hat, bedarf der Grundsatz der steuerlichen Neutralität einer gesetzgeberischen Ausarbeitung, die nur durch einen Rechtsakt des abgeleiteten Gemeinschaftsrechts erfolgen kann (vgl. entsprechend im Bereich des Schutzes der Minderheitsaktionäre Urteil vom 15. Oktober 2009, C‑101/08, Audiolux u. a., Slg. 2009, I‑0000, Randnr. 63).
43. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität kann daher in einem solchen Rechtsetzungsakt Gegenstand von Klarstellungen sein, wie sie sich, umgesetzt in dänisches Recht, aus der Anwendung von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 3 Buchst. b sowie Anhang F Nr. 16 der Sechsten Richtlinie ergeben, wonach ein Steuerpflichtiger, der zugleich besteuerte Tätigkeiten und von der Steuer befreite Tätigkeiten des Verkaufs von Immobilien ausführt, die Vorsteuer auf seine Gemeinkosten nicht vollständig abziehen kann.
44. Es ist noch darauf hinzuweisen, dass der allgemeine Grundsatz der Gleichbehandlung verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich behandelt werden, es sei denn, dass eine Differenzierung objektiv gerechtfertigt wäre (Urteil Marks & Spencer, Randnr. 51 und die dort angeführte Rechtsprechung). Er setzt insbesondere voraus, dass die verschiedenen Gruppen von Wirtschaftsteilnehmern, die sich in einer vergleichbaren Situation befinden, gleichbehandelt werden, damit gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. g EG jede Verzerrung des Wettbewerbs auf dem Binnenmarkt vermieden wird.
45. Bei der Umsetzung der Bestimmungen der Sechsten Richtlinie waren die Mitgliedstaaten verpflichtet, dem Grundsatz der Gleichbehandlung sowie den anderen allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts Rechnung zu tragen, die verfassungsrechtlicher Art sind und daher für sie verbindlich sind, wenn sie sich im Bereich des Gemeinschaftsrechts betätigen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 18. Mai 2000, Rombi und Arkopharma, C‑107/97, Slg. 2000, I‑3367, Randnr. 65, und vom 8. Juni 2000, Schlossstrasse, C‑396/98, Slg. 2000, I‑4279, Randnr. 44).
46. Wie aus den schriftlichen Erklärungen der dänischen Regierung hervorgeht, wollte der dänische Gesetzgeber mit den gerügten Bestimmungen zur Umsetzung der Sechsten Richtlinie unter Berücksichtigung des allgemeinen Grundsatzes der Gleichbehandlung die Bauunternehmen, die, wie NCC, neben ihrer Bautätigkeit eine steuerbefreite Tätigkeit des Verkaufs von Immobilien ausüben, in die gleiche Lage wie die Bauträger versetzen, die in Anbetracht der Steuerbefreiung für die letztgenannte Tätigkeit die Mehrwertsteuer auf die von Drittunternehmen, deren sie sich bedienen, erbrachten Bauleistungen nicht abziehen können, und zwar, um Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt zu vermeiden. Daher kann der Grundsatz der steuerlichen Neutralität der Anwendung der auf diese Weise umgesetzten Bestimmungen nicht mit Erfolg entgegengehalten werden.
47. Nach allem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dem nicht entgegensteht, dass ein Bauunternehmen, das Mehrwertsteuer auf die Bauleistungen entrichtet, die es für eigene Rechnung durchführt (Lieferungen an sich selbst) die Vorsteuer für die durch die Erbringung dieser Dienstleistungen entstandenen Gemeinkosten nicht abziehen kann, wenn der Umsatz aus dem Verkauf der auf diese Weise erstellten Bauwerke von der Mehrwertsteuer befreit ist.
Kosten
48. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass im Fall eines Bauunternehmens der von diesem für eigene Rechnung durchgeführte Verkauf von Immobilien nicht als „Hilfsumsätze im Bereich der Grundstücksgeschäfte“ eingestuft werden kann, da diese Tätigkeit die unmittelbare, dauerhafte und notwendige Erweiterung der steuerbaren Tätigkeit dieses Unternehmens darstellt. Daher braucht nicht konkret beurteilt zu werden, in welchem Umfang diese Verkaufstätigkeit für sich betrachtet eine Verwendung von Gegenständen und Dienstleistungen erfordert, für die die Mehrwertsteuer zu entrichten ist.
2. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität steht dem nicht entgegen, dass ein Bauunternehmen, das Mehrwertsteuer auf die Bauleistungen entrichtet, die es für eigene Rechnung durchführt (Lieferungen an sich selbst), die Vorsteuer für die durch die Erbringung dieser Dienstleistungen entstandenen Gemeinkosten nicht abziehen kann, wenn der Umsatz aus dem Verkauf der auf diese Weise erstellten Bauwerke von der Mehrwertsteuer befreit ist.