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Document 62007CJ0321
Judgment of the Court (Third Chamber) of 19 February 2009.#Criminal proceedings against Karl Schwarz.#Reference for a preliminary ruling: Landgericht Mannheim - Germany.#Directive 91/439/EEC - Holding of driving licences from different Member States - Validity of a driving licence issued before the accession of a State - Withdrawal of a second driving licence issued by the Member State of residence - Recognition of a driving licence issued before the issue of a second licence later withdrawn on the ground that the holder was unfit - Expiry of the period accompanying a measure withdrawing a driving licence during which no application may be made for the issue of a new driving licence.#Case C-321/07.
Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 19. Februar 2009.
Strafverfahren gegen Karl Schwarz.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Landgericht Mannheim - Deutschland.
Richtlinie 91/439/EWG - Besitz von Fahrerlaubnissen verschiedener Mitgliedstaaten - Gültigkeit einer vor dem Beitritt eines Staates erteilten Fahrerlaubnis - Entziehung einer zweiten, vom Wohnsitzstaat erteilten Fahrerlaubnis - Anerkennung der Fahrerlaubnis, die vor Erteilung der zweiten, später wegen Nichteignung ihres Inhabers entzogenen Fahrerlaubnis erteilt worden war - Ablauf der mit einer Maßnahme des Entzugs einer Fahrerlaubnis verbundenen Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis.
Rechtssache C-321/07.
Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 19. Februar 2009.
Strafverfahren gegen Karl Schwarz.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Landgericht Mannheim - Deutschland.
Richtlinie 91/439/EWG - Besitz von Fahrerlaubnissen verschiedener Mitgliedstaaten - Gültigkeit einer vor dem Beitritt eines Staates erteilten Fahrerlaubnis - Entziehung einer zweiten, vom Wohnsitzstaat erteilten Fahrerlaubnis - Anerkennung der Fahrerlaubnis, die vor Erteilung der zweiten, später wegen Nichteignung ihres Inhabers entzogenen Fahrerlaubnis erteilt worden war - Ablauf der mit einer Maßnahme des Entzugs einer Fahrerlaubnis verbundenen Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis.
Rechtssache C-321/07.
Sammlung der Rechtsprechung 2009 I-01113
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2009:104
*A9* Landgericht Mannheim, Beschluß vom 28/06/2007
*P1* Landgericht Mannheim, Urteil vom 28/04/2009 (15 Ns 508 Js 2301/06 - AK 77/06)
Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor
In der Rechtssache C‑321/07
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Landgericht Mannheim (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. Juni 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Juli 2007, in dem Strafverfahren gegen
Karl Schwarz
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas (Berichterstatter), der Richter J. N. Cunha Rodrigues und J. Klučka, der Richterin P. Lindh sowie des Richters A. Arabadjiev,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: R. Grass,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von Herrn Schwarz, vertreten durch Rechtsanwalt W. Säftel,
– der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,
– der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
– der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Fernandes und M. Ribes als Bevollmächtigte,
– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Braun und N. Yerrell als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. November 2008
folgendes
Urteil
1. Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 2 sowie Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (ABl. L 237, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 284, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/439).
2. Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens, das die Staatsanwaltschaft Mannheim gegen Herrn Schwarz eingeleitet hat und in dem es um die Fahrerlaubnis geht, die Herr Schwarz in Österreich erworben hatte, bevor Österreich der Europäischen Union beitrat und bevor ihm eine deutsche Fahrerlaubnis erteilt wurde, die in Deutschland wegen Trunkenheit im Verkehr entzogen wurde.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3. Die Führerscheine waren Gegenstand einer Harmonisierung durch die Erste Richtlinie 80/1263/EWG des Rates vom 4. Dezember 1980 zur Einführung eines EG-Führerscheins (ABl. L 375, S. 1), die, wie es in ihrem ersten Erwägungsgrund heißt, insbesondere zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit und zur Erleichterung des Verkehrs für diejenigen Personen beitragen soll, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben, oder die innerhalb der Gemeinschaft Fahrten durchführen.
4. Nach Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 80/1263 gilt ein einzelstaatlicher Führerschein, der nach dem EG‑Modell ausgestellt wurde, grundsätzlich sowohl im nationalen als auch im internationalen Verkehr.
5. Erwirbt der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen einzelstaatlichen Führerscheins oder eines Führerscheins nach dem EG‑Modell in einem anderen Mitgliedstaat einen ordentlichen Wohnsitz, bleibt sein Führerschein gemäß Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie dort längstens ein Jahr nach Erwerb des Wohnsitzes gültig. Innerhalb dieser Frist kann der Mitgliedstaat auf Antrag des Inhabers gegen Abgabe des Führerscheins einen Führerschein nach dem EG‑Modell ausstellen.
6. Nach Art. 8 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 80/1263 muss der Mitgliedstaat, der den Umtausch vornimmt, den abgegebenen Führerschein an die zuständige Stelle des Ausstellungsmitgliedstaats zurückschicken.
7. Für den Fall des Umtauschs eines von einem Drittland ausgestellten Führerscheins bestimmt Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 80/1263 u. a., dass ein Führerschein nach dem EG‑Modell nur ausgestellt werden darf, wenn der von einem Drittland ausgestellte Führerschein den zuständigen Stellen des Mitgliedstaats, der den EG‑Führerschein ausstellt, ausgehändigt worden ist.
8. Der erste Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439, durch die mit Wirkung vom 1. Juli 1996 die Richtlinie 80/1263 aufgehoben wurde, lautet:
„Um einen Beitrag zur gemeinsamen Verkehrspolitik zu leisten, die Sicherheit im Straßenverkehr zu verbessern und die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als dem niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben, ist ein einzelstaatlicher Führerschein nach EG-Muster wünschenswert, den die Mitgliedstaaten gegenseitig anerkennen und der nicht umgetauscht werden muss.“
9. Nach dem neunten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ist die Verpflichtung, den Führerschein bei einem Wechsel des Mitgliedstaats des ordentlichen Wohnsitzes innerhalb eines Jahres umzutauschen, angesichts der Fortschritte beim Zusammenwachsen Europas ein inakzeptables Hindernis für die Freizügigkeit.
10. Im letzten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439 wird ausgeführt:
„[A]us Gründen der Verkehrssicherheit und des Straßenverkehrs [sollten] die Mitgliedstaaten die Möglichkeit haben, ihre innerstaatlichen Bestimmungen über den Entzug, die Aussetzung und die Aufhebung einer Fahrerlaubnis auf jeden Führerscheininhaber anzuwenden, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet begründet hat.“
11. Art. 1 der Richtlinie 91/439 bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten stellen den einzelstaatlichen Führerschein gemäß den Bestimmungen dieser Richtlinie nach dem EG-Muster in Anhang I oder Ia aus. …
(2) Die von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine werden gegenseitig anerkannt.
(3) Begründet der Inhaber eines gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem, der den Führerschein ausgestellt hat, so kann der Aufnahmemitgliedstaat seine einzelstaatlichen Rechtsvorschriften hinsichtlich der Gültigkeitsdauer des Führerscheins, der ärztlichen Kontrolle und der steuerlichen Bestimmungen auf den Führerscheininhaber anwenden und auf dem Führerschein die für die Verwaltung unerlässlichen Angaben eintragen.“
12. Nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 hängt die Ausstellung des Führerscheins von folgenden Voraussetzungen ab:
„a) vom Bestehen einer Prüfung der Fähigkeiten und Verhaltensweisen, vom Bestehen einer Prüfung der Kenntnisse und von der Erfüllung gesundheitlicher Anforderungen nach Maßgabe der Anhänge II und III;
b) vom Vorhandensein eines ordentlichen Wohnsitzes oder vom Nachweis der Eigenschaft als Student − während eines Mindestzeitraums von sechs Monaten − im Hoheitsgebiet des ausstellenden Mitgliedstaats“.
13. Nr. 14 des Anhangs III dieser Richtlinie („Mindestanforderungen hinsichtlich der körperlichen und geistigen Tauglichkeit für das Führen eines Kraftfahrzeugs“) zufolge ist Alkoholgenuss eine große Gefahr für die Sicherheit im Straßenverkehr; danach ist auf medizinischer Ebene große Wachsamkeit geboten, da es sich um ein schwerwiegendes Problem handelt.
14. Nr. 14.1 dieses Anhangs präzisiert:
„Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig sind oder das Führen eines Fahrzeugs und Alkoholgenuss nicht trennen können, darf eine Fahrerlaubnis weder erteilt noch erneuert werden.
Bewerbern oder Fahrzeugführern, die alkoholabhängig waren, kann nach einem nachgewiesenen Zeitraum der Abstinenz vorbehaltlich des Gutachtens einer zuständigen ärztlichen Stelle und einer regelmäßigen ärztlichen Kontrolle eine Fahrerlaubnis erteilt oder erneuert werden.“
15. Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 bestimmt:
„Jede Person kann nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein.“
16. Art. 8 der Richtlinie sieht vor:
„(1) Hat der Inhaber eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat begründet, so kann er einen Antrag auf Umtausch seines Führerscheins gegen einen gleichwertigen Führerschein stellen; es ist Sache des umtauschenden Mitgliedstaats, gegebenenfalls zu prüfen, ob der vorgelegte Führerschein tatsächlich gültig ist.
(2) Vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips kann der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden und zu diesem Zweck den betreffenden Führerschein erforderlichenfalls umtauschen.
…
(4) Ein Mitgliedstaat kann es ablehnen, die Gültigkeit eines Führerscheins anzuerkennen, der von einem anderen Mitgliedstaat einer Person ausgestellt wurde, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine der in Absatz 2 genannten Maßnahmen angewendet wurde.
…
(6) Tauscht ein Mitgliedstaat einen von einem Drittland ausgestellten Führerschein gegen einen Führerschein nach dem EG-Muster um, so wird der Umtausch darin vermerkt; dies gilt auch bei jeder späteren Erneuerung oder Ersetzung.
Der Umtausch darf nur dann vorgenommen werden, wenn der von einem Drittland ausgestellte Führerschein den zuständigen Behörden des umtauschenden Mitgliedstaats ausgehändigt worden ist. Verlegt der Inhaber dieses Führerscheins seinen ordentlichen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat, so braucht dieser Mitgliedstaat Artikel 1 Absatz 2 nicht anzuwenden.“
17. Gemäß Art. 10 der Richtlinie 91/439 legen die Mitgliedstaaten nach Zustimmung der Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Äquivalenzen zwischen den Führerscheinen, die sie vor dem Zeitpunkt, zu dem sie dieser Richtlinie spätestens nachzukommen haben, ausgestellt haben, und den Führerscheinen im Sinne des Art. 3 fest.
18. In Art. 12 der Richtlinie 91/439 heißt es:
„(1) Die Mitgliedstaaten erlassen nach Konsultation der Kommission vor dem 1. Juli 1994 die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie ab 1. Juli 1996 nachzukommen.
…
(3) Die Mitgliedstaaten unterstützen einander bei der Durchführung dieser Richtlinie und tauschen im Bedarfsfall Informationen über die von ihnen registrierten Führerscheine aus.“
19. Art. 1 der Entscheidung 2000/275/EG der Kommission vom 21. März 2000 über Äquivalenzen zwischen bestimmten Klassen von Führerscheinen (ABl. L 91, S. 1) in der durch die Entscheidung 2002/256/EG der Kommission vom 25. März 2002 (ABl. L 87, S. 57) geänderten Fassung bestimmt, dass diese Entscheidung für alle in den Mitgliedstaaten ausgestellten gültigen und noch im Umlauf befindlichen Führerscheine gilt.
20. Nach Art. 2 der Entscheidung sind Äquivalenztabellen zu den Führerscheinen, die von den Mitgliedstaaten vor Umsetzung der Richtlinie 91/439 ausgestellt wurden, und den harmonisierten Führerscheinklassen gemäß Art. 3 der Richtlinie 91/439 im Anhang zu dieser Entscheidung aufgeführt.
Nationales Recht
21. § 28 Abs. 1, 4 und 5 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis‑Verordnung) vom 18. August 1998 (BGBl. 1998 I S. 2214, FeV) bestimmt:
„(1) Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 in der Bundesrepublik Deutschland haben, dürfen – vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 – im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Auflagen zur ausländischen Fahrerlaubnis sind auch im Inland zu beachten. Auf die Fahrerlaubnisse finden die Vorschriften dieser Verordnung Anwendung, soweit nichts anderes bestimmt ist.
…
(4) Die Berechtigung nach Absatz 1 gilt nicht für Inhaber einer EU‑ oder EWR-Fahrerlaubnis,
…
3. denen die Fahrerlaubnis im Inland vorläufig oder rechtskräftig von einem Gericht oder sofort vollziehbar oder bestandskräftig von einer Verwaltungsbehörde entzogen worden ist, denen die Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist oder denen die Fahrerlaubnis nur deshalb nicht entzogen worden ist, weil sie zwischenzeitlich auf die Fahrerlaubnis verzichtet haben,
…
(5) Das Recht, von einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis nach einer der in Absatz 4 Nr. 3 und 4 genannten Entscheidungen im Inland Gebrauch zu machen, wird auf Antrag erteilt, wenn die Gründe für die Entziehung oder die Sperre nicht mehr bestehen. …“
22. Nach § 69 des Strafgesetzbuchs (StGB) entzieht das Strafgericht die Fahrerlaubnis, wenn sich aus der Tat ergibt, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet ist. Nach § 69a StGB darf für die Dauer von sechs Monaten bis zu fünf Jahren keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden (Sperre); unter bestimmten Umständen kann diese Sperre auf Lebenszeit angeordnet werden.
23. Ebenso hat die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 FeV die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.
24. In § 11 FeV („Eignung“) heißt es:
„(1) Bewerber um eine Fahrerlaubnis müssen die hierfür notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllen. Die Anforderungen sind insbesondere nicht erfüllt, wenn eine Erkrankung oder ein Mangel nach Anlage 4 oder 5 vorliegt, wodurch die Eignung oder die bedingte Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen wird. …
(2) Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die körperliche oder geistige Eignung des Fahrerlaubnisbewerbers begründen, kann die Fahrerlaubnisbehörde zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens durch den Bewerber anordnen. …
(3) Die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) kann zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach Absatz 2 angeordnet werden,
…
4. bei erheblichen oder wiederholten Verstößen gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder bei Straftaten, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr oder im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen …
oder
5. bei der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis, wenn
…
b) der Entzug der Fahrerlaubnis auf einem Grund nach Nummer 4 beruhte.
(8) Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf sie bei ihrer Ent scheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen. …“
25. § 13 FeV („Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik“) ermächtigt die zuständige Behörde, unter bestimmten Umständen die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, um Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen vorzubereiten. Das ist insbesondere der Fall, wenn nach einem ärztlichen Gutachten oder aufgrund von Tatsachen Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden.
26. Nach § 20 Abs. 1 FeV gelten für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach vorangegangener Entziehung die Vorschriften für die Ersterteilung. Nach § 20 Abs. 2 FeV kann die zuständige Behörde zwar auf eine Fahrerlaubnisprüfung verzichten, wenn keine Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht mehr besitzt; nach Abs. 3 bleibt aber die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV unberührt.
27. Gemäß § 21 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er die dazu erforderliche Fahrerlaubnis nicht hat.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
28. Am 28. Oktober 1964 erteilte das Verkehrsamt Wien (Österreich) Herrn Schwarz die Fahrerlaubnis (Lenkberechtigung) der Klassen A und B.
29. Im Jahr 1968 ließ Herr Schwarz seine österreichische Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis der Klassen 1 und 3 umschreiben. Der österreichische Führerschein wurde ihm belassen.
30. Am 9. Mai 1988 verzichtete Herr Schwarz auf die deutsche Fahrerlaubnis und gab den deutschen Führerschein zurück.
31. Nachdem eine medizinisch‑psychologische Untersuchung positiv verlaufen war, erteilte ihm das Ordnungsamt der Stadt Mannheim (Deutschland) am 3. Mai 1994 eine neue Fahrerlaubnis. Sein österreichischer Führerschein wurde ihm belassen.
32. Das Amtsgericht Mannheim verurteilte Herrn Schwarz mit Urteil vom 1. Dezember 1997 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 DM wegen Trunkenheit im Verkehr. Seine Fahrerlaubnis wurde ihm entzogen, sein Führerschein wurde eingezogen, und es wurde eine Sperrfrist von sechs Monaten für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis bestimmt.
33. Am 24. Juli 2000 beantragte Herr Schwarz beim Ordnungsamt der Stadt Mannheim eine neue Fahrerlaubnis der Klasse 3. Das Ordnungsamt lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. April 2001 ab und führte zur Begründung aus, dass er nicht das vorgeschriebene medizinisch‑psychologische Gutachten vorgelegt habe.
34. Am 11. April 2005 wurde Herr Schwarz beim Führen eines Kraftfahrzeugs angetroffen, ohne dass er im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis gewesen sei. In der Folge verurteilte ihn das Amtsgericht Mannheim am 30. Januar 2006 zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25 Euro. Herr Schwarz bezahlte die festgesetzte Geldstrafe, um die Ersatzfreiheitsstrafe abzuwenden.
35. Hierzu trug Herr Schwarz vor, dass er keinen Einspruch habe einlegen können, weil er den nach Wien gesandten Strafbefehl zu spät erhalten habe.
36. Bei einer Verkehrskontrolle am 23. Dezember 2005 zeigte Herr Schwarz seinen österreichischen Führerschein vor. Im Anschluss daran sprach ihn das Amtsgericht Mannheim mit Urteil vom 22. Juni 2006 von dem Vorwurf frei, ein Kraftfahrzeug geführt zu haben, ohne im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis zu sein (Vergehen gemäß § 21 Abs. 1 StVG).
37. Die Staatsanwaltschaft Mannheim strebt die Verurteilung von Herrn Schwarz wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis an und hat deshalb gegen dieses Urteil Berufung beim Landgericht Mannheim eingelegt.
38. Unter diesen Umständen hat das Landgericht Mannheim beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die beiden folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist es – entgegen Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 – gemeinschaftsrechtlich möglich, dass ein EU‑Bürger im Besitz einer wirksamen inländischen und einer weiteren Fahrerlaubnis aus einem anderen Mitgliedstaat sein kann, die beide vor dem Beitritt zur EU des ausländischen Mitgliedstaats erworben waren, und – gegebenenfalls –
2. hat die – vor Inkrafttreten der Fahrerlaubnisverordnung vom 1. Januar 1999 erfolgte – Entziehung der später erteilten zweiten inländischen Fahrerlaubnis wegen eines Trunkenheitsdelikts die Rechtsfolge, dass auch die Gültigkeit der zuvor erteilten ersten ausländischen Fahrerlaubnis im Inland nach dem Beitritt des ausländischen Mitgliedstaats nicht mehr anerkannt zu werden braucht, selbst wenn die inländische Sperrfrist bereits abgelaufen ist?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
39. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 dahin auszulegen ist, dass er dem entgegensteht, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der Inhaber eines von diesem Mitgliedstaat ausgestellten EG‑Führerscheins ist, darüber hinaus im Besitz eines weiteren, zuvor von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist, wenn beide vor dem Beitritt des zuletzt genannten Staates zur Union erworben wurden.
Erklärungen der Beteiligten
40. Nach Auffassung von Herrn Schwarz und der Kommission ist es möglich, zwei Führerscheine zu besitzen, deren einer vom Wohnsitzmitgliedstaat und deren anderer von einem anderen Mitgliedstaat jeweils vor dem Beitritt des zuletzt genannten Staates zur Union ausgestellt worden seien, selbst wenn der gleichzeitige Besitz zweier Führerscheine Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 widerspreche. Eine solche Situation sei zwar nicht im Sinne dieser Richtlinie, könnte aber erst nach Einrichtung einer zentralisierten Führerscheinverwaltung für sämtliche Mitgliedstaaten verschwinden.
41. Auch die deutsche Regierung ist der Meinung, dass es grundsätzlich möglich sei, über zwei Fahrerlaubnisse zu verfügen, die von zwei Mitgliedstaaten erteilt und beide vor dem Beitritt eines der beiden Staaten zur Union erworben worden seien.
42. Es könne sich aber aus nationalem Recht ergeben, dass eine von einem Drittstaat erteilte Fahrerlaubnis im Inland ungültig geworden sei, bevor dieser Staat der Union beigetreten sei. Dies sei in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens nach geltendem deutschen Recht der Fall; danach erlösche das Recht eines Fahrzeugführers, der eine gültige Fahrerlaubnis eines Drittstaats besitze, von dieser Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, wenn nach Begründung seines ständigen Aufenthalts in Deutschland mehr als zwölf Monate verstrichen seien.
43. Jedenfalls verstieße ein mögliches Wiederaufleben der 1964 erteilten Fahrerlaubnis gegen Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439, der den Besitz zweier gültiger Fahrerlaubnisse verhindern solle.
44. Die italienische Regierung weist darauf hin, dass die österreichische Fahrerlaubnis wahrscheinlich zeitlich unbeschränkt gelte, stellt es aber dem Gerichtshof anheim, festzustellen, ob Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 im Fall des Besitzes zweier Führerscheine dahin auszulegen ist, dass er den betroffenen Mitgliedstaat verpflichtet, gegebenenfalls im Verfahren der gegenseitigen Unterstützung entweder den automatischen Verlust der früheren Fahrerlaubnis oder mit Wirkung ex tunc die Ungültigkeit der späteren Fahrerlaubnis festzustellen.
45. Die portugiesische Regierung trägt vor, nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 könne das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen in einem Mitgliedstaat nur aufgrund eines einzigen EG‑Führerscheins ausgeübt werden. Eventuelle Restriktionen wirkten sich daher auf diesen einzigen Führerschein aus. Unter administrativen Gesichtspunkten ermögliche es ein einziger Führerschein, mögliche Sanktionen zu kontrollieren und umzusetzen. Zur ordnungsgemäßen Umsetzung der Richtlinie 91/439 hätte die Bundesrepublik Deutschland daher sicherstellen müssen, dass jeder in Deutschland ansässige Führer eines Kraftfahrzeugs nur einen einzigen EG‑Führerschein besitze.
Antwort des Gerichtshofs
– Vorbemerkungen
46. Die Frage nach der Auslegung von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 geht so, wie sie vom vorlegenden Gericht gestellt wird, davon aus, dass beide Fahrerlaubnisse gleichzeitig gültig sind.
47. Die deutsche Regierung macht geltend, nach deutschem Recht hätte Herr Schwarz zwölf Monate nach Begründung seines Hauptwohnsitzes in Deutschland sein Recht verlieren müssen, von seiner 1964 erteilten und 1968 umgeschriebenen österreichischen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen.
48. Hierauf ist zu antworten, dass sich die Zuständigkeit des Gerichtshofs auf die Prüfung der Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts beschränkt und er nicht berufen ist, über nationales Recht zu entscheiden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Juni 2006, innoventif, C‑453/04, Slg. 2006, I‑4929, Randnr. 29).
49. Jedenfalls ist der Gerichtshof in einem Verfahren nach Art. 234 EG nur befugt, sich auf der Grundlage des ihm vom vorlegenden Gericht unterbreiteten Sachverhalts zur Auslegung oder zur Gültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift zu äußern (vgl. Urteile vom 16. März 1978, Oehlschläger, 104/77, Slg. 1978, 791, Randnr. 4, und vom 11. September 2008, Eckelkamp u. a., C‑11/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 52).
50. Der Vorlageentscheidung ist zu entnehmen, dass Herrn Schwarz bei der Umschreibung seiner österreichischen Fahrerlaubnis in eine deutsche Fahrerlaubnis im Jahr 1968 wie auch bei der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im Jahr 1994 der österreichische Führerschein belassen wurde und die österreichische Fahrerlaubnis gültig blieb.
51. In Bezug auf die Gültigkeit der 1994 erteilten deutschen Fahrerlaubnis stellt sich zum einen die Frage nach der Anwendung der Richtlinie 80/1263 und insbesondere ihres Art. 8 Abs. 3, soweit darin vorgesehen ist, dass ein Mitgliedstaat einen von einem Drittland ausgestellten Führerschein nur dann in einen Führerschein nach EG‑Modell umtauschen darf, wenn der von einem Drittland ausgestellte Führerschein den zuständigen Stellen des Mitgliedstaats, der den Umtausch vornimmt, ausgehändigt worden ist.
52. Sollte es sich bei der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im Jahr 1994 weder um eine Umschreibung noch um einen Umtausch des Führerscheins, sondern um die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis nach deutschem Recht gehandelt haben, wie die deutsche Regierung meint, wären in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens die Bestimmungen über den Umtausch des Führerscheins nicht anwendbar.
53. Zum anderen war Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439, wonach jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein kann, bei Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im Jahr 1994 nicht einschlägig, da diese Richtlinie erst mit Wirkung vom 1. Juli 1996, dem Zeitpunkt, zu dem die Richtlinie 80/1263 aufgehoben wurde, anzuwenden war (vgl. Urteil vom 29. Oktober 1998, Awoyemi, C‑230/97, Slg. 1998, I‑6781, Randnr. 33).
54. Selbst wenn die Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis im Mai 1994 entgegen der Auffassung der deutschen Regierung nicht als Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis, sondern in Wirklichkeit als Umtausch eines bestehenden Führerscheins anzusehen wäre, kann es einem Angehörigen eines Mitgliedstaats nicht zum Nachteil gereichen, Inhaber zweier Führerscheine zu sein, auch wenn die Ausstellung des zweiten Führerscheins das Ergebnis eines Rechtsverstoßes sein sollte, indem der Ausstellungsmitgliedstaat dadurch, dass er es versäumt hat, den zuvor von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein dessen Stellen auszuhändigen, gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen hat. Denn der Inhaber eines solchen Führerscheins darf von einem Mitgliedstaat nicht für eine Verletzung von Pflichten bestraft werden, die das Gemeinschaftsrecht diesem Staat auferlegt.
– Zur Anwendung von Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439
55. Nach Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 kann jede Person nur Inhaber eines einzigen von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins sein. Demzufolge ist es den Mitgliedstaaten verboten, einen EG‑Führerschein auszustellen, wenn derjenige, der einen solchen Führerschein beantragt, bereits im Besitz eines anderen Führerscheins ist, der von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wurde.
56. Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 schreibt zwar die Einmaligkeit der Fahrerlaubnis fest (vgl. Urteile vom 26. Juni 2008, Wiedemann und Funk, C‑329/06 und C‑343/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 70, sowie Zerche u. a., C‑334/06 bis C‑336/06, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 67), doch bewirkt er nur ein Verbot der Ausstellung eines zweiten EG‑Führerscheins ab dem Beginn der Anwendung dieser Bestimmung, nämlich dem 1. Juli 1996, dem Zeitpunkt, zu dem die Richtlinie 80/1263 aufgehoben wurde.
57. Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 steht dagegen dem nicht entgegen, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats weiterhin über mehr als eine gültige Fahrerlaubnis verfügt, wenn eine dieser Erlaubnisse in einem Mitgliedstaat vor dessen Beitritt erteilt wurde, da eine solche Erlaubnis nicht ihre Gültigkeit verloren hat.
58. In einer solchen Situation berührt die betreffende Bestimmung daher, wenn zwei gültige Fahrerlaubnisse nebeneinander bestehen, nicht die Gültigkeit einer von ihnen. Sie stellt in einem derartigen Fall keinen Anwendungsvorrang auf und ordnet weder den automatischen Verlust der ersten Fahrerlaubnis noch die Ungültigkeit der zweiten Fahrerlaubnis an.
59. Wurde die erste Fahrerlaubnis von einem Staat vor seinem Beitritt zur Union erteilt, verlangt Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 im Fall des Besitzes zweier gültiger Fahrerlaubnisse somit weder den automatischen Verlust der früheren, von diesem Staat vor seinem Beitritt erteilten Fahrerlaubnis noch die Ungültigkeit der späteren, ebenfalls vor dem betreffenden Beitritt in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis.
60. Dementsprechend ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 dahin auszulegen ist, dass er dem nicht entgegensteht, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats zwei gültige Führerscheine gleichzeitig besitzt, deren einer ein EG‑Führerschein und deren anderer ein von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein ist, wenn beide vor dem Beitritt des zuletzt genannten Staates zur Union erworben wurden.
Zur zweiten Frage
61. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 1 und 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 es einem Mitgliedstaat verwehren, die Anerkennung des Rechts zum Führen von Kraftfahrzeugen abzulehnen, das sich aus einer Fahrerlaubnis ergibt, die ein anderer Staat vor seinem Beitritt zur Union erteilt hat, wenn diese Fahrerlaubnis vor einer Fahrerlaubnis erteilt wurde, die der zuerst genannte Mitgliedstaat erteilt hat, in dem diese zweite Fahrerlaubnis wegen Nichteignung ihres Inhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen wurde, und die mit der Entziehung verbundene Sperrfrist abgelaufen ist.
Erklärungen der Beteiligten
62. Herr Schwarz bemerkt, ein Mitgliedstaat dürfe die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis nur ablehnen, wenn das zuständige nationale Straßenverkehrsamt eine Entscheidung getroffen habe, was im Ausgangsverfahren nicht der Fall sei.
63. Das vorlegende Gericht sei im Ausgangsverfahren hierfür nicht zuständig und dürfe ihn daher nicht wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis bestrafen. Die Entziehung seiner deutschen Fahrerlaubnis im Jahr 1997, verbunden mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis rechtfertige es zudem nicht, ihm nach Ablauf der Sperrfrist auf unbestimmte Zeit die Anerkennung seiner 1964 ausgestellten österreichischen Fahrerlaubnis zu verweigern.
64. Die Kommission trägt vor, ein Führerschein, der in einem Mitgliedstaat ausgestellt worden sei, nachdem ein erster Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat entzogen worden sei, brauche von dem zuletzt genannten Mitgliedstaat nicht anerkannt zu werden, wenn der zweite Führerschein während einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis in dem Mitgliedstaat, der den ersten Führerschein entzogen habe, ausgestellt worden sei.
65. Dagegen sei es möglich, aufgrund eines zweiten Führerscheins, den ein Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ausgestellt habe, erneut ein Kraftfahrzeug zu führen. Soweit es um einen Führerschein gehe, der nicht während der Sperrfrist, sondern davor ausgestellt worden sei, sei der Inhaber eines solchen Führerscheins in der Regel bei der Ausstellung noch unbescholten, so dass dieser Führerschein anerkannt werden müsse, sofern keine besonderen Umstände dagegen sprächen.
66. In einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens wirkten sich weder der Umstand, dass die Republik Österreich noch nicht der Union beigetreten gewesen sei, noch die Tatsache, dass eine später in Deutschland erteilte Fahrerlaubnis entzogen worden sei, auf die Pflicht aus, nach Ablauf der Sperrfrist, mit der die Entziehung verbunden gewesen sei, einen gültigen Führerschein anzuerkennen.
67. Die deutsche Regierung macht im Hinblick auf die Antwort, die sie auf die erste Frage vorschlägt, lediglich hilfsweise geltend, dass die Richtlinie 91/439 der Regelung in § 28 FeV nicht entgegenstehe, aufgrund deren Herr Schwarz nicht berechtigt sei, unter Berufung auf seine österreichische Fahrerlaubnis ein Kraftfahrzeug zu führen, solange nicht durch Vorlage eines medizinisch‑psychologischen Gutachtens unter Beweis gestellt sei, dass die Gründe für die Entziehung einer später erteilten deutschen Fahrerlaubnis weggefallen seien. Der Entziehung einer deutschen Fahrerlaubnis würde jede Wirkung genommen, wenn die Behörden verpflichtet wären, die früher erteilte ausländische Fahrerlaubnis anzuerkennen.
68. Ferner sei es nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 zulässig, Maßnahmen wegen eines Verhaltens anzuordnen, das dem Erwerb der ausländischen Fahrerlaubnis zeitlich nachfolge.
69. Außerdem habe der Betroffene anders als jemand, der nach der Entziehung seiner deutschen Fahrerlaubnis in einem anderen Mitgliedstaat eine neue Fahrerlaubnis erworben habe, seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen keineswegs zweimal unter Beweis gestellt. Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 80/1263 und Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439 zeigten gerade, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Erwerb einer doppelten Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen habe verhindern wollen.
70. Die Entziehung einer inländischen Fahrerlaubnis müsse zudem die Aberkennung der Gültigkeit einer vorher erworbenen ausländischen Fahrerlaubnis ermöglichen, da entsprechend dem Ziel der Richtlinie 91/439, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten, verhindert werden müsse, dass jemand ein Fahrzeug im öffentlichen Straßenverkehr führe, obwohl er hierzu ungeeignet sei.
71. Schließlich führt die deutsche Regierung aus, dass der Ablauf der Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis im Ausgangsverfahren ohne Bedeutung sei, da der Angeklagte nach Ablauf der Sperrfrist keine neue Fahrerlaubnis erworben habe. Herr Schwarz werde hierdurch in seinen Rechten nicht übermäßig beeinträchtigt, denn es sei ihm nicht verwehrt, nach Ablauf der Sperrfrist eine neue Fahrerlaubnis zu erwerben.
72. Ebenso macht die italienische Regierung geltend, dass nichts der Anwendung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 entgegenstehe, wonach der Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes auf den Inhaber eines von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anwenden könne.
73. Im Ausgangsverfahren habe sich Herr Schwarz nach der Entziehung seiner deutschen Fahrerlaubnis keiner von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats angeordneten Prüfung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen unterzogen. Somit sei nach der Entscheidung über die Entziehung nichts geschehen, woraus man schließen könnte, dass der Betroffene die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen wiedererlangt habe. Außerdem stehe es Herrn Schwarz frei, gemäß § 28 Abs. 5 FeV eine neue Fahrerlaubnis zu beantragen.
Antwort des Gerichtshofs
74. Dem ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 91/439 ist zu entnehmen, dass der allgemeine Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie aufgestellt wurde, um insbesondere die Freizügigkeit von Personen zu erleichtern, die sich in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen niederlassen, in dem sie ihre Fahrprüfung abgelegt haben (Urteile vom 29. April 2004, Kapper, C‑476/01, Slg. 2004, I‑5205, Randnr. 71, Wiedemann und Funk, Randnr. 49, Zerche u. a., Randnr. 46, sowie vom 20. November 2008, Weber, C‑1/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 26).
75. Nach gefestigter Rechtsprechung sieht dieser Art. 1 Abs. 2 die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität vor. Diese Bestimmung erlegt den Mitgliedstaaten eine klare und unbedingte Verpflichtung auf, die keinen Ermessensspielraum in Bezug auf die Maßnahmen einräumt, die zu erlassen sind, um dieser Verpflichtung nachzukommen (vgl. in diesem Sinne Urteile Awoyemi, Randnrn. 41 und 42, vom 10. Juli 2003, Kommission/Niederlande, C‑246/00, Slg. 2003, I‑7485, Randnrn. 60 und 61, Kapper, Randnr. 45, Wiedemann und Funk, Randnr. 50, Zerche u. a., Randnr. 47, und Weber, Randnr. 27, sowie Beschlüsse vom 6. April 2006, Halbritter, C‑227/05, Randnr. 25, und vom 28. September 2006, Kremer, C‑340/05, Randnr. 27).
76. Es ist Aufgabe des Ausstellermitgliedstaats, zu prüfen, ob die im Gemeinschaftsrecht aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere diejenigen des Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 hinsichtlich des Wohnsitzes und der Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung einer Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist (vgl. Urteile Wiedemann und Funk, Randnr. 52, sowie Zerche u. a., Randnr. 49).
77. Wenn die Behörden eines Mitgliedstaats einen Führerschein gemäß Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 ausgestellt haben, sind die anderen Mitgliedstaaten nicht befugt, die Beachtung der in dieser Richtlinie aufgestellten Ausstellungsvoraussetzungen nachzuprüfen. Der Besitz eines von einem Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ist nämlich als Nachweis dafür anzusehen, dass der Inhaber dieses Führerscheins am Tag der Erteilung des Führerscheins diese Voraussetzungen erfüllte (Urteile Wiedemann und Funk, Randnr. 53, sowie Zerche u. a., Randnr. 50).
78. Im vorliegenden Fall ist zu bemerken, dass die zwischen dem 1. Januar 1956 und dem 1. November 1997 in Österreich ausgestellten Führerscheine in den Äquivalenztabellen im Anhang zur Entscheidung 2000/275 in der durch die Entscheidung 2002/256 geänderten Fassung aufgeführt sind.
79. Art. 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 gestattet den Mitgliedstaaten, sich unter bestimmten Umständen und insbesondere aus Gründen der Sicherheit des Straßenverkehrs, wie dem letzten Erwägungsgrund der Richtlinie zu entnehmen ist, auf ihre innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis in Bezug auf jeden Inhaber eines Führerscheins zu berufen, der seinen ordentlichen Wohnsitz in ihrem Hoheitsgebiet hat.
80. Die Befugnis aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 kann aufgrund eines Verhaltens des Betroffenen nach Erwerb des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins ausgeübt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile Wiedemann und Funk, Randnr. 59, und Zerche u. a., Randnr. 56, sowie Beschlüsse Halbritter, Randnr. 38, Kremer, Randnr. 35, und vom 3. Juli 2008, Möginger, C‑225/07, Slg. 2008, I‑0000, Randnr. 36).
81. Zwar erlaubt Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 es dem Mitgliedstaat des ordentlichen Wohnsitzes nicht, die Anerkennung des von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins allein mit der Begründung abzulehnen, dass dem Inhaber dieses Führerscheins zuvor eine frühere Fahrerlaubnis im ersten Mitgliedstaat entzogen wurde; diese Bestimmung erlaubt es ihm jedoch, auf den Inhaber vorbehaltlich der Einhaltung des straf- und polizeirechtlichen Territorialitätsprinzips seine innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis anzuwenden, wenn dessen Verhalten nach deren Erteilung dies rechtfertigt (vgl. Urteile Wiedemann und Funk, Randnr. 66, sowie Zerche u. a., Randnr. 63).
82. Art. 8 Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 91/439 erlaubt es seinerseits einem Mitgliedstaat, die Gültigkeit eines Führerscheins nicht anzuerkennen, der in einem anderen Mitgliedstaat von einer Person erworben wurde, auf die im Hoheitsgebiet des ersten Mitgliedstaats eine Maßnahme der Einschränkung, der Aussetzung, des Entzugs oder der Aufhebung der Fahrerlaubnis angewandt wurde.
83. Der Gerichtshof hat hierzu entschieden, dass es die Art. 1 Abs. 2 und 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439 einem Mitgliedstaat nicht verwehren, einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs der Fahrerlaubnis in Verbindung mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis angewandt worden ist, die Anerkennung eines von einem anderen Mitgliedstaat während dieser Sperrzeit ausgestellten neuen Führerscheins zu versagen (Urteile Wiedemann und Funk, Randnr. 65, Zerche u. a., Randnr. 62, und Beschluss Möginger, Randnr. 38).
84. Die in Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439 vorgesehene Erlaubnis ist jedoch eine Ausnahme vom allgemeinen Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der Führerscheine und aus diesem Grund eng auszulegen (vgl. Urteile Wiedemann und Funk, Randnr. 60, Zerche u. a., Randnr. 57, und Weber, Randnr. 29).
85. Der Gerichtshof hat festgestellt, dass sich ein Mitgliedstaat nicht auf Art. 8 Abs. 4 berufen kann, um einer Person, auf die in seinem Hoheitsgebiet eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis angewandt wurde, auf unbestimmte Zeit die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins zu versagen, der ihr möglicherweise später, nämlich nach Ablauf der Sperrfrist, von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile Kapper, Randnr. 76, Wiedemann und Funk, Randnr. 63, Zerche u. a., Randnr. 60, sowie Beschlüsse Halbritter, Randnr. 28, und Kremer, Randnr. 29).
86. Ist jemandem in einem Mitgliedstaat die Fahrerlaubnis entzogen worden, ist es dem betreffenden Mitgliedstaat nach Art. 8 Abs. 4 somit grundsätzlich verwehrt, die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins abzulehnen, der dieser Person in einem anderen Mitgliedstaat zu einem späteren Zeitpunkt außerhalb der Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ausgestellt worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteile Kapper, Randnr. 76, Wiedemann und Funk, Randnr. 64, und Zerche u. a., Randnr. 60, sowie Beschlüsse Halbritter, Randnr. 27, Kremer, Randnr. 29, und Möginger, Randnr. 44).
87. Im vorliegenden Fall wurde ebenso wie in den Rechtssachen, in denen die in der vorliegenden Randnummer angeführten Urteile und Beschlüsse ergangen sind, der im Ausgangsverfahren streitige Führerschein außerhalb jeglicher Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ausgestellt und verwendet.
88. Zu prüfen bleibt allerdings, ob sich der Umstand, dass ein Führerschein von einem Mitgliedstaat vor einer von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis und damit vor deren Entziehung ausgestellt worden ist, auf die Verpflichtung des zuletzt genannten Mitgliedstaats auswirkt, den im ersten Mitgliedstaat ausgestellten Führerschein anzuerkennen.
89. Auch wenn ein Führerschein wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende österreichische Führerschein außerhalb der Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis ausgestellt wurde und sein Inhaber außerhalb dieser Frist von ihm Gebrauch gemacht hat, wurde er nämlich anders als in den erwähnten Urteilen und Beschlüssen vor und nicht nach der Erteilung der deutschen Fahrerlaubnis und somit vor deren Entziehung erworben.
90. Wie der Generalanwalt in Nr. 40 seiner Schlussanträge festgestellt hat, versucht die Richtlinie 91/439, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, durch den die Freizügigkeit von Personen erleichtert werden soll – ein Ziel der Richtlinie, auf das in Randnr. 74 des vorliegenden Urteils hingewiesen wird –, mit ihrem Ziel der Verbesserung der Sicherheit im Straßenverkehr in Ausgleich zu bringen, indem sie u. a. den Mitgliedstaaten erlaubt, sich auf der Grundlage von Art. 8 Abs. 2 und 4 dieser Richtlinie unter bestimmten Umständen auf ihre innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis zu berufen.
91. So hat der Gerichtshof entschieden, dass es einem Mitgliedstaat verwehrt ist, das Recht zum Führen von Kraftfahrzeugen aufgrund eines in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellten Führerscheins und damit die Gültigkeit dieses Führerscheins in seinem Hoheitsgebiet nicht anzuerkennen, solange der Inhaber dieses Führerscheins die Voraussetzungen nicht erfüllt, die nach den Rechtsvorschriften des ersten Staates für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nach dem Entzug einer früher erworbenen Fahrerlaubnis vorliegen müssen, einschließlich einer Überprüfung der Fahreignung, die bestätigt, dass die Gründe für den Entzug nicht mehr vorliegen (vgl. Urteile Wiedemann und Funk, Randnr. 64, und Zerche u. a., Randnr. 61, sowie Beschlüsse Halbritter, Randnr. 32, und Kremer, Randnr. 38).
92. In diesen Rechtssachen wurde die mit der Entziehung der Fahrerlaubnis in einem Mitgliedstaat geahndete Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen durch die von einem anderen Mitgliedstaat bei der späteren Ausstellung eines Führerscheins durchgeführte Eignungsprüfung behoben.
93. Bei dieser Gelegenheit muss der Ausstellungsmitgliedstaat nämlich, wie in Randnr. 76 des vorliegenden Urteils ausgeführt, u. a. prüfen, ob der Bewerber gemäß Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 91/439 die Mindestanforderungen an die körperliche und geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen erfüllt.
94. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens stellt die Entziehung einer von einem Mitgliedstaat ausgestellten Fahrerlaubnis die Eignung ihres Inhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen und daher implizit die Fahrerlaubnis, die ihm zuvor von einem anderen Mitgliedstaat erteilt wurde, wieder in Frage.
95. Wie die deutsche und die italienische Regierung vorgetragen haben, wurde der Inhaber jedoch anders als in den Rechtssachen, in denen die Beschlüsse Halbritter und Kremer ergangen sind, nach der Entziehung seiner deutschen Fahrerlaubnis keiner von den Behörden eines anderen Mitgliedstaats angeordneten Überprüfung seiner Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen unterzogen. Folglich ist nicht der Beweis erbracht, dass dieser Inhaber entsprechend den Anforderungen an die Eignung aus der Richtlinie 91/439 zum Führen von Kraftfahrzeugen und zur Teilnahme am Straßenverkehr geeignet ist.
96. Könnte eine nationale Maßnahme des Entzugs, wie sie im Ausgangsverfahren auferlegt wurde, dadurch umgangen werden, dass man von einem Führerschein Gebrauch machen könnte, der vor Erteilung der wegen Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogenen Fahrerlaubnis ausgestellt wurde, ohne dass der Beweis erbracht wird, dass derjenige, der diesen alten Führerschein vorlegt, zu dem Zeitpunkt, zu dem er von ihm Gebrauch macht, gemäß der Richtlinie 91/439 zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, würde dies die Sicherheit im Straßenverkehr gefährden.
97. Außerdem wäre es paradox, einem Mitgliedstaat die Anerkennung des Rechts zum Führen von Kraftfahrzeugen, das sich aus einer Fahrerlaubnis ergibt, die ein anderer Mitgliedstaat vor einer von dem ersten Mitgliedstaat erteilten Fahrerlaubnis erteilt hat, vorzuschreiben, obwohl diese zweite Fahrerlaubnis wegen Nichteignung ihres Inhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen wurde. Verfügt ein Angehöriger eines Mitgliedstaats über eine einzige, in einem anderen Mitgliedstaat ausgestellte Fahrerlaubnis, ist der erste Mitgliedstaat nämlich nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 befugt, seine Vorschriften über den Entzug, z. B. wegen Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen, auf ihn anzuwenden.
98. Nach alledem verwehren die Art. 1 und 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 es einem Mitgliedstaat nicht, die Anerkennung des Rechts zum Führen von Kraftfahrzeugen abzulehnen, das sich aus einer Fahrerlaubnis ergibt, die ein anderer Staat vor seinem Beitritt zur Union erteilt hat, wenn diese Fahrerlaubnis vor einer Fahrerlaubnis erteilt wurde, die der zuerst genannte Mitgliedstaat erteilt hat, in dem diese zweite Fahrerlaubnis wegen Nichteignung ihres Inhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen wurde. Dass diese Ablehnung nach Ablauf der mit der Entziehung verbundenen Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis erfolgt, ist insoweit ohne Bedeutung.
Kosten
99. Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:
1. Art. 7 Abs. 5 der Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er dem nicht entgegensteht, dass ein Angehöriger eines Mitgliedstaats zwei gültige Führerscheine gleichzeitig besitzt, deren einer ein EG‑Führerschein und deren anderer ein von einem anderen Mitgliedstaat ausgestellter Führerschein ist, wenn beide vor dem Beitritt des zuletzt genannten Staates zur Europäischen Union erworben wurden.
2. Die Art. 1 und 8 Abs. 2 und 4 der Richtlinie 91/439 in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung verwehren es einem Mitgliedstaat nicht, die Anerkennung des Rechts zum Führen von Kraftfahrzeugen abzulehnen, das sich aus einer Fahrerlaubnis ergibt, die ein anderer Staat vor seinem Beitritt zur Union erteilt hat, wenn diese Fahrerlaubnis vor einer Fahrerlaubnis erteilt wurde, die der zuerst genannte Mitgliedstaat erteilt hat, in dem diese zweite Fahrerlaubnis wegen Nichteignung ihres Inhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen wurde. Dass diese Ablehnung nach Ablauf der mit der Entziehung verbundenen Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis erfolgt, ist insoweit ohne Bedeutung.