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Document 62006CJ0183

Urteil des Gerichtshofes (Fünfte Kammer) vom 15. Februar 2007.
RUMA GmbH gegen Oberfinanzdirektion Nürnberg.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht München - Deutschland.
Gemeinsamer Zolltarif - Kombinierte Nomenklatur - Tarifierung - Position 8529 - Unterposition 8529 90 40 - Tastaturfolie für Mobiltelefon.
Rechtssache C-183/06.

Sammlung der Rechtsprechung 2007 I-01559

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2007:110

Rechtssache C-183/06

RUMA GmbH

gegen

Oberfinanzdirektion Nürnberg

(Vorabentscheidungsersuchen des Finanzgerichts München)

„Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Tarifierung – Position 8529 – Unterposition 8529 90 40 – Tastaturfolie für Mobiltelefon“

Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 15. Februar 2007 

Leitsätze des Urteils

Gemeinsamer Zolltarif – Tarifpositionen – Zum Einbau in Mobiltelefone bestimmte Tastaturmattenmembranen (Tastaturfolien) aus Polycarbonat


Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung Nr. 2658/87 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung Nr. 1789/2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass zum Einbau in Mobiltelefone bestimmte Tastaturmattenmembranen (Tastaturfolien) aus Polycarbonat mit geformten Tasten auf der Oberseite und nicht leitenden Kontaktstiften auf der Unterseite, die unbestreitbar einen für die Funktion des Mobiltelefons unerlässlichen Bestandteil darstellen und deren Struktur sowie Funktionsweise es ausschließen, dass sie anders denn als deren Teil verwendet werden, als Teil eines Mobiltelefons der Position 8525 in Unterposition 8529 90 40 einzureihen sind.

(vgl. Randnrn. 33, 37-38, 40, Tenor 1)




URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

15. Februar 2007(*)

„Gemeinsamer Zolltarif – Kombinierte Nomenklatur – Tarifierung – Position 8529 – Unterposition 8529 90 40 – Tastaturfolie für Mobiltelefon“

In der Rechtssache C-183/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht München (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. Februar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 13. April 2006, in dem Verfahren

RUMA GmbH

gegen

Oberfinanzdirektion Nürnberg

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten R. Schintgen sowie der Richter A. Borg Barthet (Berichterstatter) und E. Levits,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

–       der RUMA GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt M. Beer,

–       der ungarischen Regierung, vertreten durch J. Fazekas als Bevollmächtigte,

–       der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J. Hottiaux als Bevollmächtigte im Beistand von B. Wägenbaur, avocat,

aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Positionen 8529 und 8538 der Kombinierten Nomenklatur, die sich in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 der Kommission vom 11. September 2003 (ABl. L 281, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: KN) finden.

2       Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der RUMA Finanzierungs- & Beteiligungsgesellschaft mbH (im Folgenden: RUMA) und der Oberfinanzdirektion Nürnberg (im Folgenden: Oberfinanzdirektion) über die Tarifierung einer Tastaturfolie für ein Mobiltelefon mit Organizerfunktion.

 Rechtlicher Rahmen

3       Die durch die Verordnung Nr. 2658/87 geschaffene KN stützt sich auf das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS), das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation, ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen eingeführt wurde; dieses wurde im Namen der Gemeinschaft mit dem Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) genehmigt. Die KN übernimmt die aus sechs Ziffern bestehenden Positionen und Unterpositionen des HS; lediglich die siebte und die achte Ziffer stellen Untergliederungen dar, die ihr eigen sind.

4       Die zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt anwendbare Fassung der KN ist in Anhang I der Verordnung Nr. 1789/2003 enthalten. Teil II dieses Anhangs umfasst einen Abschnitt XVI mit der Überschrift „Maschinen, Apparate, mechanische Geräte und elektrotechnische Waren, Teile davon; Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte, Fernseh-Bild- und ‑Tonaufzeichnungsgeräte oder Fernseh-Bild- und ‑Tonwiedergabegeräte, Teile und Zubehör für diese Geräte“. Dieser Abschnitt enthält zwei Kapitel, darunter Kapitel 85 mit der Überschrift „Elektrische Maschinen, Apparate, Geräte und andere elektrotechnische Waren, Teile davon; Tonaufnahme- oder Tonwiedergabegeräte, Bild- und Tonaufzeichnungs- oder ‑wiedergabegeräte, für das Fernsehen, Teile und Zubehör für diese Geräte“.

5       Kapitel 85 KN umfasst insbesondere die folgenden Positionen und Unterpositionen:

„8525 Sendegeräte für den Funksprech- oder Funktelegrafieverkehr, den Rundfunk oder das Fernsehen, auch mit eingebautem Empfangsgerät, Tonaufnahmegerät oder Tonwiedergabegerät; Fernsehkameras; Standbild-Videokameras und andere Videokameraaufnahmegeräte; digitale Einzelbild-Videokameras:

                  ...

8525 20 – Sendegeräte mit eingebautem Empfangsgerät:

                  ...

8525 20 91 – – – für den zellularen Mobilfunk (Mobiltelefone)

…      

8529               Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der Positionen 8525 bis 8528 bestimmt:

                  ...

8529               – andere:

                  …

8529 90 40 – – – Teile von Geräten der Unterpositionen 8525 10 50, 8525 20 91, 8525 20 99, 8525 40 11 und 8527 90 92“.

6       Die Position 8537 KN trägt die Überschrift „Tafeln, Felder, Konsolen, Pulte, Schränke und andere Träger, mit mehreren Geräten der Position 8535 oder 8536 ausgerüstet, zum elektrischen Schalten oder Steuern oder für die Stromverteilung …“

7       Die Position 8538, „Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der Position 8535, 8536 oder 8537 bestimmt“, umfasst u. a. die folgenden Unterpositionen:

„…

8538 90

– andere:

...

– – andere:

8538 90 99

– – – andere“.

8       Sämtlichen Abschnitten und, innerhalb der einzelnen Abschnitte, sämtlichen Kapiteln der KN geht eine Reihe von Anmerkungen voraus, nämlich Anmerkungen zu Abschnitten oder Anmerkungen zu Kapiteln. Anmerkung 2 zu Abschnitt XVI der KN bestimmt u. a.:

„…

a)       Teile, die sich als Waren einer Position des Kapitels 84 oder 85 (ausgenommen die Positionen 8409, 8431, 8448, 8466, 8473, 8485, 8503, 8522, 8529, 8538 und 8548) darstellen, sind dieser Position zuzuweisen, ohne Rücksicht darauf, für welche Maschine sie bestimmt sind;

b)      andere Teile sind, wenn sie erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine oder für mehrere in der gleichen Position … erfasste Maschinen bestimmt sind, der Position für diese Maschine oder Maschinen oder, soweit zutreffend, der Position 8409, 8431, 8448, 8466, 8473, 8503, 8522, 8529 oder 8538 zuzuweisen …

…“

9       Die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN, die in deren Teil I Titel I Buchst. A stehen, bestimmen u. a. :

„Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten folgende Grundsätze:

1.      Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und – soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist – die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

3.      Kommen für die Einreihung von Waren … zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:

a)      Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. …

6.      Maßgebend für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und – sinngemäß – die vorstehenden Allgemeinen Vorschriften. Einander vergleichbar sind dabei nur Unterpositionen der gleichen Gliederungsstufe. Soweit nichts anderes bestimmt ist, gelten bei Anwendung dieser Allgemeinen Vorschrift auch die Anmerkungen zu den Abschnitten und Kapiteln.“

10     Die Verordnung (EG) Nr. 2505/96 des Rates vom 20. Dezember 1996 zur Eröffnung und Verwaltung autonomer Gemeinschaftszollkontingente für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse und gewerbliche Waren (ABl. L 345 S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2243/2004 der Rates vom 22. Dezember 2004 (ABl. L 381, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 2505/96) umfasst in Anhang I eine laufende Nummer 09.2995, die Tastaturen betrifft und deren für das Ausgangsverfahren erhebliche Bestandteile die folgenden sind:

Lfd. Nr.

KN-Code

TARIC-Unter­teilung

Warenbezeichnung

09.2995

ex 8536 90 85

ex 8538 90 99

95

93

Tastaturen,

? mit einer Lage aus Siliconkautschuk und Polycarbonat-Tastaturfeldern oder

? ganz aus Siliconkautschuk oder Polycarbonat, mit bedruckten Tastaturfeldern, zum Herstellen und Instandsetzen von Mobiltelefonen der Unterposition 8525 20 91

11     Die Verordnung (EG) Nr. 1578/2006 der Kommission vom 19. Oktober 2006 zur Einreihung von bestimmten Waren in die Kombinierte Nomenklatur (ABl. L 291, S. 3) sieht in den Erwägungsgründen 1 und 3 Folgendes vor:

„(1)      Um die einheitliche Anwendung der Kombinierten Nomenklatur im Anhang zu der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 zu gewährleisten, sind Vorschriften für die Einreihung der im Anhang zu dieser Verordnung aufgeführten Waren zu erlassen.

(3)      In Anwendung dieser allgemeinen Vorschriften sind die in Spalte 1 der Tabelle im Anhang dieser Verordnung genannten Waren in die in Spalte 2 angegebenen KN-Codes mit den in Spalte 3 genannten Begründungen einzureihen.“

12     Der Anhang dieser Verordnung bestimmt insbesondere Folgendes:

Warenbezeichnung

Einreihung

(KN‑Code)

Begründung

1. Tastaturmattenmembran (Abmessungen ca. 65 × 40 × 1 mm) aus Polykarbonat, elektrisch nicht leitend. Die Ware weist auf der Oberseite geformte Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte auf.

Die Ware weist bedruckte Tasten auf, die einer alphanumerischen Tastatur entsprechen, sowie Ruftasten und andere typische Merkmale von Mobiltelefonen.

8529 90 40

Einreihung gemäß den Allgemeinen Vorschriften 1 und 6 für die Auslegung der Kombinierten Nomenklatur, Anmerkung 2 b zu Abschnitt XVI, und dem Wortlaut der KN-Codes 8529, 8529 90 und 8529 90 40.

Die Tastaturmatte ist wegen ihrer Konzeption, insbe­ sondere der Form, sowie der Anbringung, dem Layout und den bedruckten Tasten dem KN-Code 8529 90 40 zuzuordnen, da es sich um ein Teil handelt, das ausschließlich oder haupt­sächlich für Geräte der Position 8525 bestimmt ist.

 Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

13     Im August 2004 beantragte RUMA eine verbindliche Zolltarifauskunft über eine Tastaturfolie, die sie als „Tastatur für Mobiltelefon in Form einer Schaltmatte“ bezeichnete.

14     Mit verbindlicher Zolltarifauskunft vom 28. September 2004 reihte die Oberfinanzdirektion die betreffende Ware als „Teil, erkennbar ausschließlich für Geräte der Position 8537 bestimmt“ in Unterposition 8538 90 99 KN ein.

15     RUMA erhob gegen diese verbindliche Zolltarifauskunft Einspruch, da die Tastaturfolie ihres Erachtens als Teil für Waren der Position 8525 in Unterposition 8529 90 40 KN einzureihen sei. Nachdem der Einspruch keinen Erfolg hatte, erhob RUMA Klage beim Finanzgericht München.

16     Das vorlegende Gericht beschreibt die in Rede stehenden Waren wie folgt:

„Bei der str. Ware ‚Tastatur für Mobiltelefon in Form einer Schaltmatte‘ handelt es sich nach den von der [Zolltechnischen Prüfungs‑ und Lehranstalt] vorgelegten Datenblättern, Fotos und dem Warenmuster um eine Tastaturmatte aus Polycarbonat. Diese Polycarbonatfolie weist auf ihrer Oberseite ausgeformte Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte auf. Bei Tastendruck betätigt der nicht leitende Kontaktstift einen Kontaktpunkt auf einer darunter liegenden Schaltfolie, die nicht Gegenstand der [verbindlichen Zolltarifauskunft] ist. Die Tastaturfolie wird als Betätigungs- und Abdeckmatte für das Tastenfeld einer Tastatur von Mobiltelefonen verwendet.“

17     Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, dass nach Anmerkung 2 Buchst. b zu Abschnitt XVI der KN die in Rede stehende Ware nicht danach einzureihen sei, für welche der in Abschnitt XVI aufgeführten Maschinen sie letztlich bestimmt ist, sondern danach, für welche dieser Maschinen sie unmittelbar bestimmt ist. Die unmittelbare Bestimmung der Tastaturfolie sei die Vervollständigung einer Tastatur im Sinne von Position 8537, so dass die in Rede stehende Ware in Position 8538 KN einzureihen sei.

18     Eine solche Einreihung werde durch die Verordnung Nr. 2243/2004 betätigt, wonach unter der laufenden Nummer 09.2995 „Tastaturen, … ganz … aus Polycarbonat, mit bedruckten Tastaturfeldern, zum Herstellen oder Instandsetzen von Mobiltelefonen“ in Position 8538 KN einzureihen seien.

19     Das vorlegende Gericht sieht sich jedoch insbesondere deshalb daran gehindert, die von der Oberfinanzdirektion erteilte verbindliche Zolltarifauskunft zu bestätigen, weil der Ausschuss für die zolltarifliche und die statistische Nomenklatur seit Jahren mit der Einreihung der in Rede stehenden Ware befasst sei, jedoch zu keiner Entscheidung gelangt sei.

20     Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht München das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist die Kombinierte Nomenklatur (KN) dahin auszulegen, dass in Position 8538 Keypads, die auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte aufweisen, einzureihen sind?

 Zur Vorlagefrage

 Vor dem Gerichtshof abgegebene Erklärungen

21     Nach den Ausführungen von RUMA ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie „Teil“ eines Mobiltelefons und daher als solches einzureihen. Diese Folie sei zur Bedienung eines Mobiltelefons mit Organizerfunktion notwendig und speziell dafür angefertigt, und jede andere Verwendung als eine solche als Teil eines Mobiltelefons sei unmöglich. Ferner habe sie auch die Schutzfunktion, insbesondere das Eindringen von Staub in das Mobiltelefon zu verhindern.

22     Die in Rede stehende Tastatur sei daher als ausschließlich für Geräte der Position 8525 bestimmtes Teil in Position 8529 KN einzureihen. Würde die Folie als Teil einer Tastatur in Position 8538 KN eingereiht, so würde die Mobiltelefon‑Tastatur als eigenständiges Gerät qualifiziert, was nicht richtig sein könne, da sie erst durch ihren Einbau in das Mobiltelefon die Funktion einer Tastatur erhalte.

23     Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften macht insbesondere geltend, es ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Unterposition 8529 90 40, dass diese die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie umfasse. Entscheidend sei, dass diese Folie offensichtlich kein autonomer Gegenstand, sondern Teil eines Mobiltelefons sei. Zum einen sei diese Folie unerlässlich, da sie unmittelbar der Bedienung des Mobiltelefons diene. Zum anderen schütze sie dieses Gerät gegen Feuchtigkeit und Staub und bewahre damit dessen Funktionsfähigkeit.

24     Nach dem Urteil des Gerichtshofs vom 19. Oktober 2000, Peacock (C‑339/98, Slg. 2000, I‑8947, Randnr. 21), setze der Begriff „Teil“ voraus, dass „es ein Ganzes gibt, für dessen Funktion dieses Teil unabdingbar ist“. Ein Mobiltelefon bilde ein solches „Ganzes“, da es sich um ein vollständiges und in technischer Hinsicht ohne weiteres einsatzbereites Gerät handele, für dessen Funktion die Tastaturfolie unabdingbar sei.

25     Die ungarische Regierung führt aus, dass ein Teil eines Geräts, das unter Position 8525 falle, in Anbetracht der in den Anmerkungen zur KN und den Erläuterungen zum HS aufgeführten Grundsätze in die Position 8529 einzureihen sei. Entsprechend den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN sei Position 8538 in Bezug auf die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie auszuschließen, da der Wortlaut der Position 8529 die betreffende Ware auf genauere Art und Weise bezeichne, nämlich als erkennbar für Geräte der Position 8525 bestimmtes Teil.

 Antwort des Gerichtshofs

26     Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie als Teil einer Tastatur im Sinne von Position 8537 KN in Unterposition 8538 90 99 oder als Teil eines Mobiltelefons im Sinne der Position 8525 in Unterposition 8529 90 40 einzureihen ist.

27     Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen ist, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (vgl. u. a. Urteile vom 16. September 2004, DFDS, C‑396/02, Slg. 2004, I-8439, Randnr. 27, vom 15. September 2005, Intermodal Transports, C‑495/03, Slg. 2005, I‑8151, Randnr. 47, und vom 8. Dezember 2005, Possehl Erzkontor, C‑445/04, Slg. 2005, I-10721, Randnr. 19).

28     Im vorliegenden Fall ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie weder in den Positionen der KN noch in den Anmerkungen zu deren Abschnitten oder Kapiteln ausdrücklich erwähnt.

29     Die Position 8529 KN, unter die nach Ansicht von RUMA die in Rede stehende Tastaturfolie fällt, erfasst „Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der Positionen 8525 bis 8528 bestimmt“, zu denen u. a. Mobiltelefone gehören. Die Position 8538, in die die Tastaturfolie nach Ansicht der Oberfinanzdirektion einzureihen ist, betrifft „Teile, erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für Geräte der Positionen 8535, 8536 oder 8537 bestimmt“, zu denen u. a. „Tafeln, Felder, Konsolen, Pulte, Schränke und andere Träger, mit mehreren Geräten der Positionen 8535 oder 8536 ausgerüstet, zum elektrischen Schalten oder Steuern“ gehören.

30     Nach Anmerkung 2 Buchst. b zu Abschnitt XVI der KN sind „andere Teile …, wenn sie erkennbar ausschließlich oder hauptsächlich für eine bestimmte Maschine oder für mehrere in der gleichen Position … erfasste Maschinen bestimmt sind, der Position für diese Maschine oder, soweit zutreffend, der Position 8409, 8431, 8448, 8466, 8473, 8503, 8522, 8529 oder 8538 zuzuweisen“.

31     Der Begriff „Teil“ setzt voraus, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktion dieses Teil unabdingbar ist (Urteile Peacock, Randnr. 21, und vom 7. Februar 2002, Turbon International, C-276/00, Slg. 2002, I‑1389, Randnr. 30).

32     Die Verbindung der in Rede stehenden Tastaturfolie mit den anderen Elementen, die das Mobiltelefon bilden, erlaubt es, dessen funktionelle Einheit zu gewährleisten. Eine „funktionelle Einheit“ in dem von der Rechtsprechung definierten Sinn liegt dann vor, wenn eine Maschine oder ein Apparat aus voneinander getrennten Bestandteilen besteht, die dazu bestimmt sind, gemeinsam eine einzige, genau bestimmte Funktion zu erfüllen (Urteil vom 7. Oktober 1985, Telefunken, 223/84, Slg. 1985, 3335, Randnr. 29).

33     Im vorliegenden Fall dient die Folie unmittelbar der Bedienung des Mobiltelefons dadurch, dass sie es ermöglicht, die Kontaktstifte zu betätigen und so die verschiedenen Funktionen dieses Telefons aufzurufen. Ohne die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie ist es nicht möglich, die verschiedenen Funktionen des Telefons aufzurufen. Daher stellt sie unbestreitbar einen für die Funktion des Mobiltelefons unerlässlichen Bestandteil dar.

34     Dagegen ist die Tastatur eines Mobiltelefons keine von dem Gerät, in das sie eingebaut ist, getrennte funktionelle Einheit, denn sie kann weder unabhängig benutzt noch für eine andere Funktion als die das Telefon ausmachende Gesamtheit erfüllt werden können, verwendet werden (vgl. insbesondere in diesem Sinn Urteil Telefunken, Randnr. 31).

35     Nach der Allgemeinen Vorschrift 3 Buchst. a für die Auslegung der KN, die in Teil I Titel I Buchst. A der KN steht und eben genau den Fall betrifft, bei dem für die Einreihung von Waren zwei oder mehr Positionen in Betracht kommen, geht „[d]ie Position mit der genaueren Warenbezeichnung … den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor“. Im vorliegenden Fall ist Unterposition 8529 90 40 in Bezug auf die objektiven Merkmale und Eigenschaften der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tastaturfolie und im Einzelnen unter Berücksichtigung des Umstands, dass diese Unterposition ausdrücklich „Teile von Geräten der Unterpositionen … 8525 20 91“, d. h. Teile von Mobiltelefonen, erwähnt, genauer als Unterposition 8538 90 99, die eine viel weitere und vielfältigere Palette von Waren umfasst, wie ihre Überschrift in Verbindung mit derjenigen der Position 8537 andeutet.

36     Der Verwendungszweck der Ware kann auch ein objektives Tarifierungskriterium sein, sofern er der Ware innewohnt; ob Letzteres zutrifft, muss sich anhand der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware beurteilen lassen (vgl. Urteil des Gerichtshofs vom 1. Juni 1995, Thyssen Haniel Logistic, C-459/93, Slg. 1995, I‑1381, Randnr. 13).

37     Im vorliegenden Fall schließen es die Struktur der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Tastaturfolie, insbesondere ihre Form, die speziell einem bestimmten Mobiltelefontyp angepasst ist, und ihre Funktionsweise aus, dass diese anders denn als Teil dieses Telefons verwendet wird. Die Eigenschaften der Tastaturfolie sollen auch eine Abdichtung des Telefons insbesondere gegen Staub und Feuchtigkeit bewirken.

38     Nach allem ist die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Tastaturfolie als Teil eines Mobiltelefons der Position 8525 in Unterposition 8529 90 40 KN einzureihen.

39     Dieses Ergebnis wird nicht durch die Erwägung des vorlegenden Gerichts in Frage gestellt, dass die Einreihung der streitigen Tastaturfolie in Position 8538 KN durch die Verordnung Nr. 2505/96 bestätigt werde, wo unter der laufenden Nummer 09.2995 „Tastaturen, ganz aus Polycarbonat, mit bedruckten Tastaturfeldern, zum Herstellen und Instandsetzen von Mobiltelefonen“ in Position 8538 KN eingereiht seien, denn diese Bestimmung, die durch die Verordnung Nr. 2243/2004 in Anhang I der Verordnung Nr. 2505/96 eingefügt wurde, war zu dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt nicht anwendbar. Höchst vorsorglich ist dem noch hinzuzufügen, dass die Verordnung Nr. 1578/2006, die nach der Verordnung Nr. 2243/2004 erlassen wurde, ausdrücklich die Einreihung von Tastaturmattenmembranen aus Polycarbonat, elektrisch nicht leitend, die auf der Oberseite geformte Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte aufweisen, in Unterposition 8529 90 40 KN vorsieht.

40     Nach allem ist auf die vorgelegte Frage zu antworten, dass die KN dahin auszulegen ist, dass Tastaturmattenmembranen (Tastaturfolien) aus Polycarbonat für Mobiltelefone, die auf der Oberseite geformte Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte aufweisen und die zum Einbau in Mobiltelefone bestimmt sind, in Unterposition 8529 90 40 einzureihen sind.

 Kosten

41     Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

Die Kombinierte Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1789/2003 der Kommission vom 11. September 2003 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Tastaturmattenmembranen (Tastaturfolien) aus Polycarbonat für Mobiltelefone, die auf der Oberseite geformte Tasten und auf der Unterseite nicht leitende Kontaktstifte aufweisen und die zum Einbau in Mobiltelefone bestimmt sind, in Unterposition 8529 90 40 einzureihen sind.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Deutsch.

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