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Der Europäische Rat von Brüssel vom 21./22. Juni 2007

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Der Europäische Rat von Brüssel vom 21./22. Juni 2007

In den frühen Morgenstunden des 23. Juni hat der Europäische Rat die Reflexionsphase der Europäischen Union mit dem Beschluss beendet und beschlossen, eine Regierungskonferenz einzuberufen, die einen neuen Vertrag ausarbeiten soll.

Nach zwei Jahren des Nachdenkens über das Verfahren zur Reformierung der EU-Verträge hat der Europäische Rat am 21. und 22. Juni 2007 beschlossen, eine Regierungskonferenz einzuberufen, die einen neuen Vertrag für die Europäische Union ausarbeiten und annehmen soll. Dieser „Reformvertrag" soll in die weiterhin geltenden Verträge (EU- und EG-Vertrag) die Neuerungen einführen, die im Konvent und im Juni 2004 von der Regierungskonferenz erarbeitet wurden.

Der Europäische Rat hat ein detailliertes und präzises Mandat für die Regierungskonferenz verabschiedet. Es umfasst im Wesentlichen die im Jahr 2004 vereinbarten institutionellen Reformen und berücksichtigt gleichzeitig die Schlussfolgerungen der Reflexionsphase. Zu einigen Fragen hat es langwierige Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten gegeben.

Das nachstehend zusammengefasste Mandat bildet die ausschließliche Grundlage und den ausschließlichen Rahmen für die Arbeiten der Regierungskonferenz. Es ist nicht mit dem „Reformvertrag" als solchem gleichzusetzen. Einzig die Regierungskonferenz, die ihre Arbeiten am 23. Juli 2007 offiziell aufgenommen hat, kann endgültige Beschlüsse über den Inhalt des „Reformvertrags" fassen.

Im Bemühen um Klarheit wurden die wesentlichen Neuerungen des Mandats in vier Themenblöcken zusammengestellt.

DIE GRUNDBAUSTEINE DER UNION

Gemäß dem Mandat für die Regierungskonferenz wird der „Reformvertrag" keinen Verfassungscharakter haben, was sich insbesondere in der verwendeten Terminologie widerspiegelt: Das Verfassungskonzept wird aufgegeben, und anstelle der Termini „Gesetze" und „Rahmengesetze" werden die bisherigen Begriffe „Verordnungen" und „Richtlinien" beibehalten. Außerdem wird der Vertrag keinen Artikel über die Symbole der EU enthalten. Wie bei früheren Vertragsreformen üblich, werden die bestehenden Verträge durch den „Reformvertrag" geändert.

Das Mandat der Regierungskonferenz umfasst eine Reihe von Grundprinzipien, so unter anderem:

  • Abschaffung der „Pfeiler" und Einführung einer Rechtspersönlichkeit der Union. Der EG-Vertrag wird in „Vertrag über die Arbeitsweise der Union" umbenannt. Der Begriff „Gemeinschaft" wird durchgängig durch den Begriff „Union" ersetzt;
  • Definition der demokratischen Grundlagen der EU, beispielsweise demokratische Gleichheit, repräsentative Demokratie, partizipative Demokratie und Bürgerinitiativen;
  • Bekräftigung der Rechte der europäischen Bürger durch den Verweis auf die Grundrechtecharta, deren Wortlaut zwar nicht in den künftigen Vertrag aufgenommen, wohl aber in allen Mitgliedstaaten (mit Ausnahme des Vereinigten Königreichs) rechtsverbindlich wird;
  • Einführung einer Klausel, die einem Mitgliedstaat die Möglichkeit zum freiwilligen Austritt aus der EU einräumt;
  • Stärkung des Subsidiaritätsprinzips, insbesondere mithilfe größerer Kontrolle durch die nationalen Parlamente;
  • klarere Verteilung der Zuständigkeiten zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedstaaten.

Frieden, Vollbeschäftigung, nachhaltige Entwicklung, kulturelle Vielfalt, Solidarität, Zusammenhalt und Schutz der Bürger sind nur einige der dreißig Ziele, die die Union in dem neuen Vertrag auflistet. Der Grundsatz des „freien und fairen Wettbewerbs", der als solches kein Ziel darstellt, wird nicht als Ziel der Union genannt. Er wird jedoch Gegenstand eines rechtsverbindlichen Protokolls im Anhang zum Vertrag sein.

DIE ORGANE

Das Mandat der Regierungskonferenz sieht zahlreiche institutionelle Neuerungen vor. Die wichtigsten Änderungen betreffen:

  • die Zusammensetzung des Europäischen Parlaments mit künftig nur noch 750 Sitzen;
  • die Größe der Kommission, deren Mitgliederzahl ab 2014 zwei Dritteln der Zahl der Mitgliedstaaten entsprechen wird;
  • den Europäischen Rat, dessen Vorsitzende(r) künftig für einen (einmal verlängerbaren) Zeitraum von zweieinhalb Jahren gewählt werden soll. Das System des turnusmäßig wechselnden Ratsvorsitzes wird damit abgeschafft;
  • die Einsetzung eines Hohen Vertreters der Europäischen Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, der gleichzeitig Beauftragter des Rates und Vizepräsident der Kommission sein und die Stimme Europas in die Welt tragen soll.

DIE ENTSCHEIDUNGSPROZESSE

Das Mandat der Regierungskonferenz bestätigt das Mitentscheidungsverfahren als Regelverfahren für die Rechtsetzung. Das Mitentscheidungsverfahren wird damit auf viele Bereiche wie die justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen oder die illegale Einwanderung ausgedehnt.

Die Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit erfolgt künftig auf mehr als vierzig Gebieten, wobei dem Vereinigten Königreich eine Ausnahmeregelung im Bereich der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit eingeräumt wird.

Das Abstimmungsverfahren mit der doppelten Mehrheit war der Hauptstreitpunkt unter den Mitgliedern des Europäischen Rates. Nach langen Verhandlungen haben sich die europäischen Staats- und Regierungschefs auf einen Kompromiss geeinigt, wonach die qualifizierte Mehrheit ab 1. November 2014 auf dem Grundsatz der doppelten Mehrheit beruhen wird (55 % der Mitgliedstaaten, die 65 % der europäischen Bevölkerung vertreten). Die Bestimmungen des Vertrags von Nizza gelten bis 2014. Darüber hinaus kann ein Mitglied des Rates während einer Übergangszeit bis zum 31. März 2017 beantragen, dass ein Beschluss nach den Bestimmungen des Vertrags von Nizza gefasst wird. Außerdem soll ein dem Kompromiss von Ioannina vergleichbarer Mechanismus eine Gruppe von Mitgliedstaaten, die zusammen fast eine Sperrminorität erreichen, in die Lage versetzen, ihre ablehnende Haltung gegenüber einem Beschluss zu bekunden.

DIE POLITIK DER UNION

Das Mandat der Regierungskonferenz umfasst einige grundlegende Änderungen, insbesondere im Bereich Justiz und Inneres, in dem die Gemeinschaftsmethode allgemein eingeführt wird (wobei für Dänemark, Irland und das Vereinigte Königreich besondere Vereinbarungen gelten). Darüber hinaus sollen die Anstrengungen, den Klimawandel aufzuhalten, und die Solidarität der Mitgliedstaaten im Energiesektor zum ersten Mal ausdrücklich im Vertrag erwähnt sowie die Besonderheiten der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, die nach wie vor weitgehend auf Regierungsebene abgewickelt wird, hervorgehoben werden.

KONTEXT

Am 29. Oktober 2004 haben die 25 Staats- und Regierungschefs in Rom den Vertrag über eine Verfassung für Europa unterzeichnet. Damit der Vertrag in Kraft treten kann, muss er von allen Mitgliedstaaten nach den jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften ratifiziert werden, also per Parlamentsbeschluss oder Referendum. Da die Ratifizierung in einigen Mitgliedstaaten zu Schwierigkeiten führte, haben die Staats- und Regierungschefs auf der Tagung des Europäischen Rates vom 16./17. Juni 2005 beschlossen, eine „Reflexionsphase" über die Zukunft Europas einzuleiten. Diese Zeit des Nachdenkens sollte es ermöglichen, eine umfassende Debatte mit den europäischen Bürgerinnen und Bürgern in Gang zu setzen.

See also

Weitere Informationen über den Vertrag von Lissabon.

Letzte Änderung: 14.12.2007

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