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Transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU

Transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der EU

 

ZUSAMMENFASSUNG DES DOKUMENTS:

Richtlinie (EU) 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union

WAS IST DER ZWECK DIESER RICHTLINIE?

Zweck dieser Richtlinie ist es, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, indem eine transparentere und vorhersehbarere Beschäftigung gefördert und zugleich die Anpassungsfähigkeit des Arbeitsmarktes gewährleistet wird. In der Richtlinie werden Mindestrechte festgelegt und die Vorschriften über die Unterrichtung der Arbeitnehmer über ihre Arbeitsbedingungen aktualisiert.

Die Richtlinie trägt zur Stärkung der sozialen Dimension Europas als Teil der europäischen Säule sozialer Rechte bei.

WICHTIGE ECKPUNKTE

Die Richtlinie wird im Zusammenhang mit Artikel 31 der Charta der Grundrechte der EU erlassen, der besagt, dass jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer das Recht auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen, auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit, auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten sowie auf bezahlten Jahresurlaub hat. Die Richtlinie ist ferner eine konkrete Folgemaßnahme der Grundsätze 5 und 7 der europäischen Säule sozialer Rechte.

Anwendungsbereich

Die Richtlinie gilt für Arbeitnehmer, die mehr als drei Stunden pro Woche über einen Zeitraum von vier Wochen (d. h. mehr als zwölf Stunden pro Monat) arbeiten und nach den Rechtsvorschriften, Kollektiv- bzw. Tarifverträgen oder Gepflogenheiten in dem jeweiligen EU-Land einen Arbeitsvertrag haben oder in einem Arbeitsverhältnis stehen, wobei die Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU zu berücksichtigen ist. Hierzu können auch Arbeitnehmer mit Null-Stunden-Verträgen zählen, wie z. B. Beschäftigte in Fast-Food-Ketten, Arbeitnehmer in Logistikzentren, Regaleinräumer in Supermärkten, Hausangestellte oder auf der Grundlage von Gutscheinen beschäftigte Arbeitnehmer* und Arbeitnehmer, die auf Online-Plattformen beschäftigt sind, wie beispielsweise auf Abruf beschäftigte Fahrer oder Kuriere, sofern sie die oben genannten Kriterien zur Definition eines Arbeitnehmers erfüllen.

Beamte, Streitkräfte oder Mitglieder von Katastrophenschutzorganisationen und Strafverfolgungsbehörden können aus objektiven Gründen von Kapitel III der Richtlinie (Mindestanforderungen an die Arbeitsbedingungen) ausgenommen werden.

Arbeitsverhältnis

Der Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer schriftlich und spätestens innerhalb einer Woche ab dem ersten Arbeitstag über die grundlegenden Elemente des Arbeitsverhältnisses informieren, darunter:

  • die Personalien der Parteien des Arbeitsverhältnisses, den Arbeitsort und die Art der Tätigkeit;
  • den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses und – bei befristeten Arbeitsverhältnissen – das Enddatum sowie gegebenenfalls die Dauer und die Bedingungen der Probezeit;
  • das Grundgehalt, alle sonstigen Vergütungsbestandteile, einschließlich Überstunden, sowie die Periodizität und Art der Auszahlung der Vergütung;
  • die Länge des Standardarbeitstages oder der Standardarbeitswoche des Arbeitnehmers, falls die Arbeitsmuster vorhersehbar sind;
  • falls die Arbeitsmuster unvorhersehbar sind, muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Folgendes mitteilen: die Referenzstunden und die Referenztage, innerhalb derer der Arbeitnehmer aufgefordert werden kann zu arbeiten; die Mindestankündigungsfrist, auf die der Arbeitnehmer vor Beginn eines Arbeitsauftrags Anspruch hat; und die Anzahl der garantierten bezahlten Stunden.

Über die folgenden zusätzlichen Informationen hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer spätestens einen Monat ab dem ersten Arbeitstag zu unterrichten:

  • die Dauer des bezahlten Urlaubs;
  • gegebenenfalls den Anspruch auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung;
  • gegebenenfalls die Angabe der Kollektiv- bzw. Tarifverträge, in denen die Arbeitsbedingungen des Arbeitnehmers geregelt sind;
  • falls der Arbeitgeber dafür zuständig ist: die Identität der Sozialversicherungsträger, die die Sozialbeiträge im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis erhalten;
  • die Länge der Kündigungsfristen bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder die Modalitäten der Festsetzung der Kündigungsfristen;
  • bei Leiharbeitnehmern: die Identität der entleihenden Unternehmen (d. h. der Unternehmen, die die Dienstleistungen der Leiharbeitnehmer in Anspruch nehmen), wenn und sobald bekannt.

In ein anderes EU-Land oder ein Nicht-EU-Land versetzte („entsandte“) Arbeitnehmer

Der Arbeitgeber muss vor der Abreise des Arbeitnehmers einschlägige Dokumente bereitstellen, in denen zusätzlich zumindest Folgendes angegeben ist:

  • die Länder, in denen die Arbeit im Ausland geleistet werden soll, und die geplante Dauer der Arbeit;
  • die Währung, in der die Vergütung erfolgt;
  • falls anwendbar: die mit den Arbeitsaufträgen verbundenen Geld- oder Sachleistungen;
  • Angaben dazu, ob eine Rückführung vorgesehen ist, und falls ja, die Bedingungen für die Rückführung des Arbeitnehmers.

Entsandte Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 96/71/EG (siehe die Zusammenfassung hier) müssen zusätzlich unter anderem über Folgendes unterrichtet werden:

  • die Vergütung, auf die sie im Einklang mit dem geltenden Recht des Aufnahme-EU-Landes Anspruch haben;
  • falls anwendbar: Entsendezulagen und Regelungen für die Erstattung von Reise-, Verpflegungs- und Unterbringungskosten.

Mindestanforderungen an den Arbeitsvertrag

In der Richtlinie ist eine Reihe von Mindestrechten für Arbeitnehmer festgelegt, darunter:

  • das Recht, dass die Probezeit sechs Monate nicht überschreiten darf, es sei denn, es liegt im Interesse des Arbeitnehmers oder die Tätigkeit rechtfertigt dies;
  • das Recht, für einen anderen Arbeitgeber außerhalb der festgelegten Arbeitszeit ohne Benachteiligung zu arbeiten, es sei denn, die Unvereinbarkeitsbestimmungen sind aus objektiven Gründen gerechtfertigt;
  • für Arbeitnehmer, deren Arbeitsmuster vom Arbeitgeber bestimmt wird und völlig oder größtenteils unvorhersehbar ist: das Recht, einen Arbeitsauftrag außerhalb der zuvor festgelegten Referenzstunden und Referenztage abzulehnen, ohne dass dies negative Folgen hat;
  • das Recht, nach sechsmonatiger Tätigkeit bei demselben Arbeitgeber eine Arbeitsform mit vorhersehbareren und sichereren Arbeitsbedingungen zu ersuchen;
  • das Recht auf kostenlose Fortbildung, wenn der Arbeitgeber aufgrund von Rechtsvorschriften der EU oder nationalen Rechtsvorschriften oder Kollektiv- bzw. Tarifverträgen verpflichtet ist, eine solche Fortbildung anzubieten.

Die EU-Länder können den Sozialpartnern erlauben, Kollektiv- bzw. Tarifverträge zu schließen, bei denen Regelungen bezüglich der Arbeitsbedingungen von Arbeitnehmern getroffen werden, die von den oben genannten Regelungen abweichen, sofern der Schutz der Arbeitnehmer insgesamt gewahrt bleibt.

Abrufverträge*

EU-Länder, die Abrufverträge oder ähnliche Arbeitsverträge (z. B. Gig-Economy- oder Null-Stunden-Verträge) erlauben, müssen Maßnahmen ergreifen, um missbräuchliche Praktiken zu unterbinden, wie etwa:

  • Beschränkungen der Anwendung und Dauer von Abrufverträgen und ähnlichen Arbeitsverträgen;
  • Aufstellung einer widerlegbaren Vermutung*, dass ein Arbeitsverhältnis mit einem garantierten Umfang bezahlter Stunden ausgehend von den in einem bestimmten vorherigen Zeitraum geleisteten Stunden vorliegt.

Beschwerden, Rechtsbehelfe, Schutzmaßnahmen und Kündigungen

Die EU-Länder müssen:

  • sicherstellen, dass Arbeitnehmer, die die einschlägigen Informationen nicht innerhalb der Frist erhalten haben, Zugang zu mindestens einer der beiden folgenden Maßnahmen haben:
    • Einreichung einer Beschwerde bei einer zuständigen Behörde sowie Erhalt zeitnaher und wirksamer Abhilfe oder
    • Genuss von günstigen rechtlichen Vermutungen;
  • sicherstellen, dass Arbeitnehmer, einschließlich solcher, deren Arbeitsverhältnis beendet ist, Zugang zu wirkungsvoller und unparteiischer Streitbeilegung und einen Anspruch auf Abhilfe* haben;
  • Maßnahmen einführen, um Arbeitnehmer vor jedweder Benachteiligung durch den Arbeitgeber und vor jedweden negativen Konsequenzen zu schützen, denen sie ausgesetzt sind, weil sie Beschwerde beim Arbeitgeber eingereicht haben;
  • Maßnahmen ergreifen, um eine Kündigung von Arbeitnehmern zu untersagen, wenn diese damit begründet wird, dass die Arbeitnehmer die in der Richtlinie vorgesehenen Rechte in Anspruch genommen haben.

Die Richtlinie darf nicht als Rechtfertigung dienen, das allgemeine Schutzniveau, das Arbeitnehmer in der EU bereits genießen, zu senken. Sie hindert die EU-Länder nicht daran, günstigere Rechtsvorschriften für Arbeitnehmer zu erlassen.

Aufhebung

Mit der Richtlinie wird die Richtlinie 91/533/EWG des Rates über die Unterrichtung des Arbeitnehmers über die geltenden Arbeitsbedingungen ab dem 1. August 2022 aufgehoben.

WANN TRITT DIE RICHTLINIE IN KRAFT?

Sie ist am 31. Juli 2019 in Kraft getreten und muss bis zum 1. August 2022 von den EU-Ländern in nationales Recht umgesetzt werden.

HINTERGRUND

Siehe auch:

SCHLÜSSELBEGRIFFE

Auf der Grundlage von Gutscheinen beschäftigter Arbeitnehmer: Ein Arbeitgeber erwirbt einen Gutschein von einem Dritten (in der Regel einer Regierungsbehörde), der anstelle von Bargeld als Bezahlung für einen Arbeitnehmer verwendet wird, der eine Dienstleistung erbringt.
Abrufvertrag: eine Art von Vertrag zwischen einem Arbeitgeber und einem Arbeitnehmer, wie z. B. ein Null-Stunden-Vertrag, bei dem der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, eine Mindestarbeitszeit zu gewährleisten, während der Arbeitnehmer verpflichtet sein kann oder nicht, eine angebotene Arbeit anzunehmen.
Widerlegbare Vermutung: eine Vermutung, die ein Gericht für wahr hält, es sei denn, jemand tritt vor, um sie anzufechten und das Gegenteil zu beweisen (die „Unschuldsvermutung bis zum Beweis der Schuld“ ist eine bekannte widerlegbare Vermutung).
Anspruch auf Abhilfe: das Recht, um Entschädigung zu ersuchen.

HAUPTDOKUMENT

Richtlinie (EU) 2019/1152 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union (ABl. L 186 vom 11.7.2019, S. 105-121)

VERBUNDENE DOKUMENTE

Richtlinie (EU) 2017/159 des Rates vom 19. Dezember 2016 zur Durchführung der Vereinbarung über die Durchführung des Übereinkommens über die Arbeit im Fischereisektor von 2007 der Internationalen Arbeitsorganisation, die am 21. Mai 2012 zwischen dem Allgemeinen Verband der landwirtschaftlichen Genossenschaften der Europäischen Union (COGECA), der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) und der Vereinigung der nationalen Verbände von Fischereiunternehmen in der Europäischen Union (Europêche) geschlossen wurde (ABl. L 25 vom 31.1.2017, S. 12-35)

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen zur Einführung einer Säule sozialer Rechte (COM(2017) 250 final vom 26.4.2017)

Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Titel IV – Solidarität – Artikel 31 – Gerechte und angemessene Arbeitsbedingungen (ABl. C 202 vom 7.6.2016, S. 399)

Richtlinie 2014/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten durch Verbesserung des Erwerbs und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen (ABl. L 128 vom 30.4.2014, S. 1-7)

Richtlinie 2009/13/EG des Rates vom 16. Februar 2009 zur Durchführung der Vereinbarung zwischen dem Verband der Reeder in der Europäischen Gemeinschaft (ECSA) und der Europäischen Transportarbeiter-Föderation (ETF) über das Seearbeitsübereinkommen 2006 und zur Änderung der Richtlinie 1999/63/EG (ABl. L 124 vom 20.5.2009, S. 30-50)

Nachfolgende Änderungen der Richtlinie 2009/13/EG wurden in den Originaltext eingefügt. Diese konsolidierte Fassung hat ausschließlich dokumentarischen Charakter.

Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung (ABl. L 299 vom 18.11.2003, S. 9-19)

Richtlinie 98/49/EG des Rates vom 29. Juni 1998 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern (ABl. L 209 vom 25.7.1998, S. 46-49)

Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. L 18 vom 21.1.1997, S. 1-6)

Richtlinie 91/533/EWG des Rates vom 14. Oktober 1991 über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen (ABl. L 288 vom 18.10.1991, S. 32-35)

Letzte Aktualisierung: 25.10.2019

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