Regeln bezüglich der Pflichten der Verwahrstellen für EU-Investmentfonds
ZUSAMMENFASSUNG DES DOKUMENTS:
Delegierte Verordnung (EU) 2016/438 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/65/EG in Bezug auf die Pflichten der Verwahrstellen
WAS IST DER ZWECK DER VERORDNUNG?
- Mit dieser delegierten Verordnung werden spezifische Rechte und Pflichten von Verwahrstellen* und Verwaltungs- und Investmentgesellschaften im Rahmen von EU-Regeln für Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW)* detailliert festgelegt.
- Im Jahr 2018 wurde sie durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/1619 im Hinblick auf die Verwahrungspflichten von Verwahrstellen geändert. Der Grund dafür war der Unterschied beim Schutz von Finanzinstrumenten, die von den Verwahrstellen verwahrt werden auf der Grundlage verschiedener nationaler Gesetze und der geltenden Insolvenzgesetze. Mit der Änderung wird primär versucht, eine größere Klarheit und Konsistenz darüber zu schaffen, wie die Vermögenswerte gesondert verwahrt werden, sodass die Anleger besser geschützt sind und eine größere Markteffizienz sichergestellt ist.
WICHTIGE ECKPUNKTE
Schriftlicher Vertrag
Die Verwahrstelle muss einen schriftlichen Vertrag mit der Investmentgesellschaft oder der Verwaltungsgesellschaft für jeden der gemeinsamen Fonds, den die Letztgenannte verwaltet, verfügen. Dieser muss folgende Angaben enthalten:
- eine Beschreibung der Dienstleistungen, die zu erbringen sind, sowie der Verfahren der Verwahrung, der Aufsicht und der Geheimhaltungspflichten, die zu übernehmen sind;
- Regeln über die Zwei-Wege-Informationsvermittlung zwischen der Verwahrstelle und der Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft und mit einer dritten Vertragspartei;
- die Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung und zur Bereitstellung von Informationen bei der Eröffnung neuer Geldkonten;
- die Bestätigung, dass die Verwahrstelle über den Zugang zu Büchern und durch Vor-Ort-Besuche das Verhalten der Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft und die Qualität der erhaltenen Informationen bewerten kann.
Mit der Delegierten Verordnung (EU) 2018/1619 werden die Mindestangaben festgelegt, die im Vertrag zwischen einer Verwahrstelle und einer dritten Partei im Falle der Übertragung der Verwahrung von Vermögenswerten des OGAW-Kunden der Verwahrstelle enthalten sein müssen.
Sorgfalt und Aufsicht
Die Verwahrstelle muss Verfahren anwenden zur
- Bewertung, wenn sie bestellt wurde, der Risiken unter Berücksichtigung der Art, des Umfangs und der Komplexität der Anlagepolitik und -strategie des OGAW;
- Entwicklung von angemessenen Aufsichtsverfahren auf der Grundlage dieser Beurteilung, einschließlich der Kontrollen der Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft;
- Sicherstellung der Übereinstimmung des Verkaufs und der Auszahlung der OGAW-Vermögenswerte und der Verwendung ordentlicher Verfahren zur Bewertung dieser Vermögenswerte;
- Verifizierung, ob die Weisungen der Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft in vollem Umfang gesetzeskonform sind;
- Feststellung und Informierung der Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft über Zahlungen, die fällig und in Verzug sind;
- Prüfung der Genauigkeit von Dividendenzahlungen;
- effektiven Kontrolle des Cashflows des OGAW beispielweise indem gewährleistet wird, dass sämtliche Gelder des OGAW auf Konten verbucht werden, die entweder bei einer Zentralbank oder einem zugelassenen Kreditinstitut eröffnet wurden;
- Entgegennahme von Details von der Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft am Ende eines jeden Geschäftstages über Zahlungen, die durch oder im Namen des Anlegers getätigt wurden;
- Sicherstellung, dass alle Finanzinstrumente des OGAW, die der OGAW physisch nicht verwahren kann, ordnungsgemäß registriert werden;
- Gewährleistung, dass die Verwahrstelle Zugang zu allen für die Erfüllung ihrer Pflichten erforderlichen Informationen von der Verwaltungs- oder Investmentgesellschaft hat, wie zum Beispiel die Verifizierung des Eigentumsrechts und die Registrierung von jedweden Vermögenswerten des OGAW in die Aufzeichnungen;
- Anwendung der Sorgfaltspflichten und der fortlaufenden Kontrolle bei der Bestellung einer anderen Gesellschaft zur Verwahrung der Vermögenswerte der OGAW-Kunden; und
- zum vollumfänglichen Schutz der Vermögenswerte eines OGAW-Kunden, sofern ihr Verwalter in einem Nicht-EU-Land später Konkurs anmeldet.
Sonderverwahrungspflicht
Die OGAW-Richtlinie verlangt, dass im Falle der Übertragung der Verwahrungsfunktionen durch die Verwahrstelle an die Vermögensverwalter die Vermögenswerte ebenfalls sonderverwahrt werden, und zwar auf der Ebene des Übertragungsempfängers. Mit der Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2018/1619 wird die Art und Weise spezifiziert, mit der diese Anforderung erfüllt werden soll.
Haftungsentlastung
Die Verwahrstellen, wenn sie ihre Pflichten in vollem Umfang erfüllt haben, haften nicht für Verluste unter den folgenden Umständen:
- Naturereignisse, die sich der Kontrolle oder dem Einfluss des Menschen entziehen;
- Annahme von Gesetzen, Verordnungen oder Beschlüssen, die sich auf die verwahrten Finanzinstrumente auswirken;
- Krieg, Unruhen oder andere bedeutende Umwälzungen;
- der OGAW hat das Finanzinstrument niemals rechtsgültig besessen, wurde seines Eigentumsrechts enthoben oder ist nicht in der Lage darüber zu verfügen.
Unabhängigkeit:
Es gelten die folgenden Regeln:
- Keiner darf gleichzeitig ein Mitglied oder Funktionär einer Verwaltungsgesellschaft und des Leitungsorgans einer Verwahrstelle sein.
- Grenzen gibt es bezüglich der gemeinsamen Mitgliedschaft der Leitungs- und Aufsichtsorgane für beide Partner.
- Die Verwaltungs- oder Investmentgesellschaften müssen bei der Auswahl und der Bestellung der Verwahrstellen klare Entscheidungsfindungsprozesse verwenden.
Interessenkonflikte zwischen den Verwaltungs- oder Investmentgesellschaften und den Verwahrstellen, einschließlich ihrer Leitungsorgane und Aufsichtsfunktionen, müssen identifiziert und vermieden werden.
WANN TRITT DIE VERORDNUNG IN KRAFT?
Die Verordnung ist am 13. Oktober 2016 in Kraft getreten. Die Änderungen der Verordnung durch die Delegierte Verordnung (EU) 2018/1619 treten am 1. April 2020 in Kraft.
HINTERGRUND
Weiterführende Informationen:
SCHLÜSSELBEGRIFFE
Verwahrstellen: Kreditinstitute (d. h. im Einlagengeschäft tätige Banken) oder Wertpapierfirmen mit einer Regulierungsgenehmigung zur Handlung als Verwahrer von Finanzmitteln.
Organismen für gemeinsame Anlagen (OGAW): Anlageinstrumente, die das Kapital der Anleger sammeln und dieses in ein Portfolio von Finanzinstrumenten wie Aktien, Anleihen und anderen Wertpapieren investieren.
HAUPTDOKUMENTE
Delegierte Verordnung (EU) 2016/438 der Kommission vom 17. Dezember 2015 zur Ergänzung der Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die Pflichten der Verwahrstellen (ABl. L 78 vom 24.3.2016, S. 11-30)
Delegierte Verordnung (EU) 2018/1619 der Kommission vom 12. Juli 2018 zur Änderung der Delegierten Verordnung (EU) 2016/438 in Bezug auf die Verwahrungspflichten von Verwahrstellen (ABl. L 271 vom 30.10.2018, S. 6-9)
VERBUNDENE DOKUMENTE
Richtlinie 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der Richtlinie 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates (ABl. L 182 vom 29.6.2013, S. 19-76)
Die im Nachhinein vorgenommenen Änderungen der Richtlinie 2013/34/EU wurden in den Originaltext eingefügt. Diese konsolidierte Fassung hat ausschließlich dokumentarischen Charakter.
Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338-436)
Siehe konsolidierte Fassung.
Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1-337)
Siehe konsolidierte Fassung.
Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 302 vom 17.11.2009, S. 32-96)
Siehe konsolidierte Fassung.
Letzte Aktualisierung: 08.04.2019