EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 29.4.2020
COM(2020) 315 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Unterstützung des westlichen Balkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie
Beitrag der Kommission im Vorfeld der Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU und des westlichen Balkans am 6. Mai 2020
Mitteilung der Kommission
Unterstützung des westlichen Balkans bei der Bekämpfung von COVID-19 und beim Wiederaufbau nach der Pandemie
Der westliche Balkan ist integraler Bestandteil Europas und daher von zentraler geostrategischer Bedeutung für die Europäische Union. Die europäische Perspektive der gesamten Region wurde im März 2020 erneut bekräftigt, als die Mitgliedstaaten die Vorschläge der Kommission für eine verbesserte Methodik
für den Beitrittsprozess billigten und beschlossen, Beitrittsverhandlungen mit der Republik Albanien und der Republik Nordmazedonien aufzunehmen. Es ist von entscheidender Bedeutung für die Europäische Union, die Stabilität und den Wohlstand in dieser Region weiter zu fördern und auf unseren gemeinsamen strategischen Interessen aufzubauen.
Obwohl die EU selbst von der Pandemie stark betroffen ist, liegt es in ihrer besonderen Verantwortung und ihrem Interesse, bei der globalen Reaktion auf die Pandemie eine Vorreiterrolle zu übernehmen und in Not geratenen Partnern, vor allem in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, Hilfe zu leisten. Im Rahmen ihrer internationalen Bemühungen leistet die EU dem westlichen Balkan wesentliche und beispiellose Unterstützung. Die EU stellt den Ländern in der Region finanzielle Unterstützung in Höhe von mehr als 3,3 Mrd. EUR sicher, um die unmittelbare Gesundheitskrise und den daraus resultierenden humanitären Bedarf sowie die längerfristigen und strukturellen Auswirkungen auf Gesellschaft und Wirtschaft zu bewältigen. Aufgrund der europäischen Perspektive der Region behandelt die EU den westlichen Balkan als privilegierten Partner, dem sie Zugang zu zahlreichen Initiativen und Instrumenten gewährt, die sonst den EU-Mitgliedstaaten vorbehalten sind.
Die Staats- und Regierungschefs der EU und der Region werden am 6. Mai 2020 zusammenkommen, um sich über die Herausforderungen auszutauschen, denen sie gemeinsam gegenüberstehen. Als Beitrag zu diesen Beratungen wird in dieser Mitteilung die Solidarität der Europäischen Union mit dem westlichen Balkan im Kampf gegen die unmittelbaren Folgen von COVID-19 dargelegt und eine Reihe möglicher Kooperationsbereiche ermittelt. Darin wird auch auf die längerfristige Unterstützung der EU für die wirtschaftliche Erholung der Region eingegangen, als Grundlage für einen detaillierteren Wirtschafts- und Investitionsplan für die Region, den die Kommission später in diesem Jahr vorlegen wird. Schließlich sieht die Mitteilung eine weitere Intensivierung des Engagements und der Unterstützung der EU für die Verwirklichung der europäischen Perspektive der Region vor. So soll allen Partnern dabei geholfen werden, die erforderlichen grundlegenden Reformen mit noch größerem Nachdruck umzusetzen, wie im Rahmen der neuen Beitrittsmethodik vorgesehen.
II.Unterstützung der EU für den westlichen Balkan bei der Bekämpfung von COVID-19
Angesichts des Ausbruchs von COVID-19 haben die Partner im westlichen Balkan auch das Katastrophenschutzverfahren der Union aktiviert und erhalten inzwischen entsprechende Hilfe von EU-Mitgliedstaaten und anderen am Verfahren teilnehmenden Staaten. Als Teilnehmerstaaten können Serbien, Nordmazedonien und Montenegro zur EU-Reserve „rescEU“, einschließlich der Vorräte an medizinischer Ausrüstung, beitragen und daraus Unterstützung anfordern. Im Ausland gestrandete Staatsbürger aus dem westlichen Balkan zählten zu den Personen, die dank Repatriierungsflügen, die im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens organisiert und kofinanziert wurden, in ihr Heimatland zurückkehren konnten. Die Katastrophenschutzbehörden des westlichen Balkans werden weiterhin an Schulungen, Übungen und dem Austausch von Experten im Rahmen des Katastrophenschutzverfahrens teilnehmen. Die EU schätzt auch die wertvolle Unterstützung‚ die die Partner im westlichen Balkan der EU und ihren unmittelbaren Nachbarn im Hinblick auf medizinisches Personal und medizinische Ausrüstung geleistet haben. Dies spiegelt die Solidarität und die Grundwerte wider, auf denen die EU beruht.
Mit dem gemeinsamen Vorschlag des Ständigen Sekretariats der Verkehrsgemeinschaft und des CEFTA wurde sichergestellt, dass das Konzept der „Green Lanes“ (Sonderfahrspuren) auf den westlichen Balkan ausgedehnt wurde, um den ungehinderten Fluss unentbehrlicher Güter in der Region zu gewährleisten. Die Kommission ist bereit, die Region eng in die Umsetzung ihres „Gemeinsamen europäischen Fahrplans zur Aufhebung der COVID-19-Eindämmungsmaßnahmen“ einzubinden. Über diesen Gesundheitsnotstand und die damit verbundenen Beschränkungen des Waren- und Personenverkehrs hinaus ist die Kommission auch entschlossen, langfristig zu einer besseren Anbindung des westlichen Balkans durch Beseitigung der strukturellen Engpässe an den Grenzen zwischen der EU und dem westlichen Balkan beizutragen. Die Kommission hat ferner Leitlinien dazu herausgegeben, wie die befristeten Reisebeschränkungen für alle nicht unbedingt notwendigen Reisen aus Drittländern in die EU umzusetzen sind, auch im Hinblick auf Personen, die aufgrund von Reisebeschränkungen gezwungen sind, länger in der EU zu bleiben, als ihnen gestattet ist.
Diese Zusammenarbeit zwischen der EU und dem westlichen Balkan und die Unterstützung der EU für die Region gehen weit über das hinaus, was andere Partner der Region geleistet haben. Dies entspricht der strategischen Bedeutung der Region für die EU. Die EU-Institutionen haben nicht nur intensive Kommunikationskampagnen zur EU-Hilfe durchgeführt, sondern auch gemeinsam mit EU-Mitgliedstaaten Pressebeiträge vor Ort veröffentlicht, Initiativen unter dem Motto „Bleibt zu Hause“ unterstützt und zur Verbreitung von Fakten zu COVID-19 beigetragen. In diesem Zusammenhang müssen alle Versuche, die Ursprünge der Krise und die Anstrengungen zu ihrer Bewältigung falsch darzustellen, öffentlich und energisch bekämpft werden, wobei auch die Zusammenarbeit zur Wahrung der Meinungs- und Medienfreiheit intensiviert werden muss.
III.Die Zeit nach COVID-19 – ein Wirtschafts- und Investitionsplan zur Wiederbelebung der Wirtschaft
Der Plan wird ein umfangreiches Investitionspaket für die Region vorsehen. Für den Zeitraum 2021-2027 hat die Kommission am 2. Mai 2018 für das Heranführungsinstrument III eine Gesamtmittelausstattung in Höhe von 14,5 Mrd. EUR vorgeschlagen‚ die zum Großteil für den westlichen Balkan bestimmt ist. Die Kommission plant eine Verdoppelung der über den Investitionsrahmen für den westlichen Balkan gewährten Finanzhilfen, um die Entwicklung des Privatsektors, die Konnektivität, die Digitalisierung, die grüne Agenda und soziale Investitionen zu fördern. Ferner ist vorgesehen, die Finanzgarantien zur Unterstützung öffentlicher und privater Investitionen in der Region über das spezifische Garantieinstrument des Investitionsrahmens für den westlichen Balkan erheblich aufzustocken.
Der grüne und der digitale Wandel werden bei der Wiederbelebung und Modernisierung der Volkswirtschaften des westlichen Balkans eine zentrale Rolle spielen. Investitionen in saubere und digitale Technologien und entsprechende Kapazitäten werden zusammen mit einer Kreislaufwirtschaft zur Schaffung von Arbeitsplätzen und Wachstum beitragen. Ferner wird Unterstützung geleistet, um die Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften des westlichen Balkans zu stärken, die Konnektivität innerhalb der Region und mit der EU zu verbessern und den westlichen Balkan für das digitale Zeitalter zu rüsten. Unterstützt wird dabei auch ein Wirtschaftsmodell, das im Dienst der Menschen steht, unter anderem durch Zusammenarbeit in den Bereichen Bildung und Gesundheit, um nicht zuletzt die Resilienz der Gesundheitssysteme zu stärken, sowie in den Bereichen Sozialschutz und Inklusion, Chancengleichheit, Zugang zum Arbeitsmarkt (insbesondere durch eine aktivere Arbeitsmarktpolitik), faire Arbeitsbedingungen (u. a. durch Stärkung des sozialen Dialogs), Kultur sowie Forschung und Innovation.
Ein besonderer Schwerpunkt wird auf der Verkehrs- und Energieanbindung liegen, die für die wirtschaftliche Entwicklung sowohl der Region als auch der EU von entscheidender Bedeutung ist. In diesem Jahr beabsichtigt die EU, ein Paket von 135 Mio. EUR
zur Finanzierung von sechs weiteren Infrastrukturinvestitionsprojekten im Rahmen der Konnektivitätsagenda für den westlichen Balkan vorzuschlagen. Damit wird die EU ihre Zusage aus dem Jahr 2015, bis 2020 EU-Finanzhilfen in Höhe von 1 Mrd. EUR für die Konnektivitätsagenda bereitzustellen, übertreffen. Mit diesen Mitteln werden durch Hebelwirkung fast 4 Mrd. EUR für 45 Infrastrukturinvestitionen mobilisiert werden, um die Region mit den vorrangigen Achsen der transeuropäischen Netze (TEN-V) zu verbinden und Projekte von gegenseitigem Interesse der Energiegemeinschaft durchzuführen. Die aktive regionale Zusammenarbeit im Rahmen der Energiegemeinschaft und der Initiative für Energieverbindungsleitungen in Mittel- und Südosteuropa ist eine gute Grundlage, um die Investitionen in diese Energieverbindungen sowie in Projekte für erneuerbare Energien und Energieeffizienz zu beschleunigen.
Die EU wird den Herausforderungen, mit denen junge Menschen konfrontiert sind‚ insbesondere in Bezug auf Beschäftigungsaussichten‚ Ungleichheit und die Bindung junger Talente in der Region‚ weiterhin besondere Aufmerksamkeit widmen, um gegen die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte und andere demographische Probleme in der Region vorzugehen. Die Erasmus+-Fördermittel für die Region wurden seit 2018 verdoppelt (auf über 65 Mio. EUR), und dabei der Schwerpunkt auf berufliche Bildung verlagert. In Zukunft werden digitale Kompetenzen sowie Forschungs- und Unternehmerkompetenzen noch mehr in den Mittelpunkt rücken‚ damit junge Menschen gerüstet sind, sich im digitalen Zeitalter wirtschaftlich erfolgreich zu behaupten.
Durch die COVID-19-Pandemie ist die Bedeutung eines ordnungsgemäß funktionierenden EU-Binnenmarkts als Schlüsselelement unseres Wohlstands und unserer Resilienz deutlich hervorgetreten. Ebenso hat sie die hohe sozioökonomische Interdependenz zwischen der EU und den Volkswirtschaften des westlichen Balkans sowie innerhalb der Region selbst vor Augen geführt. Es wird daher von entscheidender Bedeutung sein, die Volkswirtschaften des westlichen Balkans effizienter zu verbinden – sowohl untereinander als auch mit der EU. Dies erfordert ein stärkeres Engagement aller Partner des westlichen Balkans für die Vertiefung der inklusiven regionalen Wirtschaftsintegration und die Entwicklung eines regionalen Binnenmarktes auf der Grundlage des EU-Besitzstands sowie für die Einhaltung der gegenüber der EU eingegangenen Verpflichtungen, was die Region auch zu einem attraktiveren Investitionsraum machen wird.
Dabei spielen die regionalen Organisationen – der Regionale Kooperationsrat, die Verkehrsgemeinschaft, die Energiegemeinschaft und die mitteleuropäische Freihandelszone – eine maßgebliche Rolle. Von der EU finanzierte Projekte haben auch entschieden zum Abbau von Handelshemmnissen beigetragen
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All diese Unterstützungsmaßnahmen sind auf dieselben Ziele aufgerichtet: die Umwandlung der Volkswirtschaften des westlichen Balkans in funktionierende Marktwirtschaften, die in der Lage sind, sich vollständig in den EU-Binnenmarkt zu integrieren‚ die Verbesserung des Geschäfts- und Investitionsklimas, um so einen Beitrag zum Ausbau der Handelsströme innerhalb der Region und mit der EU zu leisten,
sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen und Chancen, um damit die Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte aus der Region einzudämmen. Die derzeitige Krise darf nicht von wichtigen strukturellen Schwächen ablenken, wie der hohen Arbeitslosigkeit (insbesondere bei jungen Menschen) und der geringen Erwerbsbeteiligung (insbesondere bei Frauen); der Diskrepanz zwischen Qualifikationen und Arbeitsmarkterfordernissen; dem unzureichenden Sozialschutz; der unzureichenden landwirtschaftlichen Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit und der nicht diversifizierten Energieversorgung und geringen Energieeffizienz. Der fest etablierte Wirtschafts- und Finanzdialog, der auf den Wirtschaftsreformprogrammen der Partner beruht‚ ist nach wie vor ein wichtiges Instrument für die Steuerung und Unterstützung makroökonomischer und struktureller Reformen.
Ziel des Wirtschafts- und Investitionsplans ist es, die langfristige Erholung zu fördern, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln und die Reformen voranzubringen, die erforderlich sind, um auf dem Weg in die EU weiter voranzukommen. Dieser Wirtschafts- und Investitionsplan wird sich an den Prioritäten orientieren, die sich die Europäische Kommission für ihre eigene Arbeit im Zeitraum 2019-2024 gesetzt hat.
IV.Grundlegende Reformen auf den Weg bringen
Für eine wirksame Erholung von der derzeitigen Krise ist es unabdingbar, dass die Länder ihren Reformzusagen weiter nachkommen und greifbare Ergebnisse bei deren Umsetzung erzielen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung für die Verwirklichung ihrer europäischen Perspektive. Neben der Fortsetzung der Wirtschaftsreformen ist eine stärkere Fokussierung auf Rechtsstaatlichkeit sowie die Funktionsweise demokratischer Institutionen und der öffentlichen Verwaltung erforderlich.
Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit in all ihren Aspekten ist von entscheidender Bedeutung. Sie erfordert eine unabhängige und effiziente Justiz, solide Ergebnisse bei der Bekämpfung von Korruption, organisierter Kriminalität und Terrorismus sowie einen wirksamen Schutz der Grundrechte, einschließlich der Meinungs- und Medienfreiheit. Von besonderer Bedeutung ist es, dass die während der Krise ergriffenen Notfallmaßnahmen nicht zulasten grundlegender Prinzipien und Werte gehen und dass diese Maßnahmen verhältnismäßig und zeitlich begrenzt bleiben und der demokratischen Kontrolle unterliegen.
Aufbauend auf der bereits bestehenden umfassenden Zusammenarbeit muss durch gemeinsame und einvernehmlich vereinbarte Maßnahmen in den Bereichen Sicherheit (einschließlich Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung), Migration und Grenzmanagement ein kontinuierliches aktives Engagement sichergestellt werden. Die Stärkung demokratischer Institutionen und inklusiver demokratischer Prozesse gehört nach wie vor zu den zentralen Prioritäten. Die Reform der öffentlichen Verwaltung ist von entscheidender Bedeutung für die Verbesserung des staatlichen Handelns auf allen Ebenen. Dies schließt stärkere Transparenz und Rechenschaftspflicht, eine solide Verwaltung der öffentlichen Finanzen und professionellere Verwaltungen ein. Sie bilden die Ausgangsbasis für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung.
Die Kommission ist nach wie vor fest entschlossen, die Region bei der Umsetzung dieser Reformen zu unterstützen. Weitere Maßnahmen werden noch in diesem Jahr in einer Mitteilung der Kommission dargelegt werden.
Die COVID-19-Krise ist eine Belastungsprobe für unsere Solidarität und Entschlossenheit, bietet aber auch zugleich ein Beispiel dafür, wie wir als Europäer mit einem gemeinsamen Schicksal enger zusammenarbeiten können. In dieser Hinsicht erkennen wir an, dass unsere Partner im westlichen Balkan bei den anstehenden Überlegungen über die Zukunft Europas ihren Platz werden finden müssen. Gemeinsam werden wir diese Krise überwinden und uns davon erholen. Und gemeinsam werden wir unsere Zusammenarbeit weiter ausbauen, um unseren Partnern dabei zu helfen, die Anforderungen der EU-Mitgliedschaft zu erfüllen.
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