EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 62023CJ0005

Urteil des Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 4. Juli 2024.
Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) gegen KD.
Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Bedienstete auf Zeit – Beurteilung – Begründungspflicht – Fürsorgepflicht – Aufhebungs- und Schadensersatzklage.
Rechtssache C-5/23 P.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2024:575

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)

4. Juli 2024 ( *1 )

„Rechtsmittel – Öffentlicher Dienst – Bedienstete auf Zeit – Beurteilung – Begründungspflicht – Fürsorgepflicht – Aufhebungs- und Schadensersatzklage“

In der Rechtssache C‑5/23 P

betreffend ein Rechtsmittel nach Art. 56 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union, eingelegt am 5. Januar 2023,

Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO), vertreten zunächst durch G. Predonzani und K. Tóth, dann durch K. Tóth als Bevollmächtigten,

Rechtsmittelführer,

andere Partei des Verfahrens:

KD, vertreten durch D.‑A. Pappa, Dikigoros, sowie A. Pappas und S. Pappas, Avocats,

Klägerin im ersten Rechtszug,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin O. Spineanu-Matei sowie der Richter J.‑C. Bonichot (Berichterstatter) und S. Rodin,

Generalanwalt: M. Szpunar,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Mit seinem Rechtsmittel beantragt das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) die Aufhebung des Urteils des Gerichts der Europäischen Union vom 26. Oktober 2022, KD/EUIPO (T‑298/20, EU:T:2022:671; im Folgenden: angefochtenes Urteil), mit dem das Gericht die Beurteilung von KD für den Beurteilungszeitraum 2019 (im Folgenden: streitige Beurteilung) aufgehoben hat.

Rechtlicher Rahmen

Statut der Beamten der Europäischen Union

2

Art. 43 des Statuts der Beamten der Europäischen Union (im Folgenden: Statut) bestimmt:

„Über Befähigung, Leistung und dienstliche Führung aller Beamten wird unter den von den Anstellungsbehörden eines jeden Organs gemäß Artikel 110 festgelegten Bedingungen eine jährliche Beurteilung erstellt. Aus dieser Beurteilung ergibt sich, ob das Leistungsniveau des Beamten zufriedenstellend war oder nicht. Die Anstellungsbehörde jedes Organs erlässt Bestimmungen, die dem Beamten das Recht einräumen, im Rahmen des Beurteilungsverfahrens Einspruch einzulegen; dieses Recht muss vor Einreichung einer Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 in Anspruch genommen werden.

Ab der Besoldungsgruppe AST 5 kann die Beurteilung des Beamten auch eine auf den Leistungen beruhende Bewertung der Befähigung des betreffenden Beamten enthalten, die Funktion eines Beamten der Funktionsgruppe AD wahrzunehmen.

Die Beurteilung wird dem Beamten bekanntgegeben. Er ist berechtigt, der Beurteilung alle Bemerkungen hinzuzufügen, die er für zweckdienlich hält.“

3

Art. 90 Abs. 2 des Statuts bestimmt:

„Jede Person, auf die dieses Statut Anwendung findet, kann sich mit einer Beschwerde gegen eine sie beschwerende Maßnahme an die Anstellungsbehörde wenden; dies gilt sowohl für den Fall, dass die Anstellungsbehörde eine Entscheidung getroffen hat, als auch für den Fall, dass sie eine im Statut vorgeschriebene Maßnahme nicht getroffen hat. Die Beschwerde muss innerhalb einer Frist von drei Monaten eingelegt werden. Für den Beginn der Frist gilt Folgendes:

Die Frist beginnt am Tag der Bekanntmachung der Maßnahme, wenn es sich um eine allgemeine Maßnahme handelt;

sie beginnt am Tag der Mitteilung der Entscheidung an den Empfänger, spätestens jedoch an dem Tag, an dem dieser Kenntnis davon erhält, wenn es sich um eine Einzelmaßnahme handelt; besteht jedoch die Möglichkeit, dass eine Einzelmaßnahme einen Dritten beschwert, so beginnt die Frist für den Dritten an dem Tag, an dem dieser Kenntnis von der Maßnahme erhält, spätestens jedoch am Tag der Bekanntmachung der Maßnahme;

sie beginnt am Tag, an dem die Beantwortungsfrist abläuft, wenn sich die Beschwerde auf die stillschweigende Ablehnung eines nach Absatz 1 eingereichten Antrags bezieht.

Die Anstellungsbehörde teilt dem Betreffenden ihre begründete Entscheidung binnen vier Monaten nach dem Tag der Einreichung der Beschwerde mit. Wird innerhalb dieser Frist keine Antwort auf die Beschwerde erteilt, so gilt dies als stillschweigende Ablehnung, gegen die eine Klage nach Artikel 91 zulässig ist.“

4

Art. 110 des Statuts bestimmt:

„(1)   Die allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu diesem Statut werden von der Anstellungsbehörde eines jeden Organs nach Anhörung seiner Personalvertretung und des Statutsbeirats erlassen.

(2)   Von der [Europäischen] Kommission erlassene Durchführungsbestimmungen einschließlich der allgemeinen Durchführungsbestimmungen gemäß Absatz 1 gelten sinngemäß für Agenturen. Die Kommission unterrichtet die Agenturen daher unverzüglich nach Erlass von den betreffenden Durchführungsbestimmungen.

Diese Durchführungsbestimmungen treten in den Agenturen neun Monate nach ihrem Inkrafttreten in der Kommission oder neun Monate, nachdem die Kommission die Agenturen vom Erlass der betreffenden Durchführungsbestimmungen unterrichtet hat, in Kraft, je nachdem, welcher der spätere Zeitpunkt ist. Unbeschadet dessen kann eine Agentur auch beschließen, dass die betreffenden Durchführungsbestimmungen zu einem früheren Termin in Kraft treten.

Abweichend kann eine Agentur der Kommission auch vor Ablauf des in Unterabsatz 2 dieses Absatzes genannten Neunmonatszeitraums nach Anhörung ihrer Personalvertretung abweichende Durchführungsbestimmungen zur Genehmigung vorlegen. Unter den gleichen Voraussetzungen kann eine Agentur die Kommission auch um die Genehmigung ersuchen, bestimmte Durchführungsbestimmungen nicht anzuwenden. Im letztgenannten Fall kann die Kommission das Ersuchen genehmigen oder ablehnen oder die Agentur auffordern, ihr abweichende Durchführungsbestimmungen zur Genehmigung vorzulegen.

Der Neunmonatszeitraum im Sinne von Unterabsatz 2 dieses Absatzes wird ab dem Tag, an dem die Agentur ihr Ersuchen um Genehmigung an die Kommission richtet, bis zum Tag der Stellungnahme der Kommission unterbrochen.

Eine Agentur kann der Kommission ferner nach Anhörung ihrer Personalvertretung Durchführungsbestimmungen zu anderen Sachverhalten als denjenigen, die Gegenstand der von der Kommission erlassenen Durchführungsbestimmungen sind, zur Genehmigung vorlegen.

Für die Zwecke des Erlasses von Durchführungsbestimmungen werden die Agenturen durch den Verwaltungsrat oder das entsprechende Gremium, das im die … betreffende Agentur einrichtenden Unionsrechtsakt genannt wird, vertreten.

(3)   Für die Zwecke des Erlasses von Regelungen im gegenseitigen Einvernehmen zwischen den Organen werden Agenturen nicht wie Organe behandelt. Die Kommission hört jedoch die Agenturen vor dem Erlass solcher Regelungen an.

(4)   Vorschriften zur Durchführung dieses Statuts einschließlich aller allgemeinen Durchführungsbestimmungen im Sinne von Absatz 1 sowie alle von den Anstellungsbehörden der Organe im gegenseitigen Einvernehmen erlassenen Regelungen werden dem Personal zur Kenntnis gebracht.

(5)   Die Verwaltungen der Organe und der Agenturen konsultieren einander regelmäßig über die Anwendung des Statuts. In diesen Konsultationen sind die Agenturen gemäß den Vorschriften, die sie in gegenseitigem Einvernehmen festlegen, gemeinsam vertreten.

(6)   Der Gerichtshof der Europäischen Union verwaltet ein Verzeichnis sämtlicher von den Anstellungsbehörden eines jeden Organs erlassenen Durchführungsbestimmungen zum Statut und der von den Agenturen im Verfahren nach Absatz 2 erlassenen Durchführungsbestimmungen, einschließlich etwaiger Änderungen dazu, soweit sie von denjenigen der Kommission abweichen. Die Organe und die Agenturen haben unmittelbaren Zugang zu diesem Verzeichnis und sind uneingeschränkt befugt, ihre eigenen Bestimmungen zu ändern. Die Mitgliedstaaten haben unmittelbaren Zugang zu dem Verzeichnis. Außerdem berichtet die Kommission alle drei Jahre dem Europäischen Parlament und dem Rat über die von der Anstellungsbehörden eines jeden Organs erlassenen Durchführungsbestimmungen zum Statut.“

ADB 43

5

Um Art. 43 des Statuts umzusetzen, wendet das EUIPO den Beschluss C(2013) 8985 der Kommission vom 16. Dezember 2013 mit allgemeinen Durchführungsbestimmungen zu Artikel 43 und zu Artikel 44 Absatz 1 des Statuts (im Folgenden: ADB 43) an. Art. 7 ADB 43 sieht vor:

„(1)   Die mit Gründen versehene Ablehnung der Beurteilung durch den Stelleninhaber … gilt automatisch als Befassung des Berufungsbeurteilenden. …

(3)   Innerhalb von 20 Arbeitstagen ab dem Datum der mit Gründen versehenen Ablehnung der Beurteilung und nach dem Gespräch gemäß Absatz 2 bestätigt der Berufungsbeurteilende die Beurteilung oder ändert sie, wobei er seinen Beschluss begründet.

(4)   Mit dem Beschluss des Berufungsbeurteilenden wird die Beurteilung endgültig. …“

Vorgeschichte des Rechtsstreits

6

Die Vorgeschichte des Rechtsstreits wird in den Rn. 2 bis 14 des angefochtenen Urteils wie folgt dargestellt:

„2

Am 16. Juli 2015 trat [KD, die Klägerin im ersten Rechtszug] als Bedienstete auf Zeit für einen Zeitraum von fünf Jahren gemäß Art. 2 Buchst. f der Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten der Europäischen Union in den Dienst des EUIPO. Sie wurde der Abteilung ‚Akademie‘ des EUIPO zugewiesen.

3

Am 15. Februar 2016 wurde die Klägerin zur Teamleiterin ernannt.

4

Ab 2015 hatte die Klägerin persönliche Schwierigkeiten und gesundheitliche Probleme. Diese erforderten [vertraulich]. Die Klägerin nahm auch [vertraulich] in Anspruch.

5

Mitte 2019 wurde der Klägerin eine Jahreszwischenbeurteilung übermittelt. Darin heißt es u. a., dass sie ‚ihre Ziele bis Q2 erreicht hat, mit Ausnahme der Umsetzung der (aufgrund von Datenschutzproblemen ausgesetzten) Talentedatenbank und IPDentical (laufende Ausschreibung)‘, dass sie ‚sicher in der Rolle der Teamleiterin ist‘ und dass sie ‚[im ersten Halbjahr des Jahres 2019] sehr aktiv und ergebnisorientiert war‘.

6

Im Juli 2019 fand ein Gespräch zwischen der Klägerin und der Verwaltung statt.

7

Am 3. Februar 2020 fand das Beurteilungsgespräch der Klägerin für das Jahr 2019 statt.

8

Am 11. März 2020 erhielt die Klägerin die streitige Beurteilung.

9

Die streitige Beurteilung beginnt mit den Abschnitten ‚Allgemeine Informationen‘, ‚Informationen über den Mitarbeiter‘, ‚Beurteilungsgespräch‘ und ‚Bemerkungen zu den Arbeitsbedingungen, einschließlich Telearbeit (falls anwendbar)‘. Der folgende Abschnitt mit der Überschrift ‚Bewertung der Ziele‘‚enthält die Bewertung der erzielten Ergebnisse, einschließlich der Qualität der durchgeführten Arbeiten und des Engagements des Stelleninhabers in Bezug auf die [Hauptleistungsindikatoren], die für den von dieser Beurteilung erfassten Zeitraum festgelegt wurden‘. Dieser Abschnitt umfasst Teamziele, denen jeweils eine Beschreibung des individuellen Beitrags der Klägerin, der Hauptleistungsindikatoren, der betreffenden strategischen Bereiche und der ‚Zielerreichungs‘-Bewertung beigefügt ist. Zu den Hauptleistungsindikatoren für das Ziel ‚Umsetzung der im [Strategieplan 2020] und im [Jahresarbeitsprogramm] festgelegten und genehmigten Tätigkeiten und Projekte‘ gehört u. a. die Einrichtung der Talentedatenbank im ersten Quartal. Es folgen ‚Allgemeine Bemerkungen zu den Zielen‘, in denen es heißt, dass die Klägerin ‚die meisten festgelegten Ziele erreicht‘ habe, wobei sich die Umsetzung der Talentedatenbank jedoch aufgrund von Datenschutzproblemen verzögert habe.

10

Der folgende Abschnitt trägt die Überschrift ‚Dienstliche Führung‘. In diesem Abschnitt heißt es, dass die Klägerin ‚vollständig den Erwartungen entspricht‘, ‚gut auf direkte, klare und aufrichtige Art mit ihren Kollegen interagiert‘ und ‚erkennt, wann ein Kompromiss erforderlich ist‘.

11

Der folgende Abschnitt mit der Überschrift ‚Bewertung der Befähigung‘ enthält die ‚Beurteilung der Befähigung des Stelleninhabers in Bezug auf die von seiner Funktions- und Besoldungsgruppe geforderten Fähigkeiten‘. Dieser Abschnitt umfasst neun Kompetenzen. Für jede von ihnen wird in der streitigen Beurteilung das erforderliche Niveau genannt, das der Note entspricht, die das EUIPO vom Stelleninhaber erwartet, und die tatsächlich erzielte Note. Die Beurteilungsskala des EUIPO umfasst mehrere Stufen, darunter ‚in Entwicklung‘ (1), ‚angemessen‘ (2) und ‚fortgeschritten‘ (3).

12

Die Klägerin erhielt die erforderliche Note 3 für sechs Kompetenzen. In Bezug auf eine andere Kompetenz erhielt sie die Note 3, die höher als die erforderliche Note 2 war. Hingegen erhielt sie in Bezug auf die Kompetenzen ‚Priorisierung und Organisation‘ und ‚Resilienz‘ die Note 2, während die Note 3 erforderlich gewesen wäre. Die ‚Allgemeinen Bemerkungen zur Befähigung‘ erläutern, dass sie ‚schnell, klar und korrekt schreibt‘ und ‚fundierte berufliche Kenntnisse in Belangen der Akademie‘ habe und ‚die Auswirkungen dieser Kenntnisse auf Ebene des [EUIPO]‘ zu verstehen wisse. In diesen Bemerkungen heißt es jedoch zu ‚ihrer Priorisierung und Organisation, [dass] sie manchmal daran erinnert wurde, Fristen einzuhalten und einzuplanen‘.

13

Die folgenden Abschnitte tragen die Überschriften ‚Überprüfung des Entwicklungsplans‘ und ‚Gesamtbewertung‘. In Letzterer erhielt die Klägerin die Bewertung ‚CLR‘ oder ‚entspricht dem für die Stelle erforderlichen Niveau‘, d. h. die drittletzte Stufe auf der allgemeinen sechsstufigen Beurteilungsskala des EUIPO und ein zufriedenstellendes Niveau im Sinne von Art. 43 des Statuts … Auf diese Note folgen die ‚Allgemeinen Beurteilungsvermerke des Dienstvorgesetzten‘:

‚Zusätzlich zu den im Gespräch im Juli und im zweiten Halbjahr formulierten Punkten hat [die Klägerin] ihre Ziele erreicht. … [Die Klägerin] ist eine Verwaltungsrätin und als Vorbild für das Personal der Akademie anzusehen, da sie angemessene Fähigkeiten vorweist, Aufgaben antizipiert, dauerhaft danach strebt, ein hohes Leistungsniveau aufrechtzuerhalten und zu erbringen sowie die Qualität ständig zu verbessern. In diesem Zusammenhang musste sie manchmal daran erinnert werden, Fristen einzuhalten und die Proaktivität, zu der sie in der Lage ist, an den Tag zu legen.‘

14

Am 1. April 2020 teilte die zum Abschluss von Dienstverträgen ermächtigte Behörde… der Klägerin ihre Entscheidung mit, den Vertrag der Klägerin nicht zu verlängern …. In dieser Entscheidung wies [die genannte Behörde] darauf hin, dass sie die streitige Beurteilung berücksichtigt habe.“

Verfahren vor dem Gericht und angefochtenes Urteil

7

Mit Klageschrift, die am 22. Mai 2020 bei der Kanzlei des Gerichts einging, erhob KD Klage auf Aufhebung der streitigen Beurteilung und auf Ersatz des immateriellen Schadens, der ihr durch die Existenz dieser Beurteilung entstanden sein soll.

8

KD stützte ihre Klage auf drei Klagegründe. Mit diesen Klagegründen rügte sie im Wesentlichen erstens eine Verletzung der Begründungspflicht und der Verteidigungsrechte sowie einen Sachverhaltsirrtum, zweitens offensichtliche Beurteilungsfehler und drittens eine Verletzung der Fürsorgepflicht.

9

Mit dem angefochtenen Urteil hob das Gericht die streitige Beurteilung wegen unzureichender Begründung, einem Sachverhaltsirrtum und Verletzung der Fürsorgepflicht auf.

10

Erstens stellte es fest, dass der Beurteilende die KD im Rahmen der Kompetenz „Resilienz“ gegebene Note nicht begründet habe.

11

Zweitens befand es, dass der Beurteilende nicht nachgewiesen habe, dass KD im Beurteilungszeitraum tatsächlich an die Einhaltung der Fristen erinnert worden sei.

12

Drittens führte es aus, dass es der Beurteilende unter Verstoß gegen seine Fürsorgepflicht versäumt habe, die ihm bekannten gesundheitlichen Probleme von KD zu berücksichtigen, die während des Beurteilungszeitraums fortgedauert hätten.

13

Hingegen war das Gericht der Auffassung, dass die Aufhebung der streitigen Beurteilung als solche eine angemessene und ausreichende Wiedergutmachung der geltend gemachten Schäden darstelle, und wies den Antrag auf Schadensersatz zurück.

Anträge der Parteien des Rechtsmittelverfahrens

14

Das EUIPO beantragt,

das angefochtene Urteil aufzuheben,

die Aufhebungsklage als unzulässig oder unbegründet abzuweisen oder, hilfsweise, die Sache an das Gericht zurückzuverweisen, und

KD die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und des Verfahrens vor dem Gericht aufzuerlegen.

15

KD beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen und dem EUIPO die Kosten aufzuerlegen.

Zum Rechtsmittel

16

Das EUIPO stützt sein Rechtsmittel auf vier Gründe. Mit dem ersten Rechtsmittelgrund wird ein Rechtsfehler bei der Auslegung von Art. 43 in Verbindung mit Art. 110 des Statuts gerügt. Mit dem zweiten Rechtsmittelgrund werden Rechtsfehler hinsichtlich der Rechtsnatur des Beurteilungsleitfadens, der geahndeten Verletzung der Begründungspflicht und der sich daraus ergebenden Auswirkungen gerügt. Mit dem dritten Rechtsmittelgrund werden eine Verfälschung der Tatsachen und eine fehlerhafte Beweiswürdigung gerügt. Mit dem vierten Rechtsmittelgrund werden ein Rechtsfehler bei der Auslegung der Fürsorgepflicht und eine Verletzung der Begründungspflicht durch das Gericht gerügt.

Zum ersten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

17

Mit seinem ersten Rechtsmittelgrund macht das EUIPO geltend, das Gericht habe in den Rn. 23 bis 31 des angefochtenen Urteils Art. 43 in Verbindung mit Art. 110 des Statuts rechtsfehlerhaft ausgelegt, indem es festgestellt habe, dass die Zulässigkeit einer Klage gegen eine Beurteilung nicht von der Ausschöpfung der internen Rechtsbehelfe abhänge. Es macht geltend, dass Art. 7 der ADB 43, der nach Art. 110 Abs. 2 des Statuts auf [das EUIPO] entsprechend anwendbar sei, sowohl den Beamten als auch den Bediensteten, der seine Beurteilung anfechten möchte, verpflichte, zuvor einen internen Rechtsbehelf einzulegen.

18

KD ist der Ansicht, der erste Rechtsmittelgrund sei zurückzuweisen.

Würdigung durch den Gerichtshof

19

Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass angesichts des Wesens der in Art. 43 des Statuts vorgesehenen Beurteilung, die die frei gebildete Überzeugung der Beurteilenden und nicht die Einschätzung der Anstellungsbehörde zum Ausdruck bringt, die Einlegung einer förmlichen Beschwerde im Sinne von Art. 90 Abs. 2 des Statuts keine notwendige Vorbedingung für die Erhebung einer Klage gegen eine solche Maßnahme ist. Eine Klage ist daher möglich, sobald die Beurteilung als endgültig anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 1980, Grassi/Rat, 6/79 und 97/79, EU:C:1980:178, Rn. 15).

20

Das EUIPO argumentiert dennoch, dass diese Rechtsprechung die Anstellungsbehörde nicht daran hindere, einen internen Rechtsbehelf einzuführen, den der Beamte oder Bedienstete, der beabsichtige, seine Beurteilung anzufechten, einlegen müsse, bevor er vor Gericht klagen könne.

21

Eine solche Befugnis werde der Anstellungsbehörde durch Art. 43 Abs. 1 des Statuts verliehen, der in seinem letzten Satz bestimme: „Die Anstellungsbehörde jedes Organs erlässt Bestimmungen, die dem Beamten das Recht einräumen, im Rahmen des Beurteilungsverfahrens Einspruch einzulegen; dieses Recht muss vor Einreichung einer Beschwerde nach Artikel 90 Absatz 2 in Anspruch genommen werden.“

22

Dieser Auslegung kann allerdings nicht gefolgt werden. Zwar sieht Art. 43 Abs. 1 letzter Satz des Statuts vor, dass die Anstellungsbehörde jedes Organs Bestimmungen erlässt, die das Recht vorsehen, im Rahmen des Beurteilungsverfahrens einen internen Rechtsbehelf einzulegen, doch bestimmt er keineswegs, dass der Beamte oder Bedienstete verpflichtet wäre, einen solchen Rechtsbehelf einzulegen.

23

Folglich kann auch Art. 7 der ADB 43, mit dem die Kommission in Umsetzung von Art. 43 des Statuts die Voraussetzungen festgelegt hat, unter denen der Beamte oder Bedienstete einen internen Rechtsbehelf gegen seine Beurteilung einlegen kann, nicht dahin ausgelegt werden, dass er eine Vorbedingung für die Erhebung einer Klage aufstellt.

24

Die Kommission hätte im Übrigen die ihr durch Art. 110 Abs. 1 des Statuts übertragene Befugnis zum Erlass der allgemeinen Durchführungsbestimmungen zum Statut überschritten, wenn sie mit dem Erlass von Art. 7 der ADB 43 weitere Voraussetzungen zu den in Art. 90 Abs. 2 und Art. 91 des Statuts vorgesehenen besonderen Voraussetzungen für den Zugang der Beamten und Bediensteten zu den Gerichten hinzugefügt hätte.

25

Folglich kann das EUIPO nicht mit Erfolg geltend machen, das Gericht habe einen Rechtsfehler begangen, indem es entschieden habe, dass KD befugt gewesen sei, bei ihm eine Klage gegen die streitige Beurteilung zu erheben, ohne zuvor den in Art. 7 der ADB 43 vorgesehenen internen Rechtsbehelf eingelegt zu haben.

26

Demzufolge ist der erste Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum zweiten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

27

Mit seinem zweiten Rechtsmittelgrund macht das EUIPO geltend, das Gericht habe im angefochtenen Urteil rechtsfehlerhaft festgestellt, dass der Beurteilende von KD dadurch gegen seine Begründungspflicht verstoßen habe, dass er nicht erläutert habe, warum KD eine niedrigere Note als die für die Kompetenz „Resilienz“ erforderliche Note erhalten habe, und dass dieser Verstoß die Aufhebung der streitigen Beurteilung rechtfertige.

28

Erstens beanstandet das EUIPO die Feststellung des Gerichts in Rn. 67 des angefochtenen Urteils, wonach der Beurteilungsleitfaden in Nr. 3.5.5 seines Anhangs A eine für die Beurteilenden verbindliche zwingende Regel vorsehe. Dieser Leitfaden stelle weder einen Rechtsakt noch eine Sammlung von Verhaltensregeln dar, sondern gebe lediglich Hinweise und Anmerkungen zur Anwendung der Art. 43 und 44 des Statuts und folglich der ADB 43. Anders als das Gericht in Rn. 79 und 80 des angefochtenen Urteils festgestellt habe, führe die Nichtbeachtung der in dieser Nr. 3.5.5 des Anhangs A des genannten Leitfadens enthaltenen Empfehlung, die Bewertung von Kompetenzen mit einer niedrigeren als der erforderlichen Note zu erläutern, nicht zu einem Begründungsmangel der streitigen Beurteilung.

29

Zweitens gehe die Empfehlung an die Beurteilenden in Nr. 3.5.5 des Anhangs A des Beurteilungsleitfadens über die sich aus der Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an die Begründung der Beurteilung hinaus. Die Beurteilung müsse keine erschöpfende Darstellung der Leistungen des Bediensteten enthalten, sondern nur deren entscheidende Punkte darstellen.

30

Drittens habe das Fehlen einer Begründung der im Rahmen der Kompetenz „Resilienz“ erhaltenen Note in der streitigen Beurteilung keine Auswirkungen auf die Beurteilung von KD gehabt, die die Aufhebung dieser Beurteilung rechtfertigten.

31

KD ist der Ansicht, dass der zweite Rechtsmittelgrund zurückzuweisen sei.

Würdigung durch den Gerichtshof

32

Das EUIPO macht erstens geltend, dass die in Nr. 3.5.5 des Anhangs A des Beurteilungsleitfadens enthaltene Empfehlung, wonach der Beurteilende die Bewertung einer oder mehrerer Kompetenzen mit einer niedrigeren als der erforderlichen Note erläutern solle, entgegen den Ausführungen des Gerichts in Rn. 67 des angefochtenen Urteils nicht zwingend angewendet werden müsse.

33

Der Gerichtshof hat jedoch entschieden, dass ein Organ, wenn es Verhaltensnormen mit Hinweischarakter für die Verwaltung erlässt und durch ihre Veröffentlichung ankündigt, dass es diese von nun an auf die von diesen Normen erfassten Fälle anwenden werde, selbst sein Ermessen beschränkt und grundsätzlich nicht von diesen Normen abweichen kann, ohne dass dies gegebenenfalls wegen eines Verstoßes gegen allgemeine Rechtsgrundsätze wie die der Gleichbehandlung oder des Vertrauensschutzes geahndet würde (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Dezember 1983, Blomefield/Kommission, 190/82, EU:C:1983:358, Rn. 20, sowie vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 40).

34

Im vorliegenden Fall wurde die in Nr. 3.5.5 des Anhangs A des Beurteilungsleitfadens enthaltene Regel nicht nur veröffentlicht, sondern ihr Regelungsgehalt wurde in Form einer an den Beurteilenden gerichteten Anweisung ausdrücklich wie folgt in die streitige Beurteilung übernommen: „Werden die Kompetenzen mit einer niedrigeren als der erforderlichen Note bewertet und wirkt sich dies auf die Leistungsbeurteilung aus, so erläutern Sie dies bitte im Abschnitt ‚Allgemeine Bemerkungen zur Befähigung‘.“

35

Unter diesen Umständen beging das Gericht keinen Rechtsfehler, als es feststellte, dass die genannte Regel zwingend ist, auch wenn im Beurteilungsleitfaden angegeben ist, dass dieser rechtlich nicht verbindlich sei.

36

Zweitens wirft das EUIPO dem Gericht vor, dem Beurteilenden eine strengere Begründungspflicht auferlegt zu haben, als es die Rechtsprechung verlange. Wie bereits ausgeführt, stellte das Gericht jedoch nur fest, dass das EUIPO selbst mit dem Erlass von Nr. 3.5.5 des Anhangs A des Beurteilungsleitfadens den Beurteilenden eine zusätzliche Pflicht zur Begründung der Beurteilungen seiner Beamten und Bediensteten auferlegt hatte, und wies darauf hin, dass nach der in Rn. 33 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Wahrung der Gleichbehandlung und des Vertrauensschutzes von diesem Zeitpunkt an die Beachtung dieser Pflicht erfordert.

37

Drittens macht das EUIPO geltend, dass der ihm vorgeworfene Begründungsmangel die Richtigkeit der Gesamtbewertung von KD jedenfalls nicht beeinträchtigt habe, so dass das Gericht zu Unrecht entschieden habe, dass ein derartiger Begründungsmangel für sich allein die Aufhebung der Beurteilung rechtfertigen könne.

38

Allerdings ist die in Art. 296 AEUV verankerte und auch in Art. 41 Abs. 2 Buchst. c der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigte Begründungspflicht ein wesentlicher Grundsatz des Unionsrechts, der zum einen dem Betroffenen ausreichende Hinweise für die Beurteilung geben soll, ob der ihn beschwerende Rechtsakt begründet ist und ob es zweckmäßig ist, eine Klage zu erheben, um seine Rechtmäßigkeit in Frage zu stellen, und zum anderen dem Unionsrichter ermöglichen soll, seine Kontrolle auszuüben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. November 2022, Thunus u. a./EIB, C‑91/21 P, EU:C:2022:928, Rn. 81).

39

Daher stellt nach ständiger Rechtsprechung die in Art. 296 AEUV so vorgesehene Begründungspflicht ein wesentliches Formerfordernis im Sinne von Art. 263 AEUV dar (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Januar 2022, YG/Kommission, C‑361/20 P, EU:C:2022:17, Rn. 41), dessen Verletzung zur Aufhebung der betreffenden fehlerhaften Entscheidung führt.

40

Folglich beging das Gericht keinen Rechtsfehler, als es entschied, dass der Begründungsmangel der streitigen Beurteilung deren Aufhebung rechtfertigt.

41

Der zweite Rechtsmittelgrund ist deshalb zurückzuweisen.

Zum dritten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

42

Mit seinem dritten Rechtsmittelgrund macht das EUIPO geltend, das Gericht habe in den Rn. 93 und 96 bis 103 des angefochtenen Urteils die Tatsachen verfälscht und die Beweise des Rechtsstreits falsch gewürdigt.

43

Erstens habe das Gericht die Beweislast umgekehrt, indem es vom EUIPO verlangt habe, nachzuweisen, dass es KD tatsächlich an die Einhaltung ihrer Fristen im Beurteilungszeitraum erinnert habe. Außerdem sei die Verwaltung nicht verpflichtet, bei Bedarf im Hinblick auf bestimmte Fristen schriftliche Erinnerungen oder Mahnungen an einen Mitarbeiter zu senden.

44

Zweitens enthalte die Argumentation des Gerichts im Hinblick auf die Frage, ob Erinnerungen an die Fristen erfolgt seien, einen offensichtlichen Widerspruch. Es habe nämlich einerseits in Rn. 100 des angefochtenen Urteils festgestellt, dass das EUIPO den geringsten Beweis dafür schuldig geblieben sei, dass die genannten Erinnerungen tatsächlich erfolgt seien. Andererseits habe es in Rn. 93 dieses Urteils die vom EUIPO in den Anlagen D 1 bis D 5 der Gegenerwiderung vorgelegten Beweise für diese Erinnerungen als unzulässig zurückgewiesen.

45

KD hält den dritten Rechtsmittelgrund für nicht begründet.

Würdigung durch den Gerichtshof

46

Erstens ist die Rüge unbegründet, das Gericht habe die Beweislast zu Unrecht umgekehrt, indem es dem EUIPO die Beweislast dafür auferlegt habe, dass die Erinnerungen an die Einhaltung der Fristen, die der Vorgesetzte im Beurteilungszeitraum an KD gerichtet habe, tatsächlich erfolgt seien.

47

Wie der Gerichtshof nämlich in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, verlangen die Vorschriften des Unionsrechts nicht den Nachweis einer negativen Tatsache (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. März 1988, Kommission/Italien, 104/86, EU:C:1988:171, Rn. 11).

48

Daher kann von KD nicht verlangt werden, den Nachweis zu erbringen, dass sie im Beurteilungszeitraum nicht an die Einhaltung der Fristen erinnert wurde.

49

Außerdem hat das Gericht keinen Rechtsfehler begangen, als es davon ausging, dass es Sache des EUIPO ist, zumindest einen Anfangsbeweis dafür zu erbringen, dass diese in der streitigen Beurteilung erwähnten Erinnerungen tatsächlich erfolgt sind. Diese Beweislast verpflichtet das EUIPO auch nicht dazu, an seine Beamten und Bediensteten ausschließlich schriftliche Erinnerungen oder Mahnungen zu richten, sondern es muss Beweise für erhebliche oder wiederholte Pflichtverletzungen aufbewahren, falls es diese später geltend machen möchte.

50

Zweitens weist das EUIPO auf den Widerspruch hin, mit dem das Gericht das angefochtene Urteil behaftet habe, indem es bezweifelt habe, dass die Erinnerungen tatsächlich erfolgt seien, nachdem es die ihm vom EUIPO in den Anlagen D 1 bis D 5 der Gegenerwiderung vorgelegten Beweise für diese Erinnerungen in Rn. 93 des angefochtenen Urteils als unzulässig zurückgewiesen habe.

51

Wie das Gericht in Rn. 88 des angefochtenen Urteils ausführte, sieht Art. 85 Abs. 1 seiner Verfahrensordnung jedoch vor, dass Beweise im Rahmen des ersten Schriftsatzwechsels vorzulegen sind, und gemäß Art. 85 Abs. 2 der Verfahrensordnung können sie nur dann in der Erwiderung oder in der Gegenerwiderung vorgelegt werden, sofern die Verspätung der Vorlage hinreichend gerechtfertigt ist.

52

Da die Beweise, die das EUIPO für geeignet hält, um nachzuweisen, dass die an KD gerichteten Erinnerungen tatsächlich erfolgten, ohne Rechtfertigung im Stadium der Gegenerwiderung vorgelegt wurden, wies das Gericht sie unter Anwendung der Vorschriften seiner Verfahrensordnung als unzulässig zurück, was im Rahmen des Rechtsmittels nicht beanstandet wurde.

53

Folglich unterlief dem Gericht mit der Feststellung, dass in Anbetracht der ihm vorgelegten Unterlagen nicht nachgewiesen sei, dass der Vorgesetzte KD im Beurteilungszeitraum tatsächlich an die Einhaltung der Fristen erinnert habe, in seinem Urteil weder ein Rechtsfehler noch enthält seine Begründung einen Widerspruch.

54

Schließlich ist die Rüge einer Verfälschung der Tatsachen durch das Gericht, die das EUIPO in seinem dritten Rechtsmittelgrund ebenfalls geltend gemacht hat, selbst wenn sie sich von den ersten beiden Rügen dieses Rechtsmittelgrundes unterscheiden sollte, als unzulässig zurückzuweisen, da sie nicht so näher erläutert wird, dass eine Beurteilung ihres Inhalts möglich ist.

55

Demzufolge ist der dritte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

Zum vierten Rechtsmittelgrund

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

56

Mit seinem vierten Rechtsmittelgrund, der sich gegen die Rn. 121 bis 129 des angefochtenen Urteils richtet, wirft das EUIPO dem Gericht einen Rechtsfehler bei der Auslegung der Fürsorgepflicht sowie einen Verstoß gegen seine Begründungspflicht vor.

57

Als Erstes habe das Gericht einen Rechtsfehler begangen, indem es festgestellt habe, dass das EUIPO bei der Anfertigung der streitigen Beurteilung die gesundheitlichen Probleme von KD gebührend habe berücksichtigen müssen.

58

Erstens könne dem Beurteilenden nämlich, wenn er keinen Grund zu der Annahme gehabt habe, dass die durch die gesundheitlichen Probleme gerechtfertigten Abwesenheiten des Stelleninhabers erhebliche Auswirkungen auf seine Leistungen hätten haben können, nicht vorgeworfen werden, diese Probleme in seiner Beurteilung weder erwähnt noch berücksichtigt zu haben.

59

Zweitens würden in den Beurteilungen die Befähigung, Leistung und dienstliche Führung des Bediensteten während des tatsächlich gearbeiteten Zeitraums beurteilt. Der Zeitraum, in dem er aus gerechtfertigten Gründen (z. B. Krankheit, Unfall, Elternzeit oder Urlaub aus familiären Gründen, Mutterschaftsurlaub) abwesend sei, sei vom Beurteilungszeitraum ausgeschlossen. Sei diese Abwesenheit so lang oder erheblich, dass sie sich auf die Leistungen ausgewirkt habe, so könnten die jährlichen Ziele des Bediensteten entsprechend angepasst werden oder ihre Nichterfüllung gerechtfertigt sein.

60

Drittens würden die medizinischen Daten unmittelbar vom ärztlichen Dienst des EUIPO empfangen und verarbeitet und weder an die Beurteilenden noch ganz allgemein an die Verwaltung weitergeleitet. Daher würden personenbezogene Daten über die Gesundheit der Mitarbeiter in den Beurteilungen nicht erwähnt.

61

Als Zweites wirft das EUIPO dem Gericht vor, weder erläutert zu haben, warum der Beurteilende gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen habe, noch, was er aufgrund dieser Pflicht hätte tun müssen.

62

Erstens sei nämlich nicht ersichtlich, warum der Beurteilende die gesundheitlichen Probleme von KD in die streitige Beurteilung hätte aufnehmen müssen, obwohl er eine positive Gesamtbeurteilung ihrer Arbeit vorgenommen habe.

63

Zweitens lasse sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen, wie die gesundheitlichen Probleme von KD in der streitigen Beurteilung hätten zum Ausdruck kommen sollen, obwohl der Beurteilende nicht in der Lage gewesen sei, den Gesundheitszustand dieser Bediensteten zu beurteilen.

64

Schließlich fragt sich das EUIPO, ob die nach dem Gericht erforderliche Berücksichtigung der gesundheitlichen Probleme von KD eine Verbesserung oder eine Nivellierung ihrer Bewertung verlange. Es sei genauso wenig gerechtfertigt, einem Bediensteten einen Vorteil zu gewähren, weil er krankheitsbedingt abwesend gewesen sei, wie ihm eine solche Abwesenheit vorzuwerfen.

65

KD hält den vierten Rechtsmittelgrund für unbegründet.

Würdigung durch den Gerichtshof

66

Die Fürsorgepflicht spiegelt das Gleichgewicht zwischen den wechselseitigen Rechten und Pflichten wider, das das Statut und entsprechend die Beschäftigungsbedingungen für die sonstigen Bediensteten in den Beziehungen zwischen der Behörde und den öffentlichen Bediensteten geschaffen haben. Ebenso wie das Recht auf eine gute Verwaltung erfordert dieses Gleichgewicht insbesondere, dass die Behörde bei der Entscheidung über die Stellung eines Bediensteten alle Gesichtspunkte berücksichtigt, die geeignet sind, sie in ihrer Entscheidung zu leiten, und dabei nicht nur dem dienstlichen Interesse, sondern insbesondere auch dem Interesse des betroffenen Bediensteten Rechnung trägt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2021, FV/Rat,C‑875/19 P, EU:C:2021:283, Rn. 98).

67

Wie das Gericht in Rn. 125 des angefochtenen Urteils zu Recht entschied, verpflichtet die Fürsorgepflicht die Verwaltung insbesondere, gegebenenfalls den gesundheitlichen Problemen des betreffenden Beamten oder Bediensteten gebührend Rechnung zu tragen, wenn sie dessen Beurteilung erstellt.

68

Vorliegend stellte das Gericht in Rn. 126 des angefochtenen Urteils fest, dass die streitige Beurteilung nicht den geringsten Hinweis auf die gleichwohl erheblichen gesundheitlichen Probleme von KD im Beurteilungszeitraum enthält, so dass es zu dem Ergebnis gelangte, dass die Fürsorgepflicht verletzt wurde.

69

Das EUIPO beanstandet diese Schlussfolgerung und macht erstens geltend, dass die gesundheitlichen Probleme eines Beamten oder Bediensteten in der Beurteilung nur dann berücksichtigt werden dürften, wenn der Gesundheitszustand dieses Beamten oder Bediensteten derart lange oder häufige Abwesenheiten gerechtfertigt habe, dass sie einer umfassenden Beurteilung des Beamten oder Bediensteten für das betreffende Beurteilungsverfahren entgegenstünden.

70

Einem so restriktiven Verständnis der Berücksichtigung des Gesundheitszustands des Beamten oder Bediensteten durch seinen Beurteilenden kann jedoch nicht gefolgt werden, weil seine gesundheitlichen Probleme sich auch auf seine Leistungen während der geleisteten Arbeitszeiten auswirken können.

71

Zweitens macht das EUIPO geltend, dass die Vertraulichkeit der medizinischen Daten einer Erwähnung dieser Informationen in der Beurteilung entgegenstehe.

72

Die Vertraulichkeit dieser Daten hindert die Vorgesetzten eines an einer langwierigen Krankheit leidenden und deshalb häufig abwesenden Bediensteten jedoch nicht, Kenntnis von dessen gesundheitlichen Problemen zu haben, auch ohne deren genaue Natur zu kennen.

73

Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass KD während der Jahre 2015 bis 2018 schwerwiegende gesundheitliche Probleme hatte, die sie im Beurteilungszeitraum noch nicht überwunden hatte, wie ihre krankheitsbedingten Abwesenheiten in diesem Zeitraum beweisen, und dass ihr Beurteilender Kenntnis von diesen Problemen hatte.

74

Daher kann die Vertraulichkeit der medizinischen Daten es nicht rechtfertigen, dass die gesundheitlichen Probleme von KD in der streitigen Beurteilung nicht erwähnt werden.

75

Drittens wirft das EUIPO dem Gericht vor, seine Begründungspflicht verletzt zu haben, da es weder erläutert habe, warum der Beurteilende seine Fürsorgepflicht verletzt habe, noch, wie die gesundheitlichen Probleme von KD in der streitigen Beurteilung hätten zum Ausdruck kommen müssen.

76

Wie in Rn. 68 des vorliegenden Urteils erläutert, führte das Gericht jedoch in Rn. 126 des angefochtenen Urteils aus, worin der Verstoß gegen die Fürsorgepflicht besteht, mit dem die streitige Beurteilung behaftet ist, nämlich, dass die streitige Beurteilung nicht den geringsten Hinweis auf die gesundheitlichen Probleme von KD enthält.

77

Dem Gericht kann außerdem nicht vorgeworfen werden, nicht erläutert zu haben, wie der Beurteilende diese gesundheitlichen Probleme hätte berücksichtigen müssen, da die im angefochtenen Urteil festgestellte Verletzung der Fürsorgepflicht nicht in einer unangemessenen Berücksichtigung, sondern darin besteht, dass die genannten gesundheitlichen Probleme in der streitigen Beurteilung überhaupt nicht erwähnt wurden.

78

Daher ist die Rüge, das Gericht habe eine Verletzung der Fürsorgepflicht durch das EUIPO festgestellt, ohne dies zu begründen, unbegründet.

79

Nach alledem ist der vierte Rechtsmittelgrund zurückzuweisen.

80

Nachdem keinem Rechtsmittelgrund stattgegeben wurde, ist das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Kosten

81

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs, der nach deren Art. 184 Abs. 1 auf das Rechtsmittelverfahren Anwendung findet, ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da das EUIPO mit seinem Vorbringen unterlegen ist, sind ihm gemäß dem Antrag von KD die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

 

2.

Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) trägt die Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

Top