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Document 62022TJ0142

Urteil des Gerichts (Achte erweiterte Kammer) vom 17. Juli 2024 (Auszüge).
Landesbank Baden-Württemberg gegen Einheitlicher Abwicklungsausschuss.
Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Beschluss des SRB über die Berechnung der für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge – Begründungspflicht – Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz – Gleichbehandlung – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Ermessen des SRB – Einrede der Rechtswidrigkeit – Ermessen der Kommission – Zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils.
Rechtssache T-142/22.

ECLI identifier: ECLI:EU:T:2024:487

 URTEIL DES GERICHTS (Achte erweiterte Kammer)

17. Juli 2024 ( *1 )

„Wirtschafts- und Währungsunion – Bankenunion – Einheitlicher Abwicklungsmechanismus für Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen (SRM) – Einheitlicher Abwicklungsfonds (SRF) – Beschluss des SRB über die Berechnung der für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge – Begründungspflicht – Wirksamer gerichtlicher Rechtsschutz – Gleichbehandlung – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Ermessen des SRB – Einrede der Rechtswidrigkeit – Ermessen der Kommission – Zeitliche Beschränkung der Wirkungen des Urteils“

In der Rechtssache T‑142/22,

Landesbank Baden-Württemberg mit Sitz in Stuttgart (Deutschland), vertreten durch Rechtsanwälte H. Berger, M. Weber und D. Schoo,

Klägerin,

gegen

Einheitlicher Abwicklungsausschuss (SRB), vertreten durch J. Kerlin, T. Wittenberg und D. Ceran als Bevollmächtigte im Beistand der Rechtsanwälte H.‑G. Kamann und P. Gey,

Beklagter,

erlässt

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten A. Kornezov, der Richter G. De Baere, D. Petrlík (Berichterstatter) und K. Kecsmár sowie der Richterin S. Kingston,

Kanzler: S. Jund, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 7. März 2023

folgendes

Urteil ( 1 )

1

Mit ihrer Klage nach Art. 263 AEUV beantragt die Klägerin, die Landesbank Baden-Württemberg, die Nichtigerklärung des Beschlusses SRB/ES/2021/82 des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) vom 15. Dezember 2021 über die Berechnung der für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge der Landesbank Baden-Württemberg zum einheitlichen Abwicklungsfonds (im Folgenden: angefochtener Beschluss).

[nicht wiedergegeben]

III. Anträge der Parteien

20

Die Klägerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss einschließlich seiner Anhänge für nichtig zu erklären;

hilfsweise, festzustellen, dass der angefochtene Beschluss rechtlich nicht existent ist, soweit er sie betrifft;

dem SRB die Kosten aufzuerlegen.

21

Der SRB beantragt,

die Klage abzuweisen;

der Klägerin die Kosten aufzuerlegen;

hilfsweise, im Fall der Nichtigerklärung des angefochtenen Beschlusses dessen Wirkungen bis zu seiner Ersetzung oder zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, zu dem das Urteil rechtskräftig wird, aufrechtzuerhalten.

IV. Rechtliche Würdigung

[nicht wiedergegeben]

B.   Zu den die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses betreffenden Klagegründen

[nicht wiedergegeben]

2. Zum zweiten Klagegrund: Begründungsmängel

[nicht wiedergegeben]

d) Zum siebten Teil: Geheimhaltung der Daten anderer Institute

239

Die Klägerin macht erstmals in ihrer Erwiderung geltend, dass die vom Gerichtshof im Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB (C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601), aufgestellten Anforderungen an die Abwägung zwischen der Begründungspflicht des SRB und dessen Pflicht zur Wahrung des Geschäftsgeheimnisses der betreffenden Institute in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar seien. Nach dem Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister (C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 54 und 56), seien die dem angefochtenen Beschluss zugrunde gelegten Daten der anderen Institute nämlich nicht mehr vom Geschäftsgeheimnis geschützt, weil diese Daten, da der Stichtag für den Beitragszeitraum 2017 der 31. Dezember 2015 gewesen sei, mehr als fünf Jahre alt seien.

240

Der SRB tritt diesem Vorbringen entgegen, ohne jedoch die Zulässigkeit dieses Teils in Frage zu stellen.

241

Es ist darauf hinzuweisen, dass bereits der Grundsatz der Methode zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge, wie er aus der Richtlinie 2014/59 und der Verordnung Nr. 806/2014 hervorgeht, die Nutzung von Daten durch den SRB impliziert, die unter das Geschäftsgeheimnis fallen und nicht in die Begründung des Beschlusses zur Festsetzung der im Voraus erhobenen Beiträge übernommen werden können (Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB, C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601, Rn. 114).

242

Insoweit hat der SRB im angefochtenen Beschluss die Gründe dargelegt, aus denen die Daten der Institute, die bei der Berechnung des für 2017 im Voraus erhobenen Beitrags berücksichtigt worden seien, unter das Geschäftsgeheimnis fielen.

243

Insbesondere hat der SRB in Rn. 100 des angefochtenen Beschlusses ausgeführt, dass Geschäftsgeheimnisse der Institute – d. h. alle Informationen über die Geschäftstätigkeit der Institute, die im Fall einer Offenlegung gegenüber einem Wettbewerber und/oder der breiten Öffentlichkeit den Interessen der Institute erheblich schaden könnten – als vertrauliche Informationen betrachtet würden. Im Zusammenhang mit der Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge würden die von den Instituten über ihre Datenmeldeformulare übermittelten Informationen, die dann zur Berechnung ihrer im Voraus erhobenen Beiträge herangezogen würden, als Geschäftsgeheimnisse betrachtet.

244

Sodann hat der SRB in den Rn. 102 bis 105 des angefochtenen Beschlusses darauf hingewiesen, dass es ihm untersagt sei, die individuellen Daten der Institute, die für den Berechnungsprozess entscheidend seien, in diesem Beschluss offenzulegen, wohingegen er befugt sei, die aggregierten und gemeinsamen Daten offenzulegen, da diese Daten in kollektiver Form vorlägen. Vor diesem Hintergrund könnten die Institute die Berechnung ihres jährlichen Grundbeitrags und ihrer individuellen Risikoanpassungsmultiplikatoren in Bezug auf die in Anhang I der Delegierten Verordnung 2015/63 definierten Schritte der Berechnung dieses Beitrags, nämlich die „Berechnung der Rohindikatoren“ (Schritt 1), die „Neuskalierung der Indikatoren“ (Schritt 3) und die „Berechnung des zusammengesetzten Indikators“ (Schritt 5), in vollem Umfang nachvollziehen. Zudem seien die Institute in der Lage, gemeinsame Daten, die der SRB für alle Institute mit risikoadjustierten Beiträgen gleichermaßen nutze, für die Berechnungsschritte „Diskretisierung der Indikatoren“ (Schritt 2), „Zuweisung von Vorzeichen“ (Schritt 4) und „Berechnung des jährlichen Beitrags“ (Schritt 6) zu erhalten.

245

Die Klägerin bestreitet jedoch, dass diese Erläuterungen ausreichend seien, da die Daten der anderen Institute zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Beschlusses sechs Jahre alt und daher nicht mehr vom Geschäftsgeheimnis geschützt gewesen seien und der SRB ungeachtet dessen nicht dargelegt habe, weshalb diese Daten nicht offengelegt worden seien.

246

Zur Beurteilung dieses Vorbringens ist darauf hinzuweisen, dass Informationen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt möglicherweise Geschäftsgeheimnisse waren, wenn sie mindestens fünf Jahre alt sind, aufgrund des Zeitablaufs grundsätzlich als nicht mehr aktuell und deshalb als nicht mehr vertraulich anzusehen sind, es sei denn, die Partei, die sich auf die Vertraulichkeit beruft, weist ausnahmsweise nach, dass die Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentliche Bestandteile ihrer eigenen wirtschaftlichen Stellung oder der von betroffenen Dritten sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Juni 2018, Baumeister,C‑15/16, EU:C:2018:464, Rn. 54 und die dort angeführte Rechtsprechung).

247

Insoweit ist unstreitig, dass die dem angefochtenen Beschluss für die Berechnung des im Voraus erhobenen Beitrags der Klägerin zugrunde gelegten individuellen Daten der Institute zum Zeitpunkt des Erlasses dieses Beschlusses mehr als fünf Jahre alt waren.

248

Wie der SRB in seiner Gegenerwiderung und in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, ohne dass die Klägerin dem widersprochen hätte, kann die relative Position eines Instituts im Vergleich zu seinen Mitbewerbern in der wirtschaftlichen Realität des Bankensektors jedoch über einen längeren, mehr als fünf Jahre dauernden Zeitraum gleich oder ähnlich bleiben. Bestimmte Elemente wie das Geschäftsmodell oder die Tätigkeit eines solchen Instituts bleiben nämlich kurz- und mittelfristig stabil, so dass ein Institut, das in Anbetracht von Daten, die mehr als fünf Jahre alt sind, einmal ein hohes Risikoprofil aufgewiesen hat, am Ende der Aufbauphase weiterhin ein solches Profil aufweisen kann. Somit sind diese Informationen trotz ihres Alters immer noch wesentliche Bestandteile der wirtschaftlichen Stellung der Kreditinstitute. Wenn solche wesentlichen Daten unter diesen Umständen in der Begründung des angefochtenen Beschlusses offengelegt würden, könnten die im Bankensektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer diese Daten zugrunde legen, um daraus die gegenwärtige wirtschaftliche Stellung eines Instituts abzuleiten.

249

Die Klägerin kann daher nicht geltend machen, dass der SRB in der Begründung des angefochtenen Beschlusses die individuellen Daten der anderen Institute hätte offenlegen müssen, anhand deren die Berechnung ihres im Voraus erhobenen Beitrags überprüft werden könnte, da diese Daten, obwohl sie sechs Jahre alt sind, immer noch wesentliche Bestandteile der wirtschaftlichen Stellung dieser Institute sind.

250

Diese Schlussfolgerung wird nicht durch das Vorbringen der Klägerin in Frage gestellt, dass der SRB, um seiner Begründungspflicht nachzukommen, ihr in anonymisierter Form eine Liste aller Daten der Institute vorlegen müsse, die sich in derselben Klasse wie die Klägerin befänden.

251

Zum einen ginge es über die oben in den Rn. 217, 220 und 221 dargelegten Anforderungen hinaus, wenn dem SRB eine solche Anforderung auferlegt würde.

252

Zum anderen hat der SRB, ohne insoweit auf ernsthaften Widerspruch zu stoßen, vorgetragen, dass selbst eine Liste mit anonymisierten Daten zu einer bestimmten Klasse die im Bankensektor tätigen Wirtschaftsteilnehmer, bei denen es sich um gut informierte Akteure handele, womöglich in die Lage versetzen würde, Geschäftsgeheimnisse bestimmter Institute zu erfahren. Insoweit hat die Klägerin insbesondere nicht bestritten, dass solchen Wirtschaftsteilnehmern bekannt ist, welche Institute tendenziell hohe Werte für bestimmte Risikoindikatoren haben. Würden sie aber jedes Jahr Listen mit solchen Daten erhalten, könnten sie die Entwicklung der Risikoindikatoren dieser Institute verfolgen, selbst wenn diese aus wirtschaftlich sensiblen Daten bestehen. Ein solches Risiko besteht insbesondere bei großen Instituten und solchen, die in Mitgliedstaaten niedergelassen sind, in denen es nur eine begrenzte Anzahl von Instituten gibt, die den im Voraus erhobenen Beitrag entrichten. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass in diesen Fällen ein verständiger Wirtschaftsteilnehmer in der Lage wäre, die Identität solcher Institute herzuleiten, auch wenn diese anonymisiert wurden. Daher kann dem SRB nicht vorgeworfen werden, keine Liste aller anonymisierten Daten der Institute, die sich in ein und derselben Klasse befanden, erstellt zu haben.

253

Nach alledem ist der siebte Teil des zweiten Klagegrundes zurückzuweisen.

e) Zum dritten Teil: Begründung der jährlichen Zielausstattung

254

Die Klägerin bringt vor, anhand des angefochtenen Beschlusses lasse sich nicht nachvollziehen, weshalb die jährliche Zielausstattung auf ein Achtel von 1,05 % des Gesamtbetrags der gedeckten Einlagen festgesetzt worden sei. Im Übrigen reichten die ergänzenden Ausführungen des SRB in den Rn. 17 ff. des Anhangs III dieses Beschlusses nicht aus, um zu klären, wie die jährliche Zielausstattung tatsächlich festgelegt worden sei. Zudem habe der SRB weder die prognostizierte endgültige Zielausstattung noch sein Verständnis der in Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Obergrenze mitgeteilt. Wie der Beschluss zur Festsetzung der im Voraus erhobenen Beiträge für den Beitragszeitraum 2022 zeige, halte sich der SRB für ermächtigt, die jährliche Zielausstattung durch Verwendung eines gesetzlich nicht geregelten Koeffizienten beliebig zu erhöhen und hierdurch die Institute unverhältnismäßig zu belasten.

255

Der SRB entgegnet, aus den Rn. 50 bis 63 des angefochtenen Beschlusses und aus den Rn. 19 bis 25 des Anhangs III dieses Beschlusses gehe hervor, dass er die Bestimmung der jährlichen Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2017 hinreichend begründet habe.

256

Insbesondere habe er die jährliche Zielausstattung unter Berücksichtigung aller relevanten Gesichtspunkte sowie der in Art. 69 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 genannten Kriterien bestimmt. Was des Weiteren das erwartete Wachstum der gedeckten Einlagen angehe, so gehe aus dem angefochtenen Beschluss hervor, dass die Summe der gedeckten Einlagen zwischen 2015 und 2016 nach Angaben der Einlagensicherungssysteme um 2,2 % angestiegen sei und die voraussichtliche Wachstumsrate dieser Einlagen zwischen 1 und 4 % betrage. Außerdem sei in Rn. 61 des angefochtenen Beschlusses und in den Rn. 23 ff. des Anhangs III dieses Beschlusses dargelegt worden, wie mögliche prozyklische Effekte berücksichtigt worden seien.

257

Schließlich wäre es der Klägerin möglich gewesen, die für 2017 geschätzte endgültige Zielausstattung auf Grundlage der ihr bekannten Daten zu berechnen, wohingegen die fehlende Offenlegung des Verständnisses des SRB bezüglich der 12,5 %‑Grenze des Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 die Begründung des angefochtenen Beschlusses nicht beeinträchtigen könne.

258

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 bis zum Ende der Aufbauphase die im SRF verfügbaren Mittel die endgültige Zielausstattung erreichen müssen, die mindestens 1 % der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute entspricht.

259

Nach Art. 69 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 müssen die im Voraus erhobenen Beiträge während der Aufbauphase zeitlich so gleichmäßig wie möglich gestaffelt werden, bis die oben in Rn. 258 erwähnte endgültige Zielausstattung erreicht ist, wobei jedoch die Konjunkturphase und die etwaigen Auswirkungen prozyklischer Beiträge auf die Finanzlage der Institute zu berücksichtigen sind.

260

Art. 70 Abs. 2 der Verordnung Nr. 806/2014 bestimmt, dass die Beiträge, die von allen im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Instituten zu entrichten sind, jährlich 12,5 % der endgültigen Zielausstattung nicht übersteigen dürfen.

261

Was die Vorgehensweise zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge betrifft, sieht Art. 4 Abs. 2 der Delegierten Verordnung 2015/63 vor, dass der SRB deren Höhe auf der Grundlage der jährlichen Zielausstattung und unter Berücksichtigung der endgültigen Zielausstattung sowie auf der Grundlage des auf Quartalsbasis berechneten durchschnittlichen Betrags der im vorangegangenen Jahr gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute festlegt.

262

Im vorliegenden Fall hat der SRB, wie aus Rn. 63 des angefochtenen Beschlusses hervorgeht, die Höhe der jährlichen Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2017 auf 7161808441 Euro festgesetzt.

263

In den Rn. 51 und 52 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB im Wesentlichen erläutert, dass er bei der Bestimmung der jährlichen Zielausstattung die für 2023 geschätzte endgültige Zielausstattung, die Anforderung, die im Voraus erhobenen Beiträge während der Aufbauphase möglichst gleichmäßig zu staffeln, sowie die Konjunkturphase und die Auswirkungen dieser Beiträge auf die Finanzlage der Institute berücksichtigt habe. Infolgedessen hielt es der SRB für angemessen, einen Koeffizienten festzusetzen, der auf diesen Faktoren und den bereits im SRF verfügbaren finanziellen Mitteln beruhte (im Folgenden: Koeffizient). Der SRB wandte diesen Koeffizienten auf ein Achtel des Durchschnittsbetrags der gedeckten Einlagen im Jahr 2016 an, um die jährliche Zielausstattung zu erhalten.

264

In den Rn. 54 bis 62 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB die Vorgehensweise zur Bestimmung der jährlichen Zielausstattung dargelegt.

265

In Rn. 54 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB erläutert, dass besonderes Augenmerk auf die erwartete Entwicklung der gedeckten Einlagen während der Aufbauphase gelegt werden müsse, da, wenn diese Einlagen im Lauf der Zeit wüchsen, die Festlegung der jährlichen Zielausstattung auf 1 % des Betrags der gedeckten Einlagen nicht ausreichen würde, um die endgültige Zielausstattung zu erreichen.

266

Hierzu hat der SRB in Rn. 55 des angefochtenen Beschlusses festgestellt, dass sich der vierteljährlich berechnete durchschnittliche Betrag der gedeckten Einlagen für das Jahr 2016 auf 5,546 Billionen Euro belaufen habe.

267

In den Rn. 56 bis 58 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB die prognostizierte Entwicklung der gedeckten Einlagen für die verbleibenden sechs Jahre der Aufbauphase, d. h. 2018 bis 2023, dargelegt. Er hat geschätzt, dass die jährlichen Wachstumsraten dieser Einlagen bis zum Ende der Aufbauphase zwischen 1 % und 4 % liegen würden.

268

In den Rn. 59 bis 61 des angefochtenen Beschlusses hat der SRB eine Beurteilung der Konjunkturphase und der möglichen prozyklischen Auswirkungen der im Voraus erhobenen Beiträge auf die Finanzlage der Institute dargelegt. Er hat angegeben, er habe hierfür mehrere Faktoren berücksichtigt, wie etwa die Prognose der Kommission in Bezug auf das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts für 2017 oder auch zentrale Indikatoren des Bankensektors des Euroraums, wie Solvenz, Qualität der Vermögenswerte und Rentabilität der Institute. Um die prozyklischen Auswirkungen der im Voraus erhobenen Beiträge auf die Solvenz des Bankensektors nicht zu verschärfen, hielt es der SRB insoweit für angemessen, die jährliche Zielausstattung im Hinblick auf eine Wachstumsrate der gedeckten Einlagen zu bestimmen, die niedriger sei als die als glaubwürdigste empfohlene.

269

In Rn. 62 des angefochtenen Beschlusses ist der SRB zu dem Schluss gelangt, dass es aufgrund der Unsicherheiten hinsichtlich der wirtschaftlichen Erholung, ihrer negativen Auswirkungen auf das künftige Wachstum der gedeckten Einlagen und den Konjunkturzyklus sowie der begrenzten Anzahl von Daten, die auf die künftige Entwicklung dieser Einlagen hindeuten könnten, angemessen sei, mit Blick auf die Wachstumsraten der gedeckten Einlagen in den Folgejahren bis 2023 einen konservativen Ansatz zu wählen.

270

In Anbetracht dieser Erwägungen hat der SRB in Rn. 63 des angefochtenen Beschlusses den Betrag der jährlichen Zielausstattung berechnet, indem er den Durchschnittsbetrag der gedeckten Einlagen im Jahr 2016 mit dem Koeffizienten von 1,05 % multipliziert und das Ergebnis dieser Berechnung gemäß der folgenden, in Rn. 63 dieses Beschlusses angegebenen mathematischen Formel durch acht dividiert hat:

„Target0 [Betrag der jährlichen Zielausstattung] = Summe gedeckte Einlagen2016 * 0,0105 * ⅛ = EUR 7161808441“.

271

In der mündlichen Verhandlung hat der SRB allerdings ausgeführt, dass er die jährliche Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2017 wie folgt ermittelt hat.

272

Erstens hat der SRB auf der Grundlage einer prospektiven Analyse die für das Ende der Aufbauphase prognostizierte Höhe der gedeckten Einlagen aller im Hoheitsgebiet aller teilnehmenden Mitgliedstaaten zugelassenen Institute festgesetzt. Zur Ermittlung dieses Betrags hat der SRB den durchschnittlichen Betrag der gedeckten Einlagen im Jahr 2016, die jährliche Wachstumsrate dieser Einlagen sowie die Zahl der verbleibenden Beitragszeiträume bis zum Ende der Aufbauphase berücksichtigt.

273

Zweitens hat der SRB gemäß Art. 69 Abs. 1 der Verordnung Nr. 806/2014 1 % der prognostizierten Höhe der gedeckten Einlagen am Ende der Aufbauphase berechnet, um den geschätzten Betrag der endgültigen Zielausstattung zu erhalten, der am 31. Dezember 2023 erreicht werden sollte.

274

Drittens hat der SRB von diesem Betrag die Finanzmittel abgezogen, die dem SRF im Jahr 2017 bereits zur Verfügung standen, um den Betrag zu erhalten, den er in den verbleibenden Beitragszeiträumen bis zum Ende der Aufbauphase noch zu erheben hatte.

275

Viertens hat der SRB den letztgenannten Betrag durch die Zahl der verbleibenden Beitragszeiträume dividiert, um ihn gleichmäßig auf diese Zeiträume aufzuteilen. Die jährliche Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2017 wurde auf diese Weise auf den oben in Rn. 262 genannten Betrag, d. h. etwa 7,161 Mrd. Euro, festgesetzt.

276

Zum Zweck der Prüfung, ob der SRB seiner Begründungspflicht in Bezug auf die Bestimmung der jährlichen Zielausstattung nachgekommen ist, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass eine fehlende oder unzureichende Begründung ein Gesichtspunkt zwingenden Rechts ist, den die Unionsgerichte von Amts wegen prüfen können und müssen (vgl. Urteil vom 2. Dezember 2009, Kommission/Irland u. a., C‑89/08 P, EU:C:2009:742, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Folglich kann und muss das Gericht auch andere Begründungsmängel als die von der Klägerin geltend gemachten berücksichtigen, insbesondere wenn sie während des Verfahrens zutage treten.

277

Zu diesem Zweck sind die Parteien im mündlichen Verfahren zu allen etwaigen Begründungsmängeln des angefochtenen Beschlusses in Bezug auf die Bestimmung der jährlichen Zielausstattung angehört worden. Insbesondere hat der SRB auf mehrfache ausdrückliche Nachfrage Schritt für Schritt, wie oben in den Rn. 274 bis 277 dargelegt, die Methode beschrieben, die er tatsächlich angewandt habe, um die jährliche Zielausstattung für den Beitragszeitraum 2017 zu bestimmen.

278

Was sodann den Inhalt der Begründungspflicht betrifft, ergibt sich aus der Rechtsprechung, dass die Begründung einer Entscheidung eines Organs oder einer Einrichtung der Union u. a. widerspruchsfrei sein muss, damit die Betroffenen, um ihre Rechte vor dem zuständigen Gericht zu verteidigen, die wahren Gründe dieser Entscheidung erkennen können und dieses Gericht seine Kontrollaufgabe wahrnehmen kann (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. Juli 2008, Bertelsmann und Sony Corporation of America/Impala, C‑413/06 P, EU:C:2008:392, Rn. 169 und die dort angeführte Rechtsprechung, vom 22. September 2005, Suproco/Kommission, T‑101/03, EU:T:2005:336, Rn. 20 und 45 bis 47, sowie vom 16. Dezember 2015, Griechenland/Kommission, T‑241/13, EU:T:2015:982, Rn. 56).

279

Ebenso müssen, wenn der Urheber der angefochtenen Entscheidung im Verfahren vor dem Unionsgericht bestimmte Erläuterungen zu deren Gründen liefert, diese Erläuterungen mit den in der Entscheidung dargelegten Erwägungen in Einklang stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. September 2005, Suproco/Kommission, T‑101/03, EU:T:2005:336, Rn. 45 bis 47, und vom 13. Dezember 2016, Printeos u. a./Kommission, T‑95/15, EU:T:2016:722, Rn. 54 und 55).

280

Wenn die in der angefochtenen Entscheidung dargelegten Erwägungen nicht im Einklang mit solchen im gerichtlichen Verfahren angeführten Erläuterungen stehen, erfüllt die Begründung der betreffenden Entscheidung nämlich nicht die oben in den Rn. 210 und 211 genannten Funktionen. Insbesondere hindert eine solche Inkohärenz zum einen die Betroffenen daran, die wahren Gründe der angefochtenen Entscheidung vor der Klageerhebung zu erfahren und ihre Verteidigung in Bezug auf diese Gründe vorzubereiten, und zum anderen hindert sie das Unionsgericht daran, die Gründe zu identifizieren, die tatsächlich als rechtliche Grundlage für diese Entscheidung gedient haben, und ihre Vereinbarkeit mit den anwendbaren Vorschriften zu prüfen.

281

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass der SRB, wenn er einen Beschluss zur Festsetzung der im Voraus erhobenen Beiträge erlässt, den betroffenen Instituten die Methode zur Berechnung dieser Beiträge mitteilen muss (vgl. Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB, C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601, Rn. 122).

282

Das Gleiche muss für die Methode zur Bestimmung der jährlichen Zielausstattung gelten, da diesem Betrag in der Systematik eines solchen Beschlusses eine wesentliche Bedeutung zukommt. Wie sich nämlich aus Rn. 16 des vorliegenden Urteils ergibt, besteht die Methode zur Berechnung der im Voraus erhobenen Beiträge in der Aufteilung dieses Betrags auf alle betroffenen Institute, so dass eine Erhöhung oder Verringerung dieses Betrags zu einer entsprechenden Erhöhung oder Verringerung des im Voraus erhobenen Beitrags jedes dieser Institute führt.

283

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass der SRB zwar verpflichtet ist, den Instituten bereits im angefochtenen Beschluss Erläuterungen bezüglich der Methode zur Bestimmung der jährlichen Zielausstattung zu geben, diese Erläuterungen aber mit denjenigen im Einklang stehen müssen, die der SRB im gerichtlichen Verfahren anführt und die die tatsächlich angewandte Methode betreffen.

284

Dies ist hier jedoch nicht der Fall.

285

So ist zunächst festzustellen, dass in Rn. 63 des angefochtenen Beschlusses eine mathematische Formel angegeben wird, die als Grundlage für die Bestimmung der jährlichen Zielausstattung gedient haben soll. Es zeigt sich jedoch, dass diese Formel nicht die Elemente der vom SRB tatsächlich angewandten Methode enthält, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert worden ist. Wie sich nämlich aus den vorstehenden Rn. 272 bis 275 ergibt, hat der SRB nach dieser Methode den Betrag der jährlichen Zielausstattung ermittelt, indem er von der endgültigen Zielausstattung die im SRF verfügbaren Finanzmittel abgezogen hat, um den Betrag zu berechnen, den er bis zum Ende der Aufbauphase noch zu erheben hatte, und indem er diesen Betrag durch die Zahl der verbleibenden Beitragszeiträume geteilt hat. Diese beiden Rechenschritte finden sich jedoch in der fraglichen mathematischen Formel in keiner Weise wieder.

286

Ähnliche Unstimmigkeiten betreffen auch die Art und Weise, in der der Koeffizient von 1,05 % festgesetzt wurde, obwohl diesem in der oben in Rn. 285 erwähnten mathematischen Formel eine zentrale Rolle zukommt. Wie sich aus den Rn. 51 und 52 des angefochtenen Beschlusses ergibt, könnte dieser Koeffizient nämlich in dem Sinne verstanden werden, dass er auf der Schätzung der endgültigen Zielausstattung für 2023, auf der Anforderung, die im Voraus erhobenen Beiträge während der Aufbauphase möglichst gleichmäßig zu staffeln, sowie auf einer Analyse der Konjunkturphase und der Auswirkungen dieser Beiträge auf die Finanzlage der Institute beruht. Wie der SRB in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, wurde der Koeffizient jedoch so festgesetzt, dass er das Ergebnis der Berechnung des Betrags der jährlichen Zielausstattung rechtfertigen konnte, d. h., nachdem der SRB diesen Betrag in Anwendung der oben in den Rn. 272 bis 275 dargelegten vier Schritte berechnet hatte, insbesondere durch Teilung des Betrags, der sich aus dem Abzug der im SRF verfügbaren Finanzmittel von der endgültigen Zielausstattung ergab, durch die Zahl der verbleibenden Beitragszeiträume. Diese Vorgehensweise geht aber aus dem angefochtenen Beschluss in keiner Weise hervor.

287

Daraus folgt, dass in Bezug auf die Bestimmung der jährlichen Zielausstattung die vom SRB tatsächlich angewandte Methode, wie sie in der mündlichen Verhandlung erläutert worden ist, nicht der im angefochtenen Beschluss beschriebenen Methode entspricht, so dass die wahren Gründe für die Festlegung dieser Zielausstattung auf der Grundlage des angefochtenen Beschlusses weder von den Instituten noch vom Gericht erkannt werden konnten.

288

Nach alledem ist festzustellen, dass der angefochtene Beschluss hinsichtlich der Bestimmung der jährlichen Zielausstattung mangelhaft begründet ist.

289

Dem dritten Teil des zweiten Klagegrundes ist daher stattzugeben. Angesichts der rechtlichen und wirtschaftlichen Bedeutung der vorliegenden Rechtssache liegt es jedoch im Interesse einer geordneten Rechtspflege, auch die übrigen Klagegründe zu prüfen.

[nicht wiedergegeben]

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Achte erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Der Beschluss SRB/ES/2021/82 des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (SRB) vom 15. Dezember 2021 über die Berechnung der für 2017 im Voraus erhobenen Beiträge der Landesbank Baden-Württemberg zum einheitlichen Abwicklungsfonds wird für nichtig erklärt.

 

2.

Die Wirkungen des Beschlusses SRB/ES/2021/82 werden aufrechterhalten, bis innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate ab dem Tag der Verkündung des vorliegenden Urteils nicht überschreiten darf, ein neuer Beschluss des SRB in Kraft tritt, mit dem der im Voraus erhobene Beitrag der Landesbank Baden-Württemberg zum einheitlichen Abwicklungsfonds für den Beitragszeitraum 2017 festgesetzt wird.

 

3.

Der SRB trägt neben seinen eigenen Kosten die Kosten der Landesbank Baden-Württemberg.

 

Kornezov

De Baere

Petrlík

Kecsmár

Kingston

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 17. Juli 2024.

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Deutsch.

( 1 ) Es werden nur die Randnummern des Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.

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