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Document 62022CC0086

    Schlussanträge des Generalanwalts M. Campos Sánchez-Bordona vom 25. Mai 2023.
    Papier Mettler Italia Srl. gegen Ministero della Transizione Ecologica und Ministero dello Sviluppo Economico.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Amministrativo Regionale per il Lazio.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Rechtsangleichung – Umwelt – Richtlinie 94/62/EG – Verpackungen und Verpackungsabfälle – Richtlinie 98/34/EG – Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft – Pflicht der Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission jeden Entwurf einer technischen Vorschrift mitzuteilen – Nationale Regelung, die restriktivere technische Vorschriften vorsieht als die Regelung der Europäischen Union.
    Rechtssache C-86/22.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:434

     SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

    MANUEL CAMPOS SÁNCHEZ-BORDONA

    vom 25. Mai 2023 ( 1 )

    Rechtssache C‑86/22

    Papier Mettler Italia Srl

    gegen

    Ministero della Transizione Ecologica (vormals Ministero dell’Ambiente e della Tutela del Territorio e del Mare),

    Ministero dello Sviluppo Economico,

    Beteiligte:

    Associazione Italiana delle Bioplastiche e dei Materiali Biodegradabili e Compostabili – Assobioplastiche

    (Vorabentscheidungsersuchen des Tribunale Amministrativo Regionale per il Lazio [Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien])

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 98/34/EG – Verpflichtung der Mitgliedstaaten, der Kommission die Entwürfe technischer Vorschriften mitzuteilen – Auswirkungen der Nichtmitteilung einer technischen Vorschrift – Richtlinie 94/62/EG – Harmonisierung der Rechtsvorschriften – Umweltschutz – Verpackungen und Verpackungsabfälle – Leichte Kunststofftragetaschen – Nationale Regelung mit restriktiveren technischen Normen als in der Unionsregelung vorgesehen – Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV – Unmittelbare Wirkung der Richtlinie 94/62 – Haftung für dem Einzelnen durch einen Mitgliedstaat verursachte Schäden“

    1.

    Der kommerzielle Erfolg von leichten Kunststofftragetaschen ist auf ihr geringes Gewicht und ihre Zersetzungsbeständigkeit zurückzuführen. Da sie nur einmal oder selten verwendet werden und leicht zu entsorgen sind, führt ihre Verbreitung zu einem großen Problem der Umweltverschmutzung ( 2 ). Viele dieser Tragetaschen entgehen der Abfallentsorgung und landen als Müll in der Natur und insbesondere in den Meeren ( 3 ).

    2.

    Im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens ist der Gerichtshof aufgerufen, die Vereinbarkeit einer italienischen Rechtsvorschrift mit dem Unionsrecht zu klären, die die Verwendung von Kunststofftragetaschen mit bestimmten Merkmalen im italienischen Hoheitsgebiet verbietet, obwohl die Richtlinie 94/62/EG ( 4 ) deren Inverkehrbringen in allen Mitgliedstaaten erlaubt.

    I. Rechtlicher Rahmen

    A.   Unionsrecht

    1. Richtlinie 94/62

    3.

    Art. 1 („Ziele“) bestimmt:

    „(1)   Diese Richtlinie bezweckt, die Vorschriften der Mitgliedstaaten im Bereich der Verpackungs- und der Verpackungsabfallwirtschaft zu harmonisieren, um einerseits Auswirkungen dieser Abfälle in allen Mitgliedstaaten sowie in dritten Ländern auf die Umwelt zu vermeiden bzw. diese Auswirkungen zu verringern und so ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen und andererseits das Funktionieren des Binnenmarktes zu gewährleisten und zu verhindern, dass es in der Gemeinschaft zu Handelshemmnissen und Wettbewerbsverzerrungen und ‑beschränkungen kommt.

    …“

    4.

    Art. 2 („Geltungsbereich“) sieht vor:

    „(1)   Diese Richtlinie gilt für alle in der Gemeinschaft in Verkehr gebrachten Verpackungen und alle Verpackungsabfälle, unabhängig davon, ob sie in der Industrie, im Handel, in der Verwaltung, im Gewerbe, im Dienstleistungsbereich, in Haushalten oder anderswo anfallen, unabhängig von den Materialien, aus denen sie bestehen.

    …“

    5.

    Nach Art. 3 („Begriffsbestimmungen“) ( 5 ) bezeichnet der Ausdruck

    „…

    1b.

    ‚Kunststofftragetaschen‘ Tragetaschen mit oder ohne Tragegriff aus Kunststoff, die den Verbrauchern in der Verkaufsstelle der Waren oder Produkte angeboten werden;

    1c.

    ‚leichte Kunststofftragetaschen‘ Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke unter 50 Mikron;

    …“

    6.

    Nach Art. 4 („Abfallvermeidung“) Abs. 1a ( 6 ) gilt:

    „(1a) Die Mitgliedstaaten treffen Maßnahmen, um eine dauerhafte Verringerung des Verbrauchs an leichten Kunststofftragetaschen in ihrem Hoheitsgebiet zu erreichen.

    Diese Maßnahmen können die Festlegung nationaler Verringerungsziele, die Beibehaltung oder Einführung wirtschaftlicher Instrumente und Marktbeschränkungen unter Abweichung von Artikel 18 umfassen, sofern diese Beschränkungen verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sind.

    …“

    7.

    Art. 9 („Grundlegende Anforderungen“) sieht vor:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten drei Jahre nach Inkrafttreten dieser Richtlinie, dass nur Verpackungen in den Verkehr gebracht werden dürfen, die alle grundlegenden Anforderungen dieser Richtlinie einschließlich des Anhangs II erfüllen.

    …“

    8.

    Art. 16 („Notifizierung“) legt fest:

    „(1)   Unbeschadet der Richtlinie 83/189/EWG [des Rates vom 28. März 1983 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften (ABl. 1983, L 109, S. 8)] teilen die Mitgliedstaaten die Entwürfe der von ihnen im Rahmen der vorliegenden Richtlinie geplanten Maßnahmen – mit Ausnahme steuerlicher Maßnahmen, jedoch einschließlich technischer Spezifikationen, die in der Absicht, die Betreffenden zur Einhaltung dieser Spezifikationen zu bewegen, mit steuerlichen Maßnahmen verknüpft wurden – vor deren Verabschiedung der Kommission mit, damit diese sie unter jeweiliger Anwendung des in der obengenannten Richtlinie vorgesehenen Verfahrens auf ihre Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften hin überprüfen kann.

    (2)   Handelt es sich bei der beabsichtigten Maßnahme auch um eine technische Vorschrift im Sinne der Richtlinie [83/189], so kann der betreffende Mitgliedstaat im Rahmen der Mitteilungsverfahren gemäß der vorliegenden Richtlinie darauf hinweisen, dass die Mitteilung auch für die Richtlinie [83/189] gilt.“

    9.

    Art. 18 („Freiheit des Inverkehrbringens“) lautet:

    „Die Mitgliedstaaten dürfen in ihrem Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen von Verpackungen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht verbieten.“

    10.

    In Anhang II sind die „[Grundlegenden] Anforderungen an die Zusammensetzung, die Wiederverwendbarkeit und Verwertbarkeit, einschließlich stofflicher Verwertbarkeit, von Verpackungen“ geregelt.

    2. Richtlinie 98/34/EG ( 7 )

    11.

    Art. 1 sieht vor:

    „Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

    12.

    ,Entwurf einer technischen Vorschrift‘: Wortlaut einer technischen Spezifikation oder einer sonstigen Vorschrift oder einer Vorschrift betreffend Dienste einschließlich Verwaltungsvorschriften, der ausgearbeitet worden ist, um diese als technische Vorschrift festzuschreiben oder letztlich festschreiben zu lassen, und der sich im Stadium der Ausarbeitung befindet, in dem noch wesentliche Änderungen möglich sind.

    …“

    12.

    Art. 8 bestimmt:

    „(1)   Vorbehaltlich des Artikels 10 übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift, sofern es sich nicht um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm handelt; in diesem Fall reicht die Mitteilung aus, um welche Norm es sich handelt. Sie unterrichten die Kommission gleichzeitig in einer Mitteilung über die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor.

    (5)   Ist ein Entwurf für technische Vorschriften Bestandteil einer Maßnahme, die aufgrund anderer verbindlicher Gemeinschaftsakte der Kommission im Entwurfsstadium mitgeteilt werden muss, so können die Mitgliedstaaten die Mitteilung gemäß Absatz 1 im Rahmen dieses anderen Rechtsakts übersenden, sofern förmlich darauf hingewiesen wird, dass die Mitteilung auch diese Richtlinie betrifft.

    Reagiert die Kommission im Rahmen dieser Richtlinie nicht auf den Entwurf einer technischen Vorschrift, so hat dies keinen Einfluss auf eine Entscheidung, die aufgrund anderer Rechtsakte der Gemeinschaft getroffen werden könnte.“

    B.   Nationales Recht. Dekret vom 18. März 2013 ( 8 )

    13.

    In Art. 1 werden Einkaufstaschen definiert als „Einkaufstaschen für den Food- und Non-Food-Bereich, die dem Verbraucher kostenlos oder kostenpflichtig an der Verkaufsstelle zur Verfügung gestellt werden“.

    14.

    Art. 2 bestimmt:

    „1.   Das Inverkehrbringen von Einkaufstaschen, die folgenden Kategorien angehören, ist zulässig:

    a)

    biologisch abbaubare und kompostierbare Einkaufstaschen, die der harmonisierten Norm UNI EN 13432:2002 ( 9 ) entsprechen;

    b)

    wiederverwendbare Einkaufstaschen, die aus Polymeren bestehen, welche nicht unter den Buchst. a fallen und einen externen Haltegriff in adäquater Größe vorweisen:

    b.1)

    Einkaufstaschen mit einer Dicke von mehr als 200 Mikrometern und einem Anteil an recyceltem Kunststoff von mindestens 30 Prozent, für den Food-Bereich bestimmt;

    b.2)

    Einkaufstaschen mit einer Dicke von mehr als 100 Mikrometern und einem Anteil an recyceltem Kunststoff von mindestens 10 Prozent, für den Non-Food-Bereich bestimmt;

    c)

    wiederverwendbare Einkaufstaschen, die aus Polymeren bestehen, welche nicht unter den Buchst. a fallen und einen internen Haltegriff in adäquater Größe vorweisen:

    c.1)

    Einkaufstaschen mit einer Dicke von mehr als 100 Mikrometern und einem Anteil an recyceltem Kunststoff von mindestens 30 Prozent, für den Food-Bereich bestimmt;

    c.2)

    Einkaufstaschen mit einer Dicke von mehr als 60 Mikrometern und einem Anteil an recyceltem Kunststoff von mindestens 10 Prozent, für den Non-Food-Bereich bestimmt.

    2.   Darüber hinaus ist das Inverkehrbringen von wiederverwendbaren Einkaufstaschen zulässig, die aus Papier, Natur- oder Polyamidfasern bestehen, sowie von Einkaufstaschen, die nicht aus Polymeren gefertigt werden.

    …“

    15.

    Art. 6 lautet:

    „Die vorliegende Verordnung unterliegt dem Kommunikationsverfahren gemäß Richtlinie [98/34] des Europäischen Parlaments und des Rates und tritt nach positivem Abschluss des Verfahrens in Kraft.“

    II. Sachverhalt, Rechtsstreit und Vorlagefragen

    16.

    Die Papier Mettler Italia Srl (im Folgenden: Papier Mettler) ist eine im Vertrieb von Verpackungen tätige Gesellschaft. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt insbesondere auf der Herstellung von Verpackungen aus Polyethylen, einschließlich Kunststofftragetaschen.

    17.

    Da Papier Mettler meint, sie sei durch das Dekret von 2013 geschädigt, beantragt sie beim vorlegenden Gericht dessen Nichtigerklärung und den Ersatz des durch das Dekret entstandenen bzw. noch entstehenden Schadens ( 10 ).

    18.

    Papier Mettler begründet ihre Forderung wie folgt:

    Das Dekret von 2013 verbiete das Inverkehrbringen von Kunststofftragetaschen, die gemäß der Richtlinie 94/62 zugelassen seien. Art. 2 des Dekrets sehe nämlich vor, dass diese Kunststofftragetaschen bestimmte, in Widerspruch zu den Richtlinien 94/62 und 98/34 stehende technische Anforderungen erfüllen müssten.

    In verfahrensrechtlicher Hinsicht hätten die von der nationalen Behörde festgelegten technischen Vorschriften vor ihrer Verabschiedung bei der Kommission angemeldet werden müssen (Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV), da es sich bei der Richtlinie 94/62 um eine Harmonisierungsrichtlinie handele.

    Nach Art. 16 der Richtlinie 94/62 seien die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission die Entwürfe der von ihnen geplanten Maßnahmen mitzuteilen, damit die Kommission diese auf ihre Übereinstimmung mit den bestehenden Vorschriften hin überprüfen könne.

    In Art. 8 der Richtlinie 98/34 sei vorgeschrieben, dass „[jeder] Entwurf einer technischen Vorschrift“ sowie „die Gründe, die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen“, der Kommission vor ihrer Annahme mitgeteilt werden müssten.

    Infolgedessen hätte das Dekret von 2013 zuvor bei der Kommission angemeldet werden müssen, was die Italienische Republik jedoch nicht getan habe.

    In materiell-rechtlicher Hinsicht verstoße das Dekret von 2013 gegen die Richtlinie 94/62, da es das Inverkehrbringen von Tragetaschen auch dann verbiete, wenn sie einer der in Anhang II Nr. 3 der Richtlinie festgelegten Anforderungen an die Verwertbarkeit entsprächen ( 11 ).

    19.

    Die beklagte Verwaltung widerspricht den Forderungen von Papier Mettler mit folgenden Argumenten:

    Das Dekret von 2013 sei am 12. März 2013 bei der Kommission ordnungsgemäß angemeldet worden. Sein Inkrafttreten sei vom erfolgreichen Abschluss des in der Richtlinie 98/34 vorgesehenen Verfahrens abhängig gewesen. Das Verfahren sei am 13. September 2013 abgeschlossen worden.

    Die im Dekret von 2013 enthaltenen technischen Vorschriften seien erforderlich, um bei der getrennten Sammlung organischer Abfälle das Problem der Verunreinigung zu bekämpfen und die Verwendung biologisch abbaubarer und kompostierbarer Kunststofftragetaschen zu fördern ( 12 ).

    Indem das Dekret von 2013 bestimmte Arten verkehrsfähiger Tragetaschen nenne ( 13 ), lege es ein selektives Verbot fest, das nur den Verkehr von Kunststofftragetaschen betreffe, die, da sie eine bestimmte Wandstärke nicht erreichten, keine nennenswerte Möglichkeit einer Wiederverwendung gewährleisteten, sondern rasch als Kunststoffabfall endeten.

    20.

    Vor diesem Hintergrund legt das Tribunale Amministrativo Regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vor:

    1.

    Stehen Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV, Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 und Art. 8 der Richtlinie 98/34 der Anwendung einer nationalen Bestimmung wie der im angefochtenen interministeriellen Dekret vorgesehenen entgegen, die das Inverkehrbringen von Einwegtaschen, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, aber die übrigen Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, verbietet, wenn der Mitgliedstaat diese nationale Bestimmung, die restriktivere technische Vorschriften als die Gemeinschaftsvorschriften enthält, bei der Europäischen Kommission nicht zuvor angemeldet hat, sondern erst nach Erlass der Maßnahme und vor ihrer Bekanntmachung?

    2.

    Sind die Art. 1, 2, 9 Abs. 1 und 18 der Richtlinie 94/62, ergänzt durch die Bestimmungen von Anhang II Nrn. 1, 2 und 3 der Richtlinie, dahin auszulegen, dass sie dem Erlass einer nationalen Vorschrift entgegenstehen, die das Inverkehrbringen von Einwegtaschen, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, aber die übrigen Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, verbietet, oder lassen sich die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen weiteren technischen Vorschriften mit dem Ziel rechtfertigen, ein höheres Umweltschutzniveau zu gewährleisten, wobei gegebenenfalls die besonderen Probleme bei der Abfallsammlung in dem Mitgliedstaat und die Notwendigkeit berücksichtigt werden, dass dieser Staat auch die in diesem Zusammenhang vorgesehenen unionsrechtlichen Pflichten erfüllt?

    3.

    Sind die Art. 1, 2, 9 Abs. 1 und 18 der Richtlinie 94/62, ergänzt durch die Bestimmungen von Anhang II Nrn. 1, 2 und 3 der Richtlinie, dahin auszulegen, dass sie eine klare und genaue Regelung darstellen, mit der jedes Hindernis für das Inverkehrbringen von Beuteln, die den Anforderungen der Richtlinie entsprechen, verboten werden kann und die alle staatlichen Organe einschließlich der öffentlichen Verwaltungen dazu verpflichtet, ihr möglicherweise entgegenstehende nationale Rechtsvorschriften unangewendet zu lassen?

    4.

    Kann schließlich der Erlass einer nationalen Vorschrift, die das Inverkehrbringen von Einwegbeuteln, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, aber die Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, verbietet, einen schwerwiegenden und offensichtlichen Verstoß gegen Art. 18 der Richtlinie 94/62 darstellen, wenn diese Vorschrift nicht durch das Ziel der Gewährleistung eines höheren Umweltschutzniveaus, durch besondere Probleme bei der Abfallsammlung in dem Mitgliedstaat und durch die Notwendigkeit, dass dieser Staat auch die in diesem Zusammenhang vorgesehenen unionsrechtlichen Pflichten erfüllt, gerechtfertigt ist?

    III. Verfahren vor dem Gerichtshof

    21.

    Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 9. Februar 2022 beim Gerichtshof eingegangen.

    22.

    Papier Mettler, die Associazione Italiana delle Bioplastiche e dei Materiali Biodegradabili e Compostabili (im Folgenden: Assobioplastiche), die italienische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Alle Beteiligten haben an der mündlichen Verhandlung vom 22. März 2023 teilgenommen.

    IV. Würdigung

    A.   Vorbemerkungen

    23.

    Zunächst ist zu klären, auf welche Arten von Kunststofftragetaschen sich das vorlegende Gericht bezieht. Obwohl die in der Vorlageentscheidung verwendete Terminologie nicht immer einheitlich ist, scheint sich das vorlegende Gericht auf jeden Fall auf leichte Einweg-Kunststofftragetaschen ( 14 ) zu beziehen, die aus biologisch nicht abbaubaren und nicht kompostierbaren Materialien hergestellt sind, jedoch den übrigen Anforderungen der Richtlinie 94/62 entsprechen.

    24.

    Sodann sind die für die Beantwortung der Vorlagefragen einschlägigen Vorschriften des Unionsrechts festzustellen.

    Das vorlegende Gericht nimmt zwar auf die Art. 1 und 2 der Richtlinie 94/62 Bezug, jedoch ist die Auslegung dieser Bestimmungen (zu Ziel und Geltungsbereich der Richtlinie) tatsächlich nicht erforderlich, da kein Zweifel besteht, dass es sich bei den Kunststofftragetaschen um Verpackungen handelt ( 15 ).

    Art. 9 Abs. 1 und Art. 18 der Richtlinie 94/62 hingegen können für die Entscheidung in dem Rechtsstreit von Bedeutung sein.

    B.   Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens

    25.

    Assobioplastiche und die italienische Regierung halten das Vorabentscheidungsersuchen für unzulässig, da das Dekret von 2013 niemals in Kraft getreten sei bzw. aufgehoben worden sei.

    26.

    Assobioplastiche macht zudem geltend, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, weil das vorlegende Gericht Art. 4 Abs. 1a der Richtlinie 94/62 nicht berücksichtigt habe.

    27.

    Meiner Ansicht nach rechtfertigt keines dieser Argumente a limine, das Vorabentscheidungsersuchen zurückzuweisen. Das vorlegende Gericht ermittelt in eigener Verantwortung die nationalen Rechtsvorschriften, die im Ausgangsverfahren einschlägig sind und in deren Rahmen das Vorabentscheidungsersuchen gestellt wird. Für Vorabentscheidungsersuchen gilt bekanntlich die Vermutung der Entscheidungserheblichkeit ( 16 ).

    28.

    In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten eine lange Debatte über die Gültigkeit und Anwendung des Dekrets von 2013 geführt, jedoch ließ sich aus ihren Beiträgen diesbezüglich keine eindeutige Lösung ableiten. Sie waren sich einig, dass die Rechtslage verwirrend sei: Einige bezeichneten sie als chaotisch, andere als unerklärlich und wieder andere als Regelungsdurcheinander.

    29.

    Die Kommission vertritt den Standpunkt, das Dekret von 2013 sei mit seiner amtlichen Veröffentlichung in Kraft getreten und in Italien bis zu seiner formellen Aufhebung im Jahr 2017 angewendet worden ( 17 ). Art. 6 habe die Anwendung auf jeden Fall nur bis zum 13. September 2013 hinauszögern können, d. h. bis zu dem Datum, zu dem die in Art. 9 der Richtlinie 98/34 vorgesehene Stillhaltefrist abgelaufen sei. Da das Dekret am 27. März 2013 amtlich veröffentlicht worden sei, habe es sich nicht mehr um einen Entwurf gehandelt, sondern um eine geltende Vorschrift, und aus diesem Grund habe die Kommission keine Stellungnahme zu seiner Vereinbarkeit mit dem Unionsrecht abgegeben.

    30.

    Nach Auffassung der italienischen Regierung und von Assobioplastiche ist das Dekret von 2013 nie in Kraft getreten, da das Mitteilungsverfahren bei der Kommission nicht erfolgreich abgeschlossen worden sei und die aufschiebende Bedingung aus Art. 6 des Dekrets gegolten habe. Das Dekret sei Jahre später formell aufgehoben worden, um es aus dem italienischen Recht zu „entfernen“, jedoch habe es sich dabei nicht wirklich um die Aufhebung einer gültigen Rechtsvorschrift gehandelt.

    31.

    Papier Mettler erklärt, die im Gesetzesdekret 2/2012 ( 18 ) vorgesehene Sanktionsregelung sei mit der Annahme des Dekrets von 2013 in Kraft getreten und unabhängig davon, ob das Dekret in Kraft getreten sei oder nicht, zur Anwendung gekommen. Der Umstand, dass ihr keine Sanktionen auferlegt worden seien, sei darauf zurückzuführen, dass sie den Verkauf der in Italien durch das Dekret von 2013 verbotenen Kunststofftragetaschen eingestellt habe, was zu den von ihr geltend gemachten Gewinneinbußen geführt habe.

    32.

    Jedenfalls ist es Sache des vorlegenden Gerichts, das allein für die Auslegung des nationalen Rechts zuständig ist, über das Inkrafttreten und die Wirkung des Dekrets von 2013 zu entscheiden. Der Gerichtshof ist nicht zuständig für eine Debatte, über die das vorlegende Gericht zu entscheiden hat.

    33.

    Das Vorabentscheidungsersuchen ergäbe keinen Sinn, wenn das vorlegende Gericht davon ausginge, dass das Dekret von 2013 (das Gegenstand der von Papier Mettler erhobenen Klage ist) nie in Kraft gewesen sei und nie Rechtswirkung entfaltet habe. Um über den Ausgangsrechtsstreit entscheiden zu können, müsste es lediglich diesen Umstand als erwiesen ansehen. Dass das vorlegende Gericht dies nicht tut und ein Vorabentscheidungsersuchen eingereicht hat, zeigt, dass es implizit den gegenteiligen Standpunkt vertritt.

    34.

    Auf jeden Fall bin ich nicht der Ansicht, dass der Rechtsstreit vor dem vorlegenden Gericht und das Vorabentscheidungsersuchen selbst als fiktiv bezeichnet werden können. Vorbehaltlich der endgültigen Entscheidung des nationalen Gerichts über das Inkrafttreten und die Auslegung des Dekrets von 2013 ist das Vorabentscheidungsersuchen meines Erachtens daher zulässig.

    35.

    Was die zweite Einrede der Unzulässigkeit anbetrifft, beschränke ich mich auf die Feststellung, dass Art. 4 Abs. 1a der Richtlinie 94/62 in zeitlicher Hinsicht auf den Sachverhalt des Rechtsstreits nicht anwendbar ist. Der Sachverhalt stammt aus dem Jahr 2013, und jener Artikel wurde im Jahr 2015 (durch die Richtlinie 2015/720) in die Richtlinie 94/62 aufgenommen.

    C.   Erste Vorlagefrage

    36.

    Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 und Art. 8 der Richtlinie 98/34 einer nationalen Bestimmung mit dem vorstehend dargestellten Inhalt ( 19 ) entgegenstehen, die der Mitgliedstaat der Kommission erst nach ihrer Annahme, aber einige Tage vor ihrer amtlichen Veröffentlichung mitgeteilt hat ( 20 ).

    1. Anwendung der Richtlinie 98/34

    37.

    Weder das vorlegende Gericht noch die Parteien des Rechtsstreits stellen in Frage, dass es sich bei der im Dekret von 2013 enthaltenen Bestimmung um eine technische Vorschrift (im Sinne der Richtlinie 98/34) handelt. Die Probleme, die mit einer solchen Einstufung verbunden sind und mit denen sich der Gerichtshof des Öfteren befassen musste ( 21 ), sind im vorliegenden Rechtsstreit nicht von Bedeutung, da unbestritten ist, dass es sich bei der Bestimmung um eine technische Vorschrift handelt.

    38.

    Wie ich nachstehend erläutern werde, war der italienische Staat verpflichtet, der Kommission diese technische Vorschrift (das Dekret von 2013) im Entwurfsstadium, d. h. vor ihrer Annahme, mitzuteilen ( 22 ).

    39.

    Nach Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, der Kommission jeden Entwurf einer technischen Vorschrift zu übermitteln. In der Mitteilung sind „die Gründe [anzugeben], die die Festlegung einer derartigen technischen Vorschrift erforderlich machen, es sei denn, die Gründe gehen bereits aus dem Entwurf hervor“. Handelt es sich lediglich um eine vollständige Übertragung einer internationalen oder europäischen Norm, reicht es aus, mitzuteilen, um welche Norm es sich handelt.

    40.

    Ein Verstoß gegen diese Pflicht führt dazu, dass die entsprechende technische Vorschrift einem Einzelnen im Rahmen eines Strafverfahrens oder eines Rechtsstreits sonstiger Art zwischen Privaten nicht entgegengehalten werden kann ( 23 ).

    41.

    Die Richtlinie 98/34 verleiht der Kommission Kontrollbefugnisse über die Entwürfe von technischen Vorschriften, die ihr die Mitgliedstaaten mitteilen ( 24 ). Gerade um diese Befugnisse zu schützen, löst eine unterbliebene Mitteilung nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs seit dem Urteil CIA Security International unmittelbare Folgen aus: Die Pflicht aus Art. 8 der Richtlinie 98/34 entfaltet unmittelbare Wirkung, und nicht mitgeteilte nationale technische Vorschriften können dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden.

    42.

    Zu dem gleichen Ergebnis ist der Gerichtshof für andere, mit dem hier analysierten Verfahren vergleichbare Informations- und Kontrollverfahren gelangt, wie z. B. das Verfahren aus der Richtlinie 2000/31/EG ( 25 ) im Bereich der Dienste der Informationsgesellschaft, das Gegenstand des Urteils Airbnb Ireland ( 26 ) ist.

    43.

    In seinem Urteil in der Rechtssache Airbnb Ireland hat der Gerichtshof bestätigt, welche Folgen die inhaltlich hinreichend klare, genaue und unbedingte Verpflichtung hat, die in einer Richtlinie vorgesehen ist, die der Kommission Befugnisse verleiht: Sie hat unmittelbare Wirkung und kann folglich vom Einzelnen vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden ( 27 ).

    44.

    Gemäß der Vorlageentscheidung wurde das Dekret von 2013 der Kommission am 12. März 2013 mitgeteilt ( 28 ), sechs Tage später angenommen und am 27. März 2013 offiziell veröffentlicht.

    45.

    Eine auf diese Weise erfolgte Mitteilung an die Kommission verstößt aus folgenden Gründen gegen die Pflicht aus Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 98/34:

    Der Entwurf der technischen Vorschrift war zum Zeitpunkt der Mitteilung an die Kommission bereits so weit fortgeschritten, dass es nicht mehr möglich war, wesentliche Änderungen daran vorzunehmen (d. h., eigentlich war gar keine Änderung mehr möglich).

    Die Pflicht zur unverzüglichen Mitteilung an die Kommission bezieht sich auf den „Entwurf“ einer technischen Vorschrift, nicht auf die endgültige Fassung ( 29 ).

    Bei der vorstehend dargestellten zeitlichen Abfolge konnte die Italienische Republik die Bemerkungen des Königreichs Schwedens und die ausführlichen Stellungnahmen des Königreichs der Niederlande und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Entwurf der technischen Vorschrift nicht berücksichtigen, da das Dekret von 2013 vor deren Einreichung angenommen wurde.

    46.

    Somit wurde das in der Richtlinie 98/34 vorgeschriebene Verfahren umgangen. Die Annahme des Entwurfs einer technischen Vorschrift innerhalb von sechs Tagen nach Mitteilung an die Kommission verstößt gegen die Stillhaltepflicht aus Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 98/34: Ein Mitgliedstaat darf den Entwurf einer technischen Vorschrift nicht vor Ablauf von drei Monaten nach Eingang der Mitteilung bei der Kommission annehmen.

    47.

    Die italienische Regierung führt zwei Argumente an, um ihr Vorgehen zu rechtfertigen und einen Verstoß gegen die Richtlinie 98/34 zu bestreiten:

    Die Mitteilung des Entwurfs des Dekrets von 2013 greife eine frühere Mitteilung aus dem Jahr 2011 auf.

    Das Dekret von 2013 sei gemäß seinem Art. 6 erst nach erfolgreichem Abschluss des Mitteilungsverfahrens in Kraft getreten. Da die Kommission keine Stellungnahme abgegeben habe, sei dieses Verfahren nicht erfolgreich abgeschlossen worden ( 30 ) und das Dekret folglich niemals in Kraft getreten. Aus diesem Grund habe Italien die endgültige Fassung der technischen Vorschrift nicht an die Kommission übermittelt ( 31 ).

    48.

    Keines dieser beiden Argumente überzeugt mich.

    49.

    Was die Mitteilung von 2011 ( 32 ) anbetrifft, so handelte es sich bei dem Entwurf einer technischen Vorschrift, der damals der Kommission mitgeteilt wurde, um das (künftige) Gesetzesdekret 2/2012, mit dem das Verbot des Inverkehrbringens von Einweg-Kunststofftragetaschen, die nicht der harmonisierten Norm UNI EN 13432:2002 entsprechen, verlängert wurde. Art. 2 Abs. 1 sah vor, dass der Umfang des Verbots des Inverkehrbringens von nicht biologisch abbaubaren und nicht kompostierbaren Kunststofftragetaschen durch ein späteres Ministerialdekret festgelegt wird. Außerdem schrieb der Entwurf Sanktionen bei Nichteinhaltung der künftigen Vorschriften vor.

    50.

    Wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung argumentiert hat, kann die Mitteilung von 2013 somit nicht als bloße Wiederholung der Mitteilung von 2011 angesehen werden. Die Mitteilung von 2013 enthält neue Beschränkungen für Kunststofftragetaschen, die der Kommission gemäß der Richtlinie 98/34 gemeldet werden mussten.

    51.

    Was die aufschiebende Bedingung (Art. 6) betrifft, ist das Vorgehen des italienischen Staates, der diese Bedingung in den Text des Dekrets von 2013 eingefügt hat, nicht mit der Richtlinie 98/34 vereinbar.

    52.

    In der Tat kann die amtliche Veröffentlichung des Dekrets von 2013 bereits von sich aus Auswirkungen auf den freien Warenverkehr haben, indem sie die Arten von Kunststofftragetaschen beeinflusst, die in Italien vermarktet werden können. Wenn der Gesetzgeber das Inkrafttreten eines Dekrets vom erfolgreichen Abschluss des Mitteilungsverfahrens im Sinne der Richtlinie 98/34 abhängig macht, so wird er mit diesem Vorgehen nicht der Rechtssicherheit gerecht, da der Einzelne nicht weiß, wann der (erfolgreiche oder nicht erfolgreiche) Abschluss eintreten wird, und sich nicht danach richten kann.

    53.

    Wie im vorliegenden Fall verhindert diese Gesetzgebungstechnik darüber hinaus, dass die Bemerkungen und ausführlichen Stellungnahmen der Kommission und anderer Mitgliedstaaten zur Vereinbarkeit des Entwurfs einer technischen Vorschrift mit den Vorschriften des Unionsrechts in gebührender Weise berücksichtigt werden. Auf diese Weise wird der Zweck der Richtlinie 98/34, d. h. die Verhinderung technischer Handelshemmnisse, bevor sie wettbewerbsbeschränkende Wirkung entfalten, unterlaufen.

    54.

    Im Ergebnis bin ich der Ansicht, dass der Erlass des Dekrets von 2013 aus formalen Gründen gegen Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 98/34 verstößt.

    2. Anwendung der Richtlinie 94/62

    55.

    Nach Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie 94/62 teilen die Mitgliedstaaten die Entwürfe der von ihnen im Rahmen der vorliegenden Richtlinie geplanten Maßnahmen (in Verbindung mit Verpackungen und Verpackungsabfällen) vor deren Verabschiedung der Kommission mit.

    56.

    Nach Art. 16 Abs. 2 kann der betreffende Mitgliedstaat, wenn es sich bei der beabsichtigten Maßnahme um eine technische Vorschrift handelt, darauf hinweisen, dass die Mitteilung auch für die Richtlinie 83/189 (die später durch die Richtlinie 98/34 ersetzt wurde) gilt.

    57.

    Der italienische Staat teilte der Kommission den Entwurf des Dekrets von 2013 in Anwendung des Art. 16 der Richtlinie 94/62 mit. Diese Bestimmung sieht (anders als Art. 9 der Richtlinie 98/34) keine Frist vor, innerhalb derer ein Mitgliedstaat die Stellungnahme der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten abwarten muss, bevor er den Entwurf einer nationalen Vorschrift annehmen kann. Daher hat Italien meines Erachtens nicht gegen diese Bestimmung verstoßen, obwohl das Dekret von 2013, wie bereits erläutert, sechs Tage nach der Mitteilung an die Kommission offiziell veröffentlicht wurde.

    58.

    Bei dem Verfahren aus Art. 16 der Richtlinie 94/62 handelt es sich um ein reines Informationsverfahren, während das entsprechende Verfahren aus der Richtlinie 98/34 ein Verfahren zur Information und Kontrolle der nationalen Vorschriften ist. Es handelt sich also um unterschiedliche Verfahren mit unterschiedlichen Auswirkungen.

    59.

    Weder dem Wortlaut noch dem Zweck von Art. 16 der Richtlinie 94/62 ist zu entnehmen, dass die Nichteinhaltung der Verpflichtung zur vorherigen Mitteilung an die Kommission die gleichen Auswirkungen hat wie ein Verstoß gegen die Richtlinie 98/34.

    60.

    Art. 16 der Richtlinie 94/62 betrifft die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission, begründet jedoch kein Recht für den Einzelnen, das verletzt sein könnte, wenn ein Mitgliedstaat gegen die darin vorgesehene Verpflichtung verstößt. Die Bestimmung kann daher vor den nationalen Gerichten nicht geltend gemacht werden, um die Aufhebung oder Nichtanwendung auf den Einzelnen einer nicht mitgeteilten Vorschrift zu erreichen ( 33 ).

    61.

    Meiner Auffassung nach sieht Art. 16 der Richtlinie 94/62 ein einfaches Informationsverfahren vor, das dem vom Gerichtshof in seinen Urteilen Enichem Base und Bulk Oil geprüften Verfahren ähnelt ( 34 ).

    62.

    Bei dieser Art von Verfahren halte ich es, anders als es die Kommission in der mündlichen Verhandlung vertreten hat, für folgerichtig, eine Nichtanwendbarkeit nationaler Vorschriften gegenüber dem Einzelnen abzulehnen, wenn diese Vorschriften ohne Einhaltung der Pflicht zur vorherigen Mitteilung angenommen wurden, die sich aus einer Unionsvorschrift ergibt, die keine unmittelbar mit der Nichteinhaltung dieser Pflicht verbundenen Rechtsfolgen vorsieht.

    63.

    Das einfache Informationsverfahren gemäß Art. 16 der Richtlinie 94/62 ist, wie ich wiederholen möchte, nicht mit dem Verfahren aus der Richtlinie 98/34 oder Verfahren aus anderen, ihrem Modell folgenden Vorschriften vergleichbar, wie dies bei der Pflicht nach Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 der Fall war, auf die ich vorstehend verwiesen habe ( 35 ).

    64.

    Die Querverweise in Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 94/62 und Art. 8 Abs. 5 der Richtlinie 98/34 ändern nichts an den vorstehenden Ausführungen. Diese Bestimmungen beschränken sich auf den Hinweis, dass die Mitteilung eines nationalen Entwurfs für zwei Informationsverfahren gelten kann, die in verschiedenen „Gemeinschaftsrechtsakten“ vorgesehen sind. Auf diese Weise wird verhindert, dass ein und derselbe Entwurf der Kommission mehrfach mitgeteilt wird. Diese Regel ändert jedoch nichts an der Unterschiedlichkeit der beiden Verfahren.

    65.

    Ich halte es auch für erforderlich, klarzustellen, dass, wie die Kommission in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, die Mitteilung eines Entwurfs einer technischen Vorschrift auf der Grundlage von Art. 8 der Richtlinie 98/34 nicht für die Zwecke der Anwendung von Art. 114 Abs. 5 AEUV gültig ist. Um diese Bestimmung des AEU‑Vertrags anwenden zu können, hat der Mitgliedstaat zu begründen, dass die von ihm geplante einzelstaatliche Bestimmung auf der Notwendigkeit eines höheren Schutzniveaus für die Umwelt (auch für die Arbeitsumwelt) und einem spezifischen Problem für diesen Mitgliedstaat beruht, das sich aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme ergibt.

    66.

    Die Mitteilung im Sinne der Richtlinie 98/34 erfordert keine solche weitreichende Begründung. Darüber hinaus führt die Mitteilung im Sinne dieser Richtlinie lediglich zu einer Aussetzung des Inkrafttretens des Gesetzesentwurfs für einen bestimmten Zeitraum, um etwaige Reaktionen der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten abzuwarten.

    67.

    Zweck der Mitteilung im Sinne des Art. 114 Abs. 5 AEUV ist es hingegen, dass die Kommission eine restriktivere Regelung billigt, nachdem sie geprüft hat, dass sie kein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung und keine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellt und das Funktionieren des Binnenmarkts nicht behindert.

    D.   Zweite Vorlagefrage

    68.

    Das vorlegende Gericht möchte im Wesentlichen wissen, ob eine nationale Vorschrift, die das Inverkehrbringen von Einwegtragetaschen, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, aber die übrigen Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, verbietet,

    gegen Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 und Anhang II verstößt;

    sich mit dem Ziel rechtfertigen lässt, ein höheres Umweltschutzniveau zu gewährleisten.

    1. Unvereinbarkeit der nationalen Regelung mit Art. 18 der Richtlinie 94/62

    69.

    Nach Art. 18 der Richtlinie 94/62 „[dürfen die] Mitgliedstaaten … in ihrem Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen von Verpackungen, die dieser Richtlinie entsprechen, nicht verbieten“.

    70.

    Nach Art. 9 der Richtlinie 94/62 „[dürfen] nur Verpackungen in den Verkehr gebracht werden …, die alle grundlegenden Anforderungen dieser Richtlinie einschließlich des Anhangs II erfüllen“. Dieser Anhang wiederum regelt die „[Grundlegenden] Anforderungen an die Zusammensetzung, die Wiederverwendbarkeit und Verwertbarkeit, einschließlich stofflicher Verwertbarkeit, von Verpackungen“ ( 36 ).

    71.

    Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs sind die „Kennzeichnung und Identifizierung der Verpackungen sowie die Anforderungen an die Zusammensetzung und die Wiederverwendbarkeit bzw. Verwertbarkeit der Verpackungen“ (Art. 8 bis 11 und Anhang II der Richtlinie 94/62) abschließend harmonisiert ( 37 ).

    72.

    Aus dieser Erklärung lassen sich die nachstehenden Folgen ableiten:

    Wenn eine Unionsvorschrift eine vollständige Harmonisierung vornimmt, wird sichergestellt, dass das nach den harmonisierten Anforderungen hergestellte Produkt in der gesamten Union in den Genuss des freien Warenverkehrs gelangt. Die Mitgliedstaaten verlieren die Möglichkeit, aus Gründen des Allgemeininteresses zusätzliche Voraussetzungen aufzustellen ( 38 ).

    Durch die umfassende Harmonisierung nehmen die Unionsbehörden die erforderliche Abwägung zwischen dem Ziel des freien Warenverkehrs und dem Schutz der allgemeinen Interessen vor, und diese Abwägung kann von den nationalen Behörden nicht erneut vorgenommen werden.

    Eine nationale Maßnahme in einem Bereich, der auf Unionsebene vollständig harmonisiert wurde, ist anhand der Bestimmungen dieser Harmonisierungsmaßnahme und nicht anhand des Primärrechts zu beurteilen ( 39 ).

    73.

    Ausgehend von diesen Prämissen steht Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 und Anhang II aus materiellen bzw. sachlichen Gründen dem Erlass einer nationalen Regelung wie der hier in Rede stehenden entgegen.

    74.

    Nach dem Dekret von 2013 dürfen Tragetaschen, die einer technischen Norm (UNI EN 13432:2002) nicht entsprechen – auch wenn sie gegebenenfalls die in Anhang II Nr. 3 der Richtlinie 94/62 genannten anderen Anforderungen an die Verwertbarkeit erfüllen –, nicht in Verkehr gebracht werden, es sei denn, sie erfüllen weitere technische Spezifikationen in Bezug auf Wandstärke und Form, die ebenso wenig in der Richtlinie vorgesehen sind.

    75.

    Somit soll das Dekret von 2013 zwar einen wirksamen Umweltschutz und eine effizientere Abfallsammlung gewährleisten, doch optiert es für (und priorisiert) die Methoden der biologischen Verwertung und der biologischen Abbaubarkeit gegenüber den nach der Richtlinie 94/62 zulässigen Methoden der stofflichen Verwertung und der energetischen Verwertung.

    76.

    Anhang II Nr. 3 der Richtlinie 94/62 bezieht sich unterschiedslos auf diese vier Methoden der Verwertbarkeit von Verpackungen. Eine nationale Regelung darf daher nicht im Widerspruch zu der Entscheidung des Unionsgesetzgebers stehen, wenn dieser den entsprechenden Bereich vollständig harmonisiert und den Mitgliedstaaten keine Möglichkeit gelassen hat, bestimmte Methoden der Verwertung von Verpackungen gegenüber anderen zu priorisieren oder zu verbieten.

    2. Rechtfertigung mit Umweltschutz?

    77.

    Die Art. 8 bis 11 und der Anhang II der Richtlinie 94/62 nehmen, wie ich wiederholen möchte, eine umfassende Harmonisierung der Kennzeichnung und Identifizierung von Verpackungen sowie der Anforderungen an die Zusammensetzung und ihre Wiederverwendbarkeit bzw. Verwertbarkeit der Verpackungen vor. Die einzige Möglichkeit für die Italienische Republik, eine restriktivere Regelung zu erlassen, war daher die in Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV vorgesehene Möglichkeit ( 40 ).

    78.

    Diese Bestimmungen des AEU‑Vertrags geben einem Mitgliedstaat die Möglichkeit, gestützt auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse neue einzelstaatliche Bestimmungen zu erlassen, die sich u. a. auf den Umweltschutz beziehen und durch ein für diesen Mitgliedstaat spezifisches Problem gerechtfertigt sind, das nach dem Erlass der Harmonisierungsmaßnahme auftritt.

    79.

    Diese Möglichkeit ist jedoch davon abhängig, dass die nationale Maßnahme vorher mitgeteilt und von der Kommission innerhalb von sechs Monaten nach der Mitteilung genehmigt wird ( 41 ). Da nicht ersichtlich ist, dass die italienische Regierung diese Anforderungen erfüllt hat, kommt die Ausnahmeregelung des Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV in der vorliegenden Rechtssache nicht zur Anwendung.

    3. Auswirkung von Art. 4 Abs. 1a der Richtlinie 94/62

    80.

    Die italienische Regierung und Assobioplastiche machen geltend, das Dekret von 2013 sei mit der durch die Richtlinie 2015/720 vorgenommenen Einführung des neuen Art. 4 Abs. 1a der Richtlinie 94/62 bestätigt worden.

    81.

    Ich kann ihrer Argumentation aus folgenden Gründen nicht zustimmen:

    Die Richtlinie 2015/720, deren Umsetzungsfrist am 27. November 2016 abgelaufen ist (Art. 2), ist auf den Rechtsstreit, der nach dem Erlass des Dekrets von 2013 entstanden ist, in zeitlicher Hinsicht nicht anwendbar.

    Die Richtlinie 2015/720 lässt zwar nationale Ausnahmen vom freien Inverkehrbringen von Verpackungen zu, die mit der Richtlinie 94/62 vereinbar sind, jedoch gilt dies nur für leichte Kunststofftragetaschen (mit einer Wandstärke unter 50 Mikron). Das Dekret von 2013 hingegen enthielt ein umfassenderes Verbot und kam auch auf Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von mehr als 60 Mikron zur Anwendung.

    82.

    Im Ergebnis steht Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II einer nationalen Vorschrift entgegen, die das Inverkehrbringen von Einwegtragetaschen, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, aber die übrigen Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, verbietet, sofern der Mitgliedstaat diese Rechtsvorschrift nicht im Sinne des Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV der Kommission mitgeteilt und diese sie genehmigt hat.

    E.   Dritte Vorlagefrage

    83.

    Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II unmittelbare Wirkung entfaltet und alle Organe eines Mitgliedstaats dazu verpflichtet, eine entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift unangewendet zu lassen.

    84.

    Nach ständiger Rechtsprechung zur unmittelbaren Wirkung von Richtlinien ( 42 ) gilt:

    „… [Der] Einzelne [kann sich] in all den Fällen, in denen die Bestimmungen einer Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, vor nationalen Gerichten gegenüber dem Staat auf diese Bestimmungen berufen, wenn dieser die Richtlinie nicht fristgemäß oder nur unzulänglich in das nationale Recht umgesetzt hat …“

    „… [Eine] Unionsvorschrift [ist] zum einen unbedingt …, wenn sie eine Verpflichtung normiert, die an keine Bedingung geknüpft ist und zu ihrer Durchführung oder Wirksamkeit auch keiner weiteren Maßnahmen der Unionsorgane oder der Mitgliedstaaten bedarf, und sie zum anderen hinreichend genau ist, um von einem Einzelnen geltend gemacht und vom Gericht angewandt zu werden, wenn sie in unzweideutigen Worten eine Verpflichtung festlegt …“

    „… [Eine] Bestimmung einer Richtlinie [kann] auch dann, wenn die Richtlinie den Mitgliedstaaten einen gewissen Gestaltungsspielraum beim Erlass der Durchführungsvorschriften lässt, als unbedingt und genau angesehen werden …, wenn sie den Mitgliedstaaten unmissverständlich eine Verpflichtung zur Erreichung eines bestimmten Ergebnisses auferlegt, die im Hinblick auf die Anwendung der dort aufgestellten Regel durch keinerlei Bedingungen eingeschränkt ist …“

    85.

    Bei Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II handelt es sich um eine klare, genaue und unbedingte Unionsvorschrift mit unmittelbarer Wirkung, die der Einzelne vor den nationalen Gerichten gegenüber den Behörden des italienischen Staates geltend machen kann.

    86.

    Insoweit reicht der Hinweis, dass Art. 18 der Richtlinie 94/62 es den Mitgliedstaaten kategorisch und ohne Ausnahme untersagt, in ihrem Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen von Verpackungen, die den in dieser Richtlinie festgelegten Anforderungen entsprechen, zu verbieten.

    87.

    Auf diese Anforderungen (Art. 8 bis 11 und Anhang II), die sich auf die Kennzeichnung und Identifizierung sowie auf die Zusammensetzung und die Wiederverwendbarkeit oder Verwertbarkeit beziehen, verweist Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 94/62, indem er vorsieht, dass nur Verpackungen in Verkehr gebracht werden dürfen, die diese Anforderungen erfüllen.

    88.

    Konkret enthält Anhang II die Anforderungen an die Herstellung und Zusammensetzung von Verpackungen (Nr. 1), an die Wiederverwertbarkeit der Verpackung (Nr. 2) und an ihre Verwertbarkeit (Nr. 3). Wie ich bereits dargestellt habe, sind vier alternative Kriterien für die Verwertbarkeit von Verpackungen festgelegt (stoffliche Verwertung, energetische Verwertung, biologische Verwertung oder biologische Abbaubarkeit).

    89.

    Bis zur Änderung der Richtlinie 94/62 durch die Richtlinie 2015/720 konnten gemäß der Richtlinie 94/62 hergestellte Verpackungen ohne Bedingungen frei in Verkehr gebracht werden. Erst seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2015/720 besteht für die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, restriktivere Maßnahmen für das Inverkehrbringen von leichten Kunststofftragetaschen einzuführen.

    90.

    Da Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II unmittelbare Wirkung entfaltet, ist das nationale Gericht verpflichtet, in dem Rechtsstreit jegliche entgegenstehende nationale Vorschrift unangewendet zu lassen ( 43 ).

    F.   Vierte Vorlagefrage

    91.

    Da im Ausgangsverfahren „der Ersatz des Schadens, der durch das rechtswidrige Verhalten der [italienischen] Verwaltung entstanden ist bzw. noch entstehen wird“, geltend gemacht wird, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob „eine… nationale… Vorschrift, die das Inverkehrbringen von Einwegbeuteln, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, aber die Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, verbietet“, einen schwerwiegenden und offensichtlichen Verstoß gegen Art. 18 der Richtlinie 94/62 darstellt.

    92.

    Damit ein Staat für die Schäden haftet, die Einzelnen durch dem Staat zuzurechnende Verstöße gegen das Unionsrecht entstanden sind, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

    Die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, bezweckt, den Einzelnen Rechte zu verleihen.

    Der Verstoß gegen diese Norm ist hinreichend qualifiziert.

    Zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden besteht ein unmittelbarer Kausalzusammenhang ( 44 ).

    93.

    Diese drei Voraussetzungen sind erforderlich und ausreichend, um für den Einzelnen einen Entschädigungsanspruch zu begründen. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Haftung des Staates auf der Grundlage des nationalen Rechts unter weniger einschränkenden Voraussetzungen ausgelöst werden kann ( 45 ).

    94.

    Es obliegt entsprechend den vom Gerichtshof hierfür entwickelten Leitlinien grundsätzlich den nationalen Gerichten, zu prüfen, ob die drei Voraussetzungen vorliegen ( 46 ). Von diesen drei Voraussetzungen fragt das vorlegende Gericht nur nach dem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht. Es scheint also keine Zweifel am Vorliegen der beiden anderen Voraussetzungen zu haben.

    95.

    Der Gerichtshof kann dem vorlegenden Gericht Hinweise geben, damit es selbst entscheiden kann, ob im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung sämtlicher Elemente des Rechtsstreits ein hinreichend qualifizierter Verstoß vorliegt oder nicht. Zu den Faktoren, die für sein Urteil relevant sind, gehören:

    das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift,

    der Umfang des Ermessensspielraums, den die verletzte Vorschrift den Behörden belässt,

    die Frage, ob der Verstoß vorsätzlich oder nicht vorsätzlich begangen oder der Schaden vorsätzlich oder nicht vorsätzlich zugefügt wurde,

    die Entschuldbarkeit oder Unentschuldbarkeit eines etwaigen Rechtsirrtums und

    der Umstand, dass die Verhaltensweisen eines Unionsorgans möglicherweise dazu beigetragen haben, dass nationale Maßnahmen oder Praktiken in unionsrechtswidriger Weise unterlassen, eingeführt oder aufrechterhalten wurden ( 47 ).

    96.

    Was die Klarheit und Genauigkeit anbetrifft, so liegen beide Voraussetzungen in Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II vor. Es handelt sich um eindeutige Bestimmungen, die den Mitgliedstaaten eine negative Verpflichtung auferlegen (d. h. die Pflicht, das Inverkehrbringen von Verpackungen nicht zu verhindern, sofern diese den Merkmalen entsprechen, die in der eine vollständige Harmonisierung vornehmenden Richtlinie festgelegt sind).

    97.

    Es besteht kein Zweifel am Vorsatz des italienischen Staates, nur das Inverkehrbringen der im Dekret von 2013 vorgesehenen Kunststofftragetaschen zuzulassen und gleichzeitig andere nach der Richtlinie 94/62 zulässige Tragetaschen zu verbieten. Zwar bestand das Ziel dieser Maßnahme in der Verringerung der Umweltverschmutzung, jedoch war sich der italienische Gesetzgeber bewusst, dass er mit der Einführung einer solchen Regelung gegen die Richtlinie 94/62 verstoßen könnte ( 48 ).

    98.

    Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II lässt den nationalen Behörden keinen Ermessensspielraum, um in ihrem Hoheitsgebiet Verpackungen, die den harmonisierten Normen entsprechen, zu verbieten. Die italienische Regierung hätte im Rahmen des Verfahrens nach Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV restriktivere Vorschriften zum Schutz der Umwelt erlassen können, jedoch ist, wie ich bereits dargelegt habe, nicht ersichtlich, dass sie dies getan hat.

    99.

    Wie ich ebenfalls bereits ausgeführt habe, hatten die Mitgliedstaaten bis zur Verabschiedung der Richtlinie 2015/720, mit der der neue Art. 4 Abs. 1a in die Richtlinie 94/62 eingeführt wurde, keinen Ermessensspielraum, um hinsichtlich des Inverkehrbringens von leichten Einweg-Kunststofftragetaschen restriktivere nationale Maßnahmen einzuführen.

    100.

    Die gesetzgeberische Änderung könnte jedoch Auswirkungen haben ( 49 ), falls das vorlegende Gericht der Ansicht sein sollte, dass der italienische Staat (infolge eines Irrtums, über dessen Entschuldbarkeit das vorlegende Gericht zu entscheiden hat) dem am 4. November 2013 vorgelegten Legislativvorschlag der Kommission ( 50 ), der zum Erlass der Richtlinie 2015/720 geführt hat, zuvorkommen wollte.

    101.

    Dieser Vorschlag erfolgte jedoch nach der Veröffentlichung des Dekrets von 2013. Es kann daher schwerlich geltend gemacht werden, dass im vorliegenden Fall ein Unionsorgan zur Einführung der nationalen Maßnahme beigetragen habe.

    102.

    Im Ergebnis kann das Verbot des Inverkehrbringens leichter Einweg-Kunststofftragetaschen, die aus biologisch nicht abbaubaren und nicht kompostierbaren Materialien hergestellt sind oder die bestimmte Anforderungen an die Wandstärke nicht erfüllen, einen offenkundig qualifizierten Verstoß gegen Art. 18 der Richtlinie 94/62 dann darstellen, wenn diese Tragetaschen die Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, was das nationale Gericht zu prüfen hat.

    V. Ergebnis

    103.

    Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die vom Tribunale Amministrativo Regionale per il Lazio (Regionales Verwaltungsgericht Latium, Italien) vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

    1.

    Eine nationale Bestimmung, die das Inverkehrbringen von Einweg-Kunststofftragetaschen, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, verbietet und die der Mitgliedstaat der Kommission nach ihrem Erlass und einige Tage vor ihrer amtlichen Veröffentlichung mitgeteilt hat,

    verstößt gegen Art. 8 Abs. 1 und Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 geänderten Fassung und kann dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden;

    verstößt nicht gegen das einfache Informationsverfahren gemäß Art 16 Abs. 1 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle, wenn diese Taschen die übrigen Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen.

    2.

    Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II steht einer nationalen Bestimmung entgegen, die das Inverkehrbringen von leichten Einweg-Kunststofftragetaschen, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, aber die übrigen Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, verbietet, sofern der Mitgliedstaat diese Rechtsvorschrift nicht im Sinne des Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV der Kommission mitgeteilt und diese sie genehmigt hat.

    3.

    Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II entfaltet unmittelbare Wirkung und verpflichtet alle Organe eines Mitgliedstaats, einschließlich der Gerichte, eine entgegenstehende nationale Rechtsvorschrift in einem konkreten Rechtsstreit, mit dem sie befasst sind, unangewendet zu lassen.

    4.

    Das Verbot des Inverkehrbringens leichter Einweg-Kunststofftragetaschen, die aus biologisch nicht abbaubaren und nicht kompostierbaren Materialien hergestellt sind bzw. die bestimmte Anforderungen an die Wandstärke nicht erfüllen, kann dann, wenn diese Taschen die Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen, einen offenkundig qualifizierten Verstoß gegen Art. 18 der Richtlinie 94/62 in Verbindung mit ihrem Art. 9 Abs. 1 und Anhang II darstellen, was das nationale Gericht zu prüfen hat.


    ( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

    ( 2 ) Vgl. die Resolution UNEP/EA.5/Res.14 der Umweltversammlung der Vereinten Nationen vom 2. März 2022, End plastic pollution: towards an international legally binding instrument.

    ( 3 ) Zu diesem Phänomen in der Union vgl. das Dokument COM(2018) 28 final vom 16. Januar 2018, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine europäische Strategie für Kunststoffe in der Kreislaufwirtschaft.

    ( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. 1994, L 365, S. 10).

    ( 5 ) In der durch die Richtlinie (EU) 2015/720 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 zur Änderung der Richtlinie 94/62/EG betreffend die Verringerung des Verbrauchs von leichten Kunststofftragetaschen (ABl. 2015 L 115, S. 11) geänderten Fassung.

    ( 6 ) Ebd.

    ( 7 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 1998, L 204, S. 37), in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung. Diese Richtlinie wurde ab dem 6. Oktober 2015 ersetzt durch die Richtlinie (EU) 2015/1535 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. September 2015 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft (ABl. 2015, L 241, S. 1).

    ( 8 ) Decreto ministeriale – Individuazione delle caratteristiche tecniche dei sacchi per l’asporto delle merci, del Ministero dell’Ambiente e della Tutela del Territorio e del Mare e del Ministero dello Sviluppo Economico (Ministerialdekret des Ministeriums für Umwelt, Landschafts- und Meeresschutz und des Ministeriums für wirtschaftliche Entwicklung zur Festlegung der technischen Merkmale von Einwegtaschen) vom 18. März 2013 (GURI Nr. 73 vom 27. März 2013, im Folgenden: Dekret von 2013).

    ( 9 ) UNI EN 13432:2002 vom 1. März 2002, Imballaggi – Requisiti per imballaggi recuperabili mediante compostaggio e biodegradazione – Schema di prova e criteri di valutazione per l'accettazione finale degli imballaggi. Der Text der Norm kann gegen eine Gebühr auf der Website der UNI Ente Italiano di Normazione abgerufen werden.

    ( 10 ) In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin diesen Schaden als entgangenen Gewinn bezeichnet, der ihr dadurch entstanden sei, dass sie in Italien keine nach den Vorschriften der Richtlinie 94/62 hergestellten Tragetaschen habe verkaufen können, die sie in anderen Mitgliedstaaten hingegen rechtmäßig vertrieben habe.

    ( 11 ) Das Dekret von 2013 verbiete das Inverkehrbringen von Tragetaschen, die nicht den Spezifikationen der Norm UNI EN 13432:2002 oder weiteren technischen Spezifikationen in Bezug auf Wandstärke und Form entsprächen. In der Richtlinie 94/62 seien solche Anforderungen nicht vorgesehen, und somit verbiete die Italienische Republik das Inverkehrbringen von Tragetaschen, die die in Anhang II Nr. 3 der Richtlinie 94/62 festgelegten Anforderungen erfüllten.

    ( 12 ) Die Verwaltung macht geltend, italienische Verbraucher würden für die Sammlung organischer Abfälle gewöhnlich Einweg-Kunststofftragetaschen verwenden.

    ( 13 ) Und zwar: a) biologisch abbaubare und kompostierbare Einwegtragetaschen, die der harmonisierten Norm UNI EN 13432:2002 entsprächen, b) herkömmliche Kunststofftragetaschen mit einer bestimmten Wandstärke, die daher wiederverwendbar seien, c) wiederverwendbare Tragetaschen aus Papier, aus Naturfasergewebe, aus Polyamidfasern und aus anderen Materialien als Kunststoffen.

    ( 14 ) Genauer gesagt sind diese Taschen als Einwegtragetaschen zu bezeichnen, die nicht unbedingt nur zum einmaligen Gebrauch bestimmt sind, da der Verbraucher sie mehr als einmal verwenden kann, sofern er dies beabsichtigt und die Tragetasche nicht reißt.

    ( 15 ) Urteile vom 29. April 2004, Plato Plastik Robert Frank (C‑341/01, EU:C:2004:254), und vom 10. November 2016Eco-Emballages u. a. (C‑313/15 und C‑530/15, EU:C:2016:859).

    ( 16 ) Urteile vom 13. November 2018, Levola Hengelo (C‑310/17, EU:C:2018:899, Rn. 28), und vom 6. Oktober 2022, Contship Italia (C‑433/21 und C‑434/21, EU:C:2022:760, Rn. 24).

    ( 17 ) Nach Auffassung von Assobioplastiche (Rn. 4 ihrer schriftlichen Erklärungen) ist das Dekret von 2013 seit dem 13. August 2017 nicht mehr in Kraft, da es durch die italienische Rechtsvorschrift zur Umsetzung der Richtlinie 2015/720 ersetzt worden sei, d. h. durch das Decreto-legge n.o 91, disposizioni urgenti per la crescita economica nel Mezzogiorno (Gesetzesdekret Nr. 91 über dringende Bestimmungen für die wirtschaftliche Entwicklung von Süditalien) vom 20. Juni 2017 (GURI Nr. 141 vom 20. Juni 2017, S. 1), das mit Änderungen in die Legge n.o 123 (Gesetz Nr. 123) vom 3. August 2017 (GURI Nr. 188 vom 12. August 2017, S. 1) umgewandelt wurde.

    ( 18 ) Decreto-Legge n.o 2, misure straordinarie e urgenti in materia ambientale (Gesetzesdekret Nr. 2 über außerordentliche und dringende Maßnahmen im Umweltbereich, im Folgenden: Gesetzesdekret 2/2012) vom 25. Januar 2012 (GURI Nr. 20 vom 25. Januar 2012, S. 1), das mit Änderungen in die Legge n.o 28 (Gesetz Nr. 28) vom 24. März 2012 (GURI Nr. 71 vom 24. März 2012, S. 1) umgewandelt wurde.

    ( 19 ) D. h. eine nationale Bestimmung, die das Inverkehrbringen von Einwegtragetaschen verbietet, die aus biologisch nicht abbaubaren Materialien hergestellt sind, aber die übrigen Anforderungen der Richtlinie 94/62 erfüllen.

    ( 20 ) Die erste Vorlagefrage konzentriert sich also auf verfahrensrechtliche Aspekte. Auf die Vereinbarkeit des Dekrets von 2013 mit Art. 114 Abs. 5 und 6 AEUV in materieller Hinsicht werde ich im Rahmen der zweiten Vorlagefrage eingehen.

    ( 21 ) Vgl. z. B. Urteil vom 24. November 2022, Belplant (C‑658/21, EU:C:2022:925).

    ( 22 ) Siehe oben die Definition des Begriffs „Entwurf einer technischen Vorschrift“ in Art. 1 Nr. 12 der Richtlinie 98/34.

    ( 23 ) Urteile vom 30. April 1996, CIA Security International (C‑194/94, EU:C:1996:172, im Folgenden: Urteil CIA Security International, Rn. 49 und 50), vom 4. Februar 2016, Ince (C‑336/14, EU:C:2016:72, Rn. 84), vom 27. Oktober 2016, James Elliott Construction (C‑613/14, EU:C:2016:821, Rn. 64), und vom 3. Dezember 2020, Star Taxi App (C‑62/19, EU:C:2020:980, Rn. 57).

    ( 24 ) Nach Eingang der Mitteilung läuft eine Frist von drei, vier oder sechs Monaten, in der der mitgeteilte Entwurf nicht endgültig angenommen werden darf, um der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten die Möglichkeit zu geben, dem mitteilenden Staat Bemerkungen oder ausführliche Stellungnahmen zur Vereinbarkeit des Entwurfs mit dem Unionsrecht vorzulegen. Diese Frist verlängert sich auf zwölf Monate, wenn die Kommission beschließt, für den betreffenden Bereich eine Harmonisierungsvorschrift vorzuschlagen.

    ( 25 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) (ABl. 2000, L 178, S. 1). Art. 3 Abs. 4 Buchst. b zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2000/31 stellt für die Mitgliedstaaten die genau umrissene Verpflichtung auf, die Kommission und den Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der betroffene Dienstleistungserbringer ansässig ist, vorab über ihre Absicht zu unterrichten, eine Maßnahme zu ergreifen, die den freien Verkehr dieses Dienstes beschränkt.

    ( 26 ) Urteil vom 19. Dezember 2019 (C‑390/18, EU:C:2019:1112, im Folgenden: Urteil Airbnb Ireland, Rn. 88 bis 97).

    ( 27 ) Das Mitteilungs- und Kontrollverfahren erlaubt es der Kommission, den Erlass oder zumindest die Aufrechterhaltung von gegen den AEU‑Vertrag verstoßenden Handelsschranken u. a. dadurch zu verhindern, dass sie Änderungen der geplanten nationalen Maßnahmen vorschlägt (Urteil Airbnb Ireland, Rn. 90 und 92).

    ( 28 ) Mitteilung Nr. 2013/152/I vom 12. März 2013, Entwurf einer interministeriellen Verordnung über die technischen Eigenschaften von Einkaufstaschen, die den Bestimmungen von Artikel 2 der Gesetzesverordnung Nr. 2/2012 entsprechen, umgewandelt in das Gesetz Nr. 28/2012, verfügbar unter: https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/en/search/?trisaction=search.detail&year=2013&num=152.

    ( 29 ) Urteil vom 8. September 2005, Kommission/Portugal (C‑500/03, nicht veröffentlicht, EU:C:2005:515, Rn. 39).

    ( 30 ) Die italienische Regierung bezieht sich auf das an sie gerichtete Schreiben der Kommission vom 23. Juni 2015.

    ( 31 ) Dieser Umstand führte nach Angaben der italienischen Regierung zur Verabschiedung des Decreto-legge n.o 91 (Gesetzesdekret Nr. 91/2014) vom 24. Juni 2014 (GURI Nr. 144 vom 24. Juni 2014, S. 1), mit Änderungen umgewandelt in die Legge n.o 116, recante disposizioni urgenti per il settore agricolo, la tutela ambientale e l'efficientamento energetico dell'edilizia scolastica e universitaria, il rilancio e lo sviluppo delle imprese, il contenimento dei costi gravanti sulle tariffe elettriche, nonche' per la definizione immediata di adempimenti derivanti dalla normativa europea (Gesetz Nr. 116 mit Dringlichkeitsbestimmungen für den Agrarsektor, den Umweltschutz und die Energieeffizienz von Schul- und Hochschulgebäuden, die Wiederbelebung und Entwicklung von Unternehmen, die Eindämmung der auf den Stromtarifen lastenden Kosten und die sofortige Festlegung von Verpflichtungen, die sich aus dem Unionsrecht ergeben) vom 11. August 2014 (Supplemento ordinario zur GURI Nr. 192 vom 20. August 2014), mit deren Art. 11 Abs. 2a aus Art. 2 Abs. 4 des Gesetzesdekrets Nr. 2/2012 jeglicher Verweis auf das Ministerialdekret gestrichen wurde, um die darin vorgesehenen Sanktionen unmittelbar anwendbar zu machen.

    ( 32 ) Mitteilung Nr. 2011/174/I vom 5. April 2011, Entwurf eines Gesetzes über ein Vermarktungsverbot von nicht biologisch abbaubaren Einkaufstaschen, verfügbar unter: https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/tris/en/search/?trisaction=search.detail&year=2011&num=174.

    ( 33 ) Vgl. entsprechend in Bezug auf Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. 1975, L 194, S. 47) Urteil vom 13. Juli 1989, Enichem Base u. a. (380/87, EU:C:1989:318, im Folgenden: Urteil Enichem Base, Rn. 22 bis 24).

    ( 34 ) Urteil vom 18. Februar 1986, Bulk Oil (Zug) (174/84, EU:C:1986:60, Rn. 62).

    ( 35 ) Urteil Airbnb Ireland, Rn. 94: Diese Pflicht „[stellt] nicht eine bloße Mitteilungspflicht dar, die mit der in der Rechtssache, in der das Urteil … Enichem Base u. a. … ergangen ist, in Rede stehenden vergleichbar wäre, sondern vielmehr eine wesentliche Verfahrensvorschrift, die es rechtfertigt, dass nicht mitgeteilte Maßnahmen, die den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränken, dem Einzelnen nicht entgegengehalten werden dürfen“. Dem steht nicht entgegen, dass die Bestimmung „keine Stillhalteverpflichtung zulasten des Mitgliedstaats vor[sieht], der den Erlass einer Maßnahme beabsichtigt, mit der der freie Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränkt wird“ (Rn. 93).

    ( 36 ) Konkret enthält Anhang II Nr. 1 eine Reihe von Anforderungen an die Herstellung und Zusammensetzung von Verpackungen, Nr. 2 Anforderungen an die Wiederverwertbarkeit der Verpackung und Nr. 3 Anforderungen an ihre Verwertbarkeit. In Bezug auf die Verwertbarkeit sieht die Vorschrift vier alternative Kriterien vor: Die Verwertbarkeit der Verpackungen kann entweder durch die stoffliche Verwertung der verwendeten Materialien, durch die energetische Verwertung, durch die biologische Verwertung oder durch ihre biologische Abbaubarkeit gewährleistet werden. Die Verwendung einer dieser Technologien zur Verwertung von Verpackungen gewährleistet jedenfalls, dass sie auf dem Binnenmarkt der Union in Verkehr gebracht werden können.

    ( 37 ) Urteile vom 14. Dezember 2004, Radlberger Getränkegesellschaft und S. Spitz (C‑309/02, EU:C:2004:799, Rn. 56), und vom 14. Dezember 2004, Kommission/Deutschland (C‑463/01, EU:C:2004:797, Rn. 44). Hingegen ist „die Organisation der nationalen Systeme, mit denen die Wiederverwendung von Verpackungen gefördert werden soll, … nicht abschließend harmonisiert“.

    ( 38 ) Urteile vom 5. Mai 1993, Kommission/Frankreich (C‑246/91, EU:C:1993:174, Rn. 7), vom 8. Mai 2003, ATRAL (C‑14/02, EU:C:2003:265, Rn. 44), und vom 12. April 2018, Fédération des entreprises de la beauté (C‑13/17, EU:C:2018:246, Rn. 23).

    ( 39 ) Urteile vom 24. Februar 2022, Viva Telecom Bulgaria (C‑257/20, EU:C:2022:125, Rn. 23), und vom 19. Januar 2023, CIHEF u. a. (C‑147/21, EU:C:2023:31, Rn. 26).

    ( 40 ) Vgl. entsprechend Urteil vom 7. März 2013, Lapin ELY-keskus, liikenne ja infrastruktuuri (C‑358/11, EU:C:2013:142, Rn. 37).

    ( 41 ) Die Kommission muss prüfen, ob die nationale Maßnahme ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung oder eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellt und ob sie das Funktionieren des Binnenmarkts behindert.

    ( 42 ) Urteile vom 6. November 2018, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (C‑684/16, EU:C:2018:874, Rn. 63), vom 14. Januar 2021, RTS infra und Aannemingsbedrijf Norré-Behaegel (C‑387/19, EU:C:2021:13, Rn. 46 und 47), und vom 8. März 2022, Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld (Unmittelbare Wirkung) (C‑205/20, EU:C:2022:168, Rn. 17 bis 19).

    ( 43 ) Urteile vom 24. Juni 2019, Popławski (C‑573/17, EU:C:2019:530, Rn. 68), und vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2022:33, Rn. 20).

    ( 44 ) Urteile vom 28. Juni 2022, Kommission/Spanien (Verstoß des Gesetzgebers gegen das Unionsrecht) (C‑278/20, EU:C:2022:503, Rn. 31), und vom 22. Dezember 2022, Ministre de la Transition écologique und Premier ministre (Haftung des Staates für die Luftverschmutzung) (C‑61/21, EU:C:2022:1015, Rn. 44).

    ( 45 ) Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 66), und vom 28. Juni 2022, Kommission/Spanien (Verstoß des Gesetzgebers gegen das Unionsrecht) (C‑278/20, EU:C:2022:503, Rn. 32).

    ( 46 ) Urteile vom 19. Juni 2014, Specht u. a. (C‑501/12 bis C‑506/12, C‑540/12 und C‑541/12, EU:C:2014:2005, Rn. 100), und vom 4. Oktober 2018, Kantarev (C‑571/16, EU:C:2018:807, Rn. 95).

    ( 47 ) Urteile vom 5. März 1996, Brasserie du pêcheur und Factortame (C‑46/93 und C‑48/93, EU:C:1996:79, Rn. 56), und vom 29. Juli 2019, Hochtief Solutions Magyarországi Fióktelepe (C‑620/17, EU:C:2019:630, Rn. 42).

    ( 48 ) Aus diesem Grund machte er das Inkrafttreten des Dekrets von 2013 vom erfolgreichen Abschluss des in der Richtlinie 98/34 vorgesehenen Verfahrens abhängig.

    ( 49 ) Auf jeden Fall könnte sich – ausgehend von der Dauer der negativen Auswirkungen des Verstoßes auf die Wirtschaftsteilnehmer – das zeitliche Element auf die Berechnung der vom italienischen Staat zu zahlenden Entschädigung auswirken: Der offenkundig qualifizierte Verstoß wäre seit dem Inkrafttreten der Richtlinie 2015/720, zumindest was das Verbot des Inverkehrbringens von Einweg-Kunststofftragetaschen mit einer Wandstärke von weniger als 50 Mikron betrifft, weggefallen.

    ( 50 ) Dokument COM(2013) 761 final vom 4. November 2013, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 94/62 über Verpackungen und Verpackungsabfälle im Hinblick auf eine Verringerung der Verwendung von Kunststofftüten.

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