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Document 62021CJ0725

Urteil des Gerichtshofs (Zehnte Kammer) vom 9. März 2023.
SOMEO S.A. gegen Republika Slovenija.
Vorabentscheidungsersuchen des Vrhovno sodišče.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Gemeinsamer Zolltarif – Zolltarifliche Einreihung – Kombinierte Nomenklatur – Unterposition 9401 90 80 – Teile von Automobilsitzen – Netz zur Herstellung von Taschen auf der Sitzrückseite – Schutz für das Sitzinnere.
Rechtssache C-725/21.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2023:194

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zehnte Kammer)

9. März 2023 ( *1 )

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Zollunion – Gemeinsamer Zolltarif – Zolltarifliche Einreihung – Kombinierte Nomenklatur – Unterposition 94019080 – Teile von Automobilsitzen – Netz zur Herstellung von Taschen auf der Sitzrückseite – Schutz für das Sitzinnere“

In der Rechtssache C‑725/21

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof, Slowenien) mit Entscheidung vom 10. November 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 30. November 2021, in dem Verfahren

SOMEO S.A., vormals PEARL STREAM S.A.,

gegen

Republika Slovenija

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zehnte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten D. Gratsias sowie der Richter I. Jarukaitis und Z. Csehi (Berichterstatter),

Generalanwalt: A. Rantos,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

der slowenischen Regierung, vertreten durch N. Pintar Gosenca als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch U. Babovič, A. Kraner und M. Salyková als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft im Wesentlichen die Auslegung der Tarifposition 9401 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: KN) in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. 1987, L 256, S. 1) in den Fassungen der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014 (ABl. 2014, L 312, S. 1), der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 6. Oktober 2015 (ABl. 2015, L 285, S. 1) und der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1821 der Kommission vom 6. Oktober 2016 (ABl. 2016, L 294, S. 1).

2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der SOMEO S.A. und der Republika Slovenija, vertreten durch das Ministrstvo za finance (Finanzministerium, Slowenien), über die zolltarifliche Einreihung in die Unterposition KN 94019080 von Waren, die von der SOMEO S.A. nach Slowenien eingeführt und als Teile von Automobilsitzen deklariert wurden.

Rechtlicher Rahmen

Das HS

3

Das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS) wurde mit dem im Rahmen der Weltzollorganisation (WZO) am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossenen Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt und mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. 1987, L 198, S. 1) im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft genehmigt. Die Erläuterungen zum HS werden innerhalb der WZO nach den Bestimmungen dieses Übereinkommens ausgearbeitet.

4

Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. a Nr. 2 dieses Übereinkommens verpflichtet sich jede Vertragspartei, die Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung des HS sowie alle Anmerkungen zu den Abschnitten, Kapiteln und Unterpositionen anzuwenden und die Tragweite der Abschnitte, Kapitel, Positionen oder Unterpositionen des HS nicht zu verändern.

5

In den Erläuterungen zum HS in ihrer Fassung aus 2012 heißt es zu Kapitel 94 („Möbel; Medizinisch-chirurgische Möbel; Bettausstattungen und ähnliche Waren; Beleuchtungskörper, anderweit weder genannt noch inbegriffen; Reklameleuchten, Leuchtschilder, beleuchtete Namensschilder und dergleichen; vorgefertigte Gebäude“):

„1. Zu Kapitel 94 gehören nicht:

3.

A) Als Teile von Waren im Sinne der Positionen 9401 bis 9403 gelten nicht Platten aus Glas (einschließlich Spiegel), Marmor oder Stein oder aus einem anderen in Kapitel 68 oder 69 genannten Stoff, auch zugeschnitten, jedoch nicht mit anderen Teilen verbunden, wenn sie gesondert gestellt werden.

ALLGEMEINES

Zu Kapitel 94 gehören, vorbehaltlich der in diesen Erläuterungen aufgeführten Ausnahmen:

1) alle Möbel sowie ihre Teile (Pos. 9401 bis 9403).

TEILE

Zu dieser Position gehören nur Teile, auch wenn sie nur grob bearbeitet sind, von Waren der Positionen 9401 bis 9403 und 9405, die durch ihre Form oder andere charakteristische Merkmale ausschließlich oder hauptsächlich als Waren dieser Positionen erkennbar sind. Sie sind in dieses Kapitel einzureihen, wenn sie an keiner anderen Stelle genauer erfasst sind.

…“

6

Zu Position 9401 („Sitzmöbel [ausgenommen solche der Position 9402], auch wenn sie in Liegen umgewandelt werden können, und Teile davon“) präzisieren diese Erläuterungen zum Begriff „Teile“ im Sinne dieser Position:

„Zu dieser Position gehören außerdem erkennbare Sitzmöbelteile, insbesondere Rückenlehnen, Sesselsitze, Armlehnen, auch mit Stroh- oder Rohrgeflecht, gepolstert oder gefedert, sowie Federkerne, die zur Polsterung der genannten Sitzmöbel verwendet werden.

…“

7

Zu diesem Begriff heißt es in den Erläuterungen zum HS in ihrer Fassung aus dem Jahr 2017, dass er darüber hinaus „Sitz- oder Rückenlehnenbezüge zur permanenten Anbringung an die Sitze“ erfasst.

Die KN

8

Wie sich aus Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 254/2000 des Rates vom 31. Januar 2000 (ABl. 2000, L 28, S. 16) (im Folgenden: Verordnung Nr. 2658/87) ergibt, regelt die von der Europäischen Kommission eingeführte KN die zolltarifliche Einreihung von Waren, die in die Europäische Union eingeführt werden. Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 übernimmt die KN bei den ersten sechs Stellen die Codenummern der Positionen und Unterpositionen des HS; lediglich die siebte und die achte Stelle bilden eigene Unterteilungen.

9

Nach Art. 12 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2658/87 veröffentlicht die Kommission gemäß Art. 1 jährlich in Form einer Verordnung die vollständige Fassung der KN zusammen mit den Zollsätzen, wie sie sich aus den vom Rat der Europäischen Union oder von der Kommission beschlossenen Maßnahmen ergeben. Letztere Verordnung wird spätestens am 31. Oktober im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht und gilt jeweils ab dem 1. Januar des folgenden Jahres.

10

Die Durchführungsverordnungen Nr. 1101/2014, 2015/1754 und 2016/1821 wurden auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassen. Mit jeder dieser Durchführungsverordnungen wurde die KN mit Wirkung vom 1. Januar 2015, vom 1. Januar 2016 bzw. vom 1. Januar 2017 geändert. Der Wortlaut der für das Ausgangsverfahren einschlägigen Bestimmungen dieser Nomenklatur blieb jedoch unverändert.

11

In den Allgemeinen Vorschriften für die Auslegung der KN in Anhang I Teil I Titel I Abschnitt A in den jeweiligen Fassungen jeder dieser Durchführungsverordnungen heißt es:

„Für die Einreihung von Waren in die Kombinierte Nomenklatur gelten folgende Grundsätze:

1.

Die Überschriften der Abschnitte, Kapitel und Teilkapitel sind nur Hinweise. Maßgebend für die Einreihung sind der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und – soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts anderes bestimmt ist – die nachstehenden Allgemeinen Vorschriften.

3.

Kommen für die Einreihung von Waren bei Anwendung der Allgemeinen Vorschrift 2 b) oder in irgendeinem anderen Fall zwei oder mehr Positionen in Betracht, so wird wie folgt verfahren:

a)

Die Position mit der genaueren Warenbezeichnung geht den Positionen mit allgemeiner Warenbezeichnung vor. Zwei oder mehr Positionen, von denen sich jede nur auf einen Teil der in einer gemischten oder zusammengesetzten Ware enthaltenen Stoffe oder nur auf einen oder mehrere Bestandteile einer für den Einzelverkauf aufgemachten Warenzusammenstellung bezieht, werden im Hinblick auf diese Waren als gleich genau betrachtet, selbst wenn eine von ihnen eine genauere oder vollständigere Warenbezeichnung enthält.

b)

Mischungen, Waren, die aus verschiedenen Stoffen oder Bestandteilen bestehen, und für den Einzelverkauf aufgemachte Warenzusammenstellungen, die nach der Allgemeinen Vorschrift 3 a) nicht eingereiht werden können, werden nach dem Stoff oder Bestandteil eingereiht, der ihnen ihren wesentlichen Charakter verleiht, wenn dieser Stoff oder Bestandteil ermittelt werden kann.

c)

Ist die Einreihung nach den Allgemeinen Vorschriften 3 a) und 3 b) nicht möglich, wird die Ware der von den gleichermaßen in Betracht kommenden Positionen in dieser Nomenklatur zuletzt genannten Position zugewiesen.

…“

12

Der mit „Zolltarif“ betitelte Teil II des Anhangs I der KN enthält u. a. den Abschnitt VII („Kunststoffe und Waren daraus; Kautschuk und Waren daraus“). Dieser Abschnitt enthält ein Kapitel 39 („Kunststoffe und Waren daraus“). Nach Anmerkung 2 Buchst. x gehören zu diesem Kapitel nicht „Waren des Kapitels 94 (z. B. Möbel, Beleuchtungskörper, Reklameleuchten, vorgefertigte Gebäude)“.

13

Dieser Teil II enthält außerdem einen Abschnitt XI („Spinnstoffe und Waren daraus“). Nach Anmerkung 1 Buchst. s zu diesem Abschnitt gehören zu diesem Abschnitt nicht „Waren des Kapitels 94 (z. B. Möbel, Bettausstattungen, Beleuchtungskörper)“. Dieser Abschnitt enthält ein Kapitel 63 („Andere konfektionierte Spinnstoffwaren; Warenzusammenstellungen; Altwaren und Lumpen“). Nach Anmerkung 1 zu diesem Kapitel 63 gehören zu dessen Teilkapitel I („Andere konfektionierte Spinnstoffwaren“) „nur konfektionierte Waren aus Spinnstofferzeugnissen aller Art“.

14

Teil II enthält ferner einen Abschnitt XX („Verschiedene Waren“), in dem das Kapitel 94 („Möbel; medizinisch-chirurgische Möbel; Bettausstattungen und ähnliche Waren; Beleuchtungskörper, anderweit weder genannt noch inbegriffen; Reklameleuchten, Leuchtschilder, beleuchtete Namensschilder und dergleichen; vorgefertigte Gebäude“) enthalten ist.

15

In den Anmerkungen 1 und 3 zu Kapitel 94 heißt es:

„1.

Zu Kapitel 94 gehören nicht:

d)

Teile mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit im Sinne der Anmerkung 2 zu Abschnitt XV, aus unedlen Metallen (Abschnitt XV), gleichartige Waren aus Kunststoff (Kapitel 39) oder Panzerschränke der Position 8303;

3.

A)

Als Teile von Waren im Sinne der Positionen 9401 bis 9403 gelten nicht Platten aus Glas (einschließlich Spiegel), Marmor oder Stein oder aus einem anderen in Kapitel 68 oder 69 genannten Stoff, auch zugeschnitten, jedoch nicht mit anderen Teilen verbunden, wenn sie gesondert gestellt werden.

B)

Gesondert gestellte Waren der Position 9404 verbleiben in dieser Position, auch wenn sie zugleich Teile von Möbeln der Positionen 9401 bis 9403 sind.“

16

Kapitel 94 enthält u. a. die Position 9401, die folgenden Wortlaut hat:

„KN-Code

Warenbezeichnung

Vertrags-mäßiger Zollsatz (%)

Besondere Maßeinheit

1

2

3

4

9401

Sitzmöbel (ausgenommen solche der Position 9402), auch wenn sie in Liegen umgewandelt werden können, und Teile davon:

 

 

 

9401 90

– Teile:

 

 

9401 90 10

– – von Sitzen von der für Luftfahrzeuge verwendeten Art

1,7

 

– – andere:

 

 

9401 90 30

– – – aus Holz

2,7

9401 90 80

– – – andere

2,7

—“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

17

Zwischen August 2015 und Juni 2017 meldete die Klägerin des Ausgangsverfahrens in der KN-Unterposition 94019080 die Waren „Netz zur Herstellung von Taschen auf der Sitzrückseite – Bend and net“ (im Folgenden: Netz zur Herstellung von Taschen) und „Sitzschutz – Skirt assy“ (im Folgenden: Sitzschutz), die als Teile von Automobilsitzen eingestuft wurden, in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr an.

18

Nach einer nachträglichen Prüfung der in Rede stehenden Anmeldungen stellte die erstinstanzliche Finanzbehörde fest, dass diese Waren nicht in die KN-Unterposition 94019080 einzureihen seien, und trug der Klägerin des Ausgangsverfahrens mit Bescheid vom 13. Juli 2018 auf, einen Betrag von 298810,52 Euro an Zöllen auf diese Waren zuzüglich Verzugszinsen zu zahlen. Nach Ansicht dieser Behörde war die Ware „Netz zur Herstellung von Taschen“ in die KN-Unterposition 63079010 einzureihen, die sich auf andere konfektionierte Spinnstoffwaren beziehe, und die Ware „Sitzschutz“ in die KN-Unterposition 39269097, die andere Waren aus Kunststoffen betreffe, da diese Waren nicht als Teile von Automobilsitzen angesehen werden könnten und als Zubehör einzustufen seien.

19

Das Finanzministerium wies als Finanzbehörde zweiter Instanz den Einspruch der Klägerin des Ausgangsverfahrens gegen diesen Bescheid als unbegründet zurück. Die KN-Position 9401, die Teile von Sitzen umfasse, gelte nicht für Zubehör wie diese Waren. Nach Ansicht dieser Behörde hat nämlich zum einen der Sitzschutz keine entscheidende Funktion, ohne die der Sitz seine wesentliche und hauptsächliche Funktion nicht erfüllen könnte; zum anderen habe das Netz zur Herstellung von Taschen, das an dem Kunststoffschutz auf der Rückseite des Autositzes befestigt sei, lediglich die Funktion der Aufbewahrung von kleinen Gegenständen, weshalb ein Sitz auch ohne dieses Netz alle seine wesentlichen Funktionen beibehalte.

20

Mit Urteil vom 23. Juni 2020 bestätigte das Upravno sodišče (Verwaltungsgericht, Slowenien) die von den Finanzbehörden vorgenommene zolltarifliche Einreihung. Es war u. a. der Auffassung, dass es für die Einstufung einer Ware als „Teil“ oder „Zubehör“ nicht darauf ankomme, ob eine Ware ausschließlich für ein bestimmtes Modell einer Maschine oder eines Gegenstands bestimmt sei.

21

Die Klägerin des Ausgangsverfahrens legte gegen dieses Urteil Revision beim vorlegenden Gericht ein. Die im Ausgangsverfahren in Frage stehenden Waren hätten in die KN-Unterposition 94019080 eingereiht werden müssen, da ein Sitzschutz keine Ware mit allgemeiner Verwendungsmöglichkeit bzw. auch keine gleichartige Ware aus Kunststoff sei, die unter das KN-Kapitel 39 fallen würde. Ein Netz zur Herstellung von Taschen sei außerdem keine konfektionierte Spinnstoffware, die unter das KN-Kapitel 63 fallen würde. Der Klägerin des Ausgangsverfahrens zufolge werden beide Waren ausschließlich für Automobilsitze verwendet und haben keine eigenständige Verwendungsfunktion, wenn sie nicht an diesen befestigt werden. Sie hält auch an ihrer Auffassung fest, dass das Nichtanbringen des Sitzschutzes die tatsächliche Nutzung des Sitzes selbst unmöglich machen würde, da es sich nicht um ein ästhetisches oder austauschbares Zubehör handele, sondern um eine zusätzliche Funktionalität des Sitzes, d. h. die Befestigung und den Schutz des Sitzgestells selbst, was vom Standpunkt der Sicherheit aus entscheidend sei. Ebenso wenig sei das Netz zur Herstellung von Taschen ein ästhetisches oder austauschbares Zubehör zu einem Sitz, sondern eine zusätzliche Funktionalität des Sitzes, nämlich eine Stütz- und Schutzfunktion.

22

Mit Beschluss vom 18. November 2020 ließ das vorlegende Gericht die Revision gegen das erwähnte Urteil zu.

23

In Bezug auf die Ware „Netz zur Herstellung von Taschen“ weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass diese Ware die Form eines elastischen gestrickten Netzes in der Größe 30 x 20 cm habe und aus schwarzem synthetischem Filamentgarn mit eingearbeitetem elastischem Faden hergestellt sei; über die gesamte Länge des Netzes sei auf einer Seite ein Kunststoffband aufgenäht, mit dem das Netz auf der Rückseite des Autositzes angebracht werde. Zur Ware „Sitzschutz“ weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sie aus Kunststoff bestehe, mit Filz überzogen sei und zum Schutz des Inneren auf der Rückseite des Autositzes und unter diesem angebracht werde.

24

Die Einreihung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren in die KN hänge von der Auslegung des Begriffs „Teile“ in der KN-Position 9401 und damit von der Auslegung des Unionsrechts ab. Insoweit fragt sich das vorlegende Gericht, ob dieser Begriff dieselbe Bedeutung hat wie der Begriff in anderen Kapiteln der KN, die der Gerichtshof bereits ausgelegt hat, was bedeuten würde, dass nur eine Ware, ohne die der Sitz seine wesentliche und hauptsächliche Funktion nicht erfüllen könnte, ein Teil des Sitzes sei. In diesem Zusammenhang weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass sich aus den Erläuterungen zum HS eine weiter gehende Auslegung des Begriffs „Teile“ im Sinne von Kapitel 94 der KN ergeben könnte, als sie der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu entnehmen sei.

25

Unter diesen Umständen hat das Vrhovno sodišče (Oberster Gerichtshof, Slowenien) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist es für die Bestimmung einer einzelnen Ware als „Teil“ eines Autositzes im Sinne von Kapitel 94 der KN in den jeweiligen im Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassungen unabdingbar, dass der Sitz ohne diese Ware seine wesentliche und hauptsächliche Funktion nicht erfüllen kann (im Sinne seiner funktionellen Einheit), oder ist es bereits ausreichend, dass der einzelne Teil, der ausschließlich zum Einbau in Automobilsitze bestimmt ist, als Teil des Sitzes identifiziert werden kann?

2.

Hat die eventuell vorhandene (nicht) selbständige allgemeine Verwendungsmöglichkeit der gegenständlichen Waren einen Einfluss auf deren (Nicht‑)Einreihung in die Unterposition 94019080?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

26

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die KN-Position 9401 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Teile“ eines Autositzes Waren erfasst, die nicht unabdingbar sind, damit ein solcher Sitz seine Funktion erfüllen kann.

27

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es in einem Vorabentscheidungsverfahren auf dem Gebiet der zolltariflichen Einreihung Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht die Kriterien aufzuzeigen, anhand deren es die betreffenden Waren richtig in die KN einreihen kann, nicht aber, die Einreihung selbst vorzunehmen. Diese Einreihung beruht auf einer reinen Tatsachenfeststellung, die nicht Sache des Gerichtshofs im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens ist (Urteil vom 20. Oktober 2022, Mikrotīkls, C‑542/21, EU:C:2022:814, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).

28

Ferner ist nach der Allgemeinen Vorschrift 1 für die Auslegung der KN der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln der KN für die zolltarifliche Einreihung von Waren maßgebend. Das entscheidende Kriterium für die zolltarifliche Einreihung von Waren ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der Positionen der KN und der Anmerkungen zu den entsprechenden Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind (Urteil vom 20. Oktober 2022, Mikrotīkls, C‑542/21, EU:C:2022:814, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29

Des Weiteren hat der Gerichtshof wiederholt entschieden, dass die Erläuterungen zum HS und zur KN zwar nicht verbindlich sind, aber wichtige Hilfsmittel für die Gewährleistung einer einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs darstellen und als solche wertvolle Hinweise für dessen Auslegung liefern (Urteil vom 20. Oktober 2022, Mikrotīkls, C‑542/21, EU:C:2022:814, Rn. 23 und die dort angeführte Rechtsprechung).

30

Zur KN-Position 9401 ist festzustellen, dass ihr Wortlaut Sitzmöbel und Teile davon umfasst. Letztere gehören zur Unterposition 940190 mit der Überschrift „Teile“ und werden in eine der drei zu diesem Zweck vorgesehenen spezifischen Unterpositionen mit acht Ziffern eingereiht. Ferner ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren, nämlich „Netze zur Herstellung von Taschen“ und „Sitzschutz“, in keiner dieser achtstelligen Unterpositionen erwähnt sind.

31

Der Begriff „Teile“ im Sinne der KN-Position 9401 ist in dieser Nomenklatur nicht definiert. Zudem ist festzustellen, dass Anmerkung 3 A zu Kapitel 94 der KN, die Platten aus Glas, Marmor oder Stein oder aus einem anderen in Kapitel 68 oder 69 der KN genannten Stoff, d. h. andere als die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren, betrifft, keine für die Auslegung dieses Begriffs nützlichen Hinweise liefert. Im Übrigen enthalten die im Rahmen des Ausgangsverfahrens relevanten Erläuterungen zur KN, die von der Kommission gemäß Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 2658/87 erlassen und im Amtsblatt der Europäischen Union vom 4. März 2015 (ABl. 2015, C 76, S. 1) veröffentlicht wurden, keine näheren Angaben zu diesem Begriff.

32

In den HS-Erläuterungen in ihrer Fassung aus 2012 heißt es, dass zu Kapitel 94 nur Teile, auch wenn sie nur grob bearbeitet sind, von Waren der Positionen 9401 bis 9403 und 9405 gehören, die durch ihre Form oder andere charakteristische Merkmale ausschließlich oder hauptsächlich als Waren dieser Positionen erkennbar sind, und dass sie in dieses Kapitel einzureihen sind, wenn sie an keiner anderen Stelle genauer erfasst sind. Außerdem lässt sich diesen Erläuterungen entnehmen, dass zu der Position 9401 erkennbare Sitzmöbelteile, insbesondere Rückenlehnen, Sesselsitze, Armlehnen sowie Federkerne, die zur Polsterung der genannten Sitzmöbel verwendet werden, gehören. In den HS-Erläuterungen in ihrer Fassung aus 2017 wird klargestellt, dass Sitz- oder Rückenlehnenbezüge zur permanenten Anbringung an die Sitze ebenfalls von dieser Position 9401 als „Teile“ von Sitzmöbeln erfasst werden.

33

Aus der im Zusammenhang mit den Kapiteln 84 und 85 des Abschnitts XVI sowie mit Kapitel 90 des Abschnitts XVIII der KN entwickelten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich, dass der Begriff „Teile“ voraussetzt, dass es ein Ganzes gibt, für dessen Funktionieren diese Teile unabdingbar sind. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass es für die Einstufung einer Ware als „Teil“ im Sinne dieser Kapitel nicht ausreicht, nachzuweisen, dass die Maschine, der Apparat oder das Gerät ohne diese Ware nicht ihrer Bestimmung gemäß verwendet werden kann. Es muss auch festgestellt werden, dass das mechanische oder elektrische Funktionieren der Maschine, des Apparats oder des Geräts von dieser Ware abhängt (Urteil vom 8. Dezember 2016, Lemnis Lighting, C‑600/15, EU:C:2016:937, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34

Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass im Interesse einer kohärenten und einheitlichen Anwendung des Gemeinsamen Zolltarifs dem Begriff „Teile“ im Sinne eines bestimmten Kapitels dieselbe Definition zu geben ist, die sich der zu anderen Kapiteln der KN ergangenen Rechtsprechung entnehmen lässt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Dezember 2013, HARK, C‑450/12, EU:C:2013:824, Rn. 37, vom 8. Dezember 2016, Lemnis Lighting, C‑600/15, EU:C:2016:937, Rn. 52, und vom 15. Mai 2019, Korado, C‑306/18, EU:C:2019:414, Rn. 44).

35

Zudem hatte der Gerichtshof bereits Gelegenheit zur Klarstellung, dass diese Definition des Begriffs „Teile“ auch im Zusammenhang mit Kapitel 94 der KN gilt. So hat der Gerichtshof entschieden, dass der Begriff „Teile“ von Beleuchtungskörpern im Sinne der Position 9405 der KN keine Waren erfasst, die für das Funktionieren dieser Beleuchtungskörper nicht unabdingbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2016, Lemnis Lighting, C‑600/15, EU:C:2016:937, Rn. 51 bis 53).

36

Gleiches gilt für die „Teile“ von Sitzmöbeln im Sinne der Position 9401 der KN.

37

Daher können Waren nur dann als „Teile“ von Sitzmöbeln im Sinne dieser Position angesehen werden, wenn sie unabdingbar sind, damit die betreffenden Sitzmöbel ihre Funktion erfüllen können.

38

Der vom vorlegenden Gericht erwähnte Umstand, aus den HS-Erläuterungen zu Position 9401 ergebe sich, dass diese Position auch Armlehnen umfasse, stellt die in der vorstehenden Randnummer gezogene Schlussfolgerung nicht in Frage. Wie nämlich die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen hervorhebt, kann ein Sitzmöbel bzw. Sitz verschiedenartig konzipiert sein und umfasst grundsätzlich nicht nur einen Teil, auf dem die Person tatsächlich sitzt, sondern auch eine Rückenlehne oder Armlehnen, die den Rücken oder die Arme der Person auf diesem Sitzmöbel bzw. Sitz stützen. Solche Elemente sind daher feste Bestandteile eines speziell konzipierten Sitzmöbels bzw. Sitzes und stellen somit einen wesentlichen Bestandteil seines Gestells dar. Diese Elemente sind deshalb unabdingbar, damit ein solches Sitzmöbel bzw. ein solcher Sitz seine Funktion erfüllen kann. Dies gilt auch für Sitz- oder Rückenlehnenbezüge zur permanenten Anbringung an die Sitze, die in den Erläuterungen zum HS in ihrer Fassung von 2017 ausdrücklich als „Teile“ von Sitzmöbeln im Sinne dieser Position aufgeführt sind.

39

Im vorliegenden Fall geht aus den Sachverhaltsausführungen des vorlegenden Gerichts nicht hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren unabdingbar wären, damit ein Autositz seine Funktion erfüllen kann, was jedoch von diesem Gericht zu prüfen sein wird. Nach dieser Prüfung und unter Berücksichtigung der objektiven Merkmale dieser Waren wird das vorlegende Gericht deren zolltarifliche Einreihung vorzunehmen haben.

40

Unter diesen Umständen ist auf die erste Frage zu antworten, dass die KN-Position 9401 dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Teile“ eines Autositzes keine Waren erfasst, die nicht unabdingbar sind, damit ein solcher Sitz seine Funktion erfüllen kann.

Zur zweiten Frage

41

In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage braucht die zweite Frage nicht beantwortet zu werden.

Kosten

42

Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:

 

Die Position 9401 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in den Fassungen der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1101/2014 der Kommission vom 16. Oktober 2014, der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1754 der Kommission vom 6. Oktober 2015 und der Durchführungsverordnung (EU) 2016/1821 der Kommission vom 6. Oktober 2016

 

ist dahin auszulegen, dass

 

der Begriff „Teile“ eines Autositzes keine Waren erfasst, die nicht unabdingbar sind, damit ein solcher Sitz seine Funktion erfüllen kann.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Slowenisch.

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