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Document 62021CJ0544
Judgment of the Court (Ninth Chamber) of 27 October 2022.#ID v Stadt Mainz.#Request for a preliminary ruling from the Landgericht Mainz.#Reference for a preliminary ruling – Freedom to provide services – Directive 2006/123/EC – Article 15(1), (2)(g) and (3) – Services in the internal market – Fees of architects and engineers – Fixed minimum tariffs – Direct effect of provisions of EU law and possible inapplicability of national legislation.#Case C-544/21.
Urteil des Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 27. Oktober 2022.
ID gegen Stadt Mainz.
Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Mainz.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Richtlinie 2006/123/EG – Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Honorare für Architekten und Ingenieure – Festgesetzte Mindestpreise – Unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des Unionsrechts und etwaige Unanwendbarkeit der nationalen Regelung.
Rechtssache C-544/21.
Urteil des Gerichtshofs (Neunte Kammer) vom 27. Oktober 2022.
ID gegen Stadt Mainz.
Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts Mainz.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Richtlinie 2006/123/EG – Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Honorare für Architekten und Ingenieure – Festgesetzte Mindestpreise – Unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des Unionsrechts und etwaige Unanwendbarkeit der nationalen Regelung.
Rechtssache C-544/21.
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:843
*A9* Landgericht Mainz, beschluss vom 09/08/2021 (9 O 287/10)
URTEIL DES GERICHTSHOFS (Neunte Kammer)
27. Oktober 2022(*)
„Vorlage zur Vorabentscheidung – Freier Dienstleistungsverkehr – Richtlinie 2006/123/EG – Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 – Dienstleistungen im Binnenmarkt – Honorare für Architekten und Ingenieure – Festgesetzte Mindestpreise – Unmittelbare Wirkung der Bestimmungen des Unionsrechts und etwaige Unanwendbarkeit der nationalen Regelung“
In der Rechtssache C‑544/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Landgericht Mainz (Deutschland) mit Entscheidung vom 9. August 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 31. August 2021, in dem Verfahren
ID
gegen
Stadt Mainz
erlässt
DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)
unter Mitwirkung des Richters J.‑C. Bonichot in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten, des Richters S. Rodin (Berichterstatter) und der Richterin O. Spineanu-Matei,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
– von ID, vertreten durch Rechtsanwältin I. Eisterhues,
– der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und D. Klebs als Bevollmächtigte,
– der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
– der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Armati, M. Kellerbauer und L. Malferrari als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 49 AEUV sowie von Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. 2006, L 376, S. 36).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen ID, einem Architekturbüro, und der Stadt Mainz (Deutschland) wegen der Zahlung restlicher Vergütung für Architektenleistungen im Zusammenhang mit dem Umbau einer Schule.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/123 lautet:
„Diese Richtlinie gilt für Dienstleistungen, die von einem in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Dienstleistungserbringer angeboten werden.“
4 Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g, Abs. 3 und 6 der Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnungen die in Absatz 2 aufgeführten Anforderungen vorsehen, und stellen sicher, dass diese Anforderungen die Bedingungen des Absatzes 3 erfüllen. Die Mitgliedstaaten ändern ihre Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um sie diesen Bedingungen anzupassen.
(2) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob ihre Rechtsordnung die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit von folgenden nicht diskriminierenden Anforderungen abhängig macht:
…
g) der Beachtung von festgesetzten Mindest- und/oder Höchstpreisen durch den Dienstleistungserbringer;
…
(3) Die Mitgliedstaaten prüfen, ob die in Absatz 2 genannten Anforderungen folgende Bedingungen erfüllen:
a) Nicht-Diskriminierung: die Anforderungen dürfen weder eine direkte noch eine indirekte Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit oder – bei Gesellschaften – aufgrund des Orts des satzungsmäßigen Sitzes darstellen;
b) Erforderlichkeit: die Anforderungen müssen durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein;
c) Verhältnismäßigkeit: die Anforderungen müssen zur Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Ziels geeignet sein; sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist; diese Anforderungen können nicht durch andere weniger einschneidende Maßnahmen ersetzt werden, die zum selben Ergebnis führen.
…
(6) Ab dem 28. Dezember 2006 dürfen die Mitgliedstaaten keine neuen Anforderungen der in Absatz 2 genannten Art einführen, es sei denn, diese neuen Anforderungen erfüllen die in Absatz 3 aufgeführten Bedingungen.“
5 Art. 44 Abs. 1 Satz 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten setzen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie bis spätestens ab dem 28. Dezember 2009 nachzukommen.“
6 Art. 45 der Richtlinie 2006/123 lautet:
„Diese Richtlinie tritt am Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.“
7 Die Richtlinie 2006/123 wurde am 27. Dezember 2006 veröffentlicht.
Deutsches Recht
8 Die Honorare für Architekten und Ingenieure sind in der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure vom 10. November 2001 (BGBl. I S. 58, 2992) geregelt, wobei die im Jahr 2002 geltende Fassung (im Folgenden: HOAI 2002) maßgeblich ist.
9 In § 4 („Vereinbarung des Honorars“) Abs. 1, 2 und 4 HOAI 2002 heißt es:
„(1) Das Honorar richtet sich nach der schriftlichen Vereinbarung, die die Vertragsparteien bei Auftragserteilung im Rahmen der durch diese Verordnung festgesetzten Mindest- und Höchstsätze treffen.
(2) Die in dieser Verordnung festgesetzten Mindestsätze können durch schriftliche Vereinbarung in Ausnahmefällen unterschritten werden.
…
(4) Sofern nicht bei Auftragserteilung etwas anderes schriftlich vereinbart worden ist, gelten die jeweiligen Mindestsätze als vereinbart.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
10 Am 19. Oktober 2004 schlossen die Stadt Mainz und ID, ein Architekturbüro mit Sitz in Deutschland, einen Vertrag, mit dem sich ID verpflichtete, im Zusammenhang mit der Sanierung und dem Umbau einer örtlichen Schule Architektenleistungen zu erbringen.
11 Die Vergütung von ID sollte gemäß § 7 des Vertrags unter Heranziehung bestimmter, in der HOAI 2002 festgelegter Parameter ermittelt werden. Der Auftrag wurde am 18. Mai 2005 und am 27. Juli 2005 erweitert. Eine weitere Zusatzvereinbarung wurde am 22. Dezember 2006 geschlossen.
12 Mit Abschlagsrechnung vom 5. September 2009 rechnete ID die erbrachten Leistungen nicht auf der Grundlage von § 7 seines Vertrags mit der Stadt Mainz vom 19. Oktober 2004, sondern auf der Grundlage der in der HOAI 2002 vorgesehenen Mindestsätze ab. ID berief sich dabei auf § 4 Abs. 1 HOAI 2002, wonach Honorare nur im Rahmen der durch die HOAI 2002 festgesetzten Mindest- und Höchstsätze vereinbart werden können, so dass die Vereinbarung eines Honorars, das diese Mindestsätze unterschreitet, unwirksam ist und dann die jeweiligen Mindestsätze als vereinbart gelten.
13 Im August 2010 erhob ID Klage gegen die Stadt Mainz und forderte von dieser die Zahlung restlicher Vergütung in Höhe von 714 891,61 Euro.
14 Das Landgericht Mainz (Deutschland) ist der Ansicht, dass die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von der Frage abhänge, ob die Richtlinie 2006/123 in einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen angeführt werden könne, da zum einen der Sachverhalt nicht zu den Ausnahmefällen gehöre, in denen die HOAI 2002 eine Abweichung von den Mindesthonoraren zulasse, und zum anderen eine Contra-legem-Auslegung des nationalen Rechts unzulässig sei.
15 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 18. Januar 2022, Thelen Technopark Berlin (C‑261/20, EU:C:2022:33), festgestellt hat, dass das deutsche System der Mindestpreise für Architekten und Ingenieure nicht mit dem Unionsrecht vereinbar ist, und hebt die Ähnlichkeit der vorliegenden Rechtssache mit der Rechtssache hervor, in der das genannte Urteil ergangen ist. Es stellt jedoch klar, dass die bei ihm anhängige Rechtssache einen vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2006/123 geschlossenen Vertrag betreffe und dass aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht eindeutig hervorgehe, ob für die Beurteilung der Anwendbarkeit einer Richtlinie auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses oder den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des erkennenden Gerichts abzustellen sei.
16 Sollte der Gerichtshof zu dem Ergebnis gelangen, dass die Richtlinie 2006/123 nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar sei, stelle sich die Frage, ob Art. 49 AEUV der HOAI 2002 entgegenstehe, deren Anwendbarkeit sich im Gegensatz zur aktuell geltenden Fassung der HOAI nicht auf rein innerstaatliche Sachverhalte beschränke. Außerdem sei fraglich, ob diese Bestimmung der Anwendbarkeit der HOAI 2002 im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Privatpersonen entgegenstehen könne.
17 Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht Mainz beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Folgt aus dem Unionsrecht, insbesondere aus Art. 4 Abs. 3 EUV, Art. 288 Abs. 3 AEUV und Art. 260 Abs. 1 AEUV, dass Art. 15 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. g und Abs. 3 der Richtlinie 2006/123 im Rahmen eines laufenden Gerichtsverfahrens zwischen Privatpersonen in der Weise unmittelbare Wirkung entfaltet, dass die dieser Richtlinie entgegenstehenden nationalen Regelungen in § 4 der HOAI 2002, wonach die in dieser Honorarordnung statuierten Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen der Architekten und Ingenieure – abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen – verbindlich sind und eine die Mindestsätze unterschreitende Honorarvereinbarung in Verträgen mit Architekten oder Ingenieuren unwirksam ist, nicht mehr anzuwenden sind, auch wenn es um Ansprüche aus einem Architektenvertrag geht, der im Jahr 2004, also vor dem Erlass der Dienstleistungsrichtlinie, geschlossen worden ist?
2. Sofern Frage 1 verneint wird:
a) Ist Art. 49 AEUV (ex‑Art. 43 EGV) dahin gehend auszulegen, dass er einer nationalen Regelung wie § 4 HOAI 2002, wonach die in dieser Honorarordnung statuierten Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen der Architekten und Ingenieure – abgesehen von bestimmten Ausnahmefällen – verbindlich sind und eine die Mindestsätze unterschreitende Honorarvereinbarung in Verträgen mit Architekten oder Ingenieuren unwirksam ist, entgegensteht bzw. eine derartige nationale Regelung einen Verstoß gegen Art. 49 AEUV (ex‑Art. 43 EGV) darstellt?
b) Sofern die vorhergehende Frage bejaht wird: Folgt aus einem solchen Verstoß, dass in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen die nationalen Regelungen über verbindliche Mindestsätze (hier: § 4 HOAI 2002) nicht mehr anzuwenden sind?
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage
18 Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2006/123 dahin auszulegen ist, dass sie auf einen Fall anwendbar ist, in dem ein Vertrag vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie geschlossen wurde und dieser Vertrag vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie alle seine Wirkungen erschöpft hat.
19 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine neue Rechtsnorm ab dem Inkrafttreten des Rechtsakts anwendbar, mit dem sie eingeführt wird; sie ist zwar nicht auf unter dem alten Recht entstandene und endgültig erworbene Rechtspositionen anwendbar, doch findet sie auf deren künftige Wirkungen sowie auf neue Rechtspositionen Anwendung. Etwas anderes gilt nur – und vorbehaltlich des Verbots der Rückwirkung von Rechtsakten –, wenn zusammen mit der Neuregelung besondere Vorschriften getroffen werden, die speziell die Voraussetzungen für ihre zeitliche Geltung regeln (Urteil vom 15. Januar 2019, E. B., C‑258/17, EU:C:2019:17, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).
20 Insoweit kann eine vor dem Inkrafttreten einer Richtlinie entstandene Situation gleichwohl zukünftige Wirkungen entfalten, die gemäß dem Grundsatz, wonach neue Vorschriften sofort auf solche zukünftigen Wirkungen anwendbar sind, ab dem Ablauf ihrer Umsetzungsfrist von dieser Richtlinie geregelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. Januar 2019, E. B., C‑258/17, EU:C:2019:17, Rn. 56).
21 Im vorliegenden Fall ergibt sich erstens aus Art. 45 der Richtlinie 2006/123, dass diese am 28. Dezember 2006 in Kraft trat, und aus ihrem Art. 44 Abs. 1 Satz 1, dass die Umsetzungsfrist am 28. Dezember 2009 endete.
22 Zweitens geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag am 19. Oktober 2004 geschlossen und am 27. Juli 2005 geändert wurde. Die letzte Zusatzvereinbarung zu diesem Vertrag wurde am 22. Dezember 2006 geschlossen.
23 Da der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Vertrag vor dem 28. Dezember 2009 geschlossen wurde, ist die Rechtsposition, um die es im Ausgangsverfahren geht, unter der alten Regelung entstanden und endgültig erworben worden. Dies wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass das im August 2010 eingeleitete Gerichtsverfahren nach dem 28. Dezember 2009 stattgefunden hat.
24 Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Richtlinie 2006/123 dahin auszulegen ist, dass sie nicht auf einen Fall anwendbar ist, in dem ein Vertrag vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie geschlossen wurde und dieser Vertrag vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie alle seine Wirkungen erschöpft hat.
Zur zweiten Frage
25 Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 49 AEUV dahin auszulegen ist, dass ein nationales Gericht, bei dem ein Rechtsstreit anhängig ist, an dem ausschließlich Privatpersonen beteiligt sind, verpflichtet ist, eine nationale Regelung unangewendet zu lassen, die Mindesthonorare für die Leistungen von Architekten und Ingenieuren festsetzt und die Unwirksamkeit von Vereinbarungen vorsieht, die von dieser Regelung abweichen.
26 Die Bestimmungen des AEU‑Vertrags über die Niederlassungsfreiheit, den freien Dienstleistungsverkehr und den freien Kapitalverkehr finden auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, grundsätzlich keine Anwendung (Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27 Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der Ausgangsrechtsstreit durch Merkmale charakterisiert ist, die sämtlich nicht über die Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinausweisen. In den dem Gerichtshof vorliegenden Akten deutet nämlich nichts darauf hin, dass eine Partei des Ausgangsverfahrens außerhalb dieses Mitgliedstaats ansässig ist oder dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Leistungen außerhalb dieses Gebiets erbracht wurden.
28 Wenn der Gerichtshof von einem nationalen Gericht im Zusammenhang mit einem Sachverhalt angerufen wird, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, kann er ohne eine entsprechende Angabe dieses Gerichts nicht davon ausgehen, dass das Ersuchen um Auslegung im Wege der Vorabentscheidung bezüglich der die Grundfreiheiten betreffenden Vorschriften des AEU‑Vertrags für die Entscheidung des beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreits erforderlich ist. Die konkreten Merkmale, die es ermöglichen, einen Zusammenhang zwischen dem Gegenstand oder den Umständen eines Rechtsstreits, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen des betreffenden Mitgliedstaats hinausweisen, und den Art. 49, 56 oder 63 AEUV herzustellen, müssen sich nämlich aus der Vorlageentscheidung ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 54).
29 Folglich ist es bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens Sache des vorlegenden Gerichts, dem Gerichtshof den Anforderungen von Art. 94 seiner Verfahrensordnung entsprechend anzugeben, inwieweit der bei ihm anhängige Rechtsstreit trotz seines rein innerstaatlichen Charakters einen Anknüpfungspunkt bezüglich der die Grundfreiheiten betreffenden Vorschriften des Unionsrechts aufweist, der die Auslegung im Wege der Vorabentscheidung, um die ersucht wird, für die Entscheidung dieses Rechtsstreits erforderlich macht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 55).
30 Im vorliegenden Fall weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass die HOAI 2002 – anders als die aktuell geltende Fassung dieser Regelung – ihren Anwendungsbereich nicht auf rein innerstaatliche Sachverhalte beschränkt habe, so dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass sie möglicherweise ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit darstelle.
31 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Aufgabe des Gerichtshofs im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens darin besteht, das vorlegende Gericht bei der Entscheidung des konkret bei ihm anhängigen Rechtsstreits zu unterstützen, was voraussetzt, dass feststeht, dass die geltend gemachte Freiheit auf diesen Rechtsstreit anwendbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. November 2016, Ullens de Schooten, C‑268/15, EU:C:2016:874, Rn. 49).
32 Die Frage, ob die HOAI 2002 in einer hypothetischen Situation, die durch grenzüberschreitende Merkmale gekennzeichnet ist, ein Hindernis für die Niederlassungsfreiheit darstellen könnte, unterstützt das vorlegende Gericht jedoch nicht bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits, da dieser keine solchen Merkmale aufweist.
33 Nach alledem ist festzustellen, dass die zweite Frage unzulässig ist.
Kosten
34 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:
Die Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt ist nicht auf einen Fall anwendbar, in dem ein Vertrag vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie geschlossen wurde und dieser Vertrag vor dem Ablauf der Frist für die Umsetzung der Richtlinie alle seine Wirkungen erschöpft hat.
Unterschriften
* Verfahrenssprache: Deutsch.