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Documento 62020TJ0745

Urteil des Gerichts (Erste erweiterte Kammer) vom 31. Januar 2024.
Symphony Environmental Technologies plc und Symphony Environmental Ltd gegen Europäisches Parlament u. a.
Außervertragliche Haftung – Umwelt – Richtlinie (EU) 2019/904 – Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Keine Unterscheidung zwischen Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff und Artikeln aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff – Folgenabschätzung – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit.
Rechtssache T-745/20.

Identificador Europeo de Jurisprudencia: ECLI:EU:T:2024:45

 URTEIL DES GERICHTS (Erste erweiterte Kammer)

31. Januar 2024 ( *1 )

„Außervertragliche Haftung – Umwelt – Richtlinie (EU) 2019/904 – Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff – Hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die dem Einzelnen Rechte verleiht – Keine Unterscheidung zwischen Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff und Artikeln aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff – Folgenabschätzung – Gleichbehandlung – Verhältnismäßigkeit“

In der Rechtssache T‑745/20,

Symphony Environmental Technologies plc mit Sitz in Borehamwood (Vereinigtes Königreich),

Symphony Environmental Ltd mit Sitz in Borehamwood,

vertreten durch P. Selley, Solicitor, J. Holmes, KC, und J. Williams, Barrister-at-Law,

Klägerinnen,

gegen

Europäisches Parlament, vertreten durch L. Visaggio, C. Ionescu Dima und W. Kuzmienko als Bevollmächtigte,

Rat der Europäischen Union, vertreten durch A. Maceroni und M. Moore als Bevollmächtigte,

und

Europäische Kommission, vertreten durch R. Lindenthal und L. Haasbeek als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten M. Van der Woude sowie der Richter D. Spielmann, V. Valančius, I. Gâlea (Berichterstatter) und T. Tóth,

Kanzler: I. Kurme, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

auf die mündliche Verhandlung vom 20. März 2023,

nach Ausscheiden des Richters V. Valančius aus dem Dienst am 26. September 2023 gemäß Art. 22 und Art. 24 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichts

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage nach Art. 268 AEUV begehren die Klägerinnen, die Symphony Environmental Technologies plc und die Symphony Environmental Ltd, Ersatz des Schadens, der ihnen durch den Erlass von Art. 5 und des 15. Erwägungsgrundes der Richtlinie (EU) 2019/904 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt (ABl. 2019, L 155, S. 1) entstanden sein soll, soweit das in Art. 5 und im 15. Erwägungsgrund vorgesehene Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff für oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff gilt.

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

2

Die Klägerinnen sind Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich, deren Tätigkeit in der Entwicklung, der Herstellung und dem Vertrieb bestimmter spezialisierter Kunststoffprodukte sowie der bei der Herstellung dieser Produkte verwendeten Zusatzstoffe und Masterbatches besteht.

3

Ein Masterbatch ist eine einem Polymerträger beigegebene Verbindung aus mehreren chemischen Stoffen, die in Form von Granulat an Hersteller von Kunststoffprodukten geliefert wird, die diese Verbindung den zur Herstellung ihrer Produkte verwendeten Polymeren beimischen.

4

Einer der von den Klägerinnen hergestellten Masterbatches, den sie unter der Marke d2w (im Folgenden: Masterbatch d2w) vertreiben, enthält einen Zusatzstoff, der nach ihren Angaben den abiotischen Abbau des Kunststoffs fördern soll, dem er beigemischt wird, und dann, am Ende seiner Nutzungsdauer, seinen biologischen Abbau.

5

Ein oxo-abbaubarer Kunststoff ist nach der Definition in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2019/904 ein Kunststoff, dem ein oder mehrere Zusatzstoffe zugesetzt wurden, die durch Oxidation einen Zerfall des Kunststoffs in Mikropartikel oder einen chemischen Abbau herbeiführen.

6

Ein biologisch abbaubarer Kunststoff ist nach Art. 3 Nr. 16 der Richtlinie 2019/904 ein Kunststoff, der physikalisch und biologisch zersetzt werden kann, so dass er sich letztlich in Kohlendioxid, Biomasse und Wasser aufspaltet.

7

Den Klägerinnen zufolge bewirkt der im Masterbatch d2w enthaltene Zusatzstoff, dass der Kunststoff, dem er beigemischt worden sei, durch Oxidation in Partikel zerfalle (Oxo-Abbau), deren Molekularmasse so weit reduziert werde, dass sie von Mikroorganismen aufgenommen werden könnten (biologischer Abbau). Nach Ansicht der Klägerinnen ermöglicht dieser Zusatzstoff es daher, dass sich der Kunststoff, dem er beigemischt worden sei, in biologisch abbaubares Material umwandele.

8

Am 5. Juni 2019 wurde die Richtlinie 2019/904 erlassen.

9

Im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904 heißt es:

„… Die mit dieser Richtlinie eingeführten Beschränkungen des Inverkehrbringens sollten auch für Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff gelten, da diese Art von Kunststoff sich nicht hinreichend biologisch abbaut und so zur Verschmutzung der Umwelt durch Mikroplastik beiträgt, nicht kompostierbar ist, sich negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen auswirkt und nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen führt. …“

10

Art. 5 („Beschränkung des Inverkehrbringens“) der Richtlinie 2019/904 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten verbieten das Inverkehrbringen der in Teil B des Anhangs aufgeführten Einwegkunststoffartikel und von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff.“

II. Anträge der Parteien

11

Die Klägerinnen beantragen,

festzustellen, dass das Europäische Parlament, der Rat der Europäischen Union und die Europäische Kommission nach Art. 340 Abs. 2 AEUV und/oder Art. 41 Abs. 3 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) durch den Erlass von Art. 5 und des 15. Erwägungsgrundes der Richtlinie 2019/904 ihre außervertragliche Haftung begründet haben, soweit diese auf oxo-biologisch abbaubare Kunststoffe anwendbar sind;

das Parlament, den Rat und die Kommission zu verurteilen, ihnen den Schaden zu ersetzen, der ihnen entstanden ist, einschließlich des im Lauf des vorliegenden Verfahrens entstehenden zusätzlichen und/oder des wahrscheinlich vorhersehbaren Schadens zuzüglich Zinsen, deren Höhe und Zinssatz im Lauf des Verfahrens zu bestimmen sind;

hilfsweise, dem Parlament, dem Rat und der Kommission aufzugeben, dem Gericht innerhalb einer angemessenen Frist ab Erlass des Urteils in der vorliegenden Rechtssache die bezifferte Berechnung der von den Parteien vereinbarten Entschädigung vorzulegen, oder, wenn kein Einvernehmen zwischen den Parteien erzielt wird, ihnen aufzugeben, dem Gericht innerhalb der gleichen Frist ihre bezifferten Anträge vorzulegen;

jedenfalls dem Parlament, dem Rat und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

12

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage abzuweisen;

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

13

Die Kommission beantragt,

die Klage insoweit, als sie gegen sie gerichtet ist, als unzulässig, jedenfalls aber als unbegründet abzuweisen;

den Klägerinnen die Kosten aufzuerlegen.

III. Rechtliche Würdigung

14

Mit der vorliegenden Klage begehren die Klägerinnen Ersatz des Schadens, der ihnen durch das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff entstanden sein soll, soweit dieses Verbot auch für Artikel aus Kunststoff gilt, den sie als oxo-biologisch abbaubar qualifizieren. Oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff sei eine Kunststoffart, die sich durch die Zugabe eines prooxidativen Zusatzstoffs, wie er in ihrem Masterbatch d2w enthalten sei, viel schneller biologisch abbaue als oxo-abbaubarer Kunststoff. Die drei betroffenen Organe hätten dadurch, dass sie oxo-abbaubaren Kunststoff nicht von oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff unterschieden und gegebenenfalls das Verbot der Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff auf Artikel aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff ausgedehnt hätten, in hinreichend qualifizierter Weise gegen mehrere Rechtsnormen verstoßen, die bezweckten, dem Einzelnen Rechte zu verleihen. Dadurch hätten sie den Klägerinnen einen Schaden verursacht. Es bestehe ein hinreichend unmittelbarer Kausalzusammenhang zwischen diesem Schaden und dem rechtswidrigen Verhalten dieser Organe.

15

Die drei betroffenen Organe machen geltend, dass keine der drei Voraussetzungen für die Begründung der außervertraglichen Haftung der Europäischen Union erfüllt sei, und beantragen, die Klage abzuweisen. Sie machen u. a. geltend, dass nicht zwischen oxo-abbaubarem Kunststoff und oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff zu unterscheiden sei. Diese beiden Begriffe bezeichneten dieselbe Art von Kunststoff, nämlich einen herkömmlichen Kunststoff, dem ein Zusatzstoff beigemischt worden sei, der durch Oxidation seinen Zerfall oder seinen chemischen Abbau in sehr kleine Partikel beschleunige. Diese Art von Kunststoff baue sich in einem vertretbaren Zeitraum nicht hinreichend biologisch ab.

A. Zum Antrag auf Weglassen bestimmter Angaben gegenüber der Öffentlichkeit

16

Mit gesondertem Schriftsatz, der am 21. Dezember 2020 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen einen Antrag gemäß Art. 66 der Verfahrensordnung des Gerichts auf Weglassen bestimmter Angaben gegenüber der Öffentlichkeit gestellt, um den Schutz von Geschäftsgeheimnissen in Bezug auf ihre eigenen Daten und die Daten Dritter zu gewährleisten.

17

Mit gesondertem Schriftsatz, der am 23. Juni 2021 bei der Kanzlei des Gerichts eingegangen ist, haben die Klägerinnen einen zweiten Antrag gemäß Art. 66 der Verfahrensordnung auf Weglassen bestimmter Angaben gegenüber der Öffentlichkeit gestellt. Dieser Antrag bezieht sich auf Angaben in ihren Erwiderungen und zielt ebenfalls darauf ab, den Schutz des Geschäftsgeheimnisses in Bezug auf ihre eigenen Daten und Daten Dritter zu gewährleisten.

18

Mit diesen Anträgen begehren die Klägerinnen im Wesentlichen das Weglassen folgender Art von Angaben:

die Folgen des Verbots des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff für ihre Kunden, wie sie insbesondere aus den Erklärungen ihrer Mitarbeiter hervorgehen;

die Schätzung der Höhe des Schadens, der aufgrund dieses Verbots entstanden sein soll, sowie die dieser Schätzung zugrunde liegenden Daten, d. h. insbesondere die Entwicklung ihrer Gewinne und Verluste, ihrer Marktanteile und des Wertes ihrer Anteile;

den Text europäischer, amerikanischer, britischer und internationaler Normen für den biologischen Abbau, den Oxo-Abbau und die Kompostierung von Kunststoff sowie ein Glossar zum Abbau und biologischen Abbau von Kunststoff.

19

Im Gegensatz zum Antrag auf Weglassen der in der vorstehenden Rn. 18 genannten ersten beiden Datenkategorien, der den Klägerinnen zufolge auf den Schutz ihrer eigenen Daten abzielt, soll der Antrag auf Weglassen der dritten Datenkategorie auf den Schutz von Daten abzielen, die im Eigentum Dritter stehen.

20

In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass sich das Gericht bei einem Ausgleich zwischen der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen und dem Recht auf Schutz personenbezogener Daten und des Geschäftsgeheimnisses unter den Umständen des jeweiligen Falles um einen fairen Ausgleich bemühen muss und dabei gemäß den in Art. 15 AEUV verankerten Grundsätzen auch das Recht der Öffentlichkeit auf Zugang zu den Gerichtsentscheidungen miteinbezieht (Urteil vom 27. April 2022, Sieć Badawcza Łukasiewicz – Port Polski Ośrodek Rozwoju Technologii/Kommission, T‑4/20, EU:T:2022:242, Rn. 29).

21

Im vorliegenden Fall sind die Daten, die unter die oben in Rn. 18 erwähnten ersten beiden Kategorien fallen, im vorliegenden Urteil nicht aufgeführt.

22

Was die Daten der dritten Kategorie angeht, so werden im vorliegenden Urteil nur die Daten aufgeführt, die auch in einer auf der Website der Kommission veröffentlichten Studie erwähnt werden, nämlich die Studie der Eunomia Research & Consulting Ltd für die Generaldirektion Umwelt der Kommission mit dem Titel „The Impact of the Use of ‚Oxo-degradable‘ Plastic on the Environment“ („Die Auswirkungen der Verwendung von ‚oxo-abbaubarem‘ Kunststoff auf die Umwelt“) vom April 2017 (im Folgenden: Eunomia-Studie). Da die in dieser Studie erwähnten Daten bereits öffentlich zugänglich sind, ist ihr Weglassen entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen zum Schutz des Geschäftsgeheimnisses nicht erforderlich.

23

Daher gibt es keinen berechtigten Grund, den Anträgen der Klägerin stattzugeben.

B. Vorbemerkung

24

Der Prüfung der Zulässigkeit und der Begründetheit der Klage ist eine Bemerkung zur Terminologie vorauszuschicken.

25

Der Kunststoff, dem ein prooxidativer Zusatzstoff wie der im Masterbatch d2w enthaltene zugesetzt wurde, wird von den Parteien des Rechtsstreits unterschiedlich eingestuft. Die Klägerinnen stufen ihn als „oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff“ ein, der ihrer Ansicht nach von oxo-abbaubarem Kunststoff zu unterscheiden sei, der sich viel langsamer biologisch abbaue. Auch das Parlament verwendet in seinen Schriftsätzen den Begriff „oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff“, stellt aber klar, dass dieser Begriff den Kunststoff bezeichne, von dem die Klägerinnen behaupteten, dass er biologisch abbaubar sei, und diese Behauptung wird vom Parlament nicht unterstützt. Der Rat verwendet den Begriff „CAP-Kunststoff“ zur Bezeichnung von Kunststoff „mit prooxidativen Zusatzstoffen“ (plastique „contenant des additifs pro-oxydants“). Die Kommission bezieht sich auf „oxo(-biologisch) abbaubaren“ Kunststoff, wobei sie durch die Verwendung von Klammern ihre Zweifel an der biologischen Abbaubarkeit dieser Kunststoffart andeutet.

26

Die Wahl des Begriffs, der zur Bezeichnung der in Rede stehenden Kunststoffart verwendet wird, ist nicht neutral, da damit eine Stellungnahme zur biologischen Abbaubarkeit dieser Kunststoffart verbunden sein kann. Daher sollte im vorliegenden Urteil ein möglichst neutraler Begriff verwendet werden. Demzufolge wird mit Ausnahme der Passagen, in denen das Vorbringen der Parteien wiedergegeben wird und wo die von ihnen gewählte Terminologie beibehalten wird, sowie der Verweise auf Art. 5 der Richtlinie 2019/904, wo der in diesem Artikel gebrauchte Ausdruck „oxo-abbaubarer Kunststoff“ verwendet wird, der Ausdruck „Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff“ verwendet.

C. Zur Zulässigkeit

27

Ohne förmlich eine Einrede der Unzulässigkeit nach Art. 130 Abs. 1 der Verfahrensordnung zu erheben, macht die Kommission geltend, dass die Klage unzulässig sei, soweit sie gegen sie gerichtet sei.

28

Die Kommission, unterstützt durch den Rat, macht geltend, dass ihr eine etwaige Rechtswidrigkeit des in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehenen Verbots des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff nicht zuzurechnen sei. Zum einen sei die Richtlinie 2019/904 gemäß Art. 192 Abs. 1 AEUV nicht von ihr, sondern vom Parlament und vom Rat im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden, und zum anderen sei dieses Verbot nicht in dem Vorschlag enthalten gewesen, den sie dem Parlament und dem Rat am 28. Mai 2018 unterbreitet habe (COM[2018]340 final – 2018/0172[COD], im Folgenden: Richtlinienvorschlag), sondern sei durch einen Änderungsantrag des Parlaments eingefügt worden, dem der Rat zugestimmt habe. Außerdem habe sie ihren Vorschlag nicht zurücknehmen können, da die Voraussetzungen für eine solche Rücknahme im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien.

29

Schließlich ist die Kommission der Auffassung, dass weder der Umstand, dass sie das in den Art. 68 bis 73 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, im Folgenden: REACH-Verordnung) vorgesehene Beschränkungsverfahren eingeleitet und dann eingestellt habe, noch der – als nachgewiesen unterstellte – Umstand, dass die Folgenabschätzung mangelhaft sei und sie ihren Verpflichtungen zur Erhebung und Würdigung von Beweisen nicht nachgekommen sei, zur Folge hätten, dass ihr das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 ausgesprochene Verbot des Inverkehrbringens zuzurechnen sei.

30

Die Klägerinnen stellen diese Unzulässigkeit in Abrede.

31

Während Nichtigkeits- oder Untätigkeitsklagen die Ahndung der Rechtswidrigkeit zwingender Rechtsakte oder des Fehlens eines solchen Rechtsakts zum Ziel haben, ist eine Schadensersatzklage nach der Rechtsprechung auf Ersatz des Schadens gerichtet, der sich aus einer Handlung oder einer unzulässigen Verhaltensweise ergibt, die einem Organ oder einer Einrichtung der Union zuzurechnen ist (Urteile vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB, C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 55, und vom 23. Mai 2019, Steinhoff u. a./EZB, T‑107/17, EU:T:2019:353, Rn. 51).

32

Daher ist es in Anbetracht dessen, dass die Richtlinie 2019/904 gemäß Art. 294 AEUV vom Parlament und vom Rat erlassen wurde, unerheblich, dass die Kommission keinen zwingenden Rechtsakt erlassen hat. Denn die Annahme, dass die Kommission die Haftung der Union begründet hat oder zu deren Begründung beigetragen hat, setzt nur voraus, dass ihr ein rechtswidriger Rechtsakt, selbst wenn er nicht rechtsverbindlich ist, oder ein rechtswidriges Verhalten zuzurechnen ist.

33

Zwar kann in dem Richtlinienvorschlag ein solcher Rechtsakt oder ein solches Verhalten nicht festgestellt werden. Dieser Vorschlag sah in Art. 5 nämlich lediglich vor, dass „[d]ie Mitgliedstaaten … das Inverkehrbringen der in Teil B des Anhangs aufgeführten Einwegkunststoffartikel [verbieten]“, und in Teil B dieses Anhangs wurde nicht auf oxo-abbaubaren Kunststoff Bezug genommen.

34

Gleichwohl ist festzustellen, dass die Klägerinnen der Kommission das Verhalten vorwerfen, mit dem sie im Rahmen des interinstitutionellen Kompromisses vom 19. Dezember 2018 erklärt hat, dass sie „alle Änderungen“ an ihrem Richtlinienvorschlag „akzeptiert“. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das Verbot von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff durch die am 24. Oktober 2018 vorgenommene Änderung Nr. 83 des Parlaments am Richtlinienvorschlag (COM[2018]0340 – C8-0218/2018 – 2018/0172[COD], im Folgenden: Änderung des Parlaments) in diesen Vorschlag aufgenommen wurde. Anschließend verständigten sich die drei betroffenen Organe im Rahmen dieses Kompromisses darauf, diese Änderung in den Text der künftigen Richtlinie aufzunehmen. Bei dieser Gelegenheit erklärte die Kommission, dass sie alle Änderungen akzeptiere.

35

Die Klägerinnen werfen der Kommission außerdem vor, die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) mit Schreiben vom 30. April 2019 (im Folgenden: Schreiben vom 30. April 2019) ersucht zu haben, das bei ihr anhängige Beschränkungsverfahren betreffend Kunststoffe mit einem prooxidativen Zusatzstoff einzustellen. Nach Ansicht der Klägerinnen hätten in dem Fall, dass die ECHA dieses Verfahren abgeschlossen und insbesondere, wie in Art. 69 Abs. 1 der REACH-Verordnung vorgesehen, ein Dossier ausgearbeitet hätte, die zusätzlichen Elemente, die den drei betroffenen Organen auf diese Weise zur Kenntnis gebracht worden wären, diese dazu veranlasst, in Bezug auf Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff andere Maßnahmen als ein Verbot des Inverkehrbringens oder gar keine Maßnahmen zu erlassen.

36

Schließlich werfen die Klägerinnen der Kommission vor, keine Folgenabschätzung speziell für Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff und aus dieser Kunststoffart hergestellte Artikel durchgeführt und keine relevanten Beweise betreffend diesen Kunststoff und das mit ihm verbundene Risiko für die Umwelt und die menschliche Gesundheit gesammelt oder berücksichtigt zu haben. Nach Ansicht der Klägerinnen hätten die drei betroffenen Organe ihre Beurteilung geändert, wenn sie über zusätzliche Elemente verfügt hätten.

37

Die Frage, ob das oben in den Rn. 34 bis 36 genannte Verhalten rechtswidrig ist, und die Frage, ob das Parlament und der Rat ohne ein solches Verhalten das Inverkehrbringen von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff dennoch verboten hätten, betrifft die Bestimmung des haftungsbegründenden Ereignisses und des Kausalzusammenhangs zwischen diesem Ereignis und dem geltend gemachten Schaden. Die Fragen, die sich auf die Prüfung der Voraussetzungen beziehen, unter denen die Union außervertraglich haftet, wie die Bestimmung des haftungsbegründenden Ereignisses und des Kausalzusammenhangs, gehören jedoch zur Prüfung der Begründetheit der vorliegenden Klage und sind daher für die Beurteilung ihrer Zulässigkeit unerheblich (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 23. Mai 2019, Steinhoff u. a./EZB, T‑107/17, EU:T:2019:353, Rn. 42 bis 47).

38

Folglich ist das Vorbringen der Kommission zurückzuweisen, mit dem sie begehrt, die Klage insoweit für unzulässig zu erklären, als sie gegen sie gerichtet ist.

D. Zur Begründetheit

39

Einleitend sei daran erinnert, dass die Union gemäß Art. 340 Abs. 2 AEUV im Bereich der außervertraglichen Haftung den durch ihre Organe oder Bediensteten in Ausübung ihrer Amtstätigkeit verursachten Schaden nach den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ersetzt, die den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsam sind.

40

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Begründung der außervertraglichen Haftung der Union an die Erfüllung mehrerer Voraussetzungen geknüpft, nämlich einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, das tatsächliche Bestehen des Schadens sowie einen Kausalzusammenhang zwischen dem Verstoß gegen die dem betreffenden Organ obliegende Verpflichtung und dem den geschädigten Personen entstandenen Schaden (vgl. Urteil vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41

Liegt eine dieser Voraussetzungen nicht vor, ist die Klage insgesamt abzuweisen, ohne dass die übrigen Voraussetzungen der außervertraglichen Haftung der Union geprüft zu werden bräuchten. Außerdem ist das Unionsgericht nicht gehalten, diese Voraussetzungen in einer bestimmten Reihenfolge zu prüfen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 9. September 1999, Lucaccioni/Kommission, C‑257/98 P, EU:C:1999:402, Rn. 13, 63 und 64, und vom 5. September 2019, Europäische Union/Guardian Europe und Guardian Europe/Europäische Union, C‑447/17 P und C‑479/17 P, EU:C:2019:672, Rn. 148).

42

Insbesondere zur ersten Voraussetzung hat der Gerichtshof entschieden, dass ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, gegeben ist, wenn das betreffende Organ die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Rechtsnorm sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Rechtsnorm der Unionsbehörde belässt (Urteile vom 30. Mai 2017, Safa Nicu Sepahan/Rat, C‑45/15 P, EU:C:2017:402, Rn. 30, und vom 10. September 2019, HTTS/Rat, C‑123/18 P, EU:C:2019:694, Rn. 33).

43

Hierzu ist im Kontext der vorliegenden Rechtssache festzustellen, dass ein etwaiger hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die in Rede stehenden Rechtsnormen auf einer offenkundigen und erheblichen Überschreitung der Grenzen des weiten Ermessens beruhen muss, über das der Unionsgesetzgeber bei der Ausübung der Befugnisse im Umweltbereich gemäß den Art. 191 und 192 AEUV verfügt. Bei der Ausübung dieses Ermessens geht es nämlich darum, dass der Unionsgesetzgeber zum einen komplexe und ungewisse ökologische, wissenschaftliche, technische und wirtschaftliche Entwicklungen vorhersehen und bewerten und zum anderen die in Art. 191 AEUV genannten verschiedenen Ziele, Grundsätze und Interessen gegeneinander abwägen und miteinander versöhnen muss (Urteil vom 2. März 2010, Arcelor/Parlament und Rat, T‑16/04, EU:T:2010:54, Rn. 143).

44

Zunächst ist zu prüfen, ob die erste Voraussetzung für die Begründung der Haftung der Union erfüllt ist.

45

Die Klägerinnen machen insoweit fünf Rechtswidrigkeitsgründe geltend, mit denen sie hinreichend qualifizierte Verstöße erstens gegen die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung, zweitens gegen die Nrn. 12 und 14 bis 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung „Bessere Rechtsetzung“ zwischen dem Parlament, dem Rat und der Kommission vom 13. April 2016 (ABl. 2016, L 123, S. 1, im Folgenden: Interinstitutionelle Vereinbarung), drittens gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, gegen Art. 191 AEUV sowie offensichtliche Beurteilungsfehler, viertens gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung und fünftens gegen die Art. 16 und 17 und Art. 41 Abs. 1 der Charta sowie gegen Art. 49 AEUV rügen.

1.   Zum ersten Rechtswidrigkeitsgrund: Verstoß gegen die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung

46

Mit ihrem ersten Rechtswidrigkeitsgrund machen die Klägerinnen geltend, das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff sei unter Umgehung des Beschränkungsverfahrens nach den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung erlassen worden. In diesem Zusammenhang weisen sie darauf hin, dass bei der ECHA ein Beschränkungsverfahren im Gang gewesen sei, als das Parlament, ohne diesem Verfahren in irgendeiner Weise Rechnung zu tragen, die Änderung angenommen habe, mit der Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff zu den Erzeugnissen hinzugefügt worden seien, deren Inverkehrbringen der Richtlinienvorschlag verboten habe. Dieses Verfahren sei immer noch im Gange gewesen, als sich das Parlament und der Rat auf diese Änderung geeinigt hätten und das Parlament eine legislative Entschließung angenommen habe, mit der die in Rede stehende Änderung übernommen worden sei.

47

Folglich sei das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot erlassen worden, ohne dass die drei betroffenen Organe angemessen geprüft hätten, ob oxo-abbaubarer Kunststoff ein „unannehmbares Risiko“ für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstelle, „das [unions]weit behandelt werden muss“, ohne dass sie „die sozioökonomischen Auswirkungen der Beschränkung einschließlich der Verfügbarkeit von Alternativen berücksichtigt“ hätten, wie es Art. 68 Abs. 1 der REACH-Verordnung verlange, und ohne dass sie selbst gemäß Art. 69 Abs. 6 dieser Verordnung aufgefordert worden wären, sich gegenüber der ECHA zu äußern. Der Erlass dieses Verbots sei daher verfrüht und rechtswidrig.

48

Die drei betroffenen Organe hätten dadurch, dass sie das in den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung vorgesehene Beschränkungsverfahren umgangen hätten, obwohl allein die ECHA über die fachliche Kompetenz für Ermittlungen und die Feststellung verfüge, ob oxo-abbaubarer Kunststoff und oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff in umweltpolitischer Hinsicht gerechtfertigt seien, einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung begangen. Schließlich weisen die Klägerinnen darauf hin, dass diese Verordnung dem Einzelnen Rechte verleihe, da Art. 69 Abs. 1 vorsehe, dass die ECHA alle interessierten Kreise auffordere, sich zu den Dossiers und den vorgeschlagenen Beschränkungen zu äußern und eine sozioökonomische Analyse einzureichen.

49

Das Parlament, der Rat und die Kommission treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

50

Hierzu ist festzustellen, dass nach Art. 68 Abs. 1 der REACH-Verordnung dann, wenn die Herstellung, die Verwendung oder das Inverkehrbringen eines Stoffs ein unannehmbares Risiko für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt mit sich bringt, das unionsweit behandelt werden muss, diese Herstellung, diese Verwendung oder dieses Inverkehrbringen Beschränkungen unterworfen werden kann. Diese Beschränkungen sind in Anhang XVII der genannten Verordnung aufgeführt.

51

Zu diesem Zweck kann die Kommission nach Art. 69 der REACH-Verordnung die ECHA auffordern, ein Dossier auszuarbeiten. Geht aus diesem Dossier hervor, dass unionsweit gehandelt werden muss, schlägt die Agentur innerhalb von zwölf Monaten nach Eingang der Aufforderung durch die Kommission Beschränkungen vor. Das Dossier wird sodann zusammen mit den vorgeschlagenen Beschränkungen auf der Website der ECHA öffentlich zugänglich gemacht, und die interessierten Kreise werden aufgefordert, sich gegenüber der ECHA zu äußern.

52

Anschließend wird gemäß den Art. 70 und 71 der REACH-Verordnung innerhalb von neun Monaten nach der Veröffentlichung des Dossiers eine Stellungnahme des ECHA-Ausschusses für Risikobeurteilung und innerhalb von zwölf Monaten nach dieser Veröffentlichung eine Stellungnahme des ECHA-Ausschusses für sozioökonomische Analyse zu dem Dossier abgegeben. Beide Stellungnahmen werden gemäß Art. 72 der REACH-Verordnung der Kommission übermittelt und auf der Website der ECHA veröffentlicht.

53

Sind die Voraussetzungen von Art. 68 Abs. 1 der REACH-Verordnung erfüllt, so erstellt die Kommission gemäß Art. 73 Abs. 1 dieser Verordnung den Entwurf einer Änderung ihres Anhangs XVII. Die endgültige Entscheidung wird gemäß Art. 73 Abs. 2 und Art. 133 Abs. 4 dieser Verordnung nach dem Regelungsverfahren mit Kontrolle erlassen.

54

Im vorliegenden Fall wurde ein solches Verfahren eingeleitet, aber nicht zu Ende geführt.

55

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2017 hat die Kommission die ECHA nämlich aufgefordert, gemäß Art. 69 Abs. 1 der REACH-Verordnung ein Dossier betreffend oxo-abbaubare Kunststoffe auszuarbeiten. Die Kommission und die ECHA haben sich sodann darauf verständigt, die Vorlage dieses Dossiers auf Ende Juli 2019 zu verschieben, um den interessierten Kreisen die Möglichkeit zu geben, der ECHA zusätzliche Informationen zu übermitteln, wie aus einer E‑Mail eines ECHA-Bediensteten vom 30. Oktober 2018 an die Antragsteller hervorgeht. Wie oben in Rn. 35 jedoch ausgeführt, hat die Kommission die ECHA anschließend mit Schreiben vom 30. April 2019 ersucht, die Ausarbeitung des in Rede stehenden Dossiers einzustellen, weil ein Tätigwerden nach der REACH-Verordnung nicht mehr erforderlich sei, da am 19. Dezember 2018 im Rahmen der Ausarbeitung der Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt ein interinstitutioneller Kompromiss gefunden worden sei, um das Inverkehrbringen von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff zu verbieten.

56

Wie sich aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 2019/904 ergibt, wurde das Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff somit im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV erlassen.

57

Die Klägerinnen machen geltend, die drei betroffenen Organe hätten die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung dadurch umgangen, dass sie das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot erlassen hätten, ohne den Ausgang des laufenden Beschränkungsverfahrens abzuwarten. Dieses Verbot sei verfrüht und rechtswidrig erlassen worden, ohne dass die ECHA, die im Gegensatz zu diesen Organen in diesem Bereich über wissenschaftliche Kompetenz verfüge, den Organen die von ihr zusammengetragenen Informationen zur Kenntnis habe bringen können und ohne dass sie die Klägerinnen angehört habe. Ein solches Verhalten stelle einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung dar, die bezweckten, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

58

Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden, da zum einen kein Verstoß gegen die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung begangen wurde und zum anderen diese Artikel keine Rechtsnormen darstellen, die bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

59

Erstens kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff nach dem in den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung vorgesehenen Beschränkungsverfahren erlassen werden musste.

60

Die Richtlinie 2019/904 wurde nämlich gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren nach Art. 294 AEUV erlassen. Außerdem heißt es in der Präambel dieser Richtlinie, dass ihre Rechtsgrundlage Art. 192 Abs. 1 AEUV ist. Dieser Artikel sieht jedoch vor, dass das Parlament und der Rat gemäß diesem Verfahren beschließen.

61

Außerdem bestimmt Art. 2 Abs. 4 der REACH-Verordnung, dass diese Verordnung „unbeschadet … [der] Umweltschutzvorschriften der [Union gilt], einschließlich“ mehrerer dort aufgeführter Richtlinien. Somit behält die Verordnung die Anwendung der den Umweltschutz betreffenden Unionsrechtsakte ausdrücklich vor. Zwar gehört die Richtlinie 2019/904 nicht zu den in Art. 2 Abs. 4 der REACH-Verordnung aufgezählten Bestimmungen. Diese Richtlinie wurde jedoch nach dem Erlass dieser Verordnung erlassen. Außerdem deutet die Verwendung des Ausdrucks „einschließlich“ darauf hin, dass die Aufzählung in diesem Artikel nicht abschließend ist.

62

Zweitens kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die drei betroffenen Organe verpflichtet waren, wenn schon nicht das Beschränkungsverfahren nach den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung zu befolgen, so doch zumindest das Ergebnis des laufenden Beschränkungsverfahrens abzuwarten, bevor sie das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot erließen.

63

Das der Kommission durch Art. 17 Abs. 2 EUV und Art. 289 AEUV eingeräumte gesetzgeberische Initiativrecht bedeutet nämlich, dass es Sache der Kommission ist, zu entscheiden, ob sie einen Vorschlag für einen Gesetzgebungsakt vorlegt, und den Gegenstand, das Ziel und den Inhalt dieses Vorschlags zu bestimmen (Urteil vom 6. September 2017, Slowakei und Ungarn/Rat, C‑643/15 und C‑647/15, EU:C:2017:631, Rn. 146).

64

Außerdem bedeutet das dem Parlament und dem Rat durch Art. 14 Abs. 1 EUV und Art. 16 Abs. 1 EUV vorbehaltene Gesetzgebungsrecht, dass es ausschließlich Sache dieser Organe ist, den Inhalt eines Gesetzgebungsakts festzulegen (Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 84).

65

Daher liefe es dann, wenn die Kommission, das Parlament und der Rat verpflichtet würden, den Ausgang des in den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung vorgesehenen Beschränkungsverfahrens abzuwarten, um den Richtlinienvorschlag bzw. die Änderung, mit der das Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff in diesem Vorschlag eingeführt wird, zu erlassen, darauf hinaus, das Initiativrecht der Kommission für Rechtsvorschriften und die Gesetzgebungsbefugnis der beiden letztgenannten Organe einzuschränken.

66

Drittens kann die Rechtmäßigkeit der Richtlinie 2019/904 nicht anhand der REACH-Verordnung geprüft werden.

67

Nach der Rechtsprechung kann die materielle Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts nämlich nicht anhand eines anderen Unionsrechtsakts derselben normativen Ebene geprüft werden, sofern er nicht in Anwendung des letztgenannten Rechtsakts erlassen wurde oder in einem dieser beiden Rechtsakte ausdrücklich vorgesehen ist, dass der eine Vorrang gegenüber dem anderen hat (Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 38).

68

Aus Art. 289 Abs. 1 und 3 AEUV geht jedoch hervor, dass Rechtsakte, die gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren angenommen werden, Gesetzgebungsakte sind. Dies ist, wie oben in Rn. 56 ausgeführt, bei der Richtlinie 2019/904 der Fall. Rechtsgrundlage der REACH-Verordnung ist Art. 95 EG, der die Anwendung des in Art. 251 EG beschriebenen Mitentscheidungsverfahrens vorsah. Das in Art. 294 AEUV festgelegte ordentliche Gesetzgebungsverfahren entspricht jedoch im Wesentlichen dem Mitentscheidungsverfahren (Beschluss vom 6. September 2011, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Parlament und Rat, T‑18/10, EU:T:2011:419, Rn. 61), so dass auch die REACH-Verordnung als Gesetzgebungsakt anzusehen ist. Mithin ist davon auszugehen, dass die Richtlinie 2019/904 und die REACH-Verordnung auf derselben normativen Ebene angesiedelt sind (vgl. entsprechend Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 38).

69

Darüber hinaus wurde die Richtlinie 2019/904 nicht in Anwendung der REACH-Verordnung erlassen.

70

Außerdem ist in Anbetracht dessen, dass Art. 2 Abs. 4 der REACH-Verordnung, wie oben in Rn. 61 ausgeführt, bestimmt, dass sie unbeschadet der Umweltvorschriften der Union gilt, klar, dass diese Verordnung nicht vorsieht, dass sie gegenüber diesen Vorschriften – wie der Richtlinie 2019/904 – Vorrang hat. Im Übrigen sieht diese Richtlinie ebenso wenig vor, dass die REACH-Verordnung gegenüber den Bestimmungen der Richtlinie Vorrang hat.

71

Aus den vorstehenden Rn. 59 bis 70 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe nicht gegen die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung verstoßen haben.

72

Da kein Verstoß gegen diese Bestimmungen vorliegt, ist nicht zu prüfen, ob dieser Verstoß hinreichend qualifiziert ist, wie es die oben in Rn. 42 angeführte Rechtsprechung zur ersten Voraussetzung für die Begründung der Haftung der Union verlangt.

73

Jedenfalls können die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung nicht als Rechtsnormen angesehen werden, die bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

74

Die Klägerinnen stützen sich insoweit auf Art. 69 Abs. 6 der REACH-Verordnung, wonach die ECHA alle interessierten Kreise auffordert, sich innerhalb von sechs Monaten nach der Veröffentlichung des Dossiers dazu und zu den vorgeschlagenen Beschränkungen zu äußern sowie eine sozioökonomische Analyse einzureichen oder Informationen zu übermitteln, die für eine solche Analyse verwendet werden können. Nach Ansicht der Klägerinnen verleiht diese Bestimmung dem Einzelnen ein Recht, nämlich das Recht, seinen Ansichten vor dem Erlass einer Beschränkung Gehör zu verschaffen.

75

Außerdem fordert die ECHA nach Art. 71 Abs. 1 der REACH-Verordnung die interessierten Kreise auf, sich zum Entwurf der Stellungnahme des Ausschusses für sozioökonomische Analyse zu äußern.

76

Zwar trifft es zu, dass das Anhörungsrecht eine Rechtsvorschrift darstellt, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen (Urteil vom 28. Oktober 2021, Vialto Consulting/Kommission, C‑650/19 P, EU:C:2021:879, Rn. 140).

77

Gleichwohl wird den interessierten Kreisen durch keine Bestimmung der Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung ein Anspruch auf rechtliches Gehör streng genommen zugesichert. Insbesondere stellt der Umstand, dass Art. 69 Abs. 6 Buchst. a und Art. 71 Abs. 1 der REACH-Verordnung eine öffentliche Anhörung vorsehen, nicht in Frage, dass weder die ECHA noch die Kommission verpflichtet waren, einen Einzelnen, der von der Änderung des Anhangs XVII der REACH-Verordnung betroffen sein könnte, zusätzlich zu dieser öffentlichen Anhörung anzuhören (vgl. in diesem Sinne und entsprechend Urteil vom 25. September 2015, VECCO u. a./Kommission, T‑360/13, EU:T:2015:695, Rn. 81 und 82).

78

Daher ist der erste Rechtswidrigkeitsgrund zurückzuweisen.

2.   Zum zweiten Rechtswidrigkeitsgrund: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Nrn. 12 und 14 bis 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung

79

Mit ihrem zweiten Rechtswidrigkeitsgrund machen die Klägerinnen geltend, die drei betroffenen Organe hätten dadurch gegen die Nrn. 12 und 14 bis 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung verstoßen, dass sie keine Folgenabschätzung in Bezug auf das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff durchgeführt hätten. Die dem Richtlinienvorschlag beigefügte Folgenabschätzung beziehe sich nämlich nur auf die in Teil B des Anhangs dieses Vorschlags aufgeführten Fanggeräte und Einwegkunststoffartikel, zu denen oxo-abbaubare Kunststoffe nicht gehörten. Das Parlament und der Rat hätten gegen Nr. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung verstoßen, indem sie es unterlassen hätten, eine Folgenabschätzung in Bezug auf die Änderung des Richtlinienvorschlags durch das Parlament durchzuführen. Die Kommission habe gegen Nr. 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung verstoßen, da sie die ursprüngliche Folgenabschätzung nicht ergänzt habe.

80

Zwar seien das Parlament und der Rat nicht an die Folgenabschätzung der Kommission gebunden und verfügten die drei betroffenen Organe bei der Entscheidung, ob im Fall einer Änderung des von der Kommission vorgelegten Richtlinienvorschlags eine zusätzliche Folgenabschätzung erforderlich sei, über einen gewissen Ermessensspielraum. Die Nichtdurchführung einer Folgenabschätzung sei jedoch die Ausnahme und ihre Durchführung die Regel. Die drei betroffenen Organe hätten im vorliegenden Fall eine Folgenabschätzung in Bezug auf oxo-abbaubare Kunststoffe durchführen müssen, da sie nicht über ausreichende wissenschaftliche Beweise verfügt hätten. Folglich hätten die Organe einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen die Interinstitutionelle Vereinbarung begangen, die dem Einzelnen Rechte verleihe.

81

Das Parlament, der Rat und die Kommission treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

82

Dem Vorbringen der Klägerinnen kann nicht gefolgt werden. Zum einen wurde nicht gegen die Interinstitutionelle Vereinbarung verstoßen, und zum anderen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bestimmungen dieser Vereinbarung bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

83

Hierzu stellt das Gericht erstens fest, dass die Kommission eine Folgenabschätzung für ihren Richtlinienvorschlag durchgeführt hat. Diese Folgenabschätzung betrifft allerdings nicht oxo-abbaubaren Kunststoff.

84

Unstreitig ging die Annahme der Änderung des Parlaments jedoch nicht mit einer Folgenabschätzung in Bezug auf diese Art von Kunststoff einher.

85

Daher ist zu prüfen, ob die Nrn. 12 und 14 bis 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung den drei betroffenen Organen oder einem von ihnen vorschrieben, eine Folgenabschätzung speziell in Bezug auf die Änderung des Parlaments durchzuführen.

86

Aus dem Wortlaut der genannten Nummern geht eindeutig hervor, dass dies nicht der Fall war.

87

In Nr. 12 der Interinstitutionellen Vereinbarung heißt es nämlich u. a., dass Folgenabschätzungen ein Instrument darstellen, das dem Parlament, dem Rat und der Kommission dabei hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen, und dass sie kein Ersatz für politische Entscheidungen im demokratischen Entscheidungsprozess sind.

88

Nach Nr. 13 der Interinstitutionellen Vereinbarung wird die Kommission u. a. Gesetzgebungsinitiativen, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen ist, einer Folgenabschätzung unterziehen.

89

In Nr. 14 der Vereinbarung heißt es, dass das Parlament und der Rat die Folgenabschätzungen der Kommission in vollem Umfang berücksichtigen werden.

90

Nach der Rechtsprechung sind das Parlament und der Rat durch eine solche Folgenabschätzung jedoch nicht gebunden, so dass es dem Unionsgesetzgeber unbenommen bleibt, andere Maßnahmen als die zu treffen, die Gegenstand der Folgenabschätzung waren (Urteil vom 4. Mai 2016, Pillbox 38, C‑477/14, EU:C:2016:324, Rn. 65).

91

Außerdem sieht Nr. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung vor, dass das Parlament und der Rat dann, wenn sie dies im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich halten, Folgenabschätzungen in Bezug auf die von ihnen vorgenommenen wesentlichen Abänderungen am Kommissionsvorschlag durchführen. Nach dieser Nr. 15 sollte das jeweilige Organ bestimmen, was als „wesentliche“ Abänderung zu betrachten ist.

92

Nach der Rechtsprechung enthält Nr. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung jedoch keine zwingende Verpflichtung zulasten des Parlaments und des Rates. Diese Nummer sieht lediglich die Möglichkeit vor, eine Aktualisierung der Folgenabschätzung vorzunehmen, wenn das Parlament und der Rat dies „im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich halten“ (Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 43).

93

Im vorliegenden Fall machen sowohl das Parlament als auch der Rat geltend, dass sie über ausreichende wissenschaftliche Informationen verfügten und eine solche Aktualisierung daher nicht erforderlich gewesen sei. Daher kann ihnen nicht vorgeworfen werden, keine Folgenabschätzung in Bezug auf die Änderung des Parlaments durchgeführt zu haben.

94

Zu der angeblich pflichtwidrigen Untätigkeit der Kommission ist festzustellen, dass es in Nr. 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung heißt, dass die Kommission auf eigene Initiative oder auf Aufforderung durch das Parlament oder den Rat die eigene Folgenabschätzung ergänzen oder sonstige Analysetätigkeiten, die sie für erforderlich hält, durchführen „kann“. Aus dem Wortlaut dieser Nr. 16 geht klar hervor, dass sie keine Verpflichtung der Kommission enthält, eine Aktualisierung der Folgenabschätzung vorzunehmen. Folglich kann ihr nicht vorgeworfen werden, keine solche Folgenabschätzung vorgenommen zu haben, um der Änderung des Parlaments Rechnung zu tragen.

95

Aus dem Vorstehenden folgt, dass die drei betroffenen Organe nicht gegen die Nrn. 12 und 14 bis 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung verstoßen haben.

96

Da kein solcher Verstoß vorliegt, ist nicht zu prüfen, ob er hinreichend qualifiziert ist, wie es die oben in Rn. 42 angeführte Rechtsprechung zur ersten Voraussetzung für die Begründung der Haftung der Union verlangt.

97

Zweitens kann jedenfalls nicht angenommen werden, dass die Nrn. 12 und 14 bis 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung bezwecken, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, da Folgenabschätzungen, wie in dieser Nr. 12 klargestellt wird, ein Instrument darstellen, das den drei betroffenen Organen dabei hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen.

98

Der zweite Rechtswidrigkeitsgrund ist daher zurückzuweisen.

3.   Zum dritten Rechtswidrigkeitsgrund: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen Art. 191 AEUV sowie offensichtliche Beurteilungsfehler

99

Mit ihrem dritten Rechtswidrigkeitsgrund machen die Klägerinnen geltend, dass das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot, soweit es für oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff gelte, gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen Art. 191 AEUV verstoße sowie auf offensichtlichen Beurteilungsfehlern beruhe. Mit dem Erlass dieses Verbots hätten die drei betroffenen Organe daher einen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen Rechtsnormen begangen, die bezweckten, dem Einzelnen Rechte zu verleihen.

100

Der dritte Rechtswidrigkeitsgrund gliedert sich in drei Teile.

101

Mit dem ersten Teil machen die Klägerinnen geltend, dass die drei betroffenen Organe über keine erschöpfende wissenschaftliche Bewertung der mit oxo-abbaubarem Kunststoff verbundenen Risiken verfügten und dass das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot daher per se gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen Art. 191 AEUV verstoße sowie auf offensichtlichen Beurteilungsfehlern beruhe.

102

Diese Organe hätten eine derart eingriffsintensive Maßnahme nicht erlassen können, ohne über Beweise zu verfügen, die im Rahmen des in den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung vorgesehenen Beschränkungsverfahrens zusammengetragen worden wären. Den drei betroffenen Organen hätten auch eine Folgenabschätzung speziell in Bezug auf oxo-abbaubaren Kunststoff sowie sonstige wissenschaftliche Bewertungen der Vor- und Nachteile dieser Art von Kunststoff vorliegen müssen. Indem sie das Inverkehrbringen dieser Kunststoffart verboten hätten, ohne über solche Elemente zu verfügen, hätten sie eine hypothetische Betrachtung der mit ihm verbundenen Risiken vorgenommen.

103

Der Umstand, dass die drei betroffenen Organe im Umweltbereich über ein weites Ermessen verfügten, befreie sie nicht von der Verpflichtung, alle relevanten Elemente zu berücksichtigen. Die wissenschaftlichen Studien, auf die sich diese Organe in ihren Klagebeantwortungen gestützt hätten, um das Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff zu erlassen, unterschieden jedoch nicht zwischen oxo-abbaubarem Kunststoff und oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff und empfählen kein vollständiges Verbot der zweitgenannten Kunststoffart. Außerdem hätten sie insbesondere nicht die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen dieses Verbots berücksichtigt. Schließlich gebe es genügend Beweise, um die Verhältnismäßigkeit dieses Verbots in Frage zu stellen.

104

Mit dem zweiten Teil des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes machen die Klägerinnen geltend, die drei betroffenen Organe hätten nicht oder nicht hinreichend nachgewiesen, dass zwischen dem Verbot des Inverkehrbringens von oxo-abbaubaren Kunststoffprodukten und dem Ziel der Richtlinie 2019/904, nämlich dem Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit, ein nachvollziehbarer Zusammenhang bestehe. Daher verstoße dieses Verbot gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

105

Nach Ansicht der Klägerinnen ist keine der vier Behauptungen im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904 belegt.

106

Erstens beruhe die Behauptung, dass oxo-abbaubarer Kunststoff sich nicht hinreichend biologisch abbaue, auf keinem Beweis, da solche Beweise im Rahmen des Beschränkungsverfahrens nach den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung hätten erbracht werden müssen. Die wissenschaftlichen Studien, auf die sich die drei betroffenen Organe angeblich gestützt hätten, seien nicht zu dem Ergebnis gelangt, dass oxo-abbaubarer Kunststoff sich nicht hinreichend biologisch abbaue, sondern lediglich zu der Schlussfolgerung, dass es keinen schlüssigen Beweis für seine biologische Abbaubarkeit gebe. Außerdem werde diese Behauptung durch andere wissenschaftliche Studien und Laborversuche widerlegt, die belegten, dass sich oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff angemessen biologisch abbaue.

107

Zweitens sei die Behauptung, oxo-abbaubarer Kunststoff sei nicht kompostierbar, unzutreffend. Außerdem hätten die drei betroffenen Organe weder dargelegt, inwiefern der Umstand, dass oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff nicht kompostierbar sei, ein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstelle, noch, warum dieser Umstand das Verbot von oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff rechtfertige, während herkömmlicher Kunststoff, der ebenfalls nicht kompostierbar sei, nicht verboten sei.

108

Was drittens die Behauptung betreffe, oxo-abbaubarer Kunststoff wirke sich negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen aus, so werde in den wissenschaftlichen Studien, auf die sich die drei betroffenen Organe nach eigenen Angaben gestützt hätten, nicht in Abrede gestellt, dass oxo-abbaubarer Kunststoff recycelt werden könne, und es werde dort ausgeführt, dass durch die Verwendung von Stabilisatoren vermieden werden könne, dass sich diese Art von Kunststoff negativ auf das Recycling herkömmlicher Kunststoffe auswirke. Andere Studien belegten, dass oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff in gleicher Weise wie herkömmlicher Kunststoff recycelt werden könne.

109

Viertens sei die Behauptung, dass oxo-abbaubarer Kunststoff nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen führe, auf keine wissenschaftliche Studie gestützt.

110

Mit dem dritten Teil des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes machen die Klägerinnen im Wesentlichen geltend, dass ein vollständiges Verbot des Inverkehrbringens die Grenzen dessen überschreite, was zur Erreichung des Ziels der Richtlinie 2019/904 erforderlich sei, und dass es andere, weniger einschneidende Maßnahmen gebe. Folglich verstoße dieses Verbot gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

111

Zur Stützung dieses dritten Teils machen die Klägerinnen geltend, dass es möglich gewesen wäre, diese Kunststoffart von dem in Rede stehenden Verbot auszunehmen, die Durchführung von Tests gemäß einer anerkannten Norm zur Beurteilung der biologischen Abbaubarkeit dieser Kunststoffart vorzuschreiben, zu verlangen, dass diese Kunststoffart einen Marker zur Ermöglichung einer automatischen, dem Recycling vorgeschalteten Sortierung enthalte, für diese Kunststoffart eine der kein Verbot darstellenden Maßnahmen gemäß den Art. 4, 7, 8 und/oder 10 der Richtlinie 2019/904 vorzusehen oder eine Kennzeichnung vorzuschreiben, die jede Gefahr einer Verwechslung durch die Verbraucher ausschließe. Die Klägerinnen machen ferner geltend, die drei betroffenen Organe hätten einen Übergangszeitraum vorsehen müssen, anstatt das Inverkehrbringen schlichtweg zu verbieten.

112

Das Parlament, der Rat und die Kommission treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

113

Das Gericht stellt fest, dass ein Verstoß gegen Art. 191 AEUV zwar nur im Rahmen des ersten Teils des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes geltend gemacht wird, ein Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit jedoch im Rahmen aller drei Teile dieses Rechtswidrigkeitsgrundes geltend gemacht wird. Daher sind diese drei Teile zusammenzufassen und erstens ein Verstoß gegen Art. 191 AEUV und zweitens ein Verstoß gegen Art. 5 Abs. 4 EUV zu prüfen.

a)   Zum ersten Teil, soweit mit ihm ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Art. 191 AEUV gerügt wird

114

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber, wie oben in Rn. 43 ausgeführt, bei der Ausübung der Befugnisse im Umweltbereich gemäß den Art. 191 und 192 AEUV über ein weites Ermessen verfügt.

115

Die Kontrolle durch das Unionsgericht ist daher auf die Prüfung beschränkt, ob die Ausübung eines solchen Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder der Unionsgesetzgeber die Grenzen seines Ermessens offensichtlich überschritten hat (Urteil vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 28).

116

Außerdem beruht die Umweltpolitik der Union nach Art. 191 Abs. 2 AEUV u. a. auf dem Vorsorgegrundsatz. Nach Art. 191 Abs. 3 AEUV berücksichtigt die Union bei der Erarbeitung dieser Politik u. a. die verfügbaren wissenschaftlichen und technischen Daten.

117

Das Vorsorgeprinzip bedeutet jedoch, dass bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit Schutzmaßnahmen getroffen werden können, ohne dass abgewartet werden müsste, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden. Erweist es sich als unmöglich, das Vorliegen oder den Umfang des behaupteten Risikos mit Sicherheit festzustellen, weil die durchgeführten Studien unschlüssig sind, die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Schadens für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit jedoch fortbesteht, falls das Risiko eintreten sollte, rechtfertigt das Vorsorgeprinzip den Erlass beschränkender Maßnahmen (Urteil vom 6. Mai 2021, Bayer CropScience und Bayer/Kommission, C‑499/18 P, EU:C:2021:367, Rn. 80). Insoweit dürfen die Organe keine rein hypothetische Betrachtung des Risikos vornehmen und ihre Entscheidungen nicht auf ein Risikoniveau „Null“ ausrichten (vgl. entsprechend Urteile vom 9. September 2003, Monsanto Agricoltura Italia u. a., C‑236/01, EU:C:2003:431, Rn. 106, vom 12. Dezember 2014, Xeda International/Kommission, T‑269/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1069, Rn. 55 und 56, und vom 17. März 2021, FMC/Kommission, T‑719/17, EU:T:2021:143, Rn. 69).

118

Daher hat die zuständige öffentliche Stelle, wenn sie keine willkürlichen Maßnahmen erlassen will, die auf keinen Fall durch den Vorsorgegrundsatz gerechtfertigt werden können, darauf zu achten, dass die von ihr getroffenen Maßnahmen, auch wenn es sich um vorbeugende Maßnahmen handelt, auf eine wissenschaftliche Risikobewertung gestützt sind, die unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls so erschöpfend wie möglich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 60; vgl. auch entsprechend Urteil vom 12. Dezember 2014, Xeda International/Kommission, T‑269/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1069, Rn. 57).

119

Diese wissenschaftliche Bewertung muss auf den besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten beruhen und ist in einer unabhängigen, objektiven und transparenten Art und Weise vorzunehmen (vgl. entsprechend Urteil vom 17. März 2021, FMC/Kommission, T‑719/17, EU:T:2021:143, Rn. 70). Sie muss der zuständigen öffentlichen Stelle eine so zuverlässige und fundierte Information vermitteln, dass sie die volle Tragweite der aufgeworfenen wissenschaftlichen Frage erfassen und ihre Politik in Kenntnis der Sachlage bestimmen kann (vgl. entsprechend Urteile vom 14. November 2013, ICdA u. a./Kommission, T‑456/11, EU:T:2013:594, Rn. 52, und vom 17. März 2021, FMC/Kommission, T‑719/17, EU:T:2021:143, Rn. 71).

120

Folglich setzte der Erlass des in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehenen Verbots des Inverkehrbringens voraus, dass die drei betroffenen Organe auf der Grundlage einer möglichst erschöpfenden wissenschaftlichen Bewertung der mit Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff verbundenen Risiken frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgehen konnten, dass ein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit bestand. Ferner ist darauf hinzuweisen, dass nach der oben in Rn. 42 angeführten Rechtsprechung die außervertragliche Haftung der Union nur dann ausgelöst wird, wenn der Verstoß gegen die in Rede stehende Rechtsnorm hinreichend qualifiziert ist.

121

Insoweit ist das Gericht der Auffassung, dass entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen weder der Umstand, dass keine Folgenabschätzung in Bezug auf Artikel aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff durchgeführt wurde, noch der Umstand, dass die Kommission das Beschränkungsverfahren nach den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung eingestellt hat und dass die drei betroffenen Organe folglich weder über ein von der ECHA ausgearbeitetes Dossier noch über einen Beschränkungsvorschlag noch über die in der REACH-Verordnung vorgesehenen Stellungnahmen des Ausschusses für Risikobeurteilung und des Ausschusses für sozioökonomische Analyse verfügten, belegen, dass das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot dieser Artikel erlassen wurde, ohne dass eine möglichst erschöpfende wissenschaftliche Bewertung der mit ihnen verbundenen Risiken durchgeführt worden wäre. Aus den vorstehenden Rn. 78 und 98 geht nämlich hervor, dass diese Organe weder verpflichtet waren, eine solche Folgenabschätzung durchzuführen, noch, das in den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung vorgesehene Verfahren zu befolgen, um dieses Verbot zu erlassen. Zur Erfüllung der Anforderungen der oben in den Rn. 118 und 119 angeführten Rechtsprechung genügt es, dass die drei betroffenen Organe im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens über eine so zuverlässige und fundierte Information verfügten, dass sie die volle Tragweite der aufgeworfenen wissenschaftlichen Frage erfassen und ihre Politik in Kenntnis der Sachlage bestimmen konnten, wobei es nicht auf die Herkunft und die Form dieser Information ankommt.

122

Im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904 wird die Erstreckung des in ihrem Art. 5 vorgesehenen Verbots auf Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff damit begründet, dass sich diese Art von Kunststoff erstens nicht hinreichend biologisch abbaue und so zur Verschmutzung der Umwelt durch Mikroplastik beitrage, zweitens nicht kompostierbar sei, sich drittens negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen auswirke und viertens nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen führe.

123

Folglich ist zu prüfen, ob ungeachtet dessen, dass keine Folgenabschätzung durchgeführt und das Beschränkungsverfahren nach den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung nicht zu Ende geführt wurde, jede dieser vier Behauptungen dennoch auf einer möglichst erschöpfenden wissenschaftlichen Bewertung der mit Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff verbundenen Risiken beruht, und ob die drei betroffenen Organe auf der Grundlage dieser Bewertung frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgehen konnten, dass Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit beständen.

1) Zur Behauptung, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff baue sich nicht hinreichend biologisch ab

124

Zu der Behauptung, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sich nicht hinreichend biologisch abbaue, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach einer von den Parteien nicht bestrittenen Definition in einem Bericht der Kommission an das Parlament und den Rat über die Auswirkungen der Verwendung von oxo-abbaubarem Kunststoff, einschließlich oxo-abbaubarer Kunststofftragetaschen, auf die Umwelt (COM[2018] 35 final) vom 16. Januar 2018 (im Folgenden: Bericht vom 16. Januar 2018) der biologische Abbau der Prozess ist, bei dem Stoffe zerfallen und von Mikroorganismen in Bestandteile zersetzt werden, die in der Natur vorkommen, d. h. in Kohlendioxid, Biomasse und Wasser. Er kann in einem sauerstoffreichen Milieu (aerober biologischer Abbau) oder in einem sauerstoffarmen Milieu (anaerober biologischer Abbau) stattfinden.

125

In ihren Klagebeantwortungen führen die drei betroffenen Organe aus, dass sie das Ergebnis, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sich nicht hinreichend biologisch abbaue, auf folgende Beweise gestützt hätten: die oben in Rn. 22 genannte Eunomia-Studie, den oben in Rn. 124 angeführten Bericht vom 16. Januar 2018, einen Bericht der Ellen-MacArthur-Stiftung mit dem Titel „Oxo Statement“ („Oxo-Erklärung“) vom 6. November 2017 (im Folgenden: Oxo-Erklärung), eine Studie von S. Deconinck und B. De Wilde für PlasticsEurope AISBL, einen europäischen Verband von Kunststoffherstellern mit dem Titel „Benefits and challenges of bio- and oxo-degradable plastics“ („Vorteile und Schwierigkeiten im Zusammenhang mit biologisch abbaubaren und oxo-abbaubaren Kunststoffen“) vom 9. August 2013 (im Folgenden: De-Wilde-Studie), und eine Studie der Universität Loughborough (Vereinigtes Königreich) für das Ministerium für Umwelt, Ernährung und den ländlichen Raum der Regierung des Vereinigten Königreichs mit dem Titel „Assessing the Environmental Impacts of Oxo-degradable Plastics Across Their Life Cycle“ („Prüfung der Umweltauswirkungen von oxo-abbaubaren Kunststoffen über ihren gesamten Lebenszyklus“) vom Januar 2010 (im Folgenden: Studie der Universität Loughborough).

126

Als Erstes ist festzustellen, dass die Eunomia-Studie klarstellt, dass sie nicht den Begriff „oxo-biologisch abbaubar“ verwenden werde, da dieser von der Kunststoffindustrie verwendet werde, um ihre Produkte als biologisch abbaubar zu vermarkten, sondern den Ausdruck Kunststoff „mit einem prooxidativen Zusatzstoff“, der sich darauf beschränke, eine physikalische Besonderheit des fraglichen Kunststoffs zu beschreiben, ohne anzugeben, ob er biologisch abbaubar sei.

127

Aus der Eunomia-Studie geht hervor, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht ohne eine Vorphase, in der der Kunststoff UV-Strahlung und Wärme ausgesetzt wird, biologisch abgebaut werden kann. Zweck dieser Vorphase ist es, die Molekularmasse des Kunststoffs durch Oxidation zu reduzieren, damit er in Partikel zerfällt. In dieser Studie heißt es, dass der biologische Abbau ohne diese Vorphase nicht oder innerhalb eines viel längeren Zeitraums stattfinde, weil der Kunststoff nicht hinreichend schnell zerfalle, um von Mikroorganismen aufgenommen werden zu können. Da Licht und Wärme je nach den lokalen Gegebenheiten variierten, sei es sehr schwierig, den Zeitraum und die Zerfallsrate einzuschätzen, die für einen biologischen Abbau erforderlich seien. Der prooxidative Zusatzstoff beschleunige jedoch den Zerfall des Kunststoffs in dieser Vorphase, so dass Kunststoff mit einem solchen Zusatzstoff dann, wenn er UV-Strahlung und Hitze ausgesetzt werde, schneller zerfalle als herkömmlicher Kunststoff.

128

In Bezug auf die nächste Phase, nämlich den biologischen Abbau im eigentlichen Sinne (Aufnahme durch Mikroorganismen), geht aus der Eunomia-Studie hervor, dass der biologische Abbau von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff in freier Natur nur teilweise nachgewiesen ist. Auch wenn dieser Kunststoff in freier Natur wohl abgebaut werden könne, sei nicht sicher, dass er vollständig und in einem vertretbaren Zeitraum abgebaut werde. Nur im Rahmen von Laborversuchen sei nämlich ein zufriedenstellender biologischer Abbau (fast vollständig, innerhalb von zwei Jahren, der kürzeste beobachtete Zeitraum) erzielt worden. Unter realen Gegebenheiten sei solch ein biologischer Abbau nie beobachtet worden. Außerdem könne zwar davon ausgegangen werden, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff in freier Natur viel schneller biologisch abbaue als herkömmlicher Kunststoff, doch könnten die negativen Auswirkungen auf die Umwelt während dieser Phase des biologischen Abbaus umso größer sein.

129

Hinsichtlich des biologischen Abbaus von auf Deponien verbrachten Kunststoffen mit einem prooxidativen Zusatzstoff kommt die Eunomia-Studie zu dem Ergebnis, dass die Annahme, dass kein biologischer Abbau stattfinde, erwiesen sei. Nach dieser Studie kann zwar in den äußeren Deponieschichten, wo dieser Kunststoff Sauerstoff ausgesetzt sei, biologischer Abbau stattfinden (aerober biologischer Abbau); in den tieferen Deponieschichten, in denen wenig Sauerstoff vorhanden sei, komme es hingegen kaum oder gar nicht zu biologischem Abbau. In diesen tieferen Schichten sei jedoch ein anaerober biologischer Abbau möglich. Beim anaeroben biologischen Abbau entstehe jedoch Methan, ein 25-mal schädlicheres Treibhausgas als das beim aeroben biologischen Abbau entstehende Kohlendioxid. Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sei daher marginal problematischer als herkömmlicher Kunststoff, weil er anders als dieser Treibhausgasemissionen erzeugen könne.

130

Schließlich sind laut der Eunomia-Studie die verfügbaren wissenschaftlichen Daten nicht ausreichend, um festzustellen, ob sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff in der Meeresumwelt biologisch abbaue. In dieser Studie wird jedoch darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse bestimmter Versuche nahelegten, dass diese Art von Kunststoff in der Meeresumwelt schneller zerfalle als herkömmlicher Kunststoff, dass sein biologischer Abbau jedoch deutlich langsamer verliefe als an Land in freier Natur, was bedeute, dass Partikel für einen unbestimmten oder ausreichend langen Zeitraum in der Umwelt bleiben könnten, um schwere Umweltschäden zu verursachen.

131

Als Zweites ist festzustellen, dass nach dem Bericht vom 16. Januar 2018, der die Schlussfolgerungen der Eunomia-Studie aufgreift, erforderlich ist, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff vorab Wärme und/oder UV-Strahlung ausgesetzt wird, damit in der anschließenden Phase ein biologischer Abbau erfolgen kann. Ferner geht aus diesem Bericht erstens hervor, dass mangels Belegen nicht endgültig geschlossen werden kann, dass sich diese Art von Kunststoff unter realen Gegebenheiten in freier Natur tatsächlich biologisch abbaut. Zweitens ist dem Bericht zufolge der biologische Abbau von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff in den äußeren Schichten der Deponie möglich, während er in den tieferen Schichten, wo diese Kunststoffart unter dem Aspekt der Treibhauswirkung schädlicher als herkömmlicher Kunststoff ist, kaum oder gar nicht stattfindet. Drittens heißt es in diesem Bericht, dass anhand der verfügbaren Daten nicht garantiert werden könne, dass es in der Meeresumwelt in einem vertretbaren Zeitraum zu einem biologischen Abbau komme, und dass ein solcher biologischer Abbau jedenfalls voraussichtlich deutlich langsamer als an Land in freier Natur verliefe und zu erheblichen Umweltschäden führe.

132

Sowohl die Eunomia-Studie als auch der Bericht vom 16. Januar 2018 standen den drei betroffenen Organen bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 zur Verfügung. Die Kommission hat diesen Bericht nämlich dem Parlament und dem Rat am 16. Januar 2018, mithin vor Erlass dieser Richtlinie am 5. Juni 2019, gemäß Art. 20a Abs. 2 der Richtlinie 94/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 1994 über Verpackungen und Verpackungsabfälle (ABl. 1994, L 365, S. 10) in der durch die Richtlinie (EU) 2015/720 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2015 (ABl. 2015, L 115, S. 11) geänderten Fassung vorgelegt. Die Eunomia-Studie wiederum bildet die Grundlage für den Bericht vom 16. Januar 2018, in dem wiederholt auf sie Bezug genommen wird. Daraus folgt, dass auch diese Studie den drei betroffenen Organen vor dem 5. Juni 2019 zur Verfügung stand.

133

Als Drittes ist festzustellen, dass die Oxo-Erklärung bestätigt, dass nicht nachgewiesen ist, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff in einem vertretbaren Zeitraum hinreichend biologisch abbaut. Diese Erklärung, die von zahlreichen Unternehmen und Berufsverbänden, Nichtregierungsorganisationen, Einrichtungen, Forschungseinrichtungen, Wissenschaftlern und Mitgliedern des Europäischen Parlaments unterzeichnet wurde, findet sich auf der Website der Ellen-MacArthur-Stiftung, deren Ziel die Förderung der Kreislaufwirtschaft ist. Daraus ergibt sich, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff zu Unrecht als Lösung für die Verschmutzung durch Kunststoffe vermarktet und als in einem vertretbaren Zeitraum biologisch abbaubar dargestellt wird. Nach dem Zerfall dieses Kunststoffs in kleine Partikel hänge der biologische Abbau dieses Kunststoffs nämlich von den – variablen – Umweltbedingungen ab und dauere oft länger oder gar viel länger als einige Monate oder sogar mehrere Jahre. Während dieses Zeitraums verblieben weiterhin Partikel in der Umwelt, was negative Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben könne.

134

Es ist unerheblich, dass die am 6. November 2017 veröffentlichte und in der vorstehenden Randnummer zusammengefasste ursprüngliche Fassung der Oxo-Erklärung im Juni 2018 von der Website der Ellen-MacArthur-Stiftung entfernt wurde, um dieser Stiftung die Prüfung der Beschwerde eines Dritten zu ermöglichen, oder dass diese Erklärung geändert wurde, bevor sie im Mai 2019 erneut online gestellt wurde. Denn die im Jahr 2019 vorgenommenen Änderungen verdeutlichen den Inhalt dieser Erklärung, ändern jedoch nicht deren Sinn.

135

Zum einen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Oxo-Erklärung auf der Website der Ellen-MacArthur-Stiftung veröffentlicht wurde, d. h., sie ist öffentlich zugänglich. Zum anderen erfolgte diese Veröffentlichung, unabhängig davon, ob es sich um die ursprüngliche oder die geänderte Fassung dieser Erklärung handelt, vor dem Erlass der Richtlinie 2019/904 am 5. Juni 2019.

136

Außerdem wird im Bericht vom 16. Januar 2018, der den drei betroffenen Organen, wie vorstehend in Rn. 132 festgestellt, zugänglich war, auf die Oxo-Erklärung Bezug genommen.

137

Folglich ist davon auszugehen, dass die Oxo-Erklärung bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 allgemein und somit den drei betroffenen Organen zugänglich war (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 39).

138

Als Viertes ist festzustellen, dass auch die De-Wilde-Studie die Schlussfolgerungen der Eunomia-Studie und des Berichts vom 16. Januar 2018 zum biologischen Abbau von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff bestätigt.

139

Wie die Kommission ausführt, ergibt sich aus der De-Wilde-Studie nämlich, dass zwar zwei Artikel – ein Artikel von Jakubowicz, I., Yarahmadi, N., und Arthurson, V., mit dem Titel „Kinetics of abiotic and biotic degradability of low-density polyethylene containing prodegradant additives and its effect on the growth of microbial communities“ („Kinetik der abiotischen und biotischen Abbaubarkeit von abbaufördende Zusatzstoffe enthaltendem Polyethylen niedriger Dichte und ihre Auswirkungen auf das Wachstum mikrobieller Gemeinschaften“), veröffentlicht im Mai 2011 (im Folgenden: Jakubowicz-Studie von 2011), und ein anderer Artikel von Chiellini, E., Corti, A., und Swift, G., mit dem Titel „Biodegradation of Thermally-oxidised, Fragmented Low-density Polyethylenes („Biologischer Abbau von thermooxidiertem, zerfallenem Polyethylen niedriger Dichte“) aus dem Jahr 2003 (im Folgenden: Studie von Chiellini und Corti) – einen prozentual hohen biologischen Abbau dieser Kunststoffart feststellten, nach allen anderen verfügbaren Artikeln jedoch kein oder ein nur (sehr) geringer biologischer Abbau erfolgt. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die Frage, bis zu welchem Grad Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff biologisch abgebaut werden könne, streitig sei.

140

Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen genügt die bloße Tatsache, dass die De-Wilde-Studie im August 2013 erstellt wurde, nicht zum Nachweis dafür, dass sie veraltet ist. Die Klägerinnen beschränken sich insoweit nämlich auf eine allgemeine, nicht untermauerte Behauptung, ohne auf bestimmte Passagen dieser Studie Bezug zu nehmen.

141

Im Übrigen kann die Schlussfolgerung der De-Wilde-Studie hinsichtlich des geringen oder gar nicht vorhandenen biologischen Abbaus von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht durch den Umstand entkräftet werden, dass die Tests, auf die sich diese Studie stützt, in einem Labor und nicht unter Feldbedingungen durchgeführt wurden. Dieser Umstand wurde in der Studie nämlich berücksichtigt. Außerdem geht insbesondere aus den vorstehenden Rn. 127 und 133 hervor, dass die Umweltbedingungen variabel und im Labor daher schwer zu reproduzieren sind.

142

Schließlich wurde die De-Wilde-Studie zum einen im Internet veröffentlicht, wie aus dem Hyperlink in der Fußnote der Klagebeantwortung der Kommission hervorgeht, d. h., sie ist allgemein zugänglich. Zum anderen wird in der Eunomia-Studie, die den drei betroffenen Organen, wie vorstehend in Rn. 132 festgestellt, vor Erlass der Richtlinie 2019/904 zugänglich war, auf die De-Wilde-Studie Bezug genommen. Daraus folgt, dass diesen Organen nach der oben in Rn. 137 angeführten Rechtsprechung auch die De-Wilde-Studie bei der Ausarbeitung und dem Erlass dieser Richtlinie zugänglich war.

143

Als Fünftes ist festzustellen, dass auch die Studie der Universität Loughborough die Schlussfolgerungen der Eunomia-Studie und des Berichts vom 16. Januar 2018 zum biologischen Abbau von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff unterstützt.

144

Wie das Parlament ausführt, geht aus dieser Studie nämlich hervor, dass der Zerfall dieses Kunststoffs in Partikel von den Umweltbedingungen abhängt und dass es daher unmöglich ist, die dafür erforderliche Zeit abzuschätzen, dass sie in freier Natur und unter den Bedingungen des Vereinigten Königreichs aber zwei bis fünf Jahre dauern dürfte. Derselben Studie zufolge erfolgt der biologische Abbau von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, der erst nach diesem Zerfall erfolgen kann, sehr langsam, so dass der Begriff „biologisch abbaubar“ praktisch sinnlos ist, es sei denn, es werden zugleich der Grad des biologischen Abbaus und die Bedingungen, unter denen er erfolgt, angegeben – vorzugsweise unter Bezugnahme auf eine allgemein anerkannte Norm. In der Studie der Universität Loughborough wurde empfohlen, zusätzliche Studien durchzuführen, um festzustellen, ob ein vollständiger biologischer Abbau stattfindet und, wenn ja, innerhalb welcher Zeitspanne.

145

Entgegen dem Vorbringen der Klägerinnen kann aus der bloßen Tatsache, dass die Studie der Universität Loughborough im Januar 2010 erstellt wurde, nicht geschlossen werden, dass sie veraltet ist. Die Klägerinnen beschränken sich insoweit nämlich auf eine allgemeine Behauptung, ohne anzugeben, welche Aspekte dieser Studie veraltet sind, und ohne Beweise zur Stützung ihrer Behauptung beizubringen. Im Übrigen scheint die Tatsache, dass die Studie der Universität Loughborough mehrfach in der Eunomia-Studie vom April 2017 erwähnt wird, im Gegenteil darauf hinzudeuten, dass sie noch aktuell ist.

146

Außerdem kann die Schlussfolgerung in der Studie der Universität Loughborough in Bezug auf die Ungewissheit hinsichtlich des biologischen Abbaus von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht durch das Dokument „OPA Response to Loughborough Report“ („Antwort der OPA auf die Studie der Universität Loughborough“) in Frage gestellt werden, das die Klägerinnen als Anlage zu ihren Erwiderungen gegenüber dem Parlament und dem Rat eingereicht haben. Nach diesem Dokument wurde in dieser Studie der oxo-biologische Abbau mit dem hydro-biologischen Abbau verwechselt.

147

Es sei daran erinnert, dass im Unionsrecht der auch in Rechtsbehelfsverfahren anwendbare Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt und dass für die Würdigung der vorgelegten Beweise allein ihre Glaubhaftigkeit maßgeblich ist. Zur Beurteilung des Beweiswerts eines Dokuments ist zudem die Wahrscheinlichkeit der darin enthaltenen Information zu untersuchen. Dabei sind insbesondere die Herkunft des Dokuments, die Umstände seiner Ausarbeitung und sein Adressat zu berücksichtigen, und es ist die Frage zu beantworten, ob es seinem Inhalt nach vernünftig und glaubhaft erscheint (Urteil vom 16. Mai 2019, GMPO/Kommission, T‑733/17, EU:T:2019:334, Rn. 60).

148

Wie das Parlament unwidersprochen geltend macht, ist jedoch die Oxo-Biodegradable Plastics Association (OPA) – deren einzige aktive Führungskräfte der Finanzdirektor und der Direktor von Symphony Environmental sein sollen -Verfasserin des vorstehend in Rn. 146 angeführten Dokuments. Außerdem sind dem Dokument keine Beweise beigefügt, die die darin enthaltenen Behauptungen untermauern.

149

Daher hat das in Rede stehende Dokument nur einen geringen Beweiswert (vgl. entsprechend Urteil vom 14. März 2017, Bank Tejarat/Rat, T‑346/15, nicht veröffentlicht, EU:T:2017:164, Rn. 85 und 86).

150

Schließlich ist zum einen die Studie der Universität Loughborough auf der Website des Ministeriums für Umwelt, Ernährung und Ländliche Angelegenheiten der Regierung des Vereinigten Königreichs verfügbar. Zum anderen wird in der Eunomia-Studie, die den drei betroffenen Organen, wie vorstehend in Rn. 132 festgestellt, vor Erlass der Richtlinie 2019/904 zugänglich war, mehrmals auf die Studie der Universität Loughborough Bezug genommen. Daraus folgt, dass diesen Organen in Einklang mit der oben in Rn. 137 angeführten Rechtsprechung auch die Studie der Universität Loughborough zugänglich war.

151

Aus den vorstehenden Rn. 124 bis 150 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 über eine erschöpfende wissenschaftliche Bewertung des Risikos verfügten, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sich nicht hinreichend biologisch abbaut, und dass sie frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgehen konnten, dass dieses Risiko erwiesen ist.

152

Diese Schlussfolgerung kann nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt werden, wonach die Eunomia-Studie, der Bericht vom 16. Januar 2018 und die Oxo-Erklärung die Unterscheidung zwischen oxo-abbaubarem Kunststoff und oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff nicht berücksichtigten. Wie oben in Rn. 14 ausgeführt, wird nach Ansicht der Klägerinnen der viel schnellere biologische Abbau des zweitgenannten Kunststoffs und damit das Vorliegen einer Unterscheidung zwischen oxo-abbaubarem Kunststoff und oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff durch verschiedene Beweise belegt, die die drei betroffenen Organe, so ihr Vorwurf, nicht berücksichtigt hätten. Bei den in Rede stehenden Beweisen handelt es sich um Folgendes: erstens die Nrn. 23 und 24 der Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden der Klägerinnen vom 16. Dezember 2020 (im Folgenden: Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden der Klägerinnen), zweitens ein Gutachten zur Technologie betreffend oxo-biologisch abbaubare Kunststoffe vom 2. November 2018 (im Folgenden: Gutachten vom 2. November 2018), drittens die im Jahr 2020 veröffentlichte Studie der Queen Mary University of London mit dem Titel „Microbial Degradation of Plastic in Aqueous Solutions demonstrated by CO2 Evolution and Quantification“ („Mikrobieller Abbau von Kunststoff in wässrigen Lösungen, belegt durch die Entwicklung und Quantifizierung von CO2) (im Folgenden: Studie der Queen Mary University), viertens den Bericht des Laboratoire d’Océanographie Microbienne de Banyuls-sur-Mer (Labor für mikrobielle Ozeanografie in Banyuls-sur-Mer, Frankreich) vom 4. September 2020, fünftens die Antwort von Herrn Ignacy Jakubowicz vom 21. August 2017 auf ein Dokument der Ellen-MacArthur-Stiftung betreffend oxo- und fotochemisch abbaubare Zusatzstoffe in Kunststoffen (im Folgenden: Antwort von Herrn Jakubowicz an die Ellen-MacArthur-Stiftung), sechstens die Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental vom 23. Juni 2021 (im Folgenden: Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental) und siebtens die Studie des Laboratoire d’Océanographie Microbienne de Banyuls-sur-Mer mit dem Titel „Degradation, Biodegradation and toxicity of Oxo-biodegradable Plastics in the oceans“ („Abbau, biologischer Abbau und Toxizität von oxo-biologisch abbaubaren Kunststoffen in Ozeanen“) vom 10. März 2021 (im Folgenden: Oxomar-Studie).

153

Was erstens die Nrn. 23 und 24 der Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden der Klägerinnen anbelangt, so erklärt dieser in Bezug auf den biologischen Abbau von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, dass die drei betroffenen Organe nicht nachgewiesen hätten, dass sich diese Kunststoffart nicht hinreichend biologisch abbaue, dass ein vollständiges Verbot des Inverkehrbringens daher nicht gerechtfertigt sei, dass die genannten Organe die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Folgen ihres Einschreitens nicht hinreichend beurteilt hätten und dass sie nicht nachgewiesen hätten, dass die Artikel aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff zu den Abfällen gehörten, die am häufigsten an Stränden vorgefunden würden. Ferner weist der Vorstandsvorsitzende der Klägerinnen darauf hin, dass die drei betroffenen Organe die Stellungnahme der ECHA, die nicht davon überzeugt gewesen sei, dass dieser Kunststoff in Mikroplastik zerfalle, in keiner Weise berücksichtigt hätten.

154

Die Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts ist jedoch nach der Sach- und Rechtslage zu beurteilen, wie sie bei Erlass des Aktes bestand. Insbesondere sind die komplexen Bewertungen, die sein Urheber vorgenommen hat, nur anhand der Informationen zu prüfen, über die er bei der Durchführung dieser Bewertungen verfügte (vgl. entsprechend Urteil vom 11. September 2018, Apimab Laboratoires u. a./Kommission, T‑14/16, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:524, Rn. 124 und 137).

155

Daher kann den drei betroffenen Organen nicht vorgeworfen werden, die Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden der Klägerinnen nicht berücksichtigt zu haben, da diese speziell für die vorliegende Klage abgegeben wurde und somit nach dem Erlass der Richtlinie 2019/904 erfolgte.

156

Im Übrigen stammt die in Rede stehende Zeugenaussage vom Vorstandsvorsitzenden der Klägerinnen. Daher kann ihr Verfasser nach der oben in den Rn. 147 und 149 angeführten Rechtsprechung nicht als von den Klägerinnen unabhängig eingestuft werden, und daher hat diese Zeugenaussage nur einen geringen Beweiswert.

157

Zwar beruft sich der Vorstandsvorsitzende der Klägerinnen zur Stützung seiner Behauptungen auf drei Dokumente, die seiner Zeugenaussage beigefügt sind, nämlich erstens eine von Eunomia Research & Consulting durchgeführte Studie mit dem Titel „Analysis of Branded Items found on UK Beaches“ („Analyse von an den Stränden des Vereinigten Königreichs vorgefundenen Markenartikeln“) vom 9. Mai 2019, zweitens eine E‑Mail eines ECHA-Bediensteten an die Klägerinnen vom 30. Oktober 2018 und drittens das oben in den Rn. 35 und 55 erwähnte Schreiben vom 30. April 2019.

158

Zu der oben in Rn. 157 erwähnten Studie führt der Vorstandsvorsitzende der Klägerinnen aus, dass in dieser Studie unter den an Stränden des Vereinigten Königreichs vorgefundenen Abfällen keine Artikel aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff festgestellt worden seien. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der einzige Zweck dieser Studie darin bestand, die Marken der an diesen Stränden vorgefundenen verschiedenen Gegenstände zu ermitteln, um festzustellen, welche Unternehmen diese Gegenstände in den Verkehr gebracht haben. Daher wird in dieser Studie nicht angegeben, aus welchen Kunststoffarten die vorgefundenen Gegenstände gegebenenfalls bestehen.

159

Zu der oben in Rn. 157 erwähnten E‑Mail genügt der Hinweis, dass die ECHA darin erklärt, sie sei „noch nicht davon überzeugt, dass Mikroplastik [aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff] entsteht“, wobei darauf hinzuweisen ist, dass der Begriff „Mikroplastik“ im Allgemeinen Partikel von weniger als 5 mm bezeichnet, die dazu neigen, sich in der Umwelt zu akkumulieren, anstatt sich in einem vertretbaren Zeitraum biologisch abzubauen. Daher kann diese E‑Mail nicht als eine endgültige Stellungnahme der ECHA angesehen werden. Vielmehr macht diese E‑Mail insoweit, als die ECHA darin erklärt, dass sie mehr Zeit für die Feststellung benötige, ob die erhaltenen Informationen die Entstehung von Mikroplastik belegten, und dass sie beabsichtige, weitere Informationen von den Klägerinnen anzufordern, deutlich, dass die ECHA diesbezüglich Zweifel hatte.

160

Zu dem Schreiben vom 30. April 2019 sei daran erinnert, dass die Kommission die ECHA darin ersuchte, das nach den Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung eingeleitete Beschränkungsverfahren einzustellen. Dieses Schreiben kann jedoch nicht als Ausdruck eines mangelnden Interesses der Kommission am Erhalt wissenschaftlicher Daten angesehen werden, da sie, wie aus der vorstehenden Rn. 121 hervorgeht, wissenschaftliche Daten aus anderen Quellen beschaffen kann.

161

Daher kann den drei betroffenen Organen nicht vorgeworfen werden, die Nrn. 23 und 24 der Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden der Klägerinnen nicht berücksichtigt zu haben.

162

Zweitens machen die Klägerinnen in Bezug auf das Gutachten vom 2. November 2018 geltend, dass sie sich auf die in diesem Gutachten angeführten Beweise stützten. Es handelt sich zum einen um eine von Herrn Eyheraguibel u. a. durchgeführte Studie mit dem Titel „Characterisation of oxidised oligomers from polyethylene films by mass spectometry and NMR spectroscopy before and after biodegradation by a Rhodococcus rhodochrous strain“ („Charakterisierung oxidierter Oligomere aus Polyethylenfolien durch Massenspektrometrie und NMR-Spektroskopie vor und nach dem biologischen Abbau durch einen Rhodococcus-rhodochrous-Stamm“) vom 23. Mai 2017, in der für eine Probe aus Polyethylen hoher Dichte mit einem prooxidativen Zusatzstoff nach einer 240-tägigen Exposition gegenüber einem bestimmten Bodenbakterium eine biologische Abbaurate von 95 % festgestellt wurde. Zum anderen geht aus dem Gutachten vom 2. November 2018 hervor, dass eine von Herrn Dussud u. a. erstellte Studie mit dem Titel „Colonisation of Non-biodegradable and Biodegradable Plastics by Marine Organisms“ („Besiedlung von nicht biologisch abbaubarem und biologisch abbaubarem Kunststoff durch Meeresorganismen“) vom 18. Juli 2018 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Besiedlung von Kunststoffproben mit einem prooxidativen Zusatzstoff nach einer Exposition von sechs Wochen gegenüber bestimmten Meeresbakterien 30-mal höher ist als die Besiedlung von Proben aus herkömmlichem Kunststoff.

163

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Text der Klageschrift zwar zu speziellen Punkten durch Bezugnahmen auf bestimmte Stellen beigefügter Schriftstücke untermauert und ergänzt werden kann, doch kann eine pauschale Bezugnahme auf andere Schriftstücke, auch wenn sie der Klageschrift als Anlagen beigefügt sind, nicht das Fehlen der wesentlichen Bestandteile der Rechtsausführungen ausgleichen, die nach Art. 21 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 76 Buchst. d der Verfahrensordnung in der Klageschrift enthalten sein müssen. So ist das Gericht nicht verpflichtet, die Klagegründe und Argumente, auf die sich die Klage möglicherweise stützen lässt, in den Anlagen zu suchen und zu bestimmen, denn die Anlagen haben eine bloße Beweis- und Hilfsfunktion (Urteile vom 11. September 2014, MasterCard u. a./Kommission, C‑382/12 P, EU:C:2014:2201, Rn. 40 und 41, und vom 15. Oktober 2020, Zhejiang Jiuli Hi-Tech Metals/Kommission, T‑307/18, nicht veröffentlicht, EU:T:2020:487, Rn. 239).

164

Im vorliegenden Fall wird in der Klageschrift das Gutachten vom 2. November 2018 lediglich in einer Fußnote erwähnt, in der auf die 14-seitige Anlage verwiesen wird, die dieses Gutachten enthält. In dieser Fußnote beschränken sich die Klägerinnen auf folgende Angaben: „[v]gl. beispielsweise die in [dem Gutachten vom 2. November 2018] genannten Beweisstücke“. In dieser Fußnote weisen die Klägerinnen allenfalls darauf hin, dass dieses Gutachten ihre Schlussfolgerung stütze, dass „das Verbot in Art. 5 auf einer falschen und/oder unzureichend begründeten Grundlage beruht, soweit es für oxo-biologisch abbaubare Kunststoffe gilt“, und dass darin „die Fragen, die hätten berücksichtigt werden müssen“, hervorgehoben würden. In ihren Erwiderungen gegenüber dem Parlament, dem Rat und der Kommission begnügen sich die Klägerinnen entweder mit einem allgemeinen Verweis auf den das Gutachten vom 2. November 2018 enthaltenden Anhang oder mit einem Verweis auf sechs Seiten dieses Gutachtens, ohne klarzustellen, welches Argument auf diesen sechs Seiten relevant ist.

165

Ferner kann dieses Gutachten in Anbetracht dessen, dass es von einem Rechtsanwalt ohne jede wissenschaftliche Ausbildung verfasst wurde, nicht zu den besten verfügbaren wissenschaftlichen Daten im Sinne der oben in Rn. 119 angeführten Rechtsprechung gezählt werden. Außerdem ist der Rechtsanwalt, der zwar behauptet, er sei ermutigt worden, als unabhängige Entscheidungsinstanz zu handeln und bei der Abfassung seines Gutachtens seine Vorbehalte zu äußern, gleichwohl von Symphony Environmental Technologies mit der Abfassung dieses Gutachtens beauftragt und vergütet worden. Daher kann dem Gutachten gemäß der oben in den Rn. 147 und 149 angeführten Rechtsprechung nur ein geringer Beweiswert beigemessen werden.

166

Dies gilt umso mehr, als die im Gutachten vom 2. November 2018 angeführten Beweise nicht in dessen Anhang vorgelegt werden. Die zweite Studie, nämlich die von Herrn Dussud u. a., befindet sich nicht in den Akten, während die erste Studie, d. h. die von Herrn Eyheraguibel u. a., nur deshalb in den Akten enthalten ist, weil sie von den Klägerinnen im Stadium der Erwiderung vorgelegt wurde. Die Zuverlässigkeit dieses Gutachtens kann deshalb nicht genau überprüft werden.

167

Daher kann den drei betroffenen Organen nicht vorgeworfen werden, das Gutachten vom 2. November 2018 nicht berücksichtigt zu haben.

168

Drittens stützen sich die Klägerinnen in Bezug auf die Studie der Queen Mary University auf eine Passage dieser Studie, aus der hervorgehen soll, dass sich diese Art von Kunststoff in einer wässrigen Lösung 90‑mal schneller abbaut als herkömmlicher Kunststoff.

169

Hierzu ist festzustellen, dass es in der Studie der Queen Mary University heißt, dass sie eine neue Methode angewandt habe, um die biologische Abbaubarkeit einer Kunststoffprobe mit einem prooxidativen Zusatzstoff zu testen. Bei dieser neuen Methode wird die Probe nicht im Boden platziert, d. h. in ein Medium, von dem weder die Bakterienkonzentration noch die Art der darin enthaltenen Bakterien bekannt ist, sondern es wird ein bestimmtes Bakterium auf die Probe aufgebracht. Bei Anwendung dieser Methode habe die Queen Mary University festgestellt, dass eine solche Probe, die 450 Stunden einer UV-Strahlung und dann einem bestimmten Bodenbakterium ausgesetzt worden sei, nach 35 Tagen einen 90-mal höheren biologischen Abbau aufweise als eine Probe aus herkömmlichem Kunststoff, die derselben Behandlung unterzogen worden sei.

170

Die drei betroffenen Organe haben jedoch zwar nicht die – noch nicht verfügbare – Studie der Queen Mary University, so doch zumindest deren Inhalt berücksichtigt. Die Eunomia-Studie bezieht sich nämlich auf Informationen, die von Dr. R. Rose, einer Mitverfasserin der Studie der Queen Mary University, übermittelt wurden. Hierzu wird in der Eunomia-Studie hervorgehoben, dass die von der Queen Mary University angewandte Methode keineswegs unumstritten sei und dass nicht sicher sei, dass die von dieser Universität in einem Labor beobachteten Ergebnisse auch unter realen Gegebenheiten erzielt werden könnten.

171

Außerdem liegt die Studie der Queen Mary University zeitlich nach dem Erlass der Richtlinie 2019/904, da sie vom August 2019 stammt und 2020 veröffentlicht wurde. Daher kann den drei betroffenen Organen nach der oben in Rn. 154 angeführten Rechtsprechung nicht vorgeworfen werden, diese Studie nicht berücksichtigt zu haben.

172

Viertens weisen die Klägerinnen zum Bericht des Labors von Banyuls-sur-Mer darauf hin, dass darin festgestellt werde, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, insbesondere dem von den Klägerinnen hergestellten, in der Meeresumwelt viel wirksamer abbaue als herkömmlicher Kunststoff.

173

Der vom 4. September 2020 datierende Bericht des Labors von Banyuls-sur-Mer liegt jedoch zeitlich nach dem Erlass der Richtlinie 2019/904. Er konnte somit nach der oben in Rn. 154 angeführten Rechtsprechung von den drei betroffenen Organen nicht berücksichtigt werden. Jedenfalls handelt es sich bei diesem Bericht nicht um eine wissenschaftliche Studie, in der die Ergebnisse der durchgeführten Versuche dargelegt werden, sondern um ein eineinhalbseitiges Dokument, in dem das Projekt „Oxomar“ vorgestellt wird.

174

Fünftens stützen sich die Klägerinnen auf die Antwort von Herrn Jakubowicz, Assistenzprofessor des Research Institutes of Sweden (RISE), an die Ellen-MacArthur-Stiftung. In dieser Antwort führt er aus, dass „der Abbauprozess [von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff] nicht nur aus einem Zerfall, sondern aus einer vollständigen Veränderung des Materials [besteht:] Das Polymer mit einer hohen Molekularmasse zerfällt in monomere und oligomere Partikel, die Kohlenwasserstoffmoleküle werden zu sauerstoffhaltigen Molekülen, die bioassimiliert werden können“.

175

Insoweit genügt die Feststellung, dass die Antwort von Herrn Jakubowicz an die Ellen-MacArthur-Stiftung nur eine eineinhalb Seiten lange Erklärung ist, die auf keine wissenschaftliche Studie verweist. Selbst unter der Annahme, dass sich diese Antwort, wie die Kommission geltend macht, auf zwei frühere Artikel stützt, nämlich die Jakubowicz-Studie von 2011 und die Studie von Chiellini und Corti, ist oben in Rn. 139 festgestellt worden, dass es sich bei der in diesen beiden Artikeln vertretenen Meinung nach der De-Wilde-Studie um einen isolierten Standpunkt handelt. Darüber hinaus wird in der Eunomia-Studie ordnungsgemäß auf diese Artikel Bezug genommen.

176

Daher kann den drei betroffenen Organen nicht vorgeworfen werden, die Antwort von Herrn Jakubowicz an die Ellen-MacArthur-Stiftung nicht berücksichtigt zu haben.

177

Was sechstens die Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental anbelangt, stützen sich die Klägerinnen als Erstes auf diese Aussage, um auf die von den drei betroffenen Organen in ihren Klagebeantwortungen vorgelegten Beweise einzugehen, d. h., um darzutun, dass zwischen oxo-abbaubarem Kunststoff und oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff zu unterscheiden sei. Der leitende Wissenschaftler von Symphony Environmental weist erstens darauf hin, dass die vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) ausgearbeitete und in der Eunomia-Studie angeführte Norm TR 15351 zwischen Oxo-Abbau, definiert als „Abbau durch oxidative Spaltung von Makromolekülen“, und Oxo-Bio-Abbau, definiert als „Abbau durch gleichzeitige oder aufeinanderfolgende oxidative und zellvermittelte Phänomene“, unterscheide. Zweitens unterscheide sich die chemische Zusammensetzung des oxo-abbaubaren Kunststoffs von der des oxo-biologisch abbaubaren Kunststoffs, da der zweitgenannte Kunststoff aufgrund des darin enthaltenen prooxidativen Zusatzstoffs die Definition des Oxo-Bio-Abbaus nach der Norm TR 15351 erfülle. Drittens gebe es zwar keine europäische Norm für Oxo-Bio-Abbau, doch unterschieden mehrere nationale Normen und Methoden zwischen oxo-abbaubarem und oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff. Viertens werde das Vorliegen einer solchen Unterscheidung von verschiedenen Wissenschaftlern befürwortet.

178

Als Zweites stützen sich die Klägerinnen auf die genannte Zeugenaussage zum Nachweis dafür, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff biologisch abbaubar ist. Der leitende Wissenschaftler von Symphony Environmental macht erstens geltend, in der Eunomia-Studie werde anerkannt, dass die entscheidende Frage nicht darin bestehe, ob diese Art von Kunststoff vollständig biologisch abgebaut werde, sondern darin, festzustellen, ob der dafür erforderliche Zeitraum als akzeptabel angesehen werden könne. Zweitens sei die biologische Abbaubarkeit von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff durch zahlreiche Beweise nachgewiesen. Drittens sei es unmöglich, den biologischen Abbau unter Feldbedingungen zu testen, und die Laborbedingungen seien im Allgemeinen weniger günstig für die biologische Abbaubarkeit als die realen Bedingungen. Viertens zeigten verschiedene Studien, dass dieser Kunststoff in der Meeresumwelt biologisch abbaubar sei.

179

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental von einem für das Produkt d2w verantwortlichen Angestellten einer der Klägerinnen stammt, dass sie auf Ersuchen der Klägerinnen speziell im Hinblick auf die vorliegende Klage verfasst wurde und dass sie dazu dient, deren Interessen zu wahren. Folglich hat sie nach der oben in den Rn. 147 und 149 angeführten Rechtsprechung nur einen geringen Beweiswert. Da diese Zeugenaussage zudem zeitlich nach dem Erlass der Richtlinie 2019/904 liegt, kann den drei betroffenen Organen gemäß der oben in Rn. 154 angeführten Rechtsprechung nicht vorgeworfen werden, sie nicht berücksichtigt zu haben.

180

Es trifft zu, dass die Behauptungen des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental durch Unterlagen gestützt werden, die seiner Zeugenaussage als Anlage beigefügt sind, und dass sich die Klägerinnen in ihren Erwiderungen auf drei dieser Anlagen stützen, nämlich erstens den vom Labor Intertek für die ECHA erstellten Bericht mit dem Titel „Oxo-biodegradable plastics and the microplastics: towards a logical approach“ („Oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff und Mikroplastik: Der Weg zu einem logischen Ansatz“) vom 24. Mai 2018 (im Folgenden: Bericht des Labors Intertek), zweitens einen Beitrag eines Wissenschaftlers mit dem Titel „Evidence in Response to the UK Government’s July 2019 Call for Evidence on Standards for Bio-Based, Biodegradable, and Compostable Plastics“ („Beweisstücke, die als Reaktion auf die von der Regierung des Vereinigten Königreichs im Juli 2019 veröffentlichte Aufforderung zur Stellungnahme zu Normen für biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe vorgelegt werden“) vom 7. Oktober 2019 (im Folgenden: Beitrag vom 7. Oktober 2019) und drittens das Ergebnis eines vom Labor Eurofins am 25. Juli 2017 durchgeführten Tests (im Folgenden: Test des Labors Eurofins vom 25. Juli 2017).

181

Jedoch stützt jedenfalls keine dieser drei Anlagen zur Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental in sachdienlicher Weise das Vorbringen der Klägerinnen.

182

Zu dem Bericht des Labors Intertek, in dem u. a. festgestellt wird, dass „die Abbaugeschwindigkeit [von oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff] … unabhängig von ihrer genauen Höhe über die von herkömmlichem Kunststoff hinaus[geht]“ und dass „die Unterschiede zwischen den Ergebnissen der wenigen bisher durchgeführten Studien … bloß graduell [sind]“, ist nämlich darauf hinzuweisen, dass dieser Bericht auf Ersuchen von Symphony Environmental erstellt wurde. Daher kann diesem Bericht nach der oben in den Rn. 147 und 149 angeführten Rechtsprechung nur ein geringer Beweiswert zuerkannt werden.

183

In Bezug auf den Beitrag vom 7. Oktober 2019, der zu dem Schluss kommt, dass „[e]s … sehr unwahrscheinlich [ist], dass es im Fall von oxo-biologisch abbaubaren Kunststoffen zur Bildung von Mikroplastik kommt“, ist darauf hinzuweisen, dass er zeitlich nach dem Erlass der Richtlinie 2019/904 liegt. Nach der oben in Rn. 154 angeführten Rechtsprechung kann den Organen nicht vorgeworfen werden, ihn nicht berücksichtigt zu haben. Jedenfalls handelt es sich bei dem Beitrag vom 7. Oktober 2019 nicht um eine wissenschaftliche Studie, in der Testergebnisse dargelegt werden, sondern bloß um eine sechsseitige Erklärung, die als Antwort auf eine Aufforderung der Regierung des Vereinigten Königreichs zur Stellungnahme zu Normen für biobasierte, biologisch abbaubare und kompostierbare Kunststoffe verfasst wurde.

184

Aus dem Test des Labors Eurofins vom 25. Juli 2017, der an einer den Masterbatch d2w der Klägerinnen enthaltenden Kunststoffprobe durchgeführt wurde, ergibt sich eine biologische Abbaurate von 88,86 %, die nach 121 Tagen erreicht wird. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass der Zerfall und die Assimilation von Kunststoff durch Mikroorganismen von den Umweltbedingungen abhängt. Wie u. a. aus den vorstehenden Rn. 127 und 133 hervorgeht, sind diese Bedingungen jedoch variabel und entsprechen nicht den Bedingungen eines Laborversuchs. Der Umstand, dass im Labor eine biologische Abbaurate von 88,86 % erzielt wurde, beweist daher nicht, dass dieselbe Rate innerhalb desselben Zeitraums unter realen Gegebenheiten erzielt wird.

185

Daher kann den drei betroffenen Organen nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie die Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental, den Bericht des Labors Intertek, den Beitrag vom 7. Oktober 2019 und den Test des Labors Eurofins vom 25. Juli 2017 nicht berücksichtigt haben.

186

Siebtens kommen die Autoren der Oxomar-Studie, die der Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental als Anlage beigefügt ist, zu dem Ergebnis, dass bestimmte Anhaltspunkte dafür sprächen, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff in der Meeresumwelt biologisch abbaue. Sie wissen jedoch nicht, ob dieser biologische Abbau vollständig ist.

187

Die Oxomar-Studie, die vom 10. März 2021 ist, liegt jedoch zeitlich nach dem Erlass der Richtlinie 2019/904. Nach der oben in Rn. 154 angeführten Rechtsprechung kann den drei betroffenen Organen nicht vorgeworfen werden, sie nicht berücksichtigt zu haben.

188

Außerdem beweist die Oxomar-Studie nicht, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff innerhalb von zwei Jahren in der Meeresumwelt vollständig biologisch abgebaut wird. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass sie insbesondere die Schlussfolgerungen der Eunomia-Studie zu diesem Punkt entkräftet.

189

Schließlich ist festzustellen, dass die Klägerinnen zur Stützung ihres oben in Rn. 152 angeführten Vorbringens ferner geltend machen, dass die in Europa am häufigsten zur Prüfung der biologischen Abbaubarkeit von Kunststoff verwendete Norm, nämlich die Norm EN 13432, für Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht relevant sei.

190

In diesem Zusammenhang behaupten die Klägerinnen nicht, dass Kunststoff, der ihren Masterbatch d2w enthält, die Norm EN 13432 erfüllt, die nach der Eunomia-Studie in Bezug auf den aeroben Abbau für die Umwandlung in Kohlendioxid und Biomasse eine Rate von mindestens 90 % innerhalb eines Zeitraums von höchstens sechs Monaten verlangt.

191

Sie behaupten, die Norm EN 13432 bewerte den biologischen Abbau einer Kunststoffprobe unter besonderen Bedingungen, nämlich denen der industriellen Kompostierung. Sie leiten daraus ab, dass für die Beurteilung des biologischen Abbaus des den Masterbatch d2w enthaltenden Kunststoffs nicht die Norm EN 13432 relevant sei, da er nicht für die Kompostierung konzipiert sei und nicht als kompostierbar vermarktet werde. Es sei die amerikanische Norm ASTM D 6954, die zur Messung des biologischen Abbaus dieser Kunststoffart verwendet werden müsse, da sie für den biologischen Abbau in freier Natur und nicht unter den besonderen Bedingungen der industriellen Kompostierung konzipiert sei.

192

Zwar trifft es zu, dass die Eunomia-Studie darauf hinweist, dass es auf Unionsebene nicht nur eine, sondern mehrere Normen für die Beurteilung der biologischen Abbaubarkeit von Kunststoffen gibt, dass es sich bei einigen von ihnen um bloße Methoden handelt, dass einige davon nationale Methoden sind und dass sie sich ständig weiterentwickeln.

193

Auch trifft es zu, dass jedes Umfeld (industrielle Kompostierung, Süßwasser, Meeresumwelt, Boden und Deponie) seine eigenen Bedingungen aufweist, so dass die Normen, mit denen der biologische Abbau in einem bestimmten Umfeld gemessen werden kann, nicht die Messung des biologischen Abbaus in anderen Umfeldern ermöglichen. So weist die Eunomia-Studie darauf hin, dass sich die Normen für den biologischen Abbau durch Kompostierung, zu denen die Norm EN 13432 gehöre, von den Normen zur Messung des biologischen Abbaus in Süßwasser, in der Meeresumwelt oder im Boden sowie von den Normen zur Messung des Abbaus von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff unterscheide. Die letztgenannten Normen hätten sich erst vor Kurzem entwickelt. Dazu gehörten die amerikanische Norm ASTM D 6954, die britische Norm BS 8472:2011 und die französische Norm AC T 51-808. Der Eunomia-Studie zufolge ist die Entwicklung von Normen, die speziell den Abbau von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff messen, dadurch zu erklären, dass keine der anderen Normen erfordere, dass die Probe vorab einer UV-Strahlung und/oder Wärme ausgesetzt werde, wobei es ohne eine solche vorherige Exposition jedoch fast sicher sei, dass sich die Probe nicht biologisch abbauen werde.

194

In der Eunomia-Studie heißt es weiter, dass die Hersteller von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff diesen nicht gemäß der Norm EN 13432 als kompostierbar vermarkteten, sondern im Gegenteil behaupteten, dass er sich nicht für eine Kompostierung eigne.

195

Schließlich haben die drei betroffenen Organe auf eine Frage im Rahmen einer prozessleitenden Maßnahme hin übereinstimmend ausgeführt, dass die Norm EN 13432 für die Beurteilung des biologischen Abbaus von Kunststoff durch industrielle Kompostierung relevant sei, dass aber – je nach der vorgesehenen Verwendung – auch andere Normen für die Beurteilung seines biologischen Abbaus relevant sein könnten.

196

Wie in der Eunomia-Studie festgestellt wird, ist jedoch die einzige Umgebung, deren Bedingungen in zufriedenstellender Weise im Labor reproduziert werden können, die Kompostierung, da es sich dabei um einen industriellen Prozess handelt, der als solcher kontrolliert werden kann. Daher sind für die anderen Umgebungen die Ergebnisse der Labortests nicht zwangsläufig unter realen Gegebenheiten reproduzierbar. Somit wäre selbst unter der Annahme, dass eine Kunststoffprobe mit einem prooxidativen Zusatzstoff einem Test unterzogen würde, um ihren biologischen Abbau unter anderen Bedingungen als denen der industriellen Kompostierung und unter Anwendung einer anderen Norm als der EN 13432 – beispielsweise der Norm ASTM D 6954 – zu beurteilen, das Ergebnis dieses in einem Labor durchgeführten Tests nicht zwangsläufig unter realen Gegebenheiten reproduzierbar. Wie oben in Rn. 184 ausgeführt, geht aus dem Protokoll des am 25. Juli 2017 vom Labor Eurofins durchgeführten Tests zwar hervor, dass die Kunststoffprobe mit dem Masterbatch d2w die Norm ASTM D 6954 erfüllt, da sie eine biologische Abbaurate von 88,86 % erreicht hat, doch beweist dies nicht, dass derselbe Prozentsatz auch unter realen Gegebenheiten erreicht wird.

197

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass es, wie das Parlament in seiner Antwort auf die oben in Rn. 195 genannte prozessleitende Maßnahme ausgeführt hat, für die Beurteilung des biologischen Abbaus von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff keine einheitliche Norm auf Unionsebene, sondern nur nationale Normen mit unterschiedlichen Kriterien und Schwellenwerten gibt. Beispielsweise wird laut der Eunomia-Studie in der amerikanischen Norm ASTM D 6954 ein Abbau in Höhe von 60 % als Schwellenwert verwendet, während die britische Norm BS 8472:2011 eine Umwandlung der Kohlenstoffmasse in Höhe von 50 % als Schwellenwert festlegt.

198

Schließlich ergibt sich aus der Eunomia-Studie, dass die industrielle Kompostierung von allen Umgebungen die aggressivste, d. h. die für die biologische Abbaubarkeit günstigste Umgebung ist. Daher ist es unwahrscheinlich, dass sich eine Probe von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, der sich unter Bedingungen der industriellen Kompostierung nicht hinreichend biologisch abbaut und nicht die Norm EN 13432 erfüllt, in anderen Umgebungen, wie beispielsweise im Boden oder in der Meeresumwelt, hinreichend biologisch abbaut. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Norm EN 13432 für die Beurteilung des biologischen Abbaus dieser Art von Kunststoff unter anderen Bedingungen als denen der industriellen Kompostierung völlig irrelevant ist.

199

Daher ist zu befinden, dass die drei betroffenen Organe die Grenzen des weiten Ermessens, über das sie nach der oben in Rn. 115 angeführten Rechtsprechung im Umweltbereich verfügen, nicht überschritten haben, als sie auf der Grundlage von Studien, die gemäß der Norm EN 13432 durchgeführt wurden, angenommen haben, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht hinreichend biologisch abbaut.

200

Daher kann dem oben in Rn. 152 zusammengefassten Vorbringen der Klägerinnen nicht gefolgt werden.

201

Somit ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 124 bis 200, dass die drei betroffenen Organe über eine möglichst erschöpfende wissenschaftliche Bewertung des Risikos verfügten, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sich nicht hinreichend biologisch abbaut, und dass sie frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgehen konnten, dass dieses Risiko vorlag.

2) Zur Behauptung, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sei nicht kompostierbar

202

Zu der im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904 enthaltenen Behauptung, oxo-abbaubarer Kunststoff sei nicht kompostierbar, ist darauf hinzuweisen, dass es im Bericht vom 16. Januar 2018 heißt, dass die Kompostierung ein verbesserter biologischer Abbau unter kontrollierten Bedingungen sei, der vor allem durch Zwangsbelüftung und natürliche Wärmebildung infolge der in dem Material ablaufenden biologischen Aktivität gekennzeichnet sei.

203

In ihren Klagebeantwortungen führen die Kommission und das Parlament aus, sie hätten sich zu dem Schluss, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht kompostierbar sei, auf die Eunomia-Studie, den Bericht vom 16. Januar 2018, die Oxo-Erklärung und die De-Wilde-Studie gestützt.

204

Wie oben in den Rn. 132, 135 und 142 ausgeführt, standen diese Dokumente den drei betroffenen Organen bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 zur Verfügung.

205

Aus der Eunomia-Studie ergibt sich, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff für keine Form der Kompostierung geeignet ist und nicht der Norm EN 13432 entspricht, die, wie oben in Rn. 190 ausgeführt, einen biologischen Abbau von 90 % innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten verlangt. Die Eunomia-Studie weist hierzu darauf hin, dass der prozentual höchste biologische Abbau, der im Rahmen einer wissenschaftlichen Studie erzielt worden sei, weit unter 90 % liege und innerhalb eines weit über dem in der Kompostierungsindustrie üblichen Zeitraums erzielt worden sei, was die Gefahr einer Ausbreitung von Kunststoffpartikeln mit sich bringe. Wie oben in Rn. 194 ausgeführt, heißt es in dieser Studie außerdem, dass die meisten Hersteller dieser Art von Kunststoff nicht behaupteten, dass sie kompostierbar sei.

206

Im Bericht vom 16. Januar 2018 wird bestätigt, dass es Hinweise darauf gibt, dass oxo-abbaubarer Kunststoff für keine Form der Kompostierung oder anaeroben Vergärung geeignet sei und den derzeit in der Union geltenden Normen für kompostierbare Verpackungen nicht genüge. Ferner wird in diesem Bericht festgestellt, dass das entstandene Mikroplastik die Qualität des Komposts negativ beeinflussen könnte.

207

Auch in der Oxo-Erklärung heißt es, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff keine der für Kunststoffverpackungen oder die Verwertung von Kunststoff geltenden Normen erfülle, weil sein biologischer Abbau zu lange dauere und Kunststoffpartikel im Kompost verblieben und sich daher auf dessen Qualität auswirken oder sogar in der Umwelt ausbreiten könnten.

208

Die De-Wilde-Studie kommt ebenso zu dem Ergebnis, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht die verschiedenen Normen für die industrielle Kompostierung und die Heimkompostierung erfüllt.

209

Aus den vorstehenden Rn. 202 bis 208 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 über eine erschöpfende wissenschaftliche Bewertung des Risikos verfügten, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht kompostierbar sein könnte, und dass sie frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgehen konnten, dass das Vorliegen dieses Risikos erwiesen ist.

210

Dieses Ergebnis kann nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt werden, wonach die drei betroffenen Organe Beweise nicht berücksichtigt hätten, die zeigten, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff kompostierbar sei und kein Risiko darstelle, nämlich erstens die Nrn. 23 und 24 der Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden der Klägerinnen, zweitens die Nrn. 56 und 58 der Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental, drittens den Test des Labors Eurofins vom 25. Juli 2017 und viertens einen Vorschlag des Europäischen Ausschusses der Regionen zur Änderung von Art. 3 der Richtlinie 2019/904.

211

Es ist festzustellen, dass sich der Vorstandsvorsitzende der Klägerinnen in den Nrn. 23 und 24 seiner Zeugenaussage auf die Behauptung beschränkt, dass die drei betroffenen Organe zum einen nicht erklärt hätten, warum die Kompostierung von oxo-abbaubarem Kunststoff wünschenswert sei, und dass diese Organe zum anderen keine Gründe dafür angegeben hätten, warum die Tatsache, dass diese Art von Kunststoff nicht kompostierbar sei, ein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstelle, das ihr Verbot rechtfertigen könne.

212

Desgleichen behauptet der leitende Wissenschaftler von Symphony Environmental in den Nrn. 56 und 58 seiner Zeugenaussage, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht konzipiert worden sei, um der Norm EN 13432 zu genügen, dass es aus zahlreichen Gründen nicht notwendig sei, dass diese Art von Kunststoff kompostierbar sei, und dass die Tatsache, dass dies nicht der Fall sei, nicht ihr Verbot rechtfertige.

213

Den drei betroffenen Organen kann aus den oben in den Rn. 155 und 156 bzw. 179 genannten Gründen jedoch nicht vorgeworfen werden, die Nrn. 23 und 24 der Zeugenaussage des Vorstandsvorsitzenden der Klägerinnen und die Rn. 56 und 58 der Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental nicht berücksichtigt zu haben.

214

Außerdem können die Klägerinnen zum Nachweis dafür, dass der ihren Masterbatch d2w enthaltende Kunststoff kompostierbar sei, nicht geltend machen, dass dieser mit Erfolg Tests gemäß der Norm ISO 14855, und zwar u. a. dem Test des Labors Eurofins vom 25. Juli 2017 unterzogen worden sei. Aus der vorstehenden Rn. 184 ergibt sich nämlich, dass der Umstand, dass im Labor eine bestimmte biologische Abbaurate erzielt wurde, nicht beweist, dass dieselbe Rate innerhalb desselben Zeitraums unter realen Gegebenheiten erzielt wird.

215

Im Übrigen kann den drei betroffenen Organen nicht vorgeworfen werden, bei den Vorarbeiten zur Richtlinie 2019/904 den Vorschlag des Europäischen Ausschusses der Regionen nicht berücksichtigt zu haben, Art. 3 dieser Richtlinie dahin gehend zu ändern, dass bestimmte synthetische Polymere, nämlich diejenigen, die nach der Norm ASTM D 6002 als biologisch abbaubar betrachtet werden, nicht als „Kunststoff“ angesehen werden. Es handelt sich um synthetische Polymere, die „in Kompostieranlagen biologisch zersetzt werden [können], wobei die Abbaugeschwindigkeit derjenigen anderer kompostierbarer Materialien vergleichbar ist“. Aus dem Änderungsvorschlag geht nämlich nicht hervor, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff zu den synthetischen Polymeren gehört, die auf diese Weise abbaubar sind.

216

Schließlich stellt das Gericht fest, dass sich die Klägerinnen in Bezug auf die Kompostierbarkeit von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff selbst widersprechen. In der Klageschrift behaupten sie nämlich, dass „oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff …in Wirklichkeit kompostierbar [ist]“. In ihren Erwiderungen räumen sie dagegen nach einem Vergleich dieser Art von Kunststoff mit herkömmlichem Kunststoff ein, dass herkömmlicher Kunststoff „auch nicht“ kompostierbar sei, und in ihrer Antwort auf die prozessleitenden Maßnahmen, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff „nicht dazu bestimmt [ist], in kontrollierten Abfallbehandlungsanlagen behandelt zu werden“.

217

Zum Vorbringen der Klägerinnen, die fehlende Kompostierbarkeit von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff stelle kein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit dar, ist darauf hinzuweisen, dass die fehlende Kompostierbarkeit dieser Kunststoffart – in Verbindung mit dem Umstand, dass sich diese Kunststoffart nicht hinreichend biologisch abbaut, für Recycling nicht geeignet ist und nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen führt – zur Folge hat, dass er in freier Natur in Mikroplastik zerfällt, das – bis zu seinem etwaigen biologischen Abbau – in der Umwelt verbleiben wird. Nach der oben in Rn. 115 angeführten Rechtsprechung ist davon auszugehen, dass die Frage, ob die fehlende Kompostierbarkeit von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff insbesondere in Anbetracht dessen, dass er sich nicht hinreichend biologisch abbaut, ein Risiko für die Umwelt oder die menschliche Gesundheit darstellt, in das Ermessen der drei betroffenen Organe fällt.

218

Aus den vorstehenden Rn. 202 bis 217 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe über eine möglichst erschöpfende wissenschaftliche Bewertung des Risikos verfügten, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht kompostierbar sein könnte, und dass sie frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgegangen sind, dass dieses Risiko vorlag.

3) Zur Behauptung, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff wirke sich negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen aus

219

In Bezug auf die Behauptung im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904, wonach oxo-abbaubarer Kunststoff sich negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen auswirke, ist festzustellen, dass die drei betroffenen Organe in ihrer Klagebeantwortung und ihrer Gegenerwiderung erklären, sie hätten sich zur Stützung dieser Behauptung auf die Eunomia-Studie, den Bericht vom 16. Januar 2018, die Oxo-Erklärung und die Studie der Universität Loughborough gestützt.

220

Wie oben in den Rn. 132, 135 und 150 ausgeführt, standen diese Dokumente den drei betroffenen Organen bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 zur Verfügung.

221

Der Eunomia-Studie zufolge deuteten die gesammelten Informationen darauf hin, dass die derzeit verfügbaren Technologien es nicht ermöglichten, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff zu erkennen, um ihn von anderen Kunststoffen zu trennen. Er werde daher mit herkömmlichen Kunststoffen vermischt recycelt. Dies beeinträchtige jedoch die Qualität des recycelten Kunststoffs. Zwar könne durch die Verwendung stabilisierender Verbindungen in bestimmten Fällen eine solche Verschlechterung der Qualität des recycelten Kunststoffs vermieden werden, doch sei es schwierig, die erforderliche Menge an Stabilisatoren zu bestimmen, da diese von der Konzentration und der Art des verwendeten prooxidativen Zusatzstoffs abhänge.

222

Darüber hinaus enthält die Eunomia-Studie den Hinweis, dass der Abbau von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff vor dem Recycling Auswirkungen auf die physikalischen Eigenschaften und die Lebensdauer des recycelten Kunststoffs zu haben scheint. Diese Studie leitet daraus ab, dass der recycelte Kunststoff nicht für alle Endverwendungen geeignet sei und insbesondere nicht für die Herstellung langlebiger Produkte verwendet werden sollte. Es sei jedoch möglich, einen recycelten Kunststoff herzustellen, der für Produkte mit kürzerer Lebensdauer verwendet werden könne. Die Eunomia-Studie kommt zu dem Schluss, dass sich dann, wenn der recycelte Kunststoff einen Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff enthalte, dies negativ auf die Vermarktungsfähigkeit des recycelten Kunststoffs sowie auf seine Qualität und seinen Preis auswirke.

223

Im Bericht vom 16. Januar 2018, der die Schlussfolgerungen der Eunomia-Studie übernimmt, wird ausgeführt, dass die derzeit verfügbaren Technologien den Wiederaufbereitungsbetrieben nicht die Möglichkeit böten, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff zu erkennen und zu isolieren, und dass dieser daher zwangsläufig mit herkömmlichem Kunststoff vermischt recycelt werde, was zu einem minderwertigen Rezyklat führen könne. Es sei schwierig, die stabilisierenden Verbindungen zu dosieren, die eine solche Verschlechterung verhindern könnten. Außerdem lasse sich nicht steuern, in welchem Maße Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff altere, bevor er recycelt werde. Der Bericht vom 16. Januar 2018 weist darauf hin, dass diese Gesichtspunkte den Preis des recycelten Kunststoffs senkten, und kommt zu dem Schluss, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sich nicht für Recycling eigne.

224

Auch in der Oxo-Erklärung heißt es, dass die derzeitigen Technologien es nicht ermöglichten, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff von herkömmlichem Kunststoff zu trennen, und dass es schwierig sei, die bereits eingetretene Alterung und die Menge an stabilisierenden Verbindungen zu bewerten, die erforderlich sei, um den Abbau des recycelten Kunststoffs zu verhindern. Die Oxo-Erklärung schließt daraus, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht für ein Recycling in großem Umfang eigne.

225

Desgleichen wird in der Studie der Universität Loughborough ausgeführt, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht für Recycling eigne, weil die in dem Rezyklat enthaltenen prooxidativen Zusatzstoffe dazu führten, dass er sich schneller abbaue. Die Zugabe von Stabilisatoren sei aufgrund der Unsicherheit in Bezug auf die erforderliche Menge an Stabilisatoren und den bereits erreichten Oxidationsgrad schwierig.

226

Aus den vorstehenden Rn. 219 bis 225 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 über eine erschöpfende wissenschaftliche Bewertung des Risikos, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff negativ auf das Recycling herkömmlicher Kunststoffe auswirken könnte, verfügten und dass sie frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgehen konnten, dass das Vorliegen dieses Risikos erwiesen ist.

227

Dieses Ergebnis kann nicht durch das Vorbringen der Klägerinnen in Frage gestellt werden, wonach die drei betroffenen Organe die folgenden Dokumente nicht berücksichtigt hätten: erstens den Bericht des österreichischen Labors TCKT mit dem Titel „Effect of mechanical recycling on the properties of films containing oxo-biodegradable additive“ („Auswirkungen des mechanischen Recyclings auf die Eigenschaften von Folien mit einem oxo-biologisch abbaubaren Zusatzstoff“) vom 17. März 2016 (im Folgenden: Bericht des Labors TCKT vom März 2016), zweitens einen weiteren Bericht desselben Labors mit dem Titel „Weathering study on LDPE (with and without d2w/oxobiodegradable additive)“ („Untersuchung des Alterungsverhaltens von LDPE [mit und ohne d2w/oxo-biologisch abbaubarem Zusatzstoff]“) vom 27. Juli 2016 (im Folgenden: Bericht des Labors TCKT vom Juli 2016), drittens einen Bericht des südafrikanischen Labors Roediger mit dem Titel „Recycling report on d2w oxo-biodegradable plastics“ („Bericht über das Recycling von oxo-biologisch abbaubaren d2w-Kunststoffen) vom 21. Mai 2012 (im Folgenden: Bericht des Labors Roediger), viertens eine Studie von Samper, M. D., u. a. mit dem Titel „Interference of Biodegradable Plastics in the Polypropylene Recycling Process“ („Beeinträchtigung des Polypropylen-Recyclingverfahrens durch biologisch abbaubare Kunststoffe“) aus dem Jahr 2018 (im Folgenden: Samper-Studie) und fünftens die Nrn. 48 bis 52 der Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental.

228

Es trifft zu, dass aus dem Bericht des Labors TCKT vom März 2016 hervorgeht, dass das aus Kunststoff mit dem Masterbatch d2w gewonnene Rezyklat für kurzlebige Produkte wie Müllsäcke oder Einkaufstaschen verwendet werden kann. Außerdem ergibt sich aus dem Bericht desselben Labors vom Juli 2016 – in dem untersucht werden soll, ob Einkaufstaschen aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff recycelt werden können, um daraus Produkte aus dickem Kunststoff herzustellen, die langfristig verwendet werden sollen –, dass das Vorhandensein von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff im Rezyklat zwar negative Auswirkungen wie beispielsweise eine verstärkte Rissbildung an der Oberfläche haben kann, dass es jedoch nicht zu solchen negativen Auswirkungen kommt, wenn eine stabilisierende Verbindung zugesetzt wird. Auch im Bericht des Labors Roediger heißt es, dass das Vorhandensein von Kunststoff mit dem Masterbatch d2w keine wesentlichen negativen Auswirkungen auf das Rezyklat habe.

229

Sowohl der Bericht des Labors TCKT vom März 2016 als auch der des Labors Roediger werden jedoch in der Eunomia-Studie erwähnt. Wie oben in Rn. 132 ausgeführt, stand diese Studie den drei betroffenen Organen bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 zur Verfügung. Daher kann diesen Organen nicht vorgeworfen werden, diese beiden Berichte nicht berücksichtigt zu haben.

230

Außerdem geht aus der Eunomia-Studie hervor, dass sowohl der Bericht des Labors TCKT vom März 2016 als auch der des Labors Roediger von der Industrie, die Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff verwendet, in Auftrag gegeben wurden. Ferner ergibt sich aus dem Bericht des Labors TCKT vom Juli 2016, dass er auf Ersuchen der Klägerinnen erstellt wurde. Daher kann diesen drei Berichten, insbesondere dem Bericht des Labors TCKT vom Juli 2016, gemäß der oben in den Rn. 147 und 149 angeführten Rechtsprechung nur ein geringer Beweiswert beigemessen werden.

231

Schließlich stellt die Eunomia-Studie eine Unstimmigkeit in den Ergebnissen des Berichts des Labors Roediger fest, die in diesem Bericht nicht erklärt werde. Auch stellt die Studie fest, dass es schwierig sei, den Schlussfolgerungen des Berichts des Labors TCKT vom März 2016 Bedeutung beizumessen, da insbesondere im Hinblick auf die Entwicklung der verschiedenen Proben keine Klarheit bestehe, weil diese jeweils einen unterschiedlichen Prozentsatz an Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff enthielten.

232

Was die Samper-Studie anbelangt, ist mit der Kommission festzustellen, dass sie sich nicht auf das Recycling von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, sondern auf das Recycling von biologisch abbaubaren Polymeren bezieht. Aus dem Umstand, dass das Inverkehrbringen der in der Samper-Studie behandelten Kunststoffart nicht verboten wurde, obwohl dieser Kunststoff für das Recycling ungeeignet ist, lässt sich nicht ableiten, dass auch das Inverkehrbringen von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht verboten werden sollte. Nach der oben in Rn. 115 angeführten Rechtsprechung fällt die Feststellung des mit jeder Kunststoffart verbundenen Risikos nämlich in den Ermessensspielraum der drei betroffenen Organe.

233

Was schließlich die Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental betrifft, so trifft es zu, dass in deren Nrn. 48 bis 52, auf die in den Erwiderungen verwiesen wird, u. a. ausgeführt wird, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff auf die gleiche Art und Weise wie herkömmlicher Kunststoff recycelt werden könne, und dass es nicht notwendig sei, ihn von herkömmlichem Kunststoff zu trennen, um ihn zu recyceln. Aus den oben in Rn. 179 genannten Gründen kann den drei betroffenen Organen jedoch nicht vorgeworfen werden, die Nrn. 48 bis 52 der Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental nicht berücksichtigt zu haben.

234

Aus den vorstehenden Rn. 219 bis 233 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe über eine möglichst erschöpfende wissenschaftliche Bewertung des Risikos verfügten, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen auswirken könnte, und dass sie frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgegangen sind, dass dieses Risiko vorlag.

4) Zur Behauptung, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff führe nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen

235

Zur Behauptung im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904, wonach oxo-abbaubarer Kunststoff nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen führe, erklären das Parlament und die Kommission, sie hätten sich auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 16. Januar 2018 mit dem Titel „Eine europäische Strategie für Kunststoffe in einer Kreislaufwirtschaft“ (COM[2018] 28 final) und auf die De-Wilde-Studie gestützt.

236

Die De-Wilde-Studie, die u. a. die Vor- und Nachteile oxo-abbaubarer Kunststoffe im Vergleich zu den Vor- und Nachteilen sogenannter oxo-biologisch abbaubarer Kunststoffe beurteilen soll, kommt jedoch lediglich zu dem Schluss, dass oxo-abbaubare Kunststoffe nicht biologisch abbaubar seien, ohne irgendwelche nachgewiesenen Vorteile hervorzuheben. Vor allem aber heißt es in der in der vorstehenden Randnummer erwähnten Mitteilung der Kommission auf S. 17, dass „[b]ei einigen alternativen, angeblich biologisch abbaubaren Materialien wie z. B. ‚oxo-abbaubaren Kunststoffen‘ … schließlich festgestellt [wurde], dass diese keine erwiesenen ökologischen Vorteile gegenüber konventionellen Kunststoffen haben, während ihr rascher Zerfall zu Mikroplastik bedenklich ist“. Im Übrigen geht aus den oben in den Rn. 124 bis 234 erwähnten wissenschaftlichen Bewertungen des biologischen Abbaus, der Kompostierung und des Recyclings von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht hervor, dass diese Art von Kunststoff unter einem dieser Aspekte einen nachgewiesenen Vorteil aufweist.

237

Die Klägerinnen machen jedoch zum einen geltend, die genannten Organe hätten die Stellungnahme berücksichtigen müssen, die der Fischereiausschuss des Parlaments zu dem Richtlinienvorschlag abgegeben habe, der empfohlen habe, biologisch abbaubaren Kunststoff klar zu definieren.

238

Zum anderen halten die Klägerinnen es für besonders aufschlussreich, dass der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Parlaments in ihren Stellungnahmen zu dem Richtlinienvorschlag vom 3. bzw. 11. Oktober 2018 vorgeschlagen hätten, das Inverkehrbringen von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff zu verbieten, ohne hierfür jedoch eine Begründung anzuführen.

239

Nach Art. 59 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Parlaments (ABl. 2019, L 302, S. 1) wird dessen Standpunkt im Sinne von Art. 294 Abs. 3 AEUV durch eine Abstimmung im Plenum und nicht durch die Stellungnahme eines seiner Ausschüsse festgelegt. Es ist daher unerheblich, dass ein Ausschuss wie der Fischereiausschuss eine Stellungnahme abgibt, die von der im Plenum angenommenen abweicht. Erst recht ist es unerheblich, dass ein Ausschuss wie der Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung und der Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit seine Stellungnahme nicht begründet. Daher kann dem Parlament und erst recht nicht dem Rat und der Kommission vorgeworfen werden, solche Stellungnahmen nicht berücksichtigt zu haben.

240

Aus den vorstehenden Rn. 235 bis 239 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe über eine möglichst erschöpfende wissenschaftliche Bewertung des etwaigen Umweltnutzens von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff verfügten und dass sie frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern zu dem Ergebnis gelangen konnten, dass kein nachgewiesener Umweltnutzen vorliegt.

241

Daher verfügten die genannten Organe über eine möglichst erschöpfende wissenschaftliche Bewertung der im 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904 genannten Risiken, nämlich, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sich nicht hinreichend biologisch abbaut, nicht kompostierbar ist, sich negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen auswirkt und nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen führt. Die genannten Organe konnten daher frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgehen, dass das Vorliegen dieser Risiken erwiesen ist.

5) Zu der den Erwiderungen beigefügten Liste, in der sämtliche Dokumente aufgeführt sind, die die drei betroffenen Organe nicht berücksichtigt haben sollen

242

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerinnen als Anlage zu den Erwiderungen eine Liste vorgelegt haben, in der sämtliche Dokumente aufgeführt sind, die die drei betroffenen Organe nach Ansicht der Klägerinnen nicht berücksichtigt haben (im Folgenden: den Erwiderungen beigefügte Liste).

243

Die meisten Dokumente in dieser Liste wurden oben bereits geprüft.

244

Von den nicht geprüften Dokumenten stammen einige aus der Zeit nach der Annahme der Richtlinie 2019/904, nämlich: erstens die britische Norm PAS 9017:2020 vom Oktober 2020, zweitens die am 21. Dezember 2019 im Internet veröffentlichte Studie von Babetto, A. S., Antunes, M. C., Bettini, S. H. P., und Bonse, B. C., mit dem Titel „A Recycling-Focused Assessment of the Oxidative Thermomechanical Degradation of HDPE Melt containing Pro-oxidant“ („Recycling-orientierte Bewertung des oxidativen thermomechanischen Abbaus von geschmolzenem Polyethylen hoher Dichte mit einem Prooxidans“), drittens die im Dezember 2020 veröffentlichte Studie von Saikrishnan, S., Jubinville, D., Tzoganakis, C., und Mekonnen, T. H., mit dem Titel „Thermo-mechanical degradation of polypropylene (PP) and low-density polyethylene (LDPE) Blends exposed to simulated recycling“ („Thermomechanischer Abbau von Mischungen aus Polypropylen [PP] und Polyethylen niedriger Dichte [LDPE], die einem simulierten Recycling ausgesetzt wurden“) und viertens die am 24. Oktober 2020 veröffentlichte Studie von Åkesson, D., Kuzhanthaivelu, G., und Bohlén, M., mit dem Titel „Effect of a Small Amount of Thermoplastic Starch Blend on the Mechanical Recycling of Conventional Plastics“ („Auswirkung einer kleinen Menge einer thermoplastischen Stärkemischung auf das mechanische Recycling herkömmlicher Kunststoffe“). Nach der oben in Rn. 154 angeführten Rechtsprechung kann den drei betroffenen Organen nicht vorgeworfen werden, diese vier Dokumente nicht berücksichtigt zu haben.

245

Eines der Dokumente auf der den Erwiderungen beigefügten Liste wird in der Eunomia-Studie erwähnt, die den drei betroffenen Organen bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 zugänglich war. Sie haben ihm daher Rechnung getragen. Es handelt sich um die Studie von Jakubowicz, I., und Enebro, J., mit dem Titel „Effects of Reprocessing of Oxobiodegradable and Non-degradable Polyethylene on the durability of recycled materials“ („Auswirkungen des Recyclings von oxo-biologisch abbaubarem und nicht abbaubarem Polyethylen auf die Haltbarkeit des Rezyklats“) vom März 2012.

246

Auf ein weiteres Dokument auf der den Erwiderungen beigefügten Liste, nämlich Anhang A.27 zur Klageschrift, der Schreiben von Wissenschaftlern an die ECHA zu oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff enthält, wird in der Klageschrift nur in allgemeiner Form verwiesen. Die Klageschrift weist nämlich lediglich darauf hin, dass diese Schreiben als Reaktion auf die von der ECHA eingeleitete öffentliche Konsultation zu dieser Art von Kunststoff versandt worden seien und dass sich ihre Verfasser gegen ihr Verbot aussprächen. Nach der oben in Rn. 163 angeführten Rechtsprechung ist es jedoch weder Sache des Gerichts, zu prüfen, welche der Schreiben in Anlage A.27, die 100 Seiten und mehr als 30 Schreiben umfasst, relevant, zuverlässig und dokumentiert sind, noch, zu bestimmen, welches Vorbringen der Klägerinnen sie stützen. Auch in den Erwiderungen wird nur allgemein auf diese Anlage Bezug genommen. Es gibt jedoch eine Ausnahme, nämlich ein Schreiben von Dr. R. Rose vom 3. Mai 2018. Auf dieses Schreiben wird in der Klageschrift und in den Erwiderungen ausdrücklich Bezug genommen. Es wird jedoch zur Stützung des vierten Rechtswidrigkeitsgrundes angeführt und daher in dessen Rahmen geprüft.

247

Schließlich ist festzustellen, dass eines der Dokumente auf der den Erwiderungen beigefügten Liste weder in der Klageschrift noch in den Erwiderungen erwähnt wird. Es handelt sich um die Studie von Jin, H., Gonzalez-Gutierrez, J., Oblak, P., Zupančič, B., und Emri, I., mit dem Titel „The effect of extensive mechanical recycling on the properties of low-density polyethylene“ („Die Auswirkungen von extensivem mechanischem Recycling auf die Eigenschaften von Polyethylen niedriger Dichte“) vom November 2012. Auf diese Studie wird nur in der – ebenfalls den Erwiderungen beigefügten – Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental Bezug genommen. Die oben in Rn. 163 angeführte Rechtsprechung gilt jedoch auch für die Erwiderung (Urteil vom 11. Juli 2018, Europa Terra Nostra/Parlament, T‑13/17, nicht veröffentlicht, EU:T:2018:428, Rn. 86). Daher kann das Gericht diese Studie nicht berücksichtigen.

248

Den drei betroffenen Organen kann somit nicht vorgeworfen werden, die Dokumente auf der den Erwiderungen beigefügten Liste nicht berücksichtigt zu haben.

249

Daher ist festzustellen, dass die Klägerinnen, wie oben in Rn. 241 ausgeführt, zu Unrecht behaupten, die drei betroffenen Organe hätten einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem sie zum einen das Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff erlassen hätten, obwohl sie nicht über eine möglichst erschöpfende wissenschaftliche Bewertung der mit dieser Kunststoffart verbundenen Risiken verfügt hätten, und zum anderen das Vorliegen dieser Risiken als erwiesen angesehen hätten.

250

Da die Befugnis des Unionsgesetzgebers aus Art. 191 AEUV nach der oben in Rn. 115 angeführten Rechtsprechung einer Kontrolle auf offensichtliche Beurteilungsfehler unterliegt, ist festzustellen, dass die drei betroffenen Organe nicht gegen diese Bestimmung verstoßen haben.

251

Mangels eines Verstoßes gegen Art. 191 AEUV braucht nicht geprüft zu werden, ob er hinreichend qualifiziert ist, wie es die oben in Rn. 42 angeführte Rechtsprechung zur ersten Voraussetzung für die Begründung der Haftung der Union verlangt.

252

Daher ist der erste Teil des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes zurückzuweisen, soweit mit ihm ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Art. 191 AEUV und offensichtliche Beurteilungsfehler gerügt werden.

b)   Zum hinreichend qualifizierten Verstoß gegen den in Art. 5 Abs.4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

253

Mit dem zweiten und dem dritten Teil sowie teilweise mit dem ersten Teil ihres dritten Rechtswidrigkeitsgrundes machen die Klägerinnen geltend, dass das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

254

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Handlungen der Unionsorgane zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 94).

255

Was die gerichtliche Nachprüfung der Einhaltung dieses Grundsatzes betrifft, verfügt der Unionsgesetzgeber in einem komplexen technischen und sich ständig weiterentwickelnden Rahmen über ein weites Ermessen insbesondere in Bezug auf die Beurteilung der hoch komplexen wissenschaftlichen und technischen tatsächlichen Umstände bei der Festlegung von Art und Umfang der Maßnahmen, die er erlässt, während die Kontrolle durch den Unionsrichter auf die Prüfung beschränkt ist, ob die Ausübung eines solchen Ermessens nicht offensichtlich fehlerhaft ist, einen Ermessensmissbrauch darstellt oder der Gesetzgeber die Grenzen seines Ermessens offensichtlich überschritten hat. In einem solchen Kontext darf der Unionsrichter nämlich nicht seine Beurteilung der tatsächlichen Umstände wissenschaftlicher und technischer Art an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzen, dem allein der Vertrag diese Aufgabe anvertraut hat (Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 95).

256

Angesichts dieser Erwägungen ist zunächst zu prüfen, ob die Klägerinnen mit dem zweiten Teil ihres dritten Rechtswidrigkeitsgrundes zu Recht geltend machen, dass das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot, soweit es für oxo-abbaubaren Kunststoff gilt, nicht geeignet ist, das Ziel dieser Richtlinie zu erreichen, und dann, ob dieses Verbot, wie sie mit dem dritten Teil dieses Rechtswidrigkeitsgrundes geltend machen, über die Grenzen dessen hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

257

Was den ersten Teil des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes anbelangt, sei daran erinnert, dass damit u. a. geltend gemacht wird, das fragliche Verbot sei schon deshalb unverhältnismäßig, weil es an einer wissenschaftlichen Bewertung der mit oxo-abbaubaren Kunststoffen verbundenen Risiken für die Umwelt und die menschliche Gesundheit fehle. Es ist jedoch festzustellen, dass die Klägerinnen damit im Wesentlichen geltend machen, dass dieses Verbot nicht gegen diese Risiken zu schützen vermöge, da deren Vorliegen nicht nachgewiesen sei. Soweit der erste Teil auf dieses Argument gestützt wird, deckt er sich somit mit dem zweiten Teil und wird zusammen mit diesem geprüft.

1) Zum zweiten Teil, mit dem geltend gemacht wird, dass das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot, soweit es für oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff gelte, nicht geeignet sei, das Ziel dieser Richtlinie zu erreichen, und zum ersten Teil, soweit er auf dasselbe Argument gestützt ist

258

Aus den vorstehenden Rn. 124 bis 249 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgingen, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff die Umwelt und die menschliche Gesundheit gefährdet, da er sich nicht hinreichend biologisch abbaut, nicht kompostierbar ist, sich negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen auswirkt und nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen führt.

259

Daher ist in Einklang mit der oben in Rn. 255 angeführten Rechtsprechung festzustellen, dass eine Maßnahme, die das Inverkehrbringen von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff verbietet, als geeignet anzusehen ist, das im 36. Erwägungsgrund und in Art. 1 der Richtlinie 2019/904 genannte Ziel des Schutzes der Umwelt und der menschlichen Gesundheit zu erreichen.

2) Zum dritten Teil: Das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot gehe, soweit es für oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff gelte, über die Grenzen dessen hinaus, was zur Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels erforderlich sei

260

Mit dem dritten Teil des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes machen die Klägerinnen geltend, dass die in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Maßnahme, soweit sie für oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff gelte, über die Grenzen dessen hinausgehe, was zur Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels des Schutzes der Umwelt und der menschlichen Gesundheit erforderlich sei.

261

Als Erstes machen die Klägerinnen geltend, dass es weniger einschneidende Maßnahmen als ein vollständiges Verbot des Inverkehrbringens gebe, nämlich erstens oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff von der Definition des „oxo-abbaubaren Kunststoffs“ in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2019/904 und damit vom Anwendungsbereich ihres Art. 5 auszunehmen, zweitens vorzuschreiben, dass oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff Tests gemäß der amerikanischen Norm ASTM D 6954 oder anderen vergleichbaren Tests unterzogen werde, drittens zu verlangen, dass oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff einen Marker zur Ermöglichung einer automatischen, dem Recycling vorgeschalteten Sortierung enthalte, viertens diese Kunststoffart in den Anwendungsbereich der Art. 4, 7, 8 und/oder 10 der Richtlinie 2019/904 einzubeziehen oder fünftens eine Kennzeichnung vorzuschreiben, die jede Gefahr einer Verwechslung durch die Verbraucher ausschließe.

262

Jedoch lässt sich mit keiner der fünf von den Klägerinnen vorgeschlagenen Maßnahmen das mit der Richtlinie 2019/904 verfolgte Ziel erreichen.

263

Was erstens den Vorschlag der Klägerinnen anbelangt, oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff von der Definition des „oxo-abbaubaren Kunststoffs“ in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2019/904 auszunehmen, ist bereits im Rahmen der Prüfung des ersten Teils des vorliegenden Rechtswidrigkeitsgrundes festgestellt worden, dass die drei betroffenen Organe frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgegangen sind, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht in einem vertretbaren Zeitraum hinreichend biologisch abbaut und demzufolge nicht zwischen oxo-abbaubarem Kunststoff und oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff zu unterscheiden ist. Daher würde es, wenn man Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff von der Definition des „oxo-abbaubaren Kunststoffs“ in Art. 3 Nr. 3 der Richtlinie 2019/904 ausnähme, darauf hinauslaufen, den Anwendungsbereich des in Art. 5 dieser Richtlinie vorgesehenen Verbots auf die in Teil B ihres Anhangs aufgeführten Einwegkunststoffartikel zu beschränken, was dem Wortlaut dieses Artikels zuwiderliefe.

264

Zweitens ist in Bezug auf den Vorschlag der Klägerinnen, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff Tests gemäß der amerikanischen Norm ASTM D 6954 oder anderen vergleichbaren Tests zu unterziehen, bereits oben in Rn. 197 festgestellt worden, dass die drei betroffenen Organe die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten haben, indem sie sich nicht auf die Norm ASTM D 6954 oder auf andere vergleichbare Normen gestützt haben, da es für die Beurteilung des biologischen Abbaus von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff keine einheitliche Norm auf Unionsebene, sondern nur nationale Normen gibt.

265

Was drittens den Vorschlag der Klägerinnen anbelangt, zu verlangen, dass Kunststoffe mit einem prooxidativen Zusatzstoff einen Marker enthalten, der es ermöglicht, sie durch eine automatische Sortiermaschine zu identifizieren, damit sie von herkömmlichen Kunststoffen getrennt und nicht mit diesen vermischt recycelt werden, ergibt sich aus der Eunomia-Studie, dass die derzeitige Technologie keine automatische Sortierung von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff ermöglicht, und aus dem Bericht vom 16. Januar 2018, dass „[d]ie derzeit verfügbaren Technologien … den Wiederaufbereitungsbetrieben … nicht die Möglichkeit [bieten], oxo-abbaubaren Kunststoff zu erkennen und gesondert zu sortieren“.

266

Die Kommission weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass herkömmlicherweise verwendete automatische Trennungsverfahren wie die Nah‑Infrarot-Spektroskopie es nicht ermöglichten, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff zu erkennen, so dass hierzu neue automatische Sortiermaschinen entwickelt werden müssten, was für die Recyclingindustrie jedoch keine wirtschaftlich tragfähige Option sei. Die Klägerinnen beschränken sich jedoch auf die Behauptung, dass die Entwicklung neuer automatischer Sortiermaschinen wirtschaftlich tragfähig sei, ohne irgendeinen Beweis für diese Behauptung zu erbringen oder darzutun, dass der von ihnen vorgeschlagene Marker tatsächlich eingeführt werden könnte.

267

Viertens schlagen die Klägerinnen vor, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff in den Anwendungsbereich der Art. 4, 7, 8 und/oder 10 der Richtlinie 2019/904 aufzunehmen, die es den Mitgliedstaaten ermöglichen, folgende Maßnahmen zu ergreifen: Maßnahmen zur Verbrauchsminderung (Art. 4); Maßnahmen zur Anbringung einer Kennzeichnung mit Verbraucherinformationen zum einen über angemessene Entsorgungsmöglichkeiten für den betreffenden Artikel bzw. über zu vermeidende Entsorgungsmethoden für diesen und zum anderen darüber, dass der Artikel Kunststoff enthält sowie über negative Auswirkungen einer unsachgemäßen Entsorgung des betreffenden Artikels auf die Umwelt (Art. 7); Maßnahmen zur Einführung von Regimen der erweiterten Herstellerverantwortung für das Inverkehrbringen von Artikel aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff (Art. 8); Sensibilisierungsmaßnahmen, um Verbraucher zu informieren und Anreize zu verantwortungsvollem Verbraucherverhalten zu schaffen (Art. 10).

268

In Anbetracht des oben in Rn. 255 in Erinnerung gerufenen weiten Ermessens, über das der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung von Art und Umfang der von ihm erlassenen Maßnahmen verfügt, kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass die drei betroffenen Organe die Grenzen dieses Ermessens überschritten haben, als sie die Auffassung vertraten, dass in Anbetracht der Risiken, die von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff ausgingen – insbesondere des Risikos, dass sie nicht hinreichend biologisch abbaubar seien – ein Verbot ihres Inverkehrbringens erforderlich sei, anstatt diese Artikel einer der in den Art. 4, 7, 8 und/oder 10 der Richtlinie 2019/904 vorgesehenen Maßnahmen zu unterwerfen, die im Übrigen von einem Mitgliedstaat zum anderen unterschiedlich sein könnten.

269

Fünftens entspricht der Vorschlag der Klägerinnen, eine Kennzeichnung von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff vorzuschreiben, die jede Gefahr einer Verwechslung durch die Verbraucher ausschließe, ihrem Vorschlag, diese Artikel den in Art. 7 oder 10 der Richtlinie 2019/904 vorgesehenen Maßnahmen zu unterwerfen. Er ist daher aus den oben in Rn. 268 genannten Gründen zurückzuweisen.

270

Als Zweites machen die Klägerinnen geltend, die drei betroffenen Organe hätten, anstatt das Inverkehrbringen von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff gänzlich zu verbieten, einen Übergangszeitraum vorsehen müssen, wie es die ECHA in ihrem Beschränkungsvorschlag für absichtlich zugesetztes Mikroplastik getan habe.

271

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

272

Zwar trifft es zu, dass aus der von den Klägerinnen vorgelegten Mitteilung der ECHA mit dem Titel „Beschränkungsvorschlag betreffend absichtlich zugesetztes Mikroplastik – Fragen und Antworten“ vom September 2020 hervorgeht, dass diese Agentur eine Beschränkung nach der REACH-Verordnung vorgeschlagen hat, in der sie empfiehlt, das Inverkehrbringen von in kosmetischen Mitteln verwendetem Mikroplastik zu verbieten, jedoch einen Übergangszeitraum von vier bis acht Jahren vorsieht.

273

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Frist für die Umsetzung von Art. 5 der am 5. Juni 2019 erlassenen Richtlinie 2019/904 gemäß ihrem Art. 17 Abs. 1 am 3. Juli 2021 endet und dass eine solche Frist in der Praxis als einem zweijährigen Übergangszeitraum gleichwertig angesehen werden könnte, der mit dem Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff einherginge. Darüber hinaus gelten die von der ECHA empfohlenen Übergangszeiträume für Mikroplastik, das kosmetischen Mitteln absichtlich zugesetzt wird, nicht in allen Fällen. So gelten sie nicht für kosmetische Mittel, die Mikroperlen enthalten, da diese leicht durch natürliche Stoffe wie Mandelpulver, Kokosnüsse oder Olivensamen ersetzt werden können. Schließlich ist, wie die Kommission geltend macht, im Hinblick auf die nicht komplexen Verwendungen von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff davon auszugehen, dass die drei betroffenen Organe die Grenzen ihres Ermessens nicht überschritten haben, als sie die Auffassung vertraten, dass Artikel aus dieser Art von Kunststoff ohne einen Übergangszeitraum verboten werden sollten.

274

Daher können sich die Klägerinnen nicht auf die von der ECHA empfohlenen Übergangszeiträume für absichtlich zugesetztes Mikroplastik berufen, um geltend zu machen, dass ein vollständiges, mit keinem Übergangszeitraum verbundenes Verbot von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff unverhältnismäßig sei.

275

Als Drittes machen die Klägerinnen geltend, die durch das Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff verursachten Nachteile stünden außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen, da die drei betroffenen Organe es unterlassen hätten, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen dieses Verbots zu beurteilen.

276

Der Schutz der menschlichen Gesundheit hat aber vorrangige Bedeutung gegenüber wirtschaftlichen Erwägungen, und der Umweltschutz ist eines der wesentlichen Ziele der Union. Die Bedeutung solcher Ziele kann negative wirtschaftliche Folgen selbst beträchtlichen Ausmaßes für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen (Urteil vom 12. Dezember 2014, Xeda International/Kommission, T‑269/11, nicht veröffentlicht, EU:T:2014:1069, Rn. 138).

277

Außerdem beschränken sich die Klägerinnen auf die Behauptung, die drei betroffenen Einrichtungen hätten es unterlassen, die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen des in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehenen Verbots zu beurteilen. Sie erläutern nicht, worin dessen angeblichen sozialen und wirtschaftlichen Nachteile bestehen sollen, sondern verweisen lediglich auf die Hindernisse, die der Entwicklung einer effizienteren Technologie für den oxo-biologischen Abbau entgegenstehen sollen, ohne dieses Argument zu untermauern.

278

Somit ist festzustellen, dass das Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht über die Grenzen dessen hinausgeht, was zur Erreichung des mit der Richtlinie 2019/904 verfolgten Ziels des Schutzes der Umwelt und der menschlichen Gesundheit erforderlich ist.

279

Daher ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 259 und 278, dass dieses Verbot nicht gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt.

280

Da kein Verstoß gegen den genannten Grundsatz vorliegt, braucht nicht geprüft zu werden, ob dieser Verstoß hinreichend qualifiziert ist, wie es die oben in Rn. 42 angeführte Rechtsprechung zur ersten Voraussetzung für die Begründung der Haftung der Union verlangt.

281

Daher sind der zweite und der dritte Teil des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes sowie sein erster Teil, soweit mit ihm ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird, zurückzuweisen.

282

Folglich ist der dritte Rechtswidrigkeitsgrund insgesamt zurückzuweisen.

4.   Zum vierten Rechtswidrigkeitsgrund: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung

283

Mit ihrem vierten Rechtswidrigkeitsgrund machen die Klägerinnen geltend, die drei betroffenen Organe hätten dadurch gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, dass sie zum einen das Inverkehrbringen von Artikeln aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff, nicht aber – mit Ausnahme von neun Einwegartikeln – das Inverkehrbringen von Artikeln aus herkömmlichem Kunststoff verboten hätten, und zum anderen das Inverkehrbringen von Artikeln aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff verboten hätten, nicht aber das von Artikeln aus Kunststoffen, die als „kompostierbar“ vermarktet würden.

284

Was insbesondere die unterschiedliche Behandlung von Artikeln aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff und Artikeln aus herkömmlichem Kunststoff – mit Ausnahme von neun Einwegartikeln – anbelangt, machen die Klägerinnen geltend, es sei nicht nachgewiesen worden, dass oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff die Umwelt stärker beeinträchtige als oxo-abbaubarer Kunststoff oder herkömmlicher Kunststoff. Oxo-biologisch abbaubarer Kunststoff zerfalle nicht in Mikroplastik und baue sich schneller biologisch ab als herkömmlicher Kunststoff. Auch sei die Wahrscheinlichkeit, dass er zur Vermüllung beitrage, nicht höher als für herkömmlichen Kunststoff. Er könne ebenso recycelt werden wie herkömmlicher Kunststoff. Ebenfalls im Hinblick auf die unterschiedliche Behandlung von Artikeln aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff und Artikeln aus herkömmlichem Kunststoff – mit Ausnahme von neun Einwegartikeln – machen die Klägerinnen außerdem geltend, dass es keine Rechtfertigung dafür gebe, nur neun Einwegartikel aus herkömmlichem Kunststoff zu verbieten, während alle Artikel aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff verboten seien.

285

Hilfsweise machen die Klägerinnen geltend, das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot führe zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Arten von biologisch abbaubaren Kunststoffen.

286

Das Parlament, der Rat und die Kommission treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

287

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Grundsatz der Gleichbehandlung nur verletzt ist, wenn vergleichbare Sachverhalte unterschiedlich behandelt oder unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandelt werden, sofern eine solche Behandlung nicht objektiv gerechtfertigt ist (vgl. Urteil vom 5. Dezember 2013, Solvay/Kommission, C‑455/11 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2013:796, Rn. 77 und die dort angeführte Rechtsprechung).

288

Die Vergleichbarkeit verschiedener Sachverhalte ist in Anbetracht aller Merkmale zu beurteilen, die sie kennzeichnen. Diese Merkmale sind u. a. im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den diese Maßnahme fällt (Urteile vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 26, und vom 19. Dezember 2019, HK/Kommission, C‑460/18 P, EU:C:2019:1119, Rn. 67).

289

Es ist zu prüfen, ob die drei betroffenen Organe gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung zum einen dadurch verstoßen haben, dass sie das Inverkehrbringen von Artikeln aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff, nicht aber – mit Ausnahme von neun Einwegartikeln – das Inverkehrbringen von Artikeln aus herkömmlichem Kunststoff verboten haben, und ob sie zum anderen gegen diesen Grundsatz dadurch verstoßen haben, indem sie das Inverkehrbringen von Artikeln aus oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff verboten haben, nicht aber das von Artikeln aus Kunststoffen, die als „kompostierbar“ vermarktet werden.

290

Was als Erstes den ersten der beiden oben in Rn. 289 genannten Verstöße betrifft, kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass sich Artikel aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff in einer Situation befinden, die mit der von Artikeln aus herkömmlichem Kunststoff vergleichbar ist.

291

Zum einen ergibt sich aus der Prüfung des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes nämlich, dass auf der Grundlage der wissenschaftlichen Risikobewertung, die den drei betroffenen Einrichtungen bei der Ausarbeitung und dem Erlass der Richtlinie 2019/904 zugänglich war, nicht ausgeschlossen werden kann, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff zumindest unter bestimmten Aspekten, die u. a. sein Recycling und seinen biologischen Abbau auf einer Deponie betreffen, problematischer ist als herkömmlicher Kunststoff.

292

Insoweit geht aus den vorstehenden Rn. 129 und 131 hervor, dass nach der Eunomia-Studie und dem Bericht vom 16. Januar 2018 Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff bei einem biologischen Abbau in den tieferen Schichten einer Deponie unter dem Aspekt der Treibhauswirkung marginal schädlicher als herkömmlicher Kunststoff ist.

293

Außerdem kann Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, wie oben in Rn. 234 ausgeführt, nicht mit herkömmlichem Kunststoff vermischt recycelt werden, ohne die Qualität des Rezyklats zu beeinträchtigen.

294

Schließlich ergibt sich aus den vorstehenden Rn. 127 bis 131, dass nach der Eunomia-Studie und dem Bericht vom 16. Januar 2018 Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff schneller zerfällt als herkömmlicher Kunststoff, dass aber nicht ausgeschlossen ist, dass dieser schnellere Zerfall des erstgenannten Kunststoffs zur Folge hat, dass dessen negative Umweltauswirkungen sowohl in freier Natur als auch in der Meeresumwelt zunehmen, weil sie sich auf einen kürzeren Zeitraum konzentrieren.

295

Dies wird in Bezug auf Kunststoffabfälle im Meer in Abschnitt 4.3 des Berichts vom 16. Januar 2018 hervorgehoben, in dem es heißt: „Da oxo-abbaubarer Kunststoff wahrscheinlich schneller fragmentiert als konventioneller Kunststoff, konzentrieren sich die negativen Auswirkungen infolge von Mikroplastik in der Meeresumwelt auf einen kürzeren Zeitraum. Dies könnte letztendlich schädlicher sein, als wenn sich die Auswirkungen über einen längeren Zeitraum verteilen, da einzelne Tiere, Arten und Lebensräume proportional stärker beeinträchtigt und Einzelwesen stärker belastet werden.“

296

Im Hinblick auf den biologischen Abbau in der freien Natur wird dies auch in der Eunomia-Studie festgestellt. Nach dieser Studie „ist es möglich, dass der Abbau von [Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff] viel kürzer ist als der von herkömmlichem Kunststoff. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Auswirkungen auf die Umwelt in der Phase des biologischen Abbaus im Hinblick auf das kontrafaktische Szenario nicht umso größer sind.“

297

Die Klägerinnen können sich nicht auf das Schreiben von Dr. R. Rose – der Verfasserin der Studie der Queen Mary University – an die ECHA vom 3. Mai 2018 stützen, um die Feststellungen in den vorstehenden Rn. 291 bis 294 zu widerlegen. Zwar hat Dr. R. Rose in diesem Schreiben erklärt, dass sie „überrascht [ist], dass die Union vorschlägt, ein Produkt zu verbieten, das sicherlich nicht schädlicher ist als unmodifiziertes [Polyethylen niedriger Dichte, d. h. ein herkömmlicher Kunststoff], für das diese Maßnahme nicht gilt“, und dass „[d]as Erlassen von Rechtsvorschriften gegen eine einzige Kunststoffart … keine Lösung für die Akkumulation vieler verschiedener Arten von Polykohlenwasserstoffen [ist]“. In diesem Schreiben wird jedoch auf die Anwendung der von der Queen Mary University entwickelten neuen Methode Bezug genommen, die, wie oben in Rn. 170 ausgeführt, keineswegs unumstritten ist und für die nicht sicher ist, dass sich mit ihr Ergebnisse erzielen lassen, die unter realen Bedingungen reproduzierbar sind.

298

Ebenso wenig können sich die Klägerinnen zur Widerlegung der Feststellungen in den vorstehenden Rn. 291 bis 294 auf Nr. 19 Buchst. c und Nr. 47 Buchst. b der Zeugenaussage des leitenden Wissenschaftlers von Symphony Environmental stützen. Zwar trifft es zu, dass dieser Wissenschaftler darin ausführt, dass zum einen herkömmlicher Kunststoff in Mikroplastik zerfalle, das für Jahrzehnte oder Jahrhunderte in der Umwelt verbleibe, und zum anderen Verbraucher, die Kunststoffabfall entsorgten, sich oftmals nicht darum kümmerten, ob dieser biologisch abbaubar sei oder nicht. Wie oben in Rn. 179 ausgeführt, kann dieser Zeugenaussage jedoch nur ein geringer Beweiswert beigemessen werden. Dies gilt umso mehr, als das einzige Beweisstück, das der leitende Wissenschaftler von Symphony Environmental zur Stützung seiner Ausführungen anführt, der Bericht des Labors Intertek ist, der, wie oben in Rn. 182 festgestellt, auf Ersuchen von Symphony Environmental erstellt wurde.

299

Soweit sich die Klägerinnen schließlich auf die Nrn. 25 und 26 der Zeugenaussage ihres Vorstandsvorsitzenden berufen, in denen dieser auf die Inkohärenz der Richtlinie 2019/904 hinweist, die oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff verbiete, jedoch weder herkömmlichen Kunststoff noch kompostierbaren Kunststoff, obwohl sie sich u. a. in freier Natur nicht hinreichend abbauten und nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen führten, ohne jedoch auf eine wissenschaftliche Studie zu verweisen, genügt der Hinweis, dass dieser Zeugenaussage, wie oben in Rn. 156 ausgeführt, nur ein geringer Beweiswert beigemessen werden kann.

300

Zum anderen geht aus dem 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904 hervor, dass diese u. a. zum Ziel hat, die Auswirkungen von bestimmten Einwegkunststoffartikeln, Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff und Fanggeräten, die Kunststoff enthalten, auf die Umwelt und auf die menschliche Gesundheit zu vermeiden und zu vermindern. Diese Richtlinie zielt mithin nicht darauf ab, alle Kunststoffartikel zu erfassen, die eine Gefahr für die Umwelt und die menschliche Gesundheit darstellen können, sondern darauf – wie im siebten Erwägungsgrund in Bezug auf Einwegkunststoffartikel ausgeführt wird –, die Maßnahmen auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen sie am meisten benötigt werden. Art. 1 der Richtlinie 2019/904 bestätigt, dass diese u. a. zum Ziel hat, die Auswirkungen „bestimmter“ Kunststoffprodukte auf die Umwelt, insbesondere die Meeresumwelt, und die menschliche Gesundheit zu vermeiden und zu vermindern.

301

Im Rahmen der Prüfung des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes ist jedoch festgestellt worden, dass die drei betroffenen Organe frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgegangen sind, dass Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit haben.

302

Da sich nach der oben in Rn. 288 angeführten Rechtsprechung die Vergleichbarkeit verschiedener Sachverhalte im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, beurteilt, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff, deren Auswirkungen auf die Umwelt und die menschliche Gesundheit die Richtlinie 2019/904 nach ihrem Gegenstand und Ziel vermeiden und vermindern soll, in einer Situation befinden, die mit der von Artikeln aus herkömmlichem Kunststoff vergleichbar ist.

303

Folglich haben die drei betroffenen Organe nicht gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, indem sie das Inverkehrbringen von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, nicht aber – mit Ausnahme von neun Einwegartikeln – das Inverkehrbringen von Artikeln aus herkömmlichem Kunststoff verboten haben.

304

Dem Vorbringen der Klägerinnen, diese Organe hätten dadurch gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, dass sie das Inverkehrbringen „aller“ Artikel aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, jedoch nur das Inverkehrbringen von „bestimmten“ Einwegartikeln aus herkömmlichem Kunststoff verboten hätten, kann nicht gefolgt werden. Aus dem 36. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/904 ergibt sich nämlich, dass diese u. a. zum Ziel hat, die Auswirkungen von „bestimmten“ Einwegkunststoffartikeln auf die Umwelt und auf die menschliche Gesundheit zu vermeiden und zu vermindern, und aus dem siebten Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass diese zu dem Zweck, die Maßnahmen auf die Bereiche zu konzentrieren, in denen sie am meisten benötigt werden, nur für die am häufigsten an den Stränden der Union vorkommenden Einwegkunststoffartikel gelten sollte, d. h. die in Teil B des Anhangs dieser Richtlinie aufgeführten Artikel. Daher kann nach der oben in Rn. 288 angeführten Rechtsprechung nicht davon ausgegangen werden, dass sich Einwegartikel aus herkömmlichem Kunststoff, die nicht in der Liste im Anhang der Richtlinie 2019/904 aufgeführt sind, in einer Situation befinden, die mit der von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff vergleichbar ist. Daher haben die drei betroffenen Organe dadurch, dass sie das Inverkehrbringen von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff, nicht aber das von Einwegartikeln aus herkömmlichem Kunststoff verboten haben, nicht gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen.

305

Soweit schließlich das Vorbringen der Klägerinnen, das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot des Inverkehrbringens führe zu einer Verzerrung des Wettbewerbs zwischen verschiedenen Arten von oxo-abbaubarem Kunststoff, dahin zu verstehen ist, dass sie geltend machen, dass die drei betroffenen Organe dadurch gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen hätten, dass sie nicht nur Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff, sondern auch Artikel aus Kunststoff, den die Klägerinnen als „oxo-biologisch abbaubar“ einstufen, verboten hätten, kann dem nicht gefolgt werden. Wie bereits im Rahmen der Prüfung des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes festgestellt wurde, sind diese Organe nämlich frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgegangen, dass sich Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht in einem vertretbaren Zeitraum hinreichend biologisch abbaut und demzufolge nicht zwischen oxo-abbaubarem Kunststoff und oxo-biologisch abbaubarem Kunststoff zu unterscheiden ist. Daher kann nicht geltend gemacht werden, diese Organe hätten dadurch gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen, dass sie Artikel aus oxo-abbaubarem Kunststoff anders behandelt haben als Artikel aus dem von den Klägerinnen als „oxo-biologisch abbaubar“ eingestuften Kunststoff.

306

Was als Zweites den Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung angeht, der sich daraus ergeben soll, dass das Inverkehrbringen von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff, nicht aber das von Artikeln aus einem Kunststoff, der als „kompostierbar“ vermarktet wird, verboten ist, kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass sich diese beiden Kategorien von Artikeln nicht in einer vergleichbaren Situation befinden.

307

Aus der Prüfung des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes ergibt sich nämlich, dass die drei betroffenen Organe frei von offensichtlichen Beurteilungsfehlern davon ausgegangen sind, dass ein Risiko vorliegt, dass Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff nicht kompostierbar ist, was die Klägerinnen, wie oben in Rn. 216 ausgeführt, eingeräumt haben. Schließlich ist nach der oben in Rn. 288 angeführten Rechtsprechung zu berücksichtigen, dass die Richtlinie 2019/904 zwar zum Gegenstand und zum Ziel hat, die Auswirkungen von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff zu vermeiden und zu vermindern, dass jedoch Artikel aus Kunststoff, der als „kompostierbar“ vermarktet wird, nicht von ihrem Gegenstand und ihrem Ziel erfasst werden.

308

Aus den vorstehenden Rn. 303, 306 und 307 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe nicht gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung verstoßen haben, indem sie das Inverkehrbringen von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff verboten haben, jedoch weder – mit Ausnahme von neun Einwegartikeln – das Inverkehrbringen von Artikeln aus herkömmlichem Kunststoff noch das von Artikeln aus einem Kunststoff, der als „kompostierbar“ vermarktet wird.

309

Da kein Verstoß gegen den genannten Grundsatz vorliegt, braucht nicht geprüft zu werden, ob dieser Verstoß hinreichend qualifiziert ist, wie es die oben in Rn. 42 angeführte Rechtsprechung zur ersten Voraussetzung für die Begründung der Haftung der Union verlangt.

310

Der vierte Rechtswidrigkeitsgrund ist daher zurückzuweisen.

5.   Zum fünften Rechtswidrigkeitsgrund: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Art. 16 und 17 sowie gegen Art. 41 Abs. 1 der Charta und gegen Art. 49 AEUV

311

Der fünfte Rechtswidrigkeitsgrund besteht aus zwei Teilen. Mit dem ersten Teil machen die Kläger geltend, die drei betroffenen Organe hätten durch den Erlass des in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehenen Verbots ihre in Art. 16 der Charta niedergelegte unternehmerische Freiheit, ihr in Art. 17 der Charta verankertes Eigentumsrecht und ihre Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV verletzt. Das in Rede stehende Verbot hindere sie nämlich daran, Artikel, die ihren Masterbatch d2w enthielten, auf dem Unionsmarkt in den Verkehr zu bringen. Mit dem zweiten Teil machen die Klägerinnen geltend, dieses Verbot sei unter Verstoß gegen ihr in Art. 41 der Charta verankertes Recht auf eine gute Verwaltung erlassen worden, da die drei betroffenen Organe die relevanten Beweisstücke nicht berücksichtigt und die einschlägigen Verfahren nicht durchgeführt hätten.

312

Das Parlament, der Rat und die Kommission treten dem Vorbringen der Klägerinnen entgegen.

a)   Zum ersten Teil des fünften Rechtswidrigkeitsgrundes: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Art. 16 und 17 der Charta sowie gegen Art. 49 AEUV

313

Es ist zu prüfen, ob die drei betroffenen Organe in hinreichend qualifizierter Weise erstens gegen Art. 16 der Charta, zweitens gegen deren Art. 17 und drittens gegen Art. 49 AEUV verstoßen haben.

314

Nach Auffassung des Gerichts ist dies nicht der Fall.

315

Als Erstes ist zum Verstoß gegen den die unternehmerische Freiheit betreffenden Art. 16 der Charta nämlich festzustellen, dass der durch diese Bestimmung gewährte Schutz die Freiheit, eine Wirtschafts- oder Geschäftstätigkeit auszuüben, die Vertragsfreiheit und den freien Wettbewerb umfasst (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 79). Ferner umfasst die Vertragsfreiheit u. a. die freie Wahl des Geschäftspartners sowie die Freiheit, den Preis für eine Leistung festzulegen (Urteil vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 43).

316

Die in Art. 16 der Charta verankerte unternehmerische Freiheit gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern ist zum einen im Zusammenhang mit ihrer gesellschaftlichen Funktion zu sehen und zum anderen gegen die anderen von der Unionsrechtsordnung geschützten Interessen wie auch gegen die Rechte und Freiheiten anderer abzuwägen (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 80).

317

In Anbetracht des Wortlauts von Art. 16 der Charta, der vorsieht, dass die unternehmerische Freiheit nach dem Unionsrecht sowie den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten anerkannt wird, wodurch er sich vom Wortlaut der anderen grundrechtlich geschützten Freiheiten, die in ihrem Titel II verankert sind, unterscheidet und dabei dem Wortlaut einiger Bestimmungen des Titels IV der Charta ähnelt, kann die unternehmerische Freiheit mithin einer Vielzahl von Eingriffen der öffentlichen Gewalt unterworfen werden, die im allgemeinen Interesse die Ausübung der wirtschaftlichen Tätigkeit beschränken können (Urteil vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 81).

318

Dieser Umstand spiegelt sich vor allem darin wider, auf welche Weise die Unionsregelung sowie die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten nach Art. 52 Abs. 1 der Charta im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beurteilen sind. Nach dieser Bestimmung muss jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein, deren Wesensgehalt achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sein und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und der Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (Urteile vom 22. Januar 2013, Sky Österreich, C‑283/11, EU:C:2013:28, Rn. 47 und 48, und vom 21. Dezember 2021, Bank Melli Iran, C‑124/20, EU:C:2021:1035, Rn. 82 und 83).

319

Im vorliegenden Fall führt das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot dazu, dass die Klägerinnen in der Ausübung ihrer unternehmerischen Freiheit beschränkt werden. Denn zum einen vermarkten die Klägerinnen Artikel aus Kunststoff, der den Masterbatch d2w enthält – wie Müllsäcke und Gefrierbeutel –, was ihnen das in Rede stehende Verbot nunmehr verbietet. Zum anderen kann dieses Verbot die Haupttätigkeit der Klägerinnen, d. h. die Herstellung und den Vertrieb des Masterbatch d2w, beeinträchtigen. Diese Haupttätigkeit steht jedoch im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff, so dass das Verbot der letztgenannten Tätigkeit wirtschaftliche Folgen für die Haupttätigkeit haben und sich auf die Entscheidung der Klägerinnen, diese fortzuführen, auswirken könnte (vgl. entsprechend Urteil des Gerichts vom 10. März 2020, IFSUA/Rat, T‑251/18, EU:T:2020:89, Rn. 150 und 151).

320

Diese Einschränkung ist jedoch gesetzlich vorgesehen, nämlich in der Richtlinie 2019/904. Außerdem berührt sie nicht den Wesensgehalt der unternehmerischen Freiheit der Klägerinnen, da nur verboten ist, Artikel aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff auf dem Unionsmarkt in den Verkehr zu bringen, nicht aber ihre Herstellung. Daher können die Klägerinnen solche Artikel weiterhin herstellen, um sie in Drittstaaten in den Verkehr zu bringen. Auch können sie weiterhin ihren Masterbatch d2w herstellen und ihn an Kunden verkaufen, die es für die Herstellung von Artikeln verwenden, die sie in Drittstaaten in den Verkehr zu bringen beabsichtigen. Schließlich ist diese Beschränkung, wie im Rahmen der Prüfung des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes festgestellt wurde, erforderlich und verhältnismäßig und entspricht einer von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzung, nämlich dem Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit.

321

Was als Zweites den Verstoß gegen Art. 17 der Charta betrifft, bestimmt Art. 17 Abs. 1, dass jede Person das Recht hat, ihr rechtmäßig erworbenes Eigentum zu besitzen, zu nutzen, darüber zu verfügen und es zu vererben. Niemandem darf sein Eigentum entzogen werden, es sei denn aus Gründen des öffentlichen Interesses in den Fällen und unter den Bedingungen, die in einem Gesetz vorgesehen sind, sowie gegen eine rechtzeitige angemessene Entschädigung für den Verlust des Eigentums. Außerdem kann die Nutzung des Eigentums gesetzlich geregelt werden, soweit dies für das Wohl der Allgemeinheit erforderlich ist.

322

Nach der Rechtsprechung kann jedoch kein Wirtschaftsteilnehmer ein Eigentumsrecht an einem Marktanteil geltend machen, selbst wenn er ihn zu einem Zeitpunkt vor der Einführung einer diesen Markt betreffenden Maßnahme besessen hat, da ein solcher Marktanteil nur eine augenblickliche wirtschaftliche Position darstellt, die den mit einer Änderung der Umstände verbundenen Risiken ausgesetzt ist. Ein Wirtschaftsteilnehmer kann auch kein wohlerworbenes Recht oder auch nur ein berechtigtes Vertrauen auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation, die durch Handlungen der Unionsorgane im Rahmen ihres Ermessens verändert werden kann, geltend machen (Urteil vom 12. Juli 2005, Alliance for Natural Health u. a., C‑154/04 und C‑155/04, EU:C:2005:449, Rn. 128).

323

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der oben in Rn. 322 angeführten Rechtsprechung, dass die Klägerinnen in Bezug auf ihr Recht, den Masterbatch d2w auf dem Unionsmarkt in Verkehr zu bringen, nicht den Schutz von Art. 17 Abs. 1 der Charta beanspruchen können (vgl. entsprechend Urteil vom 3. September 2015, Inuit Tapiriit Kanatami u. a./Kommission, C‑398/13 P, EU:C:2015:535, Rn. 60).

324

Dem Vorbringen der Klägerinnen, das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot des Inverkehrbringens von Artikeln aus oxo-abbaubarem Kunststoff verstoße gegen Art. 17 Abs. 2 der Charta, wonach „[g]eistiges Eigentum… geschützt [wird]“, weil es den Wert ihres Rechts des geistigen Eigentums an der Formel des Masterbatch d2w erheblich verringere, kann nicht gefolgt werden. Die Klägerinnen haben zwar vorgetragen, dass dieser Masterbatch durch Markenrechte und durch das für seine Herstellung erforderliche Know-how geschützt sei, doch haben sie nicht dargelegt, wodurch diese Rechte verletzt sein sollen.

325

Jedenfalls ergibt sich weder aus Art. 17 der Charta noch aus der Rechtsprechung, dass der Schutz der Rechte des geistigen Eigentums bedingungslos zu gewährleisten wäre (vgl. entsprechend Urteil vom 29. Juli 2019, Spiegel Online, C‑516/17, EU:C:2019:625, Rn. 56). Jede Einschränkung von Art. 17 Abs. 2 der Charta muss in Übereinstimmung mit ihrem Art. 52 Abs. 1 vorgenommen werden. Im vorliegenden Fall wäre eine Einschränkung der Ausübung des Rechts auf geistiges Eigentum der Klägerinnen an dem Masterbatch d2w als nachgewiesen unterstellt, jedoch gesetzlich vorgesehen. Eine solche Einschränkung würde nicht den Wesensgehalt dieses Rechts beeinträchtigen, da weder die Herstellung von Artikeln aus Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff und ihr Verkauf auf dem Markt von Drittstaaten noch die Herstellung und das Inverkehrbringen eines solchen Zusatzstoffs in der Union verboten sind. Wie im Rahmen der Prüfung des dritten Rechtswidrigkeitsgrundes festgestellt, entspricht eine solche Beschränkung einem von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Ziel, nämlich dem Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit, und geht nicht über das erforderliche Maß hinaus.

326

Was als Drittes den Verstoß gegen Art. 49 AEUV betrifft, genügt der Hinweis, dass die Klägerinnen keine Gründe dafür angeben, warum das Verbot des Inverkehrbringens von Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff ihre Niederlassungsfreiheit beeinträchtigen soll.

327

Aus den vorstehenden Rn. 313 bis 326 ergibt sich, dass die drei betroffenen Organe weder gegen Art. 16 der Charta noch gegen deren Art. 17 noch gegen Art. 49 AEUV verstoßen haben.

328

Da kein Verstoß gegen die genannten Artikel vorliegt, braucht nicht geprüft zu werden, ob dieser Verstoß hinreichend qualifiziert ist, wie es die oben in Rn. 42 angeführte Rechtsprechung zur ersten Voraussetzung für die Begründung der Haftung der Union verlangt.

329

Der erste Teil des fünften Rechtswidrigkeitsgrundes ist daher zurückzuweisen.

b)   Zum zweiten Teil des fünften Rechtswidrigkeitsgrundes: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das in Art. 41 der Charta verankerte Recht auf eine gute Verwaltung

330

Mit dem zweiten Teil ihres fünften Rechtswidrigkeitsgrundes machen die Klägerinnen geltend, das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot sei unter Verstoß gegen ihr in Art. 41 der Charta verankertes Recht auf eine gute Verwaltung erlassen worden. Die drei betroffenen Organe hätten die relevanten Beweisstücke nicht berücksichtigt und die einschlägigen Verfahren nicht durchgeführt.

331

Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.

332

Insoweit genügt der Hinweis, dass das sich aus Art. 41 der Charta ergebende Recht auf eine gute Verwaltung nicht auf das Verfahren zur Ausarbeitung eines Gesetzgebungsakts wie der Richtlinie 2019/904 gerichtet ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Oktober 1999, Atlanta/Europäische Gemeinschaft, C‑104/97 P, EU:C:1999:498, Rn. 37, und vom 12. Juni 2015, Health Food Manufacturers’ Association u. a./Kommission, T‑296/12, EU:T:2015:375, Rn. 98).

333

Folglich haben die drei betroffenen Organe nicht gegen Art. 41 der Charta verstoßen.

334

Da kein Verstoß gegen den genannten Artikel vorliegt, braucht nicht geprüft zu werden, ob dieser Verstoß hinreichend qualifiziert ist, wie es die oben in Rn. 42 angeführte Rechtsprechung zur ersten Voraussetzung für die Begründung der Haftung der Union verlangt.

335

Daher ist der zweite Teil des fünften Rechtswidrigkeitsgrundes und damit dieser Rechtswidrigkeitsgrund insgesamt zurückzuweisen.

336

Aus dem Vorstehenden folgt, dass jeder der fünf Rechtswidrigkeitsgründe zurückzuweisen ist und dass die Klägerinnen keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen eine Rechtsnorm, die bezweckt, dem Einzelnen Rechte zu verleihen, haben nachweisen können.

337

Da die Voraussetzungen für die Begründung der außervertraglichen Haftung der Union, wie oben in Rn. 41 ausgeführt, kumulativ sind, ist die vorliegende Klage auf dieser Grundlage abzuweisen, ohne dass die Voraussetzungen für das Bestehen eines tatsächlichen und sicheren Schadens sowie eines Kausalzusammenhangs geprüft zu werden brauchen.

IV. Kosten

338

Nach Art. 134 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Klägerinnen unterlegen sind, sind ihnen gemäß den Anträgen des Parlaments, des Rates und der Kommission die Kosten aufzuerlegen.

 

Aus diesen Gründen hat

DAS GERICHT (Erste erweiterte Kammer)

für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

Die Klage wird abgewiesen.

 

2.

Die Symphony Environmental Technologies plc und die Symphony Environmental Ltd tragen die Kosten.

 

Van der Woude

Spielmann

Gâlea

Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 31. Januar 2024.

Unterschriften

Inhaltsverzeichnis

 

I. Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

II. Anträge der Parteien

 

III. Rechtliche Würdigung

 

A. Zum Antrag auf Weglassen bestimmter Angaben gegenüber der Öffentlichkeit

 

B. Vorbemerkung

 

C. Zur Zulässigkeit

 

D. Zur Begründetheit

 

1. Zum ersten Rechtswidrigkeitsgrund: Verstoß gegen die Art. 68 bis 73 der REACH-Verordnung

 

2. Zum zweiten Rechtswidrigkeitsgrund: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Nrn. 12 und 14 bis 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung

 

3. Zum dritten Rechtswidrigkeitsgrund: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen Art. 191 AEUV sowie offensichtliche Beurteilungsfehler

 

a) Zum ersten Teil, soweit mit ihm ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen Art. 191 AEUV gerügt wird

 

1) Zur Behauptung, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff baue sich nicht hinreichend biologisch ab

 

2) Zur Behauptung, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff sei nicht kompostierbar

 

3) Zur Behauptung, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff wirke sich negativ auf das Recycling von herkömmlichen Kunststoffen aus

 

4) Zur Behauptung, Kunststoff mit einem prooxidativen Zusatzstoff führe nicht zu einem nachgewiesenen Umweltnutzen

 

5) Zu der den Erwiderungen beigefügten Liste, in der sämtliche Dokumente aufgeführt sind, die die drei betroffenen Organe nicht berücksichtigt haben sollen

 

b) Zum hinreichend qualifizierten Verstoß gegen den in Art. 5 Abs.4 EUV verankerten allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Zum zweiten Teil, mit dem geltend gemacht wird, dass das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot, soweit es für oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff gelte, nicht geeignet sei, das Ziel dieser Richtlinie zu erreichen, und zum ersten Teil, soweit er auf dasselbe Argument gestützt ist

 

2) Zum dritten Teil: Das in Art. 5 der Richtlinie 2019/904 vorgesehene Verbot gehe, soweit es für oxo-biologisch abbaubaren Kunststoff gelte, über die Grenzen dessen hinaus, was zur Erreichung des mit dieser Richtlinie verfolgten Ziels erforderlich sei

 

4. Zum vierten Rechtswidrigkeitsgrund: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen den allgemeinen Grundsatz der Gleichbehandlung

 

5. Zum fünften Rechtswidrigkeitsgrund: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Art. 16 und 17 sowie gegen Art. 41 Abs. 1 der Charta und gegen Art. 49 AEUV

 

a) Zum ersten Teil des fünften Rechtswidrigkeitsgrundes: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen die Art. 16 und 17 der Charta sowie gegen Art. 49 AEUV

 

b) Zum zweiten Teil des fünften Rechtswidrigkeitsgrundes: hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das in Art. 41 der Charta verankerte Recht auf eine gute Verwaltung

 

IV. Kosten


( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.

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