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Document 62020TJ0122
Judgment of the General Court (Seventh Chamber) of 16 November 2022 (Extracts).#Sciessent LLC v European Commission.#Biocidal products – Active substances – Silver zeolite and silver copper zeolite – Refusal of approval for product-types 2 and 7 – Article 4 and Article 19(1)(b) of Regulation (EU) No 528/2012 – Efficacy – Active substances for use in treated articles – Assessment of the efficacy of the treated articles themselves – Competence of the Commission – Principle of non-discrimination – Legal certainty – Legitimate expectations.#Cases T-122/20 and T-123/20.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 16. November 2022 (Auszüge).
Sciessent LLC gegen Europäische Kommission.
Biozidprodukte – Wirkstoffe – Silberzeolith und Silber-Kupfer-Zeolith – Nichtgenehmigung für die Produktarten 2 und 7 – Art. 4 und Art. 19 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 – Wirksamkeit – Wirkstoffe, die zur Verwendung in behandelten Waren bestimmt sind – Beurteilung der Wirksamkeit der behandelten Waren selbst – Zuständigkeit der Kommission – Diskriminierungsverbot – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz.
Rechtssachen T-122/20 und T-123/20.
Urteil des Gerichts (Siebte Kammer) vom 16. November 2022 (Auszüge).
Sciessent LLC gegen Europäische Kommission.
Biozidprodukte – Wirkstoffe – Silberzeolith und Silber-Kupfer-Zeolith – Nichtgenehmigung für die Produktarten 2 und 7 – Art. 4 und Art. 19 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 – Wirksamkeit – Wirkstoffe, die zur Verwendung in behandelten Waren bestimmt sind – Beurteilung der Wirksamkeit der behandelten Waren selbst – Zuständigkeit der Kommission – Diskriminierungsverbot – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz.
Rechtssachen T-122/20 und T-123/20.
ECLI identifier: ECLI:EU:T:2022:712
URTEIL DES GERICHTS (Siebte Kammer)
16. November 2022 ( *1 )
„Biozidprodukte – Wirkstoffe – Silberzeolith und Silber-Kupfer-Zeolith – Nichtgenehmigung für die Produktarten 2 und 7 – Art. 4 und Art. 19 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 – Wirksamkeit – Wirkstoffe, die zur Verwendung in behandelten Waren bestimmt sind – Beurteilung der Wirksamkeit der behandelten Waren selbst – Zuständigkeit der Kommission – Diskriminierungsverbot – Rechtssicherheit – Vertrauensschutz“
In den Rechtssachen T‑122/20 und T‑123/20
Sciessent LLC mit Sitz in Beverly, Massachusetts (Vereinigte Staaten), vertreten durch die Rechtsanwälte K. Van Maldegem und P. Sellar sowie durch V. McElwee, Solicitor,
Klägerin,
gegen
Europäische Kommission, vertreten durch A. Dawes und R. Lindenthal als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Königreich Schweden, vertreten durch R. Shahsavan Eriksson, C. Meyer-Seitz, A. Runeskjöld, M. Salborn Hodgson, H. Shev, H. Eklinder und O. Simonsson als Bevollmächtigte,
und durch
Europäische Chemikalienagentur (ECHA), vertreten durch M. Heikkilä, C. Buchanan und T. Zbihlej als Bevollmächtigte,
Streithelfer,
erlässt
DAS GERICHT (Siebte Kammer)
zum Zeitpunkt der Beratung unter Mitwirkung des Präsidenten R. da Silva Passos sowie der Richterin I. Reine (Berichterstatterin) und des Richters M. Sampol Pucurull,
Kanzler: P. Cullen, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens, insbesondere der Entscheidung vom 8. Februar 2022, die Rechtssachen T‑122/20 und T‑123/20 zu gemeinsamem mündlichen Verfahren zu verbinden,
auf die mündliche Verhandlung vom 31. März 2022
folgendes
Urteil ( 1 )
1 |
Mit ihren auf Art. 263 AEUV gestützten Klagen beantragt die Klägerin, die Sciessent LLC, die Nichtigerklärung des Durchführungsbeschlusses (EU) 2019/1960 der Kommission vom 26. November 2019 zur Nichtgenehmigung von Silberzeolith als alten Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 2 und 7 (ABl. 2019, L 306, S. 42) und des Durchführungsbeschlusses (EU) 2019/1973 der Kommission vom 27. November 2019 zur Nichtgenehmigung von Silber-Kupfer-Zeolith als alten Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 2 und 7 (ABl. 2019, L 307, S. 58) (im Folgenden zusammen: angefochtene Beschlüsse). [nicht übersetzt] |
IV. Rechtliche Würdigung
[nicht wiedergegeben]
A. Begründetheit
[nicht wiedergegeben]
1. Erster Klagegrund: Verstoß gegen die Art. 4 und 19 der Verordnung Nr. 528/2012
36 |
Die Klägerin macht geltend, dass nach Art. 19 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012 die bewertende zuständige Behörde, die ECHA und die Kommission verpflichtet gewesen seien, die Wirksamkeit der betreffenden Stoffe zu bewerten und dabei u. a. zu berücksichtigen, wie die mit dem Biozidprodukt behandelten oder dieses enthaltenden Waren verwendet werden können. Diese Bestimmungen sähen hingegen nicht vor, dass die Wirksamkeit der behandelten Waren selbst zu beurteilen sei. Dies werde insbesondere durch den Vermerk vom 14. September 2015 sowie durch die Delegierte Verordnung [(EU)] 2021/525 [der Kommission vom 19. Oktober 2020 zur Änderung der Anhänge II und III der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. 2021, L 106, S. 3)] bestätigt, die die Anforderungen an die Bewertung der Wirksamkeit in den Anhängen II und III dieser Verordnung in diesem Sinne präzisiert habe. |
37 |
Wie aus den Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte der ECHA hervorgehe, auf die in den angefochtenen Beschlüssen Bezug genommen werde, habe sich die Kommission zu Unrecht auf eine Bewertung der Wirksamkeit der Waren, auf die die betreffenden Stoffe aufgebracht würden, d. h. der Wirksamkeit der behandelten Waren selbst gestützt und damit von der Klägerin den Nachweis verlangt, dass die mit den betreffenden Stoffen behandelten Waren ebenfalls wirksam seien, um Bakterien oder Pilze zu reduzieren oder zu beseitigen. Diese rechtswidrige Vorgehensweise ergebe sich auch aus verschiedenen Passagen der Evaluierungsberichte vom Juni 2017, wonach sie eine Zerstörung der Bakterien durch Kontakt hätte nachweisen und die Komponenten einer mit den betreffenden Stoffen behandelten Klimaanlage für die Produktart 2 hätte testen und das Wachstum der Versuchsorganismen auf einem nicht behandelten Material für die Produktart 7 hätte nachweisen müssen. |
38 |
Die Klägerin weist darauf hin, dass nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 ein Wirkstoff zu genehmigen sei, „wenn angenommen werden kann“, dass mindestens ein Biozidprodukt, das diesen Wirkstoff enthalte, die Kriterien in Art. 19 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 528/2012 erfülle. Daraus folge, dass es keine Verpflichtung gebe, nachzuweisen, dass ein Wirkstoff die genannten Kriterien tatsächlich erfülle. Die für den Nachweis der Wirksamkeit eines Wirkstoffs erforderliche Nachweisschwelle sei daher niedriger. Dies werde insbesondere in Teil A Abschnitt 6.6 der ECHA-Leitlinien zur Verordnung über Biozidprodukte, Band II Wirksamkeit, vom November 2014 bestätigt. |
39 |
Daher sei zur Bewertung der Wirksamkeit eines Wirkstoffs, der in einer behandelten Ware verwendet werden solle, nur dessen natürliche Wirksamkeit zu beurteilen. Diese natürliche Wirksamkeit sei anhand von Versuchen der Phase 1 zu beurteilen, die bestimmte relevante Feldbedingungen simulierten und einen grundsätzlichen Nachweis der Wirksamkeit des Wirkstoffs ermöglichten. Dagegen würde die Forderung nach einem Nachweis der Wirksamkeit eines Wirkstoffs durch Versuche der Phase 2, die unter realistischen Bedingungen durchgeführt werden, gegen die Verordnung Nr. 528/2012 verstoßen, da dies der Forderung nach einem Nachweis der Wirksamkeit behandelter Waren selbst gleichkäme. |
40 |
Im vorliegenden Fall sei die natürliche Wirksamkeit der betreffenden Substanzen jedoch sehr wohl durch Phase-1-Versuche nachgewiesen worden. Die vorgelegten Daten belegten eindeutig eine signifikante Verringerung der Anzahl der für die geltend gemachten Angaben relevanten Organismen unter Bedingungen, die für den genannten Verwendungszweck repräsentativ seien, im Vergleich zu unbehandeltem Kontrollmaterial, das unter denselben Bedingungen getestet worden sei. Sie habe sehr wohl die ausreichende Wirksamkeit des Schutzes der behandelten Waren durch das die betreffenden Stoffe enthaltende repräsentative Biozidprodukt belegt. |
41 |
Die Kommission, unterstützt durch die ECHA und das Königreich Schweden, tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen. |
a) Vorbemerkungen zur Wirksamkeit
42 |
Wie Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 zu entnehmen ist, hat diese ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zum Ziel. Dieses Ziel kann nicht erreicht werden, wenn Wirkstoffe mit bestimmten Risiken zugelassen würden, ohne die Gewissheit, dass die Zielorganismen dieser Stoffe sich entwickeln und menschliches Eingreifen erfordern. |
43 |
Nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 in Verbindung mit deren Art. 19 Abs. 1 Buchst. b muss der Antragsteller, um die Genehmigung eines Wirkstoffs zu erhalten, u. a. nachweisen, dass angenommen werden kann, dass mindestens ein Biozidprodukt, das diesen Stoff enthält, die in der letztgenannten Bestimmung genannten Kriterien erfüllt. |
44 |
In diesem Zusammenhang wird in Teil B+C Abschnitt 3.1 der ECHA-Leitlinien zur Wirksamkeit von 2017 „Wirksamkeit“ als die Fähigkeit eines Produkts definiert, die geltend gemachten Bedingungen zu erfüllen, wenn es gemäß den Gebrauchsanweisungen auf dem Etikett verwendet wird. Es geht darum, zu prüfen, ob das Biozidprodukt unter den beschriebenen Verwendungsbedingungen ausreichend wirksam gegen die Zielorganismen ist. |
45 |
Aus Teil B+C Abschnitt 4.2.4 der Leitlinien der ECHA zur Wirksamkeit von 2017 geht auch hervor, dass im Stadium der Genehmigung eines Wirkstoffs die Bewertung seiner Wirksamkeit untrennbar mit der Bewertung der Risiken dieses Stoffes für die menschliche Gesundheit und die Umwelt verbunden ist. Diese Risikobewertung wird nämlich unter Berücksichtigung der Konzentration vorgenommen, bei der die Wirksamkeit des Wirkstoffs nachgewiesen wurde. Darüber hinaus muss die Wirksamkeit für die im Rahmen der Risikobewertung geprüfte Verwendung ausreichend sein. |
46 |
Außerdem sieht Art. 6 der Verordnung Nr. 528/2012 vor, dass der Antragsteller, wenn er die Genehmigung eines Wirkstoffs beantragt, der bewertenden zuständigen Behörde zum einen ein vollständiges Dossier, das den Anforderungen des Anhangs II dieser Verordnung genügt, über den Wirkstoff vorlegen muss und zum anderen ein vollständiges Dossier, das den Anforderungen des Anhangs III dieser Verordnung genügt, für „mindestens ein“ repräsentatives Biozidprodukt, in dem der Wirkstoff enthalten ist (vgl. Art. 4 Abs. 1 der Verordnung). Somit muss jedes dieser Dossiers relevante Informationen über die Wirksamkeit enthalten. |
47 |
In den Anhängen II und III der Verordnung Nr. 528/2012 werden die Daten genannt, die ein Antragsteller vorlegen muss, um jeweils die Wirksamkeit eines Wirkstoffs und des repräsentativen Biozidprodukts, das diesen Wirkstoff enthält, nachzuweisen. Diese Angaben müssen es ermöglichen, die vom Antragsteller geltend gemachten Bedingungen, d. h. die behaupteten Wirkungen des Wirkstoffs und des Produkts, das ihn enthält, zu untermauern. So ergibt sich aus Anhang II Nr. 6.6 und aus Anhang III Nr. 6.7 dieser Verordnung in ihrer auf den vorliegenden Fall anwendbaren Fassung, dass ein Antragsteller gehalten ist, Angaben im Hinblick auf Einhaltung der Bedingungen über die Biozidprodukte und, im Fall einer Angabe auf dem Etikett, zu den behandelten Waren zu machen. |
48 |
Anhang III Nr. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 in der im vorliegenden Fall anwendbaren Fassung legt zudem die Anforderungen an die Informationen fest, die in dem Dossier zu einem Biozidprodukt, welches gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung einem Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs beizufügen ist, und in dem Dossier, welches einem Antrag auf Zulassung eines Biozidprodukts beizufügen ist, enthalten sein müssen. Diese Anforderungen sind daher für beide Arten von Dossiers gleich. |
49 |
Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012, dass bei der Beurteilung insbesondere der Wirksamkeit des Biozidprodukts, das den Wirkstoff enthält, die in Art. 19 Abs. 2 dieser Verordnung aufgeführten Faktoren berücksichtigt werden müssen. Zu diesen Faktoren gehören zum einen die realistischen Worst-case-Bedingungen, unter denen das Biozidprodukt verwendet werden kann, und zum anderen die Art und Weise, in der die mit dem Biozidprodukt behandelten oder es enthaltenden Waren verwendet werden können. |
50 |
Nach alledem ist erstens festzustellen, dass die oben in den Rn. 42 bis 49 genannten Bestimmungen denjenigen, der einen Antrag auf Genehmigung eines Wirkstoffs zur Verwendung in einer oder mehreren behandelten Waren stellt, nicht dazu verpflichten, die Wirksamkeit dieser behandelten Waren mit dem repräsentativen Biozidprodukt, das den betreffenden Wirkstoff enthält, nachzuweisen. |
51 |
Der Antragsteller muss jedoch nachweisen, dass mindestens ein repräsentatives Biozidprodukt das Wirksamkeitskriterium erfüllen kann, und zwar im Hinblick auf die Bedingungen, die der Antragsteller selbst in Bezug auf dieses Produkt festgelegt hat. Wenn das vom Antragsteller gewählte repräsentative Biozidprodukt seiner Meinung nach dazu bestimmt ist, einer behandelten Ware zugesetzt zu werden, um dieser einen bestimmten Schutz oder eine bestimmte Wirkung zu verleihen, obliegt es dem Antragsteller, die Einhaltung seiner Bedingungen durch geeignete Versuche zu belegen. |
52 |
In diesem Zusammenhang heißt es in Abschnitt 1.5.6 der Übergangsleitlinien der ECHA zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln, dass die Wirksamkeit behandelter Waren, die selbst keine Biozidprodukte sind, keiner Bewertung nach der Verordnung Nr. 528/2012 bedarf. Allerdings können Wirkstoffe und Biozidprodukte, die in behandelten Waren enthalten sind, im Rahmen des Genehmigungsverfahrens für den Wirkstoff eine Bewertung ihrer Wirksamkeit in den behandelten Waren erfordern (wenn diese Verwendungen beantragt werden). |
53 |
Dieser Grundsatz spiegelt sich nunmehr im siebten Erwägungsgrund der Delegierten Verordnung 2021/525 wider. Dieser Erwägungsgrund besagt nämlich, dass bei behandelten Waren die Wirksamkeit der bioziden Eigenschaften der Ware nachgewiesen werden sollte. |
54 |
Wie sich aus der obigen Rn. 49 ergibt, müssen zweitens die von demjenigen, der die Genehmigung eines Wirkstoffs beantragt, durchgeführten Versuche es ermöglichen, die Wirksamkeit des repräsentativen Biozidprodukts insbesondere unter den realistischen Worst-case-Bedingungen zu beurteilen, unter denen dieses Produkt verwendet werden kann. Sie müssen auch die mögliche Verwendung von mit dem Biozidprodukt behandelten oder es enthaltenden Waren berücksichtigen. Solche Versuche sind für jede Produktart durchzuführen, für die der Antragsteller die Genehmigung des Wirkstoffs beantragt hat. |
55 |
Wenn also der Antragsteller als repräsentatives Biozidprodukt ein Produkt auswählt, das einer behandelten Ware zugesetzt werden soll, um dieser eine besondere Wirkung oder einen besonderen Schutz zu verleihen, kann er sich nicht damit begnügen, Versuche vorzulegen, die unter Standardbedingungen durchgeführt wurden, d. h. unter Bedingungen, die weder die spezifischen Verwendungsbedingungen des repräsentativen Biozidprodukts berücksichtigen, noch damit, lediglich einen grundsätzlichen Nachweis für die Wirksamkeit des Wirkstoffs zu erbringen. Die Versuche der Phase 1, die in Abschnitt 1.4.1 der Übergangsleitlinien der ECHA zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln als Versuche definiert sind, die die spezifischen Bedingungen für die beabsichtigte Verwendung des repräsentativen Biozidprodukts nicht berücksichtigen, reichen daher nicht aus, um die Wirksamkeit des fraglichen Wirkstoffs im Hinblick auf seine Genehmigung gemäß Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 nachzuweisen. |
56 |
Im Rahmen des Dossiers über das repräsentative Biozidprodukt gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 528/2012 obliegt es dem Antragsteller, Versuche vorzulegen, die die realistischen Worst-case-Bedingungen, unter denen dieses Produkt verwendet werden kann, nachbilden und die Art und Weise berücksichtigen, in der die behandelte Ware verwendet werden kann. Aus Abschnitt 1.4.1 der Übergangsleitlinien der ECHA zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln geht hervor, dass solche Bedingungen im Wesentlichen in Phase-2-Versuchen simuliert werden, die im Labor die relevanten praktischen Bedingungen der beabsichtigten Verwendung nachbilden. |
57 |
Zwar wird in Anhang VI der Verordnung Nr. 528/2012 nur auf die Art und Weise verwiesen, in der die behandelten Waren im Zusammenhang mit der Risikobewertung des Wirkstoffs verwendet werden. Aus Art. 19 Abs. 2 Buchst. b der Verordnung geht jedoch eindeutig hervor, dass die Angaben darüber, wie die behandelte Ware verwendet werden kann, erforderlich sind, um zu beurteilen, ob das repräsentative Biozidprodukt alle in Art. 19 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung festgelegten Kriterien, einschließlich des Kriteriums der Wirksamkeit, erfüllt. |
58 |
Im Übrigen lässt der Umstand, dass nach Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 528/2012 ein Wirkstoff zu genehmigen ist, „wenn angenommen werden kann“, dass mindestens ein Biozidprodukt, das diesen Wirkstoff enthält, die Kriterien von Art. 19 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung erfüllt, nicht den Schluss zu, dass Versuche der Phase 1 ausreichen, um die Wirksamkeit dieses repräsentativen Biozidprodukts nachzuweisen. |
59 |
Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012, auf den Art. 19 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung verweist, schreibt nämlich ausdrücklich vor, dass insbesondere beim Nachweis der Wirksamkeit des repräsentativen Biozidprodukts die realistischen Worst-case-Bedingungen, unter denen dieses Produkt verwendet werden kann, sowie die Art und Weise, in der die mit diesem Produkt behandelten oder dieses enthaltenden Waren verwendet werden können, berücksichtigt werden müssen. Wie oben in Rn. 56 dargelegt, spiegeln sich diese Voraussetzungen in Phase-2-Versuchen wider. |
60 |
Die Klägerin kann sich auch nicht mit Erfolg auf die ECHA-Leitlinien zur Biozidprodukte-Verordnung, Band II Wirksamkeit, Teil A, vom November 2014 berufen, um zu argumentieren, dass die Bewertung der Wirksamkeit eines Wirkstoffs im Wesentlichen auf Phase-1-Versuche beschränkt werden sollte. Dieses Dokument sieht nämlich keineswegs vor, dass nur unter Standardbedingungen durchgeführte Versuche erforderlich sind, um die Wirksamkeit des repräsentativen wirkstoffhaltigen Biozidprodukts nachzuweisen. Vielmehr heißt es in Kapitel II Abschnitt 6 dieses Dokuments über die für die Genehmigung eines Wirkstoffs erforderlichen Wirksamkeitsdaten, dass der Antragsteller ausreichende Informationen über die Wirksamkeit des repräsentativen Biozidprodukts und die vorgesehenen Verwendungen des Wirkstoffs vorlegen muss, damit dieses Produkt bewertet und die Bedingungen für seine Verwendung festgelegt werden können. Dieses Erfordernis ergibt sich unmittelbar aus Art. 6 und Art. 19 Abs. 1 und 2 der Verordnung Nr. 528/2012. |
61 |
Hinzu kommt, dass erst im Stadium der Zulassung eines Biozidprodukts im Hinblick auf sein Inverkehrbringen alle geplanten Verwendungen eines solchen Produkts und seine Wirksamkeit auf alle Zielorganismen im Einzelnen geprüft werden und eine Bewertung der Wirksamkeit und der Risiken des Produkts im Hinblick auf jede dieser Verwendungen vorgenommen wird. Eine solch umfassende Bewertung ist im Stadium der Genehmigung eines Wirkstoffs keineswegs erforderlich, wie aus dem oben in Rn. 60 erwähnten ECHA-Leitfaden hervorgeht. Die Bewertung der Wirksamkeit eines Wirkstoffs ist daher tatsächlich begrenzter als die eines Biozidprodukts im Rahmen eines Zulassungsverfahrens. |
62 |
Drittens ist darauf hinzuweisen, dass Kapitel II Abschnitt 6.4 der oben in Rn. 60 erwähnten ECHA-Leitlinien in Verbindung mit deren Kapitel III Abschnitt 6.4, auf das es verweist, die Notwendigkeit betont, die für die Wirksamkeitsprüfung angenommenen Verwendungskonzentrationen zu begründen. Die voraussichtliche Verwendungskonzentration wird dort definiert als idealerweise effiziente Mindestkonzentration unter realistischen Bedingungen unter Berücksichtigung aller relevanten Parameter, die sich auf die Wirksamkeit auswirken. Aus dieser Sicht besteht daher ebenfalls ein notwendiger Zusammenhang zwischen der Bewertung der Wirksamkeit eines Wirkstoffs und des repräsentativen Biozidprodukts einerseits und den realistischen Bedingungen für die Verwendung dieses Biozidprodukts andererseits, wie sie sich in Phase-2-Versuchen widerspiegeln. |
63 |
Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass, um die Wirksamkeit eines Wirkstoffs darzutun, der einer behandelten Ware zugesetzt werden soll, derjenige, der die Genehmigung dieses Stoffes beantragt, zum einen die natürliche Wirksamkeit dieses Stoffes im Rahmen des Dossiers gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 528/2012 nachweisen muss und zum anderen im Rahmen des Dossiers für dieses Produkt gemäß Art. 6 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung den Nachweis für die ausreichende Wirksamkeit des Schutzes, der den behandelten Waren durch das repräsentative Biozidprodukt verliehen wird, das den Wirkstoff enthält, erbringen muss. |
64 |
In Bezug auf das repräsentative Biozidprodukt muss der Antragsteller für jede geltend gemachte Produktart und jede geltend gemachte Bedingung Versuche vorlegen, die unter den realistischen Worst-case-Bedingungen durchgeführt wurden und die berücksichtigen, wie die behandelten Waren verwendet werden können. |
b) Zur Beurteilung der Wirksamkeit im vorliegenden Fall
65 |
Im vorliegenden Fall bestanden die repräsentativen Biozidprodukte zu 100 % aus jedem der betroffenen Stoffe: jeder dieser Stoffe war somit dazu bestimmt, in einer behandelten Ware enthalten zu sein. |
66 |
Wie aus Abschnitt 2.4 der Bewertungsberichte vom Juni 2017 hervorgeht, forderte die bewertende zuständige Behörde die Klägerin auf, mindestens ein Beispiel für die Verwendung des repräsentativen Biozidprodukts, das für jede Produktart (2 und 7) und jede Bedingung ausgewählt wurde, zu definieren und die Wirksamkeit des Produkts für jedes dieser Anwendungsbeispiele mindestens durch Versuche der Phase 1 und der Phase 2 nachzuweisen. Die Behörde erläuterte dabei, dass die Wirksamkeit stark von den Verwendungsbedingungen, insbesondere dem Feuchtigkeitsgrad, und dem Material, in dem das repräsentative Biozidprodukt enthalten sei, abhänge. |
1) Zur Produktart 2
67 |
Gemäß Anhang V der Verordnung Nr. 528/2012 fallen unter die Produktart 2 Desinfektionsmittel und Algenbekämpfungsmittel, die nicht für eine direkte Anwendung bei Menschen oder Tieren bestimmt sind. Es handelt sich dabei um Produkte als Zusatz in Textilien, Geweben, Masken, Farben und anderen Gegenständen oder Stoffen, um behandelte Waren mit Desinfektionseigenschaften herzustellen. |
68 |
Im vorliegenden Fall schlug die Klägerin während des Prozesses der Bewertung der betreffenden Stoffe zwei Beispiele für die Verwendung repräsentativer Biozidprodukte vor, die zu 100 % aus den betreffenden Stoffen für die Produktart 2 bestanden: zum einen die Verwendung in einem Wand- oder Bodenüberzug und zum anderen die Verwendung in Komponenten einer Klimaanlage. Wie aus den Akten und insbesondere aus den Antworten der Klägerin auf die Fragen des Gerichts im Rahmen prozessleitender Maßnahmen hervorgeht, sollte durch die Behandlung dieser Materialien das Risiko einer Kreuzkontamination durch Bakterien verringert werden. Die bewertende zuständige Behörde interpretierte dieses Ziel dahin, dass es sowohl auf einen „Tod durch Kontakt“-Effekt als auch auf einen Effekt zur Begrenzung des Bakterienwachstums abziele. Diese zweite Wirkung ist von der Klägerin nicht bestritten worden. |
i) Zum ersten Verwendungsbeispiel
69 |
In Bezug auf das erste, Wand- und Bodenüberzüge betreffende Verwendungsbeispiel geht aus Abschnitt 7.1 der Evaluierungsberichte vom Juni 2017 hervor, dass die Klägerin das zu lösende Problem als „Risiko einer Kreuzkontamination mit Bakterien“ auf unbehandelten Oberflächen in Innenräumen in feuchten Bereichen, in denen sich Bakterien entwickeln können, definiert hatte. Die bewertende zuständige Behörde habe diese Bedingung so interpretiert, dass sie darauf abziele, eine schnelle bakterizide Wirkung (innerhalb von 5 bis 60 Minuten) gemäß den für flüssige Desinfektionsmittel geltenden Grundsätzen zu erzielen. |
70 |
Angesichts dieser Bedingung war die bewertende zuständige Behörde der Ansicht, dass es Sache der Klägerin sei, Versuche vorzulegen, die begrenzte Kontaktperioden simulierten, um darzutun, dass die Bakterien schnell beseitigt würden. Sie wies außerdem darauf hin, dass die vorgelegten Versuche zusätzlich eine Spritzkontamination in trockener Umgebung simulieren sollten, wobei im Wesentlichen die Tatsache berücksichtigt wurde, dass es sich um Worst-case-Verwendungsbedingungen handelte. Solche Versuche seien jedoch nicht vorgelegt worden, was die Klägerin nicht bestritten hat. |
71 |
Zunächst ist festzustellen, dass der Grund, aus dem die bewertende zuständige Behörde die von der Klägerin in Bezug auf das erste Verwendungsbeispiel vorgelegten Versuche zurückgewiesen hat, nicht darauf beruht, dass in diesen Versuchen die Wirksamkeit der mit den betreffenden Stoffen behandelten Überzüge nicht nachgewiesen worden sei. Die Evaluierungsberichte vom Juni 2017 enthielten weder einen Hinweis auf den fehlenden Nachweis einer solchen Wirksamkeit noch auf das vom Nordischen Ministerrat vorgelegte Arbeitspapier „Efficacy Assessment of treated articles: A guidance“ (Bewertung der Wirksamkeit behandelter Waren: Eine Leitlinie) (im Folgenden: Nordic Working Paper), das einen Nachweis der Wirksamkeit der behandelten Ware verlangt. |
72 |
Die von der Klägerin vorgelegten Versuche wurden als deshalb unzureichend angesehen, weil die Bedingungen, unter denen sie durchgeführt wurden, angesichts der behaupteten Wirkungen und des von der Klägerin gewählten Verwendungsbeispiels in Anbetracht der Verordnung Nr. 528/2012 nicht relevant waren. |
73 |
Wie oben aus Rn. 56 hervorgeht, musste die Klägerin jedoch Versuche vorlegen, die die realistischen Worst-case-Bedingungen nachbilden, unter denen das gewählte repräsentative Produkt verwendet werden kann, und die der Art und Weise Rechnung tragen, wie die behandelte Ware genutzt werden kann. |
74 |
Sodann trifft es zu, dass die Klägerin bei den Verwendungsbeispielen für die Produktart 2 nicht ausdrücklich eine Wirkung wie „Tod durch Kontakt“, sondern nur eine bakteriostatische Wirkung beansprucht hatte. Die Klägerin hatte jedoch auf Anfrage der bewertenden zuständigen Behörde selbst klargestellt, dass die betreffenden Stoffe den Boden- und Wandüberzügen zum Zweck der „Verringerung des Risikos einer Kreuzkontamination“ zugesetzt worden seien. |
75 |
Insoweit war es Sache der Klägerin als derjenigen, die die Genehmigung von Wirkstoffen beantragt hat, die mit diesen Stoffen verbundenen Bedingungen für jeden Produkttyp und jedes gewählte Verwendungsbeispiel sorgfältig, kohärent und genau zu definieren. Eine solche Definition ist nämlich der Ausgangspunkt für die Bewertung der Wirksamkeit dieser Stoffe. |
76 |
Wie jedoch sowohl die Kommission als auch das Königreich Schweden in ihren schriftlichen Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen erläutert haben, kann ein Risiko der Kreuzkontamination nicht wirksam verringert werden, wenn repräsentative Biozidprodukte, die zu 100 % aus den betreffenden Stoffen bestehen, die Bakterien auf einer Oberfläche verbleiben lassen, indem sie lediglich verhindern, dass die Anzahl der Bakterien zunimmt. Eine solche bakteriostatische Wirkung reicht nicht aus, um das Risiko der Übertragung einer Infektion von einem Menschen auf einen anderen oder von einem Tier auf ein anderes zu begrenzen. Nur eine deutliche Reduzierung der Bakterienzahl auf einer Oberfläche innerhalb eines kurzen Zeitraums würde eine Wirksamkeit im Hinblick auf die von der Klägerin beanspruchte Wirkung belegen. |
77 |
Darüber hinaus kann, wie das Königreich Schweden ausgeführt hat, ein in Innenräumen verwendeter Überzug innerhalb von 24 Stunden mehrfach kontaminiert werden. Versuche, die in diesem Zeitraum nur eine einzige Kontamination eines solchen Überzugs simulierten, spiegelten nicht die realistischen Worst-case-Bedingungen im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 528/2012 wider. |
78 |
Die Notwendigkeit, eine sehr schnelle Wirkung nachzuweisen, wenn eine bakterielle Wirkung geltend gemacht wird, ergibt sich auch aus Abschnitt 1.5.6 der Übergangsrichtlinien der ECHA zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln. |
79 |
Die Klägerin hatte jedoch nur Versuche mit einer einzigen Kontamination über einen Zeitraum von 24 Stunden vorgelegt, was nicht den realistischen Worst-case-Bedingungen im Sinne von Art. 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 528/2012 entspricht, um eine schnelle Biozid-Wirkung nachzuweisen. |
80 |
Da während des Verfahrens zur Bewertung der betreffenden Stoffe nur die Übergangsleitlinien der ECHA zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln konkrete Hinweise auf die Faktoren enthielten, die bei Versuchen zum Nachweis der Wirksamkeit solcher Produkte zu berücksichtigen sind, konnte sich die bewertende zuständige Behörde bei der Bewertung der Wirksamkeit der betreffenden Stoffe mutatis mutandis auf diese Leitlinien stützen. |
81 |
Darüber hinaus trifft es auch zu, dass die Klägerin die Bedingungen für die Verwendung der fraglichen Überzüge als feucht in Innenräumen und nicht als trocken definiert hatte. Aus den Abschnitten 2.3.1 und 2.4 der Evaluierungsberichte vom Juni 2017 geht jedoch hervor, dass die antimikrobielle Wirkung von Stoffen wie den betreffenden Stoffen in sehr hohem Maße von mehreren Faktoren abhängt, wobei der wichtigste Faktor das zusätzliche Vorhandensein eines Lösungsmittels ist, d. h. einer Flüssigkeit, mit deren Kontakt der Stoff freigesetzt wird und seine Wirkung entfaltet. Wenn die Oberfläche des mit solchen Stoffen behandelten Materials trocken bleibt, ist es daher in Ermangelung eines flüssigen Lösungsmittels unwahrscheinlich, dass diese Bedingungen die Entwicklung einer antimikrobiellen Wirkung begünstigen können. |
82 |
Somit spiegelten die von der Klägerin vorgelegten Versuche nicht die realistischen Worst-case-Bedingungen wider, unter denen das repräsentative Biozidprodukt gemäß Art. 19 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 528/2012 verwendet werden kann, da sie unter feuchten Bedingungen und nicht auf einer trockenen Oberfläche durchgeführt wurden. |
83 |
Schließlich geht aus den Evaluierungsberichten vom Juni 2017 und den Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte der ECHA keineswegs hervor, dass die Klägerin die Vorteile der mit den betreffenden Stoffen behandelten Wand- und Bodenüberzüge hätte nachweisen müssen. Wie oben in Rn. 72 ausgeführt, wurden die von der Klägerin vorgelegten Versuche für unzureichend befunden, weil die simulierten Laborbedingungen für die Verordnung Nr. 528/2012 nicht relevant waren, da die Klägerin keine Versuche vorgelegt hatte, in denen relativ kurze Kontaktzeiten (zwischen 5 und 60 Minuten) und eine Spritzkontamination in Kombination mit anderen trockenen Versuchsbedingungen simuliert wurden. |
ii) Zum zweiten Verwendungsbeispiel
84 |
In Bezug auf das zweite Verwendungsbeispiel, das sich auf Komponenten von Klimaanlagen bezieht, geht aus Abschnitt 7.1 der Evaluierungsberichte vom Juni 2017 hervor, dass die Klägerin eine bakteriostatische und sogar eine fungistatische Wirkung beanspruchte und mehrere diesbezügliche Versuche vorgelegt hatte. Die bewertende zuständige Behörde hielt jedoch die von der Klägerin vorgelegten Versuche zum Nachweis solcher Wirkungen aus verschiedenen Gründen für ungeeignet. |
85 |
Insbesondere wurden bei den beiden betreffenden Stoffen zwei Versuche mit der Begründung zurückgewiesen, dass die unbehandelte Probe kein Bakterienwachstum gezeigt habe oder dass keine Verminderung des Wachstums der Versuchsorganismen nachgewiesen worden sei. |
86 |
Darüber hinaus akzeptierte die bewertende zuständige Behörde für die beiden betreffenden Stoffe zwei von der Klägerin vorgelegte Versuche als Phase-1-Versuche, da diese eine bakteriostatische Wirkung für verschiedene Arten von Materialien und verschiedene Bakterien unter feuchten Bedingungen belegen konnten. Sie war jedoch der Ansicht, dass diese Versuche nicht als Versuche der Phase 2 anerkannt werden können. |
87 |
Die bewertende zuständige Behörde gab nämlich an, dass gemäß den Übergangsleitlinien der ECHA zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln diejenigen Desinfektionsmittel, die in Klimaanlagen verwendet würden, normalerweise durch Aerosol, Rauch, Dampf oder Gas freigesetzt würden. Es sei daher Sache der Klägerin gewesen, durch geeignete Versuche an repräsentativen Materialien nachzuweisen, dass die desinfizierende Funktion der betreffenden Stoffe auch durch ein Biozidprodukt erfüllt werden könne, das in den Komponenten einer Klimaanlage enthalten sei. Die Klägerin habe jedoch keinen Phase-2-Versuch vorgelegt, mit dem die bakteriostatische Wirksamkeit der betreffenden Stoffe nachgewiesen werden könne, wenn sie direkt in den Komponenten dieses Systems enthalten seien. |
88 |
Des Weiteren stellte der Ausschuss für Biozidprodukte der ECHA in seinen Stellungnahmen fest, dass die Klägerin keinen geeigneten Versuch vorgelegt habe, der praktische Verwendungsbedingungen simuliere und mit dem nachgewiesen werden könne, dass die erforderlichen Leistungsstandards durch ein Biozidprodukt erreicht werden könnten, das einen der beiden betreffenden Stoffe enthalte und in den Komponenten einer Klimaanlage enthalten sei. |
89 |
Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die bewertende zuständige Behörde und der Ausschuss für Biozidprodukte der ECHA durch die Ablehnung bestimmter Versuche aus den oben in den Rn. 85 bis 88 genannten Gründen verlangt hätten, dass sie in Wirklichkeit die Wirksamkeit der mit den betreffenden Stoffen behandelten Waren nachweise. |
90 |
Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass weder die Evaluierungsberichte vom Juni 2017 noch die Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte der ECHA der Klägerin einen wie auch immer gearteten fehlenden Nachweis der Wirksamkeit der mit den betreffenden Stoffen behandelten Komponenten von Klimaanlagen vorwerfen. |
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Zunächst einmal kann entgegen dem Vorbringen der Klägerin die Notwendigkeit, im vorliegenden Fall das Wachstum von Versuchsorganismen auf einem unbehandelten Polymer nachzuweisen, nicht als eine Verpflichtung ausgelegt werden, die Wirksamkeit der behandelten Waren selbst nachzuweisen. |
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Wie die Klägerin selbst in ihren schriftlichen Antworten auf die prozessleitenden Maßnahmen festgestellt hat, muss, um die Wirksamkeit der Behandlung einer Ware zu beweisen, zum einen nachgewiesen werden, dass die Behandlung eine Wirkung auf die behandelte Probe hat, und zum anderen, dass diese gleichen Wirkungen bei der nicht behandelten Probe nicht eintreten. |
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Da die Klägerin für die betreffenden Stoffe eine bakteriostatische oder sogar fungistatische Wirkung beanspruchte, d. h. eine Verringerung des Wachstums der Zielorganismen, war es ihre Aufgabe, zum einen nachzuweisen, dass die repräsentativen Biozidprodukte, die zu 100 % aus den betreffenden Stoffen bestehen, tatsächlich geeignet waren, ein solches Wachstum auf den behandelten Waren zu hemmen, und zum anderen, dass eine solche Wirkung auf einer unbehandelten Probe nicht festgestellt werden konnte. Weist jedoch die unbehandelte Probe kein Bakterien- oder Pilzwachstum auf, kann daraus nicht geschlossen werden, dass die Wirkstoffe die Wirkung hätten, das Wachstum solcher Organismen zu hemmen. |
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Sodann bedeutet, wie die ECHA in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, die Tatsache, dass die realistischen Worst-case-Bedingungen, unter denen das repräsentative Biozidprodukt verwendet werden kann, und die Art und Weise, wie behandelte Waren verwendet werden können, berücksichtigt werden müssen, nicht, dass die Prüfungen an der behandelten Ware selbst, wie sie in Verkehr gebracht werden wird, durchgeführt werden müssten. Es ist Sache des Antragstellers, seine Prüfungen an einem repräsentativen Material, das allgemein zur Herstellung der vom Antragsteller als Verwendungsbeispiel gewählten behandelten Ware verwendet werden kann, unter Bedingungen durchzuführen, die in Anbetracht dieses Verwendungsbeispiels im Hinblick auf die Verordnung Nr. 528/2012 relevant sind. |
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In Bezug auf den einer Komponente einer Klimaanlage verliehenen Schutz war die Klägerin daher nicht verpflichtet, Versuche an einer vollständigen Klimaanlage durchzuführen oder die genaue Position und Funktion der behandelten Teile in diesem System im Einzelnen darzulegen. Wie aus den Erläuterungen der ECHA in der mündlichen Verhandlung hervorgeht, hätte ein geeigneter Versuch darin bestehen können, unter für die Verordnung Nr. 528/2012 relevanten Bedingungen einfach Luft in ein Rohr aus einem repräsentativen Material zu blasen, dem die betreffenden Stoffe zugesetzt wurden. |
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Schließlich verlangte die bewertende zuständige Behörde von der Klägerin nicht, dass sie die Vorteile der behandelten Ware im Sinne des Nordic Working Papers nachweise. Zwar wird dieses Paper in den Übergangsleitlinien der ECHA zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln, die für die Bewertung der betreffenden Stoffe gelten, angeführt, doch findet sich weder in den Evaluierungsberichten vom Juni 2017 noch in den Stellungnahmen des Ausschusses für Biozidprodukte der ECHA ein Verweis auf dieses Dokument. Aus diesen Berichten und Stellungnahmen geht auch nicht hervor, dass die Klägerin, wie in den von ihr in der Erwiderung zitierten Auszügen aus dem Nordic Working Paper vorgesehen, Versuche am Endartikel hätte vorlegen müssen, um die Wirksamkeit der betreffenden Stoffe zu belegen. Aus diesen Berichten und Stellungnahmen ergibt sich lediglich, dass die Klägerin keine Versuche vorgelegt hat, die unter im Hinblick auf die Verordnung Nr. 528/2012 relevanten Bedingungen durchgeführt wurden, die es ermöglicht hätten, die Wirksamkeit des Schutzes nachzuweisen, den das repräsentative, zu 100 % aus den betreffenden Stoffen bestehende Biozidprodukt für repräsentative Materialien bieten konnte. |
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Zwar hieß es in Abschnitt 1.5.6 der Übergangsleitlinien der ECHA zur Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln, dass der Antragsteller bei einem Polymer, das zur Herstellung von Krankenhausnachttischen verwendet wird und mit einem Desinfektionsmittel behandelt wurde, eine sehr schnelle bakterizide Wirkung nachweisen müsse, um einen Vorteil gegenüber einem unbehandelten Nachttisch zu zeigen. In Anbetracht des ausdrücklichen Hinweises in diesem Abschnitt 1.5.6, dass es nicht notwendig sei, die Wirksamkeit der behandelten Waren selbst zu beweisen, ist dieses Erfordernis jedoch dahin auszulegen, dass die Behandlung des repräsentativen Materials eine Wirkung haben müsse, die sich an demselben unbehandelten Material nicht feststellen lasse. Der Begriff „Vorteil“ bezog sich daher auf die Wirksamkeit des Schutzes, der durch das repräsentative Biozidprodukt der behandelten Ware verliehen wird. |
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Folglich ist der bewertenden zuständigen Behörde und dem Ausschuss für Biozidprodukte der ECHA in Bezug auf die Produktart 2 bei der Anwendung der Verordnung Nr. 528/2012 kein Fehler unterlaufen, als sie feststellten, dass die Klägerin die Wirksamkeit der betreffenden Stoffe nicht nachgewiesen habe. |
2) Zur Produktart 7
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Die Produktart 7 betrifft Beschichtungsschutzmittel. Nach Anhang V der Verordnung Nr. 528/2012 handelt es sich um Produkte zum Schutz von Beschichtungen oder Überzügen gegen mikrobielle Schädigung oder Algenwachstum zwecks Erhaltung der ursprünglichen Oberflächeneigenschaften von Stoffen oder Gegenständen wie Farben, Kunststoffen, Dichtungs- und Klebkitten, Bindemitteln, Einbänden, Papieren und künstlerischen Werken. |
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Im vorliegenden Fall identifizierte die Klägerin während des Prozesses der Bewertung der betreffenden Stoffe zwei Beispiele für die Verwendung des repräsentativen Biozidprodukts, an die sie einen Anspruch auf fungistatische Wirkung knüpfte: eine laminierte Arbeitsfläche und eine Lackierung. Sie legte diesbezüglich zwei Versuche vor. |
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Aus Abschnitt 7.1 der Evaluierungsberichte vom Juni 2017 geht hervor, dass der erste von der Klägerin für die Produktart 7 vorgelegte Versuch lediglich Filterpapier als unbehandelte Probe verwendete, nicht aber eine laminierte Arbeitsfläche oder eine Lackierung. Die Filterpapierprobe war daher nicht repräsentativ für die von der Klägerin als Beispiel gewählten Verwendungen, was die Klägerin in keiner Weise bestritten hat. |
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Entgegen der Behauptung der Klägerin ist das Erfordernis, repräsentative Materialien für Verwendungsbeispiele zu verwenden, nicht gleichbedeutend mit einer Verpflichtung, die Wirksamkeit der behandelten Waren selbst nachzuweisen. Wie oben in Rn. 94 ausgeführt, ist es nicht erforderlich, dass die Versuche an der behandelten Ware selbst, wie sie in Verkehr gebracht wird, durchgeführt werden. Um die Kriterien von Art. 19 Abs. 2 der Verordnung Nr. 528/2012 zu erfüllen, müssen die Prüfungen jedoch an einem repräsentativen Material durchgeführt werden, das üblicherweise zur Herstellung der behandelten Ware verwendet wird, die vom Antragsteller als Verwendungsbeispiel ausgewählt wurde, und zwar unter Bedingungen, die in Anbetracht dieses Verwendungsbeispiels für diese Verordnung relevant sind. |
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Darüber hinaus erklärte die bewertende zuständige Behörde in den Evaluierungsberichten vom Juni 2017, dass das Material sowie die Bedingungen, unter denen es verwendet wird, bei der Erläuterung der Gründe, aus denen ein Pilzwachstum dieses Material schädigen könnte, eine wesentliche Rolle spielten. Dies erfordere eine detaillierte Beschreibung dieses Materials und seiner Verwendungsbedingungen. |
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Zu dem zweiten von der Klägerin vorgelegten Versuch stellte die bewertende zuständige Behörde fest, dass dafür zwar eine Probe aus dem mit dem repräsentativen Biozidprodukt behandelten Material verwendet worden sei, hingegen habe die nicht behandelte Probe kein Pilzwachstum aufgewiesen. Die Klägerin hat diese Feststellung nicht in Frage gestellt. |
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Aus den oben in den Rn. 91 bis 93 dargelegten Gründen hätte die Klägerin, da sie sich dafür entschieden hatte, eine fungistatische Wirkung zu behaupten, das Vorhandensein eines Pilzwachstums an einer unbehandelten Probe nachweisen müssen. |
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Es trifft zu, dass sich die Klägerin zum Nachweis der Wirksamkeit von Silberzeolith auch auf andere Versuche bezogen hatte, die Silber- und Kupferzeolith sowie Silber- und Zinkzeolith betrafen. Gleichwohl hat die bewertende zuständige Behörde erklärt, dass eine diesbezügliche Querverweisung nicht möglich sei, was die Klägerin nicht bestritten hat. Darüber hinaus hatte der erste dieser beiden Versuche auch kein Pilzwachstum an einer unbehandelten Probe gezeigt, wenn es sich um Silber- und Zinkzeolith handelte. Was den zweiten Versuch angeht, so hatte die Klägerin nicht die unerlässlichen Versuchsprotokolle vorgelegt, sondern sich darauf beschränkt, Zusammenfassungen der Ergebnisse vorzulegen, was die Klägerin ebenfalls nicht bestritten hat. |
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Aus denselben wie den oben in den Rn. 96 und 97 dargelegten Gründen kann die Klägerin im Übrigen nicht erneut geltend machen, dass ihr eine rechtswidrige Verpflichtung auferlegt worden sei, den Vorteil der behandelten Waren nachzuweisen. |
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Darüber hinaus wurde die Verpflichtung, nachzuweisen, dass ein Risiko der Entwicklung von Zielorganismen besteht und dass das in einer behandelten Ware verwendete repräsentative Biozidprodukt diese Organismen bekämpfen kann, in Abschnitt 4.1 und in das Ergebnis von Kapitel 5 der Übergangsleitlinien der ECHA zur Biozidprodukteverordnung über die Bewertung der Wirksamkeit für Schutzprodukte vom Mai 2014 aufgenommen. |
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Aufgrund der vorstehenden Erwägungen haben die bewertende zuständige Behörde und der Ausschuss für Biozidprodukte der ECHA für die Produktart 7 keinen Fehler bei der Anwendung der in der Verordnung Nr. 528/2012 festgelegten Grundsätze begangen, als sie feststellten, dass die Klägerin die Wirksamkeit der betreffenden Stoffe im Hinblick auf die gewählten Verwendungsbeispiele und die von ihr geltend gemachten Bedingungen nicht hinreichend nachgewiesen habe. |
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Demzufolge ist der erste Klagegrund zurückzuweisen. [nicht wiedergegeben] |
Aus diesen Gründen hat DAS GERICHT (Siebte Kammer) für Recht erkannt und entschieden: |
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da Silva Passos Reine Sampol Pucurull Verkündet in öffentlicher Sitzung in Luxemburg am 16. November 2022. Unterschriften |
( *1 ) Verfahrenssprache: Englisch.
( 1 ) Es werden nur die Randnummern des vorliegenden Urteils wiedergegeben, deren Veröffentlichung das Gericht für zweckdienlich erachtet.