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Document 62020CJ0585

    Urteil des Gerichtshofs (Dritte Kammer) vom 20. Oktober 2022.
    BFF Finance Iberia SAU gegen Gerencia Regional de Salud de la Junta de Castilla y León.
    Vorabentscheidungsersuchen des Juzgado Contencioso-Administrativo Valladolid.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2011/7/EU – Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr – Einziehung von Forderungen, die von Unternehmen an ein Inkassounternehmen abgetreten wurden, gegenüber einer öffentlichen Stelle – Entschädigung für Beitreibungskosten, die dem Gläubiger im Fall eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstanden sind – Art. 6 – Pauschaler Mindestbetrag von 40 Euro – Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen – Art. 4 – Verfahren zur Feststellung der Übereinstimmung der Waren und Dienstleistungen – Zahlungsfrist – Art. 2 Nr. 8 – Begriff ‚fälliger Betrag‘ – Berücksichtigung der Mehrwertsteuer bei der Berechnung der Verzugszinsen.
    Rechtssache C-585/20.

    Court reports – general – 'Information on unpublished decisions' section

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2022:806

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)

    20. Oktober 2022 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Richtlinie 2011/7/EU – Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr – Einziehung von Forderungen, die von Unternehmen an ein Inkassounternehmen abgetreten wurden, gegenüber einer öffentlichen Stelle – Entschädigung für Beitreibungskosten, die dem Gläubiger im Fall eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstanden sind – Art. 6 – Pauschaler Mindestbetrag von 40 Euro – Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen – Art. 4 – Verfahren zur Feststellung der Übereinstimmung der Waren und Dienstleistungen – Zahlungsfrist – Art. 2 Nr. 8 – Begriff ‚fälliger Betrag‘ – Berücksichtigung der Mehrwertsteuer bei der Berechnung der Verzugszinsen“

    In der Rechtssache C‑585/20

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 2 de Valladolid (Zentrales Verwaltungsgericht Nr. 2 Valladolid, Spanien) mit Entscheidung vom 22. September 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 5. November 2020, in dem Verfahren

    BFF Finance Iberia SAU

    gegen

    Gerencia Regional de Salud de la Junta de Castilla y León

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

    unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin K. Jürimäe sowie der Richter M. Safjan, N. Piçarra (Berichterstatter), N. Jääskinen und M. Gavalec,

    Generalanwalt: A. Rantos,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Gerencia Regional de Salud de la Junta de Castilla y León, vertreten durch D. Vélez Berzosa und M. L. Vidueira Pérez als Bevollmächtigte,

    der spanischen Regierung, vertreten durch S. Jiménez García und M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara, M. Jáuregui Gómez und P. Ondrůšek als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 28. April 2022

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2, Art. 4 Abs. 1, Art. 6 sowie Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr (ABl. 2011, L 48, S. 1).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der BFF Finance Iberia SAU (im Folgenden: BFF) und der Gerencia regional de Salud de la Junta de Castilla y León (Regionale Gesundheitsdirektion von Kastilien und León, Spanien) (im Folgenden: Regionalbehörde). Gegenstand dieses Rechtsstreits ist die Beitreibung von Entgeltforderungen durch BFF gegenüber der Regionalbehörde, die als Gegenleistung für die Lieferung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen durch 21 Unternehmen an Gesundheitszentren, die mit der Regionalbehörde verbunden sind, geschuldet werden.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    Richtlinie 2011/7

    3

    In den Erwägungsgründen 3, 9, 17 bis 19, 23 und 26 der Richtlinie 2011/7 heißt es:

    „(3)

    Viele Zahlungen im Geschäftsverkehr zwischen Wirtschaftsteilnehmern einerseits und zwischen Wirtschaftsteilnehmern und öffentlichen Stellen andererseits werden später als zum vertraglich vereinbarten oder in den allgemeinen Geschäftsbedingungen festgelegten Zeitpunkt getätigt. Trotz Lieferung der Waren oder Erbringung der Leistungen werden viele Rechnungen erst lange nach Ablauf der Zahlungsfrist beglichen. Ein derartiger Zahlungsverzug wirkt sich negativ auf die Liquidität aus und erschwert die Finanzbuchhaltung von Unternehmen. Es beeinträchtigt außerdem die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen, wenn der Gläubiger aufgrund eines Zahlungsverzugs Fremdfinanzierung in Anspruch nehmen muss. …

    (9)

    Diese Richtlinie sollte den gesamten Geschäftsverkehr unabhängig davon regeln, ob er zwischen privaten oder öffentlichen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen erfolgt, da öffentliche Stellen in großem Umfang Zahlungen an Unternehmen leisten. …

    (17)

    Die Zahlung eines Schuldners sollte als verspätet in dem Sinne betrachtet werden, dass ein Anspruch auf Verzugszinsen entsteht, wenn der Gläubiger zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht über den geschuldeten Betrag verfügt, vorausgesetzt, er hat seine gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.

    (18)

    Rechnungen erzeugen Zahlungsaufforderungen und sind wichtige Dokumente in der Kette der Geschäftsvorgänge für die Lieferung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen, unter anderem zur Festlegung der Zahlungsfrist. …

    (19)

    Eine gerechte Entschädigung der Gläubiger für die aufgrund eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten ist erforderlich, um von der Überschreitung der Zahlungsfristen abzuschrecken. In den Beitreibungskosten sollten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein; für diese Kosten sollte durch diese Richtlinie ein pauschaler Mindestbetrag vorgesehen werden, der mit Verzugszinsen kumuliert werden kann. Die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags sollte dazu dienen, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken. …

    (23)

    Im Allgemeinen können öffentliche Stellen mit sichereren, berechenbareren und beständigeren Einkünften als Unternehmen rechnen. Ferner werden vielen öffentlichen Stellen Finanzmittel zu günstigeren Bedingungen angeboten als Unternehmen. Zugleich sind öffentliche Stellen in Bezug auf die Verwirklichung ihrer Ziele auch weniger von der Herstellung stabiler Geschäftsbeziehungen abhängig, als dies bei Unternehmen der Fall ist. Lange Zahlungsfristen und Zahlungsverzug öffentlicher Stellen für Waren und Dienstleistungen verursachen ungerechtfertigte Kosten für Unternehmen. Es ist daher angebracht, spezielle Vorschriften für Geschäftsvorgänge einzuführen, bei denen Unternehmen öffentlichen Stellen Waren liefern und Dienstleistungen für sie erbringen, die insbesondere Zahlungsfristen vorsehen sollten, die grundsätzlich 30 Kalendertage nicht überschreiten, es sei denn, im Vertrag wurde ausdrücklich etwas anderes vereinbart, und vorausgesetzt, dies ist aufgrund der besonderen Natur oder der besonderen Merkmale des Vertrags objektiv begründet, und die in keinem Fall 60 Kalendertage überschreiten.

    (26)

    Damit die Erfüllung der Ziele dieser Richtlinie nicht gefährdet wird, sollten die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die Höchstdauer eines Abnahme- oder Überprüfungsverfahrens im Geschäftsverkehr grundsätzlich nicht mehr als 30 Kalendertage beträgt. Dennoch sollte ein Überprüfungsverfahren 30 Kalendertage überschreiten können, beispielsweise bei besonders komplexen Verträgen, wenn dies ausdrücklich im Vertrag und in den Vergabeunterlagen vereinbart ist und sofern dies für den Gläubiger nicht grob nachteilig ist.“

    4

    Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/7 lautet:

    „(1)   Diese Richtlinie dient der Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, um sicherzustellen, dass der Binnenmarkt reibungslos funktioniert, und dadurch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und insbesondere von [kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)] zu fördern.

    (2)   Diese Richtlinie ist auf alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind, anzuwenden.“

    5

    Art. 2 Nrn. 1, 2, 4 und 8 der Richtlinie bestimmt:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    1.

    ‚Geschäftsverkehr‘ Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen;

    2.

    ‚öffentliche Stelle‘ jeden öffentlichen Auftraggeber im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a der Richtlinie 2004/17/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 zur Koordinierung der Zuschlagserteilung durch Auftraggeber im Bereich der Wasser‑, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste, ABl. 2004, L 134, S. 1] und von Artikel 1 Absatz 9 der Richtlinie 2004/18/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 31. März 2004 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge, Lieferaufträge und Dienstleistungsaufträge, ABl. 2004, L 134, S. 114], unabhängig vom Gegenstand oder Wert des Auftrags;

    4.

    ‚Zahlungsverzug‘ eine Zahlung, die nicht innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist erfolgt ist, sofern zugleich die Voraussetzungen des Artikels 3 Absatz 1 oder des Artikels 4 Absatz 1 erfüllt sind;

    8.

    ‚fälliger Betrag‘ die Hauptforderung, die innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist hätte gezahlt werden müssen, einschließlich der anfallenden Steuern, Gebühren, Abgaben oder Kosten, die in der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung aufgeführt werden“.

    6

    In Art. 4 („Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen“) der Richtlinie 2011/7 heißt es:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei Geschäftsvorgängen mit einer öffentlichen Stelle als Schuldner der Gläubiger nach Ablauf der in den Absätzen 3, 4 oder 6 festgelegten Fristen Anspruch auf den gesetzlichen Zins bei Zahlungsverzug hat, ohne dass es einer Mahnung bedarf, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:

    a)

    Der Gläubiger hat seine vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen erfüllt, und

    b)

    der Gläubiger hat den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten, es sei denn, der Schuldner ist für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich.

    (3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass bei Geschäftsvorgängen, bei denen der Schuldner eine öffentliche Stelle ist,

    a)

    die Zahlungsfrist keine der folgenden Fristen überschreitet:

    iv)

    wenn ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren, durch das die Übereinstimmung der Waren oder Dienstleistungen mit dem Vertrag festgestellt werden soll, gesetzlich oder vertraglich vorgesehen ist und wenn der Schuldner die Rechnung oder eine gleichwertige Zahlungsaufforderung vor oder zu dem Zeitpunkt, zu dem die Abnahme oder Überprüfung erfolgt, erhält, 30 Kalendertage nach letzterem Zeitpunkt;

    (4)   Die Mitgliedstaaten können die in Absatz 3 Buchstabe a genannten Fristen für folgende Einrichtungen auf bis zu höchstens 60 Kalendertagen verlängern:

    a)

    sämtliche öffentliche Stellen, die wirtschaftliche Tätigkeiten industrieller oder kommerzieller Natur ausüben, indem sie Waren oder Dienstleistungen auf dem Markt anbieten, und als öffentliches Unternehmen den Transparenzanforderungen gemäß der Richtlinie 2006/111/EG der Kommission vom 16. November 2006 über die Transparenz der finanziellen Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und den öffentlichen Unternehmen sowie über die finanzielle Transparenz innerhalb bestimmter Unternehmen [(ABl. 2006, L 318, S. 17)] unterliegen;

    b)

    öffentliche Einrichtungen, die Gesundheitsdienste anbieten und für diesen Zweck ordnungsgemäß anerkannt sind.

    Beschließt ein Mitgliedstaat, die Fristen gemäß dem vorliegenden Absatz zu verlängern, so übermittelt er der Kommission bis 16. März 2018 einen Bericht über diese Verlängerung.

    (5)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die Höchstdauer eines der in Absatz 3 Buchstabe a Ziffer iv genannten Abnahme- oder Überprüfungsverfahrens nicht mehr als 30 Kalendertage ab dem Empfang der Waren oder Dienstleistungen beträgt, es sei denn im Vertrag und in etwaigen Vergabeunterlagen ist ausdrücklich etwas anderes vereinbart und vorausgesetzt, dass dies für den Gläubiger nicht grob nachteilig im Sinne von Artikel 7 ist.

    (6)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die vertraglich festgelegte Zahlungsfrist nicht die in Absatz 3 genannten Fristen überschreitet, es sei denn im Vertrag ist ausdrücklich etwas anderes vereinbart und dies ist aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale des Vertrags sachlich gerechtfertigt, und dass die Zahlungsfrist in keinem Fall 60 Kalendertage überschreitet.“

    7

    Art. 6 („Entschädigung für Beitreibungskosten“) der Richtlinie lautet:

    „(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass in Fällen, in denen gemäß Artikel 3 oder Artikel 4 im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 [Euro] hat.

    (2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der in Absatz 1 genannte Pauschalbetrag ohne Mahnung und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers zu zahlen ist.

    (3)   Der Gläubiger hat gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem in Absatz 1 genannten Pauschalbetrag einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten. Zu diesen Kosten können auch Ausgaben zählen, die durch die Beauftragung eines Rechtsanwalts oder eines Inkassounternehmens entstehen.“

    8

    In Art. 7 („Nachteilige Vertragsklauseln und Praktiken“) Abs. 1 und 3 der Richtlinie heißt es:

    „(1)   …

    Bei der Entscheidung darüber, ob eine Vertragsklausel oder eine Praxis im Sinne von Unterabsatz 1 grob nachteilig für den Gläubiger ist, werden alle Umstände des Falles geprüft, einschließlich folgender Aspekte:

    c)

    ob der Schuldner einen objektiven Grund für die Abweichung … von dem Pauschalbetrag gemäß Artikel 6 Absatz 1 hat.

    (3)   Es wird vermutet, dass eine Vertragsklausel oder Praxis grob nachteilig im Sinne von Absatz 1 ist, wenn in ihr die in Artikel 6 genannte Entschädigung für Beitreibungskosten ausgeschlossen wird.“

    Richtlinie 2006/112/EG

    9

    In Art. 220 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) heißt es:

    „Jeder Steuerpflichtige stellt in folgenden Fällen eine Rechnung entweder selbst aus oder stellt sicher, dass eine Rechnung vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder in seinem Namen und für seine Rechnung von einem Dritten ausgestellt wird:

    1.

    [E]r liefert Gegenstände oder erbringt Dienstleistungen an einen anderen Steuerpflichtigen oder an eine nichtsteuerpflichtige juristische Person;

    …“

    10

    In Art. 226 der Richtlinie heißt es:

    „Unbeschadet der in dieser Richtlinie festgelegten Sonderbestimmungen müssen gemäß den Artikeln 220 und 221 ausgestellte Rechnungen für Mehrwertsteuerzwecke nur die folgenden Angaben enthalten:

    10.

    den zu entrichtenden Mehrwertsteuerbetrag, außer bei Anwendung einer Sonderregelung, bei der nach dieser Richtlinie eine solche Angabe ausgeschlossen wird;

    …“

    Spanisches Recht

    11

    Art. 8 Abs. 1 der Ley 3/2004, por la que se establecen medidas de lucha contra la morosidad en las operaciones comerciales (Gesetz Nr. 3/2004 zur Festlegung von Maßnahmen für die Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr) vom 29. Dezember 2004 (BOE Nr. 314 vom 30. Dezember 2004, S. 42334) in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz Nr. 3/2004) bestimmt:

    „Ist der Schuldner im Verzug, hat der Gläubiger das Recht, vom Schuldner eine Pauschale in Höhe von 40 Euro zu erheben, die in jedem Fall und ohne dass es eines ausdrücklichen Verlangens bedarf, der Hauptforderung hinzugefügt wird.

    Der Gläubiger ist darüber hinaus berechtigt, vom Schuldner eine Entschädigung für alle ordnungsgemäß nachgewiesenen Beitreibungskosten zu verlangen, die infolge des Verzugs des Schuldners entstanden sind und die den im vorstehenden Absatz angegebenen Betrag übersteigen.“

    12

    In Art. 198 Abs. 4 der Ley 9/2017, de Contratos del Sector Público, por la que se transponen al ordenamiento jurídico español las Directivas del Parlamento Europeo y del Consejo 2014/23/UE y 2014/24/UE, de 26 de febrero de 2014 (Gesetz Nr. 9/2017 über das öffentliche Auftragswesen zur Umsetzung der Richtlinien 2014/23/EU und 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 in nationales Recht) vom 8. November 2017 (BOE Nr. 272 vom 9. November 2017, S. 107714) (im Folgenden: Gesetz Nr. 9/2017) heißt es:

    „Unbeschadet der Bestimmungen von Art. 210 Abs. 4 ist die Verwaltung verpflichtet, den Preis innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt der Abnahme der Fortschrittsberichte oder der Dokumente, die die Übereinstimmung der gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen mit dem Vertrag belegen, zu zahlen. Im Fall des Verzugs hat sie dem Vertragspartner nach Ablauf der genannten Frist von 30 Tagen gemäß dem Gesetz Nr. 3/2004 … Verzugszinsen und die Entschädigung für die Beitreibungskosten zu zahlen. Damit Zinsen zu laufen beginnen, muss der Vertragspartner der Verpflichtung nachgekommen sein, die Rechnung dem entsprechenden Verwaltungsregister vorzulegen, und zwar nach den Bedingungen, die durch die geltende Regelung über die elektronische Rechnungsstellung festgelegt sind, sowie form- und fristgerecht innerhalb der geltenden Frist von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt der tatsächlichen Lieferung der Gegenstände oder der Erbringung der Dienstleistung.

    …“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

    13

    BFF, eine Gesellschaft spanischen Rechts, die im Forderungseinzug tätig ist, erwarb von 21 Unternehmen Entgeltforderungen für die Lieferung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen in den Jahren 2014 bis 2017 an mit der Regionalbehörde verbundene medizinische Zentren.

    14

    Am 31. Mai 2019 forderte BFF die Regionalbehörde gemäß Art. 8 des Gesetzes Nr. 3/2004 auf, Beträge, die der Hauptforderung zuzüglich Verzugszinsen entsprachen, sowie einen Betrag in Höhe von 40 Euro als Beitreibungskosten für jede einzelne unbezahlte Rechnung zu zahlen.

    15

    Da die Regionalbehörde dieser Zahlungsaufforderung nicht nachkam, legte BFF zunächst einen verwaltungsrechtlichen Rechtsbehelf bei der Regionalverwaltung ein. Sodann erhob sie beim Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 2 de Valladolid (Zentrales Verwaltungsgericht Nr. 2 Valladolid, Spanien), dem vorlegenden Gericht, Klage auf Verurteilung der Regionalbehörde zur Zahlung u. a. einer Hauptforderung von 51610,67 Euro zuzüglich Verzugszinsen, eines Betrags von 40 Euro als Beitreibungskosten für jede einzelne unbezahlte Rechnung und eines Betrags in Höhe von 43626,79 Euro als gesetzliche Zinsen.

    16

    Zunächst stellt sich dem vorlegenden Gericht die Frage, wie Art. 6 der Richtlinie 2011/7 auszulegen ist, um zu bestimmen, ob, wenn eine Zahlungsaufforderung eingereicht wird, in der Rechnungen gebündelt sind, die bei Fälligkeit nicht rechtzeitig bezahlt wurden, der in dieser Bestimmung genannte Pauschalbetrag von 40 Euro je Rechnung oder je Zahlungsaufforderung zu entrichten ist.

    17

    Sodann möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine nationale Rechtsvorschrift mit der Richtlinie 2011/7 vereinbar ist, wonach in allen Fallgestaltungen und für alle Vertragstypen eine Zahlungsfrist von 60 Tagen gilt, die aus einem anfänglichen Zeitraum von 30 Tagen für die Annahme der Waren und Dienstleistungen, deren Lieferung oder Erbringung Gegenstand dieser Verträge ist, gefolgt von weiteren 30 Tagen für die Zahlung, zusammengesetzt ist.

    18

    Schließlich hält es das vorlegende Gericht für erforderlich, zu klären, ob Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/7 erlaubt, für die Zwecke der Berechnung der Verzugszinsen den Mehrwertsteuerbetrag miteinzubeziehen, der in der Rechnung, die der Schuldner bei Fälligkeit nicht rechtzeitig bezahlt hat, ausgewiesen ist, und zwar auch dann, wenn der steuerpflichtige Gläubiger bei Eintritt des Verzugs den betreffenden Mehrwertsteuerbetrag noch nicht an die Staatskasse abgeführt hat.

    19

    Vor diesem Hintergrund hat der Juzgado de lo Contencioso-Administrativo no 2 de Valladolid (Zentrales Verwaltungsgericht Nr. 2 Valladolid) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

    Vor dem Hintergrund der Bestimmungen von Art. 4 Abs. 1, Art. 6 sowie Art. 7 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2011/7:

    1.   Ist Art. 6 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen, dass die 40 Euro in jedem Fall pro Rechnung gelten, vorausgesetzt, dass der Gläubiger die Rechnungen in seinen Zahlungsaufforderungen sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einzeln aufgeführt hat, oder gelten die 40 Euro pro Rechnung in jedem Fall, auch wenn gemeinsame und allgemeine Zahlungsaufforderungen eingereicht wurden?

    2.   Wie ist Art. 198 Abs. 4 des Gesetzes Nr. 9/2017 zu verstehen, der in allen Fällen und für alle Verträge einen Zahlungszeitraum von 60 Tagen bestimmt, wobei er einen anfänglichen Zeitraum von 30 Tagen für die Abnahme und weitere 30 Tage für die Zahlung vorsieht, soweit es im Hinblick auf den 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/7 heißt: …?

    3.   Wie ist Art. 2 der Richtlinie 2011/7 auszulegen? Ist diese Richtlinie dahin auszulegen, dass die Mehrwertsteuer, die für die erbrachte Leistung anfällt und deren Betrag in der Rechnung selbst enthalten ist, in die Berechnungsgrundlage für die Verzugszinsen, die die Richtlinie anerkennt, einbezogen wird? Oder muss danach unterschieden werden, wann der Unternehmer die Steuer an die Steuerbehörden zahlt?

    Zu den Vorlagefragen

    Vorbemerkungen

    20

    Zunächst ist zu klären, ob eine Situation in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/7 fällt, in der ein Inkassounternehmen nach dem Erwerb von Forderungen, die eine öffentliche Stelle zum Zeitpunkt der Fälligkeit bei den abtretenden Unternehmen nicht rechtzeitig beglichen hat, diese öffentliche Stelle auf gerichtlichem Weg auf Zahlung dieser Forderungen in Anspruch nimmt.

    21

    Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass zum einen die Richtlinie 2011/7 nach ihrem Art. 1 Abs. 2 auf alle Zahlungen, die als Entgelt im „Geschäftsverkehr“ zu leisten sind, anzuwenden ist, und zum anderen dieser Begriff in Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie weit definiert wird als „Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen, die zu einer Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen“.

    22

    Damit ein Geschäftsvorgang als „Geschäftsverkehr“ im Sinne der vorstehenden Bestimmung eingestuft werden kann, muss er somit zwei Voraussetzungen erfüllen. Zum einen muss er entweder zwischen Unternehmen oder zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen erfolgen. Zum anderen muss er zu einer Lieferung von Waren oder Erbringung von Dienstleistungen gegen Entgelt führen (Urteil vom 13. Januar 2022, New Media Development & Hotel Services, C‑327/20, EU:C:2022:23, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    23

    Im vorliegenden Fall steht fest, dass die geltend gemachten Forderungen Entgelt betreffen, das die Regionalverwaltung, eine „öffentliche Stelle“ im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2011/7, bei Fälligkeit nicht rechtzeitig gezahlt hat und eine Gegenleistung für die Lieferung von Waren und die Erbringung von Dienstleistungen durch die abtretenden Unternehmen darstellt, so dass es sich auf „Geschäftsverkehr“ im Sinne von Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie bezieht.

    24

    Die Abtretung dieser Forderungen und aller damit verbundenen Rechte an ein Inkassounternehmen – das, wie in Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7 ausdrücklich bestimmt ist, ein Gläubiger nach einem Zahlungsverzug des Schuldners beauftragen kann – stellt, wie der Generalanwalt in Nr. 16 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, eine Fortsetzung der ursprünglichen Geschäftsvorgänge dar.

    25

    Daher fällt eine Situation wie die des Ausgangsverfahrens in den sachlichen Anwendungsbereich der Richtlinie 2011/7.

    Zur ersten Frage

    26

    Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen ist, dass der pauschale Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung des Gläubigers für die infolge eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten für jeden Geschäftsvorgang anfällt, der bei Fälligkeit nicht rechtzeitig entgolten wird und in einer Rechnung ausgewiesen ist, und zwar auch dann, wenn diese Rechnung zusammen mit anderen Rechnungen Gegenstand einer einheitlichen Zahlungsaufforderung ist, die bei der Verwaltung oder vor Gericht eingereicht wird, und der Gläubiger in diesem Fall verpflichtet ist, die Rechnung vorzulegen, die dem jeweiligen nicht entgoltenen Geschäftsvorgang entspricht.

    27

    Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 die Mitgliedstaaten verpflichtet, sicherzustellen, dass in Fällen, in denen im Geschäftsverkehr Verzugszinsen zu zahlen sind, der Gläubiger gegenüber dem Schuldner einen Anspruch auf Zahlung eines Pauschalbetrags von mindestens 40 Euro als Entschädigung für Beitreibungskosten hat. Des Weiteren müssen gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2011/7 die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass dieser Pauschalbetrag auch ohne Mahnung des Schuldners und als Entschädigung für die Beitreibungskosten des Gläubigers zu zahlen ist. Der Gläubiger hat außerdem gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7 gegenüber dem Schuldner zusätzlich zu dem pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro einen Anspruch auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die diesen Pauschalbetrag überschreiten.

    28

    Der Begriff „Zahlungsverzug“ in Art. 6 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2011/7 als Grundlage des Anspruchs nicht nur auf Zinsen, sondern auch auf einen pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro wird in Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie als eine Zahlung definiert, die nicht innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Frist erfolgt ist. Da diese Richtlinie jedoch gemäß ihrem Art. 1 Abs. 2 für „alle Zahlungen, die als Entgelt im Geschäftsverkehr zu leisten sind“, gilt, ist, wie der Generalanwalt in Nr. 28 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Begriff „Zahlungsverzug“ auf jeden Geschäftsvorgang einzeln betrachtet anwendbar.

    29

    Die Richtlinie 2011/7 stellt somit eine Verbindung zwischen dem pauschalen Mindestbetrag, der in ihrem Art. 6 Abs. 1 vorgesehen ist, und jedem bei Fälligkeit nicht rechtzeitig entgoltenen Geschäftsvorgang her, der in einer Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung ausgewiesen ist. Wie es nämlich im 18. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt, erzeugen Rechnungen Zahlungsaufforderungen und stellen wichtige Dokumente in der Kette der Geschäftsvorgänge, unter anderem zur Festlegung der Zahlungsfrist, dar.

    30

    Zweitens definiert Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 die Anspruchsvoraussetzungen für den pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro, sofern es um den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen geht, unter Bezugnahme auf die in Art. 4 der Richtlinie festgelegten Anspruchsvoraussetzungen für Verzugszinsen.

    31

    Nach Art. 4 Abs. 1 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass bei diesen Geschäftsvorgängen Gläubiger, die ihre Verpflichtungen erfüllt haben und den fälligen Betrag nicht rechtzeitig erhalten haben, nach Ablauf der in den Abs. 3, 4 oder 6 dieses Artikels festgelegten Fristen Anspruch auf den gesetzlichen Zins bei Zahlungsverzug haben, ohne dass es einer Mahnung bedarf, es sei denn, der Schuldner ist für den Zahlungsverzug nicht verantwortlich (Urteil vom 16. Februar 2017, IOS Finance EFC, C‑555/14, EU:C:2017:121, Rn. 27).

    32

    Aus diesen Gesichtspunkten ergibt sich zum einen, dass der Anspruch auf gesetzliche Zinsen wegen Zahlungsverzugs und der Anspruch auf den pauschalen Mindestbetrag gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 aufgrund eines „Zahlungsverzugs“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 der Richtlinie entstehen und somit auf einzeln betrachtete „Geschäftsvorgänge“ abstellen. Zum anderen werden diese gesetzlichen Zinsen wie auch dieser Pauschalbetrag bei Ablauf der in Art. 4 Abs. 3, 4 und 6 der Richtlinie 2011/7 vorgesehenen Zahlungsfrist automatisch fällig, sofern die Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 erfüllt sind. Nach dem 17. Erwägungsgrund dieser Richtlinie „[sollte] [d]ie Zahlung eines Schuldners [dann] als verspätet in dem Sinne betrachtet werden, dass ein Anspruch auf Verzugszinsen entsteht, wenn der Gläubiger zum Zeitpunkt der Fälligkeit nicht über den geschuldeten Betrag verfügt, vorausgesetzt, er hat seine gesetzlichen und vertraglichen Verpflichtungen erfüllt“.

    33

    Der Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2011/7 deutet jedoch nicht darauf hin, dass die Entscheidung des Gläubigers, einem Schuldner eine einzige Zahlungsaufforderung vorzulegen, in der mehrere bei Fälligkeit nicht rechtzeitig beglichene Rechnungen gebündelt sind, geeignet ist, etwas an den Voraussetzungen für die Fälligkeit der in dieser Bestimmung vorgesehenen gesetzlichen Verzugszinsen oder an den Voraussetzungen für die Fälligkeit des in Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie vorgesehenen pauschalen Mindestbetrags von 40 Euro zu ändern. Vielmehr setzt die Tatsache, dass diese gesetzlichen Zinsen und dieser Pauschalbetrag automatisch fällig werden, „ohne dass es einer Mahnung bedarf“, voraus, dass es für die Zwecke der Fälligkeit sowohl der gesetzlichen Zinsen als auch des Pauschalbetrags nicht darauf ankommt, welche Modalitäten der Gläubiger für die Beitreibung der unbezahlten Forderungen gewählt hat.

    34

    Somit ergibt sich aus einer wörtlichen und einer systematischen Auslegung dieser Bestimmung, dass der pauschale Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung für die Beitreibungskosten dem Gläubiger, der seine Pflichten erfüllt hat, für jede Zahlung geschuldet wird, die bei Fälligkeit nicht rechtzeitig geleistet wurde und als Entgelt eines Geschäftsvorgangs anfällt, der in einer Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung ausgewiesen wurde, es sei denn, der Schuldner ist für den eingetretenen Zahlungsverzug nicht verantwortlich.

    35

    Drittens wird diese Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 2011/7 durch ihren Zweck bestätigt. Die Richtlinie dient gemäß ihrem Art. 1 Abs. 1 im Licht ihres dritten Erwägungsgrundes der Bekämpfung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr, da dieser die Liquidität, die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Unternehmen beeinträchtigt.

    36

    Somit soll die Richtlinie 2011/7 nicht nur Zahlungsverzug verhindern, indem vermieden wird, dass er für den Schuldner durch niedrige oder nicht vorhandene Verzugszinsen in einer solchen Situation finanziell vorteilhaft ist, sondern auch den Gläubiger wirksam gegen einen solchen Zahlungsverzug schützen, indem sichergestellt wird, dass dieser einen möglichst umfassenden Ersatz der ihm entstandenen Beitreibungskosten erhält (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2018, Česká pojišťovna, C‑287/17, EU:C:2018:707, Rn. 25 und 26 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Im 19. Erwägungsgrund der Richtlinie heißt es, dass in den Beitreibungskosten zudem die aufgrund des Zahlungsverzugs entstandenen Verwaltungskosten und die internen Kosten enthalten sein sollten und dass die Entschädigung in Form eines Pauschalbetrags dazu dienen sollte, die mit der Beitreibung verbundenen Verwaltungskosten und internen Kosten zu beschränken.

    37

    Unter diesem Gesichtspunkt führt die Einreichung einer einzigen Zahlungsaufforderung, die mehrere bei Fälligkeit nicht rechtzeitig entgoltene und ordnungsgemäß durch Rechnungen oder gleichwertige Zahlungsaufforderungen ausgewiesene Geschäftsvorgänge umfasst, nicht zu einer Verringerung des pauschalen Mindestbetrags, der als Entschädigung für die Beitreibungskosten für jeden einzelnen Zahlungsverzug geschuldet wird. Eine solche Verringerung liefe zunächst darauf hinaus, Art. 6 dieser Richtlinie die praktische Wirksamkeit zu nehmen. Deren Ziel besteht, wie in der vorstehenden Randnummer dargelegt, nicht nur darin, diesen Zahlungsverzug zu verhindern, sondern auch darin, eine Entschädigung „für die Beitreibungskosten des Gläubigers“ bereitzustellen, wobei diese Kosten tendenziell im Verhältnis zur Anzahl der Zahlungen und der Beträge, die der Gläubiger bei Fälligkeit nicht rechtzeitig geleistet bzw. beglichen hat, steigen. Eine solche Verringerung würde zudem bedeuten, dem Schuldner unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. c der Richtlinie eine Ausnahme von der Pflicht zur Zahlung des Pauschalbetrags gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie zu gewähren, ohne dass es hierfür einen „objektiven Grund“ gäbe. Diese Verringerung liefe schließlich darauf hinaus, den Schuldner von einem Teil der finanziellen Belastung zu befreien, die sich aus seiner Verpflichtung ergibt, für jede bei Fälligkeit nicht rechtzeitig beglichene Rechnung den in diesem Art. 6 Abs. 1 vorgesehenen Pauschalbetrag von 40 Euro zu zahlen.

    38

    Diese Auslegung wird durch das Vorbringen der spanischen Regierung nicht in Frage gestellt, wonach, da der Ersatz gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7 „angemessen“ sein müsse, der Gläubiger sich nicht auf diesen Artikel berufen könne, um einen pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro für jede in einer einzigen Zahlungsaufforderung enthaltene Rechnung zu verlangen, da dies darauf hinausliefe, ihm eine wiederholte und übermäßige Entschädigung für die mit dieser Zahlungsaufforderung verbundenen Kosten zu gewähren.

    39

    Der Anspruch gemäß Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7 „auf angemessenen Ersatz aller durch den Zahlungsverzug des Schuldners bedingten Beitreibungskosten, die [den] Pauschalbetrag überschreiten“, betrifft nämlich die Beitreibungskosten gleich welcher Art, die den Mindestbetrag von 40 Euro übersteigen, auf den der Gläubiger gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie automatisch Anspruch hat, wenn gemäß Art. 3 oder Art. 4 der Richtlinie Verzugszinsen für einen Geschäftsvorgang anfallen. Dieser Ersatz kann somit weder den Teil dieser Kosten erfassen, der bereits durch den pauschalen Mindestbetrag von 40 Euro abgedeckt ist, noch die Kosten, die in Anbetracht aller Umstände des Einzelfalles als überhöht erscheinen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. September 2018, Česká pojišťovna, C‑287/17, EU:C:2018:707, Rn. 22 und 30).

    40

    Daher kann Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 2011/7 nicht geltend gemacht werden, um den Anspruch des Gläubigers auf Zahlung des Pauschalbetrags gemäß Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie einzuschränken. Innerhalb der in der vorstehenden Randnummer beschriebenen Grenzen kann hingegen für die Zwecke der Beurteilung, ob die Entschädigung für die anderen infolge des Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten angemessen ist, der Umstand berücksichtigt werden, dass wegen der Entgelte für Geschäftsvorgänge, die dieser Schuldner ihm bei Fälligkeit nicht rechtzeitig gezahlt hat, nur eine einzige Zahlungsaufforderung ergangen ist.

    41

    Unter diesen Umständen läuft die Auslegung von Art. 6 der Richtlinie 2011/7, wonach der pauschale Mindestbetrag für jeden Geschäftsvorgang anfällt, der bei Fälligkeit nicht rechtzeitig entgolten wurde und in einer Rechnung ausgewiesen ist, wenn diese Rechnung zusammen mit anderen Rechnungen in einer einheitlichen Zahlungsaufforderung bei der Verwaltung oder vor Gericht eingereicht wird, nicht darauf hinaus, dem Schuldner eine Strafe aufzuerlegen. Eine solche Zahlungsaufforderung muss es jedoch ermöglichen, die in ihr enthaltenen einzelnen Rechnungen den jeweiligen nicht entgoltenen Geschäftsvorgängen zuzuordnen.

    42

    Vor diesem Hintergrund ist die erste Frage wie folgt zu beantworten: Art. 6 der Richtlinie 2011/7 ist dahin auszulegen, dass der pauschale Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung des Gläubigers für die infolge eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten für jeden Geschäftsvorgang anfällt, der bei Fälligkeit nicht rechtzeitig entgolten wird und in einer Rechnung ausgewiesen ist, und zwar auch dann, wenn diese Rechnung zusammen mit anderen Rechnungen in einer einheitlichen Zahlungsaufforderung bei der Verwaltung oder vor Gericht eingereicht wird.

    Zur zweiten Frage

    43

    In Anbetracht dessen, dass der Gerichtshof im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV nicht befugt ist, nationale Rechts- und Verwaltungsvorschriften auszulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Juni 2020, Prokuratura Rejonowa w Słupsku, C‑634/18, EU:C:2020:455, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist die zweite Frage wie folgt zu verstehen: Mit ihr soll im Wesentlichen geklärt werden, ob Art. 4 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach pauschal für sämtliche Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen eine Zahlungsfrist von höchstens 60 Kalendertagen gilt, die sich aus einer anfänglichen Frist von 30 Tagen für ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren, das die Übereinstimmung der gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen mit dem Vertrag feststellt, gefolgt von einer zusätzlichen Frist von 30 Tagen für die Zahlung des vereinbarten Preises zusammensetzt.

    44

    Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten durch Art. 4 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2011/7 verpflichtet werden, sicherzustellen, dass bei Geschäftsvorgängen, bei denen der Schuldner eine öffentliche Stelle ist, die Zahlungsfrist 30 Kalendertage, berechnet nach dem Eintritt der u. a. in Ziff. iv dieser Bestimmung aufgeführten Tatbestände, nicht überschreitet.

    45

    Zweitens wird nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. a Ziff. iv der Richtlinie 2011/7, „wenn ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren, durch das die Übereinstimmung der Waren oder Dienstleistungen mit dem Vertrag festgestellt werden soll, gesetzlich oder vertraglich vorgesehen ist und wenn der Schuldner die Rechnung oder eine gleichwertige Zahlungsaufforderung vor oder zu dem Zeitpunkt, zu dem die Abnahme oder Überprüfung erfolgt, erhält“, die Zahlungsfrist von höchstens 30 Kalendertagen ab dem Zeitpunkt dieser Abnahme oder Überprüfung berechnet.

    46

    Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2011/7 in Verbindung mit ihrem 26. Erwägungsgrund verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Höchstdauer eines der in Abs. 3 Buchst. a Ziff. iv des Artikels genannten Abnahme- oder Überprüfungsverfahrens nicht mehr als 30 Kalendertage ab dem Empfang der Waren oder Dienstleistungen beträgt, es sei denn, im Vertrag und in etwaigen Vergabeunterlagen ist etwas anderes vereinbart, und vorausgesetzt, dass dies für den Gläubiger nicht grob nachteilig im Sinne von Art. 7 der Richtlinie 2011/7 ist.

    47

    Aus diesen verbundenen Bestimmungen ergibt sich somit zum einen, dass in der Richtlinie 2011/7 das Abnahme- oder Überprüfungsverfahren nicht als inhärenter Bestandteil des Geschäftsverkehrs zwischen öffentlichen Stellen und Unternehmen ausgestaltet ist. Zum anderen beträgt die Höchstdauer dieses Verfahrens, wenn es „gesetzlich oder vertraglich vorgesehen ist“, 30 Kalendertage, und sie darf nur ausnahmsweise unter den in Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie bestimmten Bedingungen überschritten werden.

    48

    Drittens ergibt sich aus Art. 4 Abs. 6 der Richtlinie 2011/7 im Licht ihres 23. Erwägungsgrundes, dass eine Verlängerung der allgemeinen Zahlungsfrist von 30 Tagen nur zulässig ist, wenn sie im Vertrag ausdrücklich vereinbart und aufgrund der besonderen Natur oder Merkmale des Vertrags sachlich gerechtfertigt ist. Eine solcherart verlängerte Frist darf in keinem Fall 60 Kalendertage überschreiten.

    49

    Des Weiteren können die Mitgliedstaaten gemäß Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie die Zahlungsfrist auf bis zu höchstens 60 Kalendertage verlängern, wenn eine öffentliche Stelle wirtschaftliche Tätigkeiten industrieller oder kommerzieller Natur ausübt, indem sie Waren oder Dienstleistungen anbietet, oder wenn sie Gesundheitsdienste anbietet.

    50

    Wie der Generalanwalt in Nr. 47 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ergibt sich somit aus Art. 4 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2011/7, dass die Anwendung einer Zahlungsfrist von mehr als 30 und höchstens 60 Kalendertagen auf Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen die Ausnahme ist und auf bestimmte genau festgelegte Fälle, u. a. die in Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 1 Buchst. a und b ausdrücklich genannten, beschränkt werden muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2020, Kommission/Italien [Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug], C‑122/18, EU:C:2020:41, Rn. 44).

    51

    Diese wörtliche und systematische Auslegung von Art. 4 der Richtlinie 2011/7 wird durch die mit dieser Richtlinie verfolgten Ziele bestätigt, insbesondere das Ziel, den Mitgliedstaaten weiter gehende Pflichten in Bezug auf den Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen aufzuerlegen. Denn wie sich aus einer Zusammenschau der Erwägungsgründe 3, 9 und 23 der Richtlinie 2011/7 ergibt, können diese öffentlichen Stellen, die in großem Umfang Zahlungen an Unternehmen leisten, mit sichereren, berechenbareren und beständigeren Einkünften als Unternehmen rechnen, werden ihnen Finanzmittel zu günstigeren Bedingungen als Unternehmen angeboten und sind sie in Bezug auf die Verwirklichung ihrer Ziele weniger von der Herstellung stabiler Geschäftsbeziehungen abhängig, als dies bei Unternehmen der Fall ist. Des Weiteren verursachen lange Zahlungsfristen zugunsten dieser Stellen, ebenso wie Zahlungsverzug, bei Unternehmen ungerechtfertigte Kosten, was deren Liquiditätsengpässe verschärft und ihre Finanzbuchhaltung erschwert, und sie beeinträchtigen außerdem die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit dieser Unternehmen, wenn sie aufgrund des Zahlungsverzugs Fremdfinanzierung in Anspruch nehmen müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Januar 2020, Kommission/Italien [Richtlinie zur Bekämpfung von Zahlungsverzug], C‑122/18, EU:C:2020:41, Rn. 46 und 47).

    52

    Im Licht dieser Gesichtspunkte ist Art. 4 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen, dass ein Mitgliedstaat eine Zahlungsfrist von höchstens 60 Kalendertagen bei Geschäften zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen nur unter den Bedingungen und innerhalb der Grenzen festlegen darf, die diesem Artikel bestimmt und in Rn. 47 bis 49 des vorliegenden Urteils wiedergegeben sind.

    53

    Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 4 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach pauschal für sämtliche Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen eine Zahlungsfrist von höchstens 60 Kalendertagen gilt, und zwar auch dann, wenn sich diese Frist aus einer anfänglichen Frist von 30 Tagen für ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren, das die Übereinstimmung der gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen mit dem Vertrag feststellt, gefolgt von einer zusätzlichen Frist von 30 Tagen für die Zahlung des vereinbarten Preises zusammensetzt.

    Zur dritten Frage

    54

    Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen ist, dass es für die Einbeziehung der in der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung aufgeführten Mehrwertsteuer in den in dieser Bestimmung definierten „fälligen Betrag“ nicht darauf ankommt, ob der steuerpflichtige Gläubiger diesen Mehrwertsteuerbetrag zu dem Zeitpunkt, zu dem der Zahlungsverzug eintritt, bereits an die Staatskasse abgeführt hat.

    55

    Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/7 definiert den Begriff „fälliger Betrag“ als „die Hauptforderung, die innerhalb der vertraglich oder gesetzlich vorgesehenen Zahlungsfrist hätte gezahlt werden müssen, einschließlich der anfallenden Steuern, Gebühren, Abgaben oder Kosten, die in der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung aufgeführt werden“.

    56

    Zur wörtlichen Auslegung von Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/7 ist zum einen festzustellen, dass die Verwendung des Ausdrucks „einschließlich der anfallenden Steuern“ bedeutet, dass der Begriff „fälliger Betrag“ notwendigerweise den Mehrwertsteuerbetrag auf eine gelieferte Ware oder eine erbrachte Dienstleistung einschließen muss. Zum anderen deutet die Verwendung des Ausdrucks „die in der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung aufgeführt werden“ darauf hin, dass der Mehrwertsteuerbetrag der auf der Rechnung oder der gleichwertigen Zahlungsaufforderung ausgewiesene Betrag ist, unabhängig davon, nach welchen Modalitäten oder zu welchem Zeitpunkt der Steuerpflichtige die Mehrwertsteuer an die Staatskasse entrichtet.

    57

    Folglich unterscheidet der Begriff „fälliger Betrag“ weder nach dem Zeitpunkt, zu dem der Steuerpflichtige seine Verpflichtung erfüllt, den Mehrwertsteuerbetrag, der auf die gelieferte Ware oder erbrachte Dienstleistung anfällt, an die Staatskasse zu entrichten, noch nach den Modalitäten der Entrichtung dieses Betrags an die Staatskasse.

    58

    Diese Auslegung wird durch Art. 220 der Richtlinie 2006/112 bestätigt, der die Ausstellung von Rechnungen regelt und Steuerpflichtigen vorschreibt, sicherzustellen, dass für die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Dienstleistungen an andere Steuerpflichtige oder an eine nicht steuerpflichtige juristische Person eine Rechnung ausgestellt wird. In Art. 226 der Richtlinie 2006/112 sind die Angaben aufgeführt, die in den ausgestellten Rechnungen enthalten sein müssen, darunter der zu entrichtende Mehrwertsteuerbetrag. Diese Bestimmungen verpflichten den Steuerpflichtigen somit dazu, den zu entrichtenden Mehrwertsteuerbetrag auf der ausgestellten Rechnung anzugeben, unabhängig davon, nach welchen Modalitäten oder zu welchem Zeitpunkt die geschuldete Mehrwertsteuer an die Staatskasse abgeführt wird.

    59

    Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/7 dahin auszulegen ist, dass es für die Frage, ob die in der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung aufgeführte Mehrwertsteuer in den in dieser Bestimmung definierten „fälligen Betrag“ einzubeziehen ist, nicht darauf ankommt, ob der Steuerpflichtige diesen Mehrwertsteuerbetrag zu dem Zeitpunkt, zu dem der Zahlungsverzug eintritt, bereits an die Staatskasse abgeführt hat.

    Kosten

    60

    Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

     

    1.

    Art. 6 der Richtlinie 2011/7/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 2011 zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr

    ist wie folgt auszulegen:

    Der pauschale Mindestbetrag von 40 Euro als Entschädigung des Gläubigers für die infolge eines Zahlungsverzugs des Schuldners entstandenen Beitreibungskosten fällt für jeden Geschäftsvorgang an, der bei Fälligkeit nicht rechtzeitig entgolten wird und in einer Rechnung ausgewiesen ist, und zwar auch dann, wenn diese Rechnung zusammen mit anderen Rechnungen in einer einheitlichen Zahlungsaufforderung bei der Verwaltung oder vor Gericht eingereicht wird.

     

    2.

    Art. 4 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2011/7

    ist wie folgt auszulegen:

    Er steht einer nationalen Regelung entgegen, wonach pauschal für sämtliche Geschäftsvorgänge zwischen Unternehmen und öffentlichen Stellen eine Zahlungsfrist von höchstens 60 Kalendertagen gilt, und zwar auch dann, wenn sich diese Frist aus einer anfänglichen Frist von 30 Tagen für ein Abnahme- oder Überprüfungsverfahren, das die Übereinstimmung der gelieferten Waren oder erbrachten Dienstleistungen mit dem Vertrag feststellt, gefolgt von einer zusätzlichen Frist von 30 Tagen für die Zahlung des vereinbarten Preises zusammensetzt.

     

    3.

    Art. 2 Nr. 8 der Richtlinie 2011/7

    ist wie folgt auszulegen:

    Für die Frage, ob die in der Rechnung oder einer gleichwertigen Zahlungsaufforderung aufgeführte Mehrwertsteuer in den in dieser Bestimmung definierten „fälligen Betrag“ einzubeziehen ist, kommt es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige diesen Mehrwertsteuerbetrag zu dem Zeitpunkt, zu dem der Zahlungsverzug eintritt, bereits an die Staatskasse abgeführt hat.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

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