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Document 62019CJ0923

    Urteil des Gerichtshofs (Fünfte Kammer) vom 10. Juni 2021.
    Van Ameyde España SA gegen GES, Seguros y Reaseguros SA.
    Vorabentscheidungsersuchen des Tribunal Supremo.
    Vorlage zur Vorabentscheidung – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinie 2009/103/EG – Art. 1 Nrn. 1 und 2 – Art. 3 Abs. 1, 2 und 4 – Begriff ‚Fahrzeug‘ – Pflicht zur Deckung von Sachschäden – Tragweite – Verkehrsunfall, an dem ein Sattelkraftfahrzeug beteiligt ist, dessen Bestandteile bei unterschiedlichen Pflichtversicherungen versichert sind – Schäden, die eine Sattelzugmaschine an einem Sattelanhänger, der bei dem Unfall an diese angekoppelt war, verursacht hat – Auslegung der nationalen Regelung, die ausschließt, dass die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine diese Schäden deckt.
    Rechtssache C-923/19.

    ECLI identifier: ECLI:EU:C:2021:475

     URTEIL DES GERICHTSHOFS (Fünfte Kammer)

    10. Juni 2021 ( *1 )

    „Vorlage zur Vorabentscheidung – Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung – Richtlinie 2009/103/EG – Art. 1 Nrn. 1 und 2 – Art. 3 Abs. 1, 2 und 4 – Begriff ‚Fahrzeug‘ – Pflicht zur Deckung von Sachschäden – Tragweite – Verkehrsunfall, an dem ein Sattelkraftfahrzeug beteiligt ist, dessen Bestandteile bei unterschiedlichen Pflichtversicherungen versichert sind – Schäden, die eine Sattelzugmaschine an einem Sattelanhänger, der bei dem Unfall an diese angekoppelt war, verursacht hat – Auslegung der nationalen Regelung, die ausschließt, dass die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine diese Schäden deckt“

    In der Rechtssache C‑923/19

    betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 28. November 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Dezember 2019, in dem Verfahren

    Van Ameyde España SA

    gegen

    GES, Seguros y Reaseguros SA

    erlässt

    DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

    unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter M. Ilešič, E. Juhász, C. Lycourgos und I. Jarukaitis (Berichterstatter),

    Generalanwalt: M. Bobek,

    Kanzler: A. Calot Escobar,

    aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

    unter Berücksichtigung der Erklärungen

    der Van Ameyde España SA, vertreten durch M. I. Castizo Reyes, procuradora, und V. Muñoz Mundina, abogado,

    der GES, Seguros y Reaseguros SA, vertreten durch A. M. Álvarez-Buylla Ballesteros, procurador, und J. A. Moreno Martínez de Azcoytia, abogado,

    der spanischen Regierung, vertreten durch M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,

    der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und J. Rius als Bevollmächtigte,

    nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 23. Februar 2021

    folgendes

    Urteil

    1

    Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 letzter Absatz in Verbindung mit Art. 1 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht (ABl. 2009, L 263, S. 11).

    2

    Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Van Ameyde España SA (im Folgenden: Van Ameyde) und der GES, Seguros y Reaseguros SA (im Folgenden: GES Seguros) betreffend eine Klage auf den Ersatz von Sachschäden an einem Sattelanhänger, die bei einem Verkehrsunfall entstanden sind, an dem ein Sattelkraftfahrzeug beteiligt war.

    Rechtlicher Rahmen

    Unionsrecht

    3

    Die Erwägungsgründe 1 bis 3 und 20 der Richtlinie 2009/103 lauten:

    „(1)

    Die Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht [(ABl. 1972, L 103, S. 1)], die Zweite Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 1984, L 8, S. 17)], die Dritte Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 1990, L 129, S. 33)] und die Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie) [(ABl. 2000, L 181, S. 65)] wurden mehrfach und erheblich geändert. Aus Gründen der Klarheit und der Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, die vier genannten Richtlinien wie auch die Richtlinie 2005/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 zur Änderung der Richtlinien [72/166], [84/5], 88/357/EWG und [90/232] des Rates sowie der Richtlinie [2000/26] des Europäischen Parlaments und des Rates über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung [(ABl. 2005, L 149, S. 14)] zu kodifizieren.

    (2)

    Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Kfz-Haftpflichtversicherung) ist für die europäischen Bürger – sowohl für die Versicherungsnehmer als auch für die Opfer von Verkehrsunfällen – von besonderer Bedeutung. Sie ist auch für die Versicherungsunternehmen von erheblichem Interesse, weil ein wesentlicher Teil des Schadenversicherungsgeschäfts in der [Europäischen Union] auf die Kfz-Haftpflichtversicherung entfällt. Die Kfz-Haftpflichtversicherung wirkt sich auch auf den freien Personen- und Kraftfahrzeugverkehr aus. …

    (3)

    Jeder Mitgliedstaat sollte alle zweckdienlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen dieser Maßnahmen bestimmt.

    (20)

    Den bei Kraftfahrzeug-Verkehrsunfällen Geschädigten sollte unabhängig davon, in welchem Land der [Union] sich der Unfall ereignet, eine vergleichbare Behandlung garantiert werden.“

    4

    Art. 1 der Richtlinie enthält die folgenden Begriffsbestimmungen:

    „Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

    1.

    ‚Fahrzeug‘ jedes maschinell angetriebene Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist, sowie die Anhänger, auch wenn sie nicht angekoppelt sind;

    2.

    ‚Geschädigter‘ jede Person, die ein Recht auf Ersatz eines von einem Fahrzeug verursachten Schadens hat;

    …“

    5

    Art. 3 („Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht“) der Richtlinie bestimmt:

    „Jeder Mitgliedstaat trifft vorbehaltlich der Anwendung des Artikels 5 alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist.

    Die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung werden im Rahmen der in Absatz 1 genannten Maßnahmen bestimmt.

    Die in Absatz 1 bezeichnete Versicherung hat sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen.“

    6

    In Art. 5 („Ausnahmen von der Kfz-Haftpflichtversicherungspflicht“) der Richtlinie 2009/103 heißt es:

    „(1)   Jeder Mitgliedstaat kann bei bestimmten natürlichen und juristischen Personen des öffentlichen oder des privaten Rechts, die der betreffende Staat bestimmt und deren Name oder Kennzeichnung er den anderen Mitgliedstaaten sowie der [Europäischen] Kommission meldet, von Artikel 3 abweichen.

    (2)   Jeder Mitgliedstaat kann bei gewissen Arten von Fahrzeugen oder Fahrzeugen mit besonderem Kennzeichen, die dieser Staat bestimmt und deren Kennzeichnung er den anderen Mitgliedstaaten sowie der Kommission meldet, von Artikel 3 abweichen.

    …“

    7

    Art. 12 („Spezifische Kategorien von Unfallopfern“) der Richtlinie 2009/103 lautet:

    „(1)   Unbeschadet des Artikels 13 Absatz 1 Unterabsatz 2 deckt die in Artikel 3 genannte Versicherung die Haftpflicht für aus der Nutzung eines Fahrzeugs resultierende Personenschäden bei allen Fahrzeuginsassen mit Ausnahme des Fahrers.

    (2)   Familienmitglieder des Versicherungsnehmers, des Fahrers oder jeder anderen Person, die bei einem Unfall haftbar gemacht werden kann und durch die in Artikel 3 bezeichnete Versicherung geschützt ist, dürfen nicht aufgrund dieser familiären Beziehungen von der Personenschadenversicherung ausgeschlossen werden.

    (3)   Die in Artikel 3 genannte Versicherung deckt Personen- und Sachschäden von Fußgängern, Radfahrern und anderen nicht motorisierten Verkehrsteilnehmern, die nach einzelstaatlichem Zivilrecht einen Anspruch auf Schadenersatz aus einem Unfall haben, an dem ein Kraftfahrzeug beteiligt ist.

    Der vorliegende Artikel lässt die zivilrechtliche Haftung und die Höhe des Schadenersatzes unberührt.“

    Nationales Recht

    8

    Art. 1 („Haftpflicht“) Abs. 1 des Texto refundido de la Ley sobre responsabilidad civil y seguro en la circulación de vehículos a motor (Neufassung des Gesetzes über die zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr und die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung), angenommen durch das Real Decreto Legislativo 8/2004 (Königliches gesetzesvertretendes Dekret 8/2004) vom 29. Oktober 2004 (BOE Nr. 267 vom 5. November 2004, S. 36662), in seiner auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: Gesetz über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) bestimmt:

    „Der Fahrer eines Kraftfahrzeugs haftet aufgrund der vom Fahren solcher Fahrzeuge ausgehenden Gefahr für die bei ihrer Verwendung entstehenden Personen- oder Sachschäden.

    Bei Sachschäden haftet der Fahrer gegenüber Dritten, wenn er nach den Art. 1902 ff. des Código Civil (Zivilgesetzbuch), den Art. 109 ff. des Código Penal (Strafgesetzbuch) und den Vorschriften dieses Gesetzes zivilrechtlich verantwortlich ist.

    Der Eigentümer eines Fahrzeugs haftet für Personen- und Sachschäden, die vom Fahrer verursacht wurden, wenn er mit diesem in einer Verbindung nach Art. 1903 des [Zivilgesetzbuchs] oder Art. 120 Abs. 5 des [Strafgesetzbuchs] steht. Die Haftung endet, wenn der Eigentümer nachweist, dass er die gebotene Sorgfalt zur Abwendung des Schadens hat walten lassen.

    …“

    9

    Art. 2 („Versicherungspflicht“) Abs. 1 Unterabs. 1 des Gesetzes über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung lautet:

    „Jeder Eigentümer von Kraftfahrzeugen, die ihren gewöhnlichen Standort in Spanien haben, ist verpflichtet, für jedes in seinem Eigentum stehende Fahrzeug einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten, der die Haftpflicht nach Art. 1 bis zum Höchstbetrag der Pflichtversicherung deckt. Der Eigentümer ist dieser Pflicht jedoch enthoben, wenn die Versicherung von einer anderen Person abgeschlossen wird, die Interesse an der Versicherung hat; diese muss den Grund angeben, aus dem sie die Versicherung abschließt.“

    10

    Art. 5 („Sachlicher Anwendungsbereich und Ausnahmen“) Abs. 2 des Gesetzes bestimmt:

    „Die Deckung der Pflichtversicherung erstreckt sich auch nicht auf die Sachschäden am versicherten Fahrzeug, an den in ihm beförderten Sachen und an den Gegenständen im Eigentum des Versicherungsnehmers, des Versicherten, des Eigentümers oder des Fahrers des Fahrzeugs sowie des Ehegatten oder der Verwandten oder Verschwägerten der vorgenannten Personen bis zum dritten Grad.“

    11

    Art. 1 Abs. 1 des Reglamento del seguro obligatorio de responsabilidad civil en la circulación de vehículos a motor (Verordnung über die obligatorische Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung), angenommen durch das Real Decreto 1507/2008 (Königliches Dekret 1507/2008) vom 12. September 2008 (BOE Nr. 222 vom 13. September 2008, S. 37487) (im Folgenden: Verordnung über die Pflichtversicherung im Straßenverkehr), lautet:

    „Für die Zwecke der Haftpflicht im Straßenverkehr und der Pflichtversicherung gelten als Kraftfahrzeuge alle Fahrzeuge, die zum Fahren auf Land geeignet sind und von einem Motor angetrieben werden, einschließlich Kleinkrafträder, Sonderfahrzeuge, Anhänger und Sattelanhänger … Von der Versicherungspflicht ausgenommen sind Anhänger, Sattelanhänger und Sonderfahrzeuge, deren zulässige Höchstmasse 750 kg nicht überschreitet …“

    12

    Art. 19 („Zusammentreffen von Schäden und Verursachern“) Abs. 2 der Verordnung über die Pflichtversicherung im Straßenverkehr bestimmt:

    „Entsteht infolge eines einzigen Unfalls, an dem zwei oder mehr Fahrzeuge beteiligt sind, die durch ihre jeweilige Pflichtversicherung gedeckt sind, ein Schaden für Dritte, so trägt jeder Versicherer der haftenden Fahrzeuge unter Berücksichtigung der Haftung jedes der beteiligten Fahrzeuge, sofern sie festgestellt werden kann, oder, falls dies nicht der Fall ist, gemäß den Vereinbarungen zwischen den Versicherungsgesellschaften, zur Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtungen bei; andernfalls leistet jeder Versicherer einen Beitrag im Verhältnis zur Leistung der betreffenden Fahrzeuge.

    Handelt es sich bei den beiden beteiligten Fahrzeugen um eine Sattelzugmaschine und einen daran angekoppelten Anhänger oder Sattelanhänger oder um zwei Anhänger oder Sattelanhänger und lässt sich der jeweilige Haftungsanteil nicht bestimmen, so trägt jeder Versicherer zur Erfüllung dieser Verpflichtungen nach Maßgabe der zwischen den Versicherern geschlossenen Vereinbarungen bei, oder in Ermangelung einer entsprechenden Vereinbarung im Verhältnis des Betrags der jährlichen Risikoprämie, die sich aus dem Versicherungsvertrag für das jeweilige Fahrzeug ergibt.“

    Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

    13

    Am 3. April 2014 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem ein Sattelkraftfahrzeug, bestehend aus einer Sattelzugmaschine und einem Sattelanhänger, beteiligt war und bei dem der Sattelanhänger beschädigt wurde. Es steht fest, dass der Fahrer der Sattelzugmaschine den Unfall fahrlässig verursacht hat und die Schäden, die an dem Sattelanhänger entstanden sind, ausschließlich der Sattelzugmaschine zuzurechnen sind.

    14

    Die Sattelzugmaschine stand im Eigentum der Doctrans Transportes Rodoviarios de Mercadería Lda, einer Gesellschaft portugiesischen Rechts, und war bei der Gesellschaft Açoreana, ebenfalls eine Gesellschaft portugiesischen Rechts, die in Spanien durch Van Ameyde vertreten wurde, als Kraftfahrzeug haftpflichtversichert. Der Sattelanhänger gehörte der Caixarenting SAU, die ihn an die Primafrío SL verleaste. Die Primafrío SL hatte zur Deckung von Sachschäden des Sattelanhängers eine Kaskoversicherung bei GES Seguros abgeschlossen. Die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für den Sattelanhänger war bei der Seguros Bilbao SA abgeschlossen worden, die nicht Partei des Rechtsstreits ist, der beim vorlegenden Gericht anhängig ist.

    15

    Nachdem GES Seguros an Primafrío 34977,33 Euro als Ersatz für die Schäden am Sattelanhänger gezahlt hatte, erhob sie am 13. März 2015 beim Juzgado de Primera Instancia no 1 de La Palma del Condado (Gericht erster Instanz Nr. 1 von La Palma del Condado, Spanien) eine Klage, mit der sie beantragte, Van Ameyde zur Zahlung von Schadenersatz in Höhe des vorstehenden Betrags zuzüglich gesetzlicher Zinsen zu verurteilen. Zur Stützung dieser Klage machte GES Seguros u. a. geltend, dass es sich nach der zum Zeitpunkt des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens geltenden Regelung bei der Sattelzugmaschine und dem Sattelanhänger um voneinander unabhängige Fahrzeuge gehandelt habe, die im Eigentum unterschiedlicher Personen gestanden hätten und für die unabhängig voneinander eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung bestanden habe, so dass der Sattelanhänger weder als Ladung der Sattelzugmaschine noch als eine von der Sattelzugmaschine beförderte Sache im Sinne von Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung angesehen werden könne. Folglich sei der in dieser Bestimmung vorgesehene Ausschluss der Deckung durch die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung nicht anwendbar gewesen. Van Ameyde trat der Klage entgegen.

    16

    Die Klage wurde mit Urteil vom 14. Juli 2016 mit der Begründung abgewiesen, dass der Sattelanhänger als Ladung der Sattelzugmaschine oder von ihr beförderte Sache anzusehen sei. Daraufhin legte GES Seguros bei der Audiencia Provincial de Huelva (Provinzgericht Huelva, Spanien) Berufung ein, der mit Urteil vom 22. Dezember 2016 stattgegeben wurde.

    17

    Dieses Gericht war der Auffassung, dass der für die Pflichtversicherung geltende Deckungsausschluss gemäß Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für Sachschäden an Sachen, die im versicherten Fahrzeug befördert werden, nicht anwendbar sei, so dass die am Sattelanhänger entstandenen Schäden durchaus durch die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine gedeckt seien. Der Sattelanhänger könne nämlich nicht als Ladung der Sattelzugmaschine angesehen werden, u. a. da sich der betreffende Ausschluss nicht auf Schäden an „von“ dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen, sondern auf Schäden an „in“ dem versicherten Fahrzeug beförderten Sachen beziehe.

    18

    Van Ameyde legte gegen dieses Urteil vom 22. Dezember 2016 beim Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde ein. Sie machte geltend, dass gemäß dem fraglichen Art. 5 Abs. 2 die an dem Sattelanhänger entstandenen Schäden von der Deckung durch die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine ausgeschlossen seien. Insbesondere hätten die Sattelzugmaschine und der Sattelanhänger eine „funktionelle Einheit“ gebildet, als sich der Unfall ereignet habe.

    19

    Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass, obwohl es sich bei der Sattelzugmaschine und dem Sattelanhänger um voneinander unabhängige Fahrzeuge handele, die als solche unabhängig voneinander der Versicherungspflicht unterlägen, die Richtlinie 2009/103 keine ausdrückliche Bestimmung dazu enthalte, wie bei einem Unfall unter Beteiligung eines Sattelkraftfahrzeuges, das aus diesen beiden Bestandteilen besteht, die Haftung zu bestimmen sei, sei es Dritten gegenüber oder untereinander. Nach seiner eigenen Rechtsprechung bestehe jedoch für die verschiedenen Bestandteile eines Sattelkraftfahrzeuges eine gesamtschuldnerische Haftung gegenüber geschädigten Dritten, und Art. 19 Abs. 2 der Verordnung über die Pflichtversicherung im Straßenverkehr regele die Haftungsverteilung im Innenverhältnis. Diese Bestimmung lege jedoch nicht fest, wie unter den Versicherern der verschiedenen Fahrzeuge, aus denen ein Sattelkraftfahrzeug besteht, die Haftung aufzuteilen sei, wenn, wie in der bei ihm anhängigen Rechtssache, die Schäden, die an einem von ihnen entstanden seien, ausschließlich dem anderen zuzurechnen seien. Diese Bestimmung ermögliche daher keine Antwort auf die Frage, ob die am Sattelanhänger entstandenen Sachschäden von der Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine gedeckt sein müssen.

    20

    In diesem Zusammenhang führt das vorlegende Gericht Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung an und weist darauf hin, dass die entgegengesetzten Auslegungen dieser Bestimmung, die vorliegend im ersten Rechtszug und in der Berufung vertreten worden seien, auch in der Rechtsprechung der Audiencias Provinciales (Provinzgerichte) wiederzufinden seien. Um diesen Konflikt aufzulösen, möchte es wissen, ob die Auslegung dieser Bestimmung dahin gehend, dass Schäden an einem Sattelanhänger, der an einer Sattelzugmaschine angekoppelt ist, unter Umständen wie den hier vorliegenden von der Deckung der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine ausgeschlossen sind, weil dieser Sattelanhänger einer Ladung der Sattelzugmaschine oder den von ihr beförderten Sachen gleichgesetzt wird, oder aber weil die Sattelzugmaschine und der Sattelanhänger ein einziges Fahrzeug bilden, deren jeweilige Haftpflichtversicherung nur die Sachschäden abdeckt, die Dritten entstanden sind, die nicht Eigentümer des einen oder des anderen Fahrzeugs sind, die Deckung von Sachschäden durch die Kraftfahrzeug-Pflichtversicherung gemäß Art. 3 letzter Absatz der Richtlinie 2009/103 in Verbindung mit deren Art. 1 beeinträchtigt oder vermindert.

    21

    Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

    Steht Art. 3 letzter Absatz der Richtlinie 2009/103 in Verbindung mit Art. 1 dieser Richtlinie einer Auslegung der nationalen Regelung (Art. 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung) entgegen, nach der in Fällen wie dem des Ausgangsrechtsstreits davon ausgegangen wird, dass Schäden am Sattelanhänger nicht von der Pflichtversicherung der Sattelzugmaschine, an der der Sattelanhänger angekoppelt ist, gedeckt sind, weil der Sattelanhänger mit Sachen gleichgesetzt wird, die in der Sattelzugmaschine befördert werden, oder aber weil der Sattelanhänger und die Sattelzugmaschine im Hinblick auf Sachschäden als ein einziges Fahrzeug angesehen werden?

    Zur Vorlagefrage

    22

    Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 letzter Absatz in Verbindung mit Art. 1 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen ist, dass er einer Auslegung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach der Sachschaden, den eine Sattelzugmaschine an einem Sattelanhänger, der bei dem Unfall an sie angekoppelt war, verursacht hat, deswegen nicht von der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine abgedeckt ist und folglich nicht ersetzt wird, weil der Sattelanhänger für die Zwecke der Gewährung der Entschädigung als Sache angesehen wird, die von der Sattelzugmaschine befördert wird, oder davon ausgegangen wird, dass er mit ihr ein einziges Fahrzeug bildet.

    23

    Einleitend ist festzustellen, dass mit der Richtlinie 2009/103, wie sich aus ihrem ersten Erwägungsgrund ergibt, die früheren Richtlinien betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht kodifiziert wurden, ohne sie inhaltlich zu ändern. Die zu diesen Richtlinien ergangene Rechtsprechung lässt sich somit auf die Auslegung der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie 2009/103 übertragen (Urteil vom 29. April 2021, Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny, C‑383/19, EU:C:2021:337, Rn. 35).

    24

    Nach Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103 trifft jeder Mitgliedstaat vorbehaltlich der Anwendung des Art. 5 der Richtlinie alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist. Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt, dass die Schadensdeckung sowie die Modalitäten dieser Versicherung im Rahmen der in Art. 3 Abs. 1 genannten Maßnahmen bestimmt werden. Nach Art. 3 letzter Absatz der Richtlinie hat die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie bezeichnete Versicherung sowohl Sachschäden als auch Personenschäden zu umfassen. Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie bestimmt u. a., dass jeder Mitgliedstaat unter den in dieser Bestimmung genannten Bedingungen bei gewissen Arten von Fahrzeugen von Art. 3 der Richtlinie abweichen kann.

    25

    Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass, wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103, der sehr allgemein formuliert ist, die Mitgliedstaaten verpflichtet, in ihrer nationalen Rechtsordnung eine allgemeine Versicherungspflicht für Fahrzeuge vorzusehen (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    26

    Jeder Mitgliedstaat hat somit dafür zu sorgen, dass vorbehaltlich der in Art. 5 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahmen „jedes Fahrzeug“ mit gewöhnlichem Standort im Inland von einem mit einer Versicherungsgesellschaft abgeschlossenen Vertrag abgedeckt ist, damit innerhalb der durch das Unionsrecht definierten Grenzen die Haftpflicht für dieses Fahrzeug garantiert wird (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

    27

    Der Begriff „Fahrzeug“ bezeichnet nach der Definition in Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 „jedes maschinell angetriebene Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist, sowie die Anhänger, auch wenn sie nicht angekoppelt sind“.

    28

    Aus dem Wortlaut dieser Bestimmungen ergibt sich eindeutig, dass sowohl eine Sattelzugmaschine als auch ein Anhänger bzw. ein Sattelanhänger einzeln jeweils ein „Fahrzeug“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen und dass sie infolgedessen jeweils einzeln -sofern der Mitgliedstaat, in dem sie ihren gewöhnlichen Standort haben, nicht von der Abweichungsbefugnis nach Art. 5 der Richtlinie Gebrauch gemacht hat – Gegenstand eines Vertrags mit einer Versicherungsgesellschaft sein müssen, um innerhalb der unionsrechtlichen Grenzen die zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr sicherzustellen.

    29

    In Bezug auf die Frage, ob ein Anhänger bzw. ein Sattelanhänger, der an eine Sattelzugmaschine angekoppelt ist, seine Einstufung als „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 verliert oder ob die bei einer solchen Ankoppelung von der Sattelzugmaschine und dem Anhänger bzw. dem Sattelanhänger gebildete Gesamtheit nur noch ein einziges Fahrzeug im Sinne dieser Bestimmung darstellt, so dass der Anhänger bzw. Sattelanhänger ebenfalls nicht als „Fahrzeug“ einzustufen ist, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Wortlaut von Art. 1 Nr. 1 derartige Annahmen nicht stützt. Die Klarstellung, dass Anhänger, „auch wenn sie nicht angekoppelt sind“, unter den Begriff „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 fallen, und die Verwendung der Konjunktion „sowie“ zwischen den beiden Teilen der Begriffsbestimmung lassen nämlich eindeutig erkennen, dass Anhänger wie Sattelanhänger eine eigenständige Kategorie von „Fahrzeug“ im Sinne dieser Bestimmung darstellen. Diese unterscheidet sich von der Kategorie „jedes maschinell angetriebene Kraftfahrzeug, welches zum Verkehr zu Lande bestimmt und nicht an Gleise gebunden ist“, bei der die Einstufung als solches unabhängig davon erfolgt, ob es an ein anderes Fahrzeug im Sinne dieser Vorschrift angekoppelt ist oder nicht.

    30

    Zum anderen wäre die Auffassung, dass ein Anhänger bzw. ein Sattelanhänger, der an eine Sattelzugmaschine angekoppelt ist, eine von dieser Sattelzugmaschine beförderte Sache darstellt oder mit ihr ein einziges Fahrzeug bildet und somit selbst seine Eigenschaft als „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 verliert, damit unvereinbar, dass der Begriff „Fahrzeug“ im Sinne dieser Bestimmung unabhängig von dem Gebrauch ist, der von dem fraglichen Fahrzeug gemacht wird oder gemacht werden kann, und widerspräche somit der objektiven Definition dieses Begriffs (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 38 und 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Sie wäre auch damit unvereinbar, dass der Umfang der Pflicht zum Abschluss einer Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung aus Gründen der Rechtssicherheit vorab, d. h. vor einer etwaigen Verwicklung des betreffenden Fahrzeugs in einen Unfall, geklärt werden muss (Urteil vom 4. September 2018, Juliana, C‑80/17, EU:C:2018:661, Rn. 40).

    31

    Wenn ein Anhänger bzw. Sattelanhänger seine Einstufung als „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 verlöre, wenn er an eine Sattelzugmaschine angekoppelt ist, würden nämlich Vorhersehbarkeit, Stabilität und Fortdauer der Versicherungspflicht gemäß Art. 3 Abs. 1 beeinträchtigt, deren Einhaltung jedoch erforderlich ist, um die Rechtssicherheit zu gewährleisten (vgl. entsprechend Urteil vom 29. April 2021, Ubezpieczeniowy Fundusz Gwarancyjny, C‑383/19, EU:C:2021:337, Rn. 52).

    32

    Daraus folgt, dass die Auffassung, dass ein Anhänger bzw. ein Sattelanhänger, der an einer Sattelzugmaschine angekoppelt ist, eine von dieser Sattelzugmaschine beförderte Sache darstellt oder mit ihr ein einziges Fahrzeug bildet und somit seine Eigenschaft als „Fahrzeug“ im Sinne von Art. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2009/103 verliert, mit dieser Bestimmung nicht vereinbar wäre. Folglich unterfällt jeder Anhänger bzw. Sattelanhänger unabhängig davon, ob er an ein anderes Fahrzeug gekoppelt ist, der Versicherungspflicht gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103, sofern der Mitgliedstaat, in dem der betreffende Anhänger bzw. der Sattelanhänger seinen gewöhnlichen Standort hat, nicht von der ihm nach Art. 5 der Richtlinie 2009/103 eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht hat.

    33

    Im vorliegenden Fall geht jedoch aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass der Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens zwar mit der Frage, wie ein Sattelanhänger einzustufen ist, wenn er an eine Sattelzugmaschine angekoppelt ist, in Verbindung steht, doch steht diese Einordnung in keinem Zusammenhang mit der in das spanische Recht umgesetzten Versicherungspflicht gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2009/103. Im Übrigen steht fest, dass für jedes der beiden im Ausgangsverfahren fraglichen Fahrzeuge eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung abgeschlossen wurde. Aus den Akten geht jedoch auch hervor, dass diese Einstufung, die sich aus der Auslegung der im Ausgangsverfahren fraglichen nationalen Regelung ergibt, zur Folge hat, dass der Eigentümer oder Halter eines Sattelanhängers, der unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens beschädigt wird, von der Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs, das den Sattelanhänger gezogen hat, als sich der Unfall ereignete, keinen Ersatz für diese Schäden erhält. Diese Auslegung betrifft somit, vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen, den Umfang des Rechts der Geschädigten auf eine Entschädigung im Rahmen der zivilrechtlichen Haftung des Versicherten.

    34

    Infolgedessen ist als Zweites darauf hinzuweisen, dass aus den Erwägungsgründen der Richtlinie 2009/103 hervorgeht, dass diese, wie auch die ihr vorangehenden Richtlinien über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, zum einen den freien Verkehr sowohl der Kraftfahrzeuge mit gewöhnlichem Standort im Gebiet der Union als auch der Fahrzeuginsassen gewährleisten und zum anderen den Personen, die bei den durch diese Kraftfahrzeuge verursachten Unfällen geschädigt worden sind, unabhängig davon, an welchem Ort innerhalb der Union sich der Unfall ereignet hat, eine vergleichbare Behandlung garantieren soll (Urteile vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. September 2017, Delgado Mendes, C‑503/16, EU:C:2017:681, Rn. 35).

    35

    Die Richtlinie 2009/103 schreibt daher den Mitgliedstaaten vor, sicherzustellen, dass die Haftpflicht bei Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort im Inland durch eine Versicherung gedeckt ist, und gibt insbesondere an, welche Arten von Schäden diese Versicherung zu decken hat und welchen geschädigten Dritten sie Ersatz zu gewähren hat (Urteile vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. September 2017, Delgado Mendes, C‑503/16, EU:C:2017:681, Rn. 36).

    36

    Jedoch ist zwischen der Pflicht zur Deckung von Schäden, die Dritten durch Kraftfahrzeuge entstehen, durch die Haftpflichtversicherung auf der einen und dem Umfang ihrer Entschädigung im Rahmen der Haftpflicht des Versicherten auf der anderen Seite zu unterscheiden. Erstere ist nämlich durch die Unionsregelung festgelegt und garantiert, Letzterer hingegen im Wesentlichen durch das nationale Recht geregelt (Urteile vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. September 2017, Delgado Mendes, C‑503/16, EU:C:2017:681, Rn. 46).

    37

    Aus dem Zweck der Richtlinie 2009/103 und aus ihrem Wortlaut ergibt sich nämlich wie aus den von ihr kodifizierten Richtlinien, dass sie nicht die Haftpflichtregelungen der Mitgliedstaaten harmonisieren soll und dass es diesen beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nach wie vor freisteht, die Haftpflicht für Schäden aus Verkehrsunfällen mit Kraftfahrzeugen selbst zu regeln (Urteile vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. September 2017, Delgado Mendes, C‑503/16, EU:C:2017:681, Rn. 47).

    38

    Demnach steht es den Mitgliedstaaten in Anbetracht insbesondere des Art. 1 Nr. 2 der Richtlinie 2009/103 beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nach wie vor grundsätzlich frei, im Rahmen ihrer Haftpflichtvorschriften insbesondere zu regeln, welche von Kraftfahrzeugen verursachten Schäden zu ersetzen sind, welchen Umfang diese Entschädigung hat und welche Personen Anspruch darauf haben (Urteile vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 23. Januar 2014, Petillo, C‑371/12, EU:C:2014:26, Rn. 30).

    39

    Die Mitgliedstaaten sind jedoch verpflichtet, sicherzustellen, dass die nach ihrem nationalen Recht geltende Kraftfahrzeug-Haftpflicht durch eine Versicherung gedeckt ist, die mit den Bestimmungen der Richtlinie 2009/103 im Einklang steht (Urteile vom 23. Januar 2014, Petillo, C‑371/12, EU:C:2014:26, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. September 2017, Neto de Sousa, C‑506/16, EU:C:2017:642, Rn. 30).

    40

    Des Weiteren müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse in diesem Bereich das Unionsrecht beachten, und die nationalen Vorschriften über den Ersatz von Verkehrsunfallschäden dürfen die Richtlinie nicht ihrer praktischen Wirksamkeit berauben (Urteile vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 14. September 2017, Delgado Mendes, C‑503/16, EU:C:2017:681, Rn. 48).

    41

    Was die Deckung der nach nationalem Haftpflichtrecht zu ersetzenden Verkehrsunfallschäden durch die Pflichtversicherung angeht, so lässt Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2009/103 den Mitgliedstaaten zwar die Freiheit, die Schadensdeckung und die Modalitäten der Pflichtversicherung zu bestimmen, doch wird diese Freiheit durch die Richtlinie insoweit beschränkt, als mit ihr die Deckung bestimmter Schäden in bestimmter Mindesthöhe vorgeschrieben wurde. Zu diesen unter die Deckungspflicht fallenden Schäden gehören, wie in Art. 3 letzter Absatz der Richtlinie 2009/103 klargestellt ist, u. a. „Sachschäden“ (vgl. entsprechend Urteil vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 34 und 37).

    42

    Um dem vorlegenden Gericht in der vorliegenden Rechtssache eine sachdienliche Antwort zu geben, ist es jedoch nicht erforderlich, die Tragweite des Begriffs „Sachschäden“ gemäß Art. 3 letzter Absatz der Richtlinie 2009/103 zu bestimmen, sondern es genügt, zur Frage, welche Personen einen Anspruch auf den Ersatz von Sachschäden haben, festzustellen, dass sich zum einen nach Art. 1 Nr. 2 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie der mit ihr sicherzustellende Schutz auf jede Person erstreckt, die nach dem nationalen Haftpflichtrecht ein Recht auf Ersatz eines von einem Kraftfahrzeug verursachten Schadens hat (Urteil vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 42).

    43

    Zum anderen trifft es zwar zu, dass die Richtlinie 2009/103 in ihrem Art. 12 spezifische Kategorien von Unfallopfern aufführt und bestimmt, dass die Personenschäden der in den Abs. 1 und 2 des Artikels genannten Personen sowie die Personen- und Sachschäden der in Abs. 3 des Artikels genannten Kategorien von Personen – wenn sie nach einzelstaatlichem Zivilrecht einen Anspruch auf Schadenersatz haben – gedeckt sein müssen, und ebenso, dass mit dieser Richtlinie der Kreis der geschützten Personen nicht eingeschränkt werden soll, sondern sie im Gegenteil die Deckung von Schäden, die bestimmten als besonders schutzbedürftig geltenden Personen entstanden sind, vorgeschrieben hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 24. Oktober 2013, Drozdovs, C‑277/12, EU:C:2013:685, Rn. 43). Dennoch ist festzustellen, dass der Eigentümer oder Halter eines beschädigten Sattelanhängers unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen nicht zu den Kategorien von Unfallopfern gehört, für die die Richtlinie vorschreibt, dass die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung des unfallverursachenden Fahrzeugs die Deckung übernimmt.

    44

    Ferner trifft es zwar zu, dass der Gerichtshof mehrfach festgestellt hat, dass diese Bestimmungen, um die praktische Wirksamkeit der unionsrechtlichen Vorschriften über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung sicherzustellen, dahin auszulegen sind, dass sie nationalen Regelungen entgegenstehen, die diese praktische Wirksamkeit beeinträchtigen, indem sie das vom Unionsgesetzgeber beständig verfolgte und gestärkte Ziel, Verkehrsunfallopfer zu schützen, dadurch gefährden, dass sie den Anspruch des Opfers auf eine Entschädigung durch die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung von vornherein ausschließen oder unverhältnismäßig einschränken (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. September 2017, Delgado Mendes, C‑503/16, EU:C:2017:681, Rn. 38 und 49 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Dies ist jedoch bei der Auslegung einer nationalen Regelung wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, nicht der Fall.

    45

    Der Eigentümer oder Halter eines Sattelanhängers, der unter Umständen wie den im Ausgangsverfahren fraglichen beschädigt wurde, ist nämlich weder den Personen, die der Unionsgesetzgeber als besonders schutzbedürftig angesehen hat, gleichzusetzen, noch ähnelt er den Opfern, die eine solche Auslegung des Unionsrechts gerechtfertigt haben.

    46

    Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1, 2 und 4 in Verbindung mit Art. 1 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2009/103 dahin auszulegen ist, dass er einer Auslegung einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach der Sachschaden, den eine Sattelzugmaschine an einem Sattelanhänger, der bei dem Unfall an sie angekoppelt war, verursacht hat, nicht von der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine abgedeckt ist und folglich nicht ersetzt wird.

    Kosten

    47

    Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

     

    Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Fünfte Kammer) für Recht erkannt:

     

    Art. 3 Abs. 1, 2 und 4 in Verbindung mit Art. 1 Nrn. 1 und 2 der Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht ist dahin auszulegen, dass er einer Auslegung einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach der Sachschaden, den eine Sattelzugmaschine an einem Sattelanhänger, der bei dem Unfall an sie angekoppelt war, verursacht hat, nicht von der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung der Sattelzugmaschine abgedeckt ist und folglich nicht ersetzt wird.

     

    Unterschriften


    ( *1 ) Verfahrenssprache: Spanisch.

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